Einführung und historische Grundlagen Jerusalems
Wir wollen uns heute Morgen mit dem Hiskia-Tunnel beschäftigen, unter dem Titel „Ein Tunnel macht Heilsgeschichte“. Das schließt eigentlich direkt an das Thema an, das wir zuletzt am Bibelstudientag hatten, nämlich die Spuren der frühen Könige Israels.
Beim letzten Mal haben wir uns mit der Eroberung Jerusalems durch David beschäftigt. Das gibt uns den Einstieg ins heutige Thema. Um die Bedeutung des Hiskia-Tunnels wirklich erfassen zu können, müssen wir einiges über die Geschichte Jerusalems wissen.
Um etwa 1040 vor Christus eroberte David die Jebusiterstadt Jerusalem. Wie man auf dieser archäologischen Rekonstruktionszeichnung sieht, war Jerusalem damals ein ummauertes Städtchen am Südabhang des Berges Zion, der auch Moria genannt wird. Das haben wir beim letzten Mal gesehen. Darüber berichten 2. Samuel 5 und 1. Chronik 11.
Man stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: Warum war die Stadt damals nicht auf der Bergspitze gebaut worden? Das wäre ja strategisch viel besser gewesen. Der Grund liegt darin, dass die wichtigste Quelle und Wasserversorgung Jerusalems damals die Gihon-Quelle war. Auf dem Blatt habe ich alle Stellen aufgeführt, in denen diese Quelle in 1. Könige und 2. Chronik erwähnt wird.
Die Gihon-Quelle war die wichtigste Wasserversorgung, weil sie eine ganzjährige Quelle war, die bis zu 50 Liter pro Stunde liefern konnte. Die Quelle lag aber ganz unten im Kidron-Tal. Eine Stadt in einem Tal zu bauen, wäre verrückt gewesen, denn von allen Bergen rundherum hätte man sie leicht erobern können.
Die Stadt sollte aber auch nicht zu weit von der Gihon-Quelle entfernt sein, sodass man sie nicht einfach oben auf die Bergkuppe von Zion gebaut hat. Deshalb machte man einen Kompromiss, den man in der Mathematik eine Optimierung nennt.
Das führte zu diesem Mittelding: Jerusalem am Südabhang des Berges Zion oder Moria. Durch diese natürliche Beschaffenheit dieser Gegend blieb die Bergspitze Zions frei. Das ist sehr wichtig, denn später sollte hier, und nur hier, der Tempel Gottes, der Tempel des Gottes Israels, gebaut werden.
Die Lage der Gihon-Quelle zwang also die Jebusiter, die Nichtisraeliten waren, die Stadt so zu bauen, dass die Bergspitze immer frei blieb. Ich habe einige Stellen angegeben, etwa 2. Samuel 24, wo man sieht, wie David nach der Eroberung Jerusalems die Bergspitze von einem Jebusiter für sechs Kilo Gold abgekauft hatte.
Später, in 2. Chronik 3,1, baute Salomo dort den Tempel. Diese Bergspitze von Zion wird schon ganz nebenbei in Josua 15,8 beziehungsweise 15,16 erwähnt, wo die Grenzen der Stämme Israels beschrieben werden.
In Hesekiel 43,12 wird auch gesagt, dass der zukünftige Tempel auf der Bergspitze stehen wird. Das war Gottes Vorsehung, die Stadt so freizuhalten.
Geographische und politische Bedeutung Jerusalems
Man sieht es nicht gut, aber vielleicht kann man es erraten. Wir sollten die Bilder heute Nachmittag noch einmal ansehen, denn dann sind die Lichtverhältnisse besser.
Da haben wir den Tempelplatz, nicht wahr? Das ist also die Bergspitze von Zion, speziell der Fels in der Oma-Moschee, der höchste Punkt von Zion. Die Stadt war auf diesem Südabhang gebaut worden, während unten im Kidron-Tal die Gihon-Quelle liegt.
Ein zweites Bild zeigt das noch besser: das alte Jerusalem in diesem Bereich am Südabhang, oben der Tempelplatz, ganz unten im Kidron-Tal die Gihon-Quelle. Jerusalem wurde zur Hauptstadt Israels und war die auserwählte Stadt. Sie wurde bereits 21 Mal im fünften Buch Mose erwähnt, wo gesagt wird, dass dies einmal der auserwählte Ort für die Opfer sein werde.
Wir können drei Gründe nennen, warum genau Jerusalem erwählt wurde. Erstens liegt Jerusalem im Mittelbereich zwischen Nord und Süd. Das ist gut für die Erreichbarkeit für alle zwölf Stämme. Zweitens liegt Jerusalem im Hochland, was die Erhabenheit dieser Stadt ausdrücken sollte. Drittens verläuft die Grenze zwischen Juda und Benjamin hier über den Berg hinauf bis zur Spitze. Benjamin war in diesem Bereich, Juda in dem anderen.
Übrigens verlief später die Grenze genau zwischen dem Tempelhaus, das dort stand, wo heute die Oma-Moschee ist, und dem Ort davor, der gegen Osten lag. Die Grenze lag genau dazwischen, sodass das Tempelhaus im Bereich von Benjamin war. So war das in 5. Mose 33,12 vorgesehen, wo es heißt, dass der ewige Gott zwischen den Schultern Benjamins wohnen wird. Mit Schultern sind die beiden Bergabhänge von Zion gemeint, von Süden und Norden. Gott sollte also zwischen den Schultern Benjamins wohnen.
Da Jerusalem selbst so zwischen zwei Stämmen geteilt war, konnte kein einzelner Stamm sich als allein erhaben und autonom betrachten.
Später ist die Stadt gewachsen. Zuvor haben wir beim letzten Mal gesehen, wie die jebusitische Wasserversorgung das Einfallstor für David war, um Jerusalem zu erobern. In dieser Zeichnung sieht man die Gihon-Quelle ganz unten im Tal. Oben auf dem Bergabhang ist die Stadtmauer. Man sieht deutlich, dass die Quelle außerhalb der Stadt lag.
Die Jebusiter hatten einen langen Tunnel bis zur Quelle gebaut. So konnten sie von der Stadt aus unter der Stadtmauer hindurchgehen und Wasser von der Gihon-Quelle holen. David sagte, wer zuerst die Wasserleitung erreicht und Jerusalem erobert, wird der Oberste der Armee werden.
Joab wagte es, in die Quelle einzudringen. Er stieg in diesen Schacht hinauf, kam nach Jerusalem hinein und konnte die Jebusiterstadt so erobern. Man sieht es nicht gut – das ist nicht Joab –, aber so ist er hinaufgegangen, durch diese Wasserleitung, und hat Jerusalem dadurch erobert.
Stadtentwicklung und Hiskia als bedeutender König
Später hat Salomo die Stadt nach Norden erweitert. Man sieht das jetzt auf dieser Rekonstruktionszeichnung sehr schön. Auf dem höchsten Punkt hat er den ersten Tempel, den salomonischen Tempel, gebaut.
Die Stadtentwicklung ging dann in der Zeit der Könige weiter. Hier sieht man noch einen Querschnitt durch den Salomotempel. Man erkennt, dass der Fels der Oma-Moschee im Allerheiligsten liegt. Das ist diese Bergspitze, die bereits im Buch Josua erwähnt wird.
Nun sehen wir drei Phasen der Stadtentwicklung. Unten ist das alte Jerusalem, wie David es erobert hatte – ein kleines Städtchen. Salomo hat die Stadt nach Norden erweitert. In der Zeit der Könige, das ist auch die Zeit von Hiskia, wuchs die Stadt immer mehr nach Westen. Das ist also die dritte Phase der Entwicklung Jerusalems.
Nicht sichtbar ist hier die Gihon-Quelle. Jetzt wollen wir uns mit Hiskia beschäftigen und fahren dann weiter, sobald wir beim Tunnel selbst sind.
König Hiskia wird erwähnt in 2. Könige 18-20, 2. Chronik 29-32 und im Propheten Jesaja in den Kapiteln 36-39. Ferner findet man ihn noch an einer Reihe anderer Stellen, die ich hier auf dem Blatt alle aufgeführt habe. Das zeigt, dass dieser König ein ganz besonders wichtiger Herrscher war, der in der Bibel ausführlicher beschrieben wird als viele andere Könige.
Seine Herrschaft dauerte 29 Jahre, also etwa von 726 bis 697 v. Chr. Damit war er ein Zeitgenosse des Propheten Jesaja. Ab 726 war er zunächst Korregent, also Mitkönig mit seinem Vater Ahas. Ab etwa 716 v. Chr. wurde er Alleinherrscher.
Sein Name Hiskia oder Jehiskia ist eigentlich ein Schreibfehler. Im Hebräischen heißt er Chizkiah, Chizkiahu oder Jechizkiahu. Es gibt also drei verschiedene Formen in der Bibel. Alle bedeuten „Der Herr macht stark“. Das wird für das weitere Leben dieses Mannes sehr wichtig sein. Es prägt sein ganzes Leben das Bewusstsein, dass der Herr allein Kraft und Stärke gibt.
Sobald er Alleinherrscher geworden war, bewirkte er eine totale Reformation in Israel. Hiskia renovierte den Salomotempel, führte die alleinige Anbetung des Herrn wieder ein und erneuerte den Bund zwischen dem Herrn und dem Volk Israel neu. Das ist in 2. Chronik 29 beschrieben.
Er vernichtete die Götzen und deren Kultstätten, inklusive der Ehrenschlange von Mose. Diese hatte man später begonnen anzubeten und zu einem Kultgegenstand gemacht. Darum zerschlug Hiskia sie zu Staub.
Ferner setzte er die Passafeier auf ganz eindrückliche Art wieder neu ein. Er lud die Übergebliebenen der zehn Stämme, die politisch im Norden abgedrängt waren, mit Boten ein. Sie sollten nach Jerusalem kommen und gemeinsam das Passafest feiern. Das war eine gewaltige Reformation und eine Vision für das zwölfstämmige Volk Gottes. Obwohl das Volk damals gespalten war, lud er sie ein. Er sagte aber auch, dass sie ihre Schuld vor Gott bekennen müssten, bevor sie kommen dürften.
Weiter sehen wir Hiskias Interesse an Gottes Wort. Es waren nämlich Hiskias Männer, die die Sprüche Salomos gesammelt haben, die uns in den Kapiteln 25 bis 29 der Sprüche überliefert sind. Diese Sprüche gab es vorher separat, aber die Männer Hiskias stellten sie zu diesen Kapiteln zusammen.
Um 712 v. Chr. wurde Hiskia todkrank. Es war ein Drama. Er flehte um Heilung und Genesung. Gott erhörte sein Gebet und schenkte ihm ausdrücklich fünfzehn weitere Jahre Leben.
All diese wichtigen Dinge, die wir heute betrachten werden, geschehen in der Zeit Hiskias. Das betrifft auch den Tunnel und weitere Ereignisse, die wir noch besprechen werden.
Hiskias politische Herausforderungen und der Assyrer-Aufstand
Außenpolitisch war Hiskia ebenfalls sehr erfolgreich. Er erweiterte die Grenzen seines Reiches zum Philisterland hin und zettelte eine Rebellion gegen das assyrische Weltreich an. Sein Königreich war damals tributpflichtig gegenüber den Assyrern, doch er sagte sich: Was soll das? Wir sind Gottes Volk und wollen nicht mehr zahlen.
Diese Entscheidung hatte jedoch Konsequenzen. Sie führte zur Invasion der Assyrer unter Sanherib im Jahr 701 v. Chr. in Juda. Diese Invasion war bereits in der Prophetie bekannt. Micha beschreibt in Kapitel 1, Verse 8-16 diesen Feldzug von Sanherib eindrücklich und detailliert. Dort wird beschrieben, wie Stadt um Stadt von den Assyrern erobert wird. Es heißt deutlich: „Diese Invasion wird gehen bis an das Tor meines Volkes, bis an Jerusalem“ (Micha 1,9) und „Denn von Seiten des Herrn ist Unglück zum Tor Jerusalems herangekommen“ (Micha 1,12).
Sanherib führte eine Invasion in ganz Juda, dem südlichen Israel, durch und wollte schließlich auch die Hauptstadt erobern. Er belagerte Jerusalem, doch die Stadt konnte nicht eingenommen werden. Dann griff Gott ein, sodass die Invasion nur bis an das Tor von Jerusalem gelangte und nicht weiter vordringen konnte.
Hiskia hatte bereits erlebt, was das abgespaltene Nordreich einige Jahre zuvor erleiden musste. Er erlebte die Belagerung und den Untergang Samarias. Samaria war die Hauptstadt der zehn Stämme im Norden, während Jerusalem die Hauptstadt im Süden war. Er sah, wie die Assyrer 722 v. Chr. Samaria belagerten, vollständig verwüsteten und die zehn Stämme in die Gefangenschaft führten.
Hiskia stellte sich die Frage, ob irgendwann das Gleiche auch ihm und Jerusalem drohen könnte. Wie könnte die Stadt davor bewahrt werden, das gleiche Schicksal wie Samaria zu erleiden? Er wusste, dass es einen gewaltigen Schwachpunkt in Jerusalem gab: die Wasserversorgung. Die Gihon-Quelle liegt außerhalb der Stadt. Wenn ein Feind gegen Jerusalem anrückt, reicht es, die Wasserquelle zu verstopfen und abzudichten, um die Bevölkerung in der Stadt verdursten zu lassen.
Ihm war klar, dass er die Wasserversorgung der Stadt zuerst sichern musste, bevor man einen Aufstand gegen die Assyrer wagen konnte. Man muss sich in diesem Zusammenhang vor Augen halten, dass die Assyrer damals das Weltreich waren. Sie hatten die große Macht im gesamten Nahen Osten und waren gefürchtet für ihre Brutalität. Sie waren bekannt dafür, Gefangenen Glieder abzuschneiden, die Nase oder Zunge zu entfernen oder sie bei lebendigem Leib zu häuten. Das Wort „Assyrien“ versetzte die ganze Welt in Schrecken – vergleichbar mit dem Bild, das Saddam Hussein später im Nahen Osten hatte.
Hiskia, König eines kleinen Reiches, hatte den Mut, den Aufstand gegen die Assyrer zu wagen. Doch er wusste: Zuerst muss die Wasserversorgung der Stadt gesichert werden. Und das führt uns nun zu unserem Thema: dem Hiskia-Tunnel.
Der Hiskia Tunnel: Ingenieurleistung und biblische Erwähnungen
Wir lesen aus 2. Könige 20,20: Abschließend über das Leben von Hiskia wird gesagt: „Und das Übrige der Geschichte Hiskias und alle seine Macht und wie er den Teich, das ist der Siloateich, und die Wasserleitung, das ist der Hiskia-Tunnel, gemacht und das Wasser in die Stadt geleitet hat – ist das nicht geschrieben im Buch der Chronik der Könige von Juda? Hiskia legte sich zu seinen Vätern.“
Hier sehen wir, dass diese Leistung als die große Lebensleistung von Hiskia dargestellt wird.
Dann die zweite Stelle, 2. Chronik 32,20: Auch hier, abschließend über sein Leben, wird gesagt: „Und er, Jehiskia, verstopfte den oberen Ausfluss der Wasser des Gihon und leitete sie unter dem Boden westwärts nach der Stadt Davids. Und Jehiskia hatte Gelingen in all seinem Tun.“
Nun hat Hiskia Folgendes gemacht: Er hat das Wasser der Gihon-Quelle über einen ganz neuen, unterirdischen Kanal direkt in die Stadt geleitet. Dieser Kanal wurde 1839 von Edward Robinson, einem Engländer, entdeckt. Es handelt sich um einen S-förmigen, langen Tunnel von 533 Metern Länge, der durch den karstigen Felsen hindurchgeschlagen wurde.
Die Höhe des Tunnels variiert zwischen 1,5 und 5 Metern, die Breite liegt zwischen 55 und 65 Zentimetern. Der Tunnel wurde von beiden Seiten gleichzeitig gegraben. Das Überwältigende an der Sache ist, dass beim Treffpunkt der beiden Gräbertruppen nur wenige Zentimeter Abweichung festgestellt wurden – und das natürlich ohne Laser. Es ist völlig unverständlich, wie das damals möglich war.
Die Höhe des Felsens über dem Kopf beim Treffpunkt betrug etwa 45 Meter. Das Gefälle dieses mehr als einem halben Kilometer langen Tunnels beträgt zwei Meter, also ein sehr leichtes Gefälle. Alles hat also so präzise geklappt. Man kann sagen, es handelt sich um eine Ingenieurleistung sondergleichen – aufsehenerregend und einzigartig.
1880 wurde innerhalb dieses Tunnels eine Inschrift entdeckt. Ich werde sie bei der zweiten Serie der Bilder zeigen. Ich hoffe, man kann dann etwas davon erkennen und lesen – eine originale Inschrift, in der die Gräber noch festhalten, wie ergreifend der Moment war, als sie sich trafen, nachdem sie von beiden Seiten gegraben hatten.
Die Schrift ist selbstverständlich vorexilisches Althebräisch. Das bedeutet, die Schrift sieht ganz anders aus als die hebräischen Bibeln, wie wir sie heute in Druckform kennen. Es ist die Schrift, wie man sie vor der babylonischen Gefangenschaft benutzte. Wenn man diese Schrift sieht, erhält man einen genauen Eindruck davon, wie zum Beispiel Jesaja sein Buch ursprünglich geschrieben hat – wie das Schriftbild damals aussah.
Hier die Übersetzung von dieser Tafel:
„Dies war der Durchbruch, und dies war die Angelegenheit mit dem Durchbruch. Als die Gräber noch die Hacke schwangen, ein Jeder in Richtung seines Kollegen, und als noch drei Ellen zu durchgraben waren, da wurde die Stimme eines Jeden, der zu seinem Kollegen rief, gehört. Denn es gab einen Spalt im Fels, von Süden und von Norden, und am Tag des Durchbruchs schlugen die Gräber ein Jeder in Richtung seines Kollegen Hacke gegen Hacke, und da flossen die Wasser von der Quelle zum Teich über eine Länge von tausendzweihundert Ellen.“
Das ist ein ergreifender Moment: Plötzlich konnte das Wasser von der Gihon-Quelle hinein in die Stadt fließen bis zum Siloateich. Die Länge von 1200 Ellen lässt sich gut umrechnen. Dabei sieht man, dass die kleine Elle verwendet wurde, nicht die Königselle, wie sie für den Tempel benutzt wurde.
Archäologische Funde und der Taylor Prisma
Gut, jetzt schauen wir uns ein paar Bilder an. Es funktioniert nicht richtig, man sieht nichts. Oder da hinten vielleicht. Wir müssen das heute Nachmittag zeigen.
Machen wir mal schnell einen Versuch, vielleicht sieht man einzelne Bilder. Das ist der unterirdische Hiskia-Kanal. Genau an diesem Ort befindet sich der Treffpunkt der Gräber, die sich nur um ein paar Zentimeter verschoben haben.
Das ist die Inschrift, aber jetzt ist es nicht möglich, sie mitzulesen. Das ist der Teich, der Siloah-Teich am anderen Ende.
Ja, und dieses Prisma – darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Schauen wir es uns schon mal genau an. Das ist das sogenannte Taylor-Prisma, auf dem Sanherib seinen Feldzug gegen Hiskia beschreibt. Es handelt sich also um einen originalen Bericht der Assyrer über diese Ereignisse, die wir aus der Bibel näher betrachten werden.
Das ist sehr interessant, wenn man diese beiden Berichte miteinander vergleicht.
Gut, jetzt kann man abschalten. Hiskia hat das Volk Gottes geliebt und wollte, dass es nicht fremden Mächten dienen muss. Deshalb wagte er den Aufstand gegen die Assyrer. Zuvor sicherte er jedoch die Wasserversorgung für Jerusalem.
Die Belagerung Jerusalems und die Verhandlungen mit den Assyrern
Und sobald er den Aufstand gemacht hatte, kam in der Folge das assyrische Heer mit einer Invasion nach Judäa und schließlich zur Belagerung Jerusalems. Das assyrische Heer war zuvor in Lachis, einer stark ummauerten Stadt in der Nähe von Jerusalem. Danach wurde eine Division abgesandt, die von Tartan, dem Feldherrn, Rab Saris, dem Oberkämmerer, und Rab Schake, dem Obermundschenk, geführt wurde. Letzterer führte die Verhandlungen vor der Stadtmauer.
Es ist wichtig zu beachten, dass gerade der Obermundschenk die Verhandlungen führte, da er sich besonders für das Thema Trinken interessierte. Die Verhandlungen fanden draußen bei der sichtbaren Wasserleitung Jerusalems statt, nämlich am Siloah-Kanal. Dieser Kanal wird in Jesaja 8,6 erwähnt – es sind die still fließenden Wasser von Siloah. Man darf ihn nicht mit dem Siloah-Teich oder dem Hiskia-Tunnel verwechseln. Es handelte sich um einen alten Kanal, der außerhalb von Jerusalem sichtbar war.
Dort kamen die Führer der Assyrer zusammen. Sie hielten beide Wasserleitungen an und wollten verhandeln, damit die Leute von Jerusalem von selbst die Stadttore öffneten und sich ohne Kampf ergaben. Warum genau an diesem Ort? Die Assyrer wollten klar machen: „Schaut, ein paar Spatenstiche, und wir haben euch diesen Kanal da draußen verstopft. Ihr werdet verdursten!“ Sie planten also, Jerusalem durch das Verstopfen des alten, sichtbaren Siloah-Kanals auszutrocknen.
Doch Hiskia hatte einen unsichtbaren Kanal geschaffen, der das Wasser beständig ins Innere der Stadt führte. Es war also der Obermundschenk, der die Verhandlung führte, und er sagte, die Stadt solle sich ergeben. Andernfalls würde es so weit kommen, dass man in Jerusalem seinen eigenen Urin trinken müsse. So sprach er in 2. Könige 18,27 und 31.
Das Volk stand auf der Stadtmauer und verfolgte die Verhandlung, doch es schwieg und sagte kein Wort. Es wird ausdrücklich in 2. Könige 18,36 erwähnt, dass Hiskia geboten hatte, niemand dürfe sprechen. So wurde das Geheimnis der unsichtbaren Wasserader Jerusalems nicht preisgegeben. Die Leute lachten sich ins Fäustchen, als der Obermundschenk mit der Drohung vom Urin kam.
Der Rab Schake, der Obermundschenk vor den Stadtmauern Jerusalems, verhöhnte den Gott Israels. Er spottete darüber, dass Hiskia auf diesen Gott vertraute, und stellte den alleinwahren Gott den falschen Göttern der Nationen gleich. Er sagte: „Ja, was wollt ihr? Schaut mal, die Götter von diesem Volk und von jenem Volk konnten ihnen auch nicht helfen. Wir haben sie alle erobert. Und jetzt glaubt ihr, weil ihr an Yahweh, den Gott Israels, glaubt, dass ihr verschont werdet?“
Das war schlimm in mehrfacher Hinsicht: Er verspottete das Vertrauen Hiskias, verhöhnte den Gott Israels und stellte ihn auf eine Stufe mit den falschen Göttern. Doch Hiskia wusste, wo die Quelle seiner Kraft lag. Sein Name bedeutet „Der Herr gibt Kraft“, „Der Herr stärkt“. Er war ein Mann des Gebets.
Wir lesen in 2. Könige 19,1: „Und es geschah, als der König Hiskia es hörte, da zerriss er seine Kleider und hüllte sich in ein Sacktuch und ging in das Haus des Herrn.“
Hiskias Gebet und Gottes Eingreifen
Weiter Kapitel 19, Vers 14: Und Hiskia nahm den Brief, den er von den Assyrern als Warnung erhalten hatte. Er nahm den Brief aus der Hand der Boten und las ihn.
Dann ging er hinauf in das Haus des Herrn. Vom Südabhang, wo sein Palast lag, stieg er zur Bergspitze von Zion, zum Tempel.
Dort breitete Hiskia den Brief vor dem Herrn aus. Er betete vor dem Herrn und sprach: „Herr, Gott Israels, du, der du zwischen den Cherubim thronst, eben bei der Bundeslade, die auf dem Felsen der Bergspitze steht, du allein bist der wahre Gott, über alle Königreiche der Erde, also auch über die Assyrer. Du hast Himmel und Erde geschaffen.
Herr, neige dein Ohr und höre! Öffne deine Augen und sieh! Höre die Worte Sanheribs, die er gesagt hat, um den lebendigen Gott zu verhöhnen.
Wahrlich, Herr, die Könige von Assyrien haben Nationen und ihr Land verwüstet. Sie haben ihre Götter ins Feuer geworfen, denn sie waren keine Götter, sondern Werke von Menschenhand, aus Holz und Stein. Sie haben sie zerstört.
Und nun, Herr, unser Gott, rette uns doch aus seiner Hand, damit alle Königreiche der Erde erkennen, dass du, Herr, allein Gott bist.“
Das war ein dramatischer Moment. Es ging darum, dass die Assyrer erkennen sollten, dass der Herr, der Gott Israels, der einzig wahre Gott ist. Hiskia macht sein Problem zum Problem Gottes. Er nimmt den Brief und stellt ihn vor Gott: „Sieh, was er geschrieben hat! Das ist dein Problem, du wirst verhöhnt. Greife ein zugunsten deiner Ehre!“
Kurz darauf kam der Prophet Jesaja, der das größte Prophetenbuch der Bibel verfasst hat. Wir lesen in Vers 20: Da sandte Jesaja, der Sohn Amoz, zu Hiskia und ließ ihm sagen: „So spricht der Herr, der Gott Israels: Was du wegen Sanheribs, des Königs von Assyrien, zu mir geredet hast, habe ich gehört. Dies ist das Wort, das der Herr über ihn gesprochen hat.“
Dann folgt ein Gedicht von Jesaja: „Er verachtet dich, er verspottet deine Jungfrau, die Tochter Zion. Die Tochter Jerusalem schüttelt das Haupt über dich. Über die Assyrer: Wen hast du verhöhnt und gelästert? Gegen wen hast du deine Stimme erhoben? Gegen den Heiligen Israels hast du deine Augen emporgerichtet...“
Jesaja überbringt Gottes Botschaft, die Hiskia versichert, dass der Herr eingreifen wird. Und so geschah es.
Wir lesen in 2. Könige 19,35: „Und es geschah in derselben Nacht, da ging der Engel des Herrn aus und schlug im Lager der Assyrer 185.000 Mann.“
Das sind übrigens etwa so viele, wie beim Golfkrieg gefallen sind, wenn man sich die Dimension vor Augen führt: 185.000 Mann.
Als man am Morgen früh aufstand, siehe, da lagen sie alle tot da. Sanherib, der König von Assyrien, brach auf, zog fort und kehrte zurück und blieb in Ninive.
Es geschah: Als er sich im Haus Nisroks, seines Gottes, niederbeugte, erschlugen ihn Adramelech und Scharezer, seine Söhne, mit dem Schwert. Sie entkamen ins Land Ararat. Esarhaddon, sein Sohn, wurde König in seiner Stadt.
Der Engel des Herrn griff ein. Wichtig ist: Im Alten Testament ist es „der Engel des Herrn“, nicht „ein Engel“. Es sollte hier mit bestimmten Artikeln übersetzt werden. Der Engel des Herrn ist nicht irgendein Engel, sondern der Sohn Gottes im Alten Testament.
Das Wort „Engel“ braucht nicht zu verwirren, denn auf Hebräisch bedeutet mal ach einfach „Gesandter“. Das kann ein Engelwesen sein, ein Mensch oder auch Gott selbst, der Sohn Gottes.
So wie zum Beispiel in 1. Mose 16: Agar sieht den Engel des Herrn und nennt ihn Yahweh, den Ewigen, den Unwandelbaren.
Es ist also Gott selbst, der kommt und die Armee vor den Toren Jerusalems erschlägt. So müssen die Assyrer unverrichteter Dinge abziehen.
Später wird Sanherib sogar in seinem Tempel ermordet. Der Gott, der ihm eigentlich hätte helfen sollen, rettet ihn nicht. Stattdessen ermorden ihn seine eigenen Söhne.
Der Taylor Prisma und die historische Einordnung
Nun, ich habe vorhin das Taylor-Prisma gezeigt, das man seit dem letzten Jahrhundert kennt. Es handelt sich um Sanheribs originalen Feldzugsbericht, der 37,5 cm hoch ist. Die Assyrer haben solche Prismen sehr oft hergestellt, auf denen sie ihre großen Leistungen festhielten. Diese Prismen wurden dann in Fundamente von Stadttoren, Tempeln und Palästen eingelassen. So konnten künftige Generationen, wenn sie dort graben, diese Objekte finden und sehen, welche großartigen Könige Assyrien einst hatte.
Das erklärt auch, warum diese Prismen oft prahlerisch und hochfahrend im Stil sind. Auf diesem Prisma findet sich eine Liste vieler Aufstände, die Sanherib niederschlagen musste. Auch andere Völker erhoben sich gegen die Assyrer, so wie Hiskia. Sanherib musste diese Aufstände niederschlagen.
In dem ausführlichen Bericht wird auch Merodachbaladan erwähnt. Er war der babylonische König, von dem in Jesaja 39 berichtet wird, dass er hohe Diplomaten zu Besuch geschickt hatte. Merodachbaladan hatte ebenfalls einen Aufstand gegen die Assyrer in Babylon geführt. Offenbar schickte er Diplomaten zu Hiskia, um sich mit ihm gegen die Assyrer zu verbünden. In der Bibel steht zwar, die Gesandten seien gekommen, um Hiskia zu gratulieren, weil er durch ein Wunder von seiner Krankheit gesund geworden war. Doch in der Politik gratuliert man oft zu persönlichen Ereignissen, um dann größere Geschäfte zu machen.
Merodachbaladan wird hier also als Aufständischer gegen die Assyrer erwähnt. Weiter wird berichtet, dass Hiskia sich geschlagen gab und den Assyrern einen hohen Tribut zahlte. Dies geschah, bevor Jerusalem belagert wurde. Judäa stand bereits unter schwerem Beschuss der Assyrer. Plötzlich schickte Hiskia eine große Geldsendung an die Assyrer. Diese nahmen das Geschenk an, doch es hinderte sie nicht daran, Jerusalem trotzdem erobern zu wollen.
Interessanterweise wird auf dem Prisma nicht erwähnt, dass Jerusalem eingenommen wurde. Zwar sind dort 64 befestigte Städte mit starken Mauern aufgelistet, die Sanherib erobert hatte, doch von Jerusalem heißt es nur: „Und Hiskia vom Lande Juda, der sich meinem Joch nicht gebeugt hatte. 46 seiner festen Städte mit Mauern versehene und die kleinen Städte in ihrer Umgebung ohne Zahl durch Niedertreten mit Bohlenbahnen und durch Ansturm mit Belagerungsmaschinen, durch den Kampf der Fußtruppen. Ihn selbst, wie ein Käfigvogel inmitten der Stadt Jerusalem, der Stadt seines Königtums, schloss ich ein.“
Er sagt also nur, dass er Jerusalem eingeschlossen hat, aber nicht, dass er die Stadt erobert hätte. Außerdem erwähnt er nicht, dass seine Armee vor den Toren Jerusalems in einer Nacht vernichtet wurde. In einem prahlerischen Bericht kann man natürlich nicht die eigene Schmach und Schande erwähnen. Deshalb lässt er das einfach unerwähnt.
Interessant ist, dass er nur berichtet, Jerusalem sei eingeschlossen gewesen und dass er dann zurückgegangen sei. Erst später habe Hiskia einen Tribut nach Ninive bringen lassen. Das heißt, den Tribut erhielt Sanherib nicht vor Ort. Es ist klar, dass er Jerusalem nicht erobern konnte und wieder abziehen musste. Die Niederlage erwähnt er mit keinem Wort.
Es ist spannend, wenn man einen außerbiblischen Bericht und die Bibel zusammen betrachtet. Dabei sieht man die Unterschiede und erkennt, wie sich beide Quellen wunderbar ergänzen.
Geistliche Bedeutung der Gihon Quelle und lebendiges Wasser
Jetzt wollen wir uns näher mit der geistlichen Bedeutung dieser ganzen Sache beschäftigen, der heilsgeschichtlichen Bedeutung der Lebensquelle Gihon.
Diese Quelle war die Lebensquelle für Jerusalem, die Stadt Gottes. Sie ist ein Bild von dem lebendigen Gott selbst. In Sprüche 14, Vers 27 lesen wir: „Die Furcht des Herrn ist eine Quelle des Lebens, um den Fallstricken des Todes zu entgehen.“ Genau so hat es Hiskia erlebt. Er hat den Herrn gefürchtet, die Gihon-Quelle in die Stadt führen lassen und ist so dem Tod entronnen.
Die Gihon-Quelle selbst ist also ein Bild von Gott, der die Quelle allen Lebens ist. Dabei muss ich erklären, dass die Gihon-Quelle ein Bild von Gott selbst ist. Der Ausdruck „lebendiges Wasser“ in der Bibel oder „Wasser des Lebens“ ist die Übersetzung des hebräischen Begriffs „mayim chayim“. Dieser Ausdruck bedeutet nichts anderes als frisches Quellwasser.
Auch im heutigen modernen Hebräisch wird für frisches Quellwasser der Ausdruck „Lebenswasser“ oder „Wasser des Lebens“ bzw. „lebendiges Wasser“ (mayim chayim) verwendet. Das ist also kein rein geistlicher Ausdruck, sondern ein ganz normaler, sachlicher Begriff.
Lesen wir noch Jeremia 2, Vers 13, um zu sehen, wie Gott als Quelle des Lebens dargestellt wird: Dort wird dem Volk Israel Abfall vorgeworfen. In einer späteren Zeit heißt es: „Zweifach Böses hat mein Volk begangen: Mich, den Born lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen auszuhauen, geborstene Zisternen, die kein Wasser halten.“
Gott ist also der Quell des Lebens, der lebendiges Wasser gibt. Davon ist die Gihon-Quelle ein Bild.
Das lebendige Wasser wird im Neuen Testament verschiedentlich aufgegriffen, zum Beispiel in Johannes 4, Vers 10. Im Gespräch Jesu mit der samaritischen Frau am Brunnen sagt er: „Wenn du die Gabe Gottes kennst und wer es ist, der zu dir spricht, gib mir zu trinken, so würdest du ihn gebeten haben, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“
Damit ist nicht einfach stehendes Brunnenwasser gemeint, sondern frisches Quellwasser. Die Frau reagiert richtig und fragt: „Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief, woher hast du denn das lebendige Wasser?“
Jesus erklärt ihr dann, dass er ein Wasser hat, das ganz anders ist. In Vers 13 sagt er: „Jeder, der von diesem Wasser trinkt, das ist das gestandene Brunnenwasser, wird wieder dürsten. Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, die ins ewige Leben quillt.“
Diese Frau, die fünfmal verheiratet war und jedes Mal unglücklich war, und die beim sechsten Mal im Konkubinat lebte – also eine Frau, die Erfüllung gesucht hat und nicht gefunden hat – sagt: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr dürste und nicht mehr hierher kommen muss, um zu schöpfen.“
Wir sehen also, wie von der wörtlichen Bedeutung hin zur geistlichen übergegangen wird.
In Johannes 7, Vers 38 wird erklärt, was dieses frische, lebendige, frei fließende Wasser im Neuen Testament bedeutet: „Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat: Aus seinem Innern werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“
Johannes erklärt dazu: „Dies aber sagte er von dem Geist, welchen die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn der Geist war noch nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.“
Wir sehen also, dass das lebendige Wasser im Neuen Testament ein Bild für den Heiligen Geist ist. Der Geist Gottes erfrischt und belebt die Seele des Menschen, indem er die Herrlichkeit des Sohnes Gottes offenbart.
Darum wird auch in der Offenbarung im letzten Kapitel, 22, Vers 17 jeder Mensch, der Durst hat, eingeladen, zu kommen und gratis zu trinken von dem Wasser des Lebens.
Das ist also das Wasser, die Erfrischung, die aus Gott selbst kommt – Gott, der das wahre Leben gibt, das ewige Leben.
Die unsichtbare Lebensquelle und die Bedeutung des Geistes
Weiter ist Folgendes festzuhalten: Diese Lebensquelle Jerusalems, durch Hiskia gebaut, war eine unsichtbare Lebensquelle.
Der Herr Jesus sagt in Johannes 14,17: „Der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht, noch ihn kennt.“ Genau so haben wir als Gläubige im Neuen Testament auch eine unsichtbare Lebensquelle, wie damals Hiskia.
Der Mundschenk von Assyrien, der über die Leute von Jerusalem spottete, wusste gar nichts von dieser unsichtbaren Quelle. Er erkannte sie nicht und sah sie auch nicht.
Weiter ist festzuhalten, dass das Wort Gihon, hebräisch ausgesprochen Gichon, „Hervorbruch“ oder „Ausbruch“ bedeutet – gemeint ist der Ausbruch des Wassers. Diese Gihon-Quelle ist also eine massive Quelle. Wir haben ja gesehen, dass sie bis zu 50 Liter pro Stunde liefert. Das erzeugt schon einen recht starken Druck.
So ist die Gihon-Quelle auch ein Bild der Kraft des Heiligen Geistes. Jesus sagt in Apostelgeschichte 1,8: „Ihr werdet mit Kraft aus der Höhe angetan werden.“ Gerade noch vor Pfingsten spricht er davon.
Also spricht die Gihon-Quelle eindrücklich von der Kraft des Heiligen Geistes, von dem Geist, den die Welt nicht sieht und nicht kennt. Doch dieser Geist erfrischt und belebt die Seele des Gläubigen auch in der Not und Bedrängnis der Asyr, also in der Not und Bedrängnis der Feinde.
Bedeutung des Siloateichs und die Sendung Jesu
Ja, es ist elf Uhr. Ich glaube, wir sollten eine Pause machen. Können wir vielleicht zwischendurch etwas singen? Geben wir einen Vorschlag? Dann gehen wir weiter.
Wir haben uns eben mit der Gihonquelle beschäftigt. Jetzt wenden wir uns dem Ausdruck „Siloateich“ zu. Siloa, hebräisch ausgesprochen Shiloach, stammt von dem Tätigkeitswort „Schalach“, das „senden“ bedeutet. Deshalb kann man Siloa oder im Neuen Testament Siloam, was dasselbe ist, mit „Entsendung“ oder „Gesandt“ übersetzen.
So wird es auch in Johannes 8,7 gemacht, wo der Apostel Johannes die Übersetzung „Gesandt“ für Siloam verwendet. Damit ist die Entsendung des Wassers gemeint, denn das Wasser wird von der Gihonquelle über eine Strecke von 533 Metern zum Siloateich geleitet.
Das hat natürlich auch eine großartige Bedeutung. Der Sohn Gottes, Jesus Christus, ging ja vom Vater aus und kam den weiten Weg aus dem Himmel in diese Welt, um uns das Leben zu bringen – das lebendige Wasser. Genau das ist die ausgesprochene Botschaft des Johannesevangeliums.
Dort kommt der Ausdruck „gesandt“ einundvierzig Mal in Bezug auf den Herrn Jesus vor. Es ist also ein Schlüsselbegriff für dieses Evangelium. Ich habe alle 41 Stellen hier auf dem Blatt aufgeführt: Der Herr Jesus, der Gesandte vom Vater.
Das wird uns auch helfen, die Geschichte von dem Blindgeborenen, der sich im Siloam waschen musste, besser zu verstehen. Denn der Siloateich weist eben auf den Herrn Jesus hin, der vom Vater ausgegangen ist und in diese Welt gesandt wurde, um das Leben zu bringen.
Zum Beispiel lesen wir in Johannes 3,17: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn errettet werde.“ Keine Angst, wir lesen nicht alle 41 Stellen, aber es lohnt sich, sie zu Hause einmal durchzugehen.
In diesem Vers hat der Herr Jesus gegenüber Nikodemus in Jerusalem das hebräische Wort „Schalach“ gebraucht, das an Shiloach, den Siloateich, anklingt.
Ein weiteres Beispiel ist Johannes 3,34: „Denn der, welchen Gott gesandt hat, redet die Worte Gottes.“ Oder Johannes 5,37: „Und der Vater, der mich gesandt hat, hat selbst Zeugnis von mir gegeben.“ Oder Johannes 5,38: „Und sein Wort habt ihr nicht in euch bleiben lassen, denn welchen er gesandt hat, diesem glaubt ihr nicht.“ Das ist ein Vorwurf an die Führer.
Der Herr Jesus ist also der Gesandte und damit die Erfüllung des Siloateichs. Im Johannesevangelium wird das noch weiter ausgeweitet. Der Herr Jesus spricht auch davon, dass er den Heiligen Geist senden werde, der vom Vater ausgehen wird. So weist das lebendige Wasser auf den Heiligen Geist hin.
In Johannes 14,26 heißt es: „Der Sachwalter aber, der Heilige Geist, welchen der Vater senden wird in meinem Namen, wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Der Heilige Geist wurde also gesandt und kam am Pfingsttag in diese Welt, um die Erlösten zu belehren und sie zu erinnern.
Nur so nebenbei: Man kann sich nur an etwas erinnern, was man auch schon einmal mitbekommen hat. Wer die Bibel zu Hause zuschlägt, muss nicht damit rechnen, dass der Heilige Geist ihn daran erinnert. Der Heilige Geist kann uns nur an das erinnern, was wir schon gelesen und aus seinem Wort empfangen haben. Und daran kann er uns erinnern, wenn wir es in uns aufgenommen haben.
Eine weitere Stelle ist Johannes 15,26: „Wenn aber der Sachwalter gekommen ist, den ich euch von dem Vater senden werde, den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, so wird er von mir Zeugnis ablegen.“ Der Geist geht also vom Vater aus, von der Gihonquelle, die vom Vater ausgeht.
In Johannes 16,7 steht: „Es ist euch nützlich, dass ich weggehe; denn wenn ich nicht weggehe, wird der Heilige Geist nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingehe, werde ich ihn zu euch senden.“ Wichtig ist: Der Vater sendet den Heiligen Geist, der Sohn sendet den Heiligen Geist – ausgehend vom Vater und vom Sohn. Das war früher ein Streitpunkt in der Theologie.
Das Thema wird im Johannesevangelium auf einer weiteren Ebene fortgeführt. Der Herr Jesus sendet auch die Erlösten, die durch ihn ewiges Leben bekommen haben, in diese Welt.
In Johannes 13,16 heißt es: „Wahrlich, ich sage euch: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch ein Gesandter größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr dies wisst, seid ihr selig, wenn ihr es tut.“ Der Herr Jesus betrachtet sich also als den Sendenden, und die Gläubigen sind die Gesandten, die auf ihn hören sollen.
Noch deutlicher wird es in Johannes 17,18, im Gebet des Herrn zum Vater vor seinem Kreuzestod: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe ich sie in die Welt gesandt.“ Hier wird sogar verglichen: So wie der Vater den Sohn gesandt hat, so sendet der Sohn jetzt die Erlösten in diese Welt. Die Analogie ist ganz deutlich.
Und in Johannes 20,21 spricht Jesus, der Auferstandene: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Genau so, wie er das Wasser des Lebens gebracht hat, sollen die Erlösten nun, ausgerüstet mit dem Heiligen Geist, dieses Wasser des Lebens weitergeben und so gewissermaßen selbst Siloatunnel sein.
Der Siloateich als Ritualbad und geistliche Reinigung
Zur Zeit der Evangelien war der Siloateich ein öffentliches Ritualbad. Ich schaue mir ein paar Bilder an. Das ist also nochmals das Taylor-Prisma, das den Feldzug von Sanherib zeigt. Hier sieht man Jerusalem im Jahr 30, einen Stadtplan, mit dem man sich gut zurechtfinden kann.
Das ist der Tempelplatz, das größte Heiligtum aller Zeiten, viel größer als der Karnak-Tempel. Dieser ist nämlich 80 Quadratmeter groß. In einer ägyptischen Broschüre habe ich die Bemerkung gefunden, es sei das größte Heiligtum der ganzen Menschheitsgeschichte. Aber dabei wurde übersehen, dass es in Jerusalem 144 Quadratmeter sind.
Hier haben wir den Südabhang des Tempelbergs. Wir sehen nun, wie in neutestamentlicher Zeit die Stadt bereits stark gewachsen war, schon seit der Zeit der Königin. Dieses Haus hier ganz im Südende der Stadt ist der Siloateich, ein öffentliches Ritualbadhaus. Daran schloss sich hinten ein Ausfluss an, durch den das überfließende Wasser abgeleitet wurde.
Auch wichtig für das Folgende: Es gab hier einen speziellen Ausgang aus dem Tempel. Man sieht heute noch den Ansatz dieses gewaltigen Bogenbaus. Es ist der größte Bogenbau der Antike. Er führt in eine Straße, eine Gasse, die über Treppen hinunter bis zum Südende, bis zum Siloateich, führt.
In Johannes kommt der Herr Jesus gerade aus dem Tempel heraus, und die Jünger sehen den Blindgeborenen. Dieser muss also irgendwo im Südbereich des Tempels gewesen sein, denn hier im Süden war der Hauptausgang und Eingang für das Volk, für die gewöhnlichen Menschen.
Der Herr Jesus streicht dem Blindgeborenen Erde, mit Speichel vermischt, auf die Augen und sagt zu ihm: „Gehe hin nach Siloam und wasche dich.“ Nicht „wasche die Augen“, sondern „wasche dich“ – nimm ein Ritualbad im Siloah-Badhaus. Der Blindgeborene musste also die ganze Treppe allein hinuntergehen bis zum Siloah-Ritualbadhaus. Dort musste er sich baden und die Augen auswaschen.
Das war natürlich günstig, denn er musste keine Abzweigungen nehmen oder Ähnliches. Es war ein direkter Weg, aber doch für einen Blindgeborenen eine Herausforderung, die Treppen alleine hinunterzugehen.
Eine Rekonstruktion des Siloah-Badhauses zeigt auch noch schöner diese Treppe, die dorthin führte. Dort musste er sich waschen, und so wurde er, der Blindgeborene, sehend.
Das zeigt uns Wichtiges: Die Lehre von den Waschungen, nach Hebräer 6,1, gehörte zu den Grundlehren des Judentums. Wer sich nicht zuerst rituell durch ein Bad reinigte, durfte nicht in den Tempelbezirk, in das Heilige, hineingehen.
Übertragen bedeutet das Folgendes: Die Bibel wird mit einem Wasserbad verglichen. In Epheser 5,26 heißt es, dass Christus seine Gemeinde reinigt mit der Waschung mit Wasser durch das Wort, also durch das Wasserbad des Wortes. Dort wird diese Einrichtung der Ritualbäder geistlich erklärt: Die Bibel ist ein Bad.
Es funktioniert so: Wenn wir die Bibel lesen, deckt sie unsere Fehler, Irrtümer und Sünden auf. Das soll uns dazu führen, dass wir in Reue Gott unsere Sünden bekennen. So schreibt Johannes in 1. Johannes 1,9: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“
Das Wort „reinigen“ ist ein technischer Ausdruck im Griechischen für die rituelle Reinigung. So ist die Bibel das Wasserbad, nur das Wasserbad des Wortes.
Wir sehen also, dass das Wort einerseits das Wasser von Siloah sinnbildlich ist, also das Wort Gottes, andererseits der Heilige Geist. Doch das ist eine Einheit, denn die ganze Schrift ist vom Heiligen Geist inspiriert (2. Timotheus 3,16).
Darum wird auch das gleiche Bild verwendet. Das zeigt uns noch viel mehr: Wie konnte der Blindgeborene sehend werden? Er musste sich hier reinigen.
So können wir nur geistlich sehend werden, wenn wir unsere Schuld Gott ehrlich bekennen und in unserem Leben radikal aufräumen wollen. Das führt zu dem Wunder des Blindgeborenen.
Der Blindgeborene sagt es selbst gegenüber den Leuten vom höchsten Gerichtshof: Es ist von Ewigkeit her noch nie gehört worden, dass einem Blindgeborenen die Augen geöffnet worden sind. Das war also etwas, das nie in der ganzen Menschheitsgeschichte geschehen war.
Die Rabbiner lehrten damals, nur der Messias werde einmal Blindgeborene heilen können. Und dann geschah es in Johannes 9. Er hat sich ausgewaschen und wurde sehend.
Der oberste Gerichtshof musste kontrollierend prüfen, wenn eine messianische Bewegung in Israel aufkam, ob sie von Gott oder von Menschen stammte. Darum haben sie diesen Blindgeborenen sehr detailliert untersucht. Sie fragten ihn immer wieder: „Erzähle uns nochmals, wie hat er deine Augen geöffnet?“
Er antwortete: „Ich habe es doch schon gesagt, warum wollt ihr es nochmals hören? Wollt ihr etwa auch seine Jünger werden?“ Das war ein bisschen zu weit gegangen, aber er hat sich sehr gut geschlagen. Er erklärte einfach, wie es war: „Es war ein Mensch, er hat mir Erde auf die Augen getan, er hat gesagt, gehe nach dem Siloateich, wasche dich dort, und ich habe es gemacht, und ich bin sehend geworden.“
Er blieb ganz klar bei den Fakten. Und was nicht sein darf, kann nicht sein – das war die Losung des Hohen Rates damals. Schlussendlich warfen sie den Blindgeborenen aus der Gemeinschaft hinaus.
Der nächste Satz ist dann in Johannes 9: Jesus hörte, dass sie ihn hinausgeworfen hatten. Er kommt zu ihm und fragt: „Glaubst du an den Sohn Gottes?“ Der Blindgeborene antwortet: „Wer ist es, Herr, dass ich an ihn glauben könnte? Ich habe ihn ja noch nie gesehen.“
Der Herr Jesus sagt: „Ich bin es, der mit dir redet.“ Darauf fällt der Blindgeborene nieder und betet an.
Das ist eine gewaltige Szene, die mit der Lebensader Jerusalems in engster Verbindung steht.
Hier sieht man den Ausfluss aus dem Siloah-Badhaus. Das überlaufende Wasser vom Badhaus fließt in diesen Teich hinein.
Der heutige Siloah-Teich sieht so aus und erinnert uns an diese Dinge.
Die Shoewa-Prozession und die prophetische Bedeutung des Wassers
Aber es geht noch weiter. Der Siloateich spielt eine große Rolle jährlich bei der Shoewa-Prozession. Vielleicht klingt das für manche noch unbekannt, doch im Neuen Testament spielt er tatsächlich eine wichtige Rolle.
Es war so: Am Laubhüttenfest zur Zeit der Evangelien – dem freudigsten Fest, das das Gesetz Mose vorschrieb – musste man sich dreimal im Jahr an diesem Fest freuen. Jeden Tag ging ein Priester zusammen mit der Volksmenge den ganzen langen Weg vom Tempelplatz hinunter bis zum Siloateich.
Ein Priester schöpfte mit einem Goldgefäß Wasser aus dem Siloateich. Das Volk jubelte dabei, und es gab eine riesige Prozession. Jeden Tag wurde dieses Ritual durchgeführt. Danach ging es die ganze Treppe wieder hinauf, dann über den Robinsonbogen – von dem man heute noch den Ansatz sehen kann. Wenn man das nächste Mal nach Jerusalem geht, sollte man dort genau hinschauen. Über den Bogen gelangte man hinein zum Tempel.
Auf dem Altar gab es ein kleines Silbergefäß, das fest montiert in einer Ecke stand. Dort goss der Priester das Wasser hinein. Es war sehr feierlich, wenn man am Tempel empfangen wurde. Die Priester bliesen die silbernen Posaunen und empfingen so die ganze Volksmenge. Feierlich goss der Priester das Wasser aus dem goldenen Gefäß in das Silbergefäß auf dem Altar.
Das Silbergefäß hatte unten einen Schlitz, sodass das Wasser unten wieder herausfloss. Dann wurde gebetet, dass die künftige Regenzeit – der Frühregen, der gerade nach dem Laubhüttenfest eintreten sollte – auch wirklich komme. Bleibt er aus, führt das zu einer Missernte im nächsten Frühjahr.
Am Laubhüttenfest wurde also darum gebetet, in Verbindung mit dieser Shoewa, was Ausgießung oder Ausgießungsprozession bedeutet. Die Rabbiner erklärten, dass dieses Wasser, das man ausgoss, und damit das Wasser des Frühregens, auf die künftige Ausgießung des Heiligen Geistes über Israel hinweist.
Das ist die Verheißung aus Joel 2,28-29 (in anderen Bibelausgaben Joel 3,1-2).
Jetzt schauen wir in Johannes 7: Der Herr Jesus war im Tempel am Laubhüttenfest, ausdrücklich am Laubhüttenfest. In Vers 37 geht es um den siebten Tag, den großen Tag. An diesem Tag wurde noch einmal diese Shoewa-Prozession durchgeführt. Dann geschah etwas, was im Ritual nicht vorgesehen war.
An dem letzten, dem großen Tag des Festes, stand Jesus auf, rief und sprach – man beachte, in den Evangelien heißt es oft „Jesus sprach“, „Jesus sagte“, „Jesus rief“ – das sind ganz besondere Worte des Erlösers. Er sagte: „Wenn jemand durstig ist, so komme er zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“
Johannes erklärt, dass dies von dem Geist gesagt wurde, den die an ihn Glaubenden empfangen sollten. Denn der Geist war noch nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.
Wir sehen also ganz deutlich die Anspielung auf die Prozession: Wenn jemand Durst hat, soll er zum Messias Jesus kommen. So wie der Priester das Wasser in das Gefäß oben hineingoss. Doch unten kam das Wasser wieder heraus, weil es eine Öffnung hatte.
„Aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ – in der Bibel wird der menschliche Körper oft als Gefäß dargestellt, ein äußeres Gefäß, in dem innerlich viel passiert. Das ist eine ganz klare Ausdeutung dessen, was das bedeutet.
Johannes erklärt, dass dieses lebendige Wasser, diese Ströme lebendigen Wassers, auf die Geistesausgießung hinweisen, die unmittelbar bevorstand und am Pfingsttag eingetreten ist (Apostelgeschichte 2).
So sehen wir, dass dieser ganze Hiskiatunnel mit dem Teich am Ende heilsgeschichtlich von großer Bedeutung ist. Vom Alten bis ins Neue Testament spielt er eine Rolle für ganz wesentliche Dinge.
Offenbarung und die zukünftige Bedeutung der Wasserquellen
In Offenbarung 7 wird darauf angespielt, dass Johannes eine unzählbare Menschenmenge aus allen Völkern, Sprachen und Nationen sieht, die aus der künftigen großen Drangsalzeit hervorgehen. Dies findet sich in Offenbarung 7, Verse 9 bis 17. Man kann diese Stelle zuhause für sich lesen.
Alle tragen in der Hand Palmen (Offenbarung 7,9). Das erinnert genau an das Laubhüttenfest, bei dem jeder einen Palmwedel tragen musste, um zum Fest zu kommen. In Vers 16 heißt es: „Sie werden nicht mehr hungern, auch werden sie nicht mehr dürsten.“ Nun kommt das Wasser ins Spiel. Zudem wird „nie mehr die Sonne auf sie fallen“ oder „irgendeine Glut“. Beim Laubhüttenfest im Herbst ist die Gluthitze des Nahen Ostens vorbei, und abends weht ein angenehmes Lüftchen in Jerusalem.
Die Sonne wird nicht mehr auf sie fallen, noch irgendeine Glut. Denn das Lamm, das in der Mitte des Thrones steht, wird sie weiden und zu Quellen der Wasser des Lebens leiten. Gott wird jede Träne von ihren Augen abwischen. Das Lamm führt sie zu den Quellen des Wassers des Lebens.
Dies erinnert an die Prozession, die beim Laubhüttenfest durchgeführt wurde, wenn man mit den Palmwedeln zum Tempel am Siloah-Teich kam. Doch wer ist der Priester, der zur Quelle führt? Es ist das Lamm. Am Laubhüttenfest wurden viele Lämmer auf dem Altar geschlachtet, und der Priester leitete diese Prozession.
All diese Einzelheiten weisen auf eine Person hin: auf den Herrn Jesus Christus. In ihm wird alles zusammengeführt. Er ist der Priester und das Lamm zugleich. Das Lamm führt sie zu den Quellen des Wassers des Lebens.
Besonders schön ist die Anspielung auf Psalm 23 zu erkennen: „Er führt mich zu stillen Wassern.“ Doch wer führt dort? In Psalm 23 ist es der Hirte, „der Herr ist mein Hirte“. Hier aber ist es das Lamm. Jesus ist Mensch geworden und weiß, was es heißt, ein Mensch zu sein. Er ist der Hirte, der seinen Schafen so nahekommen konnte, dass er weiß, was es heißt, ein Lamm zu sein.
Er hat alle Schwierigkeiten des Lebens selbst durchgemacht. Er kennt unsere Probleme nicht nur, weil er Gott ist und alles weiß, sondern weil er sie selbst erlebt hat.
Woher stammt eigentlich diese ganze Prozession? Sie steht im Gesetz Mose als Anordnung zum Laubhüttenfest. Doch die geistliche Bedeutung wurde aus Jesaja 12 abgeleitet, einem Kapitel aus der Zeit des Propheten Jesaja, der zur Zeit Hiskias wirkte.
In Jesaja 12 heißt es kurz zusammengefasst: „An jenem Tag wirst du sagen: Ich preise dich, Herr, denn du warst gegen mich erzürnt, dein Zorn hat sich gewendet, und du hast mich getröstet. Siehe, Gott ist mein Heil, ich vertraue und fürchte mich nicht, denn der Ewige, der Herr, ist meine Stärke und mein Gesang, und er ist mir zum Heil geworden. Mit Wonne werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils und an jenem Tag sprechen: Preiset den Herrn!“
Das „Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils“ beschreibt die freudige Prozession hinunter zu den Quellen. Hier werden sie „Quellen des Heils“ genannt.
Daher hat man diese Prozession abgeleitet und jedes Jahr so durchgeführt. Der Herr Jesus hat das in Johannes 7 aufgegriffen und die geistliche Bedeutung erklärt.
Hier wird also die Siloah-Quelle, der Siloah-Teich, als „Quellen des Heils“ bezeichnet. Im Hebräischen steht hier das Wort „Jeshua“. Wenn man den letzten Buchstaben abdeckt, ist das genau die Schreibweise des Namens Jesus auf Hebräisch.
Man erkennt den Unterschied im Klang: Jeshua ist Jesus, Jeshua bedeutet Heil, Rettung. Mit dem Licht des Neuen Testaments sehen wir hier noch deutlicher den Herrn Jesus, den Erlöser. Er ist „mir zum Heil geworden“, zum Jeshua geworden.
So wird das Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils zu einer tiefen symbolischen Handlung, die auf Jesus Christus, den Retter, hinweist.
Wasser des Siloateichs im Opfer der roten jungen Kuh
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft das Wasser, das für die Asche der roten jungen Kuh verwendet wurde. Dieses Thema haben wir ja bereits am letzten Bibelstudientag ausführlich behandelt. Dabei haben wir gesehen, dass das Opfer der roten jungen Kuh eines der wichtigsten Opfer im Alten Testament überhaupt war.
Das Wasser, das mit der Asche der roten Kuh vermischt wurde, diente als Reinigungsmittel. Dieses Wasser wurde stets aus dem Siloateich geholt. In 4. Mose 19,17 wird ausdrücklich erwähnt, dass es sich dabei um lebendiges Wasser handeln muss.
Aus diesem Grund wurde das frische Quellwasser aus Siloach, dem Siloateich, für diesen Zweck verwendet.
Prophetische Dimension des Hiskia Tunnels und zukünftige Endzeit
Nun wollen wir auch die prophetische Dimension des Hiskiatunnels nicht vergessen: die zukünftige assyrische Belagerung Jerusalems in der großen Drangsalszeit und die Befreiung bei der Wiederkunft Christi.
An einer ganzen Reihe von Stellen im Alten Testament wird davon gesprochen, dass die assyrische Armee in der Endzeit Jerusalem nochmals belagert. Ich habe gerade einige Stellen aus Jesaja angeführt, zum Beispiel Jesaja 14,30-31. Wir wissen, dass Jesaja und auch Micha, der davon in Kapitel 5 spricht, Zeitgenossen von Hiskia waren. Diese Stellen beschreiben, dass Jerusalem in der Endzeit, vor der Wiederkunft des Messias, durch die assyrische Armee nicht nur belagert, sondern in höchste Bedrängnis gebracht wird.
Es wird also nicht so bleiben wie bei Hiskia, als die Feinde vor den Toren stehenblieben und wieder abzogen. In der Endzeit wird Jerusalem erobert werden. Doch dann wird der Herr Jesus in der größten Not eingreifen und Jerusalem befreien.
Lesen wir diesen dramatischen Bericht aus Jesaja 14,25, wo es ganz klar um die Endzeit geht: „Es wird zustande kommen, dass ich Assyrien in meinem Land zerschmettern und es auf meinen Bergen zertreten werde.“
Nun der dramatische Bericht in Jesaja 30, Vers 27, damit man es gleich vorab sieht. In Vers 31 wird Assur erwähnt – Assur, Assyrien, das ist das Gleiche, nur eine sprachliche Nuance.
Ich lese Jesaja 30,27-31:
„Siehe, der Name des Herrn kommt von fernher, sein Zorn brennt, und der aufsteigende Rauch ist gewaltig. Seine Lippen sind voll Grimm, und seine Zunge ist wie ein verzehrendes Feuer, und sein Odem wie ein überflutender Bach, der bis an den Hals reicht, um die Nationen zu schwingen mit einer Schwinge der Nichtigkeit und einen irreführenden Zaum an die Kinnbacken der Völker zu legen. Gesang werdet ihr haben wie in der Nacht, da das Fest geweiht wird, und Freude des Herzens gleich denen, die unter Flötenspiel hinziehen, um zu kommen auf den Berg des Herrn, zum Welsen Israels. Und der Herr wird hören lassen die Majestät seiner Stimme und sehen lassen das Herabfahren seines Armes mit Zornesschnauben und einer Flamme, verzehrendem Feuer, Wolkenbruch und Regengüssen, Hagelsteinen; denn vor der Stimme des Herrn wird Assur zerschmettert werden.“
In Jesaja 31,4-5 sieht man, wie der Herr selbst kommt, auf den Tempelberg herabsteigt, um Jerusalem in der größten Not aus der Belagerung zu befreien.
Der Ausdruck Assur oder Assyrien in der Prophetie ist ein Sammelbegriff für all die vielen mit Syrien verbündeten Völker, die in der Drangsalszeit Israel total überrennen werden. Viele Kapitel im Alten Testament beschreiben diesen vernichtendsten aller Feldzüge detailliert.
Das ganze Buch Joel dreht sich um dieses Thema. Dort wird beschrieben, wie diese Armee das Land vor sich hat wie den Garten Eden. Sie kommen, und alles wird verbrannt durchs Feuer, das ganze Land wird verwüstet. Plötzlich greift der Herr selbst ein, indem er auf dem Ölberg erscheint (Sacharja 14,1-5).
Die Erfahrung von Hiskia, bei der der Herr selbst eingegriffen hat, weist auf diese noch viel größere zukünftige Befreiung Jerusalems bei der Wiederkunft Christi hin.
Dann wird eine Quelle fließen aus dem Tempelberg. Ich habe hier alle Stellen aufgeführt, wo diese Quelle im Alten Testament erwähnt wird. Es wird also aus dem Heiligtum, vom Allerheiligsten, eine Quelle hervorbrechen, die Jerusalems zukünftige Wasserversorgung sein wird.
Diese Quelle wird zu einem Fluss werden, der schließlich ins Tote Meer hinunterfließt und das Tote Meer vor der ökologischen Katastrophe rettet. Das Tote Meer trocknet ja aus, und das kann zu einer Katastrophe im Nahen Osten führen – für die Umwelt und die Ökologie.
Vor einiger Zeit gab es ein Projekt, einen Kanal vom Mittelmeer zum Toten Meer zu bauen, um Wasser dorthin zu leiten und das Problem zu lösen. Doch das ist ein Milliardenprojekt, und Israel hat nicht gerade zu viel Geld.
Dieses Problem wird jedoch nach Hesekiel 47 auf natürliche Weise gelöst werden. Wenn ich Mitglied der Knesset wäre, würde ich sagen: „Chaverim wa chaverot, Genossinnen und Genossen, das Geld könnt ihr euch sparen, denn das Problem wird sowieso gelöst werden durch den Fluss aus dem Tempelberg.“
Es wird also von dort eine Quelle geben, die hinunterfließt. Diese Quelle hat es nie in der Vergangenheit gegeben und durfte es auch nicht geben. Sonst hätten die Jebusiter ihre Stadt dort gebaut, wo der Tempel hin sollte.
Gott hat für das alte Jerusalem in der Geschichte die Gihon-Quelle im Kittrontal unten gegeben. Diese Quelle hat wesentlich zur Geschichte Jerusalems beigetragen. Am Ende der Zeit wird jedoch ein Fluss aus dem Tempelberg ausgehen.
Dann wird Wasser aus einem Felsen hervorkommen. So endet die Geschichte Israels, wie sie begonnen hat: In 2. Mose 17 kam nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste Wasser aus dem Felsen, und sie endet in Hesekiel 47 mit Wasser aus dem Felsen.
Gott hat also Ordnung und Plan in der Heilsgeschichte – von Anfang bis zum Ende.
Abschliessende Gedanken und Ermutigung
Noch ein abschließendes Wort aus Psalm 46. Dort wird die Drangsal beschrieben, die große Drangsal (Psalm 46,1): Jerusalem befindet sich in höchster Bedrängnis. Doch Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine reichlich gefundene Hilfe in Drangsalen.
So hatte es Hiskia erlebt, so wird es Jerusalem in der Zukunft erleben und so dürfen wir es heute erfahren. Darum werden wir uns nicht fürchten, selbst wenn die Erde gewandelt würde und die Berge im Herzen des Meeres wankten. Wenn seine Wasser toben und schäumen und die Berge durch sein Ungestüm erbeben.
Nun folgt ein neues Kapitel. Der Messias ist da. Ein Strom, seine Bäche erfreuen die Stadt Gottes, das Heiligtum der Wohnungen des Höchsten. Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken. Gott wird ihr helfen beim Anbruch des Morgens.
Es toben die Nationen, die Königreiche wanken. Er lässt seine Stimme erschallen, und die Erde zerschmilzt. Der Herr der Heerscharen ist mit uns, eine hohe Feste ist uns der Gott Jakobs. Kommt und schaut die Großtaten des Herrn, der Verheerungen auf der Erde angerichtet hat. So wird er die Völker zum Schweigen bringen und Israel segnen.
Dieses dürfen wir bereits heute vorwegnehmen und erleben. Wir haben die Gihon-Quelle, den Jesus, den Heiligen Geist, sein Wort und auch seine Hilfsmittel. So wie Hiskia, der ein Mann des Gebets war, Gottes Volk liebte und vorausschauend für das Volk sorgte. Dieser Mann wurde von Gott gesegnet und gerettet.
Es ist eindrücklich zu sehen, dass Hiskia Intelligenz anwandte, um Jerusalem zu retten. Er setzte alle verfügbare Ingenieurbaukunst ein. Hättet ihr sagen können: „Wenn Gott helfen will, dann tut er das sowieso durch ein Wunder.“?
Man könnte auch so denken, wenn Kinder todkrank sind und sagen: „Gott wird ein Wunder tun, wir beten jetzt einfach.“ Aber ist es wirklich richtig, keine Medikamente zu benutzen, keine Hilfsmittel, keine Operationen?
Ja, so hätte Hiskia denken können. Doch er ließ einen Tunnel bohren – auf erstaunlichste Art und Weise. Alles, was er an Fähigkeiten hatte, und seine Leute einsetzten, hat er genutzt. Aber er vertraute nicht allein darauf, sondern darauf, dass der Herr ihn retten würde. Und so geschah dazu noch ein Wunder – wir können sagen, ein „a discretion“ – einfach noch dazu. Er lebt gewaltig einzigartig.
So hilft uns dieses Spannungsfeld zwischen vernünftigem Denken und dem Einsatz unserer Fähigkeiten einerseits und dem Vertrauen auf die Wirksamkeit des Gebets und Gottes Eingreifen in der Not, diese Dinge besser zusammenzubringen. Das ist kein Gegensatz, sondern gehört zusammen.
