Guten Abend, liebe Geschwister, liebe Freunde!
Das Thema, das uns an zwei Abenden beschäftigt, lautet: Der prophetische Dienst im Wandel der Zeiten. Am Sonntag haben wir uns mit den Fragen beschäftigt: Was ist Prophetie? Was ist ein Prophet?
Heute Abend lautet das Thema: Prophetendienst heute. Ich hoffe, dass alle ein Blatt, ein Skript oder wenigstens einen Blick in das Skript des Nachbarn werfen können. Wer hat keines und kann auch nirgends hineinschauen? Ja, dann versucht doch irgendwie, dass ihr euch... Wunderbar, also das Problem ist lösbar.
Ohne diese Unterlagen ist es sicher sehr schwierig, folgen zu können, denn wir wollen uns mit vielen Schriftstellen auseinandersetzen.
Die Endzeit als heilsgeschichtlicher Rahmen
Prophetendienst heute
Das erfordert zunächst eine Definition dessen, was heute in heilsgeschichtlicher Hinsicht gemeint ist. Auf dem Blatt steht die Behauptung „heute gleich Endzeit“. Ich bin daher der Überzeugung, dass wir in der sogenannten Endzeit heilsgeschichtlich stehen.
Drei wichtige Argumente sprechen dafür, wobei es noch viele weitere gibt.
Die Endzeit ist nach der Bibel die Zeit der Rückführung des jüdischen Volkes in das Land der Väter. Dies ist beispielsweise in Hesekiel 38 nachzulesen. Dort erscheint der Ausdruck „am Ende der Jahre“ als ein Begriff für die Endzeit. Es wird beschrieben, dass in dieser Zeit ein Feind Israel angreifen wird. Dabei ist Israel das Volk, das aus vielen Völkern gesammelt ist, in das Land, das lange Zeit verödet war. Es ist herausgeführt aus den Völkern. Das ist die Endzeit, und sie hat gewissermaßen bereits begonnen.
Bereits im letzten Jahrhundert fand die erste jüdische Einwanderung statt, nämlich im Jahr 1882. Dieser Prozess der Wiederherstellung des jüdischen Volkes, seines Staates und seines Landes ist also ein Prozess, der in diese Periode der letzten Tage, der Endzeit, hineinfällt. Diese Erfüllung der Prophetie können wir heute vor unseren Augen beobachten.
Weiterhin wird in 2. Timotheus 3 die Christenheit in der Endzeit beschrieben. Dort finden wir den Ausdruck „in den letzten Tagen“. Es wird ein massiver moralischer Zerfall und eine durchgreifende Verführung angekündigt. Auch das trifft in unserer Zeit sehr zu und ist ohne Parallele in der gesamten Kirchengeschichte der fast zweitausend Jahre.
In 2. Petrus 3 wird ebenfalls über die letzten Tage gesprochen. Dort sagt Petrus aus, dass Spötter kommen werden, die nicht mehr an die Schöpfungsgeschichte und an den Sintflutbericht der Bibel glauben. Bis dahin glaubten praktisch alle Wissenschaftler in Europa an die Glaubwürdigkeit von 1. Mose 1 und 1. Mose 6 bis 9. Erst im Laufe des letzten Jahrhunderts wurde dies zunehmend geleugnet und durch die Evolutionslehre ersetzt.
Die Endzeit ist also keine Zeitspanne von nur ein paar Jahren oder Jahrzehnten, sondern sie hat deutlich bereits im letzten Jahrhundert begonnen. Wir befinden uns daher schon in einer fortgeschrittenen Phase der Endzeit.
Dauer und Bedeutung prophetischer Gaben heute
Nun zum nächsten Punkt: die Behauptung, Prophetie sei eine Gabe, die bis zur Entrückung der Gemeinde bleibt.
Im Neuen Testament können wir zwischen temporären und permanenten Gaben unterscheiden. Temporäre Gaben sind solche, die nur für eine bestimmte Zeit gegeben waren. Permanente Gaben hingegen bleiben bis zur Wiederkunft Christi, also bis zur Entrückung der Gemeinde.
Ein Beispiel für eine temporäre Gabe ist die Gabe des Apostels. In 1. Korinther 12,28 heißt es, Gott habe bestimmte Personen als Apostel in der Gemeinde eingesetzt. Diese Gabe beschränkte sich auf die zwölf Apostel, die eine besondere Gabe und Autorität hatten, verbunden mit der Grundlegung der Gemeinde. Die zwölf Apostel waren speziell für Israel bestimmt, entsprechend den zwölf Stämmen. Paulus hatte als Apostel der Völker eine besondere Autorität im Blick auf die nichtjüdischen Menschen, die zum Glauben kommen und in die Gemeinde integriert werden sollten. Diese Gabe war temporär, denn die Apostel sind gestorben, und damit ist diese Gabe erloschen.
Es gibt aber auch Gaben, die bis zur Wiederkunft Christi bleiben. Dazu lesen wir in 1. Korinther 13,8 und folgende: "Die Liebe vergeht nimmer. Seien es aber Prophezeiungen, sie werden weggetan werden, seien es Sprachen, sie werden aufhören, sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden. Denn wir erkennen stückweise, und wir prophezeien stückweise. Wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, so wird das, was stückweise ist, weggetan werden. Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich ein Mann wurde, tat ich weg, was kindisch war. Denn wir sehen jetzt durch ein Glas undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht; jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe."
Die Schwierigkeit in diesem Abschnitt besteht darin, dass bibeltreue Ausleger unterschiedliche Ansichten über die Bedeutung von "wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird" haben. Einige sagen, das Vollkommene sei erreicht, wenn der Kanon der Bibel abgeschlossen ist. Der Kanon bezeichnet die Bücher, die ausdrücklich zur Heiligen Schrift gehören, also die Bücher des Alten und Neuen Testaments. Demnach wäre das Vollkommene mit der Hinzufügung der letzten Bücher des Neuen Testaments durch den Apostel Johannes gekommen.
Andere Ausleger hingegen meinen, das Vollkommene beziehe sich auf die Entrückung der Gemeinde, also die Wiederkunft Christi. Dann werde das Vollkommene kommen, weil wir nicht mehr stückweise erkennen, sondern eine vollkommene Erkenntnis erhalten werden. So heißt es ja auch: "Jetzt erkennen wir stückweise, prophezeien stückweise, und wenn das Vollkommene kommt, wird das Stückweise weggetan werden."
Ich bin überzeugt, dass diese zweite Auslegung dem Text besser entspricht, und zwar aus folgendem Grund: Es geht hier nicht darum, dass die objektive Offenbarung Gottes, also die Schrift, vollkommen abgeschlossen ist. Vielmehr geht es um unsere subjektive Fähigkeit, erkennen zu können. Das ist etwas ganz anderes.
Der Text spricht von unserer eigenen subjektiven Erkenntnis, die stückweise ist. Der griechische Ausdruck bedeutet "Stück für Stück". Das heißt, wir können nur einzelne Teile betrachten, nicht das Ganze im vollen Zusammenhang sehen. Auch über die Bibel können wir nur so sprechen, dass wir immer nur Stück für Stück verstehen.
Wenn aber das Vollkommene kommen wird, dann wird diese stückweise Erkenntnis und die stückweise Weitergabe von Erkenntnis weggetan werden. Paulus vergleicht das mit dem Aufwachsen: Als Kind spricht man wie ein Kind, denkt wie ein Kind. Wenn man erwachsen wird, legt man das kindische Denken ab. Auch hier geht es subjektiv um das Denken des Menschen als Kind und später als Erwachsener. Paulus verwendet den Ausdruck "weggetan werden" im Zusammenhang mit dem Vollkommenen und der Entrückung.
Was wird also weggetan? In Vers 8 heißt es: "Seien es aber Prophezeiungen, sie werden weggetan werden; seien es Sprachen, sie werden aufhören; sei es Erkenntnis, sie wird weggetan werden."
Auf meinem Blatt habe ich vermerkt, dass das griechische Wort für "weggetan" Katargeo ist. Es ist ein sehr starkes Wort, das "vernichten" oder "abschaffen" bedeutet. Es drückt auch das plötzliche und unmittelbare Hinwegtun einer Sache aus.
Im Gegensatz dazu wird bei den Sprachen das Wort Pauo verwendet, das "abklingen" oder "sich beruhigen" bedeutet. Ich habe auf Apostelgeschichte 20,1 verwiesen, wo von einem Tumult in Ephesus die Rede ist, der sich dann beruhigt hat. So soll sich auch die Gabe der Sprachen beruhigen, das heißt, sie werden nicht plötzlich weggetan, sondern klingen allmählich ab.
Daraus kann man ableiten, dass die Gabe der Sprachen zu einem früheren Zeitpunkt verklingen wird als die Entrückung. Über den genauen Zeitpunkt sagt die Bibel aber nichts aus. Sicher ist nur, dass die Sprachen nicht bis zur Entrückung bleiben.
Und darum geht es uns heute Abend: Prophezeiungen werden weggetan werden, Erkenntnis wird weggetan werden, eben dann, wenn das Vollkommene gekommen sein wird. So wird das, was stückweise ist, weggetan werden – immer mit dem Wort Katargeo.
Daraus schließen wir, dass die Gabe der Prophetie bis zur Entrückung der Gemeinde bleiben wird. Dann wird sie weggetan werden. Sie verklingt also nicht, wie zum Beispiel die Gabe der Apostel. Diese ist mit dem Tod der Apostel erloschen. Die Gabe der Prophetie bleibt bis zur Entrückung erhalten.
Propheten in kanonischer und nachkanonischer Zeit
Unter dem nächsten Punkt unterscheiden wir zwischen Propheten in der kanonischen und der nachkanonischen Zeit.
Die kanonische Zeit umfasst die Periode, in der das Neue Testament entstanden und vollendet worden ist. Propheten, die in dieser Zeit gelebt haben, gehören zur kanonischen Zeit.
Die nachkanonische Zeit beginnt mit der letzten Schrift von Johannes in der Bibel, die am Ende des ersten Jahrhunderts verfasst wurde. Diese Zeitspanne reicht bis in die Gegenwart.
Propheten in der kanonischen Zeit
Nun einige Worte über die Propheten in kanonischer Zeit. Wir haben bereits am Sonntag diese Stelle näher betrachtet, in Epheser 2,20, wo es heißt, dass die Gemeinde auf dem Fundament aufgebaut ist, das durch die Apostel und Propheten gelegt worden ist. Hier sind die neutestamentlichen Propheten gemeint. Wären es die alttestamentlichen Propheten, könnte man eher erwarten, dass das Wort „Propheten“ zuerst genannt wird, also „die Propheten und die Apostel“. Dieser Fall kommt tatsächlich vor: In 2. Petrus 3 ruft Petrus dazu auf, der Worte der Propheten zu gedenken und dann auch der Worte der Apostel. Dabei verweist er zurück auf das prophetische Wort des Alten Testaments und die neutestamentliche Offenbarung durch die Apostel.
Hier aber ist das Fundament der Gemeinde gelegt durch die Apostel und Propheten. In der Schrift finden wir das besonders bei den Bibelschreibern. Einige von ihnen waren Apostel, wie Matthäus, Johannes, Paulus und Petrus. Andere waren keine Apostel, aber ebenfalls Bibelschreiber, zum Beispiel Markus, Lukas, Judas und Jakobus. Diese Art von Propheten hatten die Aufgabe, die Grundlage für die Gemeinde Gottes zu legen.
Es ist ganz wichtig – das weiß jeder Architekt, aber auch jedes Kind: Das Fundament legt man nur einmal und am besten unten, nicht oben. Dennoch kennen wir es, dass es Leute gibt, die gerne das Fundament am Ende, gegen den Giebel hin, nochmals setzen möchten. Das nennt man dann Neuapostel. Architektonisch ist das natürlich eine gefährliche Sache. Ich rate davon ab: Lassen wir das Fundament der Apostel und Propheten ganz unten. Seien wir Steine, aufgebaut auf diesem einen Grund, der durch niemanden ersetzt werden kann. Dieser eine Grund ist nach 1. Korinther 3 Jesus Christus selbst.
Im Neuen Testament finden wir auch die Rede davon, wie die Offenbarung zur Vollendung kommt. Paulus, der Mann, der die meisten Bücher zum Neuen Testament beigetragen hat – je nach Zählung dreizehn oder vierzehn von siebenundzwanzig Büchern (ich will mich heute nicht auf das Thema einlassen, wer den Hebräerbrief geschrieben hat) –, schreibt in Kolosser 1,26 über ein Geheimnis. Dieses Geheimnis war von den Zeitaltern und Geschlechtern her verborgen. In Vers 25 sagt er in Verbindung mit diesem Geheimnis, dass er die Aufgabe erhalten hat, in Bezug auf die Gemeinde das Wort Gottes zu vollenden – ein ganz interessanter Ausdruck. Man kann es auch übersetzen mit „voll zu machen“ oder „auf sein Vollmaß zu bringen“. So hat Paulus tatsächlich einen sehr großen Teil der Offenbarung im Neuen Testament schriftlich beigetragen.
Die allerletzten Beiträge hat Johannes verfasst. Ausgerechnet er schreibt in Offenbarung 22, am Schluss dieser gewaltigen Vision von Patmos, Vers 18: „Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buchs hört: Wenn jemand zu diesen Dingen noch etwas hinzufügt, wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buch geschrieben sind. Und wenn jemand von den Worten des Buchs dieser Prophetie wegnimmt, wird Gott seinen Teil wegnehmen vom Baum des Lebens und aus der heiligen Stadt, die in diesem Buch geschrieben sind.“
Welches ist das letzte Buch des Neuen Testaments? Das ist eine gute Frage. Es ist nicht eindeutig die Offenbarung. Die Überlieferungen sind nicht so genau. Es könnte auch das Johannesevangelium sein, aber jedenfalls Schriften von Johannes. Der Unterschied ist, dass im Johannesevangelium Johannes keine neuen Offenbarungen gebracht hat, sondern das, was der Herr Jesus durch sein Kommen bereits geoffenbart hatte. Die letzten Neuoffenbarungen sind mit dem Buch der Offenbarung gegeben worden.
Das verleiht dem Ganzen noch mehr Gewicht, wenn es heißt: „Ich warne jeden, der jetzt noch zu diesem Buch der Prophetie etwas hinzufügt.“ Das bedeutet nicht nur, zu diesem Buch einen Anhang zu machen. Letztlich heißt es: Wer zur biblischen heilsgeschichtlichen Selbstoffenbarung Gottes in der Schrift noch etwas hinzufügt, hat mit Gottes Gericht zu rechnen.
Ein weiterer Punkt ist, dass wir im Neuen Testament Prophetie finden, die sich auf die Zeit der Gnade, die Zeit der Gemeinde bezieht – also auf den Ablauf der vergangenen zweitausend Jahre. Diese Prophezeiungen sind uns gegeben, um diese Zeitperiode heilsgeschichtlich zu verstehen. Zum Beispiel finden wir in Offenbarung 2 und 3 die sieben Sendschreiben. Das waren Briefe an sieben Gemeinden am Ende des ersten Jahrhunderts. Weil die Offenbarung ein durchgehend prophetisches Buch ist, haben diese Briefe auch eine übertragene prophetische Bedeutung. Man kann sehr überzeugend zeigen, wie sie auf sieben Epochen in der Kirchengeschichte übertragbar sind – von Anfang bis zum Ende dieser Zeitperiode.
Als Mittelschüler habe ich mir einmal den Spaß erlaubt, zu überlegen, wie viele Möglichkeiten Johannes gehabt hätte, die Sendschreiben falsch anzuordnen. Die Reihenfolge entspricht genau dem Ablauf der Kirchengeschichte. Es ist ja ein Kinderspiel: sieben Fakultät, also 7! Wenn man es nicht im Kopf kann, kann man es auf dem Rechner ausrechnen. Es gibt 5040 Möglichkeiten, die sieben Sendschreiben anzuordnen. Zum Beispiel könnte man am Anfang statt Ephesus Smyrna setzen und dann Ephesus, oder am Anfang Laodizea und dann Thyatira, und so weiter. Ich will jetzt nicht alle Möglichkeiten aufzählen, sonst wird es wieder so lang wie bei der Einleitung am Sonntag, wo wir die Begriffsdefinition gemacht haben. Also 5039 falsche Möglichkeiten, aber es ist genau die richtige Reihenfolge.
In Matthäus 13 finden wir die Gleichnisse vom Reich der Himmel. Sie geben ebenfalls eine prophetische Schau des Herrn Jesus selbst über die Entwicklung in der Christenheit. Das hat sich ganz eindrücklich so erfüllt.
Ein weiteres Beispiel: 1. Timotheus 4 spricht über die späteren Zeiten. Wenn in Ihrer Bibel steht „die letzten Zeiten“, dann haben Sie an dieser Stelle eine falsche Übersetzung. Es gibt verschiedene deutsche Übersetzungen; schauen Sie in einer besseren nach. Dort steht wörtlich übersetzt: „In späteren Zeiten werden falsche Lehren kommen, die dazu aufrufen, nicht zu heiraten, die das Heiraten verbieten und das Enthalten von Speisen gebieten.“ Das ist Askese und Zölibat. Das kam tatsächlich in späteren Zeiten auf – von Paulus aus gesehen ungefähr ab dem Jahr 300 n. Chr. wurde das in der Kirchengeschichte immer mehr verbreitet. Diese Lehren werden als Lehren von Dämonen bezeichnet.
Das ist aber nicht die Endzeit, sondern spätere Zeiten. Der 2. Timotheusbrief beschäftigt sich speziell mit den letzten Tagen. Kapitel 3, Vers 1 spricht von „den letzten Tagen“ und beschreibt eindrücklich den moralischen Zustand der Christenheit – nicht des Heidentums. Diese Dinge gab es im Heidentum schon längst, wie Paulus in Römer 1 beschrieben hat. Hier sind sie für die Christenheit in den letzten Tagen beschrieben.
Der 2. Petrusbrief, der 1. Johannesbrief und der Judasbrief beschäftigen sich ganz ausdrücklich mit dieser letzten Phase der Kirchengeschichte und geben Verhaltensanweisungen. Wenn jemand denkt, er müsste noch neue Offenbarungen bringen, wie man sich in der Endzeit verhalten soll, kann man ihm sagen: Das haben wir schon. Seit zweitausend Jahren steht das in der Bibel. Wir brauchen nichts Neues.
Ein Wort noch zu den Propheten in kanonischer Zeit: Im Neuen Testament finden wir manche Visionen, Träume und Prophezeiungen. Ich habe hier keine vollständige Auflistung, aber einige gewichtige Beispiele.
Zum Beispiel die Vision von Petrus auf dem Dach bei Joppe (in Ihrer Bibel vielleicht Tel Aviv genannt). Apostelgeschichte 10 und 11 berichtet darüber. Das war keine nebensächliche Sache, wie wenn jemand einen Bleistift verliert und dann eine Vision bekommt, wo der Bleistift ist. Nein, es ging um heilsgeschichtlich hochbedeutsame Ereignisse. Dort machte Gott dem Juden Petrus klar, dass er jetzt die Heiden annimmt, ohne dass sie zuerst Juden werden. Das war damals im Judentum unakzeptabel. Das Judentum war zu dieser Zeit sehr missionarisch ausgerichtet. Auch die Pharisäer unternahmen Missionsreisen, aber sie forderten, dass die Menschen Juden werden, also Proselyten.
Das Neue hier ist: Gott zeigt Petrus durch diese Vision, dass das nicht mehr nötig ist. Er nimmt die Heiden an, wenn sie zum Glauben kommen, so wie sie sind. Sie brauchen keinen Übertritt zum Judentum, sondern werden Glieder der Gemeinde Gottes, die weder jüdisch noch heidnisch ist, sondern christlich.
Ein weiteres Beispiel ist Apostelgeschichte 12, wo Petrus im Gefängnis ist und auf überwältigende Weise durch einen Engel befreit wird. Auch diese übernatürliche Erscheinung hat heilsgeschichtlich große Bedeutung. Dort steht, dass Jakobus ermordet wurde. Herodes wollte auch Petrus töten, aber Petrus wurde befreit, Jakobus nicht. Warum war Petrus’ Befreiung so wichtig?
Matthäus 17 berichtet, dass der Herr Jesus mit drei Jüngern – Petrus, Jakobus und Johannes – auf den Berg der Verklärung ging. Diese drei wurden Zeugen, dass Jesus der Messias ist, der in Zukunft in Herrlichkeit herrschen wird. Das war eine große Hoffnung, denn sie erwarteten, dass er Israel vom Joch der Römer befreien und die Weltherrschaft antreten würde. Es kam anders.
Darum gab der Herr diesen drei Jüngern auf dem Berg eine Erfahrung als Unterpfand: Das Reich in Herrlichkeit wird noch kommen. Sie sahen es dort, drei Zeugen! Nach jüdischem Gesetz muss jede Sache vor Gericht durch mindestens zwei oder drei Zeugen bewiesen werden. Sie durften aber nichts davon erzählen bis zur Auferstehung. Danach erzählten sie es.
Dann ermordete Herodes Jakobus. Es blieben nur noch zwei Zeugen von diesem Ereignis. Der nächste Zeuge, Petrus, sollte auch dran sein. Doch Gott sagte: Stopp! Mindestens zwei Zeugen brauche ich noch für einige Jahre. Deshalb wurde Petrus durch dieses heilsgeschichtlich bedeutsame Ereignis befreit.
Wir finden dreimal die Bekehrungsgeschichte von Paulus in Apostelgeschichte 9, 22 und 26. Es war eine gewaltige Vision, ein außergewöhnliches Ereignis. Es war nicht der gewöhnliche Weg, wie Menschen damals zum Glauben kamen. Paulus war ein besonderes Gefäß, denn er sollte, wie die zwölf Apostel für Israel, Apostel für alle anderen Völker sein. Deshalb musste er spezielle visionäre Erfahrungen machen.
Weiter finden wir in Apostelgeschichte 16 eine Reihe spezieller Offenbarungen, die Paulus bezüglich seiner Missionsreisen erhielt. Dadurch wurde er geführt, nach Philippi zu gehen, und damit war er zum ersten Mal in Europa. Das ist für Europäer etwas ganz Besonderes. Dass Paulus in die richtige Richtung nach Europa kam, wurde durch diese visionären Führungen bewirkt.
Wenn es um die letzte Missionsreise in der Apostelgeschichte geht, die Reise zum Zentrum des damaligen römischen Weltimperiums, finden wir in Apostelgeschichte 21,10 die Prophetie von Agabus. In Kapitel 23, Vers 11, erscheint der Herr in der Nacht dem Paulus und macht ihm Mut. So wie Paulus in Jerusalem Zeugnis abgelegt hat, soll er das auch vor dem verrückten Kaiser Nero in Rom tun.
Auf der Schiffsreise, Apostelgeschichte 27, Vers 23 bis 26, erscheint ein Engel Gottes an Paulus und macht ihm Mut, dass die Reise ihr Ziel erreichen wird. Er wird vor dem Kaiser stehen und den Auftrag erfüllen, das Evangelium auch vor Königen und sogar vor dem König der Könige zu verkünden.
Propheten in der nachkanonischen Zeit
Jetzt wenden wir uns dem Thema der Propheten in der nachkanonischen Zeit zu. Am Sonntag haben wir, so hoffe ich, deutlich gesehen, dass Propheten in der Bibel allgemein Menschen sind, die das Volk Gottes zur Rückkehr zum Herrn und zu seinem geschriebenen Wort aufrufen.
Ich habe auf den Ausdruck in Matthäus 22, Vers 40 verwiesen, wo das Alte Testament als „das Gesetz und die Propheten“ bezeichnet wird. Damit ist die Tora, die fünf Bücher Mose, gemeint. Sie bilden das Fundament der ganzen Bibel. Im Kern ist dort eigentlich schon alles enthalten, und was wir später haben, ist eine Entfaltung davon.
So werden alle übrigen Bücher des Alten Testaments als Propheten bezeichnet, also auch das Buch Josua, Richter, Ruth und so weiter. Auch das Buch Esther, in dem der Name Gottes nie vorkommt, zählt zu den prophetischen Büchern. Der Zweck dieser Bücher ist es, das Volk immer wieder zur Tora und damit zum geschriebenen Wort Gottes zurückzuführen.
Immer wenn das Volk abfiel, mussten Propheten kommen, um es zur Schrift zurückzuführen. Das ist ein ganz bedeutsames Kennzeichen eines Propheten: Er führt zu Gott und zu seinem geschriebenen Wort zurück.
Wichtig ist auch, dass Propheten, ganz allgemein, sowohl in kanonischer als auch in nachkanonischer Zeit, grundsätzlich geprüft werden müssen. In 1. Korinther 14, Vers 29 heißt es für die Gemeinde in Korinth: „Lasst zwei oder drei Propheten reden, die übrigen aber sollen urteilen.“ Die Gemeinde soll also beurteilen, ob eine Botschaft von Gott stammt oder nicht.
In 1. Johannes 4, Vers 1 heißt es: „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen.“ Interessant ist hier die Aufforderung, die Geister zu prüfen. Das bedeutet nicht, die Personen zu prüfen. Es spielt keine Rolle, ob ein falscher Prophet eine sehr freundliche, einnehmende oder charismatische Persönlichkeit ist. Das ist unerheblich.
Entscheidend ist, die Geister zu prüfen, also die Wirkung, die von jemandem ausgeht. Wir sollen feststellen, ob diese Wirkung von Gott kommt oder nicht. Das ist die Prüfung, zu der wir aufgerufen sind.
Umso mehr ist dies wichtig, als der Herr selbst bereits in der Bergpredigt ankündigt, dass viele falsche Propheten kommen werden. In Matthäus 7, Vers 15 warnt er: „Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen; inwendig aber sind sie reißende Wölfe.“
Kennzeichen falscher Propheten
Propheten im Schafskleid
Propheten im Schafskleid
Der Ausdruck „Wölfe im Schafspelz“ ist ein geflügeltes Wort. Doch woher stammt diese Redewendung eigentlich?
Für Propheten in Israel war es üblich, dass sie in Schafsfell oder auch in Ziegenhaar gekleidet waren. Johannes der Täufer trug beispielsweise einen Kamelhaarmantel. Dieses Fellkleid der Propheten war sehr typisch. Es diente auch als gutes Mittel für falsche Propheten, denn niemand würde sagen: „Hört mal zu, liebe Freunde, ich bin ein reißender Wolf.“ Stattdessen konnten sie sich äußerlich so geben, wie man es von Propheten Gottes gewohnt war – eben im Schafskleid.
Schon im Alten Testament traten falsche Propheten auf. Der Herr warnt hier aber für die Zukunft davor. Was machen Wölfe? Sie reißen die Herde. Und wie geschieht das? In Apostelgeschichte 20,28 wird beschrieben, wie Wölfe in die Gemeinde Gottes eindringen und die Herde nicht schonen. Sie kommen von außen und treiben die Schafe auseinander. Das führt zu Zerstreuung und Zersplitterung unter den Gläubigen – ein Werk falscher Propheten.
Man könnte einwenden: „Meine Schafherde zu Hause reagiert ganz anders. Wenn ich so hinter dem Busch hervorkomme wie ein Wolf und dann ‚Waaah!‘ mache, dann gehen sie zusammen!“ Das mag an der Schafszucht liegen, die das so beigebracht hat. Es gibt noch eine wilde Schafsart, die den biblischen Instinkt bewahrt hat. Wenn man dort dasselbe Spiel macht und hinter dem Busch hervorkommt, gehen die Schafe auseinander. Das sind die biblischen Schafe: Sie fliehen, wenn Gefahr droht.
Daher zerstreuen und zersplittern diese reißenden Wölfe die Gläubigen – das ist ihr Kennzeichen. Darum sagt der Herr in Vers 16: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Und dann in Vers 21 möchte ich noch vorlesen: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Reich der Himmel eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist.“
In meiner Bibel habe ich das erste Wort besonders angestrichen: Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: „Herr, Herr, haben wir nicht durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan?“ Und dann werde ich ihnen bekennen: „Ich habe euch niemals gekannt, weichet von mir, ihr Übeltäter!“
Der Schock für mich ist das Wort „viele“, nicht nur einige. Viele werden also kommen und sagen, sie hätten in seinem Namen prophezeit, Dämonen ausgetrieben und viele Wunder vollbracht. Doch der Herr sagt: „Ich kenne euch gar nicht.“ Wo sind diese vielen in der vergangenen Kirchengeschichte gewesen? Es werden viele sein.
Der Herr schließt seine Bergpredigt damit ab, dass er sagt: Der kluge Mann baut sein Haus auf den Felsen, der Dumme auf den Sand. Wenn dann Probleme von außen kommen, wie ein Sturm, fällt das Haus auf dem Sand zusammen, aber das auf dem Felsen bleibt stehen.
Am Sonntag haben wir uns damit beschäftigt, dass dieses Fundament, das die Apostel und Propheten gelegt haben, niemand anderes ist als der Fels Christus. Wer also auf dem Fundament der biblischen Apostel, Propheten und der Schrift aufgebaut hat, besitzt ein festes Fundament – auch im Blick auf falsche Propheten, die in großer Zahl kommen sollten.
Hier habe ich noch Matthäus 24,11 angegeben. Der Herr sagt speziell für die Endzeit voraus, dass viele falsche Propheten kommen werden. In der Endzeit wird es also eine Konzentration solcher Menschen geben – im Gegensatz zur gesamten Kirchengeschichte.
Dann 2. Timotheus 3,8: Der Apostel Paulus beschreibt die letzten Tage in der Christenheit mit einem ethischen Totalzerfall. Er sagt, wie die Verführer sein werden: „Gleichwie Jannes und Jambres Mose widerstanden“ (Vers 8). Diese Menschen widersetzen sich der Wahrheit, sind verdorben in ihrer Gesinnung und unbewehrt im Glauben.
Wer waren Jannes und Jambres? Diese Namen kommen nicht im Alten Testament vor, sondern werden in der jüdischen rabbinischen Literatur als Namen der Zauberer überliefert, die Mose in Ägypten Widerstand leisteten. Sie imitierten die Wunder Gottes so gut sie konnten, auch wenn das nicht immer ganz gelang, um damit zu verführen.
Wenn ich auf einer kleinen Insel in Ozeanien aufgewachsen wäre und nur eine Bibel gehabt hätte, hätte ich anhand dieser Bibelstelle gewusst, dass in den letzten Tagen eine Bewegung solcher Menschen kommen wird, die die Wunder Gottes nachahmen, aber letztlich Verführer sind.
In Vers 13 heißt es weiter: „Böse Menschen aber und Gaukler werden im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden.“ Der Ausdruck „Gaukler“ ist heute etwas veraltet. Das griechische Wort „Goēs“ bezeichnet einen Wundertäter, kann aber auch einen Gaukler meinen, der Wunder vortäuscht, ohne sie wirklich zu können. Es kann aber auch ein echter Wundertäter sein.
Paulus sagt in Bezug auf die letzten Tage, dass es Wundertäter geben wird, die im Bösen fortschreiten. Das bedeutet, es wird eine Entwicklung geben, die in Wellen verläuft, die an Stärke zunehmen. Sie verführen und werden selbst verführt. Das heißt, die Verführer können auch selbst Verführte sein. Es ist also nicht so, dass die Verführten denken: „Haha, hier habe ich schön reingelegt.“ Vielmehr sind auch die falschen Propheten selbst überzeugt, dem Volk Gottes zu dienen. Sie verführen und werden selbst verführt.
Dann kommt das eingreifende „Du aber“ in Vers 14: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast. Und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögen, dich weise zu machen zur Rettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist.“
Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre usw. Paulus sagt also: „Du aber“ – als einzigen Ausweg – „bleibe in dem, was du gelernt hast.“ Du kennst von Kind auf die heiligen Buchstaben – so steht es wörtlich im Griechischen – die heiligen Schriften.
War Paulus so buchstabengläubig? Ja, in diesem Fall hing er an den Buchstaben. Ohne Buchstaben gibt es keine Schrift. Wenn man so abschätzig über die Buchstaben denkt, könnte man mal alle Buchstaben in der Bibel auslassen und schauen, wie viel Geist dann noch übrig bleibt. Mit einer Computerbibel kann man das gut ausprobieren.
Die heiligen Buchstaben braucht es, damit die Botschaft Gottes übermittelt wird.
In 1. Petrus 2,1 finden wir ebenfalls eine eindrückliche Prophetie: Genauso wie es damals unter Israel falsche Propheten gab, so wird es auch unter den Christen falsche Lehrer geben.
1. Johannes 4,1 haben wir schon gesehen. Auch 5. Mose 13 ist wichtig. Dort spricht Mose über falsche Propheten und sagt: Wenn ein Prophet kommt und dir etwas voraussagt – ein Zeichen – und das trifft ein, aber er sagt: „Komm, wir gehen anderen Göttern nach“, dann darfst du ihm keine Ehrfurcht erweisen. Er ist ein falscher Prophet.
Das heißt, wenn ein Prophet uns auf den Kopf zusagen kann, was in unserem Leben falsch ist, ohne uns zu kennen, ist das noch kein Beweis, dass er ein Prophet Gottes ist. Auch wenn er richtige Aussagen macht, ist das kein Beweis dafür, dass er ein richtiger oder falscher Prophet ist. Seine Lehre muss mit der Schrift übereinstimmen. Wenn in seiner Lehre falsche Lehren auftauchen, müssen wir keine Ehrfurcht vor ihm haben.
In 5. Mose 18,21-23 wird gezeigt, dass ein Prophet Gottes immer richtige Aussagen machen muss. Wenn er als Prophet irrt, ist er ein falscher Prophet. Es sind also hundertprozentige Treffer bei den Voraussagen gefordert. Wenn er 99 Prozent Sicherheit hat und dennoch falsche Aussagen macht, ist das nicht menschlich zu entschuldigen, sondern er ist ein falscher Prophet. In Israel musste ein solcher Prophet gesteinigt werden.
Man kann sich fragen, was die Entsprechung im Neuen Testament ist. Dort gibt es keine Steinigung. Interessanterweise wird das, was in Israel Steinigung war, in 1. Korinther 5 am Schluss von Paulus wieder aufgegriffen – zitiert nach der Septuaginta, der griechischen Übersetzung. Dort heißt es: „Du sollst das Böse von euch selbst hinausschaffen.“ Das ist Gemeindezucht. Die Steinigung entspricht also der Gemeindezucht im Neuen Testament für einen falschen Propheten.
Noch etwas: In Jeremia finden wir wiederholt, dass die falschen Propheten zu seiner Zeit viel über Schalom, über Frieden sprachen. Sie sagten stets: „Frieden, Frieden, Schalom, Schalom.“ Dabei herrschte keine wahre Ruhe, sondern die Lage war ganz anders. Die Leute hörten aber lieber diese Worte als das, was Jeremia verkündete.
Wichtig ist zu wissen, dass Schalom vieles bedeutet: auf Deutsch Frieden, aber auch Wohlfahrt, Wohlstand und Überfluss. In diesem Wort steckt alles drin. Falsche Propheten verkündigen daher gerne Wohlstand oder ein Wohlstandsevangelium, wie man heute sagen würde.
Die Bedeutung der Schrift und des Heiligen Geistes
Wozu hat Gott uns die Schrift gegeben? Gott hätte ja auch zu jedem von uns immer wieder persönlich durch Visionen und Offenbarungen sprechen können. Dann bräuchten wir gar keine Bibel. Das wäre praktisch, da könnte man sogar Zeit sparen am Morgen. Allerdings käme die Stimme oder die Schau dann immer tagsüber plötzlich und unerwartet.
Warum hat Gott das nicht so getan? Warum hat er überhaupt eine Schrift schreiben lassen? Warum ist Gott ein Gott der Schrift?
Es ist ehrfurchtgebietend, wenn man davon liest, wie Gott sogar eigenhändig die zehn Worte in die Tafeln eingeschrieben hat. Diese zehn Worte fassen die ganze Tora zusammen, die Grundlage der Bibel. Warum hat Gott das getan?
Weil uns das hilft, möglichst objektiv über subjektive Erfahrungen urteilen zu können. Sonst könnte jeder kommen und sagen: „Mir hat Gott das gesagt!“ Und dann sagt ein anderer: „Nein, das stimmt nicht, mir hat Gott etwas anderes gesagt.“ Dann könnte man antworten: „Ich bin schon länger gläubig als du.“ Oder es gäbe überhaupt keinen Maßstab.
Darum hat Gott uns die Schrift gegeben: damit wir überhaupt jede andere Meinung und Offenbarung beurteilen können. Ich habe gesagt: möglichst objektiv. Denn wir wissen, wie es für uns alle ist: Wir sind alle subjektiv. Wir laufen alle Gefahr, unsere eigenen Gedanken hineinzulesen und das herauszufiltern, was uns am besten passt.
Es ist aber schon einmal etwas, wenn wir uns dieser Gefahr bewusst sind und auch selbstkritisch bleiben. Dann versuchen wir wirklich, das zu lesen, was da steht. So haben wir möglichst viele gute Voraussetzungen, um objektiv über subjektive Erfahrungen zu urteilen.
Unsere persönlichen Erfahrungen müssen immer dem geschriebenen Wort unterstellt sein. Das heißt, wir beurteilen sie im Licht der Schrift und nicht die Schrift im Licht unserer Erfahrungen und Erlebnisse.
Die Gemeinde als weissagendes Volk
Mein bekanntes Problem ist, dass die Stunde immer schneller vergeht als der Vortrag. Nun wollen wir aber doch dazu kommen, um zu sehen: Die Gemeinde Gottes ist ein weissagendes Volk.
Mose äußerte den Wunsch in 4. Mose 11,29, als siebzig Älteste weissagen konnten, dass doch das ganze Volk des Herrn Propheten sein möchte. Das hat es nie in Israel gegeben, und Gott hat das realisieren wollen oder realisiert in der Gemeinde.
Wir müssen jetzt folgende Punkte sehen: Alle, die zur Gemeinde Gottes gehören durch Wiedergeburt und durch Glauben, Buße und Wiedergeburt, besitzen den Geist Gottes bleibend und innewohnend.
In Epheser 1,13-14 sagt Paulus den Ephesern, diesen nichtjüdischen Christen: Ihr seid versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, nachdem ihr das Evangelium geglaubt habt. Interessant ist, dass er nicht sagt, nachdem jemand euch die Hände aufgelegt hat oder nachdem ihr so und so lange gebetet habt, sondern nachdem ihr das Evangelium des Heils geglaubt habt.
Dann haben wir die Ausnahmen in der Apostelgeschichte: Die ersten Juden bekamen den Heiligen Geist erst nach der Taufe. Für sie war es etwas komplizierter als für die Heiden, die sie zunächst nicht akzeptieren wollten. Auch die Samariter, die jüdisches Blut hatten, mussten warten, bis sie die Handauflegung erhielten, wie in Apostelgeschichte 8 beschrieben. Dort war es ebenfalls etwas komplizierter.
Paulus sagt dann aber den aus dem Heidentum zum Glauben Gekommenen: Nachdem ihr das Evangelium geglaubt habt, seid ihr versiegelt.
Ganz wichtig ist auch Römer 8. Wenn jemand den Geist Gottes nicht hat, gehört er nicht zu Christus. Ich lese zuerst Römer 8,5: "Denn die, welche nach dem Fleisch sind, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber, welche nach dem Geist sind, auf das, was des Geistes ist."
Dann Vers 9 am Schluss: "Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein." Und Vers 14 als ganz normale Sache: "Denn so viele, die durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes."
Herr Jesus sagt voraus in Johannes 14,16-17, dass der Heilige Geist bei den Gläubigen in Ewigkeit sein wird und in ihnen bleibt. Das ist eine Zusage, dass der Geist Gottes, wenn er einmal gekommen ist, nicht mehr geht.
Im Gegensatz dazu betet David, dieser Prophet des Alten Testaments, im Psalm 51,11: "Nimm den Geist deiner Heiligkeit nicht von mir." Er hatte Angst, der Geist Gottes könnte wieder gehen. Das war auch oft so bei den Propheten, dass er kam und ging.
Aber die Gemeinde ist ein Volk von Menschen – Männer, Frauen und Kinder –, die durch den Glauben den Geist Gottes bekommen haben, und er bleibt in ihnen. Er bleibt bei ihnen in Ewigkeit.
Sie sind alle Gesalbte durch den Geist, so steht es in 2. Korinther 1 am Schluss und auch in 1. Johannes 2,27. Gesalbt durch den Geist.
Am Sonntag haben wir gelernt, dass die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob als Propheten bezeichnet werden, im Psalm 105,15, und im gleichen Vers auch als Gesalbte. Ein Prophet ist ein Gesalbter.
Die Gemeinde Gottes besteht nur aus Gesalbten, und für sie soll die alltägliche Leitung durch den Geist etwas ganz Normales sein. Paulus sagt: "So viele, die durch den Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes."
Ich habe die Stellen im Galaterbrief angegeben, Galater 5,16,18,25, wo vom Leben durch den Geist, vom Wandel durch den Geist und von der Leitung durch den Geist gesprochen wird.
Aber es wird auch gewarnt in Epheser 4,30: "Betrübt nicht durch Sünde den Heiligen Geist." Das heißt, das Wirken des Geistes Gottes im Erlösten wird gedämpft oder unterdrückt, wenn wir Sünde in unserem Leben stehen lassen. Das muss vorangestellt werden.
So ist der Heilige Geist also dem einzelnen Gläubigen so nahe, dass Paulus sogar sagen kann in Römer 8,16: "Der Heilige Geist bezeugt unserem Geist."
Das griechische Wort wird auch manchmal übersetzt mit "zeugt zusammen mit unserem Geist", aber es gibt gute Rechtfertigungen von der Grammatik, dass hier der Sinn besser ist: Der Heilige Geist bezeugt unserem Geist.
Das heißt, der Heilige Geist wirkt auf den Geist des Menschen, des Erlösten, ein. Wenn wir wirklich in Gemeinschaft mit dem Herrn leben, tagtäglich, wenn der tiefe Umgang mit dem Herrn etwas Normales ist, werden wir auch in Alltagsdingen automatisch durch den Geist geleitet.
Auch unsere Gedankenwelt wird durch den Geist in die gute Richtung geleitet – nicht gezwungen, sondern geleitet. Der Heilige Geist führt zur Schrift hin.
In Johannes 14,26 sagt Herr Jesus: "Der Heilige Geist wird euch erinnern an meine Worte." Und in Johannes 16,12 sagt er: "Er wird euch in alle Wahrheit führen."
Gut, wenn ich durch den Heiligen Geist etwas weitergeben möchte, dann kann der Heilige Geist mich erinnern. Aber wenn ich die Bibel noch nie gelesen habe, kann er mich nicht erinnern. Erinnern setzt immer voraus, dass ich auch schon einmal gehört und gelesen habe.
Das ist ganz wichtig: Wir müssen die Schrift kennen. Dann kann der Heilige Geist uns erinnern, um im richtigen Moment auch etwas Nützliches zu sagen.
In Johannes 16,14 sagt der Herr Jesus: "Der Heilige Geist wird mich verherrlichen." Der Heilige Geist stellt Jesus Christus, die Person des Sohnes Gottes, in den Mittelpunkt.
Auch daran ist das Wirken des Geistes Gottes durch Propheten zu erkennen: Sie reden so, dass wirklich Christus zentral ist. Der Heilige Geist stellt nicht sich selbst in den Vordergrund, obwohl er der ewige Gott ist, ohne Anfang und ohne Ende, Christus und dem Vater gleich. Er verherrlicht Christus.
Dann wird uns im 2. Korinther 5,7 erklärt, dass Paulus ganz allgemein über das christliche Leben sagt: "Wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen."
Manche haben Visionen gehabt, sagt Paulus, aber das Normale ist eigentlich unser Wandel durch Glauben und nicht durch Schauen.
Beispiele nachkanonischer Propheten und der prophetische Dienst in der Gemeinde
Und nun, wir haben zweitausend Jahre Kirchengeschichte hinter uns. Wir können diese Zeit nutzen, um zu sehen, wie Gott früher gehandelt hat und wo die nachkanonischen Propheten zu finden sind. Durch die Jahrhunderte hindurch gab es Menschen, die das Volk Gottes immer wieder dazu aufgerufen haben, zur Schrift umzukehren.
Ich möchte hier keine lange Liste anführen, sondern nur aufzeigen, in welche Richtung das geht. Beispiele für nachkanonische Propheten sind zum Beispiel Luther, Calvin und Zwingli. Sie haben nicht viel über Visionen gesprochen. Was ihnen jedoch wichtig war, ist die Schrift.
Luther hatte genug von den vielen Visionen und Erscheinungen in der katholischen Kirche. Er sagte, was wir brauchen, ist die Schrift und die Schrift allein. So entdeckten sie „sola scriptura“ als Wahlspruch der Reformatoren – allein die Schrift.
War das nicht einer der größten Propheten, der am Reichstag vor der gesamten Hierarchie Europas stand und sagte: „Mein Gewissen ist gebunden an die Schrift, und wenn ihr mir beweisen könnt, dass die Schrift etwas anderes sagt, dann nehme ich es an, sonst nicht“? Das war ein Prophet Gottes, der in der Vollmacht des Geistes das christliche Abendland zur Umkehr aufrief. Zur Rückkehr zur Schrift und zu dem Gott, der durch die Schrift spricht.
Ganz wichtig: In der Gemeinde Gottes, in diesem weissagenden Volk, weissagen alle oder könnten alle weissagen. In 1. Korinther 11,4-5 haben wir schon gesehen, wie Paulus mit einer Selbstverständlichkeit sagt: Jede Frau, die betet oder weissagt, und gleich daneben: Jeder Mann, der betet oder weissagt. Das ist etwas ganz Normales. Eine Frau, ein Mann kann weissagen.
Wie sie sich dann verhalten sollen, wird im gesamten Kapitel 14 besprochen. Ich habe dort ein paar Stellen angegeben, in denen es um Weissagung und ihren Nutzen geht. In den Versen 24 bis 25 sagt Paulus: Wenn ein Ungläubiger in die Gemeinde kommt und alle weissagen, dann wird dieser Mensch überführt. Sein Leben wird ins Licht Gottes gestellt, und er fällt auf sein Angesicht und bekennt: „Gott ist da.“ Das ist Weissagung.
Aber Paulus sagt auch: Wenn ihr alle weissagt – obwohl er in Kapitel 12 am Schluss gefragt hat, ob alle Propheten sind, und die Antwort laut Grammatik Nein lautet –, sind etwa alle Apostel? Nein, natürlich nicht. Es sind nicht alle Propheten mit einer ausgesprochenen prophetischen Gabe. Aber alle können prophezeien, weissagen, so wie nicht alle Evangelisten sind, aber alle können evangelisieren, weil alle einen Mund haben und damit Zeugnis geben können.
In Kapitel 14, Vers 31 sagt Paulus zu den Korinthern: Ihr könnt alle weissagen, einer nach dem anderen. Das Wichtige ist einfach, nicht gleichzeitig.
Am Schluss von Kapitel 14 sagt er noch: In den Gemeinden, also in den Gemeindezusammenkünften, sollen die Frauen schweigen. Dort sollen sie nicht weissagen. Aber das sind ja nur ein paar Stunden in der Woche, und sonst ist der Dienst offen.
Zum Abschluss noch Sprüche 15,23 (nur lesen). Das zeigt uns, was Prophetie sein kann.
Das richtige Wort zur rechten Zeit
Am Schluss noch ein Wort zu seiner Zeit – Wie gut!
Sprüche 25,11: „Goldene Äpfel in silbernem Prunkgeräten, so ist ein Wort, geredet zu seiner Zeit.“ Das ist Weissagung: Das, was notwendig ist, das, was der andere braucht, genau im richtigen Moment zu sagen – ob wir es wissen oder nicht.
Propheten haben manchmal gewusst, was der andere braucht, und manchmal nicht. Aber im richtigen Moment das richtige Wort zu sprechen, das ist Prophetie. Man kennt vielleicht das Beispiel von Spurgeon: Er evangelisierte, und eine Frau kam herein, die sich verkleidet hatte. Sie wollte zuhören, aber nicht, dass man wusste, dass sie da war. In dem Moment, als sie zuhörte, sagte er: „Was verkleidest du dich, Weib Jerobeams?“ Die Frau war überrascht. Er fügte hinzu: „Ich nehme nicht an, dass sich heute Abend viele verkleiden, aber selbst wenn jemand verkleidet ist, kannst du dich vor Gott nicht verbergen.“ Sehr viel später erfuhr er, dass das wirklich ein Volltreffer war.
Vor kurzem habe ich Ähnliches erlebt: Ich war in einer Gemeinde in Holland und sprach über die Ehebrecherin aus Johannes 8 und wie sie einen Neuanfang machen konnte. Der Herr sagt dort: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln.“ Später erfuhr ich, dass extra für diese Wortverkündigung eine Prostituierte und ein Besitzer eines Sexshops gekommen waren. Sie wussten wohl: „Wir müssen da mal zuhören, wo das Wasser des Lebens verkündigt wird.“ Das ist sehr ermutigend.
Aber das gilt wirklich für alle: Das richtige Wort zum richtigen Moment. Paulus sagt in 1. Korinther 14, dass er lieber fünf Worte sagen möchte, die wirklich etwas bringen und verständlich sind, als zehntausend unbekannte Wörter. Fünf Worte Weissagung.
Wenn man sich das vorstellt: Im richtigen Moment jemandem genau das zu sagen, was er braucht – wie durchschlagend kann das sein? „Der Herr ist mein Hirte“ – das sind fünf Worte. Der Prophet Haggai hat das sogar noch unterboten. In Haggai 1, am Schluss, sagt er als Botschaft des Herrn: „Anni imachem na'um Adonai“ – auf Deutsch: „Ich bin mit euch, Spruch des Herrn.“ Das sind auf Hebräisch sogar nur vier Wörter. Er unterbot damit die fünf Worte von Paulus.
Weissagung findet sich auch durch Liedersingen. Am Sonntag haben wir schon gesehen, wie in 1. Chronik 25,1 die Tempelmusiker durch das Singen der Psalmen im Tempel geweissagt haben. In Epheser 5,18-21 wird uns gesagt, wir sollen nicht betrunken sein, sondern erfüllt werden mit dem Geist Gottes und zueinander sprechen – das heißt singen – in Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern. Wenn wir das bewusst tun und damit eine Botschaft weitergeben wollen, hat das einen prophetischen Aspekt.
Sogar Gemeindegesang kann prophetisch sein, denn neben mir hört mindestens jemand mit – oder sollte es zumindest. Manchmal gibt es auch leise Stimmen, aber wenn man es wirklich bewusst tut, hat es einen prophetischen Aspekt. Also: Nicht die Kontrolle verlieren, berauscht euch nicht mit Wein, sondern werdet erfüllt mit dem Geist. Das ist genau das Gegenteil. Der Geist bringt uns zur Selbstkontrolle.
Zum Schluss noch ein Unterschied zwischen Lehre und Prophetie: Die Prophetie ist speziell darauf ausgerichtet, Belehrung zu bringen für genau die vorhandenen Bedürfnisse und Probleme, die jetzt angesprochen werden müssen. Lehre ist ebenfalls Belehrung, aber auch für Themen, die vielleicht noch keine aktuellen Bedürfnisse sind, die es aber morgen werden könnten.
Darum brauchen wir in der Gemeinde sowohl Lehre als auch Prophetie: Dinge, die uns jetzt gerade ins Herz treffen, und solche, bei denen wir morgen froh wären, sie schon gehört zu haben. Ein Beispiel ist das Buch der Sprüche. Dort werden viele Situationen des Lebens im Licht Gottes angesprochen, die man im Moment vielleicht gar nicht braucht. Aber morgen kann man plötzlich in eine solche Situation geraten und dann dieses Wort gebrauchen.
Schlussgebet und praktische Hinweise zum Dienst der Frauen
Wir wollen zum Schluss noch beten:
Herr Jesus, danke, dass du ein Gott bist, der zu uns Menschen gesprochen hat. Danke, dass du uns die Schrift gegeben hast und uns das inspirierte Wort über die Jahrtausende so perfekt überliefert hast, dass wir nur staunend zurückblicken können. Wir dürfen mit Jesaja sagen: „Die Blume verwelkt und das Gras verdorrt, aber das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit.“
Danke, Herr Jesus, dass du uns deinen Geist gegeben hast, der in uns wohnt. Wir bitten dich, dass du uns immer wieder neu diese Gnade schenkst, damit der Heilige Geist durch uns wirken kann. Richte unser ganzes Denken und Empfinden wirklich auf dich aus, damit du uns gebrauchen kannst, um einander prophetisch zu dienen und das richtige Wort im richtigen Moment zu geben. Wie gut ist das!
Wir bitten dich, dass dies auch jetzt in dieser Endzeit Wirkung zeigt. Dass ein weissagendes Volk gefunden wird, wenn du wiederkommst – ein Volk, das sich gegenseitig in deiner Liebe dient. Amen.
Darf eine Frau in der Gemeinde beten? Ich hätte nur gesagt: nicht weissagen. In 1. Korinther 14,34 heißt es: „Eure Frauen sollen in den Versammlungen der Heiligen schweigen; es ist ihnen nicht erlaubt zu reden.“ Es wird also das Verb „schweigen“ gebraucht, und parallel wird das mit „nicht reden“ ausgedrückt. Meines Erachtens schließt das auch das Beten mit ein.
Es geht hier immer um das Sprechen solo in der Gemeinde, nicht um den Gemeindegesang. Ebenso war es im Judentum nicht unmöglich, dass Frauen in der Synagoge gemeinsam sangen. Aber ein Solo war in der Synagoge nicht möglich. So sagt Paulus das auch für die Gemeinde.
Aber, wie gesagt, man sollte das nicht ins andere Extrem verzerren und dadurch den Dienst der Schwestern unmöglich machen. Die öffentlichen Gemeindezusammenkünfte dauern nur einige Stunden pro Woche. Es gibt aber viele andere Arten von Zusammenkünften und Diensten am Wort, bei denen Frauen nicht nur können, sondern sollen als Prophetinnen wirken.
Es ist interessant zu sehen, wie das Gebet und der Dienst von Frauen im Alten Testament dargestellt werden. Am Sonntag hatten wir bereits Miriam betrachtet. Sie führte die Frauen im Gesang an, und es gab einen Wechselgesang mit dem ganzen Volk. Es heißt, Miriam antwortete mit den Frauen den Männern. Das war ein Wechselgesang – die Frauen unter der Leitung von Miriam, dann Mose mit den Männern. Das war etwas Öffentliches, aber Miriam führte die Frauen an.
Dann haben wir Deborah, die Prophetin und Richterin, in Richter 4. Das Ungewöhnliche ist, dass sie unter ihrer Palme richtete. Normalerweise waren Richter im Amt am Stadttor tätig. Deborah umging bewusst den offiziellen Ort und richtete zu Hause. Die Leute kamen zu ihr, und sie musste ihnen sagen, was Gottes Wille für die jeweilige Situation oder den Streit war und wie dieser zu schlichten ist. Ihr Selbstbild war, wie in Richter 5 im „Lied der Deborah“ beschrieben, das einer Mutter in Israel. Sie sah sich als Mutter.
Hulda, die Prophetin zur Zeit von Josia, wurde durch eine Delegation des Königs besucht. Es wird ausdrücklich die Adresse genannt: Sie wohnte in Jerusalem, im zweiten Stadtteil. Die Männer des Königs kamen zu ihr nach Hause, und sie sprach zu ihnen: „So spricht der Herr.“ Ihr Zeitgenosse Jeremia hingegen musste immer wieder ins Stadttor oder Tempeltor gehen, um das Volk anzusprechen.
Diese Unterschiede sind interessant und haben uns etwas zu sagen. Wenn man 1. Korinther 14 beachtet, besteht immer die Gefahr, dass man es überzieht und sich nur auf die öffentlichen gottesdienstlichen Zusammenkünfte beschränkt.
Die Fragestellerin interessiert sich für die zwei Propheten in Offenbarung 11. Diese finde ich auch interessant. Sie werden während der großen Drangsalzeit von 1260 Tagen, also dreieinhalb Jahren, in Jerusalem auftreten. Diese große Drangsalzeit ist noch zukünftig und die schrecklichste Zeit, die über diese Welt kommen wird – schlimmer als Erster und Zweiter Weltkrieg.
Während dieser Zeit wird Gott zwei Männern in Jerusalem eine ganz spezielle Aufgabe geben: Sie sollen als Sprachrohr Gottes das Wort kraftvoll verkündigen. Man wird versuchen, sie umzubringen, doch sie können sich durch übernatürliche Begabungen schützen. Wenn ihr Dienst vollendet ist, werden sie sterben. Die ganze Welt wird sich darüber freuen – aber nur kurz.
Nach dreieinhalb Tagen werden sie auferstehen und in den Himmel fahren. Das ist sehr eindrücklich: In der schwersten Zeit spricht Gott nochmals zum Herzen Jerusalems.
Der Kanon der Schrift und seine Entstehung
Wenn man daran denkt, wie der Kanon der Bibel zusammengestellt und durch Konzilien festgelegt wurde, hat die Fragestellerin einige Schwierigkeiten, vom heutigen Kanon der Bibel überzeugt zu sein.
Wir müssen die Frage des Kanons getrennt für das Alte und das Neue Testament betrachten.
Im Alten Testament wurden prophetische Bücher nur dann aufgenommen, wenn sie mit dem Gesetz Mose übereinstimmten. Das war eine sehr strenge Prüfung. Der letzte Prophet, der im Kanon vorkommt, ist Maleachi, etwa um 400 v. Chr. In den folgenden Jahrhunderten entstanden die sogenannten Apokryphen, von denen in manchen Bibelausgaben etwa vierzehn aufgenommen sind. Diese entstanden also nach Maleachi.
Das Zeugnis in Israel ist dabei sehr bedeutsam. Im Talmud, wo ich die Stelle zweimal gefunden habe, heißt es: Nach den Propheten Sacharja, Haggai und Maleachi wich der Heilige Geist von Israel. Man war sich also bewusst, dass der Heilige Geist gewichen war und keine vollmächtigen Schriftpropheten mehr vorhanden waren.
In 1. Makkabäer, einem apokryphen, aber geschichtlich sehr wichtigen Buch für diese Zwischenzeit, heißt es in Kapitel zwölf, dass es eine so große Not in Israel gab, wie sie seit dem Weggang der Propheten nicht mehr gewesen sei. Auch Josephus Flavius schreibt über diese Abfolge der Propheten und wie sie nach den letzten Schriftpropheten im Kanon aufgehört hatte.
So hat das Judentum uns ein eindeutiges Zeugnis darüber überliefert, was unter dem Kanon verstanden wurde. Durch die katholische Kirche wurden dann die Apokryphen noch hinzugefügt. Im Konzil von Trient, also im Zuge der Gegenreformation, wurde sogar beschlossen: Verflucht sei, wer diese Bücher nicht als Schrift anerkennt.
Damit hat man indirekt den heiligen Hieronymus verurteilt. Er war der Übersetzer der lateinischen katholischen Bibel, der Vulgata. Er hat die Apokryphen zwar übersetzt, ihnen aber nicht denselben Stellenwert wie der Schrift eingeräumt.
So sehen wir, dass 2000 Jahre später von Konzilien beschlossen wurde, dass die Apokryphen auch zum Kanon gehören. Dass man Schwierigkeiten hat, das zu akzeptieren, ist verständlich. Vor allem, weil dieser Beschluss mit der Absicht verbunden war, katholische Lehren zu stützen, die von den Reformatoren anhand der Schrift bekämpft wurden.
Man wollte eine Schriftgrundlage haben, um den Reformatoren Gegenargumente zu liefern. Zum Beispiel findet man in den Apokryphen Hinweise auf das Beten für Tote, was in den Briefen vorkommt. So verhält es sich mit dem Alten Testament.
Im Neuen Testament war das Prinzip anders. Die Gemeinde war auf die Apostel und Propheten aufgebaut. Das war fundamental wichtig. Bücher, die von Aposteln stammten, konnten akzeptiert werden. Nichtapostolische Schriften wurden nur dann anerkannt, wenn sie von Aposteln bestätigt waren.
So ist zum Beispiel das Lukasevangelium durch Paulus bestätigt worden. Paulus zitiert in 1. Timotheus 5 das Lukasevangelium als „die Schrift“, gerade nachdem er aus der Tora, aus 5. Mose, zitiert hat. Markus wurde durch Petrus bestätigt.
Man kann also zeigen, dass die neutestamentlichen Schriften, die nicht von Aposteln waren, nur dann anerkannt wurden, wenn sie durch Apostel bestätigt wurden. Das war sehr wichtig.
Früh wurde erkannt, was zur Schrift gehört. Das Lukasevangelium galt bereits zur Zeit von Paulus als Schrift. Später schreibt Petrus in 2. Petrus 3 am Ende über die Briefe von Paulus und stellt sie der Schrift gleich. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits 15 von 27 Büchern des Neuen Testaments.
Der Kanon war also schon sehr früh existent und wurde nicht erst durch spätere Konzilien gebildet. Die Konzilien bestätigten vielmehr, was bereits bekannt war.
Darum stütze ich mich für den Kanon nicht auf die Konzilien, sondern auf andere, stärkere Argumente.
Wo findet Prophetie heute statt?
Also, wo geschieht Prophetie? Zum Beispiel bei einem Pfarrer in der Landeskirche – kann das ein Problem sein? Oder nur dann, wenn die Geister nicht richtig sind? Liegt das nicht daran, dass es sich um ein falsches Wort handelt?
Die Frage ist also: Wo geschieht Prophetie? In der bibeltreuen Gemeinde oder auch außerhalb, in persönlichen Beziehungen und so weiter? Das war mir eben sehr wichtig zu zeigen: Prophetie in der Gemeinde ist eine Sache, wie es in 1. Korinther 14 beschrieben wird. Aber Prophetie soll auch während der ganzen Woche und überall dort geschehen, wo Christen, geleitet durch den Geist, das Wort Gottes weitergeben. Das können auch nur einzelne kurze Trostworte sein, die im richtigen Moment an die richtige Person weitergegeben werden.
Prophetie soll also im ganzen Leben und in allen möglichen Umständen stattfinden. Es gibt dann Ausnahmefälle, in denen sogar ungläubige Verkündiger von Gott benutzt werden können. Das ist aber nicht der Normalfall. Ähnlich wie bei Kajaphas, der auch eine Prophetie sprach, ohne es zu wissen, einfach weil er in jenem Jahr Hoherpriester war, wie es im Johannesevangelium heißt.
Gott kann also sogar ungläubige Pfarrer benutzen, um Menschen mit dem treffenden Wort Gottes zum Glauben zu bringen. Das ist seine Souveränität. Heute Abend ging es uns darum, dass jeder Erlöste berufen ist, das Wort Gottes zu kennen und sich durch den Heiligen Geist leiten zu lassen. Ebenso sollen wir es weitergeben – zum Segen für die Gemeinde und auch für Ungläubige.
Ich glaube, wir müssen zum Schluss kommen. Wir sind zurzeit fortgeschritten. Ja, der Chef bestimmt. Oder gibt es noch eine interessante Frage?
Frage zur bleibenden Gegenwart des Heiligen Geistes trotz Abfall
Ja, da kommt sie schon. Ich habe eine Frage zur Aussage, dass alle den Geist Gottes bleibend und innewohnend besitzen. Das heißt doch aber auch, dass viele abfallen werden und nur wenige es sein werden. Wie ist das zu verstehen?
Sehr gut, es ist gesagt worden, alle besitzen den Geist Gottes bleibend und innewohnend. Aber was ist mit denen, die abfallen? Jemand, der den Geist Gottes besitzt, ist jemand, der wirklich Christus gehört. Es gibt jedoch viele Christen, die Christus nicht gehören und den Geist Gottes nicht haben. Solche können den Glauben so sehr verwerfen, dass sie auch nicht mehr zurückkehren.
Die Möglichkeit wird zum Beispiel in Hebräer 6 angesprochen. Dort werden die Hebräer angesprochen. Das heißt, wenn jemand die Gabe Gottes, das Wort Gottes, geschmeckt hat und die himmlische Gabe empfangen sowie teilhaftig geworden ist am Heiligen Geist und dann wieder abfällt, dadurch Christus verunehrt und zur Schau stellt, dann kann er nicht mehr zur Buße erneuert werden.
Interessant ist die Wortwahl, die benutzt wird. Es ist an die Hebräer gerichtet, also an Juden, die sich zum Christentum bekannten. Nicht an die Heiligen in Rom oder an die Heiligen und Erlösten in Korinth oder Ähnliches. Dort wird gesagt, dass solche, die einmal erleuchtet waren – nicht die wiedergeboren worden sind und nicht die Kinder Gottes, sondern erleuchtet, die das Licht Gottes bekommen haben –, geschmeckt haben die himmlische Gabe.
„Schmecken“ meint, etwas in den Mund nehmen. Das machen sogar Pilzkontrolleure, die bei bestimmten Sorten probieren und dann wieder ausspucken, ohne es zu essen. Es geschieht also noch nichts. Ich will das auch nicht tun. Aber das ist „schmecken“, nicht einmal „essen“. Und dann sind sie teilhaftig geworden am Heiligen Geist. Das heißt aber noch nicht, dass der Geist Gottes innewohnt.
Teilhaftig am Heiligen Geist ist jeder Mensch, der unter die Wirkung des Geistes Gottes kommt, zum Beispiel durch Verkündigung. Er hat Anteil, das ist übrigens das Wort „μετέχω“ (metecho) im Griechischen, das eine Teilhaberschaft auch äußerlich ausdrücken kann. Er ist teilhaftig, hat Anteil am Wirken des Heiligen Geistes. Im Grundtext steht sogar „Heiliger Geist“ ohne Artikel, nicht „der Heilige Geist“, sondern „Heiliger Geist“. Das drückt noch mehr seine Wirkung aus.
Von solchen wird gesagt, wenn sie abfallen, also ganz bewusst Christus verwerfen – endgültig und definitiv –, können sie nie mehr zurückkommen. Man kann also sagen: Ein wahrer Christ geht nicht mehr verloren, so wie es in Johannes 10 gesagt wird. Da heißt es: „Meine Schafe hören meine Stimme, sie folgen mir und gehen nicht verloren ewiglich. Niemand kann sie aus meiner Hand rauben und niemand kann sie aus der Hand des Vaters rauben.“ Das gilt für wahre Christen.
Dann gibt es aber auch andere Christen, die eben keine wahren Jünger sind und wieder abfallen können. Ich würde sogar nicht einmal sagen, dass ein Gläubiger nicht verloren gehen kann. Es gibt viele Gläubige, die verloren gehen können. Man kann glauben, ohne die Wiedergeburt erlebt zu haben. Man kann äußerlich glauben. Ein Judas war auch ein Gläubiger.
Aber ein wiedergeborener Gläubiger kann nicht mehr verloren gehen. Ja, gut, wir müssen zum Schluss kommen.
