Unsicherheit und Verunsicherung im Gebet
Ein erfahrener Pfarrer hat einmal festgestellt: Wenn Gott seine Kinder überraschen will, muss er nur ihre Gebete erhören. Das ist eine scharfsinnige Beobachtung.
Oft sind wir unsicher, wenn wir beten. Wir können uns kaum vorstellen, dass Gott wirklich hört. Was bewirken meine Gebete? Wie bete ich richtig? Womit kann ich überhaupt rechnen? Unter vielen Christen herrscht große Verunsicherung, wenn es ums Beten geht.
Diese Verunsicherung ist ein echtes Problem in der Beziehung zu Gott. Denn das Gebet ist zusammen mit der Bibel die entscheidende Kontaktstelle zu ihm. Wenn es beim Gebet einen Wackelkontakt gibt, ist die Verbindung zu Gott empfindlich gestört. Der Glaube wird müde, routiniert oder wir geraten auf Abwege.
Viele Christen merken das und versuchen dann, mit Hilfe verschiedener Methoden oder Techniken wieder mehr Schwung und Tiefe ins Gebet zu bringen. Manche greifen auf Meditationstechniken zurück oder versuchen, ihr Gefühl in Wallung zu bringen. Andere sagen, wir brauchen noch mehr Gebetstreffen, dann wird es besser.
Das mag kurzfristig interessant erscheinen, aber auf Dauer hilft es nicht. Warum? Weil es beim Gebet nicht auf die Technik ankommt, nicht auf die Methode, sondern auf den Inhalt. Es geht nicht um unsere Formulierungskünste, sondern um das, was wir mit Gott besprechen und mit welcher Haltung wir vor ihm treten.
Darum ist das Vaterunser so ein Schatz. Heute Morgen wollen wir uns den zweiten Teil dieses Schatzes genauer ansehen und ihn gemeinsam heben.
Das Vaterunser als Modellgebet und Liebeserklärung
Im Vaterunser hat der größte Lehrer in Sachen Gebet, der jemals über diese Erde ging, nämlich Jesus selbst, uns eine richtige Gebetsschule an die Hand gegeben.
Das Vaterunser ist nicht in erster Linie dazu da, es Wort für Wort nachzubeten. Das ist zwar sinnvoll, und das machen wir später auch noch gemeinsam. Aber in erster Linie ist das Vaterunser ein Modellgebet, an dem wir unser eigenes Gebet ausrichten können. In dieses Modellgebet können wir unsere Gebete hineinhängen.
Jesus begann mit den Worten: „So sollt ihr beten.“ Er sagte nicht: „Das und das sollt ihr beten und möglichst mehrmals hintereinander“, sondern er meinte: „So sollt ihr beten – nach diesem Grundmuster, nach diesem Modell, in diesen Leitlinien.“
Wenn wir uns das gleich näher ansehen, werden wir entdecken, dass das Vaterunser nicht nur eine Gebetsschule ist. Es ist gleichzeitig eine starke Zusage, ja, eine Liebeserklärung, die Gott uns macht.
Darum lautet unser Thema heute Morgen: Du sollst bitten. Bei unseren Kindern müssen wir ja immer daran erinnern: Du sollst Danke sagen. Hier aber werden wir zum Bitten aufgefordert.
Und worum wir bitten sollen, das hat Jesus nun genau beschrieben.
Predigttext und Gebetseinstimmung
Wir hören den Predigttext. Sie finden ihn auch auf Ihrem grünen Zettel. Ich bitte Sie, sich zum Wort Gottes zu erheben.
Ich lese noch die Verse neun und zehn dazu. Jesus sagt: „Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“
„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“
Wir beten noch einmal: Herr Jesus Christus, hilf uns bitte, dass wir aus deinem Modellgebet wirklich Lehren für unser Beten ziehen. Schenke uns Hilfe, damit wir noch zu einem intensiveren Gespräch mit dir und dem Vater finden. Bitte sei jetzt fest bei uns, wir brauchen deine Hilfe. Amen.
Nehmen Sie bitte wieder Platz.
Das Vaterunser als Auf- und Abstieg im Gebet
In der Lateinstunde der siebten Klasse werden Vokabeln abgefragt. Der Lehrer fragt: Was heißt Paternoster? Die kleine Christiane meldet sich ganz eifrig und sagt: „Ich weiß, was es heißt, das heißt Fahrstuhl.“ Einige in der Klasse lachen leise, denn sie wissen, dass der Lehrer etwas anderes hören will. Wörtlich bedeutet Pater Noster natürlich „Vater unser“.
Aber ganz unrecht hatte die kleine Christiane doch nicht, denn es gibt tatsächlich eine besondere Art von Fahrstuhl. Ich habe das neulich schon erwähnt: Man nennt ihn Paternoster. Man findet ihn manchmal noch in alten Firmen. Dieser Fahrstuhl hat keine Tür und fährt ständig rauf und wieder runter, rauf und wieder runter. Man kann sich einfach reinstellen, wird nach oben gefahren und später wieder hinunter.
Ich denke, das ist ein passendes Bild für das Vaterunser. Es ist ein Modellgebet, in das wir uns hineinstellen können. In den ersten Versen, über die ich neulich gepredigt habe, bringt es uns hoch zu Gott. Ab Vers elf, wo unser Text heute beginnt, geht es dann wieder nach unten. Da wendet es sich unseren Bedürfnissen hier auf der Erde zu.
Wer sich in dieses Paternoster hineinstellt, wird erst einmal nach oben gebracht. Wir hatten gesagt: Gott zuerst! Das Wichtigste beim Beten ist der Adressat, also der, an den wir uns wenden. Und wir hatten auch gesehen, dass es gegenüber diesem Adressaten erst einmal nur eine angemessene Haltung gibt, nämlich Ehrfurcht.
„Geheiligt werde dein Name“ – dich will ich ernster nehmen als jeden anderen, dich will ich mehr verehren als jeden anderen. Wir sprechen mit Gott nicht auf Augenhöhe, sondern von Mensch zu Gott. Aus dieser Haltung folgt dann erst einmal eine angemessene Handlung, nämlich Gehorsam: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ Also nicht nur weit weg, sondern mitten in meinem kleinen Leben. Gott, da will ich mich um dich drehen.
Die Hauptfrage soll nicht sein, was Menschen wollen oder denken, sondern was du, Gott, willst und denkst. Sie merken: Wer sich in das Paternoster hineinstellt, wird erst einmal nach oben gedrückt – Gott zuerst. Das bedeutet für unser Gebet, dass wir ihm erst einmal danken und ihn loben sollen. Wir sollen uns klarmachen, welche Freundlichkeit es seinerseits ist, dass Gott uns überhaupt die Gesprächsleitung zu sich öffnet, dass er den Hörer überhaupt abnimmt. Gott zuerst!
Und dann, ab unserem Vers elf, fährt der Paternoster wieder nach unten. Gerade ging es noch um die ganz großen Themen: Gottes Ehre, Gottes Reich, Gottes Wille. Und was meinen Sie, ist dann der nächste Satz? Es ist kaum zu glauben: „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Das steht da wirklich. Ist Ihnen schon mal dieser Kontrast aufgefallen, dieser urplötzliche Themenwechsel?
Wenn man nicht wüsste, dass Jesus da spricht und dass er uns dieses Gebet als Modellgebet gegeben hat, könnte man fast denken, da war jemand ins Gebet vertieft, in einem intensiven Gespräch mit Gott. Und plötzlich wird er abgelenkt, kann sich nicht mehr so konzentrieren, bekommt vielleicht Hunger und kommt abrupt auf einen ganz anderen Gedanken: Täglich Brot.
So ist es nicht. Das ist Absicht, das ist vollkommen überlegt, was Jesus hier betet. Damit zeigt er uns etwas Großartiges: Der heilige, ehrfurchtgebietende Gott, dem wir uns nur mit größtem Respekt nähern dürfen, ist kein abgehobener Gott. Er ist ganz nah an unserem Alltagsleben dran. Er interessiert sich unmittelbar für die Brotschnitte auf meinem Frühstücksteller.
Der allmächtige Lenker der Geschichte, der Beherrscher des Universums, will, dass wir ihn mit unseren menschlichen Normalbedürfnissen behelligen. Ja, mehr noch: Er befiehlt uns hier in diesen Versen durch seinen Sohn Jesus Christus, dass wir seine ganz praktische Fürsorge abrufen sollen.
Die Einladung zum Bitten um tägliche Fürsorge
Unter uns Menschen läuft es oft ganz anders ab. Wir sagen: „Warum soll ich mich denn auch noch darum kümmern? Für wen soll ich noch alles Fürsorge übernehmen? Und woran soll ich noch alles denken?“ Wir werden schnell ungeduldig – ich jedenfalls. Außerdem schaffen wir vieles oft auch kräftemäßig gar nicht, was andere noch von uns verlangen. Die Kraft reicht häufig einfach nicht.
Aber Gott, der heilige Gott, der echte Gott, hört sich unsere Bedürfnisse nicht nur geduldig an. Nein, er fordert uns sogar dazu auf: „Nun bittet mich doch! Seid nicht so zurückhaltend, sagt doch, was ihr braucht!“ Das ist der erste Schritt, den wir heute für unser Beten von Jesus lernen: Du sollst bitten, und zwar um die Fürsorge des Vaters.
Jesus legt uns diese Bitte in den Mund: „Unser täglich Brot gib uns heute!“ Und das geschieht unmittelbar – nachdem wir dafür gebetet haben, dass Gottes ewiges Reich sich durchsetzt und Gottes Wille überall geschieht. Also höchste Theologie, wenn Sie so wollen. Nahtlos angefügt ist die Bitte um etwas Festes zwischen den Zähnen. Beides ist genauso wirklich, genauso realistisch und genauso direkt.
Hier sehen wir eine der vielen Stellen, an denen deutlich wird: Die Bibel unterscheidet nicht krampfhaft zwischen Theorie und Praxis, zwischen theologisch und lebensnah, zwischen sachlich und persönlich. Sie trennt nicht krampfhaft zwischen Lehre und dem wirklichen Leben. Wir müssen die Bibel nicht erst mühsam um drei Ecken herum ins Leben übersetzen, damit der Normalbürger noch etwas davon hat. Das ist eine künstliche Trennung.
Wir sollen das täglich Brot genauso wörtlich nehmen wie die Ehre Gottes. Die biblische Botschaft muss nicht erst künstlich auf die Erde heruntergezogen werden, damit der Mensch sie versteht. Die Bibel ist längst bei uns angekommen. Wir sollen Gott um das tägliche Brot bitten – mit demselben Mund und mit demselben Herzen, mit dem wir Gott sagen, dass wir ihn ehren, um den Ausbau seines Reiches bitten und auf ihn hören wollen.
Der einzige Unterschied ist, dass wir das Brot sehen, Gott aber noch nicht. Das hat nichts mit theoretisch oder praktisch zu tun, sondern mit dem Unterschied zwischen sichtbar und unsichtbar. Die Luft zum Beispiel ist auch unsichtbar und trotzdem von höchst praktischer Bedeutung. Das merken wir spätestens dann, wenn hier in der Kirche jemand in Ohnmacht fällt – aber das kommt ja jetzt nicht mehr vor.
Das Brot können wir uns leichter vorstellen als Gott, seine Ehre und sein Reich. Bei Letzteren müssen wir etwas länger nachdenken, weil sie unsichtbar sind. Aber wenn eine Sache etwas komplizierter ist, wird sie dadurch nicht unwichtig oder im abfälligen Sinne theoretisch.
Wenn Sie einen Überseeflug machen und die Stewardess erklärt, wie man die Schwimmweste anlegt, ist das beim ersten Mal auch kompliziert – zumindest für einen Antitechniker wie mich. Trotzdem ist es wichtig zu wissen, wie man die Schwimmweste anlegt, damit man bei einer Wasserlandung möglichst nicht ertrinkt.
So zeigt uns Jesus gerade an dieser Schnittstelle des Vaterunsers, wo der Pater Noster plötzlich von Gottes Macht und Weltregierung hin zu unserem knurrenden Magen fährt: Die Bibel trennt nicht zwischen praktisch und theoretisch, zwischen theologisch und lebensnah, zwischen Lehre und Leben. Das gehört untrennbar zusammen.
Die Bibel trifft eine ganz andere Unterscheidung: Sie sagt zuerst Gott ganz klar an. Dann kommen unsere menschlichen Bedürfnisse in den Blick. Diese werden nicht vergessen. Unsere Bedürfnisse sind nicht das Erste, aber Gott nimmt sie trotzdem ganz, ganz ernst.
Darum sollst du bitten um die Fürsorge des Vaters. Luther hat richtig gesehen, dass dieses Angebot Gottes nicht nur fürs Essen gilt, sondern für all unsere leiblichen und materiellen Bedürfnisse, die wir haben.
Die Breite der Bitte um tägliche Fürsorge
Im Großen Katechismus schreibt Luther einmal, so sei in aller Kürze gesagt, wie weit diese Bitte um das tägliche Brot reicht. Daraus könnte man ein langes Gebet machen und alle Einzelheiten aufzählen: Gott möge uns Essen und Trinken geben, Kleider, Haus und Hof, einen gesunden Leib, dazu das Getreide auf dem Feld wachsen lassen. Er möge auch daheim recht haushalten helfen, eine gute Ehefrau und liebe Kinder geben, unsere Arbeit gedeihen und gelingen lassen usw. usw.
In unserer heutigen Zeit würde Luther bestimmt sagen: Gott möge uns vor BSE-verseuchtem Rindfleisch bewahren. Und der Besitzer eines Steakhouses kann vielleicht beten: Hilf, Herr, dass unser Restaurant nicht schließen muss und dass meine Mitarbeiter nicht arbeitslos werden. So praktisch ist das gemeint!
Um diese alltäglichen Anliegen geht es Jesus hier: "Unser täglich Brot gib uns heute." Mensch, Gott ist zuständig, sagt Jesus, du sollst um die Fürsorge des Vaters bitten. Vielleicht sind sie seit Monaten arbeitslos, dann lassen sie sich sagen: Gott ist zuständig. Das heißt nicht, dass sie die Hände in den Schoß legen sollen, aber vertrauen sie Gott ihr Anliegen an und bitten sie ihn, dass er ihnen die richtigen Kontakte schenkt.
Oder vielleicht bekommen sie ihre Migräne nicht weg. Dann sagt Jesus uns hier: Gott ist zuständig. Oder jemand hat zu viele Schulden gemacht, dass er nicht mehr weiß, wie er da herauskommen soll. Oder sie sind ratlos, weil ihr Sohn die Schule nicht schafft und kein Ausbildungsplatz in Sicht ist. Oder sie müssen im nächsten Monat ins Krankenhaus. Jesus sagt ihnen: Du sollst bitten um die Fürsorge des Vaters, und er wird dich nicht im Stich lassen.
Vielleicht hast du bei einer Sache schon längst aufgegeben, weil es dir so hoffnungslos erscheint. Fang heute wieder an, mit der Fürsorge des Vaters zu rechnen. Jesus verspricht uns keine Patentlösungen, er verspricht uns hier keinen Luxus, sondern unser tägliches Brot. Darum sollen wir bitten. Man könnte auch übersetzen: unser nötiges Brot.
Also, Jesus verspricht ihnen keinen Überfluss, keinen Superjob und nicht, dass unser Kind gleich Klassenprimus wird. Manchmal gibt er uns aus unerfindlichen Gründen all diese Dinge dazu – da sind Christen vor Überraschungen nie sicher. Aber worum wir in jedem Fall bitten sollen, und das wird Gott mit Sicherheit auf seine Weise erhören, ist das tägliche Brot mit all den Dingen, die daran hängen.
Und das ist im Griechischen ein ganz auffälliges, ein ganz seltenes Wort, das bedeutet so viel wie: Gib mir so viel, wie ich für den kommenden Tag brauche. Wenn ich das morgens bete, heißt es: Herr, gib mir das Brot für heute. Und wenn ich das abends bete, dann meint es das Brot für morgen. Herr, ich schlafe jetzt, und morgen, wenn ich wieder aufwache, gib mir bitte genug, dass ich durchkomme durch den Tag, durchkomme mit meiner Kraft.
Und sehen Sie, was Jesus uns mit diesem Gebet noch lehrt: Er lehrt uns, wir sollen bewusst abhängig bleiben von Gott. Wir sollen im wahrsten Sinne des Wortes von der Hand in den Mund leben. Wir möchten uns ja oft gern absichern, möglichst auf Jahre hinaus – das können wir sowieso nicht.
Natürlich hat Jesus nichts dagegen, dass man eine Versicherung abschließt und sein Geld, so man welches hat, vernünftig verwaltet. Im Gegenteil: Jesus hat gesagt, wir sollen kluge Haushalter sein. Wir sollen mit dem Mammon vernünftig umgehen, auch mit jedem anderen Besitz – an Geld, an Häusern, an Gesundheit, an Bildung, an Begabung. Wenn Gott uns das schenkt, okay, dann haben wir damit auch eine Aufgabe von ihm bekommen.
Aber wir sollen uns nicht zu viele Gedanken darum machen, nicht zu viele Sorgen deswegen. Wir sollen nicht nach diesen Dingen nun trachten um jeden Preis. Und deswegen lehrt Jesus uns, dass er uns das tägliche Brot in den Mund legen will, damit es auch zum Herzensanliegen wird: Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und wenn wir das ehrlich meinen, dann werden wir immer bewusster abhängig von Gott. Und wir werden dadurch immer freier, immer sorgenfreier, was die Zukunft angeht, weil wir ja Tag für Tag mit Gott mitgehen.
Ein erfahrener Christ hat mir einmal den Satz gesagt, den kann man sich auch merken: "Gestern ist vorbei, morgen ist noch nicht da, und heute hilft der Herr. Gestern ist vorbei, morgen ist noch nicht da, und heute hilft der Herr." Das ist keine Vogel-Strauß-Politik. Das heißt nicht, den Kopf in den Sand stecken und die Probleme verdrängen.
Nein, wir können jeden Tag wieder angehen, für sich, mit dem Gebet auf den Lippen: Unser tägliches Brot gib uns heute.
Beispiel einer erlebten Fürsorge Gottes
Das hat eine Missionarin erlebt. Sie war völlig mittellos bei einem heidnischen Stamm. Ihr ging die Nahrung aus, und dann kam eine ziemlich schwere Krankheit hinzu. Sie fühlte sich absolut elend und betete. Sie sagte zu Gott: „Ich verlasse mich auf deine Fürsorge, tu bitte etwas.“
Dann kamen von einem weit entfernt wohnenden Geschäftsmann mehrere große Packungen schottischen Hafermehls. Die Missionarin hatte noch ein paar Dosen Büchsenmilch. So war sie gezwungen, vier Wochen lang von Büchsenmilch und Hafermehl zu leben. Sie könnten das ja mal ausprobieren.
Erstaunlich war jedoch, dass es ihr mit der Zeit merklich besser ging. Nach vier Wochen fühlte sie sich wieder topfit, trotz der einseitigen Ernährung. Als die Missionarin das einige Zeit später einer Gruppe von Leuten erzählte, hörte ein Arzt besonders aufmerksam zu. Er fragte noch einmal genau nach ihrer Krankheit.
Dann sagte er: „Wissen Sie was? Der Herr hat ihr Gebet gehört. Er hat sie mit Fürsorge versorgt, viel besser, als Sie sich denken können. Denn für die Krankheit, unter der Sie gelitten haben, verschreiben wir Ärzte in dieser Gegend normalerweise eine vierwöchige Haferdiät. Der Herr selbst hat sie Ihnen verschrieben und darauf geachtet, dass Sie sonst nichts anderes bekommen. Es war genau die richtige Medizin für Sie.“
Die Missionarin musste sich Tag für Tag durchbeten, aber sie hat Gottes Fürsorge massiv erfahren – massiv, massiv, massiv. „Unser tägliches Brot gib uns heute“ – das macht gelassen. Damit stellen wir nämlich das Heute ganz unter Gottes Fürsorge.
Wir bekommen den Kopf frei für heute. Wir können heute ackern und arbeiten. Wir können heute versuchen, unsere Krankheit und die Schmerzen auszuhalten. Wir können heute, das heißt morgen, zum Arbeitsamt gehen und die Stellenanzeigen studieren. Wir können heute versuchen, mit unserem schwierigen Arbeitskollegen nach besten Kräften auszukommen.
Gestern ist vorbei, morgen ist noch nicht da, und heute hilft der Herr. So lernen wir, Schritt für Schritt an Gottes Hand zu gehen. Dafür hat er seine Fürsorge versprochen.
Die tägliche Portion Fürsorge und die Abhängigkeit von Gott
Vielleicht fragen Sie sich, warum lässt er uns so von der Hand in den Mund leben? Das haben sich die Israeliten in der Wüste auch gefragt. Sie bekamen ja jeden Tag neu das Manna vom Himmel, aber immer nur für einen Tag – immer nur für einen Tag Manna.
Manfred Siebald hat einmal geschrieben, wir hätten gern heute schon genug in der Hand, um einen Tag mehr oder zwei ganz sicher zu sein. Doch wir haben erkannt: Gott hilft uns an jedem Tag neu.
Warum? Warum gibt Gott seine Fürsorge in Tagesportionen? Warum, um es am Beispiel einer großen Geldsumme zu sagen, gibt Gott uns nicht gleich den großen Scheck mit der gesamten Summe, die ausreicht bis an unser Lebensende? Warum müssen wir uns jeden Tag bei ihm wieder unsere zwanzig Markscheine abholen? Unser tägliches Brot gib uns heute.
Ich glaube, die Antwort ist: Damit wir dranbleiben an ihm, damit wir uns nicht abseilen von ihm. Damit wir abhängig bleiben von Gott, denn nur so sind wir wirklich sicher. Gottes Seil ist das einzige, das nie reißt, Gottes Schiff ist das einzige, das nie sinkt.
Wenn wir unsere eigenen Kähne flott machen, wenn wir eigenständig werden – und eigenständig ist hier dick in Gänsefüßchen zu setzen –, dann binden wir uns an lauter Dinge, die höchst unsicher sind, in jedem Fall unsicherer als Gott.
Der eine bindet sich ans Geld, an Immobilien vielleicht. Der kann das Geld verlieren, der kann krank werden, dann nützt ihm das ganze Geld nichts. Über vielen alten Häusern steht der Satz: „Dies Haus ist mein und doch nicht mein, dem Nächsten wird es auch nicht sein, dem Dritten trägt man es auch hinaus.“ Drum frage ich dich: Wem ist dies Haus?
Der Nächste verlässt sich auf seine gute Ausbildung. Der Dritte bindet sich an seine Freunde. Der Vierte setzt auf gesunde Ernährung und die richtige Versicherungsgesellschaft. Und alles läuft unter dem Stichwort Zukunftssicherheit. Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause.
Das trägt nicht. Nochmal: Ich habe nichts gegen Versicherungen, ich habe selbst welche abgeschlossen. Aber ich weiß, die einzige Sicherheit, die einzige wirkliche Sicherheit, auch für meine materiellen und leiblichen Bedürfnisse, die bietet nur Jesus.
Die sichersten Leute sind die, die sich von Herzen auf diesen Vers stürzen und beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Und dann gilt wirklich: Keine Sorge – Christus Fürsorge.
Bitte um Gottes Fürsorge, das ist der erste Gebetsschritt, den Jesus Ihnen heute Morgen zeigt. Gehen Sie diesen Schritt wieder ganz bewusst. Bestürmen Sie Gott mit Ihrem Kleinkram und mit Ihrem Großkram. Und er will für Ihre materiellen und körperlichen Bedürfnisse aufkommen.
Die Bitte um Gottes Nachsorge und Vergebung
Aber das ist noch nicht alles, worum wir bitten sollen. Darum folgt jetzt gleich noch eine zweite Bitte, die Jesus uns aufs Herz und in den Mund legt. Das ist Vers zwölf, und den wollen wir uns heute noch anschauen: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“
Das ist das Zweite und Letzte: Du sollst bitten um Gottes Nachsorge. Nachsorge bedeutet, wir brauchen noch eine weitere Behandlung von Gott, weil etliches noch nicht in Ordnung ist. Jesus sagt, wir sollen regelmäßig in Gottes Nachsorge kommen.
Bei der Fürsorge ging es darum, dass unsere körperliche Existenz, unser weltliches Leben, täglich abgesichert ist. Bei der Nachsorge geht Jesus noch einen Schritt weiter: „Vergib uns unsere Schuld.“ Da geht es jetzt um unser geistliches Bedürfnis, um unser direktes Verhältnis zu Gott. Dieses Verhältnis wird gestört und belastet durch Schuld.
Das Wort, das Jesus hier gebraucht hat, wurde ursprünglich für Geldschulden verwendet. Ich denke, das ist ein farbiges, treffendes Bild für Sünde: Geldschulden. Stellen Sie sich jemanden vor, der so hoch verschuldet ist, dass er mit Sicherheit nicht mehr auf einen grünen Zweig kommt. So wie jener deutsche Kaiser Karl V. Von dem wird erzählt, dass er dem großen Kaufmann Fugger – die Fugger waren ja ein Riesenkonzern im Mittelalter – eine enorme Summe Geld schuldete.
Eines Tages rafft sich Karl V. auf und will mit Fugger über einen weiteren Zahlungsaufschub verhandeln. Wie reagierte Fugger? Er nahm den Schuldschein und warf ihn vor den Augen des Kaisers ins knisternde Feuer. Das war Fuggers Nachsorge in dieser geschäftlichen Angelegenheit. Das Verhältnis zwischen Kaiserhaus und Fuggerkonzern war wieder bereinigt.
So brauchen Christen regelmäßig Gottes Nachsorge, regelmäßig Gottes Vergebung im Einzelnen. Darum geht es hier in Vers zwölf: „Vergib uns unsere Schuld.“ Hier geht es um Leute, die schon entschiedene Christen sind.
An dieser Stelle will ich noch einmal daran erinnern, was wir letztens schon sagten: Das Vaterunser ist ein Gebet nur für bewusste Christen. Manche Leute halten dieses Gebet ja, ich möchte fast sagen, für so ein Stück religiöse Folklore. Wenn man schon sonst nicht groß betet und Jesus auch nicht unbedingt als Sohn Gottes anerkennt, aber ab und zu mal ein Vaterunser zum Himmel schickt, das kann nicht schaden. Das gehört so zur abendländischen Tradition dazu.
Aber das ist ein Missverständnis. Jesus hat überdeutlich gesagt, wer Gott mit „Vater“ anreden darf – „Vater unser“ – und wer Gott nicht mit „Vater“ anreden darf. Die Bibel macht klar: Gott ist der Schöpfer aller Menschen, aber Vater wird er für mich erst, wenn ich mich persönlich zu seinem Sohn Jesus Christus bekehre.
So hat die erste Christenheit behutsam darauf geachtet, dass nur Nachfolger Jesu dieses Vaterunser mitbeteten. Nur solche, die ihn als den Sohn Gottes anbeteten, durften das Vaterunser beten. Diese Christen waren nicht hochnäsig. Aber sie wollten den Ungläubigen helfen, weil sie wussten, es wäre eine fatale Selbsttäuschung, wenn sie sich einbilden, Gott sei ihr Vater, obwohl er es gar nicht ist.
Im 1. Johannes 5 wird das noch einmal ganz deutlich gesagt: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht“ (1. Johannes 5,12). An einer anderen Stelle steht: „Wer den Sohn hat, hat den Vater, und wer den Sohn nicht hat, der hat auch den Vater nicht.“
Also, an den Vater kommen wir nur persönlich ran über den, der uns das Vaterunser lehrt, nämlich über Jesus. Das Ganze gilt für Christen. Und wenn jemand noch kein Christ sein sollte, aber das kriegen will, was das Vaterunser bietet, dann muss er Christ werden. Und plötzlich steht dieser ganze Reichtum, dieser ganze Schatz auch ihm zur Verfügung. Ein Teil dieses Schatzes ist eben die Beseitigung von Schuld.
Daran sehen Sie: Auch Menschen, die mit Jesus leben, brauchen regelmäßig Vergebung ihrer Schuld. Hier in Vers zwölf ist nicht die grundsätzliche Vergebung gemeint, nicht die erstmalige Vergebung, durch die man Christ wird. Die bekommt man ja bei der Bekehrung.
Die grundsätzliche Vergebung haben sie gekriegt, als sie Jesus zum ersten Mal als Retter angerufen haben. Als sie Jesus das erste Mal bewusst angebettelt haben: „Herr, rette mich vor der Verlorenheit, vergib mir meine Schuld!“ Damals wurden sie Gottes Kind, damals stiegen sie ein in sein Boot, damals nahmen sie Kurs Richtung Himmel.
Solche Leute sind in diesem Vers angesprochen, also Christen, die das Vaterunser beten dürfen. Sie sollen ihren Vater nun auch regelmäßig bitten um seine Nachsorge: „Vergib uns unsere Schuld.“ Auch wenn wir drin sind im Boot mit Jesus, auch wenn wir gerettet sind, weil unsere große Schuld einmal bereinigt wurde, brauchen wir ständig neu diese Vergebung in Einzelheiten – Gottes Nachsorge.
Das Leben des Christen war vorher wie ein altes, verfallenes Fabrikgebäude. Eines Tages kommt ein neuer Investor, der kauft das alte Gemäuer auf. Dieser neue Investor ist Jesus. Dann führt er eine Grundrenovierung durch. Das alte Gebäude, unser Leben, wird rundum erneuert und wieder funktionstüchtig.
Wer einige Zeit nicht vorbeigekommen ist, der erkennt es kaum wieder: Ein ehemals totes Gebäude lebt. Neue Fundamente, neue Farbe – und trotzdem haben die Putzfrauen jeden Abend genug Arbeit.
Die Grundrenovierung liegt vielleicht schon Jahre zurück – die Grundrenovierung unseres Lebens – aber es kommt wöchentlich immer wieder Staub dazu. Leute laufen mit dreckigen Füßen durch. Solange man das Gebäude benutzt, wird es auch geputzt. Das ist Nachsorge.
Diese Nachsorge Gottes, diese regelmäßige Vergebung, die brauchen wir Christen, solange wir auf dieser Erde leben. Sie sind Christ – wie regelmäßig gehen Sie eigentlich zur Nachsorge Gottes? Das ist möglich in der Zweisamkeit zwischen Ihnen und Gott, zwischen Ihnen und Jesus. Ich kann ihm das in der Stille im Gebet sagen, und er wird es bereiten.
Aber es gibt auch Situationen, da ist es sinnvoll, für diese Nachsorge eine menschliche Hilfe dazuzunehmen. Da ist es sinnvoll, das Gespräch mit einem erfahrenen Christen zu suchen. Es gibt Situationen, da hat sich so viel aufgestapelt an einzelnen Sünden, da hat sich so viel dazwischen geschoben zwischen uns und Gott, dass es einfach eine große Hilfe und Erleichterung sein kann, einen anderen Christen mit dazuzunehmen und zu sagen: „Nun lass uns gemeinsam beten und diesen Berg Schutt vor Gott bringen und ihn dann wegräumen lassen.“
Jesus will uns Mut machen, dass wir uns von Gottes Fürsorge verarzten und erfrischen lassen. Deshalb legt er uns heute Morgen diese Bitte in den Mund: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“
Die Bedeutung des Vergebens im Vaterunser
Diesen letzten Nachsatz muss ich noch erklären, das heißt wörtlich sogar: „wie auch wir unseren Schuldigern bereits vergeben haben, und dann vergib uns unsere Schuld.“ Das ist auf den ersten Blick missverständlich.
Was sagt Jesus damit nicht? Jesus sagt nicht, dass wir uns unsere Vergebung bei Gott verdienen können. Wenn wir immer schön nachsichtig sind, nicht nachtragend, wenn wir verzeihen, vergeben und vergessen, dann hätten wir ein Recht darauf, dass Gott uns auch verzeiht. Das kann nicht gemeint sein.
Die Bibel betont ständig: Vergebung bekommen wir nur durch Jesus, nur wenn wir ihn darum bitten. Jesus hat als Einziger das Reinigungsmittel, das gegen unseren Schmutz, gegen den Schmutz unseres Lebens ankommt. Wir gehen jetzt in die Karwoche hinein, und wir werden dieses Reinigungsmittel wieder besonders vorgestellt bekommen.
Das einzige Reinigungsmittel gegen unseren Schmutz ist sein Blut, das er vergossen hat – an diesem Kreuz, an der Schädelstätte dort. Wir können uns diese Vergebung also nicht verdienen, aber wir können diese ständige Vergebung, die Jesus uns schenken will, blockieren. Wir können uns von dieser regelmäßigen Reinigung ausschließen, wenn wir denen nicht vergeben, die an uns schuldig geworden sind.
Dann ist nicht nur unser Verhältnis zu unserem Schuldner belastet, sondern auch zu unserem Vater im Himmel. Wir bleiben noch seine Kinder, das ist klar, aber unser Verhältnis zu ihm ist getrübt, und die regelmäßige Vergebung ist blockiert.
Deshalb sagt Jesus hier in Vers 14 und 15: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“
Sehen Sie: Wer sich regelmäßig von Jesus die Schuld vergeben lässt, der bekommt ein weiches Herz. Martin Lloyd Jones hat gesagt: „Wer echte Vergebung erfährt, wird in seinem Stolz gebrochen, so dass er selber vergeben muss.“
Ich kenne einen Theologen, der erst zum Glauben kam, als er schon an seiner Doktorarbeit schrieb. Aber dass er zum Glauben kam, lag nicht an der Doktorarbeit, sondern an einer Evangelisation, die er besuchte. An einem Abend erzählte er uns: „Da wurden mir plötzlich die Augen über mein eigenes Leben geöffnet. Da konnte ich annehmen, dass Jesus für mich gestorben ist und mir meine Schuld vergibt.“
Seitdem, sagt er, gehört ein alter Vers aus dem Gesangbuch zu seinen Lieblingsliedern. Dieser Vers heißt: „Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert.“
„Das zähle ich zu dem Wunderbaren, mein stolzes Herz hat’s nie begehrt. Nun weiß ich das und bin erfreut und rühme die Barmherzigkeit.“
Wer so Vergebung durch Jesus erfährt, der staunt darüber, wie großzügig Gott mit ihm ist. Je mehr Vergebung ich von Gott bekomme, desto mehr werde ich beschämt. Und da sollte ich mich sperren, anderen zu vergeben?
Zugegeben: Manchmal bin ich so unmöglich, ich jedenfalls. Dann kann ich nur bitten: Herr, vergib mir und gib mir den Willen, dem xy wieder zu verzeihen. Wenn wir so zu Gott kommen, dann bringt er den Kreislauf wieder in Schwung. Dann stimmt es wieder zwischen Gott und uns, wir bekommen mehr Freude am Glauben und am Bibellesen. Dann fällt uns das Vergeben leichter.
Selbst wenn der andere sich dann sperren sollte, ist es nicht mehr unsere Sache. Dann müssen wir weiter für ihn beten, aber es belastet nicht mehr unsere Beziehung zu Gott.
Sehen Sie: Gottes Nachsorge hat eine enorm reinigende und befreiende Wirkung. Sie erleichtert unser Herz, unser Gewissen, belebt unser Verhältnis zu Gott und – wenn es gut geht – sogar zu dem Menschen, der mit uns im Clinch liegt.
Darum sagt Jesus: Nutzt das, geht regelmäßig in Gottes Nachsorge! Bittet ihn: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“
Dieses Gebet ist immer auch ein guter Test für uns. Immer wenn wir das beten, stößt Jesus uns wieder auf die Frage: Wie steht es mit deiner Vergebungsbereitschaft? Manchmal wird Jesus uns dann an Leute erinnern, denen wir noch nicht vergeben haben.
Dann können wir gleich in der Stille weiterbeten: „Herr, ich will xy vergeben. Es fällt mir zwar immer noch schwer, ihn sympathisch zu finden, Herr, aber in deinem Namen vergebe ich ihm. Bitte gib mir die Kraft, dass ich ihn auch freundlich und ehrlich behandeln kann.“
Schlusswort und Ausblick
Liebe Gemeinde,
wenn wir so beten, wie Jesus es uns vorsagt, dann wird viel geschehen. Wenn wir uns sein Modellgebet nicht nur in den Mund, sondern auch aufs Herz legen lassen, dann bringt das echte Veränderung!
Nach den Ostertagen möchte ich noch eine weitere Predigt über das Vaterunser halten. Dann werden wir sehen, wie Gott uns zusätzlich zu seiner Fürsorge und seiner Nachsorge auch seine Vorsorge anbietet und uns damit endgültig absichert für die Zukunft.
Lassen Sie uns für heute Morgen diese beiden Bitten festhalten. Nehmen Sie diese beiden Bitten bitte mit nach Hause in Ihr Gebet: "Unser tägliches Brot gib uns heute." Wir haben gesehen, wir dürfen – ja, wir sollen – bitten um Gottes tagtägliche Fürsorge. Er ist zuständig für alles, was wir hier in dieser Welt alltäglich zum Leben brauchen.
Und dann das Zweite: Er will noch viel mehr geben. Er will ein intensives persönliches Verhältnis zu uns haben. Er will allen Schutt, alle Störungen beiseite räumen, die zwischen ihm und uns stehen. Deshalb fordert er uns auch zu dieser anderen Bitte auf: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern."
Ich schließe mit einer Geschichte von einem kleinen Jungen. Er mühte sich vergeblich, einen großen Stein hochzuheben. Er wuchtete und versuchte anzusetzen, doch es klappte nicht. Sein Vater beobachtete ihn und fragte: "Setzt du auch wirklich deine ganze Kraft ein?"
"Natürlich", antwortete der Junge, "sieh sie doch!"
"Nein, das stimmt nicht", sagte der Vater, "du hast mich noch nicht um Hilfe gebeten."
Wir machen es oft wie dieser kleine Junge. Wir mühen uns ab mit unseren großen Steinen – Steine der Sorge, Steine der Angst, Steine der Schuld –, die wir irgendwie selbst heben und beseitigen wollen. Und wir merken, es geht nicht.
Und heute Morgen fragt Gott Sie: Setzt du auch wirklich deine ganze Kraft ein? Vielleicht denken Sie: Natürlich, ich bemühe mich doch, ich versuche, zu machen, was geht. Aber Gott sagt: Nein, du hast noch nicht alles getan, du hast mich noch nicht um Hilfe gebeten.
Tun Sie es heute! Sagen Sie Gott Ihren ganz konkreten persönlichen Stein, den Sie nicht wegkriegen. Dann werden Sie erleichtert sein und mit neuem Mut in die neue Woche gehen.
Das gebe Gott uns allen. Er sei gelobt! Amen.