Einführung: Ein Blick in die Geschichte Abrahams
Wir machen jetzt wieder den ganz gewaltigen Sprung und reisen über viertausend Jahre zurück. Unser Herr war vor zweitausend Jahren hier, aber Abrahams Geschichte ist noch einmal zweitausend Jahre älter. Was hat uns das heute noch zu sagen?
Ich staune, wie aktuell das wird, wenn wir Gottes Wort studieren. Heute finden wir in Abraham, den wir jetzt schon ein bisschen näher kennen, einen Hirten unter den Therabindern. Er sitzt ganz gemütlich im Schatten seines Zeltes. Sarah stopft gerade die Wäsche, und Abraham ist ganz gemächlich und entspannt.
Plötzlich kommt von unten aus der Jordanebene jemand hochgehastet, wirbelt ein bisschen Staub auf und ist selber schweißnass. Er stürzt dann vor das Zelt und ruft: „Vater Abraham, weißt du, was passiert ist?“ Er ist völlig außer Atem.
Es gab eine Schlacht da unten im Tal Sidim. Ein Koalitionsheer, bestehend aus vier Königen, hat dort alles plattgemacht. Sie überfielen Adama, Sodom, Gomorra, Zoda, Zohar – und was nicht fest und sicher war, nahmen sie mit. Sie raubten Hab und Gut, Vorräte und auch Lot, der ebenfalls dort war. Seine ganze Familie und seine Habe wurden mitgenommen.
Und Abraham – daher unser Motto – was sagt er? „Schön blöd von Lot“, habe ich mir gleich gedacht. „Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Der hätte mal schön bei mir bleiben sollen.“ So steht es nicht ganz so in der Schrift, aber wir wollen heute etwas dazu hören: „Mitgehangen, mitgefangen – Kampf im verheißenen Land“.
Oder man könnte das Thema auch nennen: „Zwischen Sodom und Salem“ – genau an diesem Scheideweg zwischen Sodom und Salem.
Geistliche Verwurzelung und weltliche Verstrickung
Ein Text aus dem Neuen Testament, der das Thema sehr gut aufgreift, stammt aus dem Kolosserbrief. Das passt sehr gut, und lassen Sie uns gemeinsam Kolosser 2 lesen.
Kolosser 2, Vers 6 (leicht gekürzt):
„Wie ihr Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm, gewurzelt und auferbaut in ihm und befestigt im Glauben, überströmend mit Danksagung. Seht zu, dass niemand euch als Beute wegführe nach den Elementen der Welt und nicht nach Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und ihr seid erfüllt in ihm oder zur Fülle gebracht in ihm. Er ist das Haupt jeder Gewalt.“
Ich möchte jetzt ein bisschen etwas zu diesem Paradox sagen. Es ist eigenartig: Kolosser 2 sagt uns, „wandelt, gewurzelt“. Das klingt ja widersprüchlich. Habt ihr schon mal Bäume spazieren sehen? Wandelt gewurzelt – das geht ja gar nicht! Gleichzeitig wird davor gewarnt, dass ihr nicht eine leichte Beute werdet, die weggerissen oder weggeführt wird.
Aber das passt doch sehr gut zu unseren beiden Hauptgestalten heute, nämlich zu Abraham und zu Lot. Abraham lebt verwurzelt. Er wohnt unter Terobinden. Er ist jemand, der seine Wurzeln in Gott hat. Lot dagegen wird tatsächlich als Beute weggeführt.
Die beiden geben uns einen idealen Anschauungsunterricht für diese Wahrheit. Es heißt in 1. Mose 14, Vers 13: „Es kam ein Entronnener und berichtete es Abraham, dem Hebräer.“ Das steht hier, glaube ich, zum ersten Mal so: „dem Hebräer“. Das bedeutet „dem Wanderer“, „dem Pilger“, „dem, der unterwegs ist“, „dem Grenzüberschreiter“. Und dieser Pilger, dieser Wanderer, lebt trotzdem verwurzelt unter einer Terbinte.
Lot dagegen, der sesshaft wurde, der sich etabliert hatte, der Sesshafte, wird weggerissen. Das ist irgendwie ein Paradox. Der eine sitzt unter seiner Terbinte, und der andere plötzlich unter einer Terrorbande.
Oder, wie wir eben gesungen haben: Der eine ist wie ein Baum gepflanzt an Wasserbächen, und der andere wird wie Spreu weggeblasen – der Lot.
Abrahams mutiger Einsatz für Lot
Aber Abraham sagte keineswegs: „Schön blöd, habe ich mir gleich gedacht.“
Abraham war Hirte. Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat – ob er ein paar Mistgabeln oder einige Knüppel geholt hat. Dann holte er alle seine Hausgeborenen, dreihundertachtzehn Mann, also mehr als die Malachi-Konferenz. Er konnte sie mal eben von seinen Leuten zusammentrommeln, dazu noch einige Bündnispartner aus der Gegend.
Dann wagte er ein ganz verwegendes Husarenstück.
Geschwister, habt ihr in eurer Gemeinde Leute, die sich langsam distanzieren? Oder die sich in die Elemente der Welt verstrickt haben, keine Zeit mehr für Gott oder keine Lust mehr auf Gemeinde haben? Die irgendwie unter die Räder kommen? Na ja, selber schuld? Das habe ich mir gleich gedacht, dass der so lau ist?
Machst du es wie Abraham, wirfst du alles in diese Waagschale und sagst: „Ich will diesen Bruder, diese Schwester gewinnen. Die muss sich doch wieder irgendwie zurückholen lassen, so geht das doch nicht.“ Wie oft verpulvern wir Abende mit Filmen, Fernsehen oder irgendeinem Hobby. Aber wann machen wir mal einen Besuch, der schon lange ansteht, und versuchen, einen Bruder zu retten, zurückzugewinnen?
Der Erste Johannesbrief sagt in Kapitel 3, Vers 16: Wenn unser Herr sein Leben für uns hingegeben hat, dann sind wir doch schuldig, füreinander unser Leben einzusetzen.
Unser Leben einzusetzen – wir setzen nicht mal eine Stunde Freizeit ein, ein Telefonat oder einen Brief. Aber Abraham macht genau das hier: Er setzt alles ein.
Damit wir uns vorstellen können, was Abraham hier geleistet hat, habe ich hier eine Karte. Es kam eine Koalitionsarmee aus dem Norden, vier gewaltige Könige aus Sinear, dort oben aus Babylonien, hinunter in die Jordanaue. Sie unterwarfen dort fünf Könige.
Unten gab es einen Krieg, den sie spielend gewannen. Dann zogen diese Könige mit ihrer Beute wieder zurück und lagerten irgendwo vor Damaskus. Sie dachten, das war’s.
Aber Abraham hatten sie nicht auf dem Schirm.
Als er die Nachricht hörte, was vorgefallen war, zog er von Hebron aus hoch und überraschte dieses Lager. Er war Hirte, kein ausgebildeter US Navy Seal oder so etwas. Nach dieser Rettung Loths kehrte er zurück.
Es war eine enorme Reise, ein gewaltiges Abenteuer – mit so wenigen Leuten und so schlechter Ausrüstung.
Lot und die Verstrickung in die Welt
Aber jetzt noch einmal anknüpfend an die Botschaft von Alexander heute Vormittag: Wie geriet Lot überhaupt in diese Klemme? Wieso wurde er verschleppt, aber Abraham nicht? Abraham war doch auch reich.
Lot hatte sich Stück für Stück angepasst. Er wohnte jetzt in diesen Städten, die das Interesse der Könige aus dem Norden geweckt hatten. Lot verstrickte sich und entfesselte damit die Elemente der Welt. Er zog in diese völlig gottlose Gegend und wurde ein Teil dieser Gesellschaft. Dadurch geriet er auch in die Mühle der Machtpolitik. Er wurde zerrieben zwischen den Zahnrädern dieser Kriegsmaschinerie.
Ich dachte dabei an Eberhards Vortrag über Gummibandchristen. Lot hatte sein Gummiband vielleicht noch ein bisschen an Abrahams Altar festgemacht. Klar, das ist ja meine Verwandtschaft, mein Onkel. Aber mal sehen, das Band reicht doch bestimmt bis da unten nach Gomorra. Ja, es reicht, es hält. Und Abraham wird mich bestimmt wieder zurückziehen, wenn irgendetwas passieren sollte.
Vielleicht kommt auch daher sein Name Lot, denn er ist ständig am Ausloten: Wie weit geht es noch?
Es ist eigenartig, dass wir in der Geschichte von Abraham kaum historische Eckdaten bekommen. Es wird nicht viel Weltgeschichte geschrieben, außer hier in Kapitel 14. Wenn ihr das aufschlagt, lesen wir von namentlichen Königen, von Ländern und von Städten. Es wird ein genaues historisches Bild gezeichnet.
Interessanterweise scheint Weltgeschichte nur dann relevant zu sein, wenn sie mit Abraham in Berührung kommt. Dann ist sie für Gottes Heilsgeschichte von Bedeutung. Dieser erste Weltkrieg hier, diese Koalitionsschlacht, wird nur erwähnt, weil sie mit diesem Patriarchen zusammenhängt. Nur das ist Gott wirklich wichtig, nicht die hohe Politik.
Der wahre Kriegsschauplatz: Begegnung mit dem König von Sodom
Bei unserem Thema „Kampf im verheißenden Land“ ist euch sicherlich aufgefallen, dass die eigentliche Schlacht Abrahams kaum erwähnt wird. Stattdessen lesen wir von einer Begegnung mit dem König von Sodom. Ich glaube, hier liegt der wahre Kriegsschauplatz. Dazu wollen wir uns den Bibeltext ansehen.
Wir lesen jetzt einige Auszüge aus 1. Mose 14, da das Kapitel zu lang ist, um es vollständig zu lesen:
„Als Abraham hörte, dass sein Bruder gefangen weggeführt worden war, ließ er seine bewährten Männer, 318 an der Zahl, zurück und jagte ihnen nach bis nach Dan. Nachts teilte er sich und fiel über sie her, schlug sie und verfolgte sie bis nach Damaskus. Er brachte die ganze Habe zurück, auch Lot, seinen Neffen, sowie dessen Habe, die Frauen und das Volk.“
Als er zurückkehrte, zog der König von Sodom ihm entgegen ins Tal Chave.
Was passiert jetzt? Abraham hat eine heiße Schlacht hinter sich. Ich stelle es mir so vor: Er ist kein Kriegsheld, kein Soldat, aber er hat es gewagt und alles gegeben. Die Überraschung gelingt, die feindlichen Heere werden geschlagen und verschwinden. Abraham kehrt zurück, und ich kann mir vorstellen, dass er völlig erschöpft ist. So eine Aufregung in seinem Alter, die Strapazen der vielen Kilometer.
Dann kommt plötzlich der König von Sodom, dessen Stadt gerade geschlagen wurde und dessen Habe jetzt gnädigerweise zurückgebracht wird. Der König von Sodom sagt zu Abraham: „Gib mir die Seelen, die Habe nimm für dich, das ist deine Kriegsbeute.“
Da antwortet Abraham dem König von Sodom: „Ich hebe meine Hand auf zum Herrn, zu Gott dem Höchsten, der Himmel und Erde geschaffen hat, und wenn ich vom Faden bis zum Schuremen irgendetwas nehme von dem, was dein ist…“
Das ist eine hebräische Schwurformel. Den Rest muss man sich denken: „Nie und nimmer nehme ich etwas davon, damit du später nicht sagen kannst, ich habe Abraham reich gemacht.“ Für sich selbst nimmt Abraham nichts, nur das, was die Knechte verzehrt haben, und den Anteil der Männer, die mit ihm gezogen sind. Ja, unterwegs haben sie von den Vorräten gegessen, aber hier hat der König den ganzen Plunder zurückbekommen.
Wie kann Abraham das machen? Würden wir nicht total schwach werden bei so einem Angebot? Da liegt doch ein großes, ungenutztes Erbe vor uns. Oder: Du hast hier eine Riesengewinnchance – willst du sie nicht nutzen?
Wie kann Abraham hier so entschlossen und klar sein? Und wohlgemerkt: Abraham kommt gerade von einer Schlacht zurück. Vielleicht ist er noch leicht verwundet oder zerschlissen, hungrig und durstig. Dann kommt dieser König und sagt: „Hör mal, nimm dir das, trink von dem Champagner oder beiß in die Dauerwürste. Los, Abraham, nimm dir alles, die Seelen gehören mir.“
Wenn wir diesen Text lesen, merken wir: Diese Befreiungsaktion Abrahams war eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was hier gerade stattfindet. Die Prüfung Abrahams war nicht militärischer Natur, sondern materieller oder moralischer Art.
Unsere Prüfungen heute, die wirklichen Kampfgebiete, sind oft nicht die Auseinandersetzungen mit Blitz und Donner. Sie liegen vielmehr im Materiellen und im moralischen Bereich.
So ähnlich sagt es auch der Epheserbrief in Kapitel 6: „Passt auf, dass ihr die ganze Waffenrüstung anhabt, damit ihr kämpfen und nach dem Kampf stehen könnt und wenn ihr alles ausgerichtet habt, immer noch standhalten und widerstehen könnt.“
Und das sehen wir hier bei Abraham: Er hat die Schlacht grandios gewonnen, aber jetzt beginnt der wahre Kampf.
Die Begegnung mit Melchisedek: Geistliche Stärkung in der Versuchung
Wie konnte Abraham das leisten? Geschwister, habt ihr gesehen, dass eben gerade ein weißer Gorilla durchs Bild lief? Habt ihr das gar nicht bemerkt? Ich muss euch das noch einmal zeigen – ach, Entschuldigung, genau hier.
Als Abraham zurückkehrte, kam der König von Sodom ihm im Tal Chave entgegen. Der König von Sodom sagte zu Abraham: „Gib mir die Seelen.“ Warum konnte Abraham so widerstehen? Das lag daran, dass zu diesem Zeitpunkt noch etwas anderes geschah.
Melchisedek kam hinzu – den habe ich euch eben unterschlagen. Melchisedek, König von Salem, brachte Brot und Wein heraus. Er war Priester Gottes, des Höchsten. Er segnete Abraham und sprach: „Gesegnet sei Abraham von Gott, dem Höchsten, der Himmel und Erde geschaffen hat. Gesegnet sei Gott, der Höchste, der deine Bedränger in deine Hand ausgeliefert hat.“ Abraham gab ihm daraufhin den Zehnten von allem.
Eine merkwürdige Geschichte. Aber was bedeutet sie heute für uns? Sie ist sehr mysteriös. Ich glaube, wir stehen oft an einem entscheidenden Scheideweg, ohne es zu merken. Abraham ahnte das auch nicht. Er kehrt zurück, nachdem er von Dan aus Damaskus gekommen ist und die Beute bei sich hat.
Kurz vor Salem treffen zwei Könige zeitgleich auf ihn: der König von Salem und der König von Sodom. Und Gott hat das genau so arrangiert. Abraham befindet sich gerade nicht in seiner gewohnten Hirtengemächlichkeit. Er ist müde, erschöpft und abgelenkt – nicht so gewappnet wie vor der Aktion.
Jetzt taucht der König von Sodom genau in diesem Moment auf. Kennt ihr das, Geschwister, dass man oft auf dem falschen Fuß erwischt wird? Manche Situationen kommen so ungelegen, wenn man gerade müde und abgekämpft ist. Man wird in Entscheidungssituationen hineingestoßen und hätte gerne noch etwas Bedenkzeit gehabt.
Mir geht das oft so: Ich gehe morgens ins Büro, will meine E-Mails erledigen, aber stattdessen erledigen die E-Mails mich. Stunden vergehen, und ich frage mich, was ich hier eigentlich tue. Wir werden verwickelt in Kleinkriege und stolpern oft in Versuchungen, ohne es bewusst zu merken.
Stellt euch vor, der König von Sodom wäre gekommen, ohne dass der König von Salem vorher erschienen wäre. Ich glaube, das ist die zentrale Aussage dieses Textes.
Melchisedek als Vorbild und geistliche Autorität
Woher hatte Abraham diese Entschlossenheit? Ganz unvermittelt erscheint hier eine hoheitsvolle Gestalt aus Salem, ein Priester namens Melchisedek. Mysteriös – was ist das? Was bedeutet das?
Melchisedek war Priester Gottes des Höchsten. Moment mal, welcher Priester? Von welcher Religion? Jemand hat einmal gesagt, er sei ein Autodidakt der Gotteserkenntnis gewesen. Wir müssen jedoch wissen, dass seit der Sintflut noch etwa hundertfünfzig Jahre vergangen waren, in denen Sem gemeinsam mit Abraham lebte. Ihre Biografien überschnitten sich also noch hundertfünfzig Jahre.
Es gab also noch viele Zeitzeugen, die Noah, Sem, Ham und Japheth persönlich kannten. Ich weiß nicht, ob sie Abraham begegnet sind, aber es gab noch ein klares Gottesbewusstsein. Und dieser Melchisedek – er tritt nun hier auf. Er kommt nicht, um die Waffen zu segnen, und auch nicht, um beim König von Sodom ein Grußwort auf dem Christopher Street Day in Gomorra zu sagen.
Was macht Melchisedek also? Er ist Priester Gottes des Höchsten und kommt zu diesem einzelnen Mann, zu Abraham, dem Vater des Glaubens. Er kommt, um ihn in diesem Moment zu unterstützen, ihn zu segnen und zu stärken. Das ist unser Herr Jesus.
Ich möchte hier ein wenig ausholen: Melchisedek ist ein Erlkönig. Wisst ihr, was ein Erlkönig ist? Ich meine nicht den Erlkönig von Johann Wolfgang von Goethe, der so spät durch Nacht und Wind reitet, sondern Erlkönige im heutigen Sinne. So bezeichnet man Prototypen von Autos, die neu entwickelt wurden. Sie werden mit Tarnfolie verklebt und fahren über Land, um Belastungstests zu unterziehen.
Ab und zu findet man in Zeitungen einen „Erlkönig“ – ein neues Modell, das BMW oder VW auf die Teststrecke geschickt hat. Ich stamme aus dem Hunsrück, und dort hat Opel in Rüsselsheim eine Teststrecke, auf der man solche Erlkönige sehen kann. Vor ein paar Wochen war ich mit meinem Vater dort spazieren, und wir sahen einen Erlkönig.
Man fragt sich, was sich dahinter verbirgt, was für eine Weiterentwicklung das ist. Erlkönige sind schwer erkennbare Vorläufer dessen, was demnächst auf den Markt kommen soll. So kann man sagen: Melchisedek ist ein Erlkönig. Gott zeigt uns hier etwas an, deutet etwas an. So stelle ich mir einen Priester vor.
Und so wird einmal ein wahrer Priester kommen, nämlich mein Sohn, der für euch Priester sein wird. Zum Glück gab es den „Paparazzi“, den Schreiber des Hebräerbriefs, der diesen Erlkönig enttarnt hat.
Ich finde es auffällig, dass wir in der Bibel von Melchisedek ganz am Anfang nur zwei oder drei Verse lesen. Und dann? Genau – in der Mitte der Bibel, im Psalm 110, taucht er plötzlich wieder auf. Und noch einmal ganz am Ende der Schrift, im Hebräerbrief.
Es ist, als wäre eine dezente Spur durch die Bibel gelegt. Hier erscheint er kurz Abraham ganz mysteriös. Dann lesen wir in Psalm 110: „Der Herr hat geschworen und wird es nicht bereuen: Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks.“ (Psalm 110,4)
Gott hat etwas geschworen, einen Heilsplan entwickelt, den er vollenden wird. Hier finden wir die erste Andeutung in der Geschichte von Abraham. Darauf liegt das Augenmerk des Textes: auf diesem König von Salem, der Abraham entgegenkommt.
Melchisedek ist irgendwie eine Doppelbesetzung. Er ist sowohl König als auch Priester. Das, was man heute um jeden Preis zu vermeiden sucht, nämlich die Trennung von Kirche und Staat, finden wir hier in einer Personalunion. Er ist König und Priester zugleich.
Genau das wird auch unseren Herrn kennzeichnen. So sagt Jesaja 9: Unser Messias, unser Herr, sein Reich ist ein Reich, ein Königreich, und es ist ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens.
Genau das ist Melchisedek. Er ist König der Gerechtigkeit – das bedeutet sein Name – und er ist König von Salem, der Friedensstadt oder Jerusalem. Gerechtigkeit ist immer die Grundlage des Friedens.
Als wir hier ankamen, hat die Ido gesagt, dass sie richtig körperliche Schmerzen empfindet, wenn etwas Ungerechtes passiert. Ungerechtigkeit – so kann kein Friede sein. Wo etwas Ungerechtes geschieht, da ist Krieg.
Aber hier kommt ein Priester Gottes des Höchsten, der König der Gerechtigkeit und König des Friedens ist.
Geistliche Orientierung und Widerstandskraft im Alltag
Wenn wir diese Geschichte auf uns beziehen, stehen wir nicht oft in einer ähnlichen Situation? Es kommt eine Versuchung auf uns zu, eine Entscheidungssituation, ein kleiner geistlicher Kampf. Dann treten zwei an uns heran: einmal der Fürst dieser Welt mit seinen Angeboten, aber auch der König des Friedens, der uns stärken will.
Ich finde es bemerkenswert, dass Melchisedek hier drei Dinge bei Abraham gelingt. Zuerst sagt er etwas über Gott, das Abraham vielleicht noch nicht kannte. Er sagt: „Gesegnet sei Abraham von Gott, dem Höchsten.“ Hier nennt er ihn zum ersten Mal El Elyon, den Besitzer von Himmel und Erde. Besser übersetzt heißt es: „der Himmel und Erde besitzt“ – nicht nur geschaffen hat.
Im hebräischen Grundtext steht etwas wie „erwerben, kaufen, loskaufen“. Es heißt also: „Gesegnet seist du, Abraham, von Gott, der Himmel und Erde erwirbt und kauft.“ Gott hat längst begonnen, seine gefallene Schöpfung zurückzugewinnen. Das wird hier angedeutet. Melchisedek zeigt, dass Gott einen Heilsplan hat, und Abraham ist ein wichtiges Werkzeug oder Mosaikstein in diesem Plan. Durch Abraham soll dieser Segen kommen. Er ist beteiligt an Gottes Gedanken und Teil seines Plans.
„Gesegnet seist du von dem Gott, der Himmel und Erde erkauft.“ Abraham, weißt du, was Gott dir versprochen hat? Ich glaube, das war für Abraham eine unglaubliche Ermutigung – endlich jemanden zu haben, mit dem er über Gott reden konnte. Wenn er unter der Orakel-Terebinte saß, gab es meist nur theologische Streitgespräche. Hier aber trifft er jemanden, der ihn segnet, im Namen Gottes.
Melchisedek tut noch mehr: Er sagt, „gesegnet sei Gott, der Höchste, der deine Bedränger in deine Hand ausgeliefert hat.“ Ich glaube, hier hilft Melchisedek Abraham, den Blick geradezurücken. Abraham, das war nicht dein militärisches Genie! Mach so etwas nie wieder. Denk nicht, du bist jetzt der militärische Nummer Eins und kannst das ganze Land unterwerfen. Vielleicht ist das die Masche, wie du dieses Land im Heiligen Krieg ererben willst.
Melchisedek zeigt ihm: Gott hat es dir in die Hand gegeben. Werde nicht vermessen, sei nicht selbstgefällig oder stolz. Mach nicht den Fehler, den tausend Jahre später Gideon machen wird. Auch er errang mit wenigen Leuten einen Sieg, aber das wurde für ihn immer mehr zum Fallstrick. Abraham soll demütig bleiben. Gott hat Pläne mit dir, aber bleib demütig, damit er sie an dir vollenden kann.
Melchisedek tut noch etwas: Er segnet Abraham nicht nur mit Worten, sondern auch mit einer Tat, mit einer Geste. Er gibt ihm tatsächlich Brot und Wein. Abraham kommt von der Schlacht zurück und erhält ein bisschen Brot und einen Schluck Wein. Für einen Beduinen wie Abraham, der nicht sesshaft ist, sind das Kostbarkeiten. Er konnte nur mühsam Brot kaufen und Wein selbst nicht anbauen.
Diese kostbaren Dinge gibt ihm Melchisedek. Es ist eine unsagbare Erquickung für ihn, ein Gruß aus einer anderen Welt. „Gesegnet bist du, Abraham!“ Ich glaube, Abraham spürt hier Gottes Nähe und Wirklichkeit. Er sieht und schmeckt, wie freundlich der Herr zu ihm ist. Innerlich kommt er in die Verfassung, um gewappnet zu sein. Er hat gerade Brot und Wein mit Melchisedek geteilt, und da steht schon der König von Sodom und klopft an: „Hallo Abraham, ich habe dir ein Angebot zu machen.“
Wie hilft uns Gott, verführerischen Angeboten zu widerstehen? Vor einigen Wochen hielt ich in Siegen einen Vortrag zum Thema Saat und Ernte. „Ihret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Was ein Mensch sät, das wird er ernten.“ Ich predigte über Geist und Fleisch: Säet nicht auf das Fleisch, sondern auf den Geist.
Nach dem Vortrag wollte ich nach Hause fahren und hielt auf der Autobahn an einem kleinen Parkplatz, um auszutreten. Ich leerte auch meinen Automülleimer und ging zur Mülltonne. Plötzlich durchfuhr mich der Gedanke: „Andreas, wenn du jetzt die Mülltonne öffnest und dort läge ein Männermagazin, irgendein Pornoheft – was würdest du tun, wenn dich keiner sieht?“
Ich fiel weinend auf die Knie. Obendrauf lag eine Wuppertaler Studienbibel in der Mülltonne. Ich weinte und sagte: „Mein Melchisedek macht mich satt, mein Herr will mich in vollem Maße führen.“ Wie wir am Anfang in Kolosser 2 lesen: „Seid überreich in Danksagung, denn ihr seid zur Fülle gebracht in ihm.“ Er möchte uns satt machen, damit wir den Versuchungen dieser Welt widerstehen können. Er will im richtigen Moment dazwischenkommen und mit der Versuchung den Ausweg schaffen.
Ich finde es auffällig, wie der König von Sodom hier auftritt. Er sagt zu Abraham: „Die Sache ist klar, du nimmst den Besitz, ich nehme die Menschen.“ Irgendwie erinnert mich dieser König von Sodom an Gaddafi mit seinem Getue und Gedröhne. „Das machen wir so, und ich weiß, wo es langgeht. Der hat nichts mehr zu melden.“
Dieser König von Sodom ist ein besiegter, geschlagener König, dem alles geraubt wurde. Er ist unterworfen, doch er spuckt Töne, als hätte er Abraham etwas anzubieten. Der Beraubte und Besiegte tut so, als hätte er die volle Vollmacht und Verfügungsgewalt. Das ist der Satan, der Gott dieser Welt.
Er führt unseren Herrn auf einen Berg, zeigt ihm alle Reiche der Welt und sagt: „Das gebe ich dir, wenn du vor mir niederfällst.“ Er verlangt den Preis unserer Seele: „Gib mir die Seelen!“ Satan versucht uns, mit vergänglichen Spielzeugen abzulenken, um unsere Seele zu erobern. Er überschüttet uns mit Materialismus, Neuerungen, Technik, Besitz – mit Habe, Habe, Habe.
Das ist ein Schachzug: „Pass auf, du nimmst die Steuern, und ich nehme die Steuerzahler. Du nimmst die Eier, ich nehme die Hennen.“ So spricht der König hier. Er ist klug und gerissen.
Abraham antwortet: „Bera, das ist ein nettes Angebot. Mir ist bei diesem Krieg ein Schuhriemen gerissen, und eine Naht ist aufgeplatzt. Hättest du vielleicht einen Faden für mich? Das wäre nett.“ Nein, Abraham sagt: „Ich hebe meine Hand auf zu dem Gott, der Himmel und Erde besitzt. Dem gehört alles, dem gehöre ich. Ich brauche von dir nichts – weder einen Faden noch einen Schuhriemen. Ich habe etwas Besseres.“
„Ich habe eine kostbare Gemeinschaft. Ich wohne in Hebron, das heißt ‚Gemeinschaft‘. Mamre heißt, glaube ich, ‚Fettigkeit‘ – ich bin satt. Ich brauche nicht deinen Faden, deinen Schuhriemen. Danke, mein Bedarf ist gedeckt, meine Sehnsucht gestillt. An seiner Fülle habe ich genug.“
Was mich an diesem Text bewegt hat, ist die Beobachtung: Im Neuen Testament sagt unser Herr manchmal, wenn er jemanden geheilt hat: „Geh hin, zeig dich den Priestern.“ Diese sollten dann feststellen, ob die Heilung echt ist. Man ging zu den Priestern, die ihre Behörde im Tempel hatten. Dort gab es Öffnungszeiten und Sprechstunden.
Unser hoher Priester aber ist entgegenkommend. Melchisedek kommt Abraham entgegen – so heißt es hier dreimal in der Bibel wörtlich. Er kommt, um uns in schwierigen Zeiten beizustehen und uns satt zu machen.
Geschwister, ist euch auch das Abendmahl eine Stärkung, heilig zu leben und Versuchungen zu widerstehen? Ich bin so dankbar, dass wir jede Woche das Brot brechen, denn es hat tatsächlich diesen Effekt.
Prüft euch selbst: Wie steht es um dich? Wie steht es um deine geistliche Gesundheit? Duldest du Sünde in deinem Leben? Dann räum das aus. Ich finde es ein großen Segen, dass der Herr uns das Brot und den Wein verordnet hat – als Wegzehrung für Pilger, um nah bei ihm zu bleiben.
Schlussbetrachtung: Die Wahl zwischen Sodom und Salem
Wir kommen zum Schluss. Der König von Sodom sagte: „Du nimmst die Habe, Abraham, ich nehme die Seelen mit.“ Wie ist denn die Geschichte ausgegangen? Wer nahm denn die Seelen mit? Wisst ihr das? Wo sind die Leute jetzt hingegangen? Haben sie gesagt: „Abraham, du bist unser Befreier. Wir ziehen nie wieder in das Krisengebiet dort unten ein. Wir bleiben jetzt da oben bei dir, bei den Zelten, wo es friedlich ist. Abraham, du scheinst Gott zu kennen, wir bleiben bei dir.“?
Die sind alle wieder in Sodom eingezogen, alle Mann. Lot ist einen Augenblick hin- und hergerissen: „Hu, das war jetzt natürlich eine Eskapade, du liebe Zeit, das hätte böse ausgehen können. Ich glaube, ich bleibe besser bei meinem Onkel Abraham.“ Und dann zupft ihn seine Frau am Ärmel: „Lot, was meinst du, wie sieht es wohl bei uns im Wohnzimmer aus? Was haben sie da übriggelassen? Steht unser Sodom-Sofa noch? Komm, wir gehen mal gucken, wie es aussieht. Hoffentlich haben sie nicht alles vandalisiert und angesteckt. Los, Lot, komm! Ich glaube, es wäre besser, wir bleiben hier bei Abraham. Hat der fließend Wasser? Los, komm nach Sodom!“
Und dann kehrt er an seinen altgewohnten Platz zurück. Lot verändert sich kein Stück durch diese Geschichte, sondern er bleibt in Sodom wohnen, wahrscheinlich noch fester denn je zuvor. Wir lesen, dass dann noch seine Familie geheiratet hat, seine Kinder fanden dort Männer. Er kehrt einfach an den altgewohnten Platz zurück.
Abraham wird durch diese Geschichte verändert. Nach dieser Begegnung mit Melchisedek wird Abraham königlicher und priesterlicher. Später, in Kapitel 23, sagen die Kinder zu ihm: „Du bist ein Fürst Gottes!“ Melchisedek hat so ein bisschen auf ihn abgefärbt; er ist königlich! Und wir finden ihn in 1. Mose 19, wie er bittet, wie er einsteht, wie er priesterlich für die Gerechten in der Stadt Sodom betet, für seinen Neffen Lot.
Abraham wurde königlicher und priesterlicher, Lot kein Stück. Lot geht unverändert wieder zurück an seinen Ausgangsort.
Macht dich so eine Malachi-Tagung irgendwie königlicher oder priesterlicher? Veränderst du dich oder bleibst du derselbe, wenn du nach Hause kommst? Der alte Materialist: „Zurück zur Tagesordnung, zum alten Trott.“ Wie Wolfgang im ersten Vortrag sagte: Sodom bekam letztendlich die Seelen. Das ist krass.
Lot überstand diesen kriegerischen Konflikt ziemlich ungeschoren. Er kam wieder zurück und bekam sogar seinen Hausrat wieder in die Wohnung gestellt. Die äußere Gewalt hatte er ganz gut überstanden, diese Verfolgungszeit. Aber wir werden noch hören: Den inneren Verfall, die moralische Verkommenheit, die Verführung – der ist erlegen, zumindest eine Familie.
In Kapitel 14 kommt Lot noch ganz ungeschoren davon. In Kapitel 19 holt ihn kein Abraham mehr raus. Da muss Gott selbst Engel schicken, die Lot da rauszerren aus dem Feuer.
Ich glaube auch, wir unterliegen einer starken Erosion. Alexander hat das eben betont: Eine Generation vor uns würde Entsetzen äußern über unsere Umwelt, vielleicht auch über unsere persönliche Lebensgestaltung. Erosion durch Fernsehen vielleicht.
Was ist für uns schon so normal geworden? Und das wird ja auch irgendwie forciert in allen Medien. Wird uns Sodom als Normalität verkauft?
Lasst uns verwurzelt wohnen unter den Therobindern Mamres in Hebron, in der Gemeinschaft mit Gott. Lasst uns auf den König von Salem hören, lasst uns satt werden an seinen Gaben. Sagen wir: „Herr Jesus, wenn ich dich habe, dann frage ich nicht nach Himmel und Erde.“
Orientiere dich Richtung Salem, nicht nach Sodom.
Vielleicht zum Schluss noch der Gedanke: Mach es wie Daniel. Daniel 6,11: Daniel hatte ein Fenster Richtung Salem stets geöffnet. Dreimal am Tag hat er sich dahin ausgerichtet. Dort soll meine Energie hingehen, dort ist mein Zuhause, dafür lebe ich. Dann können wir den Versuchungen der Welt widerstehen. Amen.