Einführung und Kontext des Tempelgeschehens
Wir befinden uns weiterhin im Johannes 5. Aus Gründen des Zusammenhangs lesen wir nochmals ab Vers 1, doch wir gehen deutlich weiter voran als beim letzten Mal. Lesen wir Johannes 5,1. Ja, danke.
Es handelt sich um eine lange zusammenhängende Rede. Wo wurde sie gehalten? In den Gebäuden des Tempels. Das ist im Johannes-Evangelium sehr auffällig. Wir werden in den weiteren Kapiteln sehen, dass große Abschnitte und Reden im Tempel stattfinden – Reden, die wir in den anderen Evangelien nicht finden.
Ich habe bereits zu Beginn, als wir das Johannesevangelium zu betrachten begannen, erklärt, dass die synoptischen Evangelien Matthäus, Markus und Lukas mehr den Blick auf Galiläa im Norden richten. Johannes hingegen konzentriert sich mehr auf den Süden, auf Judäa und insbesondere auf Jerusalem. In Jerusalem liegt der Fokus besonders auf dem Tempel.
Ein großer Teil des Johannes-Evangeliums spielt im Tempel. Damit hängt auch Bethesda zusammen. Die Bethesda-Teiche, wie wir gesehen haben, lagen nahe beim Schaftor. Welches Tor war das Schaftor? Genau, das Nordtor, durch das die Opfertiere in den Tempel gebracht wurden.
Dieses Tor wird noch einmal wichtig, und zwar in Johannes 10. Dort sagt der Herr Jesus: „Ich bin die Tür der Schafe; wer durch mich eingeht, wird gerettet werden.“ Es ist kein Zufall, dass Bethesda in Verbindung mit dem Schaftor erwähnt wird.
Symbolik und Bedeutung des Gelähmten in Bethesda
Und da war dieser Gehbehinderte, der 38 Jahre lang gelähmt war. Beim letzten Mal haben wir eine Verbindung hergestellt, und diese 38 Jahre beziehen sich auf die Wüstenwanderung Israels.
Ja, aber ich dachte, die Wüstenwanderung habe 40 Jahre gedauert.
Die 38 Jahre sind zusätzlich zu den zwei Jahren, die Israel im Land hätte verbringen sollen, aber wegen Ungehorsams nicht einging.
Genau. Die 38 Jahre kamen also deshalb dazu, weil Israel nicht den Glauben hatte, um nach den zwei Jahren ins Land einzuziehen. Die Sünde in Kadesch-Barnea führte dazu, dass Israel gewissermaßen 38 Jahre lang in der Wüste im Kreis wanderte.
Das war eine Zeit, in der Israel unter dem Gesetz lernte, dass der Mensch nicht fähig ist, nach dem Gesetz zu leben.
Sind sie in dieser Zeit eigentlich wirklich gewandert, oder waren sie mehr oder weniger sesshaft und lebten als Nomaden mit ihrem Vieh? Oder haben sie tatsächlich noch größere Wegstrecken zurückgelegt?
Ja, es gibt eine Zusammenfassung aller Wege in 4. Mose. Sie haben sich schon weiterbewegt, auch wenn darüber nicht mehr ausführlich berichtet wird. Das wird in 4. Mose 33 beschrieben, wo die Stationen während der vierzig Jahre aufgelistet sind. Man kann sich das mal anschauen.
Also, sie haben sich schon noch bewegt.
Genau. Sie mussten wieder zurückgehen und sind so gewandert, wie die Wolkensäule weiterzog, aber sie durften einfach nicht ins Ziel gelangen.
Gut, also der Mensch und das Gesetz haben keine Fähigkeit, gottgemäß zu leben. Und da kommt der Erlöser in das Leben des Menschen und gibt ihm die Kraft, damit umzugehen.
Das ist das große Zeichen hier, das deutlich macht: Der Mensch kann nur durch die Gnade auf den Weg Gottes gebracht werden.
Und Bethesda heißt ausgerechnet – ja, oder besser – Haus der Gnade. Chesed ist hebräisch beziehungsweise aramäisch für Gnade oder Güte, aber auch für Bundestreue.
Also, im Haus der Gnade hat dieser Mensch gewissermaßen die Gnade erlebt, die es möglich macht, gottgemäß zu leben.
Konflikt um die Heilung am Sabbat und die Bedeutung des Sabbats
Zwischen Gnade und pharisäischer Gesetzlichkeit. Der Herr hat die Heilung also genau am Sabbat vollbracht und diesem Mann den Auftrag gegeben, sein Bett am Sabbat zu tragen. Das musste zwangsläufig zu einer Konfrontation mit leitenden Juden führen. Diese wurden dadurch umso wütender, da sie darin einen Bruch des Sabbats sahen.
Doch der Herr Jesus erklärte in Vers 17: „Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke.“ Ja, tatsächlich! In Jesaja 43 lesen wir über dieses Wirken Gottes. Jesaja 43,24 haben wir auch beim letzten Mal in der zweiten Hälfte gelesen. Wer möchte das vorlesen? Jesaja 43,24: „Aber du hast mir mehr zu schaffen gemacht mit deinen Sünden, du hast mich ermüdet mit deinen Missetaten.“
Gott hat am Ende der Schöpfung den Sabbat eingeführt; das war die Ruhe Gottes. Seit dem Sündenfall ist diese Ruhe jedoch gestört. Gott sagt dem Menschen, dass er ihm durch seine Sünden zu schaffen gemacht hat. Jesus sagt also: Der Vater wirkt, ich wirke. Durch die Sünde ist dem Menschen die wahre Ruhe Gottes genommen. Gott ist am Wirken, und wenn die Menschen den Sabbat halten, ohne zu erkennen, dass sie von Gott getrennt sind, dann ist der Sabbat für sie nur noch eine äußere Form.
Darum hat der Herr gerade diesen Konflikt provoziert, um deutlich zu machen, dass der Sabbat für sie nur noch eine äußere Form war. Sie kannten die Ruhe Gottes gar nicht, die durch Vergebung kommt. Im nächsten Vers, Jesaja 43,25, heißt es: „Ich bin es, der deine Verbrechen auslöscht und meine Trösten, und deiner Sünden will ich nicht gedenken.“
Gott gibt also die Möglichkeit der Vergebung, und so kann der Mensch in die Ruhe Gottes eintreten. Schlagen wir noch kurz Matthäus 11 auf, die bekannten Worte in den Versen 28-30. Wer liest vor? „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Der Herr verspricht also, Ruhe zu geben, und sagt, dass man Ruhe für die Seele finden wird. Später, in Matthäus Kapitel 12, Vers 1, heißt es: „Zu jener Zeit ging Jesus am Sabbat durch die Saaten.“ Dort kam es zu einem Konflikt mit den Pharisäern wegen des Verhaltens am Sabbat. Jesus verweist auf David, der unter besonderen Umständen Schaubrote essen durfte. In Vers 8 erklärt er: „Denn der Sohn des Menschen ist Herr des Sabbats.“
Wer bestimmt also, wie der Sabbat eingehalten werden muss? Es ist der Herr des Sabbats, der Sohn Gottes. Im nächsten Vers, Matthäus 12, Vers 9, heißt es: „Und von da an ging er in ihre Synagoge.“ Das war wieder am Sabbat, und dort heilte er jemanden in der Synagoge.
Dieser gesamte Zusammenhang ist sehr interessant: Der Herr ist derjenige, der Menschen zur Ruhe bringt. Er ist der Herr des Sabbats und bestimmt, was am Sabbat erlaubt ist und was nicht. Er stand nicht im Gegensatz zum Gesetz, sondern im Gegensatz zur verengten Auffassung der Pharisäer, die dem Wort Gottes nicht gerecht wurde.
Der Herr hat diesen Konflikt also bewusst provoziert, um deutlich zu machen, dass sie sich nicht bewusst sind, was sie mit dem Sabbat eigentlich tun. Denn Gott ruht im Moment nicht; der Vater wirkt und der Sohn wirkt – und das wegen der Sünde.
Die göttliche Sohnschaft Jesu und die Reaktion der Juden
Aber dann gab es noch einen zweiten Konflikt, nicht nur wegen des Sabbats, sondern auch, weil er sich selbst Gott gleich machte. Wie hat er das getan? Indem er Gott seinen eigenen Vater nannte.
Ja, er nannte Gott seinen eigenen Vater (Vers 18). Im Judentum wird Gott zwar auch Avinu genannt, was „unser Vater“ bedeutet, im Sinne von Schöpfer und Urheber des Volkes Israel. Aber was hier gemeint ist mit „seinem eigenen Vater“, ist etwas anderes. Der Herr hat Gott immer wieder so genannt, aber „Papa“ war ein Ausdruck, den man im Judentum nicht für Gott verwenden durfte.
Im Talmud steht, man soll Gott immer kollektiv ansprechen, also „Avinu“ – „Unser Vater“. „Aba“ hingegen ist eine sehr persönliche und direkte Anrede, wie ein Kind seinen Vater zärtlich und intim anspricht. Es wurde auch gelehrt, dass man Gott nicht „Avi“ – „mein Vater“ in der Einzahl nennen soll, sondern sich immer mit dem Volk Gottes verbinden muss. Doch der Herr Jesus hat Gott „Avi“ genannt. Und genau das meinen sie, wenn sie sagen, er habe seinen eigenen Vater genannt.
Das steht in einer Linie mit der Tatsache, dass Jesus Gottes eingeborener Sohn war. „Eingeboren“ drückt nicht einfach Geborensein aus, sondern das griechische Wort „monogenes“ bedeutet im Johannesevangelium „der Einzige seiner Art“. Jesus ist von Ewigkeit her der ewige Sohn Gottes, der Einzige, der diese Stellung innehat.
Engel werden zwar auch als Söhne Gottes bezeichnet (Hiob 1,6; 2,1), aber das hat nichts mit der Sohnschaft des Herrn Jesus zu tun. Übrigens können wir in Johannes 1,18 nachlesen, wo der Begriff „eingeborener Sohn“ zum ersten Mal vorkommt: „Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.“
Der Ausdruck „in des Vaters Schoß“ ist interessant. Im Griechischen heißt es „hoon“, wörtlich „der Seiende im Schoß des Vaters“. Im Alten Testament offenbart sich Gott Mose in 2. Mose 3 mit dem Namen „Ich bin“. Im Griechischen wurde das mit „hoon“ übersetzt, „der Seiende“. Wenn Johannes hier schreibt, Jesus sei der eingeborene Sohn, „hoon“, also der „Seiende im Schoß des Vaters“, dann heißt das nichts anderes, als dass Jesus Yahweh ist, im Schoß des Vaters.
Damit wird ganz klar der ewige Sohn vorgestellt, und nur er hat diese besondere Beziehung zum Vater. Deshalb konnte er Gott „Abba“ und auch „Avi“ nennen. Die Juden erkannten sofort, was das bedeutete: Wenn Jesus diese Beziehung zu Gott für sich beanspruchte, stellte er sich auf dieselbe Stufe wie Gott, nicht unter Gott.
Sie stellten fest, er habe sich damit Gott gleichgemacht. Und das war er auch – er war Gott gleich. Erstaunlich ist, dass die Erlösten heute seit Pfingsten Gott ebenfalls „Abba“ nennen dürfen. Wo steht das? In Römer 8,14-16 steht:
„Denn alle, die durch den Geist Gottes geleitet werden, sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch wiederum fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist der Sohnschaft empfangen, indem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind.“
Dieser Ausdruck, der im Judentum als zu intim empfunden wurde, darf von den Erlösten in der Anrede Gottes verwendet werden. Trotzdem muss man sagen, dass wir im Neuen Testament nie eine Stelle finden, in der ein Gläubiger Gott als „mein Vater“ anspricht. Herr Jesus sagt immer wieder „mein Vater“, aber die Gläubigen sprechen Gott nie als „mein Vater“ oder „unser Vater“ an.
Das zeigt eine ganz andere Beziehung, als sie im Judentum überhaupt möglich war. Denn jetzt ist der Vorhang im Tempel zerrissen, und die Erlösten sind Kinder Gottes. Dennoch besteht ein Unterschied: Johannes nennt die Erlösten „Kinder Gottes“, aber Herrn Jesus nennt er nie „Kind Gottes“, sondern immer „eingeborener Sohn“. Damit wird der Kontrast deutlich zwischen dem, der von Ewigkeit her Sohn ist, und uns, die wir in der Zeit durch Adoption Kinder Gottes geworden sind.
Adoption und Sohnschaft im Neuen Testament
Wenn ich von Adoption spreche, wo steht das eigentlich? Steht dort wirklich etwas von Adoption? Im Römerbrief wird beschrieben, dass die Heiden sozusagen auf den Ölbaum aufgepfropft wurden. Aber von Adoption als Kinder ist dort nicht die Rede. Johannes hingegen kennt viele Ausdrücke für die Aufnahme als Gottes Kinder.
Schlagen wir das nach, Johannes 1,12: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüht, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.“ Hier steht nichts von Adoption, sondern von Geburt – einer neuen Geburt. So werden sie Kinder Gottes.
Aber wo steht denn Adoption? Im Epheserbrief, Kapitel 1. Hätte ich das im englischsprachigen Raum gefragt, wäre die Antwort sofort gekommen. Das hat seinen Grund, den ich gleich erklären werde. Epheser 1,5: „Und uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens.“
Hat jemand eine andere Übersetzung? Dort heißt es „zuvor bestimmt zur Sohnschaft“. Zur Kindschaft, Sohnschaft – niemand verwendet ein anderes Wort. Im Englischen würde man hier „predestined for adoption“ lesen, im Französischen „prédestiner pour l’adoption“. Adoption ist die Saison von Adoption.
Also haben wir es: Adoption. Wer hat es richtig übersetzt – Deutsch oder Französisch? Deutsch ist korrekt. Es liegt nahe, denn das griechische Wort „Hyothesia“ setzt sich zusammen aus „Hyo“ (Sohn) und „Thesia“ (Stellung). Wörtlich bedeutet es „Sohnesstellung“. Der Sinn dieses Wortes ist, dass jemand in die Position der Sohnschaft versetzt wird – und zwar durch Adoption. Er wird in die Stellung der Sohnschaft eingesetzt, und das ist Adoption.
Beide Übersetzungen haben also Recht: Adoption und Sohnschaft. Nur das Wort „Sohn“ steckt im Griechischen drin, bei „Adoption“ hört man das nicht mehr. Ich habe ein Problem mit dem Wort Adoption, weil ein adoptiertes Kind kein Fleisch und Blut von den Adoptiveltern hat. Geistlich gesehen sind wir jedoch Teilhaber Gottes und haben das Leben des Herrn Jesus – das ist mehr als Adoption.
Ja, klar, aber das ist eben Gottes vollkommene Adoption. Im menschlichen Bereich ist es nur möglich, jemanden in diese Position zu versetzen, ohne dass er etwas vom Erbgut erhält. Gottes Adoption ist so vollkommen, dass er uns adoptieren konnte, indem er uns sein eigenes Leben, das ewige Leben, gegeben hat.
Adoption bedeutet also, dass jemand eine Zeit lang nicht Sohn war und dann Sohn wurde. Das geht nur durch Adoption, oder? So war es für uns alle: Wir existierten, waren aber nicht Söhne oder Kinder. Durch die Wiedergeburt, in der Gott uns neu geboren hat und uns sein Leben gegeben hat, sind wir Kinder geworden – und das ist Adoption.
Es sind also zwei Seiten der Wahrheit: Adoption und Wiedergeburt. Es ist wichtig, das zu wissen, weil es unsere Einstellung zur Adoption verändern kann. Es ist ein kostbarer Gedanke. Die Adoption, wie sie unter Menschen geschieht, soll veranschaulichen, wie Gott uns aus freier Gnade diese Stellung gegeben hat, die wir einst nicht hatten.
In Sohnschaft versetzen heißt genau dasselbe wie adoptieren. Deshalb ist es egal, wenn man das richtig betrachtet. Wenn jemand adoptiert wird, wird er als Sohn eingesetzt, in Sohnschaft eingesetzt.
Richtig. Darum sage ich ja, Adoption oder Sohnschaft sind beide korrekte Übersetzungen. Aber was eben noch wichtig ist: Die Adoption Gottes umfasst mehr als nur das Hineinversetzen. Sie geschieht durch die Neugeburt.
Adoption ist eine juristische Angelegenheit. Aber hier ist es mehr als das. Deshalb habe ich Mühe mit dem Wort Adoption. Es ist nur ein Aspekt des Heils. Viele Aspekte des Heils haben einen juristischen Charakter, etwa die Rechtfertigung.
Doch auch bei der Rechtfertigung finden wir nichts Vergleichbares in der menschlichen Rechtsprechung. Ein schuldiger Mensch wird vom Richter verurteilt, nicht gerechtgesprochen. Gott konnte schuldige Menschen rechtfertigen, weil jemand anderes ihre Schuld getragen hat.
Der Begriff der Rechtfertigung ist juristisch, aber Gottes Ausführung übersteigt das Menschliche völlig. Genauso ist es mit der Adoption. Es ist wunderbar: Gott hat uns wirklich zu seinen eigenen Kindern gemacht – im vollen Sinn des Wortes.
Wir waren es einmal nicht, und jetzt sind wir es geworden. Deshalb haben wir das Recht, Gott „Vater“ zu nennen – was im Judentum zu Recht nicht erlaubt war, weil diese Beziehung damals nicht existierte. Die Beziehung von Kindern Gottes zum Vater ist etwas völlig Neues.
Die einzigartige Stellung Jesu als Erstgeborener und Bruder der Gläubigen
Ich habe dazu noch eine Frage: Warum sagt der Herr Jesus an einer Stelle „mein Vater und euer Vater“ und nicht „unser Vater“? Ich weiß jetzt nicht mehr genau, wo das steht. Hat das mit seiner besonderen Stellung zu tun? Schließlich hat der Herr Jesus eine Vorrangstellung vor uns.
Das findet sich gerade auch wieder im Johannesevangelium, im Johannes 20, wo er Maria Magdalena den Auftrag gibt, diese Botschaft den Brüdern zu bringen.
Johannes 20,17b lautet: „Geh aber zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“
Also schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen – so steht es ja auch in Hebräer 2. Hier sagt er ausdrücklich: „Geh aber hin zu meinen Brüdern.“ Aber er sagt nicht einfach „unser Vater, unser Gott“. Seine Stellung ist und bleibt einzigartig. Deshalb sagt er „zu meinem Vater und zu eurem Vater“.
Das hat garantiert damit zu tun, dass seine Stellung die eines Erstgeborenen unter vielen Brüdern ist. Ich gebe nur die Stelle an, wo das so steht: Römer 8,29 – „damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“
Erstgeborener heißt, dass er den ersten Rang einnimmt.
Gericht und Leben als zentrale Themen der Rede Jesu
Ja, also dieser zweite Punkt, sein Verhältnis zu Gott, dem Vater, löst aus, dass der Herr in den weiteren Versen sehr viel über seine Beziehung zum Vater spricht. Dieses Thema zieht sich durch die ganze Rede.
Ein weiteres Thema ist das Gericht. Warum kommt jetzt plötzlich das Thema des Gerichts so ausführlich zur Sprache? Hat jemand einen Gedanken? Er betont in Vers 22, dass der Vater auch niemanden richtet, sondern das ganze Gericht dem Sohn gegeben hat. Dadurch sollen alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Er ist dem Vater gleich. In diesem Moment muss er darauf hinweisen, dass, wenn man das nicht tut, man sich selbst versündigt.
Genau. Und in Verbindung mit der vorherigen Geschichte – es ging um das Haus der Gnade – ist der Gegensatz zur Gnade eben das Gericht. Darum kommt jetzt das große Thema des Gerichts und des letzten Gerichts. Es steht im Gegensatz zum Haus der Gnade. Wer diese Gnade annimmt, entgeht dem Gericht. Wer sie nicht annimmt und sich gegen den Sohn Gottes wendet, kommt unter das Gericht.
Dann haben wir noch ein weiteres Thema, das sich hindurchzieht. Welches Thema kommt da zur Sprache? Die Gleichheit von Sohn und Vater. Das ist also die Beziehung. Diese Beziehung hängt zusammen, weil gesagt wird, dass er sich Gott gleich gemacht hat.
Welches Thema ist das? Begriffsbestimmung: das Leben, in dem der Vater das Leben in sich selbst hat. Oder noch weiter gefasst: Leben und Auferstehung. Wie kommt dieses Thema hier hinein?
Wenn wir zurückdenken: Die ganze Ausgangsgeschichte handelt von einem Mann, der 38 Jahre lang lag wie ein Toter. Der Herr hat ihn so aufgerichtet, dass er wieder auf seine Füße stehen und gehen konnte. Das symbolisiert Leben aus dem Tod. Darum kommt dieses Thema im Weiteren vor.
Es beginnt schon in Vers 21: „Denn gleichwie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.“ Hier haben wir den Zusammenhang zum Aufstehen des Gelähmten.
Weiter in Vers 22: „Den der Vater richtet auch niemand, sondern das ganze Recht hat er dem Sohn gegeben.“ Das ist der Gegensatz zu Bethesda, dem Haus der Gnade, und dann das Gericht.
In Vers 24 heißt es: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen.“ Hier werden uns drei Arten von Auferstehung gezeigt.
Erstens diese hier. Was ist das für eine Auferstehung? Körperliche Hilfe. In Vers 24: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben, kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen.“
Wir waren ja alle tot in Sünden und Übertretungen. Der Mensch in seinem gottfernen Zustand ist eigentlich eine wandelnde Leiche. Durch das Hören des Evangeliums, durch das Wort des Sohnes Gottes und das Glauben daran erhält er ewiges Leben. Das ist die Auferstehung aus dem geistlichen Tod. Sie wird symbolisiert durch das Aufstehen des Gelähmten im Haus der Gnade.
Der Herr geht weiter, Vers 25, liest jemand? „Wo die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und diese werden leben.“ Ich denke, das ist das, was wir hier gesprochen haben: Menschen, die heute das Evangelium hören und an den Sohn Gottes glauben, haben Leben und werden vom Tod erlöst.
Ganz genau. Das ist die jetzige Periode, in der Menschen aus dem geistlichen Tod herauskommen durch das Hören des Wortes Gottes.
Jetzt Vers 28: Hier haben wir die körperliche Auferstehung sowohl der Erlösten zum Leben als auch der Unerlösten zum ewigen Gericht.
Also gibt es drei Arten von Auferstehung: die Auferstehung aus dem geistlichen Tod, die Auferstehung der Erlösten aus dem körperlichen Tod und die Auferstehung der Unerlösten aus dem körperlichen Tod zur ewigen Verdammnis.
Man sieht noch einmal: Die Gemeinde, die durch das Blut erlöst ist und mit dem Heiligen Geist erfüllt wurde, wird bis zur Entrückung bewahrt. Das ist die erste Auferstehung.
Dann kennen wir eine andere Auferstehung, wenn Jesus im Tausendjährigen Reich das Friedensreich errichtet. Diejenigen, die als Märtyrer gestorben sind, werden dann auferstehen. Sie werden nicht entrückt in den Himmel, sondern gehen in die Segnungen des Tausendjährigen Friedens.
Es gibt also mehrere Phasen, in denen erloste Menschen zur Auferstehung zum Leben kommen. Jesus ist der Erste, der von den Toten auferstanden ist, um dann in die Herrlichkeit des Himmels zu gehen. Dann werden die neutestamentlichen Gläubigen auferweckt, und phasenverschoben wird es nochmals eine Auferstehung am Anfang des Tausendjährigen Reiches geben.
Das fasst die Bibel zusammen als die erste Auferstehung. Erst nach dem Tausendjährigen Reich findet die Auferstehung zum Gericht statt. Diese zweite Auferstehung führt laut Bibel zur Verdammnis.
Haben wir das so verstanden? Diese drei Arten der Auferstehung werden hier eingeführt, basierend auf dem Beispiel des Mannes in Bethesda, der aus einer liegenden Position auf seine Füße gestellt wurde.
Zeugnisse über den Sohn und deren Bedeutung
Und dann kommt noch ein Thema hinzu, das wir bisher noch nicht genannt haben. Es erscheint in den weiteren Versen, nämlich die verschiedenen Zeugnisse über den Sohn – jawohl, verschiedene Zeugnisse über den Sohn beziehungsweise die Legitimation des Sohnes.
Jesus sagt – und das überrascht – in Vers 31: „Wenn ich von mir selbst zeuge, so ist mein Zeugnis nicht wahr.“ Das überrascht, oder? Aber das ist ein juristischer Ausspruch. Wir schlagen auf 5. Mose 19, Vers 15: „Ein einzelner Zeuge soll nicht gegen jemanden auftreten wegen irgendeiner Ungerechtigkeit oder Sünde, die er begeht. Auf Zweier- oder Dreierzeugenaussage soll eine Sache bestätigt werden.“ Hier haben wir einen juristischen Grundsatz für die Rechtsprechung in Israel. Ein einzelner Zeuge hatte vor Gericht keine Kraft. Aufgrund einer einzigen Aussage konnte niemand, sagen wir, zum Tode verurteilt werden. Es brauchte zumindest ein doppeltes Zeugnis, sonst war die Aussage eines Einzelnen quasi nicht glaubwürdig, nicht wahr.
So nimmt der Herr darauf Bezug und sagt: Wenn ich von mir selbst zeuge, so ist mein Zeugnis nicht wahr – als einzelnes Zeugnis hat es juristisch keine Aussagekraft gemäß der Tora. Aber der Herr will betonen, dass es eine ganze Reihe anderer Zeugnisse über ihn gibt. Zuerst gehen wir der Reihenfolge nach: Welcher Johannes? Johannes der Täufer.
Lies doch ab Vers 33: „Und er hat der Wahrheit Zeugnis gegeben. Ich aber nehme nicht Zeugnis von einem Menschen, sondern dies sage ich, dass ihr errettet werdet. Jener war die brennende und scheinende Lampe, die aber wollte für eine Zeit in seinem Lichte fröhlich sein. Ich aber habe das Zeugnis, das größer ist als das des Johannes, denn die Werke, welche der Vater mir gegeben hat, dass ich sie vollbringe – die Werke selbst, die ich tue, zeugen von mir, dass der Vater mich gesandt hat.“
Jawohl, also das Zeugnis von Johannes dem Täufer. Das Auftreten des Täufers war damals eine Sensation, die ganz Israel in Bewegung brachte. Sogar bei Josephus Flavius, dem Geschichtsschreiber aus dem ersten Jahrhundert, finden wir einen Bericht über Johannes den Täufer und wie er auf das Volk wirkte. Er schreibt mit größter Hochachtung über diesen Mann.
Man muss sich klar sein, dass nach Maleachi, etwa 400 v. Chr., die Schriftpropheten in Israel aufgehört hatten. Es traten keine Propheten mehr auf, die eine solche Autorität hatten wie Jeremia, Jesaja, Elija, Elisa usw. Und plötzlich tritt nach etwa 400 Jahren einer auf, der eine solche Autorität hat wie die alten Propheten: Johannes der Täufer. Dieser Prophet verkündete Jesus Christus als den Messias: „Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt.“
Der Herr Jesus sagt: Ihr habt das Zeugnis von Johannes dem Täufer. Ich bräuchte das Zeugnis nicht, das Zeugnis von einem Menschen, aber es ist für euch. Dann sagt er: Jener war die brennende und scheinende Lampe. Wie kommt der Herr plötzlich auf diese Aussage mit der brennenden und scheinenden Lampe? Er sagt nicht einfach, jener war eine brennende Lampe, sondern „die brennende und scheinende Lampe“. Irgendwie verweist der Herr da auf etwas Bekanntes.
Zacharja, oder? In den Ständen? Oder ist es gar nicht Zacharja? Ja, die Söhne des Öls, da mit dem Leuchter. Man kann nicht sagen, dass das ein Hinweis auf Johannes den Täufer ist – Sacharja 4 ist es, mit den goldenen Leuchtern und den beiden Söhnen des Öls, die dort erwähnt werden.
Aber an welchem Fest sind wir da? Johannes 5? Chanukka, nicht das Fest? Nein. Wir hatten das letzte Mal davon gesprochen – es war zeitlich vorletztes Mal, denn wir hatten ja ein Spezialthema, das Laubhüttenfest. Aufgrund dessen haben wir das gesagt. Aber wo steht das in Johannes 5, dass es um das Laubhüttenfest geht?
Johannes 5, Vers 1: „Nach diesem war das Fest der Juden“, so der Mehrheitstext. Die Minderheitsanschriften haben „ein Fest der Juden“, aber der Mehrheitstext, der sogenannte Majoritytext, bezeugt das mit bestimmten Artikeln. Und das Fest war immer das laufende Fest. So wird es auch in 1. Könige einfach als „das Fest“ bezeichnet, und es geht um das Laubhüttenfest bei der Einweihung des Salomonstempels.
Am Laubhüttenfest hat man im Frauenvorhof vier fünfundzwanzig Meter hohe Leuchter nachts angezündet. Jeder Leuchter hatte vier Lampen, eine Lampe fasste etwa neun Liter Olivenöl. Als Docht verwendete man abgetragene Priestergewänder – das heißt Recycling war schon damals bekannt. Diese Lampen strahlten nachts die Dunkelheit Jerusalems hinaus, und sogar in allen dunklen Gässlein konnte man das Licht vom Tempelplatz her sehen.
Das Laubhüttenfest war, wie Roswitha sagte, das freudigste aller Feste. Dreimal wird in der Tora – zweimal in 5. Mose 16 und einmal in 3. Mose 23 – aufgerufen, dass man sich an diesem Fest freuen soll, sogar einmal nur „freuen“. So wurde auch nachts gefeiert. Normalerweise waren die Feste immer nur tagsüber, das ist das einzige Fest, das nachts auch durchgeführt wurde.
Dort haben die alten Männer vom Sanhedrin Tänze mit Fackeln in den Händen im Frauenvorhof aufgeführt. Es herrschte eine freudige Stimmung unter diesen Lampen.
Jetzt sagt der Herr: „Jener war die brennende und scheinende Lampe, ihr aber wollt für eine Zeit in seinem Licht fröhlich sein.“ Nur für eine Stunde, ja oder für eine Zeit – also nur für eine kurze Periode wollte man das Fest feiern, so wie man eben äußerlich das Laubhüttenfest feierte, aber die Beziehung zu Gott war bei den meisten nicht vorhanden.
Genau das gleiche Problem haben wir beim Sabbat gesehen: Äußerlich wurde der Sabbat gefeiert, aber die Ruhe Gottes, das Genießen in Gemeinschaft mit Gott, war nicht da. So sagt der Herr eigentlich, dass dieses Licht vom Frauenvorhof auf das Zeugnis von Johannes dem Täufer hinweist, der auf den Messias hingewiesen hat. Letztlich ist es das Licht des Messias.
Hier haben wir einen ersten Hinweis im Johannes-Evangelium auf diese Lampen. Wir kommen darauf zurück in Johannes 8, wo der Herr wieder in Verbindung mit dem Laubhüttenfest sagt:
Johannes 8, Vers 12: „Wiederum nun redete Jesus zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Das ist das erste Zeugnis, das der Herr erwähnt. Jetzt machen wir Pause und fahren dann noch mit den weiteren Zeugnissen fort.
Das Fest – dann ist es doch so ähnlich, dass man sich dort nur kurz irgendwo erfreut und dann wieder ein anderer Zeitabschnitt kommt. Ich denke, es ist ja noch Weihnachten, dann kommt wieder Fastnacht, Hummer, Hummer, Tätere, all diese Dinge. Das heißt, es ist nur etwas Äußerliches, was heute gefeiert wird, im Prinzip ohne Inhalt.
Das ist ein menschliches Problem. Das war nicht nur vor zweitausend Jahren so, natürlich. Aber der Herr hat es da aufgedeckt – eben diese Äußerlichkeit der Menschen, wie man sich selbst bei Festen Gottes nur äußerlich freut, während die Beziehung zu Gott im tiefsten Herzen keine Rolle spielt.
Gut, machen wir jetzt zwanzig Minuten Pause.
Vor der Pause haben wir uns mit dem ersten Zeugnis über den Herrn Jesus beschäftigt: dem Zeugnis des Johannes. Welches ist das zweite Zeugnis? Seine Werke.
Jawohl, liest du vor?
Vers 36b: „Denn die Werke, welche der Vater mir gegeben hat, auf dass ich sie vollbringe – die Werke selbst, die ich tue, zeugen von mir, dass der Vater mich gesandt hat.“
Das sind die messianischen Werke, die schon im Alten Testament vorausgesagt worden waren, zum Beispiel Heilungen des Gliedgebäudes. Wo steht im Alten Testament etwas über diese Werke des Messias? Können wir da mal aufschlagen? Jesaja 35, lesen wir Verse 4 bis 6:
„Sage zu denen, die zaghaft sind: Seid stark, fürchtet euch nicht! Siehe, euer Gott kommt, Rache kommt, die Vergeltung Gottes, er selbst kommt und wird euch retten.“
Es geht um das Kommen Gottes, und zwar des Messias. Dann heißt es in Vers 5: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch und die Stummen werden jauchzen.“
Es brechen Wasser in der Wüste hervor, Bäche in der Einöde, und so weiter. Wir haben ein paar Beispiele solcher Taten. Im Haus der Gnade in Bethesda haben wir eben gerade das Beispiel gesehen: „Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch.“
Eine weitere Stelle über diese messianischen Werke ist Jesaja 29,18. Wer liest?
„Und an jenem Tag werden die Tauben die Worte des Buches hören, und aus Dunkelheit und Finsternis werden die Augen der Blinden sehen.“
Es gibt noch mehr, aber das zeigt uns, was man erwarten konnte, wenn der Messias erscheinen würde. Darum sind diese Wunder in den Evangelien so wichtig. Sie sind ein zweites Zeugnis dafür, dass Jesus der Messias ist.
Die Werke selbst, die ich tue, zeugen von mir, dass der Vater mich gesandt hat.
Drittes Zeugnis, Vers 37, oder?
Ja.
Und der Vater, der mich gesandt hat, er selbst hat …
Wann ist das Geschehen, dieses Zeugnis des Vaters? Lesen wir Matthäus 3.
Übrigens wird im Talmud erklärt, dass mit dem Tod der letzten Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi der Heilige Geist von Israel gewichen sei. An mehr als einer Stelle wird das gesagt. Mit dem Verscheiden von Maleachi waren die Propheten am Ende, der Heilige Geist von Israel gewichen.
Aber im Talmud findet man oft, dass Gott sich durch eine Bad Koll mitteilen konnte. Das heißt wörtlich „Tochter der Stimme“, der hebräische Ausdruck für Echo. Unter besonderen Umständen war eine Stimme vom Himmel hörbar, die wie Donner oder ein Echo klang. Darum nannte man es Bad Koll.
Lesen wir Matthäus 3, Vers 17. Wer liest?
„Und siehe, eine Stimme kam vom Himmel, die sprach: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
Eine Stimme aus dem Himmel. Das Phänomen der Bad Koll war bekannt. Dort hat der Vater selbst Zeugnis über Jesus Christus abgelegt: „Das ist mein geliebter Sohn.“
Ein Beispiel einer Bad Koll haben wir auch noch im Johannes-Evangelium, später in Kapitel 12, Vers 28: „Vater, verherrliche deinen Namen!“ Da kam eine Stimme aus dem Himmel: „Ich habe ihn verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen.“
Die Volksmenge, die dastand und zuhörte, sagte, es habe gedonnert. Andere sagten, ein Engel habe mit ihm geredet. Jesus antwortete: „Nicht um meinetwillen ist diese Stimme geschehen, sondern um euretwillen.“
Man merkt wieder, das ist typisch für das Phänomen der Bad Koll – die Leute denken, es habe gedonnert. Trotzdem war es akustisch wahrnehmbar als Wort.
In der Offenbarung gibt es das Phänomen auch. Johannes hört plötzlich eine Stimme aus dem Himmel – das ist die Bad Koll.
So konnte sich der Herr Jesus auf dieses Zeugnis des Vaters berufen. Viele Menschen waren damals am Jordan gegenwärtig und hörten es. Das war ein Zeugnis: Das ist der Messias.
Wie war das bei Paulus, als er auf dem Weg war? Ja, das war ja eine Bad Koll, ganz klar.
Offenbar gab es auch Erklärungen dazu.
Es ist wichtig, auf den jüdischen Hintergrund zu achten. Das war ein Begriff, und das war wirklich ein Zeugnis, das damals Bedeutung haben musste.
Viertens: Vers 39, durch die Schriften.
Jawohl, lies Vers 39.
„Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben; und sie sind es, die von mir Zeugnis geben.“
Du hast jetzt falsch betont. Im Grundtext ist sogar betont: „Und sie sind es, die von mir zeugen“ – die Schriften.
Das ist das Alte Testament.
Manchmal wird das Alte Testament „die Schrift“ genannt, manchmal „die Schriften“. Was ist der Unterschied?
Die Schrift ist der Pentateuch, oder? Nein, kann auch alles zusammen sein.
Der Unterschied ist, dass „die Schriften“ mehr die Vielfältigkeit des Alten Testaments betonen – die verschiedenen Bücher und auch die vielfältige Art, wie Gott gesprochen hat: durch Gesetzestexte, Erzählungen, Lieder, Gedichte usw.
„Durch Mose und die Propheten.“
Jawohl, und „die Schrift“ betont die Einheit.
Wir müssen immer beides sehen beim Bibellesen: Einerseits die Einheit der Bibel, andererseits die Vielfältigkeit.
Hier wird betont, dass er die Schriften erforscht, aber sie in ihrer ganzen Vielfältigkeit auf Christus hinweisen.
Es wird gesagt, dass die Tora speziell als Zeugnis erwähnt wird, in Vers 46. Wer liest?
„Wenn ihr Mose glauben würdet, so würdet ihr auch mir glauben, denn er hat von mir geschrieben.“
Weiter: „So ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?“
Das zeigt die schöne Übereinstimmung zwischen der Tora, dem Gesetz, und dem Messias. Das brauchen wir nie gegeneinander auszuspielen.
Die Konflikte entstanden durch eine falsche, überspitzte Auslegung des Gesetzes. Der Herr Jesus provozierte Konflikte, aber er stellte sich nie gegen das Gesetz als solches, denn es ist Gottes Wort und weist auf ihn hin.
Hier wird gesagt, in der Mehrzahl „seine Schriften“, weil er eben fünf Bücher geschrieben hat.
Die liberale Theologie hat das alles in Abrede gestellt und die Autorschaft der Bücher Mose abgesprochen. Das ist letztlich nichts anderes als Gotteslästerung.
Denn entweder haben die liberalen Theologen Recht oder der Herr Jesus. Beides geht nicht.
Das zeigt, dass Bibelkritik ein Angriff auf die Person Jesu ist – das ist das letzte Ziel.
Schön ist noch Folgendes: Das Wort Gesetz, Tora, kommt von einem hebräischen Verb „Yara“, das heißt „ausstrecken“, im Sinn von den Finger ausstrecken.
Darum hat Buber so schön übersetzt: „Tora“ mit „Weisung“. Die Tora weist hin mit ausgestrecktem Finger.
Das letztliche Ziel der Tora ist, auf den Erlöser, auf Christus, hinzuweisen.
Er hat von mir geschrieben. Die Weisung zeigt auf den Erlöser.
Das Gesetz sollte deutlich machen, dass der Mensch gelähmt ist. Er kann nicht gehen, gottgemäß. Aber der Messias kommt in seiner Gnade und kann den Menschen zum Gehen bringen.
So ist die Übereinstimmung.
Das Gesetz kann niemanden heilen. Der Mann war 38 Jahre in Bethesda. Aber der Messias kann heilen.
So ist der Gegensatz zu sehen in Johannes 1,17:
„Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“
Das Gesetz war da, um zu zeigen, wo das Problem bei uns Menschen liegt, damit wir vorbereitet werden und überhaupt den Wunsch nach einem Erlöser bekommen.
Das ist das Problem heute: Der Mensch hat im Allgemeinen gar nicht das Bedürfnis, einen Erlöser für seine Schuld zu brauchen. Im Allgemeinen hat der moderne Mensch kein wirkliches Schuldbewusstsein.
Ein Riesenproblem.
Früher, zu anderen Zeiten in Europa, war das anders. Da lebten die Menschen in Not und fragten: Wie bringe ich mein Sündenproblem los?
Wenn dann Evangelisten kamen, bekehrten sich viele Menschen massenhaft.
Heute ist die Grundfrage nicht mehr da. Die Grundfrage ist ganz anders, zum Beispiel: Wie viel Wert bin ich?
Darum, wenn man über das Thema „Wie viel Wert ist der Mensch?“ spricht, interessiert das die Menschen.
Aber „Wie verdorben ist der Mensch?“ interessiert kaum jemanden.
Man sollte den Menschen auch das Gesetz zeigen, denn das Gesetz ist wie ein Spiegel. Es zeigt, wie verdorben der Mensch ist.
Der Spiegel kann mich zwar nicht sauber machen, so auch nicht das Gesetz.
Wenn ich mich im Angesicht Gottes erkenne, flüchte ich zu Jesus Christus, dem Heiligen.
Man hat in der Stammesmission oder in der Mission bei eingeborenen Stämmen gute Erfahrungen gemacht durch den chronologischen Bibelunterricht.
Man beginnt mit 1. Mose 1, mit der Schöpfung, erzählt das ganze Alte Testament durch.
Die Menschen erleben dann in der Stammesgemeinschaft quasi das Ganze nochmals, was Israel durchgemacht hat.
Der Missionar erzählt noch nichts vom Kreuz und wie Gott das Problem gelöst hat.
Sie kommen bis zur Kreuzigung. Das ist oft ein tiefer Schock für den Stamm.
Jetzt ist der auf den Gott hingewiesen, der im Garten Eden angekündigt wurde – auf diesen Befreier, der aus der Nachkommenschaft Evas kommen sollte.
Jetzt ist er ermordet worden. Und jetzt?
Wir haben keine Hoffnung mehr.
Sie erleben genau dasselbe, was die Jünger nach der Kreuzigung durchlebten.
Dann kommt in einer neuen Lektion die Auferstehung und weiter das Neue Testament.
Das ist oft der Punkt, wo es zu einem Durchbruch kommt und viele sich bekehren.
Sie haben dann richtig durchlebt, was es heißt, untergesetzt zu sein.
Man erlebt in der Mission, dass die Menschen versuchen, gut zu leben, nicht mehr zu lügen, nicht mehr zu stehlen.
Nach einiger Zeit merken sie: Irgendwie haben sie ein Problem, sie schaffen es nicht, sind enttäuscht über sich.
So wird die Sehnsucht nach einem Erlöser geweckt.
Warum soll man das nur in eingeborenen Stämmen machen? Das kann man in Hauskreisen genauso machen, auch bei uns.
Wir brauchen das, weil viele Dinge nicht mehr da sind, die früher durch eine stärkere christliche Kultur vorhanden waren.
Durch die 68er-Bewegung ist das alles kaputtgegangen.
Der Mensch hat normalerweise kein Schuldgefühl mehr, so wie früher.
Schon irgendwie, aber nicht so, dass er sich als verdorben empfinden will.
So muss man die Bibel chronologisch lehren, damit der Mensch Christus als Antwort auf das Problem erkennt, das das Gesetz aufzeigt.
Wenn man Moses glaubt, wird man schließlich auch Christus glauben.
Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?
Das zeigt, wie wichtig es ist, Altes und Neues Testament zu lehren. Da ist ein innerer Zusammenhang.
Herr Proschet, ich habe ein Zeugnis, das größer ist als das des Johannes, und zwar die Werke.
Es sind drei Dinge, die den Herrn Jesus als den Messias auszeichnen.
Welche drei Dinge waren das noch mal?
Du meinst die besonderen messianischen Werke, oder?
Keiner konnte solche Werke tun.
Ja gut, also ganz besondere messianische Zeichen waren die Heilung eines Blindgeborenen.
Der Blindgeborene sagte selbst, so etwas sei von Ewigkeit her nie geschehen – Johannes 9.
Ein besonderes Zeichen ist die Heilung von Leprakranken.
Im Judentum wurde die Heilung eines Leprakranken als so großes Wunder angesehen wie eine Auferstehung.
Man bezeichnete die Leprakranken als lebendig Tote.
Ein drittes besonderes Zeichen war die Befreiung eines stummen Besessenen – Matthäus 12, Lukas 5.
Ein gutes Beispiel, wo in der Folge Rabbiner aus ganz Israel kamen, um ihn zu hören, nachdem er einen Leprakranken geheilt hatte.
Das waren besondere Werke, die von ihm zeugten.
Wie viele Zeugnisse sind das zusammen? Vier.
Das Minimum eines glaubwürdigen Zeugnisses war zwei oder drei.
Der Herr erwähnt hier zweimal zwei, um ein überaus glaubwürdiges Zeugnis zu bringen.
Er sagt, wenn ich allein zeugen würde, wäre das eine Stimme.
Aber ihr habt hier vier Zeugnisse.
Wenn ihr besonders das Zeugnis der Schrift annehmen würdet, hättet ihr Leben.
Aber es ist eigentlich nur äußerlich, dass ihr Moses glaubt.
Denn würdet ihr wirklich Moses glauben, würdet ihr auch mir glauben.
In Johannes 8, Vers 14 sagt er, sein Zeugnis sei wahr.
Ja, natürlich. Lies das vor.
„Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr, weil ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe. Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand. Wenn ich aber auch richte, so ist mein Gericht wahr, weil ich nicht allein bin, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat. Auch in eurem Gesetz steht geschrieben, dass das Zeugnis zweier Menschen wahr ist. Ich bin es, der von mir selbst zeugt, und der Vater, der mich gesandt hat, zeugt von mir.“
Das ist ein totaler Gegensatz zu Johannes 5: „Wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis nicht wahr.“
Da sagt er, im Sinne von Vorgesetztem, eine einzelne Aussage sei nicht rechtsgültig.
Darum gibt er diese vier Zeugnisse.
Hier sagt er: Prinzipiell ist das, was er sagt, auch als einzelner Zeuge wahr.
Aber im Licht der Tora braucht es mindestens zwei Zeugnisse.
Da gibt er euch gleich sein Zeugnis und das des Vaters – das sind schon zwei, das reicht.
Er spricht nicht mehr über die weiteren Zeugnisse, einfach um klarzumachen: Sein Zeugnis ist sowieso wahr.
Nach dem Gesetzesgrundsatz von 5. Mose 19 braucht es mindestens zwei.
Dann sagt er: Gut, die gebe ich euch gleich – ich und der Vater.
In Johannes 15 sagt der Herr Jesus auch in Bezug auf die Werke, Vers 27: „Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat ...“
Welche Stelle liest du, Johannes?
Johannes 15, Vers 24.
Ah, 15, ja.
Da geht es einmal darum, wenn der Herr nicht gekommen wäre und zu ihnen geredet hätte, hätten sie keine Sünde.
Aber jetzt geht es um die Werke in Vers 24: „Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde. Nun aber haben sie es gesehen und hassen doch sowohl mich als auch meinen Vater.“
Das wäre sein Zeugnis und das Zeugnis seiner Werke.
Gut, noch etwas zu diesem Kapitel.
Es gibt auch noch eine Parallelstelle zu diesen Worten über den Glauben an die Schriften, die in Lukas 16 ist – die Geschichte vom armen Mann und dem reichen Mann.
Dort heißt es im Prinzip: Wenn einer aus den Toten auferstehen würde, würden seine Brüder sich bekehren, meint er.
Abraham erklärt: „Nein, wenn sie Mose und den Propheten nicht glauben, dann würden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufersteht.“
Das heißt, die Schrift ist ganz wichtig.
Daran erkennt man, ob jemand es wirklich ernst meint, wenn er die Welt verstehen will.
Es ist ja so tragisch: Vor kurzem hat Brunke behauptet, dass in Afrika ein ungläubiger Pastor wieder auferweckt worden sei.
Das wird jetzt in einem Video herumgeboten als Argument, dass sich Leute bekehren sollten.
Das ist so übel.
Erstens wissen wir, dass ein Ungläubiger, der gestorben ist, nie mehr zurückkommt.
Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht.
Das steht im Griechischen als Zahlwort: „einmal zu sterben.“
Gerade Lukas 16 erklärt, dass man nicht mehr zurückkehren kann.
Der reiche Mann konnte auch nicht zurückgehen, um Zeugnis abzulegen.
Dann wird erklärt, dass das Zeugnis gar nicht nötig ist.
Wenn man der Bibel nicht glaubt, wird man auch dieses Zeugnis nicht glauben.
Man will so nicht zum richtigen Glauben gelangen.
Es ist schlimm, wie heute Verführung betrieben wird.
Noch etwas Kurzes, aber ganz Wichtiges: In Vers 43 sagt der Herr, Johannes 5,43. Liest jemand das?
„Ich bin in meines Vaters Namen gekommen, und ihr nehmt mich nicht an. Wenn aber ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr annehmen.“
Wer ist das?
Da haben wir den wichtigen Grundsatz: Wer den wahren Christus nicht annimmt, wird automatisch offen für totale Verführung.
Das ist das Gericht Gottes.
Wer die Wahrheit ablehnt, kommt dadurch unter ein göttliches Gericht, dass er verführt wird.
Dann lässt Gott die Verführung in vollem Maße zu.
Das lesen wir auch in 2. Thessalonicher 2, im Blick auf die Menschen in der Endzeit, die das Evangelium hören – sehr aktuell für uns heute.
Lesen wir zum Schluss 2. Thessalonicher 2, Vers 9 bis 12.
Wer liest?
„Ihm, dessen Ankunft gemäß der Wirksamkeit des Satans erfolgt, mit jeder Machttat und mit Zeichen und Wundern der Lüge und mit jedem Betrug der Ungerechtigkeit für die, welche verloren gehen, weil sie die Liebe der Wahrheit zu ihrer Rettung nicht angenommen haben.
Darum sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, damit sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen an der Ungerechtigkeit gefunden haben.“
Es ist stark ausgedrückt.
Gott sendet eine wirksame Kraft des Irrwahns – aber nicht aus irgendwelchen Gründen.
Sondern weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben.
Menschen, die das Evangelium gehört, aber nicht angenommen haben, werden nach der Entrückung keine Möglichkeit mehr zur Umkehr haben.
Das ist ein Gericht der Verhärtung, die totale Verführung.
Darum ist es schade: In der erfolgreichen Serie über die Endzeit von Tim LaHaye wird erzählt, ein ungläubiger Pastor komme nach der Entrückung zum Glauben.
Das geht nicht.
Es ist nur möglich bis zur Entrückung.
Dann kommt die Verhärtung, die Verführung.
Nach dem Grundsatz: „Ich bin in meines Vaters Namen gekommen, und er nimmt mich nicht an. Wenn aber ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr annehmen.“
Herr Isidore? Es gibt doch viele, die nach der Offenbarung sich während der Trübsalzeit bekehren. Was sind das für Leute?
Es gibt eine unzählbare Schar, Offenbarung 7, aus allen Völkern, Stämmen und Sprachen.
Sie gehen durch die große Drangsal hindurch und waschen ihre Kleider im Blut des Lammes.
Das sind Menschen, die das Evangelium bis zur Entrückung nicht gehört hatten.
Sie haben noch die Möglichkeit, sich selbst in den ärgsten Gerichten zu bekehren.
Für sie ist es nicht zu spät.
Heute gibt es über sechs Milliarden Menschen, aber zwei Milliarden haben das Evangelium noch nie gehört.
Weitere zwei Milliarden haben es nie richtig gehört.
Das sind also schon vier Milliarden.
Gottes Gnade ist mit der Entrückung für diese Menschen nicht am Ende.
Das ist eine mutmachende Botschaft.
Das heißt, die, die das Evangelium gehört haben und es nicht ernst genommen haben, haben nach der Entrückung keine Chance mehr.
Nein, dann geschieht wirklich das, was mit Pharao geschah.
Sechsmal verhärtete er sich selbst, und vom siebten bis zum zwölften Mal verstockte Gott sein Herz.
Es gab zehn Plagen, aber zwölf Verstockungen.
Sechs von eins bis sechs waren sein persönliches Werk, ab sieben war es Gottes Werk.
Ich habe das erwähnt wegen der finalen Serie, weil das den Ernst unserer Evangeliumsverkündigung nimmt.
Ich betone das immer wieder: Es gibt ein „zu spät“.
Das kann jeden Tag sein.
Heute könnte die Entrückung sein.
Es gibt wirklich ein „zu spät“.
Man darf nicht denken: Ich bin sechzehn, ich kann noch warten. Oder ich bin fünfunddreißig, ich kann noch warten.
Nein, es könnte heute zu spät sein.
Das gibt unserer Verkündigung ein feierliches Gewicht.
Wir haben vier Söhne, drei sind wiedergeboren, einer noch nicht.
Aber der hat jahrelang unsere Hausandacht miterlebt und weiß eigentlich alles.
Wie ist das nun zu verstehen? Sind kindergläubige Eltern geheiligt?
Geheiligt heißt ja: absondern für Gott, also reserviert für Gott.
Kinder in gläubigen Familien haben eine überaus große Chance, sich zu bekehren.
Der Mensch kann nicht bestimmen, wann er sich bekehren will, weil er von sich aus ja sowieso nicht bekehren will.
Gott zieht den Menschen zur Bekehrung und ist souverän, wann er ihm die Möglichkeit gibt, sich zu bekehren.
Nicht wie oft, aber Kinder in gläubigen Familien erleben diesen Zug viel mehr.
Dieses Geheiligtsein heißt: Sie haben eine viel größere Chance, an den Punkt zu kommen, wo der Geist Gottes zieht, und müssen nur noch nachgeben.
Wir können nicht bestimmen, wann Gott uns zieht; er tut es bei jedem Menschen.
Darum heißt es in Römer 2, Vers 4:
„Nach deiner Sturheit und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir selbst Zorn auf beim Offenbaren des gerechten Gerichts Gottes.
Nicht wissend oder verachtend die Güte und Langmut Gottes, die dich zur Buße treibt.“
Im 1. Johannesbrief, Kapitel 5, Vers 14 und 15, steht, dass wenn wir Gott etwas bitten nach seinem Willen, diese Bitte erhört wird.
Gott will, dass alle Menschen errettet werden.
Wenn ich für meinen Sohn bete um seine Bekehrung, ist das ein Gebet nach seinem Willen, damit es erhört wird.
Im Griechischen gibt es eine Nuance zwischen „Willen“ und „Willen“.
Insbesondere „telema“ kann Gottes Wunsch ausdrücken.
Im Gegensatz dazu ist „boule“ Gottes Wille als unabänderlicher Ratschluss.
Interessant ist, dass in 1. Timotheus 2 beide Begriffe nahe beieinander stehen.
1. Timotheus 2, Vers 3 und 4:
„Denn dies ist gut und angenehm vor unserem Rettergott, welcher will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“
Vers 8:
„Ich will nun, dass die Männer an jedem Ort beten.“
Im Vers 8 ist es „boulomai“, zusammenhängend mit „boule“, das Gottes Ratschluss und feste Bestimmung ist.
Aber wenn es heißt, Gott will, dass alle Menschen errettet werden, ist es das Verb „teleo“ – Gott will im Sinne von „wünscht“.
So ist der Retterwille Gottes kein Ratschluss, den er um jeden Preis durchzieht.
Der Mensch hat die Möglichkeit, diesen Zug Gottes zu widerstehen und geht dadurch verloren.
Darum kann man sagen in Bezug auf das Gebet: Es ist nicht so, dass wir für die ganze Welt beten können und sagen, es ist Gottes Wille, dass die ganze Welt gerettet wird, und trotzdem wissen wir aus dem Wort Gottes, dass Menschen verloren gehen werden.
Aber wenn wir beten, geschehen Dinge, die sonst nicht geschehen würden.
Darum heißt es in Jakobus 4: „Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet.“
Man könnte sagen: Gott ist doch souverän, warum müssen wir beten? Gott macht, was er will.
Ja, Gott macht, was er will.
Aber es gibt ganz klar Dinge, die Gott nicht tun würde, wenn nicht seine Kinder ihn bitten würden.
So ist es, wenn wir für unsere Kinder beten, dass Gott diesen Zug verstärkt.
Das erhöht die Chance für die Errettung.
Im Neuen Testament, zum Beispiel in der Apostelgeschichte, geht es beim Beten immer um konkrete Anliegen.
Es ist klar: Ich kann nicht beten „Gott, errette die ganze Menschheit“, das ist mir klar.
Aber wenn ich konkret für eine bestimmte Person bete …
Man erlebt auch, dass Gott einem für ein bestimmtes Anliegen, zum Beispiel die Errettung einer bestimmten Seele, eine innere Überzeugung gibt.
Diese Gewissheit ist nicht nur Wunschdenken, sondern wird durch Gottes Geist im Herzen gewirkt.
Dieser Mensch wird dann auch gerettet werden.
Aber es gibt keine Verheißung, dass alle Kinder gerettet werden, für die wir beten.
Natürlich will Gott Familien retten.
Dieses Prinzip sehen wir bei Noah und so weiter.
Aber es ist keine bedingungslose Verheißung.
Der Mensch als Individuum hat die Möglichkeit, die Rettung abzulehnen.
Wir wollen uns Mut machen.
Jetzt haben wir noch Zeit zu beten.
Apropos Mut macht eine Geschichte eines Rektors aus Erlangen.
In seiner Jugendzeit lernte er an der Mädchenklinik, war ungläubig, dann gläubig.
Er betete: „Herr, ich hätte so gerne dieses Mädchen, die gefällt mir, ich liebe sie, aber ich liebe dich auch. Ich möchte beides zusammen haben.“
Er heiratete sie und brachte sie von einer Evangelisation zur anderen.
Dreißig Jahre sind vergangen.
Die Frau wurde nicht gläubig, obwohl er betete.
Dann schrieb er ihr einen Brief.
Bekam den Brief zurück – „Tankstoffdemmen“, als wäre sie schon errettet.
Nach 14 Tagen kam sie wieder und sagte: „Halleluja, meine Frau ist errettet.“
Wir haben diese Familie besucht, die Frau ist wirklich eine echte Christin geworden.
Das ist Gottes Gnade, verbunden mit einem klaren ungehorsamen Schritt.
Dreißig Jahre sind für Gott kein Zeitraum, aber für ihn war es eine Zucht Gottes.
In Apostelgeschichte 16 sagt Paulus das zum Kerkermeister.
Nachher wurde die ganze Familie gläubig und getauft.
Man muss es als prophetische Verheißung für diesen Mann sehen, nicht als Verallgemeinerung.
Sonst bringt man gottesfürchtige Eltern in unberechtigte Not.
Wollen wir noch zum Schluss beten?
