In der Diskussion um die Realität des Jenseits, um ein Leben nach dem Tod oder die Existenz der Seele wird immer wieder auf sogenannte Nahtodeserlebnisse Bezug genommen. Die Berichte darüber ähneln sich häufig sehr stark.
Meist handelt es sich dabei um Menschen, die einen Herzstillstand erlitten haben. In diesem Moment spüren sie, wie sich ihre Seele aus dem Körper löst. Später berichten sie, dass sie ihren Körper von oben gesehen haben, wie er auf dem Operationstisch lag.
Sie erzählen, dass sich ihre Seele immer schneller vom Körper löste und entfernte. Danach gelangten sie in einen langen Tunnel, einen leuchtenden Lichttunnel. Am Ende dieses Tunnels standen dann verschiedene Personen, die die Seele aufgenommen haben sollen.
Die Berichte variieren darin, wer diese Personen waren. Manche berichten von Jesus, der ihnen mit offenen Armen entgegenkam. Es folgt meist ein kurzes Gespräch. Relativ schnell wird den Betroffenen mitgeteilt – oder sie spüren –, dass sie zurück in ihren Körper müssen.
Anschließend geht es durch den Tunnel zurück in den Körper. Dann wachen sie plötzlich auf, nehmen ihre Umgebung wieder wahr und sind wieder in ihrem Körper präsent.
Viele Menschen betrachten und interpretieren diese Erfahrung als eine reale Begegnung im Jenseits. Sie glauben, wirklich Gott oder Verstorbene getroffen zu haben, die bereits im Jenseits verweilen.
Allerdings bringen diese Nahtodeserlebnisse auch einige Schwierigkeiten mit sich. Sie werfen Fragen auf, die nicht so leicht zu beantworten sind. Zum Beispiel: Warum erleben nur etwa 18 Prozent der Menschen, die einen Herzstillstand erleiden, ein solches Nahtodeserlebnis? Wenn es sich wirklich um eine Erfahrung im Jenseits handelt, müssten wir ja davon ausgehen, dass alle Menschen, die sterben, ähnliche Erfahrungen machen. Ähnliche Berichte würden dann vorliegen. Denn wir können schlecht argumentieren, dass ein Mensch eine Seele hat, ein anderer aber nicht.
Wenn alle Menschen eine Seele haben und diese im Moment des Herzstillstands den Körper verlässt, müsste das ja von allen Menschen berichtet werden.
Was viele Autoren über Nahtodeserlebnisse meistens ignorieren oder nicht erwähnen, ist die Tatsache, dass es auch zahlreiche Menschen mit Herzstillstand gibt, die von Höllenvisionen berichten. Ebenso gibt es Berichte über starke Schmerzen, also Erfahrungen, die nicht das Glück widerspiegeln, von dem einige erzählen.
Auch das ist schwer in dieses Konzept einzubauen. Bei genauerer Untersuchung fällt zudem auf, dass diese Glücksvisionen nicht nur bei Gläubigen verschiedener Religionen vorkommen, sondern auch bei Atheisten. Umgekehrt gibt es Menschen, die besonders religiös sind, aber keine Glückserfahrungen machen. Manche von ihnen berichten sogar von Schmerz- oder Höllenvisionen.
Auch das scheint mit der klassischen Interpretation von Religion und Glauben schwer oder gar nicht vereinbar zu sein.
Darüber hinaus zeigen die meisten Berichte, dass die Menschen mehr oder weniger das gesehen haben, was sie erwartet oder erlebt haben. Beispielsweise berichten sie von der Gemeinschaft mit verstorbenen Familienangehörigen oder von der Begegnung mit einem Vertreter ihrer eigenen Religion.
Bei Menschen, die als Christen gestorben sind oder zumindest einem christlichen Kulturkreis angehören, fällt auf, dass ihnen außerordentlich häufig Jesus begegnet oder Gott in irgendeiner Form. Es gibt jedoch auch Nahtodeserlebnisse in hinduistischen oder islamischen Kulturkreisen. Dabei fällt auf, dass Muslimen mit Nahtodeserlebnissen häufig Mohammed oder eine andere wichtige islamische Persönlichkeit begegnet. Hindus berichten hingegen, dass ihnen hinduistische Gottheiten begegnen.
Man könnte die These aufstellen, dass tatsächlich jeder an den Ort kommt, den er erwartet und erhofft. Allerdings fehlen weitgehend Überprüfungskriterien, um feststellen zu können, wie real diese Erfahrungen tatsächlich sind.
Verschiedentlich wurden Untersuchungen unternommen, um dies überprüfen zu können. So wurden in Operationssälen an bestimmten Stellen Zahlen oder Buchstaben angebracht, die nur von oben sichtbar sind. Beispielsweise wurden solche Zeichen auf der Rückseite einer Operationsleuchte angebracht.
Die bisherigen Ergebnisse sind relativ eindeutig: Niemand, der eine Nahtoderfahrung gemacht hat, berichtet von der genannten Ziffernfolge oder den Buchstaben. Auf Rückfragen kann sich auch niemand daran erinnern.
Das deutet eher darauf hin, dass diese Personen ihren Körper nicht wirklich verlassen haben. Wären sie tatsächlich außerhalb ihres Körpers gewesen, hätten sie die Buchstaben auf der Oberseite der Operationsleuchte sehen können. Vielmehr scheint es so zu sein, dass das Gehirn des Menschen eine solche Erfahrung produziert. Diese findet also weiterhin im Menschen selbst statt.
Auch das wirft Zweifel auf die Realität und Qualität dieser vorgeblichen Jenseitserfahrungen. Ein weiterer Zweifel entsteht, wenn man berücksichtigt, dass viele Menschen, die keinen Herzstillstand hatten, ähnliche Erfahrungen und Visionen machen. Das heißt, sie sind gar nicht gestorben, haben aber dennoch solche Erlebnisse.
Darüber hinaus muss festgestellt werden, dass ein Mensch mit einem Herzstillstand in diesem Moment nicht tot ist. Manche Berichte sprechen davon, die Person sei tot oder sogar klinisch tot. Das ist jedoch falsch. Der klinische Tod wird heute am Hirntotkriterium gemessen. Die Betroffenen haben jedoch kein Hirntotkriterium erfüllt, sondern lediglich einen Herzstillstand erlitten.
Ein Herzstillstand bedeutet nicht, dass ein Mensch tot ist. Die Tatsache, dass nach Wiederbelebungsmaßnahmen die Betroffenen weiterleben und sich an die Ereignisse erinnern können, zeigt, dass sie zwar eine besondere Form der Erkrankung durchgemacht haben, nämlich einen Herzstillstand, aber nicht wirklich tot waren.
Medizinisch betrachtet ist der Tod kein punktuelles Ereignis, sondern ein Prozess. Dieser Prozess beginnt häufig mit einem Herzkreislaufstillstand. Danach sterben zuerst die Hirnzellen, da sie viel Sauerstoff benötigen und sehr empfindlich sind. Nach und nach sterben erst nach Stunden andere Zellen des Körpers ab.
Man kann also sagen, dass die Berichte aus der Phase des Sterbens stammen, genauer gesagt aus einer sehr frühen Phase. Meistens halten Herzstillstände nur wenige Sekunden oder Minuten an, bevor das Herz wieder zu schlagen beginnt. Die Betroffenen erinnern sich an diese Ereignisse.
Auch das ist ein Punkt, der Zweifel an der Aussagekraft dieser Nahtoderlebnisse zulässt.
In den letzten Jahren haben sich Mediziner intensiv mit Nahtoderlebnissen auseinandergesetzt und verschiedene Hypothesen dafür vorgeschlagen, die durchaus plausibel klingen.
Beispielsweise hat man festgestellt, dass mit der aussetzenden Atmung auch ein erhöhter CO2-Gehalt im Blut einhergeht. Diesen erhöhten CO2-Gehalt kann man auch künstlich hervorrufen. Dabei zeigt sich, dass Menschen, obwohl sie keinen Herzstillstand hatten und somit nicht tot sind, trotzdem Visionen erleben, die denen von Nahtoderlebnissen ähnlich sind.
Man kann solche Erlebnisse auch durch elektrische Reizungen im Gehirn auslösen. Dies spricht eher dafür, dass es sich um ein Erlebnis in einer Extremsituation des menschlichen Lebens handelt. In einer solchen Situation steht das Herz still, das Gehirn wird langsam durch Blutmangel geschädigt und es steht nicht mehr genügend Sauerstoff zur Verfügung. Das Gehirn produziert dann Bilder und Erlebnisse, die zum Teil aus der eigenen Erfahrung stammen und zum Teil aus den sich verwischenden Sinneseindrücken.
Wenn das Auge nicht mehr ausreichend durchblutet wird und die Nerven nicht genügend Sauerstoff erhalten, mischen sich die verschiedenen Farben. Physikalisch ist bekannt, dass dort, wo Farben miteinander verschmelzen, sie weiß erscheinen. Das kann durchaus erklären, warum ein Tunnelblick entsteht. Dabei fällt am Rand des Gesichtsfeldes das Sehen aus, sodass ein Tunnelblick entsteht, bei dem man scheinbar ein Licht sieht – nämlich die verschwommenen Farben. Dieses Licht wird dann als das erkannt, auf das man gehofft hat.
All diese Überlegungen sollten zur Vorsicht mahnen, wenn es um Nahtoderlebnisse geht, insbesondere wenn man daraus objektive oder scheinbar objektive Aussagen über das Jenseits oder das, was nach dem Tod kommt, ableiten möchte.
Bei vielen Menschen lösen diese Erfahrungen ein tiefes Gefühl des Friedens aus. Viele berichten, dass sie danach jede Angst vor dem Tod verloren haben.
Das kann jedoch trügerisch sein, wenn es sich dabei nur um eine vom Gehirn produzierte Erfahrung handelt und man sich nicht wirklich auf das einstellt, was einem nach dem Tod begegnet.
Christen, die sich an der Bibel orientieren, kennen solche Nahtoderfahrungen nicht. Die Bibel berichtet gerade nicht darüber, sondern zieht eine klare Grenze zwischen Leben und Tod. Diese Grenze besagt, dass Gott nicht will, dass der Mensch ins Jenseits hineinschaut und von dort zurückberichtet.
Die Bibel betrachtet den Tod durchaus als einen Prozess und legt nicht fest, dass jemand mit Herzstillstand sofort tot ist.
Darüber hinaus berichtet der christliche Glaube über die Realität des Jenseits und verankert diese an der Person Jesu Christi. Jesus ist nicht nur an Herzstillstand gestorben, sondern war drei Tage lang tot. Er berichtet darüber, was im Jenseits tatsächlich geschieht. In diesem Zusammenhang sind medizinische Einwände, die man erheben könnte, nicht mehr relevant.
Für Christen, die sich mit dem Jenseits beschäftigen, erscheint es wesentlich sinnvoller, sich auf diese biblische Erfahrung zu stützen, anstatt auf die medizinisch, psychologisch und religionswissenschaftlich umstrittenen Nahtoderfahrungen.