Die Vielfalt der Hilferufe in der Krise
Wir brauchen Hilfe. Diesen Ruf hören wir in diesen Tagen oft. Ärzte rufen nach Beatmungsgeräten und Schutzmaterial. Die Tafeln sagen, sie können ihre Arbeit nicht mehr machen. Sie können nicht mehr für die Ärmsten in unserer Gesellschaft da sein, weil ihnen Helfer fehlen und weil sie gar nicht mehr öffnen dürfen.
Die Wirtschaft liegt am Boden und ruft nach Hilfen. Politiker werden gebeten, in der Not zu helfen. Ich musste diese Woche ein wenig schmunzeln, als ich den Sprecher der Schausteller in Deutschland gehört habe. Die Schausteller sind diejenigen mit der Zuckerwatte und dem Schießstand.
Er sagte: „Wir sind auch systemrelevant, denn wir bringen die Menschen zum Lachen. Damit sind wir eines der größten und besten Antidepressiva in diesen Zeiten.“ Der Mann hat verstanden, wie das in unserem Land läuft: Du musst jetzt laut schreien, damit du gehört wirst.
Vielleicht hast du schon deinen persönlichen Notruf losgeschickt. Viele von uns haben ja auch staatliche Gelder beantragt, wenn sie selbständig sind, und gesagt: „Ich brauche jetzt Unterstützung.“ Die meisten dieser Hilferufe sind wirklich wichtig, damit in der Not geholfen und diese gelindert werden kann – ja, hoffentlich.
Die Bedeutung des Gebets in der Not
Ein Hilferuf ist gerade in diesen Tagen besonders wichtig. Es geht darum, dass wir uns in unserer Not an Gott wenden und beten. Vielleicht ist dir das sehr bewusst.
Als Gemeinde erleben wir gerade einen kleinen Aufbruch ins Gebet. Matthias hat das zuvor erwähnt. Wir haben mehrere Gebetszeiten am Tag, und es ist ermutigend, dass sich viele daran beteiligen. Manche beten still mit, aber dennoch zeigt ihr damit, dass es uns wichtig ist, gerade jetzt Gott zu suchen.
Vielleicht hast du in dieser Krise bisher noch wenig oder gar nicht gebetet, weil viele Dinge wichtiger und dringender erscheinen. Vielleicht fragst du dich auch: Was bringt es überhaupt zu beten? Wird Gott dann wirklich etwas anders machen als bisher?
Unser Bibeltext heute sagt: Ja, das bringt viel. Gott wird handeln und eingreifen. Vielleicht nicht immer so, wie wir es uns vorstellen oder wünschen, aber er wird immer zur rechten Zeit kommen und eingreifen.
Jesus hat einmal ein Gleichnis erzählt, das genau das lehrt. Ich möchte dieses Gleichnis jetzt mit euch in den nächsten Minuten genauer anschauen. Wir wollen sehen, was Jesus uns über das Gebet sagt, wie er uns ermutigt zu beten und warum wir wirklich hoffnungsvoll beten können.
Einführung in das Gleichnis und Gebetsauftrag
Das Gleichnis finden wir in Lukas 18. Ich möchte zuerst nur den allerersten Vers lesen. Bevor ich das mache, bete ich, dass Gott wirklich zu uns redet und uns im Glauben wachsen lässt durch diese Zeit.
Danke, lieber Vater, dass wir dein Wort haben, dass es verlässlich ist und dass du uns darin zeigst, wer du bist, wie gut du bist, wie groß und mächtig du bist und dass du auf uns hörst. Das ist ein Wunder. Es ist erstaunlich, dass du mit uns Menschen zusammen sein willst, uns hören willst, dass wir mit dir reden und zu dir beten. Ich bete, dass wir jetzt, wenn wir auf das Wort Jesu hören, deine Stimme hören und verstehen, warum das Gebet so wichtig ist und warum es ein so großes Geschenk von dir ist. Dass wir lernen, mehr zu beten und mehr dich zu suchen. Amen!
Dieser Abschnitt in Lukas 18 beginnt so: Er sagte ihnen also – er, das ist Jesus – er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten.
Als Prediger wünscht man sich so einen Anfang von einem Predigttext, wenn schon ganz am Anfang klar ist, worum es jetzt geht. Ich habe schon oft mit Texten gerungen und gedacht, man könnte es nicht ein bisschen einfacher machen. Hier ist es ganz klar: Was sollen wir tun? Betet allezeit, lasst nicht nach. Das kann jeder verstehen, ein ganz einfacher Auftrag.
Aber so einfach ist er ja dann doch nicht. Was soll das heißen, allezeit zu beten? Und überhaupt, legt Jesus da die Latte nicht unglaublich hoch? Nie nachlassen? Es gibt ja auch noch so viel anderes zu tun in dieser Welt. Wie kann Jesus so einen Auftrag geben: allezeit zu beten, nicht nachzulassen?
Kontext des Gleichnisses: Die Zeit der Abwesenheit Jesu
Wir müssen uns kurz bewusst machen, in welchem Zusammenhang Jesus dieses Gleichnis erzählt.
Er hat kurz davor zu seinen Jüngern darüber gesprochen, dass er sie verlassen wird. Er wird für eine Zeit lang weg sein und wieder in den Himmel zu seinem Vater gehen, wo er hergekommen ist. In dieser Zeit wird es auf dieser Welt vielen so vorkommen, als wäre Gott überhaupt nicht da.
Jesus sagt, das wird ein bisschen so sein, wie damals, als die Sintflut bevorstand. Das lesen wir ziemlich am Anfang der Bibel: die Sintflut als Gottes Gericht über diese Welt, das er schon einmal gebracht hat. Die Menschen lebten einfach so vor sich hin. Jesus beschreibt es so: Sie haben gegessen, sie haben getrunken, sie haben geheiratet und sich heiraten lassen, ohne zu erwarten, dass da irgendein Gott ist, der sich für sie interessiert und dem sie Rechenschaft schuldig sind.
Das ist ganz ähnlich wie heute. Wir essen, wir trinken, wir schlafen, wir gehen unseren Hobbys nach, wir sammeln für die Altersvorsorge. Aber oft haben wir Gott gar nicht im Blick. Und nicht nur diejenigen, die Gott gar nicht aus seinem Wort kennen, sondern auch uns Christen kann das so gehen. Auch Jüngern Jesu kann das passieren, dass wir Gott aus dem Blick verlieren und so leben, als gäbe es ihn gar nicht.
Deshalb sagt Jesus jetzt hier, direkt im Anschluss, in diesem Kontext:
In der Luther-Übersetzung heißt es: „Ihr sollt beten.“ Aber die Übersetzung müsste eigentlich noch stärker sein. Es ist nötig, dass ihr betet. Es ist ein Muss, dass ihr betet. Das ist eigentlich das Wichtigste, was ihr tun könnt und tun solltet in dieser Welt. Damit euer Fokus klar ist, damit ihr den Blick auf Gott habt, damit ihr nicht vergesst: Gott ist da, Gott interessiert sich für euch, er hat diese Welt in seiner Hand.
Darum: Betet allezeit!
Was bedeutet "alle Zeit beten"?
Alle Zeit beten bedeutet nicht, jede Stunde und jede Sekunde zu beten. Es ist hilfreich, wenn wir auf Jesus selbst schauen: Wie hat er gebetet? Er hat viel gebetet, aber nicht wortwörtlich jede Stunde und jede Sekunde.
Am Morgen hat er sich oft zurückgezogen. Das lesen wir in der Bibel. Er ist auf einen Berg gegangen, in die Wüste, ganz allein, nur er und sein Vater. Dort hat er gebetet und sich diese Zeit wirklich genommen. Manchmal hat er sogar Menschen enttäuscht. Er hat manche Menschen nicht geheilt, weil er sagte: „Das ist jetzt nicht dran, ich muss jetzt beten.“
Jesus hat auch oft in der Öffentlichkeit gebetet. Wenn er Wunder getan hat, dann hat er gebetet. So sehen wir bei Jesus, dass es für ihn ganz selbstverständlich war, jeden Tag zu beten. Darum geht es: dass das Gebet etwas Alltägliches wird. Wir beten jeden Tag.
Wie ist es bei dir? Sprichst du so mit Gott? Betest du so? Ist es etwas Alltägliches für dich, wie Essen, Trinken, Duschen oder deinem Hobby nachgehen? Betest du ganz regelmäßig?
Ich vermute, die meisten von uns müssen sagen: „Na ja, ganz so regelmäßig bete ich eigentlich nicht. Ganz so alltäglich ist mir das Gebet nicht.“ Oft ist das für mich ein großer Kampf. Ich kenne das persönlich auch. Oft ist es ein Kampf, und ich habe diesen Kampf schon oft verloren.
Manchmal, wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich vielleicht gar nicht so sehr darum gekämpft, alle Zeit zu beten.
Die Herausforderung und Trost im Gebet
Mir ist es ein Trost, wenn ich auf die Jünger schaue. In der Bibel lernen wir nicht nur Jesus kennen, sondern auch seine Jünger. Diese werden uns beschrieben als Menschen, die immer wieder im Gebet versagt haben.
Am eindrücklichsten zeigt sich das vielleicht gerade in der Woche vor Ostern. Kurz vor seiner Kreuzigung sagte Jesus zu drei seiner Jünger: „Kommt mit mir, betet mit mir.“ Das war jetzt ganz wichtig. Bevor er diese schwere Prüfung vor sich hatte, wollte er gemeinsam mit ihnen beten und um Gottes Kraft bitten, damit sie durchhalten.
Die Jünger sind mitgegangen – und was ist ihnen passiert? Sie sind eingeschlafen. Es ist fast peinlich, dass so etwas in der Bibel steht. Aber gerade da fühle ich mich in guter Gesellschaft. Auch ich bin beim Beten schon eingeschlafen.
Vielleicht ist es nicht die beste Idee, im Bett vor dem Schlafengehen zu beten. Aber es passiert eben, dass wir im Gebet versagen. Doch Gott möchte nicht, dass wir dabei stehenbleiben. Und ich hoffe, dass auch du nicht stehenbleiben willst.
Denn was Jesus hier sagt, ist ein Gebot, ein echter Auftrag. Er sagt: „Betet beständig, betet ohne Unterlass.“ Deshalb erzählt er das Gleichnis und fordert uns auf, allezeit zu beten.
Das Gleichnis vom ungerechten Richter: Einführung
Und warum das so wichtig ist und wie wir darin wachsen können, das erklärt Jesus nun in einem Gleichnis und durch seine anschließende Lehre darüber.
Lies uns die Verse 2 bis 8 vor, in denen wir sehen, warum das Beten so wichtig ist und wie wir darin wachsen können.
Jesus erzählt ein ganz kurioses Gleichnis: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. In derselben Stadt lebte eine Witwe, die zu ihm kam und sprach: „Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher.“ Doch der Richter wollte lange nicht.
Nach einiger Zeit dachte er bei sich selbst: „Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte und vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.“
Da sprach der Herr: „Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch rechtschaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen? Sollte er bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen in Kürze Recht schaffen.
Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“
Die Bedeutung des Gleichnisses für das Gebet
Der erste Punkt war, wie wir beten sollen: allezeit beständig. Jetzt zeigt uns Jesus in diesem Gleichnis, warum wir so beten können und warum wir so beten sollen. Dazu verwendet er ein doch etwas ungewöhnliches Gleichnis.
Er erzählt von einem Richter, der in einer Stadt lebte. Dieser Richter war ein harter Hund. Er sagte: „Was andere denken, ist mir völlig egal. Ich bin hier der Chef in der Stadt. Ich bestimme, wie es läuft. Der Staat bin ich, das Recht spreche ich, und ich entscheide.“ So einen Richter will man wirklich nicht haben, wenn man eine Rechtssache hat. Denn bei ihm konnte sich der Ausgang des Falls danach richten, wie er morgens aufgestanden war, ob er mit dem falschen Fuß aufgestanden war oder ob das Frühstück gut geschmeckt hatte. Er war völlig willkürlich. Dem einen sprach er Recht zu, dem anderen nicht – ganz wie es ihm gerade passte.
Nun kommt eine Witwe zu diesem Mann. Jemand hat ihr Unrecht getan, und sie fordert Gerechtigkeit. Sie hofft, dass ihr Recht zugesprochen wird. Doch ihre Chancen auf Gerechtigkeit sind äußerst gering, allein schon, weil sie eine Frau ist. Zu der Zeit, als Jesus dieses Gleichnis erzählte, galt das Zeugnis einer Frau vor Gericht nichts. Es gab sogar fromme Männer, die beteten – vielleicht morgens vor dem Frühstück: „Großer Gott, ich danke dir, dass du mich nicht als Frau erschaffen hast.“ Das ist leider kein Scherz, so haben Menschen tatsächlich gebetet.
Was hätte dieser Frau vielleicht noch helfen können? Dass der Richter gerecht ist und vor allem Gott fürchtet. Aber Jesus sagt ausdrücklich, dass dieser Richter weder Gott noch Menschen fürchtete. Hätte es ihr geholfen, wenn der Richter Gott gefürchtet hätte? Denn Gottes Wort sagt an vielen Stellen, dass sein Volk den Witwen Recht schaffen soll. Besonders für die Armen und Schwachen soll man da sein.
Der Richter aber interessierte das nicht, und so ist der Fall dieser Frau wirklich aussichtslos und hoffnungslos. Doch es bleibt ihre einzige Hoffnung: Wer soll ihr in ihrer Rechtssache helfen, wenn nicht der Richter? Deshalb bestürmt sie ihn. Sie kommt immer wieder – so kann man es auch übersetzen: Sie kam beständig zu ihm und bittet ihn: „Schaff mir Recht!“
Dann sehen wir in diesem Gleichnis, dass der Richter langsam genervt ist. Irgendwann bekommt dieser Mann Angst. Das ist eine Ironie, die Jesus hier gebraucht: Ein Mann, der niemanden fürchtet, bekommt plötzlich Angst vor dieser Frau. Er fürchtet sich, dass sie zur Furie wird und ihm die Nase bricht. Wörtlich heißt es hier in Vers 5: „Weil sie mir so viel Mühe macht, will ich ihr Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.“
Ein wirklich seltsames Gleichnis, das Jesus gebraucht, um uns zu zeigen, warum Beten gut und wichtig ist.
Die Parallelen zu unserem Gebetsleben
Aber Jesus weiß genau, wie es uns mit dem Beten geht. Er kennt unsere Vorbehalte und greift sie in diesem Gleichnis auf. Gott kann dir manchmal vorkommen wie dieser Richter – wie jemand, der sich nicht für dich interessiert. Du bittest ihn, einzugreifen, vielleicht gerade in diesen Tagen. Vielleicht betest du: "Herr, hilf, dass ich meinen Job nicht verliere. Herr, hilf, dass keine Kurzarbeit bei mir eingeführt wird. Herr, beschütze meine alten Eltern vor dem Coronavirus."
Und was passiert dann? Du verlierst deinen Job. Deine Eltern werden krank, und du fragst dich: Ist das nicht alles völlig willkürlich? Bringt es denn überhaupt etwas zu beten? Ist Gott nicht wie dieser ungerechte Richter?
Manchmal kannst du dich auch fühlen wie diese alte Witwe – vielleicht ist sie nicht wirklich alt, aber wie diese Witwe, die hilflos, ohnmächtig und verzweifelt ist.
Aber weißt du, Jesus erzählt dieses Gleichnis nicht, um dir zu sagen, Gott sei wie der Richter. Und er erzählt es dir auch nicht, um dir zu sagen, du seist wie die Witwe. Das machen die nachfolgenden Verse sehr deutlich, in denen Jesus das Gleichnis auslegt.
Dort erkennen wir, dass Jesus das Gleichnis als einen starken Kontrast verwendet – nach dem Muster: Wenn es bei einem ungerechten Richter schon so ist, wie viel besser ist es dann bei Gott?
Die drei Kontraste zwischen Richter und Gott
Gott ist viel besser als dieser Richter, und seine Auserwählten sind ihm viel mehr wert als diese Witwe dem Richter wert ist. Wenn schon der Richter der Witwe hilft, obwohl er böse Absichten hat und lange auf sich warten lässt, aber am Ende doch hilft, wie viel mehr wird Gott uns helfen? Er wird nicht länger zögern, als unbedingt nötig ist, sondern viel schneller eingreifen.
Ich möchte diese drei Punkte noch etwas genauer beleuchten. Jesus legt das so aus: Gott ist viel besser als dieser Richter. Nochmal die Verse 6 und 7: Da sprach der Herr, also Jesus selbst: Hört, was der ungerechte Richter sagt. Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen? Sollte er bei ihnen lange hinziehen? Mit anderen Worten: Wenn sich schon der ungerechte Richter bewegen lässt, wie viel mehr doch der gute und gerechte Gott!
Das mussten die Jünger hören. Jesus wusste, was ihnen bevorstand. Er hatte es ihnen sogar schon an anderer Stelle gesagt. Er wusste, dass sie viel Ungerechtigkeit erleben würden. Alle Apostel wurden für ihren Glauben verfolgt, fast alle bis aufs Blut. Paulus wurde ausgepeitscht, gesteinigt und ins Gefängnis geworfen – einfach nur, weil er an Jesus glaubte und sein Evangelium predigte.
In so einer Not kann einem schon die Frage kommen: Interessiert es Gott überhaupt? Jesus sagt: Gott interessiert es. Er ist viel besser als dieser Richter, und er sorgt gut für dich. Er wird dir Recht schaffen.
Manche unserer Gemeindemitglieder aus Afghanistan und dem Iran haben ganz ähnliches Unrecht erlebt – Verfolgung für ihren Glauben. Die meisten von uns kennen das nicht, und wir dürfen Gott dafür dankbar sein. Wir müssen uns das nicht herbeisehnen. Aber auch wir kennen Gebete oder Situationen, in denen wir sagen: Herr, warum greifst du nicht ein? Und Jesus sagt: Zweifel niemals daran, dass Gott gut ist, dass er dein Leben in seiner Hand hat und dass du ihm wichtig bist. Er ist viel besser als der Richter. Denk doch mal nach: Wenn selbst der sich bewegen lässt, wie viel mehr dein guter Gott!
Der zweite Kontrast: Gottes Auserwählte sind ihm viel mehr wert als die Witwe dem Richter. Die Witwe hatte wirklich nichts zu bringen, sie konnte nur den Richter nerven. Wir können uns manchmal so vorkommen, als kämen wir zu Gott einfach als Bettler, als Bittsteller. Und in gewisser Weise müsste man erwarten, dass es so ist, dass wir so kommen, denn wer sind wir denn? Wir sind Geschöpfe, und er ist der Schöpfer. Da können wir doch nur angekrochen kommen. Er ist der heilige Gott, er hat einen guten Willen, und wir haben so oft dagegen gelebt. Und jetzt fordern wir irgendetwas von ihm? Ja, wer sind wir denn?
Doch Jesus sagt: Nein, du kommst nicht wie diese Witwe, sondern ihr kommt als Gottes Auserwählte zu ihm. Die Jünger haben erlebt, was das heißt, auserwählt zu sein, ganz konkret, als Jesus durchs Land ging und einzelne Männer rief: „Du, Petrus, du, Johannes, Andreas, kommt mit, folgt mir nach!“ Dann haben sie alles hinter sich gelassen und sind mit Jesus gegangen – das ist Auserwählung.
Vielleicht hast du es erlebt, dass dir jemand Gottes Wort gesagt hat – dein Pastor, deine Eltern, Freunde, oder du hast es einfach studiert und gelesen und gemerkt: Das spricht Gott mit mir. Du hast gemerkt: Ich brauche Gott, ich brauche Versöhnung mit Gott. Und als du deinen Glauben und deine Hoffnung auf Jesus Christus gesetzt hast, da ist deutlich geworden: Du bist auserwählt.
An anderer Stelle im Römerbrief heißt es: Die Auserwählten Gottes sind so sehr geliebt von Gott, dass nichts und niemand uns von ihm und seiner Liebe trennen kann. Und genau das macht Jesus hier auch deutlich: Ihr seid nicht einfach wie die Witwe wertlos für den Richter. Wenn du an Jesus glaubst, dann bist du auserwählt, geliebt, und Gott kümmert sich um dich.
Der dritte Kontrast: Gott greift viel schneller ein als der Richter. Jesus stellt die rhetorische Frage: Sollte Gott es bei seinen Auserwählten lange hinziehen? Natürlich nicht, er beantwortet sie selbst: Natürlich nicht, er wird ihnen Recht schaffen – in Kürze (Vers 8). Er wird ihnen Recht schaffen.
Das ist vielleicht am schwierigsten zu verstehen, weil Jesus sagt: „In Kürze.“ Das legt nahe, dass es ganz schnell und plötzlich passieren wird. Aber da ist ja noch so viel Unrecht. Die Apostel haben es erlebt, in zweitausend Jahren Kirchengeschichte haben so viele es erlebt, wir erleben es heute – da ist noch so viel Unrecht, da ist noch so viel kaputt. Kann Jesus wirklich versprechen, dass er in Kürze eingreifen wird?
Nochmal müssen wir uns bewusst machen, in welchem Kontext Jesus dieses Gleichnis erzählt und die Jünger lehrt. Er spricht über die Zwischenzeit zwischen seinem ersten Kommen und seinem zweiten. Wenn Jesus wiederkommt, zum zweiten Mal, dann wird er ganz sicher Recht schaffen, dann wird er alles heil machen. Das haben wir in der Textlesung gerade gehört. Wir hoffen auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Gerechtigkeit.
Gott wird tatsächlich bald kommen, Jesus wird bald kommen und alles gut machen. Was Jesus nicht verspricht – und das ist wichtig, dass wir das verstehen – ist, dass sofort alles gut wird. Das ist nicht unsere Erfahrung, und das dürfen wir auch nicht erwarten.
Wir dürfen wohl beten: Herr, greif ein! Herr, schenke, dass wir uns als Gemeinde wieder treffen können! Herr, schenke eine Lösung gegen dieses entsetzliche Virus! Und doch haben wir keine Verheißung, dass das in jedem Fall passieren wird.
Das ist nicht gemeint mit „Er wird in Kürze eingreifen“ und „in Kürze Recht schaffen“. „In Kürze Recht schaffen“ heißt, dass er seine Auserwählten, alle, die an Jesus glauben, wirklich erlöst und sie in diese neue Welt stellt, in der es kein Leid gibt, keine Tränen und keinen Tod.
Unsere größte Hoffnung liegt nicht darin, dass Gott hier und jetzt ganz schnell die Umstände verändert, sondern dass Jesus ganz bald wiederkommt. Dafür sollen wir beten – mehr als alles andere. Und wir merken vielleicht in diesen Tagen, dass das eigentlich ganz selten unser Gebet war: „Komm bald, Herr Jesus, komm bald und mach diese kaputte und geschundene Welt heil!“
Die Hoffnung der ersten Christen und das Warten auf Gottes Zeit
Schaffe du uns Recht! Mit dieser Hoffnung konnten Christen von Anfang an sehr schwierige und bittere Umstände ertragen.
Die ersten Christen, die auf Jesus hofften, wurden oft bis aufs Blut verfolgt. Im Römischen Reich wurden ihnen die Häuser weggenommen, Familien getrennt. Sie wurden in die Arenen, ins Kolosseum in Rom geführt und den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Die Menschen lachten darüber.
Die Frage ist: Was hilft in so einer Situation? Wie konnte man das überhaupt ertragen? Ihre größte Hoffnung war nicht, dass Gott all das sofort auflöst. Das haben sie erlebt – Gott hat es nicht getan.
Aber ihre größte Hoffnung war, dass Gott sehr bald eingreifen wird. Er wird sein auserwähltes Recht schaffen und sich um sie kümmern. Das haben sie geglaubt.
Damals wie heute kamen Spötter und sagten: „Ja, wo ist er denn, euer Jesus?“ Vielleicht kennst du das auch: „Ja, wo bleibt er denn, dein Jesus?“
Da hilft uns das, was Petrus schreibt und was wir auch in der Textlesung gehört haben. Petrus sagt, dass Gottes Timing anders ist als unseres.
In 2. Petrus 3,8 heißt es: „Ihr sollt wissen, liebe Freunde, dass ein Tag für den Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.“
Das heißt, Gottes Uhren ticken anders. Gemessen an der Ewigkeit dauert es nur noch sehr kurz, bis Gott ein für alle Mal Recht schaffen wird. Es dauert nur kurz – ein Wimpernschlag in der Ewigkeit, was wir gerade erleben, ist weniger als das.
Es hat mal jemand gesagt: „Gott kommt nicht immer, wenn wir es möchten, aber er kommt immer rechtzeitig.“
Tatsächlich ist es ein Zeichen seiner Gnade für die Verlorenen, dass er noch wartet. Auch das haben wir in der Textlesung gesehen. Er sagt: Noch ist Gnadenzeit, noch könnt ihr zu euren Freunden und Verwandten gehen, die mich noch nicht kennen. Ihr könnt ihnen das Evangelium sagen.
Noch rette ich Menschen, noch wähle ich Menschen aus, noch hole ich sie heraus aus dieser Welt und gebe ihnen eine ganz neue Hoffnung, die ewig ist.
Wir sollten nicht erwarten, dass Gott alles Unrecht in unserem Leben sofort verändert. Dafür haben wir keine Verheißung.
Aber wir sollten erkennen: Alles, was wir hier erleben, ist nur eine Momentaufnahme in der Ewigkeit. Unser guter Gott wird tatsächlich in Kürze eingreifen und Recht schaffen.
Hoffst du darauf, wirst du ganz sicher nicht enttäuscht werden. Bete darum und mach dir das immer wieder bewusst, weil du es im Alltag so schnell vergisst.
Es geht um etwas viel Größeres als das, was wir vor Augen haben. Es geht um Gottes kommendes Reich.
Das Gebet als Zeichen des Glaubens
Zum Schluss dieses Abschnitts folgt der dritte Punkt. Hier sehen wir, was unser Gebet zeigt: Es ist keineswegs unwichtig, ob wir beten – ganz im Gegenteil.
Jesus stellt die herausfordernde Frage: Wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben auf der Erde finden? Dabei verbindet er das Thema Gebet direkt mit der Frage nach dem Glauben. Diese beiden Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden.
Wenn er, der Menschensohn, wiederkommt, wie wird er diese Welt vorfinden? Wie wird er dich und mich vorfinden? Werden wir so leben wie die Welt, ohne uns zu unterscheiden, genau wie alle anderen? Wir heiraten, essen und trinken, aber rechnen nicht damit, dass er wiederkommt? Oder wird er Menschen auf dieser Welt finden, die ihn erwarten?
Dass wir ihn erwarten, zeigt sich zuallererst daran, dass wir beten. Dass wir auf ihn schauen, alle Augen auf ihn gerichtet sind. Ob du auf Gott vertraust und wirklich an ihn glaubst, zeigt sich nicht zuerst daran, ob du das einfach bekennst – ein Lippenbekenntnis wie „Ja, das glaube ich“. Es zeigt sich auch nicht daran, dass du die Bibel liest, regelmäßig spendest oder in die Gemeinde gehst. Das sind alles wichtige und gute Dinge, aber daran zeigt sich noch nicht, dass du wirklich auf Gott vertraust und an ihn glaubst.
Woran zeigt sich das zuallererst? Daran, ob du betest, ob du mit ihm redest und mit dieser Realität rechnest: Er ist da, er interessiert sich für dich, er ist deine Hoffnung. Jesus selbst macht das deutlich. Nur wenn wir regelmäßig mit Gott reden, zeigen wir, dass wir mit seiner Hilfe rechnen.
Er bringt das in Vers sieben auf den Punkt, wo es heißt: Die Auserwählten Gottes beten, sie flehen Tag und Nacht zu ihrem Gott.
Die Grenzen menschlicher Hilfe und die Macht Gottes
Wir sehen gerade in diesen Tagen, dass Menschen nur sehr begrenzt helfen können. Unsere Gesellschaft stößt auf vielen Ebenen an ihre Grenzen. Die Hilferufe sind da, und manchen kann geholfen werden. Doch wir sehen jetzt schon, dass nicht alle Hilferufe erhört werden können. Es ist nicht möglich, dass Menschen alle Forderungen bedienen, die gerade im Raum stehen.
Wie anders ist das bei Hilferufen, die wir an Gott richten! Ihm ist nichts unmöglich. Er kann jetzt eingreifen und Dinge verändern. Und er tut das immer wieder in seiner Gnade.
Ja, wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Unser größtes Problem hat Gott ja sogar gelöst, ohne dass wir ihn darum gebeten oder angefleht haben: „Herr, greif du ein!“
Unser größtes Problem – die Bibel beschreibt es – ist, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch seine Feinde waren. Wir waren Gottes Feinde, wir hätten seinen Zorn verdient. Wir hätten es gar nicht verdient, in der Beziehung mit ihm zu leben. Das haben wir nicht verdient. Wir waren seine Feinde und hätten sein Gericht verdient.
Und ohne dass wir darum gebetet haben, sagt Gott: „Ich löse eure größte Not, ich löse dein größtes Problem.“ Jesus hat das getan, als er nach Golgatha gegangen ist, als er am Kreuz sein Leben hingegeben hat – für Sünder wie dich und mich.
Er ist gestorben, um uns wieder zu Gott zu bringen – in die Beziehung zu ihm. Ja, durch Jesus können wir erst beten. Ohne Jesus wäre das völlig hoffnungslos und sinnlos. Aber durch ihn sind wir wieder in dieser Beziehung zum Vater.
Jesus hat unser größtes Problem schon gelöst und damit gezeigt, dass er wirklich alle Macht hat. Darauf darfst du hoffen, wenn das schon ganz lange deine Hoffnung ist. Und das darfst du auch annehmen, wenn du das noch nie in Erwägung gezogen hast.
Du darfst auf Jesus vertrauen, dass er auch für dich am Kreuz bezahlt hat und dass er auch deine Beziehung zum Vater wiederherstellt. Dass auch du durch den Glauben an Jesus so geliebt bist von Gott.
Für alle, die das nicht glauben, wird der Tag, wenn Jesus wiederkommt – und er wird ein zweites Mal kommen – ein furchtbarer Tag sein. Das kann man niemandem wünschen. Wie das sein wird, wird ein böses Erwachen geben.
Aber für alle, die auf Jesus vertrauen, wird es der schönste Tag sein: ein Tag der Freude, ein Tag der Freiheit, an dem alles überwunden ist, was uns in dieser Welt das Leben noch so schwer macht.
Warnung und Ermutigung an die Gemeinde
Jesus erzählt dieses Gleichnis nicht zuerst für Menschen, die ihn noch nicht kennen, sondern er richtet es an seine Jünger. Er spricht also zu Christen.
Deshalb möchte ich auch mit einem Wort an uns Christen wenden – es sind wahrscheinlich mehr Christen, die das hier anschauen, anhören oder lesen. Es sind sogar zwei Worte: eine Warnung und eine Ermutigung.
Ich habe lange überlegt, ob ich die Warnung so deutlich aussprechen soll. Aber in diesem Text steckt wirklich eine Warnung. Nimm das Gebet nicht auf die leichte Schulter. Es ist nichts Beliebiges oder Optionales. Es ist unser wichtigstes Erkennungszeichen in dieser Welt, dass wir beten. Jesus sagt, es ist nötig, dass ihr betet und den Fokus beibehaltet.
Darin zeigt sich dein Glaube, darin zeigt sich, dass du wirklich auf ihn vertraust, dass du betest. Wenn jemand zu mir käme und sagen würde: „Ich glaube an Jesus, ich glaube, er hat mich erlöst, er hat das alles für mich getan“, aber gleichzeitig nicht betet, dann würde ich mir große Sorgen um sein Heil machen. Ich würde mich fragen, ob diese Person Jesus wirklich kennt, wenn sie sich nicht zu ihm hingezogen fühlt und nicht betet.
Nimm diesen Ruf ernst. Jesus macht es uns sehr leicht, denn er verbindet viele Verheißungen mit dem Gebet. Er sagt, euer Vater ist gut, er hört euch, er wird nicht länger zögern als unbedingt nötig. Er ist da. Fang an zu beten!
Die Liebe zum Vater als Grundlage des Gebets
Und ich möchte dich ermutigen: Das Zweite ist die Ermutigung, Gott besser kennenzulernen. Das Ermutigende daran ist, dass Jesus in diesem Gleichnis nicht einfach einen Appell an seine Jünger richtet. Er könnte das tun, er könnte einfach sagen: „Ich sage euch, betet!“ Punkt. Aber das macht Jesus nicht.
Stattdessen malt er ihnen Gott vor Augen. Wenn wir Gott besser kennenlernen und begreifen, was für ein guter Gott er ist, was für ein liebender Vater er ist, dann wird uns das im Gebet wachsen lassen. So kommen wir ihm näher. Es geht nicht um Appelle, es geht nicht um eiserne Disziplin. Natürlich ist es gut, diszipliniert zu beten, aber der Kern unseres Gebets soll die Liebe zum Vater sein.
Und wenn wir wenig beten, dann ist das mein Verdacht: Wir kennen Gott noch nicht gut genug. Wir wissen gar nicht, wie gut er ist. Also lerne ihn besser kennen, lerne ihn mehr zu lieben. Wenn du dann Sehnsucht hast, mehr mit ihm zu reden, dann ermutige ich dich: Überfordere dich nicht. Bete lieber jeden Tag ein paar Minuten, als einmal in der Woche eine ganze Stunde.
Fang an, das Gebet wirklich zu etwas Alltäglichem in deinem Leben zu machen. Vielleicht zum allerersten Mal, vielleicht auch wieder. Denn wir können das mit den Jahren als Christen auch verlieren und es einfach schleifen lassen. Entwickle eine tägliche Gebetsroutine. Das darf ruhig ambitioniert sein, denn Jesus sagt, dass das ein wichtiges Thema ist. Aber überfordere dich nicht, sodass du am Ende gar nicht mehr betest.
Egal, wo du jetzt gerade stehst: Jeder von uns kann darin wachsen, alle Zeit zu beten und nicht nachzulassen. Manche der Hilferufe, die wir in diesen Tagen in unserem Land hören, werden einfach verhallen. Aber Gott hört jedes einzelne Gebet. Deshalb dürfen wir beten, deshalb dürfen wir hoffen – unser Gott hört.
Schlussgebet und Ausblick
Ich möchte beten. Ja, danke, lieber Vater, dass wir gerade in dieser stürmischen Zeit auf dich schauen dürfen und wissen, dass das, was wir gerade erleben, nur ein kleiner Moment in der Ewigkeit ist.
Diese Krise wird vergehen, aber du wirst ewig sein. Du gibst uns die Hoffnung, dass wir ewig mit dir leben werden. Wir freuen uns darauf.
Wir beten, dass uns gerade in der Not wichtiger wird, Herr, dass dein Reich kommt. Dass wir mehr als nur eine Veränderung unserer Umstände herbeisehnen. Dass du eingreifst und alles gut und neu machst.
Vater, ich bete für jeden, der das hört und dabei ist, dass er im Gebet wachsen darf. Dass wir lernen, kleine Schritte zu gehen und das Beten etwas ganz Alltägliches wird – das Gespräch mit dir. Dass du uns auch zeigst, wie du uns beschenkst, dass es uns selbst gut tut und unseren Glauben stärkt.
Danke, dass du uns das Gebet schenkst. So wollen wir es als eine gute Gabe von dir entdecken. Wir danken dir für Jesus Christus, der uns auch im Gebet vorangegangen ist, der für uns bei dir eintritt und uns so mit aller Hoffnung beten lässt!
Amen.