Einführung in das Thema: Fallen und Aufstehen
Guten Morgen, ich möchte alle herzlich begrüßen. In der kommenden Stunde beschäftigen wir uns mit dem Thema Fallen und Aufstehen. Dabei geht es um Lektionen aus dem Buch der Richter.
Ich lese aus Richter 3,5-11:
Die Kinder Israel wohnten inmitten der Kanaaniter, Hethiter, Amoriter, Perisiter, Hewiter und Jebusiter. Sie nahmen deren Töchter zu Frauen und gaben ihre Töchter den Söhnen dieser Völker. Außerdem dienten sie deren Göttern.
Die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des Herrn. Sie vergaßen den Herrn, ihren Gott, und dienten den Baalim und den Ascherot. Daraufhin entbrannte der Zorn des Herrn erneut gegen Israel. Er verkaufte sie in die Hand Kuschan Rischataims, des Königs von Mesopotamien.
Die Kinder Israel dienten Kuschan Rischataim acht Jahre lang. Danach schrien sie zu dem Herrn. Der Herr erweckte ihnen einen Retter, der sie befreite: Othniel, den Sohn Kenas, den jüngeren Bruder von Kaleb.
Der Geist des Herrn kam über Othniel, und er richtete Israel. Er zog zum Kampf aus, und der Herr gab Kuschan Rischataim, den König von Aram, in seine Hand. Othniels Hand wurde stark gegen Kuschan Rischataim. Das Land hatte daraufhin vierzig Jahre Ruhe.
Schließlich starb Othniel, der Sohn Kenas. Danach taten die Kinder Israel erneut, was böse war in den Augen des Herrn.
Übergang vom Buch Joshua zum Buch der Richter
Bis dahin folgt das Buch der Richter auf das Buch Josua. Das ist ganz wichtig. Das Buch der Richter beginnt nämlich in Kapitel 1, Vers 1 mit dem Wort „und“. Im hebräischen Text heißt es ebenfalls „und“. Damit schließt das Buch der Richter direkt an das vorhergehende Buch Josua an.
Das erste Buch Mose ist das erste Buch der Bibel. Es beginnt nicht mit „und“, sondern mit dem Wort „Bereshit“, was „im Anfang“ bedeutet. Dagegen beginnt das Buch der Richter mit „und“. Das Buch Josua ist das Buch des Sieges. Im Gegensatz dazu ist das Buch der Richter das Buch des Niedergangs.
Im Buch Josua, dem Buch des Sieges und des Überwindens, ist der Ausgangspunkt Gilgal. Das ist ein typischer Ort. Israel lagerte in Gilgal (Josua 4), und von dort aus begann die Eroberung zunächst mit Jericho. Danach ging es weiter. Immer wieder kehrten sie nach Siegen nach Gilgal zurück.
Ich habe hier alle Stellen zusammengestellt: Josua 4, 5, 9, sowie viele Stellen in den Kapiteln 14 und 15. Immer wieder wird Gilgal erwähnt. Das war auch der Ort der Beschneidung.
Die Israeliten hatten sich während der Wüstenwanderung nicht beschneiden lassen. Sie gingen mit Josua ins Land hinein, aber bevor die Eroberungen begannen, ließen sich alle beschneiden. Das ist etwas ganz Wichtiges.
Die Beschneidung drückt für einen Mann aus: Ich bin ein Sünder. Und wenn ich ein Kind zeuge, werde ich wieder einen Sünder zeugen. Bei der Beschneidung muss Blut fließen. Das drückt aus: Meine Natur ist vor Gott verdorben, und ich habe Gottes Gericht verdient.
Wer das Gericht Gottes über seine verdorbene Natur anerkennt, weiß, dass er nicht mehr auf sich selbst vertrauen kann, sondern nur auf den Herrn und seine Kraft. Das war der Ausgangspunkt im Buch Josua für die überwältigenden Siege. Diese Siege waren Siege des Herrn, ohne Vertrauen auf sich selbst.
Sie erfolgten im Bewusstsein der eigenen verdorbenen Natur, die im Neuen Testament „das Fleisch“ genannt wird – die Sünde, die in uns wohnt.
Der Gegensatz im Buch der Richter: Bochim statt Gilgal
Im Buch Richter werden wir sehen, dass der typische Ort, der dieses Buch charakterisiert, nicht Gilgal ist, sondern Bochim. Bochim bedeutet „weinend“ und ist der Ort des Weinens, wie wir gleich noch sehen werden – jedoch ohne eine wirkliche Frucht der Buße.
Das Buch der Richter zeigt uns, wie man versagt. Es offenbart das Rezept dafür, wie alles abwärtsgeht. Genauso wie wir durch das Buch Josua lernen, wie wir mit dem Herrn siegen können, sehen wir im Buch Richter, wie es schiefgeht.
Wir lesen in Richter 1,1: Denn ich muss schon sagen, dass Richter 1 bis Kapitel 3, Vers 4 die Einleitung des Buches sind. Der Hauptteil beginnt mit der Geschichte Othniels, die wir am Anfang zusammen gelesen haben.
Im Vorwort heißt es: „Und es geschah nach dem Tod Josuas, da befragten die Kinder Israel den Herrn und sprachen: Wer von uns soll zuerst gegen die Kanaaniter hinaufziehen, um wieder mit ihnen zu streiten?“ Das klingt ganz gut, nicht wahr? Bevor sie etwas unternehmen, fragen sie den Herrn. Aber das ist die Ruhe vor dem Sturm.
In Vers 2 antwortete der Herr: „Judah soll hinaufziehen, und siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben.“ Und Judah sprach zu Simeon, seinem Bruder: „Zieh mit mir hinauf in mein Los, und lass uns gegen die Kanaaniter streiten.“ Simeon erwiderte: „So will auch ich mit dir in dein Los ziehen.“ Und Simeon zog mit ihm, und Judah zog hinauf. Der Herr gab die Kanaaniter und die Perisiter in ihre Hand.
Der Stamm Judah fragt also Gott nach seinem Willen. Gott gibt die Anweisung, dass Judah hinaufziehen soll, und verspricht den Sieg. Doch was macht der Stamm Judah? Sie gehen zum Stamm Simeon und bitten ihn, als Verstärkung mitzukommen. Von Simeon hatte Gott jedoch nichts gesagt, nur von Judah.
Das zeigt, dass es kein völliges Vertrauen auf den Herrn war. Man brauchte noch die Simeoniter. Hier liegt der Wurm drin. Das Buch der Richter beginnt mit einem kleinen Abweichen, und dann geht es immer weiter bergab. Es fehlt an wirklichem Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes.
Politischer Niedergang und Misserfolge bei der Landnahme
Und die Einleitung zeigt uns dann, wie es weitergeht. Ich möchte nur ein paar Verse so blitzlichtartig herausgreifen.
Schauen wir mal in Kapitel 1, Vers 21 – nein, schon Vers 19: „Und der Herr war mit Juda, und er nahm das Gebirge in Besitz, denn die Bewohner der Niederung trieben sie nicht aus, weil sie eiserne Wagen hatten.“
Das war nun kein vollkommener Sieg. Sie konnten einen Teil gar nicht vertreiben. Die Begründung lautet: „Weil sie eiserne Wagen hatten.“ Ja, das kann nicht die tiefste Begründung sein, sondern nur die äußerliche. Der Herr gibt eben nicht mehr volle Siege.
Dann lesen wir weiter in Vers 21: „Aber die Kinder Benjamin trieben die Jebusiter, die Bewohner von Jerusalem, nicht aus.“ In Vers 27 heißt es: „Aber Manasse trieb nicht aus Bet-Shean und seine Tochterstädte.“ Weiter am Schluss von Vers 27: „Und die Kanaaniter wollten in diesem Land bleiben.“
Ja, hallo! Gottes Wille war es, dass die Kanaaniter das Land den Israeliten übergeben mussten, denn die Kanaaniter waren zu der Zeit gerichtsreif. Gott hatte ihnen jahrhundertelang Gnade gegeben – ab Abraham als erstem Missionar, dann Isaak und Jakob. Aber sie blieben bei ihrem Kindermord, bei ihrer Magie und bei allem, was sie sonst noch taten. Jetzt kam die Zeit des Gerichts. Doch hier sagen die Kanaaniter: Wir wollen anders als Gott will.
Dann lese ich weiter in Vers 30: „Sebulon trieb nicht aus die Bewohner von Kitron.“ Vers 31: „Asser trieb nicht aus die Bewohner.“ Vers 33: „Naftali trieb nicht aus die Bewohner von Bechemisch.“ Ständig Misserfolg, ein Misserfolg nach dem anderen.
Wir müssen gut verstehen: Gott hatte, bevor Israel unter Josua ins Land ging, versprochen: „Das Land gehört euch, ich habe es euch gegeben.“ Das war der Segen, der irdische Segen für das irdische Volk Gottes – das wunderbare Land Israel, das schönste Land der Welt. Und das besaßen sie.
Aber unter Josua mussten sie dann hineingehen. Josua 1 sagt: „Jeder Fußtritt, wo er draufsteht, euch habe ich ihn gegeben.“ Sie mussten also das, was Gott ihnen grundsätzlich gegeben hatte, auch konkret und praktisch in Besitz nehmen.
Das können wir schön auf das himmlische Volk Gottes im Neuen Testament, die Gemeinde, anwenden. In Epheser 1, Vers 3 lesen wir: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus.“
Also in Christus ist uns aller geistlicher Segen gegeben. Wir haben ewiges Leben, Erlösung, Frieden mit Gott, sind gerechtfertigt durch Glauben, haben die vollkommene Vergebung, ein himmlisches Erbteil und so weiter.
Aber das ist etwas anderes, wenn man sagen kann: Ein Frischbekehrter hat den ganzen Segen. Jetzt muss er durch das Lesen der Bibel immer mehr diese Dinge auch konkret im Glauben erfassen und sich daran freuen.
Was heißt das: Ich habe ewiges Leben? Das ist nicht einfach nur ein Spruch, sondern beinhaltet etwas. Was heißt es: Ich habe Sicherheit des Heils? Niemand kann mich mehr aus der Hand des Erlösers und aus der Hand des Vaters reißen, und so weiter.
So erobert man gewissermaßen dieses geistliche Land. Aber da gibt es eben Feinde. Gerade im Epheserbrief wird in Kapitel 6, Vers 10 erklärt, dass es in den himmlischen Örtern, wo wir gesegnet sind, auch geistliche Mächte der Bosheit gibt.
Das sind unsere Feinde, und sie möchten, dass ein Wiedergeborener, ein Kind Gottes, diesen Segen nicht praktisch genießen kann. Ein Kind Gottes kann diesen Segen nicht mehr verlieren, aber den praktischen Genuss. Denn sehr wohl sind das die Feinde, die versuchen, eben zu vertreiben.
Rückschritte und Rückdrängung durch Feinde
Jetzt haben wir im Buch der Richter gesehen, dass es mit dem anfänglichen leichten Abweichen vom Wort immer weiter bergab geht. Die Menschen kommen nicht vorwärts. Sie können das, was Gott ihnen gegeben hat, nicht wirklich praktisch in Besitz nehmen und sich daran freuen.
Und jetzt wird es noch schlimmer. In Kapitel 1, Vers 34 heißt es: „Und die Amoriter drängten die Kinder Gottes ins Gebirge, denn sie gestatteten ihnen nicht, in die Niederung herabzukommen.“
Das ist noch schlimmer. Nicht nur, dass sie nicht vorankommen, jetzt werden sie von den Feinden sogar zurückgedrängt. Der Feind möchte den Kindern Gottes den praktischen Genuss dessen, was der Inhalt der ganzen Erlösung ist, wegnehmen.
Gottes Ermahnung in Bochim und die Bedeutung des Ortes
Und jetzt kommen wir zum Höhepunkt dieser Darstellung in Richter 1,1. Das ganze Kapitel 1 hindurch, und jetzt in Kapitel 2, Vers 1, geht es weiter:
Und der Bote des Herrn kam von Gilgal herauf nach Bochim. Wer ist das? Der Malach Adonai, diese geheimnisvolle Person im Alten Testament. Das ist nicht irgendein Engel des Herrn, sondern Malach, das heißt der Engel oder einfach der Bote. Malach ist nicht unbedingt ein Engel, sondern einfach einer, der geschickt ist. Malach Adonai, der Bote des Herrn, kommt immer wieder vor. Zum ersten Mal in 1. Mose 16 bei Hagar. Aber dann sieht man dort im Text, dass dieser Malach Adonai plötzlich Adonai genannt wird, der Ewige, der Herr Yahweh. Also diese Person ist Gott, aber sie ist geschickt von Gott.
Wie geht das? Weil in der einen Gottheit mehr als eine Person sind. Der Vater sendet den Sohn, der Malach Adonai. Das ist ganz konkret gesagt der Herr Jesus im Alten Testament.
Nochmal, Richter 2,1: Und der Malach Adonai, der Bote des Herrn, kam von Gilgal herauf nach Bochim. Und er sprach: Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und euch in das Land gebracht, das ich euren Vätern zugeschworen habe. Und ich sagte, ich werde meinen Bund mit euch nicht brechen ewiglich.
Ihr aber, ihr sollt keinen Bund mit den Bewohnern dieses Landes machen, ihre Altäre sollt ihr niederreißen. Aber ihr habt nicht meiner Stimme gehorcht. So habe ich auch gesagt: Ich werde sie nicht vor euch vertreiben, und sie werden zu euren Seiten sein. Ihre Götter werden euch zum Fallstrick werden.
Und es geschah, als der Malach Adonai diese Worte zu allen Kindern Israel redete, da erhob das Volk seine Stimme und weinte. Und sie gaben selbigem Ort den Namen Bochim, das heißt „Weinende“. Und sie opferten daselbst dem Herrn.
Sehen wir diese Misserfolge, und dann kommt der Herr selbst. Interessant ist, dass das erste Mal, wo man ihn sah auftreten, in Gilgal war. Gilgal ist ja der Ausgangsort des Sieges im Buch Josua, aber er geht von Gilgal weg nach Bochim. Das wird jetzt der charakteristische Ort für das Buch der Richter.
Und da sagt er: Was habt ihr getan? Ihr habt nicht auf mich gehört. Dann sehen wir das Volk Israel, sie beginnen alle zu weinen. Aber das waren Krokodilstränen.
Warum sagt man Krokodilstränen bei jemandem, der nicht wirklich Buße tut? Weil Weinen mit Tränen als Ausdruck der tiefen Traurigkeit nur Menschen können. Das können Affen nicht. Also, wenn jemand wissen will, was der Unterschied zwischen Mensch und Affe ist: Menschen können mit Tränen weinen, Affen nicht.
Aber es gibt auch andere Unterschiede, übrigens. Wirklich nur Menschen machen das, Tiere nicht. Krokodile können ganz große Tränen weinen, aber das hat gar nichts mit Emotionen zu tun, sondern mit einem Stoffwechselvorgang, der für die Krokodile wichtig ist, aber nichts mit Gefühlen.
Darum Krokodilstränen: Das sind Tränen der Buße, die gar keine wirkliche Buße sind. Sie opfern, sie weinen, aber sie kehren nicht um. Es gibt hier keine echte Umkehr. Sie weinen, und darum wird Bochim gewissermaßen der Ausgangsort für das Versagen im Buch der Richter.
Übrigens sind Krokodile wirklich gefühlslose Tiere. Ich war mal auf der größten Krokodilfarm der Welt mit hunderttausend Krokodilen und habe sie auch gefüttert mit Fischen. Das ist unglaublich. Sie sind da unten, mundoffen, keine Bewegung, keine Reaktion. Und dann komme ich mit dem Fisch an der Fischrute oben runter. Ja, da kann man Reaktion lernen. Ja, und der Fisch ist weg. Völlig ohne Gefühl, wie eine Maschine sind die. Man kann mit ihnen keinen Kontakt aufnehmen.
Bei Affen kann man das machen, und ja, dann ist es lustig. Aber bei Krokodilen geht das nicht. Ja, das zu den Krokodilstränen.
Also lernen wir daraus: Halber Gehorsam gegenüber Gottes Wort ist der Ausgangspunkt des Niedergangs. Am Ende dieses Buchs finden wir das Volk Israel charakterisiert durch Individualismus und Relativismus.
Der letzte Vers des Buchs heißt: „In jenen Tagen war kein König in Israel, ein jeder tat, was recht war in seinen Augen.“ Sie haben nicht gesagt: Das, was du tust, ist falsch, sondern: Wenn das für dich stimmt, dann ist es okay. Für mich ist es eben so. Es muss einfach für mich stimmen.
Jeder tut, was recht ist in seinen Augen. Es gibt keinen objektiven Maßstab. Sehen wir, das ist genau das Problem unserer Zeit. Es gibt keine absolute Wahrheit. Und das hat nun auch Eingang gefunden unter den evangelikalen Gemeinden.
Da spreche ich von einem evangelikalen Agnostizismus. Agnostiker sind nicht wirklich Atheisten, sie sagen, man kann nicht wissen, ob es Gott gibt. Aber vielleicht gibt es einen, und es ist auch gar nicht so wichtig. Agnostizismus heißt: Man kann es nicht wirklich wissen.
Und genau das Problem unter den Evangelikalen heute ist das. Schaut mal, zu diesem Abschnitt in der Bibel gibt es sechs Auslegungen. Der Dozent an der Bibelschule sagte: Ich neige zu Auslegung zwei, aber mit Auslegung fünf könnte ich auch leben.
Und jetzt möchte ich noch wissen, was der Bibeltext meint? Es ist nicht mehr klar. Eben, es ist ein evangelikaler Agnostizismus, und das führt eben dazu, dass ein jeder tut, was recht ist in seinen Augen.
Der siebenfache Refrain vom Abfall im Hauptteil des Buches
Im Buch der Richter finden wir im Hauptteil einen siebenfachen Refrain vom Abfall. Das erste Mal begegnet er uns in Kapitel 3, Vers 7. Dort lesen wir: „Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des Herrn, und vergassen den Herrn, ihren Gott, und dienten den Baalim und den Ascherot.“
Jetzt beginnt die erste Geschichte vom Abfall von Gott, die Geschichte von Dann. In Vers 12 folgt die zweite Geschichte, eingeleitet durch den Refrain: „Und die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des Herrn.“ Danach folgt die Geschichte mit Ehud.
Das dritte Mal finden wir den Refrain in Kapitel 4, Vers 1: „Und die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des Herrn.“ Nun beginnt die Geschichte von Deborah und Barak.
So geht es weiter. Der Refrain erscheint mit kleinen Variationen, zum Beispiel in Kapitel 8, Vers 33, und von Kapitel 10, Vers 6 bis Kapitel 13, Vers 1 insgesamt siebenmal. Dieser Refrain ist die literarische Markierung für den Hauptteil, der aus sieben Abfallgeschichten besteht.
Ich habe einmal in Deutschland darüber gesprochen. Dabei meldete sich ein Ausländer und fragte: „Was meinen Sie mit Abfall? Ist das Müll?“ Daraufhin erklärte ich, dass Abfall hier Apostasie bedeutet, also das Sich-Wegwenden von Gott und seinem Wort. So habe ich das gewissermaßen erläutert und hinzugefügt, dass es natürlich auch Müll im übertragenen Sinn ist.
So ergeben sich im Buch der Richter eben sieben Abfallgeschichten. Daraus entsteht eine wunderbare Struktur.
Aufbau des Buches der Richter: Vorwort, Hauptteil und Schlusswort
Wir haben ein Vorwort aus zwei Teilen und ein Schlusswort ebenfalls aus zwei Teilen. Dazwischen befindet sich der Hauptteil mit den sieben Abfallsgeschichten: Othniel, Ehud, Deborah, Gideon, Abimelech, Jephtha und Simson. Das sind die sieben Geschichten.
Das Vorwort ist zweigeteilt. Der erste Teil, Richter 1,1 bis 2,5, zeigt den politischen Niedergang. Das bedeutet politisch einen Misserfolg bei der Landnahme und eine Unterlassung des Guten. Das Volk kommt nicht voran, so wie Gott es gesagt hat: „Nehmt das Land in Besitz.“
Dann folgt Kapitel 2, Vers 6 als zweiter Teil im Vorwort. Man muss dort einmal aufschlagen: „Und Josua entließ das Volk, und die Kinder Israel gingen hin, ein jeder in sein Erbteil.“ Aber was hatten wir in Kapitel 1,1 gelesen? „Und es geschah nach dem Tod Josuas.“ Nun lebt Josua plötzlich wieder? Nein. Der erste Teil, „nach dem Tod Josuas“, geht bis 2,5. Ab 2,6 wird zeitlich in die Zeit von Josua zurückgegriffen.
Das ist der zweite Teil der Einleitung. Hier geht es um den religiösen Niedergang. Es wird gezeigt, dass Israel sich von Gott abgewandt hat und in Götzendienst und Abfall hineingekommen ist. Sie taten das Böse. Im ersten Teil unterließen sie das Gute, hier aber handeln sie aktiv böse.
Im Anhang, das sind die Kapitel 17 bis 21, geht der Schreiber des Richterbuches wieder ganz in die Anfangszeit zurück. Diese Kapitel schließen sich zeitlich nicht an die Geschichte von Simson an, sondern führen wieder zurück in die Anfangszeit.
Im ersten Teil, Kapitel 17 und 18, wird der religiöse Niedergang an einer Geschichte illustriert, wie der Götzendienst in den Stamm Dan kommt. Dann folgt der politische Niedergang in den Kapiteln 19 bis 21 mit dem Bürgerkrieg in Israel.
Das Buch ist also so aufgebaut, dass das Vorwort sich mit dem Schlusswort spiegelt. Zuerst politischer Niedergang, dann religiöser Niedergang. Am Schluss dann religiöser Niedergang und politischer Niedergang. Darum habe ich das als A B und am Schluss als B A B' A' bezeichnet. Das Erste spiegelt sich mit dem Letzten, das Zweite mit dem Zweitletzten.
Das Gleiche gilt für die Hauptgeschichte mit den sieben Abfallsgeschichten, die sich so spiegeln, dass daraus ein siebenarmiger Leuchter entsteht. Die erste Geschichte ist die von Othniel. Sie spiegelt sich mit der letzten Geschichte von Simson. Die erste Lampe mit der letzten Lampe.
Die zweite Lampe, die Geschichte von Ehud, spiegelt sich mit der Geschichte von Jephtha. Die Geschichte von Deborah mit Barak, die dritte Lampe, spiegelt sich mit der Geschichte von Abimelech, der drittletzten Lampe.
In der Mitte steht das Zentrum des Buches der Richter: die Geschichte von Gideon. Dort spiegelt sich der erste Teil mit dem zweiten Teil. Dabei gilt stets, dass das Erste noch etwas Besseres in sich hat. Die Spiegelung ist eine Verschlimmerung. Das ist ein wichtiger Grundsatz.
Wir haben hier sieben Abfallsgeschichten. Jedes Mal gibt Gott Gnade, damit das Volk wieder zurückkommen kann. Es ist also ein Buch, in dem die Gnade Gottes aufleuchtet.
Aber Achtung: Es wird uns erklärt, dass es keine billige Gnade gibt. In der Einleitung, Richter 2, wird klargemacht, dass mit jedem Abfall alles schlimmer wurde als zuvor. Vers 19: „Und es geschah, wenn der Richter starb, so verderbten sie sich wiederum mehr als ihre Väter, indem sie anderen Göttern nachgingen.“
Ich habe in meiner Bibel das Wort „mehr“ speziell markiert. Sie sind einmal abgefallen, aber Gott hat Gnade gegeben durch Othniel. Dann fielen sie wieder ab. Doch der nächste Abfall war ein tieferer Fall. Natürlich hat Gott sie wieder zurückgebracht, aber der nächste Abfall war noch schlimmer.
Es gibt keine billige Gnade, bei der man denken könnte: „Ja, ich kann ja nach dem Herrn die Sünde wieder bekennen, und nach 1. Johannes 1,9 ist dann alles wieder okay.“ So mit der Gnade zu spielen, das geht nicht.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Ein Abfall – der Herr gibt Gnade, um zurückzukehren. Aber das kann bedeuten, dass der nächste Abfall noch tiefer geht. So ist das im Buch der Richter sehr eindrücklich zu sehen.
Die sieben Abfallgeschichten und ihre Schwerpunkte
Schauen wir uns Othniel an: Das Volk versagt auf dem Gebiet der Liebe und Ehe. In jeder Geschichte ist das Hauptproblem ein anderes. In der ersten Geschichte geht es um das Problem von Liebe und Ehe. Dort lesen wir in Kapitel 3, Vers 6: „Und sie nahmen sich deren Töchter zu Frauen und gaben ihre Töchter deren Söhnen und dienten ihren Göttern.“
Das bedeutet, sie begannen, Ehen mit Götzendienern, Ungläubigen, den Kananitern, zu schließen. Sie dachten, das sei kein Problem, man könne doch eine Mischehe eingehen. Doch das war ein Problem. Denn 5. Mose 7 warnt ganz klar: Das dürft ihr niemals tun, denn die Ungläubigen werden euch ins Böse hineinziehen, nicht ihr sie zum Guten.
Im Neuen Testament ist dieser Grundsatz ebenfalls eindeutig. Es gibt keine Ausnahme. Eine Frau in der Seelsorge sagte mir einmal: „Ja, ja, Sie wissen schon, man dürfe eigentlich keinen Ungläubigen heiraten, aber das war jetzt ein Ausnahmefall.“ Und das wurde sogar durch einen Traum bestätigt.
In 2. Korinther 6,14 lesen wir: „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen; denn welche Gemeinschaft hat Gerechtigkeit mit Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung hat Christus mit Belial?“ (Belial ist ein Name für den Satan.) „Oder welches Teil hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen?“
Das ungleiche Joch bezieht sich auf das Gebot in 3. Mose, wo man nicht zwei verschiedene Tiere zusammenjochen darf, zum Beispiel einen Esel und einen Ochsen. Das tut den Tieren weh, denn ein Esel geht anders als eine Kuh. Das Joch drückt und verursacht unnötige Schmerzen. Zwei Esel oder zwei Rinder zusammenjochen ist dagegen möglich.
„Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen“ bedeutet, dass ein Gläubiger und ein Ungläubiger in der Ehe nicht zusammengefügt werden dürfen. Das ist ein Befehl, ein Imperativ. Dieser Grundsatz galt im Alten wie im Neuen Testament. Trotzdem haben sie sich darüber hinweggesetzt.
Schauen wir uns nun die letzte Abfallgeschichte an, die Geschichte von Simson. Dort versagt der Richter völlig auf dem Gebiet der Liebe und Ehe. Simson hatte ein riesiges Problem, erstens mit seinen Augen und zweitens mit Frauen. Er heiratete eine Götzendienerin – und es ging schief. Dann heiratete er wieder eine Götzendienerin und beging sogar Unzucht mit ihr. Furchtbar!
Das, was am Anfang das Hauptproblem des Volkes war, wurde durch einen Richter, der eigentlich ein Vorbild sein sollte, zurückgeholt. Doch am Ende fiel gerade dieser Richter in dasselbe Problem.
Die zweite Abfallgeschichte handelt von Ehud. Ehud geht mit einem Schwert und einem Mantel zum Feind. Er war Linkshänder, weshalb niemand erwartete, dass er seine Hand langsam hervorholte. Als er beim feindlichen König von Moab war, zog er überraschend das Schwert. Dann sagte er: „Ein Wort Gottes habe ich für dich“ und besiegte den Feind.
Das zweischneidige Schwert in Richter 3 ist ein schönes Bild für das Wort Gottes in seiner ganzen Schärfe. Es wurde auf den Feind angewandt. Israel konnte daraufhin die Furten des Jordan nehmen und den Feind besiegen (Richter 3,28).
Nun zur Geschichte von Jephtha. Jephtha geht zum feindlichen König und hält eine lange Rede. Er erklärt: „Euer Gott hat euch euer Land gegeben, und unser Gott hat uns unser Land gegeben. Warum sollten wir ein Problem haben? Wir sollen doch einfach jeden stehen lassen.“
Ist das die Schärfe des Wortes Gottes? Nein, er macht Diplomatie, aber kein klares Wort Gottes. Dann kommt es zum Kampf. Innerhalb Israels kämpft Israel gegen Israel. Israel nimmt die Furten des Jordan. Das sehen wir nur im Buch der Richter, nämlich bei Ehud und hier. Doch diesmal ist es schlimm, denn der Feind kommt aus dem eigenen Volk.
Kommen wir zur Geschichte von Deborah und Barak. Der Höhepunkt ist, dass eine Frau Israel rettet, indem sie den Schädel des Feindes zerschlägt. Das war Jael, die mit einem Zeltpflock den Schädel von Sisera zerstörte. Das ist der Höhepunkt der Geschichte.
In der Spiegelgeschichte bei Abimelech geschieht Ähnliches. Auf dem Höhepunkt rettet eine Frau Israel, indem sie den Schädel des Feindes zerschlägt (Richter 9,53). Sie wirft einen Stein von oben vom Turm herunter, und der Schädel von Abimelech wird zerschlagen. Das bringt die Befreiung für Israel.
Doch hier ist es tragisch: Bei Deborah und Barak war der Schädel der eines Feindes von außen. Bei Abimelech aber war der Feind ein Israelit. Der Feind kam aus dem Volk Gottes selbst.
In der Mitte des Buches steht die Geschichte von Gideon, entsprechend dem Hauptleuchter bei der Menora. Im ersten Teil führt Gideon das Volk aus dem Götzendienst heraus. In keiner anderen Geschichte wird so deutlich gezeigt, wie ein Richter den Götzendienst bekämpft.
Doch in der zweiten Hälfte, am Schluss, führt Gideon das Volk wieder zum Götzendienst zurück, indem er ein Ephod aufstellt, das angebetet wird.
So ist das Buch der Richter aufgebaut. Die Belehrung dahinter ist: Das Volk Israel sollte eigentlich ein Zeugnis für die Völker sein, wie der Leuchter, der das Licht Gottes weitergibt. Doch wir sehen, das Zeugnis wurde immer schlechter.
Das Licht war jedoch da, denn das Buch der Richter zeigt uns Gottes Gnade, Gottes wiederherstellende Gnade.
Die Bedeutung des Aufstehens trotz Fallens
In Sprüche 24,17 heißt es – und das hat Paul Kiene, der Autor dieses schönen Buches über die Stiftshütte, immer wieder betont. Es ist das schönste Buch über die Stiftshütte, das Heiligtum Gottes in der Wüste Sinai. Wer es nicht hat, dem kann ich es von Herzen empfehlen.
Paul Kiene ist bereits lange beim Herrn. Als er jedoch beim Skifahren gefallen war, zitierte er immer wieder Sprüche 24,16: „Der Gerechte fällt siebenmal und steht wieder auf.“ Das war sein „Langlaufspruch“.
Diese Aussage fasst genau die Botschaft des Buches der Richter zusammen: „Der Gerechte fällt siebenmal.“ Israel wird ja in 5. Mose Jeschurun genannt, der Aufrichtige. Das Volk Gottes fällt, aber es steht durch die Gnade Gottes wieder auf. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine billige Gnade – das ist die besondere Warnung.
Hier sehen wir diese Botschaft noch etwas klarer. Nochmals: Othniel, erste Lampe; Schamgar mit Simson; Ehud mit Jephtha; Deborah mit Abimelech; und Gideon mit Gideon. Ja? A, B, C, D, D’, C’, B’, A’.
Autorenschaft und weitere Richter im Buch
Übrigens ist das Buch der Richter das siebte Buch der Bibel. Zuerst folgen die fünf Bücher Mose, dann das Buch Josua und anschließend das Buch der Richter. Es wurde, wie wir durch die jüdische Überlieferung im Talmud, Traktat Baba Batra, Abschnitt fünfzehn, wissen, vom Propheten Samuel geschrieben.
Im Buch der Richter finden wir sieben Abfallgeschichten, aber Samuel beschreibt insgesamt vierzehn Richter. Das bedeutet zweimal sieben Richter, nämlich Othniel, Ehud, Shamgar, Deborah, Barak, Gideon, Abimelech, Tola, Jair, Jefta, Ibtzan, Elon, Abdon und Simson. Eli und Samuel selbst werden nicht als Richter im Buch der Richter erwähnt. Ihre Geschichte folgt erst im Buch Samuel, das ebenfalls von Samuel verfasst wurde. Eli war sein Vorgänger und zog ihn in der Stiftshütte auf, bevor Samuel als Richter wirkte.
Es ist bemerkenswert, dass Gott immer wieder einzelne Menschen als Werkzeuge benutzt hat, um Israel zu helfen. Dabei handelt es sich meist um einzelne Männer oder, wie im Fall Deborahs, eine Frau. Das zeigt, wie wichtig der Einzelne im Volk Gottes ist. Es kommt auf jeden Einzelnen an, damit ein Aufbruch zum Guten stattfinden kann. Auch im Buch der Könige finden wir viele Beispiele dafür, dass es auf eine einzelne Person ankommt, die andere mitzieht – sei es zum Guten oder zum Falschen.
Die Werkzeuge, die Gott im Buch der Richter benutzt, sind sehr auffällig. Ehud war beispielsweise Linkshänder, wie zu Beginn vorgelesen wurde. Er stammte aus dem Stamm Benjamin. Das ist ein Wortspiel, denn Benjamin bedeutet „Sohn der rechten Hand“, während Ehud Linkshänder war. Später im Buch der Richter finden wir die Geschichte von tausenden Benjaminitern, die alle links waren, aber hervorragend schießen konnten. Das sind Wortspiele, die die Erzählungen lebendig machen.
Die Überraschung durch einen Linkshänder, der zum Wandel greift und schließlich das Schwert zieht, war der entscheidende Effekt, um Israel durch Ehud zu befreien. Früher hatten Linkshänder manchmal Komplexe, und in der Lehre wurde versucht, sie umzugewöhnen. Das ist jedoch nicht nötig, denn Linkshändigkeit ist keine Sünde, sondern einfach eine Variante. Gott kann Linkshänder ganz besonders gebrauchen, je nach Situation.
Dann gibt es Schamgar, der Israel mit einem Rinderstachel befreit. Deborah, die Richterin und Prophetin, ist ebenfalls sehr auffällig und ungewöhnlich. Sie sieht sich nicht als Vaterfigur, sondern bezeichnet sich in Richter 5,7 als Mutter in Israel. Das ist wichtig: Wir brauchen Mütter in Israel, die nicht versuchen, Männer zu werden. Ein Vater in Israel ist keine Mutter, so ist das.
Barak war führungsscheu, wurde aber trotzdem von Gott benutzt. Yael, eine Frau mit einem Zeltpflock, gab dem Feind zuerst Milch statt Wasser. Dadurch schlief er gut ein, und sie besiegte ihn. Das ist interessant, weil in der Werbung oft behauptet wird, Milch mache müde Männer wieder munter. Das stimmt nicht, denn Milch enthält ein Enzym, das den Schlaf fördert. In Richter 5 steht, dass der Feind Wasser verlangte, sie ihm aber Milch gab, damit er gut schläft.
Weiter geht es mit Gideon und seinen 300 Leuten, die wie Hunde trinken. Genau diese benutzt Gott. Gideons ungewöhnlicher Kampf mit Krügen und Schofahörnern ist ebenfalls bemerkenswert. Jefta, der Hurensohn, ist ein weiteres Werkzeug Gottes. Simson schließlich war ein barbarischer Mensch, der mit Schakalen und einem Eselskinnbacken kämpfte.
Diese Menschen sind wirklich sehr seltsam. Doch das ist ermutigend: Wenn man das Gefühl hat, ein bisschen komisch zu sein, kann man daraus schließen, dass gerade solche Menschen von Gott gebraucht werden, wenn sie sich gebrauchen lassen. Das ist der Punkt. Es gibt keinen Grund, Komplexe zu haben, wenn man ein wenig originell oder ungewöhnlich ist. „Seltsam“ bedeutet hier eben, dass man selten ist – in der Art.
Gottes Zorn und Gnade im Buch der Richter
Die Botschaft im Buch der Richter zeigt uns Gottes Zorn über die Sünde. So wie sich im Buch Josua Gottes Segen für Gehorsam auswirkte, kann im Buch der Richter Gottes Fluch für Ungehorsam über das Volk Gottes kommen.
Dennoch sehen wir hier auch Gottes strahlende Gnade und Vergebungsbereitschaft. Jedes Mal, wenn das Volk zu Gott schrie, wirkte Gott siebenmal einen Neuanfang.
Gleichzeitig zeigt das Buch aber auch die abwärtstreibende Spirale der Sünde. Mit jedem weiteren Abfall wurde es schlimmer als zuvor. Im Anhang, in den Kapiteln Richter 17 bis 21, wird es so schlimm, dass man hier zusammenfassend sagen kann: Viele Menschen haben sich an diesen Kapiteln gestoßen. Wie können so schreckliche Geschichten in der Bibel stehen?
Diese Geschichten stehen wirklich furchtbar in der Bibel, aber nebenbei gesagt: Es ist kein Film, es ist kein Video. Das wäre ganz etwas anderes, wenn Richter 17 bis 21 ein Video wäre. Wenn man das liest, wirkt das auf die Seele des Menschen ganz anders. Ein Video zieht die Persönlichkeit, die Seele hinein. Ein Film kann die Tiefen der Seele durchdringen mit einer Durchdringungskraft, die unheimlich ist. Dadurch befleckt man sich so leicht mit Filmen.
Aber hier handelt es sich eben um eine Beschreibung, und Gott will, dass wir das wissen. Ein Bruch mit Gott führt zum Bruch mit dem Menschen.
Zuerst wird in Richter 17 eine schlimme Ehebruchsgeschichte vorgestellt. Dann geht es weiter mit Massenvergewaltigung, Mord, Perversion und schließlich Bürgerkrieg und Menschenraub. Das zeigt die Verdorbenheit des Menschen. Es zeigt: Der Bruch mit Gott führt zum Bruch mit dem Menschen.
Jetzt verstehen wir unsere Gesellschaft viel besser. Das ist die Konsequenz. Wie der Mensch denkt, so ist er, sagt das Buch der Sprüche.
Und es ist auch eine Ermahnung an die Erlösten. Es ist ein Aufruf zu völliger Hingabe an den Herrn – ohne faule Kompromisse. Das ist der Punkt: ohne faule Kompromisse.
Othniel als Werkzeug Gottes bei Eheproblemen
Und jetzt schauen wir uns Othniel an. Othniel wurde als Richter eingesetzt, als Israel Probleme im Bereich von Liebe und Ehe hatte. Warum gerade Othniel und niemand anders? Eine kleine Geschichte im Vorwort macht das deutlich.
Es handelt sich um eine kurze Anekdote über seine Heirat. Dabei geht es um die Eroberung von Debir, auch Kirjat Sefer genannt, im Süden des Stammes Juda. Kaleb sprach: „Wer Kirjat Sefer schlägt und einnimmt, dem gebe ich meine Tochter Aksa zur Frau.“
Othniel, der Sohn Kenas und der jüngere Bruder Kalebs, eroberte die Stadt und erhielt Aksa zur Frau. Als sie einzog, forderte sie von ihrem Vater ein Feld. Sie sprang vom Esel herunter, und Kaleb fragte sie: „Was ist hier?“ Sie antwortete: „Gib mir einen Segen! Denn du hast mir ein Mittagsland oder Negevland gegeben. So gib mir auch Wasserquellen.“ Daraufhin gab ihr Kaleb die oberen und unteren Quellen.
Es ging also um die Stadt Kirjat Sefer. Kaleb wollte seine Tochter nicht einfach irgendwem geben, sondern jemandem, der sein Interesse teilt. Othniel eroberte Debir, das zuvor Kirjat Sefer hieß.
Das bedeutet, dass Othniel ein Mann war, der den Segen Gottes und das, was Gott Israel zugesagt hatte, wirklich konkret erobern wollte. Er liebte die Dinge des Herrn und seinen Segen. Er eroberte Kirjat Sefer, dessen Name „Stadt des Buches“ bedeutet. Später wurde die Stadt Debir genannt.
Interessant ist, dass Debir in 1. Könige 6 der Name für das Allerheiligste im Tempel ist – der Ort, an dem Gott spricht. Kirjat Sefer war eine geschlossene Stadt, ähnlich wie die Bibel für uns ein verschlossenes Buch sein kann. Doch wer den Segen Gottes wirklich kennenlernen will, erobert Kirjat Sefer. Dann wird daraus Debir, der Ort, an dem Gott zu uns spricht.
Durch all diese alten Geschichten hören wir die Stimme Gottes direkt zu uns. Das ist beeindruckend. Othniel hat die Achsa verdient. Diese war nicht einfach zufrieden, sondern wollte mehr. Wir haben gelesen, dass sie ihn antrieb, noch mehr von ihrem Vater zu fordern – auch ein Feld.
Doch es ging ihr zu langsam. Sie stieg vom Esel herunter und ging selbst zum Vater. Kaleb fragte: „Was ist mit dir?“ Sie sagte, sie wolle auch die Quellen oben haben. Denn es war ein Wüstenland, und Wasserquellen waren wichtig. So erhielt sie die oberen und unteren Quellen.
Man kann den Charakter eines Menschen daran erkennen, wie er vom Pferd oder Esel steigt. Achsa sprang vom Esel herunter – sie hatte Temperament.
Das ist eine Frau, die die Dinge des Herrn liebt und ihren Mann antreibt. Es gibt Männer, die von ihren Frauen angetrieben werden – aber manchmal in die falsche Richtung. Andere Frauen treiben ihre Männer zum Guten an. Das sollte man sich zum Vorbild nehmen.
Als Sarah Abraham riet, die Magd zu heiraten, sollte er nicht auf sie hören. Doch später sagte Gott, er solle auf die Stimme seiner Frau Sarai hören. Man muss wissen, wann man auf die Frau hören sollte und wann nicht. Am besten ist es, eine Achsa zu sein, die immer zum Guten anspornt.
Frauen sind Motoren der Männer. Das ist eine unglaublich wichtige Aufgabe. Wenn ein Mann in der Öffentlichkeit oder anderswo Erfolg hat, sollte man schauen, wer hinter ihm steht.
Wir sehen, dass Othniel die richtige Frau aus dem Volk Gottes geheiratet hat – nicht einfach eine Gläubige, sondern eine, die auch die Dinge des Herrn liebt. Das ist sehr wichtig bei der Heirat, dass auch geistlich eine Übereinstimmung besteht, sodass man sich gegenseitig positiv unterstützt und ermutigt.
So konnte Gott einen solchen Mann gebrauchen, um Israel zu helfen, als sie Probleme im Bereich von Liebe und Ehe hatten. Immer wenn wir in einer Sache Überwinder sind, kann der Herr uns gebrauchen, um auch anderen zu helfen, Überwinder zu werden.
Der Feind Kuschan Rischataim und die Zeit der Ruhe
Und bedenken wir: Wer war der Feind? Kuschan Rishataim – das ist ein ungewöhnlicher Name. Kuschan bedeutet auf Hebräisch „Schwarz“. Rishataim steht für doppelte Gottlosigkeit. Wirklich, „-ayim“ ist der Dual, also doppelt. Kuschan Rishataim heißt also „schwarze doppelte Gottlosigkeit“. In dieser Zeit war das Volk Gottes gefangen. Adniel mit seiner glücklichen Ehe wurde als Werkzeug gebraucht.
Dann kam das Land für vierzig Jahre zur Ruhe (Richter 3,11). Doch danach fielen sie wieder ab. Gott gab sie daraufhin für achtzehn Jahre in die Hand eines anderen Feindes. Der Feind wechselt immer, aber es ist immer das Gleiche: Sie fallen ab.
Wenn man alle Zahlen zusammenrechnet – Ruhezeiten und Unterdrückungszeiten – gibt es viele Zahlen im Buch der Richter. Wenn man diese zusammenzählt, bekommt man beim Bibellesen Probleme. Es ist nämlich so: Wenn man 1. Könige 6,1 liest, heißt es, Salomo baute im vierten Jahr seiner Regierung den Tempel. Und dort steht, dass dies im 480. Jahr nach dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten geschah. Vom Auszug aus Ägypten bis zum vierten Jahr Salomos sollten es also 480 Jahre sein.
Doch wenn man nun zusammenzählt: Zuerst waren da die 40 Jahre Wüstenwanderung. Dann muss man ein bisschen schlau mit x und y rechnen bei den Zahlenangaben. So findet man heraus, dass die Landnahme unter Josua sechs Jahre dauerte. Danach vergingen 14 Jahre bis zum ersten Richter. Wenn man dann alles zusammenzählt – die Ruhezeiten von Othniel, die Unterdrückungszeiten und so weiter – bis zu Samuel, kommt man exakt auf 450 Jahre.
Nach Samuel kamen Saul mit 40 Jahren, David mit 40 Jahren und schließlich Salomo mit vier Jahren. Zusammen ergibt das 594 Jahre. Was stimmt also? Einige sagen, es sind 480 Jahre. Man muss bedenken, dass die Richter nicht schön nacheinander wirkten, sondern an verschiedenen Orten auch gleichzeitig. So könnte man die Zeit zusammenrechnen und verkürzen.
Das funktioniert aber nicht, denn in Apostelgeschichte 13,20 spricht der Apostel Paulus ausdrücklich von 450 Jahren nach der Landnahme. Das sind die Jahre der Richter.
Jetzt scheinen sich Bibelstellen zu widersprechen. Entscheidend ist, welche Bibelhaltung man hat: Die Bibel ist Gottes Wort. Also sucht man nach einer Lösung.
Nun muss man alle Jahre zusammenrechnen, in denen Israel unter Fremdherrschaft stand: bei Kuschan Rishataim acht Jahre, dann bei Moab achtzehn Jahre und so weiter. Insgesamt sind es genau 114 Jahre, inklusive der drei Jahre von Abimelech, seiner Gewaltherrschaft.
Was ergibt das? 594 minus 114 ergibt 480 Jahre. Es gibt also keine Zahlenfehler. Das erste Buch der Könige rechnet aber diese verlorene Zeit Israels wegen Ungehorsams und der Zucht Gottes nicht mit.
Daraus lernen wir etwas sehr Wichtiges: All die Zeiten in unserem Leben, in denen wir eigene Wege gehen und vom Wort Gottes abweichen – am Anfang nur ein spitzer Winkel, nur ein paar Zentimeter –, wachsen mit der Zeit. Wenn man einen Kilometer weitergeht, wird die Winkelöffnung viel größer. So geht das langsam immer weiter abwärts.
Das sind verlorene Zeiten. Wir werden einmal lohnverlustig gehen. In 1. Korinther 3 heißt es, dass Holz, Heu und Stroh – also Werke, die vor Gott nichts zählen – verbrennen werden. Der wahre Gläubige wird zwar gerettet werden, aber durch das Feuer hindurch Schaden erleiden.
Wenn wir morgen in den Montag starten, müssen wir daran denken: Der graue Alltag im Licht der Ewigkeit ist von Bedeutung. Es wird Lohn geben für die Ewigkeit. Aber ich kann den Tag vergeuden – und das kommt nicht mehr zurück.
Verlorene Tage – um die können wir einmal weinen vor dem Richterstuhl Christi. Doch Gott kann diese verlorenen Zeiten nicht mitzählen. Deshalb sind es 480 Jahre.
Archäologischer Ausflug zu Simsons Geschichte
Zum Schluss möchte ich noch einen kleinen archäologischen Anhang zur letzten Geschichte hinzufügen. Es geht um den Kontrast zu Othniel und Simson, der als Richter selbst Probleme im Bereich der Liebe und Ehe hatte.
Immer wieder betont der Bibeltext, dass die Augen von Simson das Problem waren. Er sah eine Frau, und dort begann alles. Das Sehen an sich ist nicht das Problem, sondern es kommt darauf an, was im Kopf geschieht. Dann kann es zur Sünde werden. So war es bei ihm. Am Ende werden ihm die Augen ausgestochen. Er verliert seine Kraft und wird von den Philistern in ihren Tempel gebracht.
Dort ist er nun blind. Man gibt ihm ein Saiteninstrument, das er ein wenig spielen soll. Während ihres Gottesdienstes lachen sich die Philister darüber tot. Geht das? Ja, natürlich, bei den Heiden ist das möglich. Im Gottesdienst für den Gott Dagon, so meine ich, kann man sich tatsächlich totlachen. Dieser Gott sollte sie unterhalten, sagt der Bibeltext.
Dann erlebt Simson eine Umkehr. Er bittet: „Herr, gib mir noch einmal Kraft!“ Er streckt seine Hände zu den Säulen im Philistertempel aus, und der ganze Tempel stürzt ein. Natürlich fragen Kritiker: Wie kann das gehen? Zwei Säulen, und dann fällt das ganze Haus zusammen? Dabei sterben alle, die auf dem Dach und im Tempel waren.
Ich möchte einen kleinen Ausflug nach Tel Aviv machen: Im Süden der Stadt gibt es eine Ausgrabungsstätte. Dort findet man eine alte philistäische Stadt und auch einen philistäischen Tempel. Man sieht dort zwei Säulen, die ich fotografiert habe. Das sind die Zentralsäulen des Hauses, die das Ganze tragen. Sie stehen sehr nah beieinander.
Diese Architektur war ganz speziell – nicht die der Kanaaniter, sondern der Philister, die Simson gefangen genommen hatten. Deshalb konnte Simson seine Hände ausbreiten und alles zerstören. Diese Stätte heißt Tel Kassile und liegt im Süden von Tel Aviv. Es lohnt sich, einen Ausflug dorthin zu machen. Einfach das GPS darauf einstellen, und man findet Tel Kassile.
Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, wie exakt und genau das Wort Gottes ist. Es lohnt sich nicht, der Bibel Fehler zu unterstellen – weder bei Zahlen noch bei Architekturangaben oder an anderen Stellen. Die Bibel hat immer Recht.
Es ist nicht unbedingt gut, immer Recht haben zu wollen – das steckt ja in uns allen. Aber wer sich auf die Seite Gottes und seines Wortes stellt, hat immer Recht. So ist es.
Darum gilt: Wenn man die Bibel liest und auf schwierige Stellen stößt, zum Beispiel wie ein Tempel durch zwei Säulen einstürzen kann, sollte man diese einfach stehen lassen, bis der Herr uns Klarheit gibt – wenn nicht hier, dann im Himmel.
Wir stellen uns auf die Seite des Wortes, und dann sind wir immer auf der richtigen Seite.
Schlussgebet
Wir wollen noch gemeinsam beten.
Herr Jesus, wir preisen Dich, dass Du uns Dein Wort gegeben hast. Dieses Wort lässt uns Deine Gnade erkennen, zeigt uns aber auch unsere Verantwortung. Gib uns allen, jedem Einzelnen von uns, die Gnade, an Deinem Wort festzuhalten.
Wenn wir merken, dass wir nicht gehorsam sind und irgendwie von Deinem Wort abweichen, hilf uns, sofort zurückzukehren. Lass nicht zu, dass daraus ein langer Weg entsteht, der uns weit von Dir entfernt.
Danke für Deine wiederherstellende, herrliche Gnade. Du bist bereit, dem, der wirklich umkehrt, zu vergeben – nicht mit Krokodilstränen, sondern mit echten Tränen – und ihn im Dienst für Dich wiederherzustellen.
Wir danken Dir und preisen Dich. Amen.