Entscheidungen im Alltag und der Wunsch nach Weisheit
Hast du dich in der letzten Woche oder im vergangenen Monat schon einmal gefragt, wie du die richtige Entscheidung treffen kannst? Gab es Situationen, in denen du dich entscheiden musstest, aber nicht genau wusstest, wie du vorgehen solltest? Zum Beispiel, wie man mit Kollegen gut klarkommt, wie es im Berufsleben weitergehen soll, wie man den richtigen Studienplatz wählt oder den passenden Lebenspartner findet?
Es gibt viele Herausforderungen in unserem Alltag. Dazu gehören auch die zahlreichen kleinen täglichen Entscheidungen. Oft wissen wir erst hinterher besser, wie wir es hätten machen sollen. Aber wäre es nicht schön, wenn wir schon vorher wüssten, was der richtige Weg ist? Wenn wir in jeder Situation erkennen könnten, was weise ist, was an dieser Stelle angemessen ist und wie man sich richtig entscheidet?
Eine solche Weisheit wünschen wir uns doch alle. Wie es in Sprüche 3 heißt: „Glückselig ist der Mensch, der Weisheit gefunden hat, und der Mensch, der Verständnis erlangt.“ Diese Art von Weisheit ist etwas Wertvolles.
Heute wollen wir darüber nachdenken, wie uns Weisheit in Beruf, Familie und Gemeinde sowie in allen Bereichen unseres Lebens weiterhelfen kann. Vor allem wollen wir uns anschauen, wie wir diese Weisheit erlangen. Wie bekommen wir die Weisheit, die uns bei unseren oft unvermeidlichen Entscheidungen hilft? Wie können wir in solchen Situationen schnell und richtig entscheiden? Und wie können wir diese Weisheit in unser Leben integrieren?
Quellen der Weisheit: Heiliger Geist, Gebet und Gottes Wort
Und vielleicht fällt jetzt als Erstes der Heilige Geist dazu ein. Ja, das ist auch richtig. Der Heilige Geist wird auch Geist der Weisheit genannt, der Geist der Weisheit.
Jesus sagt über ihn: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, so wird er euch in die ganze Wahrheit leiten. Er wird nichts aus sich selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.“
Es ist der Geist der Wahrheit und der Geist der Weisheit. Ohne ihn können wir keine vernünftigen Entscheidungen treffen.
Vielleicht fällt euch aber auch das Gebet um Weisheit ein. Davon steht in Jakobus 1 geschrieben: „Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen willig gibt und nichts vorwirft, und sie wird ihm gegeben werden.“
Es ist also eine gute Sache, eine richtige Sache, um Weisheit zu bitten. Es ist auch eine gute und richtige Sache, auf den Heiligen Geist zu vertrauen – am besten beides zusammen.
Es gibt aber noch einen dritten, ebenso geistlichen und ebenso göttlichen Weg, zur Weisheit zu kommen, diese Weisheit zu bekommen, wie wir die großen und kleinen Fragen unseres Alltags lösen sollen.
Und zwar ein anderer Weg zur Weisheit, der auf jeden Fall auf den Heiligen Geist angewiesen ist und der unser Gebet um Weisheit auch braucht, aber der doch anders ist, eine andere Sache.
Wir finden das in Psalm 119. Schlagen Sie bitte auf Psalm 119 auf, dort finden wir es nämlich.
Psalm 119, ab Vers 97, der Abschnitt Mem. Psalm 119, Verse 97 bis 104. Ich lese aus der Schlachter 2000:
Die Liebe zum Gesetz als Quelle der Weisheit
Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Ich sinne den ganzen Tag darüber nach. Deine Gebote machen mich weiser als meine Feinde; sie sind ewiglich mein Teil.
Ich bin verständiger geworden als alle meine Lehrer, denn über deine Zeugnisse sinne ich nach. Ich bin einsichtiger als die Alten, weil ich auf deine Befehle achte. Ich halte meine Füße fern von jedem bösen Weg, damit ich dein Wort befolge.
Von deinen Bestimmungen bin ich nicht abgewichen, denn du hast mich gelehrt. Wie süß ist dein Wort meinem Gaumen, mehr als Honig meinem Mund! Von deinen Befehlen werde ich verständig, darum hasse ich jeden Pfad der Lüge.
Hier haben wir die Antwort auf unsere Frage. Der Psalmist beschreibt es in den Versen 98, 99 und 100: „Er ist weiser als seine Feinde, verständiger als alle seine Lehrer und einsichtiger als die Alten.“
Das ist genau das, was wir wollen. Es wäre wünschenswert, wenn wir diese Weisheit im Alltag hätten – weiser als die Feinde, verständiger als die Lehrer, einsichtiger als die Alten.
Doch beim Psalmisten ist das nicht einfach so gekommen. Es ist eine Folge seines Verhaltens, das sich durch den ganzen Psalm zieht.
Schaut in Vers 97: Er liebt das Gesetz. In Vers 97 denkt er den ganzen Tag darüber nach. In Vers 98 betrachtet er Gottes Gebot als einen wertvollen Besitz. In Vers 99 denkt er darüber nach, wie Gott sich bezeugt und offenbart.
In Vers 100 achtet er auf Gottes Befehle. In Vers 101 hält er seine Füße fern von jedem bösen Weg und nimmt weiten Abstand von der Sünde. In Vers 102 geht er Gottes Weg und weicht nicht davon ab. In Vers 103 hasst er jeden Pfad der Lüge.
Das sind viele Dinge, die der Psalmist getan hat. Und doch ist es eigentlich nur Ausdruck dessen, was am Anfang steht: Wie habe ich dein Gesetz so lieb!
Die aktive Suche nach Weisheit und die Bedeutung der Liebe zum Gesetz
Und wir wollen uns diese Liebe zum Gesetz jetzt einmal genauer anschauen. Dabei wollen wir herausfinden, was dahintersteckt und wie wir das vielleicht übernehmen und davon lernen können. Können wir vielleicht auch das erreichen, was er erreicht hat? Weiser sein als seine Feinde, verständlicher als seine Lehre? Einsichtiger als die Alten?
Was zuerst auffällt – und ich habe das ja gerade schon beschrieben mit der ganzen Auflistung der Verse und dem, was er getan hat – ist: Das ist kein passives Warten auf Weisheit. Um Weisheit zu bitten und auf den Heiligen Geist zu vertrauen, ist nicht nur passiv. Es gehört auch ein Tun dazu. Man muss sich für die Weisheit öffnen und sie aktiv erwerben. So wird es auch an verschiedenen anderen Stellen beschrieben.
Das hat viel damit zu tun, was wir tun, denn wir bekommen Weisheit nicht einfach ohne jede Anstrengung geschenkt. Sie ist ein Geschenk von Gott, ganz zweifellos, aber sie wird nur denen geschenkt, die zeigen, dass sie sie wollen, die wirklich danach streben und ernsthaft danach suchen.
Schauen wir uns nun genau an, wo der Verfasser dieses Psalms startet: Er beginnt mit der Liebe zum Gesetz. Dabei formuliert er es ganz besonders: „Wie habe ich dein Gesetz so lieb!“ Da steht nicht „Wie habe ich das Gesetz so lieb“, sondern „dein Gesetz“. Das ist eine ganz wichtige Formulierung.
Es geht hier nicht nur darum, dass jemand sagt: „Ich mag es, wenn es Regeln gibt. Ich bin ein eher regelorientierter Mensch.“ Nein, es geht ihm um Gottes Gesetz, um „dein Gesetz“, so spricht er es aus. Die Liebe zu seinem Gesetz ist Ausdruck der Liebe zu Gott. Darum geht es tiefer, das steckt dahinter.
Thomas von Aquin bringt das auf den Punkt und sagt: „Theologie geht von Gott aus, lehrt uns über Gott und führt uns zu Gott zurück.“ Er hat Recht, wenn es um echte Theologie geht. Es gibt ja auch die menschliche Theologie, die wollen wir hier außen vor lassen. Deshalb ersetze ich jetzt einfach mal „Theologie“ durch „Gottes Wort“ – und dann stimmt es immer.
Dann lautet der Spruch nämlich: „Gottes Wort geht von Gott aus, belehrt uns über Gott und führt uns hin zu Gott.“ Und wie sonst? Wie sollte es sonst möglich sein, Weisheit zu finden, wenn wir nicht da suchen, wo sie ist – nämlich beim Herrn? Nur dort ist Weisheit die wahre, die göttliche Weisheit.
Gesetz als Ausdruck der Beziehung zu Gott
Liebe zum Gesetz, zu Gottes Gesetz, ist nicht einfach nur Pflichterfüllung oder das Abhaken einer Liste: „Das habe ich getan, das habe ich erfüllt, jenes Gebot habe ich gehalten.“ Darum geht es nicht. Vielmehr geht es um eine Beziehung zum Geber des Gesetzes.
Dieses Gesetz spiegelt Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit wider. Das Gesetz zeigt Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit, und wenn der Psalmschreiber vom Gesetz spricht, dann meint er den Geber des Gesetzes. Er sieht darin die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes, weil er Gott darin erkennt.
Es geht also nicht um sinnlose Diskussionen über Ansichten und Theologie oder juristische Streitereien über das Komma im zweiten Halbsatz. Auch jahrelange Auseinandersetzungen über verschiedene Auslegungsvarianten sind hier nicht das Thema. Vielmehr geht es darum, dass der Psalmschreiber eine Liebesbeziehung zu Gott hat. Er liebt Gott und damit auch sein Gesetz.
Das wird besonders deutlich in Vers 99: „Ich bin verständiger geworden als alle meine Lehrer, denn über deine Zeugnisse sinne ich nach.“ In Vers 97 heißt es, er sinne den ganzen Tag über sein Gesetz nach. Hier steht „Über deine Zeugnisse sinne ich nach.“ Die Begriffe lassen sich also austauschen.
Zeugnis Gottes als Offenbarung seiner Person
Wenn wir im Alten Testament nach dem Wort „Zeugnis“ suchen, begegnet uns dieses Wort häufig im Zusammenhang mit dem Allerheiligsten in der Stiftshütte, genauer gesagt in der Bundeslade. Dort liegt das Zeugnis Gottes. So heißt es beispielsweise in 2. Mose 25: „Und du sollst das Zeugnis, das ich dir geben werde, in die Lade legen.“
Auch in 2. Mose 31 wird berichtet: Als Gott mit Mose auf dem Berg Sinai zu Ende gesprochen hatte, gab er ihm die beiden Tafeln des Zeugnisses – Tafeln aus Stein, beschrieben mit dem Finger Gottes. Diese steinernen Tafeln sind Gottes Zeugnis. Sie wurden in die Bundeslade gelegt und bilden den Kerninhalt des Gesetzes, das Fundament des gesamten mosaischen Gesetzes: die zehn Gebote.
Mit „Zeugnis“ ist jedoch nicht nur gemeint, dass hier Regeln aufgestellt und schriftlich festgehalten werden, um dann in eine Lade gelegt zu werden. Es geht um viel mehr. Denn würde es sich nur um Vorschriften handeln, würde man eher Begriffe wie Gebote, Befehle, Bestimmungen, Anordnungen oder Gesetze finden. Aber hier ist vom Zeugnis die Rede, und das meint etwas anderes: Gott bezeugt sich selbst. Er zeigt sich, offenbart sich.
Genau das ist die Funktion des Gesetzes: Es soll uns Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit erkennen lassen. Im Gesetz erkennen wir seinen Charakter, sein Wesen – wie er ist. Davon zeugen die Gebote. Und es geht noch viel tiefer: Die Tatsache, dass er dieses Gesetz seinem Volk gegeben hat, beweist, dass er liebt, dass er der Gott der Liebe ist. Er liebt sein Volk. So zeigt er sich, bezeugt sich und offenbart sich.
An anderen Stellen finden wir diese Unterscheidung zwischen Geboten, Satzungen und Zeugnis ebenfalls. Zum Beispiel betet David an einer Stelle für seinen Sohn Salomo, der nach ihm König werden soll. Er bittet: „Und meinem Sohn Salomo gib ein ungeteiltes Herz, deine Gebote, deine Zeugnisse und deine Satzungen zu halten und alles zu tun und den Palast zu bauen, den ich vorbereitet habe.“
David bittet hier nicht nur darum, dass Salomo jedes einzelne Gebot hält, sondern er unterscheidet zwischen Geboten, Zeugnissen und Satzungen. Offenbar macht er hier eine bewusste Unterscheidung zwischen diesen Begriffen.
Unterschiedliche Begriffe für Gottes Wort im Psalm 119
Wenn wir nun Psalm 119 von Anfang bis Ende betrachten – wobei wir nicht den gesamten Psalm lesen werden – stellen wir fest, dass die Begriffe dort nicht klar, sauber und trennscharf unterschieden werden. Vielmehr werden sie oft austauschbar verwendet. Zum Beispiel in den Versen 97 und 99, wo einmal gesagt wird, dass über das Gesetz nachgedacht wird, und einmal, dass über die Zeugnisse nachgedacht wird. Diese Begriffe werden häufig ausgetauscht und meinen im Grunde dasselbe.
Dennoch lohnt es sich, die drei Begriffe einmal genauer zu betrachten, da ihre Unterscheidung vieles klarer macht.
Das Gebot ist Gottes universell gültige Anordnung für alle Menschen und zu allen Zeiten. Beispiele dafür sind: Du sollst nicht töten, du sollst nicht Ehe brechen, du sollst nicht lügen. Diese Gebote gelten immer, überall und zu jeder Zeit.
Die Satzungen hingegen sind Anweisungen speziell für das Volk Israel. Zum Beispiel die Satzungen über die Kleidung des Hohepriesters beim Opfer oder die Satzungen darüber, wie und wann Opfer gebracht werden sollen. Sie regeln, unter welchen Umständen und von wem bestimmte Opfer dargebracht werden müssen. Diese Satzungen sind also konkret und an bestimmte Umstände gebunden.
Das Besondere an diesen Satzungen ist, dass sie Gottes Wort sind und bleiben. Dennoch hat sich seit dem Tod und der Auferstehung Jesu eine völlig neue Situation ergeben, was diese Satzungen betrifft. Jesus Christus hat am Kreuz von Golgatha das eine Opfer gebracht, das für alle Sünden gültig ist – ein Opfer, das für alle Zeit, für alle Ewigkeit und für alle Sünden ausreichend ist. Die Opfer des Alten Testaments wurden dadurch abgeschafft.
Durch wen? Durch Gott selbst. Gott hat die Satzungen für die Opfer gegeben und hat sie selbst außer Kraft gesetzt, weil nun nur noch das eine Opfer gilt. Deshalb ist und bleibt es Gottes Wort, und daran ändert sich nichts. Es ist nur in diesem Fall nicht mehr gültig.
Die Zeugnisse Gottes dagegen sind weder Gebot noch Satzung. Sie sind überall in der Heiligen Schrift zu finden, wo wir Gott erkennen können, wo wir verstehen, wie er ist, und wo wir an der Art und Weise, wie Gott sich verhält, spricht und handelt, erkennen können, wer er ist. Auch an Stellen, an denen direkt über Gott berichtet wird, zum Beispiel in Jesaja 6 oder an anderen Stellen, wo Gott auf seinem Thron in seiner Herrlichkeit gezeigt wird.
Die Zeugnisse seines Mundes bezeugen Gott, zeigen ihn und offenbaren ihn. Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit werden dadurch sichtbar. Die Zeugnisse seines Mundes, wie sie zum Beispiel in Psalm 119, Vers 88, genannt werden, umfassen das ganze Wort Gottes – alles, was Gott gesprochen hat, sein komplettes Wort.
Dort bezeugt er sich selbst und zeigt sich. Ohne diese Zeugnisse wüssten wir nichts über Gott. Wir würden nicht einmal ahnen, dass es Gott gibt, und könnten nichts von ihm verstehen. Wir hätten kein Wissen über Gott, wenn er sich nicht selbst bezeugt hätte.
Er hat sich auf verschiedene Arten bezeugt, zum Beispiel auch in der Schöpfung. Doch seine vollständige Offenbarung finden wir nur im Wort Gottes. Nur dort ist alles zu finden.
Gottes Wort als Schatz und Quelle der Weisheit
Der Psalmist, der diesen Psalm 119 geschrieben hat, verwendet verschiedene Begriffe wie Weisung, Gesetz, Zeugnis, Bestimmung, Satzung, Gebot, Anordnung, Recht, Spruch, Wort, Rede und Weg. Es sind viele unterschiedliche Begriffe, und im Grunde geht es ihm immer um das Wort Gottes. Er trennt diese Begriffe nicht allzu scharf voneinander.
Wichtig ist ihm, dass alles, was Gott gesprochen hat, Gottes Offenbarung und Gottes Wort ist. Das ist für ihn von großer Bedeutung, und er liebt es. Dadurch wird vielleicht deutlicher, was er in Vers 97 schreibt: „Ich liebe dein Gesetz.“ Damit meint er nicht nur die zehn Gebote oder die sechshundert Gebote des sogenannten mosaischen Gesetzes. Vielmehr liebt er Gott und damit alles, was aus Gottes Mund gekommen ist, seine Zeugnisse.
Deshalb sinnt er den ganzen Tag darüber nach. Es ist ihm wichtig, weil Gott ihm wichtig ist. Durch das Nachdenken über Gottes Wort lernt er viel über den Gott, den er so liebt. Dieses Nachdenken führt ihn näher zu Gott. Er erkennt immer mehr über Gott, und es bringt ihn Gott näher.
Umgang mit dem Gesetz im Neuen Bund
Und damit kommen wir zu einer ganz wichtigen Frage: Dürfen wir Christen das Gesetz so lieben wie der Autor von Psalm 119? Wie sollen wir mit dem Gesetz umgehen, wenn Christus durch sein Opfer am Kreuz das Gesetz als Ganzes außer Wirksamkeit gesetzt hat – praktisch unwirksam?
Aber ist das wirklich so? Oder sind nicht nur die Satzungen über die Opfer außer Wirksamkeit gesetzt? Denn das Alte Testament und auch das Gesetz – alle diese Bestimmungen, Verordnungen, Satzungen, wie man sie auch nennen mag – zeigen uns die Heiligkeit Gottes, die Gerechtigkeit Gottes und die absolute Verdorbenheit des Menschen. Und das ändert sich nicht. Es ändert sich nicht dadurch, dass Jesus Christus dieses eine Opfer gebracht hat.
Das Gesetz ist nach wie vor gültig, weil es uns immer noch zeigt, wer Gott ist und wer wir sind. Im Neuen Testament heißt es auch: „Das Gesetz ist unser Erzieher auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden.“ Das steht im Galaterbrief. Diesen Zweck erfüllt das Gesetz auch heute noch absolut. Es ist nichts unwirksam oder unwichtig geworden.
Das Gesetz ist nach wie vor gültig, weil es uns auf Christus hinweist. Ja, die Satzungen über die Opfer und so weiter haben für uns keine Relevanz. Trotzdem dürfen wir sie lesen und studieren, weil wir darin viel über dieses eine Opfer am Kreuz lernen. Über diesen herrlichen Gott, der einen Weg zur Erlösung schafft.
Jesus Christus hat das Gesetz vollständig erfüllt. Er ist allen Anforderungen des Gesetzes nachgekommen und hat die Bindung an das Gesetz zur Rechtfertigung aufgehoben. Es heißt nun nicht mehr: Wenn du alle Bestimmungen des Gesetzes hältst, wirst du gerettet. Sondern: Du wirst nur gerettet, wenn du an Jesus Christus glaubst. Denn Christus ist das Ende des Gesetzes jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit (Römer 10,4).
Also ist das Gesetz nicht aufgehoben. Es zeigt weiterhin Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit. Es zeigt unsere Sündhaftigkeit und Verlorenheit. Und es weist auf Jesus Christus hin, auf ihn läuft alles zu.
Die Liebe zum Gesetz als Ausdruck der Liebe zu Christus
Fazit
Ja, natürlich dürfen wir das Gesetz lieben, wir müssen es sogar lieben. Wenn es auf unseren Herrn Jesus Christus hinweist, dann sollten wir dieses Gesetz lieben. Es zeigt uns unseren Heiland und offenbart, wie herrlich Gottes Erlösung ist. Gleichzeitig macht es uns bewusst, wie heilig Gott ist, wie unheilig wir sind und wie sehr wir diese Erlösung brauchen.
Wir dürfen und sollen das Gesetz lieben, weil es uns auf den Geber des Gesetzes hinweist. Auch wenn wir die vielen Regeln aus dem Gesetz, die für das Volk Israel gegeben wurden, heute nicht mehr befolgen müssen, können wir darin viel erkennen. Im Gesetz, im Alten Testament und bei den Propheten begegnet uns Gottes Liebe, Gottes Gnade, Gottes Barmherzigkeit und Gottes Geduld mit uns.
Seine Barmherzigkeit ist jeden Morgen neu, seine Gnade reicht so weit wie der Himmel. Diese Wahrheiten führen uns zur Weisheit, weil sie uns klug machen, uns helfen, Gott zu verstehen und uns auf Christus hinweisen, der das Gesetz vollkommen erfüllt hat.
Interessant ist, dass Jesus auch sehr deutlich über die Gebote gesprochen hat. Zum Beispiel wissen wir aus 1. Johannes 5,3, dass die Liebe zu Gott darin besteht, seine Gebote zu halten. Johannes hat diese Idee nicht selbst erfunden, sondern zitiert Jesus selbst. In Johannes 14,15 und 14,21 heißt es: „Liebt ihr mich, so haltet meine Gebote.“ Das ist völlig klar und lässt keinen Zweifel zu.
Wer Jesus liebt, der hält auch seine Gebote. Wer seine Gebote befolgt, der zeigt, dass er Jesus Christus liebt. Wer Jesus Christus liebt, wird auch seine Gebote halten und festhalten.
Gottes Wort als umfassende Offenbarung
Und jetzt zurück zu Psalm 119: Wie schon gesagt, wird das Wort „Gesetz“ darin sehr oft als Synonym für das gesamte Wort Gottes verwendet. Die Begriffe sind dort häufig austauschbar.
Es geht um die Tora, um das Gesetz, die Propheten und die anderen Schriften des Alten Testaments. Ebenso umfasst es die Evangelien, die Briefe und die Offenbarung. All dies ist das Wort Gottes.
Wie wir aus 1. Petrus 1,10 wissen, haben auch die alttestamentlichen Propheten nach dieser Erlösung geforscht und gesucht. Sie verstanden den ganzen Zusammenhang nicht vollständig, weil er erst erkannt werden konnte, nachdem Jesus Christus gestorben und auferstanden war. Außerdem war der Heilige Geist notwendig, damit wir überhaupt verstehen können.
Das Gesetz hat dabei eine besondere Rolle: Es spiegelt Gottes Charakter wider. Es ist eben nicht nur eine Sammlung von Gesetzen.
So verstehe ich es, dass sich darin – und zwar von 1. Mose bis Offenbarung 22 – Gott erkennen und entdecken lässt. Man sieht, wie herrlich er ist, wie heilig, wie gerecht, und dass er voller Liebe, Barmherzigkeit und Gnade ist.
Einladung zur Liebe zum Wort Gottes
Wenn wir das jetzt verstanden haben, drängt sich unweigerlich eine Frage in den Vordergrund: Liebst du das Wort Gottes?
Liebst du das Wort Gottes und wie zeigt sich diese Liebe? Welche Gefühle verbindest du mit dem Lesen von Gottes Wort? Was empfindest du dabei? Gibt es Momente, in denen du echte Freude oder Begeisterung beim Lesen der Bibel hast?
Abgesehen von unseren Gefühlen – das ist das eine – wie beeinflusst Gottes Wort dein tägliches Leben? Wie beeinflusst Gottes Wort dein Handeln und deinen Alltag?
Jonah hat in seiner Predigt vor zwei Wochen hier gefragt: Wo ist in deinem Leben wahre Frucht sichtbar?
Lesen wir noch einmal diesen Abschnitt, diese Verse:
Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Ich sinne den ganzen Tag darüber nach.
Deine Gebote machen mich weiser als meine Feinde, denn sie sind ewiglich mein Teil.
Ich bin verständiger geworden als alle meine Lehrer, denn über deine Zeugnisse sinne ich nach.
Ich bin einsichtiger als die Alten, denn ich achte auf deine Befehle.
Ich halte meine Füße fern von jedem bösen Weg, damit ich dein Wort befolge.
Von deinen Bestimmungen bin ich nicht abgewichen, denn du hast mich gelehrt.
Wie süß ist dein Wort meinem Gaumen, mehr als Honig meinem Mund!
Der Autor dieser Verse liebt das Wort Gottes, und die Frucht dieser Liebe ist direkt in seinem Leben zu sehen.
Früchte der Liebe zum Wort Gottes
Es gibt hier sogar zwei Arten von Früchten, die nacheinander kommen. Ich habe dann gesucht, ob es eigentlich eine Pflanze gibt, bei der das auch vorkommt, also dass zwei Arten von Früchten nacheinander wachsen.
Man kann durch Züchtung erreichen, dass ein Apfelbaum zwei Sorten Äpfel trägt. Das ist möglich, aber das meine ich nicht. Vielmehr ist es so wie bei der Feige. Beim Feigenbaum gibt es das tatsächlich: Auf den alten Ästen vom Vorjahr wachsen im Frühjahr Vorfeigen, Frühfeigen oder Blühfeigen – es gibt dafür verschiedene Begriffe. Dann wachsen neue Triebe, und an diesen neuen Trieben kommen im Sommer die eigentlichen Feigen. So gibt es zwei verschiedene Arten von Früchten, die nacheinander erscheinen.
Jetzt schauen wir uns das in diesem Text nochmal an. Die zweite Frucht ist, dass jemand weiser, verständiger und einsichtiger wird. Das ist die zweite Frucht, die süßer schmeckt und wertvoller für uns ist, wonach wir streben. Denn laut den Sprüchen ist glückselig, wer Weisheit erlangt. Das ist die zweite Frucht.
Die erste Frucht zeigt sich im Tun und Handeln, denn jemand, der das Gesetz Gottes liebt, bringt sichtbare Frucht hervor. Zum Beispiel heißt es: „Ich sinne nach über dein Gesetz den ganzen Tag, sie sind ewiglich mein Teil. Über deine Zeugnisse sinne ich nach, ich achte deine Befehle. Ich halte meine Füße fern von jedem bösen Weg, von deinen Bestimmungen bin ich nicht abgewichen, ich hasse jeden Pfad der Lüge.“
Diese Dinge lassen sich in zwei Kategorien der ersten Frucht einteilen. Man könnte es auch so formulieren: Da ist die unermessliche Liebe zu Gottes Wort. Es ist ein ganz kostbarer Schatz, den ich bewahre. Das Wort ist süß wie Honig für mich, und ich tauche tief ein, um Gottes Wesen, seinen Heilsplan, seine Erlösung, seine Herrlichkeit und Heiligkeit immer besser zu verstehen. Das ist eine Reise der Erkenntnis, bei der ich immer mehr von Gott ergriffen werde.
Zweitens ist da die verändernde Kraft des Wortes Gottes: die Weisheit und Einsicht, die ich dadurch erhalte. Nach und nach lerne ich, das Böse zu meiden, der Wahrheit nachzufolgen und den richtigen Weg zu gehen. Diese Früchte entstehen aus der Liebe zum Wort Gottes – das sind die ersten Früchte.
Wenn diese Früchte da sind, kommen später auch die zweiten Früchte: weiser als die Feinde, verständiger als die Lehrer und einsichtiger als die Alten.
Persönliche Reflexion und Einladung
Und wie sieht es bei dir aus? Wie zeigt sich deine Liebe zu Gottes Wort in deinem Leben? Ist es für dich mehr als nur ein Buch, das du einmal die Woche herauskramst, um damit zum Gottesdienst zu gehen? Bitte bring die Bibel zum Gottesdienst mit, denn es ist wichtig, dass man direkt nachlesen kann.
Oder ist die Bibel für dich ein Schatz, aus dem du täglich neue Kostbarkeiten hebst? Entdeckst du jeden Tag neue Dinge – von Gott, über Gott, die dich zu Gott hinführen und anziehen? Lehrt sie dich über seine Erlösung, seine Gnade und Liebe? Kann man in deinem Leben erkennen, dass Liebe zum Wort Gottes da ist? Spiegelt sich das irgendwo in deinem Alltag wider?
Ich möchte jetzt nicht mit einer Anklage schließen, sondern mit einer Einladung. Denn dieser Psalm ist eine herrliche Einladung Gottes, eine Einladung unseres Herrn und Erlösers. Es ist eine Einladung, nicht nur ab und zu darin zu blättern oder einen Vers zu lesen, sondern Gottes Wort zu einem festen Ankerpunkt in unserem Leben zu machen.
Es ist eine Einladung, dieses Geschenk anzunehmen, das er dir überreicht – ein Geschenk, das du nur noch auspacken musst, um es zu entdecken und zu genießen. Süßer als Honig ist es.
Du hast heute die Chance, eine Entscheidung zu treffen, die dein Leben nachhaltig verändern kann. Ich erinnere nur an die zweite Frucht: weißer als die Feinde, verständlicher als die Lehrer, einsichtiger als die Alten. Das kann bei uns so passieren, wenn die erste Frucht auch da ist. Wenn wir uns von dieser Liebe anstecken lassen, wenn wir uns auf diese Einladung einlassen, wenn wir das Geschenk auspacken, das wir bekommen haben, und wenn wir ihn darum bitten, uns Weisheit zu geben und uns durch seinen Heiligen Geist zu helfen, sein Wort zu verstehen.
Wir brauchen Weisheit. Ganz wichtig: Nathanael hat vor ein paar Wochen in der Bibelstunde völlig zu Recht darauf hingewiesen – und deswegen muss man es noch einmal erwähnen: Weisheit ist nicht Wissen. Bei Weisheit geht es nicht um Faktenwissen. Es geht nicht darum, dass du die Propheten in der richtigen Reihenfolge aufzählen kannst oder weißt, welcher König wann regiert hat. Darum geht es nicht.
Weisheit ist deutlich mehr als Wissen. Wissen gehört dazu, ja – Wissen heißt, ich kenne mich mit den Fakten aus. Weisheit bedeutet, ich weiß, wie ich mit den Fakten umgehe.
Der Autor dieses Psalms war weiser als seine Feinde und konnte ihnen deshalb passend begegnen in seinem Alltag. Er war einsichtiger als alle seine Lehrer und konnte deswegen besser durch sein Leben gehen als diese. Er war einsichtiger als die Alten und musste nicht Jahrzehnte warten, bis er irgendwann einmal ein bisschen Einsicht bekommt. Stattdessen hat er diese Frucht schneller genießen dürfen.
Schlussgedanken und Aufforderung zum Handeln
Jetzt liegt es an dir, den nächsten Schritt zu überdenken: Wie gehst du jetzt damit weiter? Was tust du mit all diesen Informationen?
Es ist ein Schatz für dich, der darauf wartet, entdeckt zu werden. Packst du das Geschenk aus oder machst du weiter wie bisher?
Ich weiß, dass hier einige sitzen, die das Wort Gottes wirklich lieben und es intensiv studieren. Mach weiter, grabe dich noch tiefer hinein.
Aber ich weiß auch, dass es andere gibt, die das Wort Gottes noch nicht so lieben, die noch nicht begriffen haben, was ihnen entgeht, was sie verpassen. Entdecke mehr von Gott, entdecke mehr über seine Gnade, seine Barmherzigkeit und seinen Heilsplan.
Das soll keine Entscheidung aus Zwang sein, kein Druck – wirklich nicht. Sieh es als Einladung, als ein liebevolles Angebot eines liebenden Heilands, der dich mit Weisheit beschenken will. Eine Weisheit, die dich weiterbringt.
Wir können uns von Psalm 119 inspirieren lassen, von dem Schreiber, der so viel Erfahrung mit Gottes Wort gemacht hat und es immer mehr liebt, je mehr er davon liest.
Gott, unser liebender Gott, erwartet dich mit offenen Armen und ist gerne bereit, dir Weisheit zu schenken und dir weiterzuhelfen. Du kannst seine Nähe, seine Liebe und seine Führung erfahren.
Wenn man Psalm 119 so durchliest, wie er das beschreibt, ist es die Einladung zu einem erfüllten Leben. Einem Leben bei dem der mächtige Gott, der euch ohne Straucheln bewahrt und euch unsträflich mit Freuden vor das Angesicht seiner Herrlichkeit stellt, allein gebührt Herrlichkeit und Majestät, Macht und Herrschaft – jetzt und in alle Ewigkeit! Amen.
