Ich möchte alle ganz herzlich zu diesem Bibelstudientag heute Morgen begrüßen. Das Thema ist Teil 2 von dem, was wir beim letzten Mal begonnen haben, unter dem Haupttitel "Tiere und Pflanzen in der Bibel".
Beim letzten Mal haben wir Teil 1 behandelt: Tiere im Buch der Sprüche. Heute geht es um Teil 2, nämlich Tiere und Pflanzen im Hohenlied. Salomo, der Autor des Hohenliedes, war ein großer Kenner von Pflanzen und Tieren.
In 1. Könige lesen wir von dem jungen Salomo, der über alle möglichen Pflanzen in der Natur sprach – von den kleinsten Pflanzen bis hin zu den Zedern des Libanon. Ein Pflanzen- und Tierkenner wie Salomo müsste erst noch geboren werden.
Allein im Hohenlied finden wir etwa 23 verschiedene Pflanzen erwähnt, und das in nur acht Kapiteln. Wenn man bedenkt, dass in der gesamten Bibel mit weit über tausend Kapiteln etwa 110 Pflanzenarten genannt werden, ist das beeindruckend: circa 23 allein im Hohenlied.
Dort wird beispielsweise vom Aloebaum gesprochen, von der Alraune, dem Apfelbaum und dem Balsambaum. Viele Stellen handeln von der edlen Weinrebe. Außerdem finden wir Gras, Feigenbaum, Granatbaum, den Hennabusch, der mehrfach erwähnt wird, die Lilie, Myrrhe, Narde, Narzisse, den Nussbaum, den Olivenbaum, die Dattelpalme, den scharlachroten Hahnenfuß, Safran, den Weihrauchbaum, Weizen, Würzrohr, die Zeder und schließlich die Zypresse.
An Tieren finden wir 19 Tiere oder Hinweise auf verschiedene Tiere. Angefangen bei der Honigbiene über den Elefanten, dann – wie bei den Pflanzen in alphabetischer Reihenfolge – die Felsentaube, den Fuchs, die Gazelle, den Gelbsteißbülbüll, den Hirsch (wobei sowohl das Männchen als auch die Hirschkuh erwähnt werden), den Bullen und die Kuh, die Kermissschildlaus, den Leoparden, den Löwen, das Pferd, die Purpurschnecke, den Raben, das Schaf, den Steinbock aus Engedi und schließlich die Turteltaube und die Hausziege.
Einführung in das Hohelied und seine Bedeutung
Bevor wir uns verschiedenen Stellen im Zusammenhang mit einer Auswahl von Tieren und Pflanzen aus dem Hohen Lied zuwenden, einige grundsätzliche Informationen zum Hohen Lied.
Wer ist der Autor? Kapitel 1,1 gibt uns Auskunft: Das Lied der Lieder stammt von Salomo. Salomo, der König war, lebte nach strenger Chronologie von 971 bis 931 vor Christus. Er schrieb dieses Buch in der Frühzeit seiner Regierung. Somit handelt es sich um ein Buch, das fast dreitausend Jahre alt ist.
Das Hohe Lied heißt auf Hebräisch Schir Haschirim, was „das Lied der Lieder“ bedeutet, also das schönste Lied. In 1. Könige 5 finden wir eine Beschreibung über die außergewöhnliche Weisheit Salomos und auch über seine Kenntnis der Natur. Dort wird gesagt, dass Salomo insgesamt tausendfünf Lieder gedichtet hat. Das schönste aller Lieder ist jedoch Shir ha-Scherim, das Hohelied.
Wer sind die Adressaten? Diese Frage stellt sich bei Bibelbüchern immer wieder. Gerade im Neuen Testament ist die Antwort oft einfach: Die Korintherbriefe wurden an die Gemeinde von Korinth geschrieben, der Römerbrief an die Gemeinde in Rom usw. Aber an wen richtet sich das Hohelied?
Die ersten Adressaten waren die Töchter Jerusalems. Wir lesen in Hohelied 2,7, dem Refrain des Buches, der dreimal vorkommt: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen und bei den Hindinnen des Feldes, dass ihr nicht wecket noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“ Dieser Vers wiederholt sich dreimal.
Immer werden die Töchter Jerusalems angesprochen, also die jungen, heranwachsenden Mädchen und Frauen in Jerusalem. Das Hohelied war jedoch natürlich auch für das ganze Volk Israel geschrieben. Schließlich gilt es im Licht des Neuen Testaments auch für die Gemeinde.
Römer 15 sagt, dass alles im Alten Testament für die Gemeinde geschrieben wurde, zu ihrer Belehrung – und dann für die Menschheit überhaupt. Dass die Töchter Jerusalems die ersten Adressaten sind, hat jedoch eine besondere Bedeutung, wie wir gleich sehen werden.
Die vier Bedeutungsebenen des Hohen Liedes
Jetzt, wie müssen wir das Hohelied auslegen? Es ist ganz wichtig, dass wir mindestens vier verschiedene Bedeutungsebenen unterscheiden.
Erstens: wörtlich und historisch. Das ist die erste Bedeutungsebene. Es ist wichtig, in der ganzen Bibel zuerst das zu beachten, bevor man irgendwelche Anwendungen und Übertragungen macht. Wörtlich und historisch ist das Hohelied eine Beschreibung der ehelichen Liebe zwischen Salomo und Sulamit. Es geht übrigens nicht um die Verlobungszeit, auch wenn Sulamit wiederholt Braut genannt wird. Braut kann bedeuten, die Verlobte oder auch die gerade jung Verheiratete. Das kennen wir auch im Deutschen, nicht wahr? Am Hochzeitstag nennt man die junge Ehefrau immer noch Braut, aber sie ist nicht mehr die Verlobte, sie ist bereits die junge Frau. Und so ist es auch im Hohelied. Das ist sehr wichtig, sonst kommt man in der Anwendung auf ganz falsche Schlüsse. Es geht um die eheliche Liebe, wo einander alles geschenkt wird, was in der Verlobung nicht möglich ist.
Zweitens: nochmals wörtlich, aber angewendet auf die Leser. Es bringt uns nicht so viel, wenn wir nur eine Beschreibung von Salomo und Sulamit sehen. Wir müssen uns fragen, was diese eheliche Liebe für uns zu bedeuten hat. Das ist die zweite Ebene, die Anwendung auf die Leser. Es ist ein ganz allgemeines Lob auf die Ehe und die Schönheit dieser Beziehung, und zwar auf allen Ebenen: körperliche und seelische Einheit. Denken wir an Hebräer 13,4: „Die Ehe sei geehrt in allem.“ Da sind alle Aspekte der Ehe gemeint, die Ehe soll geehrt sein. Da hilft das Hohelied sehr, sehr viel.
„Die Ehe sei geehrt in allem, und das Ehe wird unbefleckt; Hur aber und Ehebrecher wird Gott richten.“ Hur bezeichnet in der Bibel Menschen, die Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe ausüben, in allen Varianten. Ehebrecher sind Menschen, die Geschlechtsverkehr neben der Ehe begehen. Also der Hur kann auch vor der Ehe sein, auch neben der Ehe, auch Homosexualität ist gemeint. Alles, Hur aber und Ehebrecher wird Gott richten.
Das Hohelied ist indirekt eine Verurteilung aller Verdrehungen der ehelichen Liebe, also eine Verurteilung von vorehelicher Beziehung, Ehebruch, Polygamie (also dass ein Mann mehrere Frauen heiratet), aber auch eine Verurteilung des Zölibats, wo man den Menschen verbietet zu heiraten, Homosexualität etc. Das Hohelied betont das Schöne der ehelichen Sexualität, und dies steht im Kontrast zu allem Schmutz. Die Sexualität wird in einer blumigen Sprache der Reinheit beschrieben, sie vermeidet alles Derbe und Widerliche.
Mit anderen Worten: Das Hohelied ist eigentlich eine ausführliche Ausdeutung in acht Kapiteln von dem einen Vers 1. Mose 2,24, wo Mose ableitet aus der Erschaffung von Adam und Eva, und zwar so, dass Eva aus der Rippe Adams erschaffen war, sodass er sagen konnte, dass sie Fleisch von seinem Fleisch ist und Gebein von seinem Gebein. Daraus leitet Mose ab: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen.“ Dawak heißt auch ankleben, und sie werden ein Fleisch sein.
Eine dritte Bedeutungsebene des Hohen Liedes ist die Übertragung auf den Überrest Israels, das irdische Volk Gottes. Im Hohelied finden wir eine prophetische Komponente, einen prophetischen Aspekt. Da wird der gläubige Überrest nach der Entrückung der Gemeinde beschrieben in Sulamit. Und dieser Überrest wird sich dann mit dem Messias, Jesus, verbinden, der wiederkommt als Richter und König der Welt auf dem Ölberg.
Eine vierte Übertragung ist dann die Übertragung auf die Gemeinde, das himmlische Volk Gottes. Israel, das irdische Volk Gottes, ist ein Abbild des himmlischen Volkes Gottes, der Gemeinde. Nach Epheser 5,22-33 ist Christus der Ehemann und die Gemeinde, bestehend aus den Gläubigen von Pfingsten (Apostelgeschichte 2) bis zur Entrückung der Gemeinde (1. Thessalonicher 4,13 und folgende), die Ehefrau von Jesus Christus. Genau diese Beziehung wird durch den Heiligen Geist ebenfalls im Hohelied beschrieben.
Natürlich, aus einer anderen Perspektive gesehen, ist die Gemeinde heute mit Christus verlobt. So steht das in 2. Korinther 11,2. Die Gemeinde wird in der Zukunft als Braut des Lammes nach der Entrückung heiraten. Das beschreibt uns Offenbarung 19,7-9, die Hochzeit des Lammes. Aber das ist einfach eine andere Seite der Medaille.
Die Gemeinde wird einerseits beschrieben in Epheser 5 als verheiratet, weil der Herr bei uns ist und ganz nahe ist, so wie es in der Ehebeziehung zwischen Mann und Frau der Fall ist. Jesus sagt in Matthäus 28 zu seinen Jüngern: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“ Ja, er ist alle Zeit bei uns, weil er der ewige Gott ist und allgegenwärtig ist.
Aber als Mensch ist Jesus Christus auferstanden, in den Himmel gefahren und jetzt zur Rechten Gottes in der himmlischen Herrlichkeit. Er ist nicht hier. Also genau so, wie man in der Ehe in der Verlobung getrennt ist, so ist die Gemeinde hier auf Erden getrennt von Jesus Christus, dem Menschensohn, im Himmel. Er wird erst in der Zukunft wiederkommen, und dann wird die Hochzeit geschehen.
Das sind einfach zwei verschiedene Seiten der Medaille. Aber im Hohelied geht es eben ganz speziell um die Beziehung von Ehemann und Ehefrau.
Schutz vor Missbrauch der Liebe und Sexualität
Das Hohelied hat auch die Funktion, die Liebe und Sexualität vor Missbrauch zu schützen. Dieses Buch zeigt uns den Weg zu einer wirklich glücklichen Ehe.
Das wird besonders im Refrain deutlich, der, wie gesagt, dreimal im Buch vorkommt: in Kapitel 2, Vers 7; Kapitel 3, Vers 5; und Kapitel 8, Vers 4. Dort heißt es: „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hirschkühen des Feldes, dass ihr nicht weckt, noch aufweckt die Liebe, bis es ihr gefällt.“ Hier wird gezeigt, dass man die Liebe zu früh wecken kann und dass dies zu einer Fehlentwicklung führen kann.
Dreimal im Refrain werden die Töchter Jerusalems davor gewarnt, sich so zu verhalten, dass die Liebe nicht zu einem falschen Zeitpunkt und zu früh geweckt wird, damit nichts Falsches entsteht.
Dieser Refrain ist heute hochaktuell. Wir haben ein großes Problem durch die linke Politik, die versucht, die Frühsexualisierung der Kinder durchzusetzen. Bereits im Kindergarten sollen die Kinder mit Sexualunterricht konfrontiert werden – und zwar mit einem Sexualunterricht, der als pervers beschrieben wird. Sie sollen sogar erste Übungen zum Körperkontakt untereinander machen. Das ist sehr bedenklich und schädigt die Kinder für ihr ganzes Leben.
Genau davor wird hier gewarnt: „Ihr sollt nicht wecken noch aufwecken die Liebe, bis es ihr gefällt.“ Es ist wichtig, dass Kinder im Rahmen einer funktionierenden Familie aufgeklärt werden – aber entsprechend ihrer individuellen Entwicklung. Das ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Wir haben das selbst erlebt: Einige waren sehr früh reif, andere weniger. Die Aufklärung muss daher angepasst werden. Es darf nichts zu früh geweckt werden, wenn das Kind noch nicht reif dafür ist.
Zu frühe sexuelle Aufklärung führt zu Fehlentwicklungen und schadet den Kindern. Deshalb ist dieser Refrain in der heutigen Zeit sehr wichtig. Er ermutigt uns, in dieser Sache einen wirklichen Kampf zu führen und uns nicht einfach alles bieten zu lassen oder zu akzeptieren.
Es geht um die nächste Generation, die durch linke Politik und Ideologie verdorben werden soll, um sie dem marxistischen Denken anzupassen.
Symbolik der Gazelle und Hirschkuh im Refrain
Nun, in diesem Refrain heißt es: „Ich beschwere euch, Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder bei den Hirschkühen des Feldes.“ Warum genau diese beiden Tiere?
Wir sind bereits im Thema „Tiere und Pflanzen im Hohen Lied“. Die Gazelle, speziell die Dorkaskazelle, ist in Israel ein ganz besonderes, liebliches Tier, wie man hier auf den Bildern sehen kann. Diese Tiere sind jedoch unglaublich scheu. Schon kleine Bewegungen, und das aus mehreren hundert Metern Entfernung, reichen aus, damit sie eine Gefahr wittern und fliehen.
Außerdem besitzen sie einen außergewöhnlichen Gehör- und Geschmackssinn, mit dem sie Menschen aus großer Distanz wahrnehmen können. Deshalb muss man ganz ruhig sein, wenn man sie beim Grasen beobachten möchte, um sie nicht zu stören.
Diese Beschwörung an die Töchter Jerusalems zeigt nun: Weckt nicht die Liebe, seid ganz still – so, wie man still sein muss, wenn man Dorkaskazellen aus der Ferne beobachtet. Man darf nicht reden, sich nicht räuspern und sich nicht zu stark bewegen. Man darf sich diesen Tieren nicht zeigen oder sie auf sich aufmerksam machen. Dieser Vergleich wird hier bewusst eingesetzt.
Auch die Hirschkuh wird als weiteres Beispiel genannt. Sie ist ebenfalls ein sehr ängstliches Tier, das man schnell in die Flucht schlägt. Bei der Beobachtung muss man auch hier ganz ruhig sein.
Der biblische Hirsch beziehungsweise die biblische Hirschkuh ist der Damhirsch. Es gibt auch einen Damhirsch in Europa, lateinisch „Dama dama dama“. Der israelische Damhirsch ist der sogenannte mesopotamische Damhirsch, „Dama dama mesopotamica“.
Mit diesen beiden Vergleichen, Gazelle und Hirschkuh, wird eine besondere Vorsicht beschrieben. In älteren Übersetzungen heißt es übrigens „Hinding“ – ein altes, schönes Wort für Hirschkuh. Diese ganz ängstlichen Tiere sollen als Maßstab dienen, wie vorsichtig man sein muss, um die Liebe nicht zu früh zu wecken.
Warum wird das den Töchtern Jerusalems gesagt? Sie sollen sich so verhalten und kleiden, dass sie nichts wecken, was nicht geweckt werden soll.
Das hat sehr viel zu sagen. Es drückt bereits viele Dinge aus, über die man einen ganzen Vortrag halten könnte. Doch der Sinn ist eigentlich schon klar.
Aufbau des Hohen Liedes durch den Refrain
Dieser Refrain kommt, wie gesagt, dreimal vor und teilt damit das ganze Hohelied in vier Teile. Der Aufbau des Buches ergibt sich somit durch diesen Refrain.
Die erste Strophe finden wir nach dem Titel 1,1. Das Hohelied von Salomo beginnt mit der ersten Strophe, die sich von 1,2 bis 2,6 erstreckt. Das Thema dieser Strophe lautet „Die Freude der Liebe“. Danach folgt der Refrain „Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems“ in 2,7.
Die zweite Strophe umfasst die Verse 2,8 bis 3,4 und behandelt das Thema „Die Sehnsucht der Liebe“. Anschließend erscheint der Refrain erneut in 3,5.
Die dritte Strophe, die die Verse 3,6 bis 3,8 umfasst, beschreibt die Höhen und Tiefen der Liebe. Darauf folgt der Refrain in 3,8.
Schließlich gibt es noch die letzte, eher kurze Strophe vier, die von 8,5 bis 8,14 reicht und die Vollkommenheit der Liebe thematisiert.
Bedeutung der Schwester und der Symbole Mauer und Tür
Wenn wir gerade bei diesem Aspekt des Hohen Liedes sind, der uns zeigen will, was der richtige Weg zum ehelichen Glück ist und wie wir vor Missbrauch von Liebe und Sexualität geschützt werden können, sollte man auch noch auf den Schluss hinweisen. Im letzten Teil, in der letzten Strophe, wo es um die Vollkommenheit der Liebe geht, steht in Kapitel 8, Vers 8:
„Wir haben eine Schwester, eine kleine.“
Übrigens zeigen die Schrägstriche in den Bibelzitaten hier in der Präsentation immer an, wo eine neue Zeile im Gedicht beginnt. Das ganze Hohelied ist ein Gedicht in Versform, und diese Schrägstriche markieren eben den Zeilenanfang.
Es heißt weiter: „Wir haben eine Schwester, eine kleine, die noch keine Brüste hat. Was sollen wir mit unserer Schwester tun an dem Tage, an dem ein Mann um sie werben wird? Wenn sie eine Mauer ist, so wollen wir auf sie bauen eine Zinne von Silber, und wenn sie eine Tür ist, so wollen wir sie verschließen mit einem Zedernbrett.“
Das ist seltsam, nicht wahr? Sulamit hat eine Schwester, die aber noch nicht heiratsfähig und auch noch nicht reif ist – eine kleine Schwester, die noch keine Brüste hat. Sulamit macht sich Gedanken darüber, wie es einmal sein wird, wenn diese Schwester reif wird und in ein Alter kommt, in dem Männer sich für sie interessieren könnten.
In Vers 9 wird erklärt, dass es zwei verschiedene Arten von Mädchen oder jungen Frauen gibt: solche, die eine Mauer sind, und solche, die eine Tür sind.
Wenn sie eine Mauer ist, bedeutet das, dass sie ganz natürlich eine Distanz zu Männern hat – eine gesunde Distanz, wie eine Mauer. Man merkt sofort, dass man diese Mauer nicht einfach nehmen kann. Sie ist weder gratis noch für Geld zu haben. Das ist das Wertvollste, was es gibt: keine Beliebigkeit, sondern Zurückhaltung.
Es gibt aber auch solche, die von ihrer Art her mit einer Tür verglichen werden können. Diese zeigen nicht dieselbe Distanz, sondern eine Offenheit gegenüber dem anderen Geschlecht.
Im Fall, dass sie eine Mauer ist, also natürlicherweise Zurückhaltung zeigt, soll diese noch verziert werden. Es heißt: „So wollen wir auch sie bauen, eine Zinne von Silber.“
Diese Zurückhaltung und gesunde Distanz zum anderen Geschlecht ist etwas Würdevolles und verdient eine goldene oder silberne Zinne als Schmuck.
Das erinnert an eine Stelle im Neuen Testament, in 1. Timotheus 2, Vers 8-9, wo Paulus den Frauen befiehlt, sich zu schmücken. Dort steht:
„Ich will nun, dass die Männer an jedem Ort beten, indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung. Desgleichen auch, dass die Frauen sich in bescheidenem, ehrbarem Äußeren mit Schamhaftigkeit und Sitzsamkeit schmücken.“
Paulus meint dabei nicht Haarflechten, Gold, Perlen oder kostbare Kleidung, sondern ein ehrbares Äußeres, das mit Schamhaftigkeit und Anstand geschmückt ist. Diese Zurückhaltung und der Anstand in der äußeren Erscheinung sind ein Schmuck für die Frau und erhöhen enorm den Wert der Person.
In unserer heutigen Gesellschaft ist es genau umgekehrt. Durch eine Sexualisierung der Kleidung versucht man Frauen dazu zu bringen, sich auf eine andere Art zu schmücken. Die Bibel sagt jedoch genau das Gegenteil: Nicht großer Ausschnitt, kurzer Rock oder enge Kleidung sollen der Schmuck sein, sondern Sittsamkeit und Zurückhaltung sollen ins Auge fallen.
Wenn sie aber eine Tür ist, so heißt es: „So wollen wir sie verschließen mit einem Zedernbrett.“
Damit wird ihr geholfen, diese Distanz zu wahren. Hier sieht man, wie wichtig die Umwelt für ein heranwachsendes Mädchen oder eine junge Frau ist, damit sie entsprechende Impulse erhält.
Warum gerade ein Zedernbrett? Die Zeder ist einer der schönsten Bäume, die es gibt – in der Bibel ist die Libanon-Zeder gemeint. Der Libanon war in der Antike für seine Vielzahl an Zedern bekannt. Heute findet man kaum noch welche.
Ich war einmal auf dem höchsten Punkt des Libanongebirges mit dem Auto, dort lag viel Schnee. Ich ging in einen kleinen Zedernwald, das Gebiet heißt „Erez“, was auf Arabisch „Zeder“ bedeutet. Man musste Eintritt bezahlen, um dort spazieren zu gehen.
Das war der Schmuck des Libanon in der Antike. Deshalb hat der Libanon heute noch in seinem Wappen die Zeder. Das erinnert an die alte Zeit, bevor alles durch beispiellosen Raubbau zerstört wurde.
Die Libanon-Zeder ist ein wunderbarer Baum, der 30 bis 50 Meter hoch werden kann. In jüngerer Zeit wächst er pyramidenförmig. Das Holz ist besonders kostbar. Salomo ließ sich von Hiram, dem König von Tyrus, sehr viel Zedernholz nach Jerusalem bringen, um den Tempel zu bauen.
Das Zedernholz hat einen besonderen Duft. Man kann ein kleines Stück davon in den Kleiderkasten legen, um die Kleidung vor Motten zu schützen – die mögen den Geruch nicht.
Dieser schöne Baum liefert also ein begehrtes Holz. Aus diesem Holz will Sulamit ein Brett für ihre Schwester machen, falls sie eine Tür ist, um sie damit zu verschließen – ein wertvolles, wohlriechendes Holz.
Damit hätten wir auch wieder eine Pflanze im Hohen Lied behandelt.
Ich verweise an dieser Stelle noch einmal auf das Thema Schutz vor Missbrauch von Liebe und Sexualität, das im Hohen Lied auch durch das Bild des verschlossenen Gartens behandelt wird, besonders in Kapitel 4. Darauf werden wir später noch eingehen.
Die Vollkommenheit der Liebe im Hohen Lied
Der Schlüsselvers des Hohen Liedes findet sich in der vierten Strophe, genau dort, wo die Vollkommenheit der Liebe krönend beschrieben wird. Ich lese aus Kapitel 8, Verse 6 bis 7:
Sulamit spricht: „Lege mich wie einen Siegelring an dein Herz, wie einen Siegelring an deinen Arm! Denn die Liebe ist gewaltsam wie der Tod, hart wie der Scheol ihre Eifersucht. Ihre Gluten sind Feuergluten, eine Flamme Jahs. Große Wassermengen können die Liebe nicht auslöschen, und Ströme überfluten sie nicht. Wenn ein Mann allen Reichtum seines Hauses um die Liebe geben wollte, würde man ihn nur verachten.“
Hier wird die Liebe als eine Flamme Jahs beschrieben. Jah ist die Kurzform von Yahweh, dem Gottesnamen in der Bibel. Gott heißt Yahweh, der Ewigseiende, Unwandelbare. Die Liebe ist also eine Flamme, die von ihm, dem ewigen Gott, ausgeht.
Es wird gesagt: „Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod, hart wie der Scheol, ihre Eifersucht.“ Die Gluten davon sind Feuergluten. Wer eine gute Übersetzung hat, zum Beispiel die alten Elberfelder, findet eine kleine Bemerkung: Dort steht eigentlich, dass bei „Feuerflamme“ ihre Blitze feurige Blitzstrahlen sind. Dieses Feuer der Liebe wird also als blitzartig beschrieben.
Das Bild illustriert wunderbar, was echte Liebe in der Ehe ist: Sie kommt von Gott, und große Wasser können diese Liebe nicht auslöschen. Große Wasser können natürlich Feuer löschen, aber wie soll man damit einen Blitz löschen? Das geht nicht.
Woran soll man bei großen Wassern denken? Zum Beispiel an die Niagara Falls an der Grenze zwischen USA und Kanada. Diese gewaltigen Wasserfälle sind beeindruckend. Auf beiden Seiten lohnt es sich, sie anzuschauen – sowohl auf der kanadischen als auch auf der amerikanischen Seite. Diese großen Wasser könnten ein großes Feuer löschen, natürlich. Aber wie soll man damit einen Blitz löschen? Das ist unmöglich.
Später war jemand, nachdem er bei den Niagara Falls gewesen war, noch in Südamerika, an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien. Dort befinden sich die Wasserfälle Iguazu, die man gesehen haben muss. Diese Person, die übrigens politisch eine ganz wichtige Persönlichkeit war, sagte: „Niagara Falls sind beeindruckend, aber auf drei Kilometern Länge stürzt dort das Wasser in gewaltiger Tiefe ab.“
Iguazu heißt in der Indianersprache „große Wasser“. Damit könnte man jedes Feuer löschen, aber nicht Blitze. Die Liebe Gottes sind eben blitzende Blitzstrahlen, die durch nichts gelöscht werden können.
Wenn wir das nun auf Jesus Christus beziehen, der in seiner Beziehung zur Gemeinde beziehungsweise zum irdischen Volk Israel seine Liebe bewiesen hat, indem er für sie starb, zeigt uns das, was echte Liebe ist. Natürlich wird im Epheserbrief Kapitel 5 auch gesagt, dass Männer bereit sein sollen, für ihre Frauen zu sterben. Aber genau das hat der Herr Jesus getan.
Darum steht hier: „Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod.“ Der Herr Jesus sah uns in unserem Zustand der Sünde, gebunden durch Satan, und er konnte es nicht ertragen, dass die Sünde und Satan über uns herrschen, und nicht er. Deshalb war er bereit, den Tod zu erleiden, das Schlimmste, was es gibt.
„Denn die Liebe ist gewaltsam wie der Tod, und wie der Scheol ihre Eifersucht.“ Scheol ist das Totenreich. Jesus ging in den Bereich des Todes hinein, weil er einen solchen Eifer hatte, der nicht tolerieren konnte, dass irgendetwas oder irgendjemand anders über uns herrscht und uns führt als er.
Das ist der Maßstab für die Liebe im Hohen Lied: diese Blitzstrahlen, die auch die Wasser von Iguazu nicht löschen können, wie man hier in dieser Animation sieht.
Jahresablauf in Hohelied 2,10-15
Ja, jetzt kommen wir nach diesen einleitenden Bemerkungen zum Hohen Lied zu Teil zwei: Jahresablauf, Kapitel 2, Verse 10 bis 15. Wir gehen nicht Vers für Vers durch das Hohelied und behandeln auch nicht alle Tiere und Pflanzen, sondern eine Auswahl.
In Kapitel 2, Verse 10 bis 15 finden wir eine herrliche Beschreibung des gesamten Jahreszyklus der Natur in Israel. Wenn man wirklich verliebt ist, liebt man auch die Natur und nimmt viele Dinge in ihr ganz anders wahr, irgendwie noch tiefer. Das hängt mit Romantik zusammen, und das Hohelied zeigt, dass es so sein muss. Deshalb finden wir im Hohelied viele Beschreibungen der Natur – nicht nur einzelne Pflanzen und Tiere, sondern auch die Zusammenhänge der Natur.
Ich lese aus Kapitel 2, Vers 10:
"Mein Geliebter hob an und sprach zu mir: Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!"
Übrigens sind all diese Kosenamen im Hohelied interessant. Man kann überrascht sein, wie Salomo seine Frau, seine Freundin nennt. Es gibt tatsächlich Leute, die denken, wenn sie die Frau ist, dann ist sie nicht mehr die Freundin. Das ist totaler Unsinn. Meine Frau ist meine beste Freundin, natürlich, das muss so sein. Darum sagt Salomo zu Sulamit: "Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm." Er nennt sie auch "meine Schöne". Manche sagen vielleicht, eine Frau weiß schon, dass sie schön ist, da muss man es nicht immer wieder sagen. Natürlich muss man es immer wieder sagen, das Hohelied zeigt das.
Auch Abraham wusste, dass seine Frau schön war – und das übrigens noch mit fünfundsechzig Jahren, wie in 1. Mose 12 beschrieben. Darum hatte er Angst, dass die Ägypter ihn umbringen würden, wenn sie sehen, wie schön sie ist. Als sie nach Ägypten kamen, heißt es, dass die Fürsten dem Pharao die Schönheit Saras priesen, und sie sahen, dass sie sehr schön war. Traurig! Abraham hätte sagen müssen: "Du bist sehr schön." Er sagte ihr nur: "Ich weiß, dass du schön bist." Aber die anderen merkten es, und das ist traurig, wenn nicht der Mann es merkt, sondern die anderen es sagen. So sollte das nicht sein.
Nun zu Vers 11:
"Denn siehe, der Winter ist vorbei, der Regen ist vorüber, er ist dahin; die Nizanim erscheinen im Lande, die Zeit des Samir ist gekommen, und die Stimme der Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande."
In diesen Verszeilen wird der Jahresablauf beschrieben. Wenn Salomo sagt: "Denn siehe, der Winter ist vorbei", meint er die Zeit des Regens in Israel. Diese beginnt in der zweiten Hälfte Oktober nach dem Laubhüttenfest und dauert bis Ende März. Vers 11a, die ersten beiden Zeilen, besagen also, dass die Winterzeit, die Regenzeit von Oktober bis März, jetzt vorbei ist.
Was kommt jetzt?
Vers 12: "Die Nizanim erscheinen im Lande." Es kann sein, dass in Ihrer Übersetzung einfach steht "Die Blumen erscheinen im Lande", aber das wäre eher das allgemeine Wort für Blumen, Brachim. Hier steht jedoch "Nizanim", was wörtlich "die Blühenden" heißt und ganz speziell den scharlachroten Hahnenfuß bezeichnet, der Anfang April in Israel blüht.
Also ist die Regenzeit Ende März vorbei, und jetzt, Anfang April, kommen die Nizanim, der scharlachrote Hahnenfuß, ins Land. Lateinisch heißt er Ranunculus asiaticus. Dieses schöne Blümchen kündigt das neue Leben der Frühlingszeit an.
Dann geht es weiter:
"Die Zeit des Samir ist gekommen."
In manchen Bibeln ist hier nur "die Zeit des Gesangs" übersetzt. Aber Samir heißt wirklich "Sänger" und bezeichnet einen ganz bestimmten Vogel, nämlich den Gelbsteißbülbül. Dieser Vogel ist in ganz Israel verbreitet, aber man muss ein Auge dafür haben, sonst sieht man ihn nicht. Er hat das ganze Jahr über eine monotone Stimme, doch wenn im April seine Paarungszeit beginnt, singt er plötzlich mit melodischem Wohlklang.
Darum ist die "Zeit des Samir", in der er so schön singt, jetzt gekommen. Hier sehen wir den Gelbsteißbülbül. Man erkennt ihn an seinem gelben Steiß, den Augenringen und dem schwarzen Kopf, der sich vom Körper abhebt. "Bülbül" ist übrigens ein arabisches Wort und bedeutet "Sänger", was dem hebräischen Wort Samir entspricht. Weil er einen gelben Steiß hat, nennt man ihn Gelbsteißbülbül.
Dieser Singvogel erinnert uns daran, dass Gläubige im Neuen Testament, zum Beispiel in Epheser 5,18 und Kolosser 3,16, aufgerufen sind, dem christlichen Gesang große Bedeutung zuzumessen. Dort wird von geistlichen Liedern, Lobliedern und Psalmen gesprochen, die wir durch den Heiligen Geist geleitet singen und spielen sollen, auch mit Instrumenten.
Die nächste Verszeile lautet:
"Und die Stimme der Turteltaube lässt sich hören in unserem Land."
Im April kommt also der schöne Gesang des Gelbsteißbülbuls, und dann, früh im Mai, beginnt die Paarungszeit der Turteltauben. Die Beschreibung folgt dem Lauf der Natur in Israel.
Die Stimme der Turteltaube hört man in unserem Land. Die Turteltaube ist ebenfalls ein Singvogel. In der Paarungszeit beginnt das Männchen ganz speziell zu singen und macht dabei ein "drrr drrr drrr"-Geräusch. Darum heißt sie Turteltaube, auf Hebräisch "Tor, Tor, Tor" (T-O-R), was eine Nachahmung dieses Gesangs ist.
Typisch für Tauben ist ihre verbreitete Treue als Paar ein Leben lang. Deshalb ist es bedeutsam, dass nicht irgendein Singvogel erwähnt wird, sondern die Turteltaube – das Tier, das die Treue zum Ehepartner ausdrückt.
So sind wir bei der Paarungszeit der Turteltauben Anfang Mai angekommen. Nun zu Vers 13:
"Der Feigenbaum rötet seine Feigen, und die Weinstöcke sind in der Blüte, geben Duft. Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm! Meine Tauben in den Klüften der Felsen, im Versteck der Felswände, lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig."
Während die Tauben Anfang Mai ihre Paarungszeit haben, beginnt der Feigenbaum, seine Früchte zu röten – Ende Mai. Das ist auch die Zeit, in der die Weinstöcke in Blüte stehen und Duft verströmen.
Hier sehen wir einen Feigenbaum mit seinen geröteten Früchten. Der Feigenbaum ist ein Bild der Gerechtigkeit. Zum Beispiel spricht Jesus in Lukas 13 im Gleichnis vom Feigenbaum. Er suchte während drei Jahren an dem Feigenbaum Israel nach Frucht, aber es gab keine. Darum sollte der Baum schließlich abgehauen werden. In seiner Endzeitrede spricht er jedoch davon, dass der Feigenbaum in der Endzeit wieder ausschlagen und Frucht bringen wird. So soll Israel als Nation, die seit dem Jahr 70 nach Christus wie ein abgeschnittener Baum ist, in der Endzeit neu entstehen und für Gott die Frucht der Gerechtigkeit bringen.
Darum ist es bedeutsam, dass gerade der Feigenbaum erwähnt wird. Der Feigenbaum rötet seine Feigen, und dann kommen die Weinstöcke. Hier sehen wir die Weinrebe in Blüte. Die Weinrebe produziert später Trauben, aus denen man unter anderem Wein herstellen kann.
Der Wein ist in der Bibel immer wieder ein Bild der Freude – der natürlichen Freude, die Gott in die Natur gelegt hat für den Menschen. In Psalm 104 wird beschrieben, was Gott alles in der Natur gewirkt hat. Dort heißt es in Vers 14:
"Der Gras hervorkommen lässt für das Vieh und Kraut zum Dienst der Menschen, um Brot hervorzubringen aus der Erde und damit Wein das Menschenherz erfreue, um das Angesicht glänzend zu machen von Öl und damit Brot das Menschenherz stärke."
Hier wird gesagt, dass Gott den Wein gegeben hat, um das Menschenherz zu erfreuen. Deshalb findet man in biblischen Zeiten den Wein immer wieder bei Festen als Ausdruck gemeinsamer Freude und Tischgemeinschaft.
Auch das Thema Wein findet sich bei der Hochzeit von Kana in Johannes 2, wo Jesus eingeladen war. Wenn wir daran denken, dass Wein ein Bild der Freude ist, versteht man besser, warum es schon im Hohelied I heißt. Sulamit sagt in Vers 4:
"Ziehe mich, wir werden dir nachlaufen. Der König hat mich in seine Gemächer geführt. Wir wollen uns verlocken und deiner uns freuen, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein."
Sulamit drückt damit aus, dass die Liebe des Geliebten alle anderen irdischen Freuden übersteigt.
Er sagt ihr:
"Der Feigenbaum rötet seine Feigen, und die Weinstöcke sind in der Blüte, geben Duft."
Das ist Ende Mai. Dann geht es weiter:
"Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm, meine Taube, in den Klüften der Felsen, im Versteck der Felswände. Lass mich deine Gestalt sehen, lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig."
Hier ist nicht die Turteltaube gemeint, sondern die Felsentaube, auf Hebräisch "Yonah". Sie ist eng verwandt mit der Stadt-Taube, die sich in Städten sehr wohl fühlt, weil die Betonklötze und Bauwerke an Felsen erinnern. Deshalb fühlt sie sich in Städten wie zu Hause.
Die Paarungszeit der wilden Felsentauben findet von Mai bis Mitte Juni statt. Sie bauen Nester in Felsklüften und Höhlen. Darum heißt es:
"Meine Taube in den Klüften der Felsen, im Versteck der Felswände."
"Lass mich deine Gestalt sehen!" – wir sind hier bereits Mitte Juni angekommen. Hier sehen wir ein Beispiel von Felsentauben.
Nun zu Vers 15:
"Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, welche die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge sind in der Blüte."
Im Hebräischen steht hier das Wort "Schual". Dieses kann "Schakal" oder "Fuchs" bedeuten. Die Tiere sind miteinander verwandt und können sogar gekreuzt werden. Sie gehören zur gleichen biologischen Art wie Hunde.
Wie weiß man beim Bibelübersetzen, ob man "Schakal" oder "Fuchs" übersetzen soll? Der Zusammenhang entscheidet. Zum Beispiel hat Simson viele Schakale gefangen und sie zusammengebunden, um die Philister zu strafen. Da ist klar, dass es Schakale waren, denn der Fuchs ist ein Einzelgänger, Schakale aber Herdentiere.
Hier beim Weinstock sind es speziell die Füchse, die verderblich sind – besonders die kleinen Füchse. Nach der Blüte kommen die Trauben. Die kleinen Füchse lieben Trauben, kommen aber nicht recht an die Traubenbüschel heran. Sie beißen unten den Weinstock ab und können so ganze Weinstöcke verderben und zu Fall bringen.
Hier wird also aufgerufen: Fangt uns die Füchse! Jetzt, in der Zeit der Blüte, sollen sie gefangen werden, damit die Traubenzeit nicht gefährdet wird.
Was bedeutet das übertragen? Diese kleinen Füchse sind liebliche Tiere. Ich freue mich immer, wenn ich Füchse sehe. Doch ich denke auch daran, was passiert, wenn wir so viele Füchse in unseren Städten und Dörfern haben und die Tollwut zurückkommt – das wäre ein echtes Problem.
Trotzdem können diese liebliche Tiere großen Schaden an den Weinstöcken anrichten und die Freude zerstören. Der Wein ist ein Bild der irdischen, natürlichen Freude.
So gibt es auch in einer Ehe oft kleine Dinge, die die gemeinsame Freude kaputtmachen können – wirklich bagatellhafte Sachen, die manchmal verheerende Auswirkungen haben. Darum müssen diese kleinen Füchse um jeden Preis gefangen werden, damit sie die Freude der Gemeinschaft nicht zerstören.
Das lässt sich auch auf das Gemeindeleben übertragen. Dort gibt es viele kleine Füchse, die die Freude der Gemeinschaft der Gläubigen kaputtmachen können. Wir müssen diese kleinen Füchse fangen, noch bevor die Trauben kommen, also in der Zeit der Blüte.
Wenn wir diese kleinen Füchse in unserem geistlichen Leben nicht zur richtigen Zeit fangen, wird auch die Freude in der Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus getrübt oder unmöglich gemacht.
Das ist ein ganz wichtiger Befehl: das Fangen der Füchse.
So sind wir durch das Jahr gegangen. Dann kommt die Traubenernte, und im Oktober beginnt in der zweiten Hälfte wieder die Regenzeit.
Das war also Verszeile für Verszeile ein Gang durch das israelische Jahr der Natur.
Jetzt machen wir eine Viertelstunde Pause und fahren dann weiter mit dem dritten Teil: "Du bist schön."
Beschreibung der Schönheit in Hohelied 4,1-5 und 6,4-7
Nachdem wir uns unter erstens zum Hohen Lied mit Einleitungsfragen zum Buch beschäftigt haben, haben wir unter zweitens den Jahresablauf im Hohen Lied Kapitel zwei betrachtet. Jetzt kommen wir zu einem weiteren Abschnitt im Hohen Lied, einem ausgewählten Abschnitt unter drittens: „Du bist schön“.
Die Verse 1 bis 5 in Kapitel 4, dazu gibt es noch eine Parallele in Kapitel 6, Verse 4 bis 7. Ich lese den Text zunächst:
„Siehe, du bist schön, meine Freundin, siehe, du bist schön! Deine Augen sind Felsentauben hinter deinem Schleier, dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gebirges Gilead lagern. Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme heraufkommen, welche allzumal Zwillinge gebären, und keines unter ihnen ist unfruchtbar.“
Hier haben wir ein wunderbares Beispiel biblischer orientalischer Poesie. Das ist für Europäer nicht ganz einfach zu verstehen, aber man bekommt den Zugang mit ein paar Erklärungen.
Salomo gibt hier eine ganz wunderbare Beschreibung seiner jungen Ehefrau. Dabei erwähnt er in diesen Versen sieben verschiedene Körperteile, beginnend mit „deine Augen“, „dein Haar“, „deine Zähne“ und so weiter – insgesamt sieben Körperteile.
Er vergleicht diese mit etwas anderem. Zum Beispiel die Augen, die er mit Felsentauben vergleicht. Das ist auf den ersten Blick für einen Europäer nicht ganz einsichtig, für einen Orientalen ist das anders. Auch die Araber heute haben eine viel blumigere Sprache als wir in Europa.
Dann wird das Haar mit einer Herde Ziegen verglichen – aber nicht irgendeiner Herde, sondern einer, die an den Abhängen des Gebirges Gilead lagert. Hier müssen wir schon in zwei Stufen erklären, was das bedeutet. Schon vorher heißt es: „Deine Augen sind Felsentauben“, aber es wird noch hinzugefügt: „Hinter deinem Schleier“.
Also müssen wir uns nicht nur fragen, was die Bedeutung der Augen ist, sondern auch die der Felsentaube und schließlich die des Schleiers. All das wird miteinander verknüpft.
Dann folgt der Vergleich des Haares mit einer Ziegenherde und zusätzlich dem Gebirge Gilead. Danach kommen die Zähne dran, die mit einer Herde geschorener Schafe verglichen werden – aber nicht irgendwelchen geschorenen Schafen, sondern solchen, die aus der Schwemme heraufkommen.
Und es sind keine gewöhnlichen Schafe, sondern solche, die allesamt Zwillinge gebären, und keines von ihnen ist unfruchtbar. So müssen wir Schritt für Schritt die Einzelheiten miteinander erarbeiten.
Symbolik der Augen als Felsentauben
Deine Augen sind Felsentauben – die Symbolik ist hier ganz einfach. Ich habe bereits erklärt, dass es typisch für Tauben ist, ein Leben lang als Pärchen einander treu zu sein. Wenn Salomo sagt, deine Augen sind wie Tauben, vergleicht er natürlich zuerst die Farben der Iris, also des farbigen Teils der Augen, mit den schönen Farben, die man im Gefieder der Tauben findet. Man muss wirklich genau hinschauen und die verschiedenen Arten von Farben und Schattierungen bewundern.
Diesen Vergleich machte er ganz natürlich mit den Augen. Aber es geht nicht nur um den farblichen Vergleich, sondern auch darum, dass Tauben treue Tiere sind. So will Salomo sagen: Dein Blick ist nur auf mich gerichtet, du willst nur mich allein und keinen anderen. Wenn wir das auf die Gemeinde übertragen, dann ist auch dort die Treue zum Herrn bei jedem einzelnen Gläubigen gefragt. Der Herr allein hat den ersten Platz.
Im Sendschreiben an Ephesus in Offenbarung 2 macht der Herr der Gemeinde den Vorwurf, dass sie die erste Liebe verlassen hat. Die erste Liebe ist diese brennende Liebe, die dem Herrn den ersten Platz im Herzen gibt, ohne Ablenkung durch andere Dinge. Das ist auch gemeint, wenn der Herr in Matthäus 10 zu den Jüngern sagt, sie sollen einfältig sein wie Tauben. Einfältig heißt hier nicht töricht, sondern treu, nur auf eines ausgerichtet, auf das eine hingefaltet – das ist diese Treue.
Der Herr schätzt es sehr, wenn die Gläubigen nur ihm allein den Platz im Herzen geben, und zwar an erster Stelle. So heißt es im Kolosserbrief, dass Christus in allem den Vorrang haben soll.
Ab jetzt wird noch gesagt: Deine Augen sind Felsentauben hinter deinem Schleier. Die Symbolik des Schleiers ist biblisch leicht zu ermitteln, wenn man 1. Mose 24, die spezielle Liebesgeschichte von Isaak und Rebekka, in Erinnerung ruft. Rebekka hat sich entschieden, zu Isaak zu gehen. Sie hat Ja gesagt zur Reise zu ihm. Als sie sich dem Ort näherte, wo Isaak wohnen sollte, sah sie von weitem einen Mann auf dem Feld.
Ich lese 1. Mose 24, Vers 63: „Und Isaak ging aus, um auf dem Felde zu sinnen, beim Anbruch des Abends. Und er hob seine Augen auf und sah, und siehe, Kamele kamen.“ Rebekka hob ihre Augen auf – man beachte wieder den Begriff der Augen – und sah Isaak. Sie warf sich vom Kamel herab – sie war schon ein bisschen sportlich – und sprach zu dem Knecht: „Wer ist der Mann, der uns da auf dem Feld entgegenwandelt?“ Der Knecht antwortete: „Das ist mein Herr.“ Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich. Der Knecht erzählte Isaak davon.
Am Schluss lesen wir noch in Vers 67: „Und er nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau, und er hatte sie lieb.“ Wir sehen hier, dass Rebekka nicht dauernd einen Schleier trug. Sondern in dem Moment, in dem sie Isaak gesehen hatte, zog sie den Schleier an. Das war eine symbolische Handlung. Damit wollte sie zeigen: Ich entziehe mich den Blicken aller anderen Männer, weil ich für diesen einen Mann bestimmt bin. So drückte der Schleier Treue und Hingabe aus.
Darum wird auch in 1. Korinther 11 dieser Vergleich gemacht, dass das lange Haar der Frau ihr gegeben sei anstatt eines Schleiers. Das lange Haar hat die gleiche Bedeutung wie der Schleier, nämlich Treue und Hingabe.
Jetzt versteht man besser: „Deine Augen sind Felsentauben hinter deinem Schleier.“ Das betont nochmals die Treue und Hingabe von Sulamit an Salomo.
Das führt uns zum nächsten Vers: „Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gebirges Gilead lagern.“ Hier werden die Haare mit den Haaren einer Ziegenherde verglichen, die als große Herde an den Abhängen des Gilead lagern. Die Ziegen bewegen sich ständig beim Grasen, und so entsteht von weitem der Eindruck offener, langer Haare, die wallen. Das ist das Bild.
Im Nahen Osten gibt es viele Ziegen, die schwarzhaarig sind. So sind es diese schwarzen, gelockten Haare, die herabwallen wie die Abhänge des Gilead. Das drückt nochmals die Treue aus. Es ist die Symbolik des langen Haares, aber es wird gesagt: „Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an einem Abhang des Gebirges Gilead lagern.“
Die Ziegen sind in der Bibel auch ein Hinweis auf Jesus Christus, speziell als Sündopfer. Im Alten Testament gab es verschiedene Opfer: Brandopfer, Friedensopfer, Sünd- und Schuldopfer. Die Ziege war das typische Opfer für das Sündopfer. So drückt das aus, dass der Herr Jesus sich als Sündopfer für unsere Verdorbenheit am Kreuz hingeben musste, damit wir ihm ganz treu werden können.
Das hat eine tiefe Bedeutung: „Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die an den Abhängen des Gebirges Gilead lagern.“ Beim Auslegen des Textes muss man zuerst die wörtlichen, natürlichen Beziehungen erklären und dann die geistliche Übertragung. Dann hat man den vollen Gewinn.
Nun weiter: „Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe.“ Ein durchschnittlicher Europäer ist geschockt und sieht keinen Zusammenhang. Der Zusammenhang entsteht durch die Farbe. Gesunde Zähne sind weiß, und die weißen Haare der Schafwolle erinnern an solche weißen Zähne.
Es wird nicht nur gesagt, dass sie wie eine Herde Schafe sind, sondern geschorener Schafe. Man sieht ein Schaf, das geschoren wird. Dabei wird alles weggetan, und nur der saubere Überrest, das reine Weiß darunter, bleibt. Alle Verunreinigungen in der Wolle werden abgeschnitten.
Das sind gepflegte Zähne, von denen alle Plaque entfernt sind. Alle unnötigen Bakterien und Essensreste müssen ständig gereinigt werden. Dann sind die Zähne so, wie Salomo sagt, eine Schafherde, die aus der Schwemme hervorkommt – also weiße Zähne.
Man sieht hier in dem Bild auch die natürliche Feuchtigkeit des Speichels auf den Zähnen. Die Zähne sind nicht trocken, sondern erinnern an geschorene Schafe, die aus der Schwemme heraufkommen. Man sieht den Speichel zwischen den Zahnzwischenräumen.
Das ist ein Detail, das vollkommen passt. Das ist ein Gebiss, das nicht dem entspricht, was Salomo sagt. Salomo sagt, „die allemal Zwillinge gebären, und keines unter ihnen ist unfruchtbar.“ Das heißt, es gibt keine einzige Zahnlücke.
Wir sehen hier Zähne, die über Jahre nicht gepflegt wurden. Einige sind ausgefallen. Sie entsprechen nicht den geschorenen Schafen. Viele Dinge auf dem Zahnschmelz gehören nicht dahin, sie sollten durch tägliche Reinigung entfernt werden. Sonst hat man Probleme bei der Ernährung.
Ein Zahnarzt, jüdischer Herkunft, der mich jahrelang betreute, erklärte mir, dass die Zähne für zwei Dinge da sind: zum Lächeln und zum Essen. Kaugummi kauen sei nicht gut für die Gelenke des Kiefers. Das Lächeln ist ein wichtiger Aspekt, ebenso das Essen.
Wenn die Zähne so geschädigt sind wie hier, hat man Probleme bei der Ernährung. So ist es auch im geistlichen Leben: Wir müssen ständig im Selbstgericht leben. Das Zähneputzen hat einen direkten Bezug dazu, dass wir unser Leben ständig in Ordnung bringen.
1. Korinther 11 sagt im Zusammenhang mit dem Abendmahl, dass wir uns selbst prüfen sollen – immer wieder. Wir sollen schauen, ob bei uns etwas nicht in Ordnung ist, das wir vor dem Herrn oder vielleicht auch vor Menschen ordnen sollten.
In 1. Johannes 1, Vers 9 lesen wir: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ Das gehört zum normalen Christenleben: Sünde, die ins Leben kommt, niemals stehen lassen, sondern sofort ordnen – so wie ein Gebiss regelmäßig gereinigt werden muss.
Sonst haben wir Probleme bei der geistlichen Ernährung. Viele Gläubige haben Mühe, sich mit geistlicher Kost aus dem Wort Gottes gesund zu ernähren. Das sind Gläubige mit einem „kaputten Gebiss“. Darum lasse ich dieses schockierende Bild länger stehen.
Meine Tochter, die beruflich jahrelang mit solchen Bildern konfrontiert war, hat mir erzählt, dass sie in Thailand über tausend Schülern beigebracht hat, wie man die Zähne reinigt. Dort sah sie bei kleinen Kindern schon ganz kaputte Gebisse. Das ist eine Lektion: Wenn man diese tägliche Reinigung nicht durchführt, auch geistlich, wird man unfähig, sich gesund und gut zu ernähren, auch geistlich.
Paulus macht den Hebräern den Vorwurf, dass sie von der Zeit her eigentlich so weit sein sollten, dass sie andere belehren können, aber sie brauchen noch Milch wie Säuglinge, deren Zähne erst im Kommen sind und die noch keine feste Nahrung aufnehmen können.
Dasselbe Problem behandelt Paulus für die Gemeinde in Korinth, die fleischlich war und noch nicht fähig, geistliche Kost aufzunehmen.
Das ist das Gebiss als Vorbild aus Hohelied 4.
Jetzt weiter mit Vers 3: Die Lippen werden beschrieben: „Deine Lippen sind wie eine Karmesin-Schnur, und dein Mund ist zierlich.“ Dann geht es weiter: „Wie ein Schnittstück einer Granate ist eine Schläfe hinter deinem Schleier.“ „Dein Hals ist wie der Turm Davids, der in Terrassen gebaut ist, tausend Schilde hängen daran, alle Schilde der Helden.“ „Denn die beiden Brüste sind wie ein Zwillingspaar junger Gazellen, die unter den Lilien weiden.“
Wir gehen Schritt für Schritt durch.
Die Lippen werden mit einer Karmesin-Schnur verglichen. Wie wird Karmesin, dieses schöne leuchtende Rot, hergestellt? Sehr überraschend aus der Kermessschildlaus. Hier sieht man die Weibchen der Kermessschildlaus, die weiß und grau aussehen, nicht gerade karmesinrot.
Wenn man diese Schildläuse trocknet und zermalmt, erhält man den Farbstoff für Karmesin. Diese Farbe war im Altertum sehr teuer. Nur reiche Leute, Fürsten und Könige konnten Karmesinkleider tragen. Im Alten Testament gibt es viele Stellen, die das belegen.
Typisch für diese Farbe ist ein Rot, das stark an die Farbe des Blutes erinnert. Salomo vergleicht natürlich die natürliche Röte der Lippen mit einer Karmesin-Schnur.
Nun fragen wir uns, was die Karmesin-Schnur geistlich bedeutet. Auf Hebräisch heißt Karmesin Tola'at Shani, das heißt „Karmesinwurm“. Schon in der Stiftshütte musste dieser Farbstoff verwendet werden, für die eine Farbe auf den Eingangsteppichen und dem Scheidevorhang. Neben Purpurrot, Weiß und Blau war eine Farbe Karmesin, hergestellt aus dem Karmesinwurm.
Diese Schildlaus wird im Hebräischen mit „Tolaat“ bezeichnet, was auch „Wurm“ bedeuten kann.
Schauen wir in Psalm 22, den Kreuzespsalm, in dem der Herr seine Not zu Gott bringt. Dort heißt es in Vers 5: „Auf dich vertrauten unsere Väter, sie vertrauten, und du errettetest sie. Zu dir schrien sie und wurden errettet. Sie vertrauten auf dich und wurden nicht beschämt. Ich aber bin ein Tola, ein Wurm und kein Mann, der Menschen Hohn und der vom Volke verachtete.“
Alle, die ihn sehen, spotten seiner, reißen die Lippen auf, schütteln den Kopf. Der Herr vergleicht sich mit diesem Tier. Am Kreuz war er scheinbar hilflos, wie die Kermessschildlaus, die keine Zähne hat, um sich zu wehren, die nicht springen kann.
Der Herr war so hilflos am Kreuz, wurde in Schwachheit gekreuzigt, wie 2. Korinther 12 sagt, und vergleicht sich damit: „Ich bin ein Wurm und kein Mann.“ Er war beladen mit unserer Schuld. Am Kreuz floss sein Blut zu unserer Erlösung.
So ist dieses wunderbare Rot ein Bild der Erlösung durch die tiefste Erniedrigung des Herrn.
Wenn Salomo sagt: „Deine Lippen sind wie eine Karmesinschnur, und dein Mund ist zierlich“, bedeutet das im übertragenen Sinn, dass die Braut-Christen, die Gläubigen, von der Erlösung sprechen. Sie schämen sich nicht, sondern bekennen den Herrn und das, was er am Kreuz getan hat. Ihr Mund erinnert an die Verkündigung der Erlösung, die Verbreitung des Evangeliums.
Jedes Mal, wenn wir uns morgens im Spiegel betrachten, ist das ein wichtiger Moment. Manche wollen die Welt verändern, besonders junge Leute. Aber man sollte immer bei der Person anfangen, die man am meisten im Spiegel sieht.
Die Farbe der Lippen soll uns daran erinnern, dass diese Lippen dazu da sind, das Evangelium, das Heil in Christus, zu verkünden.
Man denke an Rahab, die bei der Zerstörung von Jericho gerettet wurde. Was tat sie aus dem Fenster hinaus als Zeichen ihrer Rettung? Eine Karmesin-Schnur. Das war das Zeichen der Rettung vor dem Gericht.
Weiter: „Wie ein Schnittstück einer Granate ist eine Schläfe hinter deinem Schleier.“ Hier wird die Schläfe mit einem Granatapfel verglichen.
Der Granatapfelbaum ist ein typischer Baum in Israel und gehört zu den sieben Früchten des Landes, die in 5. Mose aufgelistet sind. Viele Granatäpfel haben genau sechs Fruchtblätter, die, wenn sie sich öffnen, einen perfekten Davidstern ergeben.
Diese Granatäpfel waren auch am Eingang des Salomon-Tempels angebracht. Der Hohepriester hatte künstlich nachgemachte Granatäpfel am Saum seiner Kleidung, abwechselnd mit Glocken.
Wovon spricht diese wunderbare, gesunde Frucht? Von Fruchtbarkeit, wie kaum eine andere Frucht. Jede Frucht spricht von Fruchtbarkeit, aber der Granatapfel besonders.
Wenn man die Granate aufschneidet, sieht man die einzelnen Samen, die von Fruchtfleisch umgeben sind. Man kann bis zu 400 solcher Samen finden. Diese unerhörte Fruchtbarkeit fällt sofort ins Auge.
Die Bestandteile dieser Frucht umfassen viele Vitamine, wie B1, B2, und Mineralstoffe.
So spricht der Granatapfel von Frucht, und die Schläfen stehen für das Denken im Gehirn.
Ich möchte Psalm 104, Vers 34 lesen: „Der Psalmist betet: Möge ihm angenehm sein mein Sinnen, mein Denken. Ich werde mich in dem Herrn erfreuen.“
Es geht um die Gedankenwelt, die Frucht für Gott sein soll. In der Welt sagt man: Die Gedanken sind frei. In der Bibel ist das nicht so.
In 1. Korinther 4 sagt Paulus, wenn wir vor dem Richterstuhl Christi erscheinen, werden sogar die Ratschläge des Herzens ans Licht kommen. Das heißt, die Gedankenwelt, das Innerste des Menschen, wird offenbar werden. Überraschenderweise wird dann jedem von uns sein Lob von Gott zuteil.
Für Gott ist sogar wichtig, was wir denken, nicht nur, was wir getan haben. Zuerst sind die Gedanken und Pläne da, dann eventuell die Ausführung. Es gibt auch Dinge, die wir nicht ausführen können.
Gott wird unsere Pläne, die Ratschläge des Herzens, belohnen und ans Licht bringen.
Psalm 104 sagt: „Möge ihm angenehm sein mein Sinnen, mein Denken.“
Hier heißt es: „Wie ein Schnittstück einer Granate sind deine Schläfen hinter dem Schleier.“ Das bedeutet, dass auch die Gedanken von Sulamit auf Salomo ausgerichtet sind. Sie denkt wahrscheinlich ständig an ihn, nicht an einen anderen. Es ist ein Denken der Treue.
So sollte auch unser Innenleben im Blick auf den Herrn Jesus Christus sein.
Dann kommt Vers 4: „Dein Hals ist wie der Turm Davids, der in Terrassen gebaut ist, tausend Schilde hängen daran, alle Schilde der Helden.“
Hier wird kein Vergleich mit Tieren oder Pflanzen gemacht, aber das ist auch bedeutsam.
Der Hals wird mit einem Turm, einer Festung, verglichen. Es geht um Verteidigung.
Die Gläubigen werden in Judas Brief, Vers 3, aufgerufen, für den heiligen Glauben zu kämpfen.
Die Frage ist: Sind wir als Gläubige bereit, für den Glauben einzustehen, wenn er in Frage gestellt wird?
Wir sehen heute oft, wie der Zeitgeist Dinge, die wir früher festhielten, infrage stellt. Viele Gläubige geben Dinge auf und sind nicht mehr bereit, für die Wahrheit zu kämpfen.
Dabei geht es nicht ums Streiten – das sollen Knechte des Herrn nicht tun – sondern darum, für die Wahrheit einzustehen und sie nicht aufzugeben.
Das wird hier mit dem Hals, der kämpferisch dargestellt wird, gezeigt.
Der Ausdruck „einen harten Nacken haben“ kommt daher, dass der Hals starke Muskeln hat und unbeweglich wird, wenn es um eine bestimmte Idee geht.
Hartnäckigkeit kann negativ sein, wie in Israel im Blick auf ihren Ungehorsam gegenüber Gott. Aber es gibt auch eine gesunde Hartnäckigkeit, um für die Wahrheit einzustehen.
Dann kommt Vers 5: „Deine beiden Brüste sind wie ein Zwillingspaar junger Gazellen, die unter den Lilien weiden.“
Hier werden die Brüste mit jungen Gazellen verglichen, die am Boden liegen.
Im übertragenen Sinn spricht das von der Fähigkeit, die nächste Generation zu ernähren und mit Nahrung zu versorgen.
Das Wort Gottes wird in 1. Petrus 2 mit Muttermilch verglichen. Dort heißt es, die Gläubigen sollen wie neugeborene Kinder begierig sein nach der vernünftigen Milch des Wortes Gottes.
Der Vergleich mit den Gazellen betont die Schönheit von Sulamit. Gazelle heißt auf Hebräisch „Zwi“ und bedeutet eigentlich „Lieblichkeit“.
In der Übertragung geht es um die Fähigkeit, eine nächste Generation geistlich weiterzuführen. Das ist eine wichtige Aufgabe für Gläubige: Nicht nur sich selbst geistlich gesund zu ernähren – man erinnert sich an die Zähne –, sondern auch eine nächste Generation von klein auf entsprechend ihrer Aufnahmefähigkeit zu ernähren.
Dann heißt es, diese Gazellen weiden unter den Lilien.
Die Lilie, die hier gemeint ist, ist im Hohen Lied die Lilium candidum, die weiße Lilie. Sie gehört zu den schönsten wild wachsenden Blumen in Israel und kann bis zu 1,5 Meter hoch werden.
Das Waschbecken, das Ehrbecken vor dem Salomon-Tempel, wird mit einer so aufbrechenden weißen Lilie verglichen.
Diese Lilie wird im Hohen Lied oft benutzt, um Schönheit zu verdeutlichen.
Ich lese aus Hohelied 2, Vers 1: Sulamith sagt: „Ich bin eine Narzisse Sarons, eine Lilie der Täler.“
Das ist die Lilium candidum.
Sie vergleicht sich mit dieser schönen Blume.
Dann sagt Sulamith als Antwort: „Wie eine Lilie inmitten der Dornen, so ist meine Freundin inmitten der Töchter.“
Diese besonders schöne Blume wird als Bild für die Schönheit von Sulamit benutzt.
Salomo sagt nicht nur eine schöne Blume, sondern eine Blume inmitten von Dornen. So sieht man den Kontrast noch mehr.
Wenn wir das auf die Gemeinde und unser geistliches Leben übertragen, sieht der Herr uns als eine Lilie inmitten der Dornen in dieser Welt.
Oder passen wir uns der Welt an und sind so wie die übrigen Dornen, so wie wir ursprünglich waren?
In Römer 12, Vers 2 heißt es, dass wir in unserem Denken umgewandelt werden sollen und nicht gleichförmig sind im Zeitlauf dieser Welt.
Wenn das bei uns der Fall ist, gilt das Bild der Lilium candidum inmitten der Dornen.
Oder lassen wir uns vom Zeitgeist anstecken und sind wie die übrigen Dornen?
Wenn wir schon bei der Lilie sind, möchte ich noch die Narzisse erklären.
Sulamith sagt im ersten Vers: „Ich bin eine Narzisse Sarons.“
Das ist diese Narzisse mit den großen weißen Blütenblättern und in der Mitte gelben Blütenblättern.
Diese Blume ist typisch für die Sharon-Ebene entlang des Mittelmeers.
Diese beiden Blumen, Lilie und Narzisse, sind ein Bild der Schönheit Sulamits und damit ein Bild der Schönheit der Gemeinde in dieser Welt.
Die Frage bleibt: Tragen wir diese Schönheit zur Schau oder passen wir uns der Welt an?
Sind wir eine Narzisse Sarons?
Das habe ich im Zusammenhang mit der Lilie erwähnt, unter denen die Gazellen weiden (Vers 5).
Der verschlossene Garten als Symbol ehelicher Treue
Und jetzt kommen wir zum Thema Nummer vier: der verschlossene Garten, Hohelied 4,12-16. Salomo beschreibt hier Sulamit als einen Garten, aber es ist ein verschlossener Garten. Das heißt, andere haben keinen Zutritt. Hier sehen wir wieder die Schönheit der ehelichen Treue.
So kann er in Vers 12 sagen: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester, meine Braut, ein verschlossener Born, eine versiegelte Quelle.“ Was dir entsprießt, ist ein Lustgarten von Granaten, nebst edlen Früchten, Zyperblumen nebst Narden, Narde und Safran, Würzrohr – gemeint ist hier das Zitronengras – und Zimt. „Nebst allerlei Weihrauchsträuchern, Myrrhe und Aloe, nebst allen vortrefflichsten Gewürzen, eine Gartenquelle, ein Brunnen lebendigen Wassers und Bäche, die vom Libanon fließen.“
„Wache auf, Nordwind, und komm, Südwind, durchwehe meinen Garten, lass träufeln seine Wohlgerüche; mein Geliebter komme in seinen Garten und esse die ihm köstliche Frucht.“ All das, was dieser herrliche Garten bieten kann, ist nur für einen Mann gedacht. Alles, was sie als Person bieten kann, wird mit wunderbaren Pflanzen verglichen.
Es gibt noch einen zweiten Vergleich: Sie ist auch ein verschlossener Born, eine versiegelte Quelle, also eine Quelle, die nur für einen reserviert ist.
Wir haben letztes Mal im Buch Sprüche diese Stelle studiert, in Kapitel 5, wo Salomo seinem Sohn in Ermahnung erklärt, dass er seiner eigenen Frau ganz treu sein soll. Dort steht in Sprüche 5,15: „Trinke Wasser aus deiner Zisterne und fließendes aus deinem Brunnen.“
Jetzt kommt eine Frage, die man als solche übersetzen muss: Vers 16 „Sollen nach außen sich ergießen deine Quellen, deine Wasserbäche, auf die Straßen? Dir allein sollen sie gehören und nicht Fremden. Mit dir sei deine Quelle gesegnet, und erfreue dich an der Frau deiner Jugend, der lieblichen Hirschkuh und anmutigen Gämse. Ihre Brüste mögen dich berauschen zu aller Zeit, taumle stets in ihrer Liebe. Und warum solltest du, mein Sohn, an einer Fremden taumeln und den Busen einer Fremden umarmen?“
Hier wird die treue Ehefrau ebenfalls mit einer Zisterne verglichen, und es wird betont, dass dieses Wasser nicht auf die Straße hinausfließen soll, also nicht für die Menschen dieser Welt bestimmt ist.
Wenn eine Frau sich jedoch nicht züchtig kleidet, ist das gewissermaßen so, als ob sie ihre sexuellen Reize, die Gott in sie hineingelegt hat und die durch all diese Früchte und Pflanzen im verschlossenen Garten dargestellt werden, der Umwelt preisgibt. Jeder kann sich quasi mit einem Blick davon bedienen.
Da wird gefragt: „Soll das so sein?“ Natürlich nicht! Denn Vers 17 sagt: „Dir allein sollen sie gehören und nicht Fremden mit dir.“ Das ist die Parallelstelle zu Hohelied 4,12: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester, meine Braut, ein verschlossener Born, eine versiegelte Quelle.“
Nun gehen wir eins nach dem anderen durch: „Was dir entsprießt, ist ein Lustgarten von Granaten nebst edlen Früchten.“ Die Granate haben wir schon behandelt – diese besonders erfrischende Frucht. Wenn man Granaten isst, gerade in der heißen Zeit in Israel, ist diese Frucht besonders erfrischend. Das wird hier in diesem Vergleich ausgedrückt: ein Lustgarten von Granaten nebst edlen Früchten.
Dann kommt die Zyperblume. Die Zyperblume ist ein anderer Ausdruck für den Henna-Strauch. Hier sieht man die Blumen unten am Henna-Strauch und oben schon die Früchte. Ich habe ihn schon fotografiert in En Gedi, dort im Kibbutz, wo es einen wunderbaren tropischen Garten gibt. Dort findet man auch den Henna-Strauch, gerade in der Nähe vom Esssaal des Kibbutz.
Dieser Henna-Strauch hat eine ganz besondere Bedeutung. Auf Hebräisch heißt er Kofr, aber Kofr bedeutet an anderer Stelle Versöhnung, Sühnung. In Hiob 33, wo Elihu über den Erlöser spricht, diesen einen aus Tausend, der sagen wird: „Ich habe eine Erlösung geschaffen“ – das Wort Erlösung ist Kofr, das gleiche wie Henna-Strauch.
Das kommt daher, dass man aus den Blättern, wenn man sie abstreift und zermalmt, einen Farbstoff herstellen kann, den Henna-Farbstoff. Wird er angewendet, entsteht eine rötliche Farbe. So kann man etwas färben oder überdecken. Kofr kommt von Kafar, was „zudecken“ bedeutet.
Sühnung bedeutet in der Bibel, dass jemand zudeckt. Der Zorn Gottes trifft nicht den, der getroffen werden soll, sondern den, der zudeckt. Das ist Sühnung. Der gerechte Zorn Gottes gegen die Sünde muss ausgeübt werden, aber da ist jemand, der zudeckt. So ist Jesus Christus am Kreuz dazwischen getreten, damit der Zorn Gottes uns nicht in Ewigkeit trifft, sondern ihn trifft. Wir können frei ausgehen. Das nennt die Bibel Sühnung.
Der Henna-Strauch, Kofr, heißt also gewissermaßen Versöhnungsstrauch.
Dazu noch eine schöne Stelle aus Hohelied 1: Sulamit ist am Tisch mit Salomo, und es heißt in Vers 12: „Während der König an seiner Tafel war, gab meine Narde ihren Duft. Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhe, das zwischen meinen Brüsten ruht. Eine Zypertraube ist mir mein Geliebter in den Weinbergen von En Gedi.“
Hier wird der Geliebte mit einem Henna-Strauch beziehungsweise mit der Blume des Henna-Strauchs verglichen, weil er derjenige ist, der Versöhnung gebracht hat.
Jetzt wird gesagt, dass sie ein Garten ist, der eben den Henna-Strauch enthält. Das heißt, sie beschäftigt sich mit dem, was Jesus Christus im übertragenen Sinn am Kreuz für uns getan hat. Sie spricht davon, denkt darüber nach, und das ist wie etwas, das aus ihrem Garten entspringt.
Dann gehen wir weiter: Nach der Zyperblume, dem Henna-Strauch, kommt die Narde, nebst Narden. Die Narde ist ein ganz kleines Blümchen, das man in Indien und Nepal findet, im Himalaya-Gebirge bis auf 5.500 Meter Höhe. Es gibt nicht viel davon. Man muss in die Höhen des Himalaya-Gebirges steigen, um diese Blümchen zu sammeln. Daraus kann man das Nardenöl herstellen.
Es war also nicht irgendein wohlriechendes Öl, sondern ein ganz teures. Die Narde spricht von Jesus Christus. Das wird ganz deutlich in Johannes 12, wo Maria den Herrn im Blick auf sein Begräbnis mit Narde gesalbt hatte. Judas war entsetzt, dass man so ein teures Öl vergeudet, doch Jesus sagte, es sei richtig so. Sie hat es im Blick auf sein Begräbnis getan.
Die Narde spricht von Jesus Christus, der sich so tief erniedrigt hat. Es ist ein ganz kleines Blümchen, doch es ist so erhaben, dass man es bis auf 5.000 Meter Höhe findet. Das spricht einerseits von der Erniedrigung des Herrn, aber auch von der Erhabenheit seiner Person. Auch in seiner Erniedrigung hat er seine Erhabenheit nie verloren. Sie ist so kostbar, und das wird in der Narde zum Ausdruck gebracht.
Nach der Narde kommt Safran. Das ist eine bestimmte Krokusart, Crocus sativus. Man sammelt die roten Stempelfäden, die getrocknet werden. Es braucht etwa 150 bis 200 Blüten, um ein Kilogramm zu erhalten. Dafür muss man etwa 1.000 Quadratmeter Fläche bewirtschaften.
Ein Pflücker schafft pro Tag vielleicht 60 bis 80 Gramm, was dieses Gewürz so kostbar macht. Bei uns im Handel entspricht ein Gramm etwa 23 Franken. Oft wird Safran mit Reis gemischt, um das Essen noch schöner zu präsentieren, vor allem wegen der gelben Farbe, die entsteht.
Safran war ein begehrtes, kostbares Gewürz, das auch von der Herrlichkeit Jesu Christi spricht. Diese Herrlichkeit ist so vielfältig und unfasslich, darum wird er mit vielen verschiedenen Gewürzen und Duftstoffen verglichen.
Danach kommt das Würzrohr, gemeint ist das Zitronengras. Übrigens habe ich einige Gewürze mitgebracht, die wir heute behandeln, darunter auch Myrrhe, Weihrauch, Zitronengras und Zimt.
Im Hebräischen heißt Zitronengras „Kanä“ und bedeutet einfach Rohr. Man sieht, dass es wirklich wie ein Schilfrohr aussieht. Es trägt zum Essen einen ganz besonderen Geschmack bei, der sehr erfrischend ist. Gerade in der thailändischen Küche wird es viel verwendet.
Es gibt einen speziellen erfrischenden Geschmack, der an Zitronen erinnert. Darum heißt es „Cymbopogon citratus“. Danach kommt Zimt, der aus der Rinde des Zimtbaums gewonnen wird. Dieser Baum stammt aus Indien, weshalb Zimt auch zu biblischen Zeiten sehr kostbar war, da er über weite Handelswege importiert werden musste.
Auch diese Geschmacksrichtung versinnbildlicht den Reichtum in Jesus Christus, der in der Braut, diesem verschlossenen Garten, wiederzufinden ist.
Dann folgen Weihrauchsträucher und Myrrhe. Weihrauch ist ein Harz, das beim Weihrauchbaum, zum Beispiel in Jemen, als Harz herausfließt. Rechts unten sieht man die beste Qualität von Weihrauch, die man aus Oman und der saudischen Halbinsel gewinnt.
Darüber sieht man die schönen Blumen, die der Weihrauchbaum produziert. Wenn man das Harz verbrennt, entsteht der spezielle Wohlgeruch, der auch Bestandteil des Räucherwerks im Tempel und in der Stiftshütte im Alten Testament war.
Es war eine bestimmte Mischung aus vielen Bestandteilen, wobei Weihrauch sehr dominant war. So spricht der Weihrauch von der Herrlichkeit Jesu Christi.
Myrrhe ist ein weiteres Harz, das aus dem Myrrhenbaum gewonnen wird. Typischerweise verletzt man den Baum durch Schnitte, und das Harz fließt heraus. Myrrhe hat einen sehr bitteren Geschmack und spricht von Jesus Christus, der für uns gekreuzigt, geschlagen und gemartert wurde. Sein Blut floss, und dadurch brachte er uns Erlösung.
Wenn man Myrrhe verbrennt, entsteht ein Wohlgeruch. So sagt Epheser 5, dass Jesus Christus sich als Opfer hingegeben hat, Gott zu einem lieblichen Wohlgeruch.
Hier wird die Myrrhe im Garten der Sulamit symbolisiert. In 2. Korinther 2 heißt es von den Gläubigen: „Wir sind Gott ein Wohlgeruch Christi.“ Die Herrlichkeit, die Jesus in seinem Sterben und seiner Hingabe gezeigt hat, wird uns zugerechnet. Gott rechnet das den Gläubigen, den Erlösten, zu.
Dann kommt noch Aloe. Damit ist im Hebräischen mit dem Wort „Allahot“ nicht die Aloe Vera gemeint, sondern das Aloe-Holz oder auch Adlerholzbaum. Das ist ein sehr seltener Baum, den man in Indien, aber auch in Thailand, Kambodscha und Vietnam findet.
Er war auch in Israel besonders kostbar, weil er von weit her eingeführt werden musste. Auch heute wird ein Kilogramm Harz von diesem Aloe-Holz für etwa 50 Euro gehandelt. Es ist viel kostbarer als Gold und eines der kostbarsten Harze überhaupt.
So spricht auch das wieder von dem unschätzbaren Wert der Person des Herrn Jesus. All das hat er den Gläubigen als Herrlichkeit geschenkt.
Darum steht in Epheser 1,7: „In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade.“ In der alten Elberfelder Übersetzung heißt es: „Wir sind angenehm gemacht worden in dem Geliebten.“
Ja, und jetzt kommen wir zum Schluss.
Der Ruf nach dem Geliebten als Hirsch oder Gazelle
Fünftens, ganz kurz zum letzten Vers vom Hohen Lied: Dort sagt Sulamit als Wunsch: „Eile, mein Geliebter, und sei gleich einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche auf den duftenden Bergen.“
Hier sieht man nun das Männchen. Bisher haben wir das Weibchen vom mesopotamischen Damhirsch behandelt, jetzt ist das Männchen zu sehen. Sie ruft also den Geliebten, er soll kommen – und zwar in Eile! So wird der gläubige Überrest in der Drangsal beten und rufen, dass Jesus Christus kommt, eingreift und auf dem Ölberg erscheinen wird.
Der Vers lautet: „Eile, mein Geliebter, und sei gleich einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche auf den duftenden Bergen!“ Der Vergleich mit dem Hirsch, genauer gesagt mit dem Damhirsch, ist wichtig. Man muss sich klarmachen, dass das Männchen im Galopp pro Schritt etwa 2,5 Meter weit springt. Das ist eine enorme Geschwindigkeit. Das Weibchen kann weniger weit springen, aber hier geht es ja um das Junge, also das männliche Tier.
In Bezug auf die Gemeinde sagt die Offenbarung 22: „Komm, Herr Jesus!“ Nachdem Jesus dort zum vierten Mal im Kapitel 22 am Schluss sagt: „Ich komme bald.“ Viele haben sich gefragt, wie das sein kann, dass Jesus Christus in der Offenbarung, die vor fast zweitausend Jahren geschrieben wurde, sagt: „Ich komme bald“, und er bis heute nicht gekommen ist.
Nun, die Übersetzung ist nicht ganz korrekt. Die alte Elberfelder Bibel hat dort jeweils eine Fußnote, die besagt, dass es eigentlich heißt: „Ich komme schnell.“ „Entachü“ ist ein adverbialer Ausdruck, der nicht „ich komme in kurzer Zeit“ bedeutet, sondern „ich komme ganz schnell“, „plötzlich“. Es wird ganz überraschend sein, wenn er kommt – ebenso wie ein Hirsch im Galopp, der pro Sprung 2,5 Meter weit springt. Das ist das Bild dafür: „Ich komme bald.“
Hier ist also der Wunsch am Schluss des Hohen Liedes wie auch am Schluss der Offenbarung: „Eile, mein Geliebter!“ – „Komm, Herr Jesus!“ Hier noch einmal das Bild vom Jungen der Damhirsche.
Was die Gazelle betrifft, die als zweites Bild verwendet wird, haben wir das bereits behandelt. Die Dorkas-Gazelle ist ebenfalls ein sehr schnelles Säugetier.
Damit sind wir heute am Ende. Es war eine Auswahl, aber sie soll auch eine Anregung sein, sich mit den anderen Pflanzen und Tieren im Hohen Lied auseinanderzusetzen – und überhaupt in der Bibel. Denn, wie gesagt, wir finden etwa 130 Tierarten und etwa 110 Pflanzenarten in der Bibel, und alle haben eine Bedeutung für uns.