Josephs Unschuld und Treue im Gefängnis
Wir kommen jetzt zu dem Kapitel, wir sind im Kapitel neununddreißig. Wir waren da noch nicht ganz fertig, also mittendrin, Erste Mose 39,19.
Und es geschah, als sein Herr die Worte seiner Frau hörte, die zu ihm redete und sagte: „Nach diesen Worten hat mir dein leibeigener Knecht getan“, da entbrannte sein Zorn.
Josephs Herr nahm ihn und legte ihn in die Bergfeste an den Ort, wo die Gefangenen des Königs gefangen lagen. Er war dort in der Bergfeste – oder ich weiß nicht genau, wie man das übersetzt, vielleicht Burgfeste.
Und Jahwe war mit Joseph, wandte ihm Güte zu und gab ihm Gnade in den Augen des Obersten der Bergfeste. Der Oberste der Bergfeste übergab alle Gefangenen, die in der Bergfeste waren, der Hand Josephs. Alles, was dort zu tun war, tat er.
Das Wort hier für Zwingung, Gefängnis, Kerker – es gibt hier zwei Wörter. Das eine heißt „Loch“ und das andere so eine Art „Zwinger“. Wir sagen einfach Gefängnis.
Der Oberste des Gefängnisses sah nicht nach dem Geringsten, das unter seiner Hand war, weil Jahwe mit Joseph war. Was er tat, ließ Jahwe gelingen.
Also erwies sich Joseph als treu im Hause Potiphars und treu gegenüber dem Herrn. Er kam zu Unrecht ins Gefängnis. Wir lesen nichts von einer Rechtfertigung Josephs.
Seine Treue, seine Bewährung, sein Gehorsam bringt ihm Versuchung. Er bleibt in der Versuchung treu und gehorsam. Seine Treue und sein Gehorsam bringen ihm noch mehr Leiden. Dieses neue Leiden bringt ihn in weitere Prüfung oder ist für ihn eine weitere Prüfung.
Wie wird Joseph jetzt reagieren? Wie wird er seinen Dienst tun? Oder wie wird er Gott gegenüber reagieren? Wird er jetzt sagen: „Das habe ich jetzt von meiner Treue und von meinem Gehorsam Gott gegenüber“?
Die Versuchung spricht jetzt: „Lass es, gib auf, du bist doch immer der Dumme.“ Aber Joseph bleibt auch dort treu, fleißig, ehrlich, freundlich und gewissenhaft – der Redliche, Treue und Gewissenhafte.
Er tut seine Arbeit nicht für menschliche Anerkennung oder für irdischen Lohn, weder bei Potiphar noch im Gefängnis. Er tut es, weil er vor dem Angesicht Gottes lebt.
Er redet nicht lange fromm von dem Herrn, aber wenn der Herr ihm die Gelegenheit gibt, etwas zu bezeugen, den Herrn zu bezeugen, dann spricht er vom Herrn. Hauptsächlich macht er den Herrn sichtbar durch sein Leben.
Kail macht in dem Fall darauf aufmerksam, dass normalerweise für versuchten Ehebruch in Ägypten tausend Stockschläge gegeben werden. Tausend Stockschläge – ich weiß nicht, wie man das überlebt.
Aber Joseph wurde nicht hingerichtet, auch nicht ausgepeitscht. Das ist eine interessante Feststellung.
Er wird einfach in den Kerker geworfen. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Potiphar nicht so sicher war mit seiner Frau. Vielleicht kannte er sie schon einige Zeit und war nicht so sicher bezüglich ihrer Unschuld und Keuschheit.
Man merkt auch, dass die Frau und Potiphar keine ideale Ehe führen. Sie schreit: „Er hat uns den Hebräer reingebracht“, und so weiter. Sie redet da zu anderen Dienerschaften über ihren eigenen Ehemann, dass er schuld sei, weil er diesen Hebräer gebracht hat.
Tatsache ist also, Joseph kommt durch seinen Gehorsam in noch größere Leiden.
Das kann einem Christen auch passieren, dass er eine Sache für den Herrn tut, in Redlichkeit, mit aufrichtigem Herzen und Treue, und als Belohnung gibt es noch mehr Probleme oder noch mehr Leiden.
Das ist eine Versuchung, es ist eine Prüfung. Und Joseph ist auch in dieser Prüfung bewährt.
Viele haben hier schon Ermutigung durch dieses Vorbild Josephs bekommen, und Gott hat ihn verewigt.
Wenn Joseph gewusst hätte, wie viele Millionen Menschen seine Geschichte lesen werden, das wäre auch eine Ermutigung gewesen. Aber das hat Gott ihm nicht gesagt.
Es ist ein großes Vorrecht, dem Herrn zu dienen, und wir wissen nicht, wie viel Auswirkungen unsere Treue im Kleinen dem Herrn gegenüber hat.
Ein kleiner Liebesdienst an Herrn Jesus von der Frau, die ihn salbte – ein kleiner Liebesdienst. Und die ganze Welt hat davon gelesen.
Alle, die das Evangelium hören, hören von der Salbung Jesu durch Maria, die ihn salbte.
Und hier liest jeder, der die Bibel liest, von dieser Josefs-Geschichte. Nicht nur Christen, auch Moslems lieben die Josefs-Geschichte.
Mir ist gesagt worden, wenn man Moslems evangelisiert, soll man ihnen die Josefs-Geschichte erzählen. Sie lieben diese Geschichte.
Ich weiß es nicht genau, aber es geht so zu Herzen, und sie lieben sie.
Ich hatte ein bisschen mit Moslems zu tun, und sie kennen alle die Geschichte.
Ich kenne den Koran zu wenig genau, um zu sagen, wie viel der Koran von der Josefs-Geschichte übernimmt und wie er sie überliefert.
Ich habe mich da zu wenig befasst. Ich habe zwar den Koran auf meinem Computer, aber ich habe ihn nicht gelesen.
Das ist eine Möglichkeit, ihnen die Bibel liebzumachen. Man muss dann von der Bibel lesen.
Der Koran setzt übrigens viele Geschichten der Bibel voraus. Er ist nicht einfach ein Ersatz für die Bibel, denn vieles, was im Koran steht, kann man nur verstehen, wenn man die Bibel versteht.
Mohammed hatte ja Kontakt mit gewissen Christen beziehungsweise Juden und muss die Bibel gekannt haben. Teile des Alten Testaments hatte er ganz sicher.
Joseph als verantwortlicher Gefängnisleiter
Aber jetzt zurück: Der Oberste des Gefängnisses achtete nicht auf das, was unter seiner Hand geschah, weil Jahwe mit Josef war. Was Josef tat, ließ Jahwe gelingen.
Josef hatte hier im Gefängnis den zweiten Platz inne, direkt unter dem Gefängnisobersten. Doch die eigentliche Arbeit verrichtete Josef. Er war wieder der Vizechef. Überall, wo Josef hinkam, war er der zweite Mann und erledigte im Grunde die Arbeit des Ersten – er war der verlängerte Arm des Ersten.
Von den Kleidern habe ich bereits gesprochen. Die einen Kleider brachten ihm den Hass seiner Brüder ein, wie in Kapitel 37 beschrieben. Dieses Kleid führte dazu, dass er bei Potiphar in Ungnade fiel. Später erhält er das Kleid, mit dem er vor dem Pharao erscheint. Schließlich trägt er das Kleid der Herrlichkeit eines Mannes, der über ganz Ägypten gesetzt ist.
Doch die Zeit der Prüfung ist noch nicht vorbei. Sie beginnt erst richtig. Manchmal denken wir, jetzt sei genug mit den Prüfungen, und merken dann nicht, dass es erst richtig losgeht.
Die Träume des Mundschenks und des Bäckers
Zwei prominente Gefangene aus dem engsten vertrauten Kreis des Pharao werden ins Gefängnis gesteckt: der Mundschenk und der Bäcker. Sie waren verantwortlich für das Essen und Trinken des Königs. Könige brauchten ganz vertraute Vorkoster. Das mussten Leute sein, denen man wirklich vertrauen konnte, denn solche Personen konnten den König vergiften. Das war ein hohes Amt. Wer den Mundschenken beeinflussen konnte, konnte auch den König beeinflussen. Wer das Herz des Mundschenken gewann, hatte viel gewonnen.
Nach diesen Begebenheiten geschah es, dass sich der Mundschenk des Königs von Ägypten und der Bäcker gegen ihren Herrn, den König von Ägypten, versündigten. Er ließ sie in Gewahrsam setzen (Vers 4). Der Oberste der Leibwache setzte Joseph über sie, und er diente ihnen. Sie waren etliche Tage in Gewahrsam und hatten beide einen Traum in derselben Nacht, jeder seinen eigenen Traum.
Der Mundschenk und der Bäcker des Königs von Ägypten, die im Gefängnis gefangen lagen, hatten jeweils einen Traum mit besonderer Bedeutung. Joseph kam am Morgen zu ihnen, sah, dass sie bedrückt und missmutig waren, und fragte die Kämmerer des Pharao, die mit ihm im Gefängnis seines Herrn waren: „Warum sind eure Gesichter heute so finster?“ Sie antworteten ihm, dass sie einen Traum gehabt hätten, aber niemand da sei, der ihn deuten könne.
Da sagte Joseph zu ihnen: „Sind die Deutungen nicht Gottes Sache? Erzählt mir doch eure Träume.“ Zwei Träume, zwei traurige Gefangene – und Joseph tut wieder seinen Dienst. Interessant ist zunächst, dass er die Trauer bemerkt. Wie feinfühlig und sensibel ist dieser Joseph geworden! Er denkt nicht die ganze Zeit über seine Leiden nach, über seine Probleme oder über den Vater, den er schon so lange nicht mehr gesehen hat. Nein, er ist bekümmert um die Menschen um ihn herum. Er hat ein Hirtenherz.
Er hätte bitter sein können, aber er war es nicht. Er war konzentriert auf die anderen und verpasste nicht die kleinen Gelegenheiten, andere auf den Herrn hinzuweisen. Manchmal gibt es solche Gelegenheiten, bei denen man etwas vom Herrn Jesus sagen kann. Wenn man aber bitter ist über die eigene Situation und mit dem eigenen Schicksal so stark beschäftigt ist, sieht man die Nöte der anderen nicht. Wenn es uns gut geht, merken wir schon, wenn andere um uns herum traurig sind. Aber wenn wir selbst in schwerer Lage sind, passiert es oft, dass wir das übersehen, wenn andere betrübt sind. Joseph sieht es sofort, nimmt Anteil an ihrer schlechten Lage, hört zu und bekennt den Herrn.
Er sagt: „Deutungen sind doch Gottes Sache.“ Er nimmt nicht die Ehre für sich, sondern sagt, dass nur Gott Träume deuten kann. Dann fordert er sie auf: „Sagt mir den Traum, vielleicht möchte Gott euch etwas zeigen.“ Sie erzählen ihre Träume.
Der Mundschenk erzählt zuerst von drei Reben, die begannen zu treiben, Blüten hervorbrachten und Trauben mit reifen Beeren trugen. Er hatte den Becher des Pharao in seiner Hand, nahm die Beeren, zerdrückte sie in den Becher und gab den Becher dem Pharao (Vers 12). Joseph sprach zu ihm: „Das ist die Deutung: Drei Reben sind drei Tage. Nach drei Tagen wird der Pharao dein Haupt erheben und dich wieder in dein Amt einsetzen, so dass du dem Pharao den Becher in die Hand geben wirst, wie vorher, als du sein Mundschenk warst.“
Trauben werden also im Traum in den Wein gepresst. Das ist interessant, wenn man ein wenig von der Geschichte Ägyptens weiß. Ich habe irgendwo gelesen, dass es die Verantwortung des Mundschenken war, den Wein zu verdünnen, indem man Trauben in den Wein presste. Der Pharao wollte gern viel trinken, aber wenn er viel trank, war er nicht lange nüchtern. Deshalb wurde der Wein durch normale Trauben verdünnt, die man einfach hineindrückte. Das war die Aufgabe des Mundschenken – den Wein zu verlängern.
Man nennt das eine sogenannte Mundschenktradition. Je dünner der Wein, desto länger kann man trinken. Die Juden haben übrigens auch den Wein verdünnt; sie tranken keinen puren Wein, zumindest zur Zeit des Herrn Jesus nicht. Sie mischten viel Wasser dazu, etwa zwei Drittel Wasser, und fügten noch andere Dinge hinzu, damit es gut schmeckte, zum Beispiel Honig und andere Zutaten.
In Vers 14 bittet der Mundschenk: „Wenn du an mich denkst, wenn es dir gut geht, so erweise mir doch die Freundlichkeit und erwähne mich bei dem Pharao und bringe mich aus diesem Haus heraus. Denn gestohlen wurde ich aus dem Land der Hebräer. Auch hier habe ich nichts getan, dass man mich in dieses Loch gesteckt hat.“
Das ist der Hoffnungsschimmer für Josef, die große Gebetserhörung. Jetzt hat er erkannt, dass der Herr den Mundschenk, einen der nächsten Vertrauten des Pharao, zu ihm geführt hat. Jahrelange Gebete – oder ich weiß nicht, wie lange er im Gefängnis war, das steht nicht da, aber jedenfalls lange – werden erhört. Er freut sich und preist den Herrn für die Gebetserhörung. Er äußert hier seinen Wunsch in Demut, aber klar und deutlich und ohne Bitterkeit: Denke an mich, damit man mich herausbringt.
Der Oberste der Bäcker sah, dass der Mundschenk gut geredet hatte, und erzählte daraufhin seinen Traum. Er berichtete von drei Körben mit Brot auf dem Kopf. Im obersten Korb waren Esswaren des Pharao, und Vögel fraßen aus dem Korb auf dem Kopf. Josef antwortete: „Das ist die Deutung: Die drei Körbe sind drei Tage. Noch in drei Tagen wird der Pharao dein Haupt erheben, dich an ein Holz hängen, und die Vögel werden dein Fleisch von dir wegfressen.“
Und es geschah am dritten Tag. Vielleicht muss man dazu sagen, dass das, was Josef hier sagt, sehr riskant war. Stellen wir uns vor, zum ersten Mal ist er bereit, einen gefährlichen Traum einfach so zu deuten und die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Was wäre, wenn der Traum nicht eintrifft, weder bei dem einen noch bei dem anderen? Dann wäre er ein toter Mann. Er müsste gehängt werden. Er musste sich also sehr sicher sein, dass das die richtige Deutung war.
Der eine erhält eine Botschaft des Lebens zum Leben, der andere eine Botschaft des Todes zum Tode. So ist das auch heute. Für manche Menschen ist das Evangelium ein Duft des Todes zum Tode, für andere ein Duft des Lebens zum Leben, sagt der Apostel Paulus in 2. Korinther 2,16.
Josef sagt: „Er wird dich selber wieder ...“ Ich nehme an, das hat damit zu tun, dass man wieder aufschauen darf. Man muss sich schuldig das Haupt senken, vielleicht vor dem Pharao. Man darf ihm gar nicht in die Augen schauen, wenn man schuldig ist. Und der Pharao hebt ihn und sagt: „Vergeben.“ Ach so, sagt er das auch hier? Dann weiß ich nicht, was es sonst bedeuten soll. Das heißt, dass sie alle vor dem Pharao stehen müssen und dann das Gericht gesprochen wird, vielleicht so.
Jedenfalls geschah es am dritten Tag, dem Geburtstag des Pharaos. Er machte allen seinen Knechten ein Mahl und erhob das Haupt des Obersten der Mundschenken und das Haupt des Bäckers. Er setzte den Obersten der Mundschenken wieder in sein Amt, sodass er dem Pharao den Becher in die Hand gab. Den Obersten der Bäcker ließ er jedoch hängen.
Aber der Oberste der Mundschenken gedachte nicht an Joseph und vergaß ihn.
Josephs Geduld und Läuterung im Gefängnis
Joseph wartete. Man kann sich gut vorstellen, wie Joseph in den Gefängnisräumlichkeiten sitzt. Jedes Mal, wenn draußen jemand Schritte hört, denkt er: „Jetzt werde ich rausgeholt.“ Doch es passiert nichts. Am nächsten Tag wieder nicht, und am übernächsten Tag ebenfalls nicht. Er fragt sich: „Was ist los?“ Doch es bleibt still.
Er wartet eine Woche, nichts passiert. Einen Monat, und wieder nichts. Die Monate vergehen, ein Jahr vergeht, dann ein zweites Jahr. Welch eine Täuschung muss in Joseph geschehen sein? Es steht nichts darüber geschrieben. Nur im Psalm 105,19 heißt es, dass er geläutert wurde: „Bis zu der Zeit, da sein Wort kam, der Ausspruch des Herrn ihn geläutert hatte.“
Joseph wurde geläutert. Man presste seine Füße in den Stock, er kam ins Eisen und so weiter – bis zu dem Zeitpunkt, als er geläutert war, als das Wort des Herrn ihn geläutert hatte. Er durchlief eine Läuterung in dieser Zeit.
Ist Josephs Charakter noch nicht gut genug? Die Antwort lautet: Nein, nicht gut genug für die Aufgabe, die Gott für ihn vorgesehen hat. Nicht gut genug für die hohe Aufgabe, für die Gott ihn bestimmt hat.
Vielleicht ist das auch für uns ein wichtiger Trost und eine Ermutigung. Manche Menschen müssen viel durchmachen, andere weniger. Oft versteht man die Führung Gottes nicht. Aber eines ist klar: Gott hat etwas für uns bereit, und wir dürfen an Joseph eine große Ermutigung finden.
Das ist Vorbereitung – „training time for reigning time“, sagen die Engländer, also Trainingszeit für die Regierungszeit. Das war es für Joseph: das Training für die Herrschaft. Er musste noch wachsen und innere Stärke gewinnen. Gott hatte Großes mit ihm vor.
Joseph lernte, mit Geld umzugehen, seine eigenen Verlangen zurückzustellen, mit Geschlechtlichkeit in Keuschheit umzugehen. Er lernte, verantwortlich und treu zu sein – in jeder Hinsicht. Und jetzt musste er noch etwas lernen. Was? Geduld. Und in Bezug auf andere Menschen? Er musste lernen, nicht von Menschen abhängig zu sein.
Er musste lernen, nichts vom Mundschenken oder von Menschen zu erwarten. Das haben wir auch bei Abraham gesehen. Gott nimmt ihm alles, damit nur noch eins bleibt: das Wort Gottes, nur noch alles von Gott zu erwarten.
Wie oft erwarten wir noch dies und das von Menschen? Gott sagt: Du musst lernen, dein Vertrauen und deine Hoffnung allein auf mich zu setzen. Nur so bist du sicher vor wirklicher Enttäuschung und Entmutigung.
Denn wer gelernt hat, auf Gott allein zu schauen und von Gott allein zu erwarten, der wird nicht von Menschen abhängig sein. Es gibt Hirten in den Gemeinden, Leiter, Gemeindeleiter. Was muss ein Hirte können? Petrus sollte ein Hirte werden. Und der Herr fragt ihn: „Petrus, liebst du mich?“ Nicht: „Liebst du die Schafe?“ Ein Hirte muss zwar Schafe lieben, aber die entscheidende Frage ist: „Liebst du mich?“
Liebst du mich, dann hüte meine Schafe. Nicht: „Ich bin enttäuscht von den Gläubigen, jetzt schmeiß ich den Bettel hin.“ Nein, der Herr hat nicht gesagt, dass wir abhängig sind von der Ermutigung derer, denen wir dienen.
Oft schenkt uns der Herr viel Ermutigung durch die, denen wir dienen. Aber es gibt auch Situationen, in denen keine Ermutigung oder kein Dank kommt. Paulus hat das erlebt. Er hat sich für die Korinther hingegeben, und sie haben ihn bis zum Letzten kritisiert.
Dann sagt er in 2. Korinther 12,15: „Ich aber werde nur zu gerne ausgeben und gänzlich ausgegeben werden für eure Seelen, auch wenn ich, während ich euch reichlicher Liebe, wenig geliebt werde.“ Er ist bereit, alles auszugeben und sich ganz hinzugeben, auch wenn er wenig Liebe zurückbekommt.
Liebst du die Schafe? Das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist: Liebst du mich? Unabhängig von Menschen.
Joseph lernt, und er lernt schnell. Das ist das Gewaltige. Joseph ist ein Mann, der nicht lange braucht in der Schule Gottes. Er hat schon früh gelernt, dem Herrn zu vertrauen, und er hat einiges von Gott erfahren.
Gott hat ihn durch die Träume von damals ermutigt. Das ist auch Gottes Art mit uns: Er ermutigt uns, wenn er etwas mit uns vorhat, wenn schwere Zeiten kommen. Er ermutigt uns durch sein Wort und durch Beispiele wie Joseph.
Wer auf fleischliche Arme sich stützt, wird enttäuscht. Aber Gott hat alles in der Hand. „Siehe, in meine Hände habe ich dich eingezeichnet“, sagt Gott in Jesaja 49,16. Das ist auch für uns ein Trost: „Siehe, in meine beiden Hände habe ich dich eingezeichnet, wie die Falten in der Hand.“
Was wäre eigentlich gewesen, wenn der Mundschenk sich erinnert hätte? Was wäre passiert? „Ah, da war doch der Joseph.“ Und der Mundschenk hätte gesagt: „Da ist ein Mann unschuldig im Gefängnis, wir müssen ihn rausholen.“ Dann hätte man nachgeschaut, festgestellt, dass er unschuldig ist, und Joseph wäre befreit worden. Er hätte wieder irgendwo bei jemandem gearbeitet.
Aber was wäre aus dem Leben Josephs geworden? Er wäre niemals Vizepräsident geworden. Vorbestraft hätte er vielleicht Probleme gehabt, eine Arbeit in Ägypten zu finden.
Gottes Wege sind optimal. Verschlechterungen der Lebensumstände sind oft die direkte Erfüllung unserer Gebete. Hätte Joseph gewusst, dass das Vergessen genau die Gebetserhörung ist, hätte er es vielleicht nicht verstanden.
Gott hat etwas Größeres mit Joseph vor. Er sagt: „Joseph, ich habe einen Weg für dich, der dich zu noch größerem Segen führen wird. Ich werde dich gebrauchen zur Erfüllung meiner Pläne.“ Nicht nur, um Vizepräsident zu werden, sondern als Werkzeug, durch das die Familie Jakobs wieder zusammenfinden wird.
Durch Joseph wird die Familie Jakobs schließlich zum Segen für die ganze Welt. Der Same Abrahams wird zu allen Völkern kommen, der Segen Abrahams über den Samen Abrahams wird zu allen Völkern kommen.
Gottes Zeit und der Traum des Pharao
Aus Gottes Warte sieht die Sache ganz anders aus. Es heißt in 1. Mose 41,1: „Es geschah nach Verlauf von zwei Jahren, da hatte Pharao einen Traum, und siehe, er stand am Nil.“
Doch wer ließ Pharao diesen Traum träumen? Manche sagen: Wenn es einen Gott der Liebe gibt, warum lässt er Menschen so lange leiden? Wir sollten jedoch bedenken: Wenn es keinen Gott gibt, ist das auch keine Lösung. Vielleicht hat jemand im Gefängnis gesagt: „Warum glaubst du eigentlich an deinen Gott? Ist das ein Gott der Liebe, der dich so lange leiden lässt?“
Wenn solche Fragen kommen, dürfen wir antworten: „Gut, du hast Recht, es gibt keinen Gott der Liebe.“ Ist jetzt das Problem gelöst? Nein, das Problem des Leidens bleibt bestehen. Auch die Aussage, es gebe keinen Gott der Liebe, ist keine Lösung. Das lindert den Schmerz nicht, sondern erhöht ihn sogar, denn dann erscheint alles sinnlos. Wenn es keinen Gott gibt, ist das Universum ein Produkt des Zufalls.
Was sagt die Schrift? Gott kennt das Problem des Leidens. Er selbst ist zum Leidenden geworden, er weiß, was Leiden bedeutet, und er weiß, wie es ist, vergessen im Gefängnis zu sein. Doch jetzt ordnet Gott alles so, dass Joseph möglichst schnell direkten Zugang zum Pharao bekommt. Nun geht alles schnell. Joseph hat gelernt zu warten, aber jetzt braucht er nicht mehr zu warten.
Doch nun kommen die ersten kritischen Minuten in Josephs Leben. Später folgen noch kritischere. Es gibt viele kritische Momente im Leben – wie bei einem Olympiasieger im Hundertmeterlauf, der jahrelang trainiert hat und nun an der Startlinie steht. Die nächsten zehn Sekunden seines Lebens entscheiden. Er muss alles geben, was er in den letzten zehn Jahren trainiert hat.
So sind diese Minuten auch für Joseph entscheidend. Pharao träumt von einem bekannten Traum mit Kühen und Ähren. Der Oberste der Leibwache sagt: „Ich gedenke heute meiner Sünden.“ Es gibt niemanden, der den Traum deuten kann. Er erzählt Pharao: „Ich gedenke heute meiner Sünden, als Pharao über seinen Diener zornig wurde und mich in das Haus des Obersten der Leibwache in Gewahrsam setzte. Dort hatten wir in ein und derselben Nacht einen Traum, ich und der Oberste der Bäcker. Jeder hatte einen Traum, dessen Deutung ihn betraf. Bei uns war ein hebräischer Jüngling, ein Knecht des Obersten der Leibwache. Dem erzählten wir davon und er deutete unsere Träume. So, wie er uns deutete, geschah es: Mich setzte man wieder in mein Amt, ihn hing man auf.“
Daraufhin sandte Pharao hin und ließ Joseph rufen. Sie entließen ihn eilends aus dem Gefängnis. Joseph ließ sich scheren, zog andere Kleider an und kam zum Pharao. Die Befreiung von den Leiden kommt zu der von Gott festgesetzten Zeit. Wenn Gottes Zeit gekommen ist, geht alles schnell, und Joseph erscheint vor dem Pharao.
Pharao sprach zu Joseph: „Ich habe einen Traum geträumt, und niemand kann ihn deuten. Aber ich habe von dir gehört, dass du Träume deuten kannst.“ Joseph antwortete: „Oh nein, nicht ich! Gott aber möge Pharao Gutes antworten.“
Hier bezeugt Joseph mutig seinen Gott. Er spricht nicht von ägyptischen Göttern wie Ra, Osiris oder Isis, sondern vom lebendigen Gott. Pharao erzählte seinen Traum: „Ich stand am Ufer des Nils. Ich sah an einem Halm sieben volle und gute Ähren wachsen, und danach sieben magere Ähren, die vom Ostwind versengt wurden. Die mageren Ähren verschlangen die guten. Ich sprach zu den Wahrsagern, doch niemand konnte mir die Bedeutung sagen.“
Joseph erklärte: Die beiden Träume bedeuten dasselbe. Gott teilt Pharao mit, was er vorhat. Die sieben guten Ähren sind sieben Jahre Überfluss, die sieben mageren Ähren sieben Jahre Hungersnot. Die Sache ist fest beschlossen von Gott, und Gott eilt, sie zu tun.
Joseph riet Pharao, einen verständigen und weisen Mann über das Land Ägypten zu setzen, der Aufseher über das Land ist. Er solle ein Fünftel des Überflusses der sieben Jahre sammeln, um für die Hungersnot vorzusorgen.
Man staunt über die Weisheit und den Mut dieses Mannes aus dem Gefängnis, der nun vor dem König steht. Das ist Gottes Stunde, der Moment, für den Gott Joseph so lange vorbereitet hat. Joseph hat gelernt, mit Geld umzugehen, zu wirtschaften und vorauszublicken.
Er weiß, dass ein Mensch zur Not von einem Fünftel des Segens leben kann. Wenn jedes Jahr ein Fünftel zurückgelegt wird, kann man später von diesem Vorrat leben. Gott ist nicht gegen Sparen und Vorratsbildung, aber wir sollen nicht nur für die Zukunft leben, sondern auch für die Gegenwart.
Joseph gibt Pharao den Rat, sich nach einem fähigen, gläubigen Mann umzusehen, der die Wirtschaft leitet und den Überfluss sammelt. Gott hat diesen Mann bereits vorbereitet, der Ägypten und die Welt retten wird.
Es soll alles Getreide der guten Jahre gesammelt und unter der Hand des Pharao als Vorrat in den Städten aufbewahrt werden. Interessant ist, dass alles in die Staatskasse fließt. Pharao wird so viel Vorrat haben, dass in der Hungersnot alle von der Staatskasse leben können.
Joseph wird zum höchsten Mann im Staat nach Pharao erhoben – alles geschah, weil er sich weigerte, einer Frau nachzugeben, die ihn zum Sündigen verleiten wollte. Hätte er damals nachgegeben, hätte man nichts mehr von Joseph gehört.
Eine einzige Sünde kann das Leben zerstören, eine einzige Gerechtigkeit kann jedoch so viel Segen bringen. In Römer 5 lesen wir davon: Eine Sünde Adams brachte viel Übel, aber die Gerechtigkeit Jesu Christi brachte viel Leben.
Das Wort war gut in den Augen Pharaos und seiner Diener – damit sind die hohen Minister gemeint, nicht einfache Knechte. Pharao fragte: „Wer ist ein Mann wie dieser, in dem der Geist Gottes ist?“
Joseph antwortete: „Nachdem Gott dir dies alles mitgeteilt hat, gibt es keinen, der so verständig und weise ist wie du.“ Pharao sagte: „Du sollst über mein Haus sein, und auf deinen Befehl soll sich mein ganzes Volk fügen. Nur um den Thron will ich größer sein als du.“
So ist Joseph nun der zweite Mann im Staat, der verlängerte Arm des Pharao. Pharao nahm seinen Siegelring von der Hand und gab ihn Joseph, kleidete ihn mit weißer Baumwolle und legte ihm eine goldene Kette um den Hals.
Joseph durfte auf einem zweiten Wagen fahren, vor ihm wurde ausgerufen: „Avrek!“ – eine ägyptische Begrüßungsformel, die schwer zu übersetzen ist, vielleicht „Heil dir!“ oder „Auf die Knie!“
Pharao sagte: „Ich bin Pharao, aber ohne dich soll niemand im ganzen Land Ägypten seine Hand oder seinen Fuß rühren.“ Normalerweise durfte nur der Pharao im Wagen fahren, doch hier ist Joseph die einzige Ausnahme.
Joseph ist nun praktisch an zweiter Stelle, so wie es Gott vorgesehen hat. Der Mensch soll an zweiter Stelle stehen, Gott an erster. Wir sollen mit Gott und Jesus Christus regieren. In der Ewigkeit werden wir mit Christus herrschen.
Pharao gab Joseph den Namen Zaphnat-Paneach, „der Erhalter des Lebens“. Außerdem gab er ihm Asenat, die Tochter Potifaras, des Priesters von On, zur Frau.
Der Name Asenat stammt von der ägyptischen Göttin Neith, was zeigt, dass sie aus der ägyptischen Religion stammt. Potifaras bedeutet „Geschenk des Sonnengottes Ra“. On ist eine Stadt in Unterägypten.
Joseph zog durch das ganze Land Ägypten. Er erhielt nicht nur Macht, sondern auch eine Frau. Zuvor hatte ihm eine Frau eine verbotene Beziehung angeboten, die er ablehnte, weil er Gott gehorchen wollte.
Jetzt schenkt Gott ihm Macht und eine Beziehung, viel größer, als er es sich je erträumt hätte – größer als die Macht im Haus Potifars. Zusätzlich erhält er eine Charakterveränderung.
Durch die Leiden hindurch wurde Joseph durch das Wort Gottes geläutert und durchdrungen (Psalm 105,19). Das zeigt: Es lohnt sich zu warten, auf Gott zu warten. Wer auf Gott wartet, kommt nicht zu kurz.
Wir erhalten viel mehr, als die Welt oder jemand anderes uns geben könnte – Überfluss und zusätzlich Charakterveränderung als Geschenk.
In Lukas 22,29 sagt Jesus: „Ich vermache euch ein Königreich, so wie der Vater mir ein Königreich vermachte.“
Der Herr schenkt uns Charakterveränderung und später ein Königreich, damit wir an seinem Tisch essen und trinken und auf Thronen sitzen, um die zwölf Stämme Israels zu richten.
Das bezieht sich zuerst auf die zwölf Apostel, doch später lesen wir, dass alle Heiligen mit Christus regieren dürfen (Lukas 22,29-30; 1. Korinther 6,3).
Wir werden über Engel richten, also mit Christus herrschen. Wenn wir mitleiden, werden wir mitherrschen (2. Timotheus 2,12).
Leiden bedeutet manchmal auch Warten. Wer auf Gott wartet, kommt nicht zu kurz.
Josephs Herrschaft und Familie in Ägypten
Und er war dreißig Jahre alt, als er vor Pharao, dem König von Ägypten, stand (Vers 46). Joseph war dreißig Jahre alt, als er vor Pharao trat. Danach verließ Joseph Pharao und zog durch das ganze Land Ägypten.
Das Land brachte in den sieben Jahren des Überflusses reichlich Ertrag hervor – buchstäblich haufenweise, sozusagen Hände voll. Joseph sammelte die gesamte Nahrung der sieben Jahre, die im Land Ägypten vorhanden war. Er legte Vorräte in den Städten an, indem er die Ernte der umliegenden Felder in jede Stadt brachte.
Joseph speicherte Getreide auf, so viel wie Sand am Meer. Die Menge war so groß, dass man aufhören musste zu zählen, denn es war unzählbar.
Joseph bekam zwei Söhne, bevor das Jahr der Hungersnot begann. Diese gebar ihm Asnat, die Frau Potiphrers, des Priesters, die Tochter des Priesters von On. Den Erstgeborenen nannte er Manasse, was „der Vergessene“ oder „der, der vergessen macht“ bedeutet.
Er nannte ihn Manasse, weil Gott ihn vergessen ließ – all seine Mühsal und das ganze Haus seines Vaters. Das heißt, durch das Wohlergehen, das ihm nun zuteilwurde, musste er nicht mehr an das Elend denken, das ihn getroffen hatte.
Den zweiten Sohn nannte er Ephraim, was „doppelt fruchtbar“ oder „doppelte Fruchtbarkeit“ bedeutet. Ephraim, weil Gott ihn fruchtbar gemacht hatte in dem Land seines Elends, wo die Hungersnot auf der ganzen Erde herrschte.
Nicht nur im ganzen Land – im Hebräischen sind die Wörter für „Erde“ und „Land“ gleich. Die Hungersnot war auf der ganzen Erde, beziehungsweise im ganzen Land. Wahrscheinlich ist hier die Region gemeint, denn von anderen Kontinenten wie China oder Europa ist damals keine Rede, wir befanden uns noch in der Steinzeit.
Aber was bedeutet es, wenn Gott mich alle meine Leiden vergessen lässt, sodass ich daraus herauskomme? War das wirklich gut? Es ging ihm so gut, dass er nicht mehr an das Elend denken musste. Wenn es einem so gut geht, vergisst man das Leid.
Das heißt, es geht ihm so gut, als wäre das nie geschehen, dass er von seinen Brüdern verkauft wurde. Natürlich hat er nicht wirklich vergessen, wie wir später erfahren. Er hat niemandem etwas vergessen, im Gegenteil, er interessiert sich sehr dafür, wie es seinen Brüdern geht.
Gemeint ist vielmehr das ganze Elend, das über ihn gekommen war im Zusammenhang mit dem Verkauf durch seine Brüder. Das müssen wir so verstehen. Das Wort bedeutet tatsächlich „vergessen“. Die Bitterkeit ist weg.
Die Bitterkeit dieser Leiden und das Denken daran sowie an die Folgen sind durch diese Fülle, durch diese Erhöhung, die er erlebt hat, und durch den Segen Gottes in den Hintergrund gerückt.
Alle Welt kam nach Ägypten – hier, in den Versen 41, 56 und 57, finden wir beide Male dasselbe Wort. Im Hebräischen heißt es in Vers 56, die Hungersnot war auf der ganzen Oberfläche der Erde (Kolpene Haaretz). „Auf dem ganzen Angesicht der Erde“ (Pnei Ha'aretz) – ein Ausdruck, den man schon kennt, zum Beispiel „Peniel“ als „Angesicht Gottes“.
Im nächsten Vers, Vers 57, heißt es „die ganze Erde“ (Kol Ha'aretz), sie kam nach Ägypten. Das bedeutet, das Wort „ganze Erde“ meint hier nicht Ägypten selbst. Man kann nicht sagen, „ganz Ägypten kam nach ganz Ägypten“. Es müssen also die umliegenden Länder gemeint sein, die ganze Erde.
Luther übersetzt hier mit „alle Welt“, Schlachter mit „alle Lande“ oder „alle Länder“. Das ist nicht schlecht übersetzt. Man kann „ganze Erde“ als die bewohnte Erde verstehen, also den Vorderen Orient.
Alle Welt kam nach Ägypten zu Joseph, um Getreide zu kaufen, denn die Hungersnot war stark auf der ganzen Erde.
