Ich begrüße alle ganz herzlich zu dieser Mittelklasse. Wir kommen heute zu Matthäus 23 und lesen Vers 36. Wir sind immer noch an diesem besagten Dienstag vor dem Freitag.
Das hat ja schon in Kapitel 21, Vers 20 begonnen, da haben wir Dienstag. Der ganze Text in Kapitel 21, 22 und 23 spielt an diesem Dienstag. Jesus war im Tempel in Jerusalem. Er wurde von verschiedenen Gruppen des Judentums befragt, und zwar mit dem Ziel, ihn in die Enge zu treiben. Doch jeder Angriff wurde eindrücklich und grandios widerlegt und abgewehrt.
Letztes Mal haben wir uns auch damit beschäftigt, wie der Herr Jesus im Anschluss, als alle Diskussionen vorbei waren, noch eine letzte Frage stellte, die niemand beantworten konnte. Danach hat er acht Vorwürfe über die Führer Israels ausgesprochen, und zwar über die Pharisäer und Schriftgelehrten.
Daran sind wir jetzt noch dran, wenn wir Vers 36 lesen. Darf ich bitten? Matthäus Kapitel 23, Vers 36. Und zwar liest du dann bis Kapitel 24, Vers 8. Bis Vers 8.
Wahrlich, ich sage euch, dies alles wird über dieses Geschlecht kommen. Jerusalem, Jerusalem, die da die Propheten tötet und die zu ihr Gesandten steinigt! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel sammelt, und ihr habt nicht gewollt. Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen, denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gepriesen sei der, der da kommt im Namen des Herrn!
Und Jesus trat hinaus und ging vom Tempel weg. Seine Jünger traten zu ihm, um ihn auf die Gebäude des Tempels aufmerksam zu machen. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht ihr nicht dies alles? Wahrlich, ich sage euch: Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen gelassen werden, der nicht abgebrochen wird.
Als er aber auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger für sich allein zu ihm und sprachen: Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung des Zeitalters?
Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, dass euch niemand verführe, denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen. Ihr werdet aber von Kriegen und Kriegsgerüchten hören. Seht zu, erschreckt nicht, denn es muss geschehen, aber es ist noch nicht das Ende.
Denn es wird sich Nation gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich. Es wird Hungersnöte und Erdbeben da und dort geben. Alles dies aber ist der Anfang der Wehen.
Vielen Dank! Zuerst, bevor wir auf die Verse eingehen, noch ein kleiner Nachtrag. Ich habe das im Livestream nachgehört. Was ich dort in Kapitel 21, Vers 8 gesagt hatte, bezieht sich ja noch auf Montag, den Vorkarfreitag.
Darf ich bitten, Christian, liest du noch die Verse 18 und 19 vor, Verzeihung, Kapitel 21, Verse 18 und 19?
„Bis morgens früh, als er in die Stadt zurückkehrte, hungerte ihn. Und als er einen Feigenbaum an dem Weg sah, ging er auf ihn zu und fand nichts an ihm als nur Blätter. Und er spricht zu ihm: Nie mehr komme Frucht von dir in Ewigkeit! Und sogleich verdorrte der Feigenbaum.“
Danke. Es ist so, dass das Markus-Evangelium ganz genau die zeitlichen Verhältnisse angibt. Jeder Tag der Passionswoche ist im Markus-Evangelium eindeutig gekennzeichnet, sodass man sehen kann: Am Sonntag war der Einzug des Herrn Jesus nach Jerusalem, was wir ja in Kapitel 21 ab Vers 1 bis Vers 11 haben. Das war eindeutig am Sonntag.
Dann folgt die Tempelreinigung am Montag, die hier in 21,12 bis 17 beschrieben wird. Im Matthäus-Evangelium wird nicht klargemacht, dass es am nächsten Tag war. Man könnte meinen, es sei am gleichen Tag gewesen.
Ich habe damals erklärt, dass das eng zusammengehört, was am Palmsonntag und am Montag geschah. Im Markus-Evangelium wird die Chronologie besonders hervorgehoben. Dort wird klargemacht, dass es am nächsten Tag, also am Montag, stattfand.
Im Markus-Evangelium wird auch deutlich, dass die Verfluchung des Feigenbaums, die wir in den Versen 18 und 19 finden, an diesem Montag stattfand. Bevor der Herr nach Jerusalem ging, um die Tempelreinigung durchzuführen, verfluchte er auf dem Weg dorthin den Feigenbaum.
Jetzt könnte man in Matthäus 21, in der deutschen Übersetzung Vers 18, meinen, „Frühmorgens aber, als er in die Stadt zurückkehrte, hungerte ihn“, als wäre das schon der nächste Tag, also Dienstag.
Ich habe damals erklärt: Nein, man muss das mit Vorzeitigkeit übersetzen. Von der griechischen Grammatik her ist das möglich. Man muss übersetzen: „Frühmorgens aber, als er in die Stadt zurückgekehrt war, hungerte ihn.“ Mit Vorzeitigkeit kann man das ausdrücken.
Diese Dinge, wie man Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit oder Nachzeitigkeit ausdrückt, sind im Griechischen anders als im Deutschen. Ich habe erklärt, hier sei ein Partizip Aorist und dann das Hauptverb. Darum müssen wir das so übersetzen. Wir haben auch mit der Grammatik erklärt, dass das beim Partizip Aorist möglich ist.
Dann kam die Überraschung: Ich habe es nochmals nachgeschaut, es ist ein Partizip Präsens, nicht Aorist. Ich weiß gar nicht mehr, wie mir das passieren konnte. Darum korrigiere ich dieses Detail hier, aber es gibt keine Änderung.
Partizipien im Griechischen haben grundsätzlich keine Zeitbedeutung. Man sagt „Partizip Präsens“, aber das bedeutet nicht Präsens, sondern Durativ, also eine Handlung, die im Verlauf beschrieben wird.
Da gilt genau das Gleiche, was ich damals für das Partizip Aorist gesagt habe: Es kann, wenn der Zusammenhang es erfordert, mit Vorzeitigkeit ausgedrückt werden. Das gilt eben auch für das Partizip Präsens.
Darum muss man hier übersetzen: „Frühmorgens aber, als er in die Stadt zurückkehrte, hungerte ihn.“ Das Prinzip Präsens wird benutzt, um auszudrücken, dass er gerade zurückkehrte. Quasi wird der ganze Weg vom Ölberg hinunter im Verlauf beschrieben.
Wichtig ist, dass man mit Vorzeitigkeit übersetzt, im Deutschen also mit einem Plusquamperfekt-Effekt. Dann wird klar: Matthäus greift hier zeitlich zurück. Das war am Montagmorgen.
Wie gesagt, am nächsten Tag, Vers 20, wunderten sich die Jünger über den verdorrten Feigenbaum. Das ist Dienstag, und zwar dieser lange Dienstag, an dem durch all diese harten Diskussionen mit dem Herrn Jesus deutlich wurde, wie die Führerschaft Israels in allen Facetten ihn ablehnte – ob Sadduzäer, Pharisäer, Herodianer oder andere.
Auch die Mehrheit des Sanhedrins, des obersten Gerichtshofs, lehnt ihn als Messias ab. Das wird deutlich.
Darum kommt es dann zu diesem besonderen Höhepunkt: den acht Wehen über die Führerschaft, die wir in Matthäus 23 ab Vers 1 betrachtet haben. Jetzt sind wir gerade noch an den letzten Versen dran, 36 bis 39.
Aber wir haben gesehen, dass in diesen Weherufen immer noch Gnade enthalten ist. Denn wenn jemand verwarnt wird und es heißt „Wehe“, dann hat er noch die Möglichkeit, etwas in Ordnung zu bringen und sich zu ändern. Genau das ist der Sinn dahinter.
So gibt der Herr der Führerschaft mit diesen acht Wehenrufen tatsächlich eine Chance für einen Neuanfang. Darum sind es übrigens acht Wehen. Manche denken vielleicht: Im Mehrheitstext sind es acht Wehen, im fehlerhaften Minderheitstext von Nestle-Aland sind es sieben Wehen. Schade, lieber sieben als acht? Nein, acht ist die Zahl des Neuanfangs.
Wie kommt man darauf? Zum Beispiel ist der achte Tag wieder der erste Tag. Gott hat die Woche schon in der Schöpfung eingesetzt, eine Siebentagewoche, und der achte Tag ist dann quasi der Neuanfang.
Gott hat auch in der Natur die Musik vorgegeben, in den Obertönen. Dort wurde die diatonische Tonleiter vorgegeben, also die Dur-Tonleiter zum Beispiel, aber auch die Moll-Tonleiter. Diese besteht aus sieben Tönen, und der achte Ton ist wieder der gleiche. Wenn man die Tonleiter von C aufwärts spielt, ist der achte Ton wieder C – der Neuanfang.
In diesem Wehe liegt also die Chance für Umkehr und Neuanfang. Der Herr hat, wie wir beim letzten Mal noch gesehen haben, am Schluss angekündigt, dass nicht nur er selbst verworfen wird, sondern auch seine Jünger. Diese wird er nachher als Boten und Zeugnis für Israel aussenden. Sie werden ebenfalls abgelehnt werden.
Ich wiederhole Vers 34: „Darum siehe, ich sende Propheten und Weise und Schriftgelehrte zu euch, und einige von ihnen werdet ihr töten und kreuzigen.“ Das spricht der Herr über die Apostel und auch weitere Zeugen, darunter auch neutestamentliche Propheten. Diese werden Israel gegenüber Zeugnis ablegen. Er nennt sie Propheten, Weise und Schriftgelehrte.
Propheten sind solche, die Gottes Botschaft verkünden. Weise sind diejenigen, die die Zusammenhänge der Schrift verstehen und sie auch praktisch anwenden können. Schriftgelehrte sind diejenigen, die die Schrift in ihrem gesamten Umfang kennen und die Zusammenhänge in den Heilsplänen Gottes erkennen.
Doch der Herr sagt, dass sie ebenfalls abgelehnt werden – nicht nur er selbst. Damit machen sie deutlich, dass sie gar nicht besser sind als ihre Vorfahren. Er sagt, dass sie genauso handeln wie die frühen Propheten, die Gott im Alten Testament gesandt hat. Diese frühen Propheten wurden abgelehnt, verfolgt und getötet.
Sie gehen genau in deren Fußstapfen und führen das zum Höhepunkt, indem sie den Messias selbst ablehnen – den Herrn Jesus – und auch die, die er sendet, die neutestamentlichen Zeugen.
Beim letzten Mal haben wir auch Vers 35 betrachtet. Dort sagt Herr Jesus: „Damit über euch komme alles gerechte Blut, das auf der Erde vergossen wurde, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zu dem Blut Zacharias, des Sohnes Berechias, den ihr zwischen dem Tempel und dem Altar ermordet habt.“
Wir haben gesehen, dass Jesus von der hebräischen Bibel ausgeht. Die Reihenfolge der Bibelbücher ist dort etwas anders als in unserer deutschen Bibel. Das ist kein Problem, man muss es einfach wissen.
Das letzte Buch im hebräischen Alten Testament ist nämlich nicht Maleachi, sondern Chronik. Im ersten Buch Mose, Kapitel 4, wird der erste Mord beschrieben – der Mord an Abel.
In der zweiten Chronik, Kapitel 24, Vers 20, wird der letzte Mord im Alten Testament beschrieben. Das ist der Mord an Zacharias, der zwischen dem Tempel und dem Altar ermordet wurde.
So sagt der Herr Jesus, dass das Alte Testament all diese Morde an den Zeugen Gottes umfasst. Schon Abel war ein treuer Zeuge Gottes und wurde aus Neid ermordet. Bis hin zum letzten Beispiel in 2. Chronik 24 wird hier das Bild vollendet.
Denn nun werden auch der Messias selbst und die neutestamentlichen Zeugen verfolgt, abgelehnt und getötet. Deshalb sagt Jesus: Obwohl all diese Warnungen im Alten Testament vorhanden waren und sie sie nicht zu Herzen genommen haben, wird das ganze Maß nun über euch kommen.
Gott macht euch verantwortlich, weil ihr das alles wusstet und trotzdem den gleichen bösen Weg weitergeht. Noch schlimmer: Durch die Ablehnung des Messias selbst wird das Ganze zum Höhepunkt geführt.
Und so kündigt er das Gericht über sie an und sagt dann, das ist jetzt Vers 36: „Wahrlich, ich sage euch, dies alles wird über dieses Geschlecht kommen, eben wie Vers 35 sagt, damit über euch komme alles gerechte Blut.“
Sie werden schuldig an all dem, weil sie all diese Warnungen abgelehnt haben.
Dann folgt dieser eindringliche Ruf. Kannst du das nochmals lesen, Christian? Vers 37, damit das so richtig reingeht.
Der Herr richtet sich jetzt an die ganze Stadt Jerusalem, und zwar, indem er den Namen zweimal nennt. Das ist so eindrücklich. Wir haben viele Beispiele im Alten und Neuen Testament, wo Gott bestimmte Personen zweimal ruft. Zum Beispiel, ich wollte jetzt nicht alle aufzählen: Abraham, Abraham; dann Samuel, Samuel; schon früher Mose, Mose und so weiter. Bis ins Neue Testament: Martha, Martha; Saul, Saul, „was verfolgst du mich?“
Aber hier eben die Stadt, bitte: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt die, die zu ihr gesandt sind.“
„Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel sammelt, und ihr habt nicht gewollt.“
„Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen.“
Das ist im Begriff zu geschehen. Wir sind am Dienstag, in wenigen Tagen, wenn der Messias vor ihren Toren getötet wird, so dass sein Blut dann auf den Felsen vor der Stadt fließen sollte.
Und er sagt: „Wie oft habe ich das versucht, wie eine Henne, die ihre Flügel ausbreitet, und dann können alle Küken unter ihren Flügeln Zuflucht suchen.“
Nicht wahr, der Herr Jesus sagt in Johannes 12,32: „Wenn ich erhöht sein werde von dieser Erde, werde ich alle zu mir ziehen.“
Johannes erklärt dort, dass er andeutend sagte, welchen Tod er sterben würde.
Auch da hat der Herr seine Hände – und die Hände entsprechen beim Menschen anatomisch den Flügeln bei den Vögeln – ausgebreitet, um alle zu sich zu ziehen, um sie zu retten durch sein Werk am Kreuz.
Man kennt ja auch so ein konkretes Beispiel, wo ein Brand ausgebrochen war: Eine Henne, die betroffen war, hat ihre Küken versammelt und ihre Flügel ausgebreitet. Die Henne ist verbrannt, gestorben, und die Küken haben überlebt. So eindrücklich.
Der Herr sagt: „Ich habe euch so oft versammeln wollen“, und dann sagt er: „Ihr habt nicht gewollt.“
Und das war klar: Wenn jemand verloren geht, dann liegt das an seinem Willen.
Übrigens, alttestamentlich können wir Jesaja 30 aufschlagen. Hier steht neuntestamentlich: „Ihr habt nicht gewollt.“ Jesaja 30, Vers 15, bitte, Christian:
„Denn so spricht der Herr, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe werdet ihr gerettet, in Stillsein und Vertrauen liegt eure Stärke.“
Aber ihr habt nicht gewollt. Ihr habt nicht gewollt, ihr wollt die Umkehr nicht.
Jetzt könnte natürlich jemand sagen: Ja, einen freien Willen gibt es ja gar nicht. Und wie viele sagen das? Es gibt keinen freien Willen. Das ist die Lehre des echten, strengen Calvinismus. Er leugnet, dass der Mensch eine Willensfreiheit zur Bekehrung hat.
Aber wenn der Mensch keinen freien Willen hätte, um sich zu bekehren, dann kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden: Ihr habt nicht gewollt. Sie hätten wollen sollen, aber sie haben nicht gewollt, sagt der Herr.
Ganz interessant: Das ist jetzt nur eine Anregung für Hausaufgaben zu Hause – das Johannesevangelium zu studieren zum Thema Wille und Wollen. Dann merkt man, dass das ein Thema ist, das sich durch das Evangelium hindurchzieht.
Es gibt viele rote Fäden, die durch das Johannesevangelium gehen. Einer davon ist die Sache mit dem Willen. Das ist sehr interessant, weil das Johannesevangelium so schön und herzbewegend verfasst ist, vom Apostel der Liebe – war es doch eine Kampfschrift.
Und zwar eine Kampfschrift gegen eine sektiererische, eher leere Bewegung im ersten Jahrhundert, die Gnosis genannt wurde – Wissen. Das waren Leute, die sagten: „Wir sind nicht so da unten wie die normalen Christen, wir haben eine höhere Erkenntnis, wir sind zu einer höheren Stufe aufgestiegen.“
Sie lehrten zum Beispiel, Jesus Christus sei nicht wirklich Mensch geworden, nur scheinbar. Er habe also nicht wirklich an der Menschheit teilgenommen. Diese Irrlehre gibt es vom ersten Jahrhundert durch alle Jahrhunderte hindurch und sie geht auch heute weiter.
Zum Beispiel wird heute geleugnet, dass Jesus Christus wirklich der Sohn der Maria war, sondern sie nur eine Leihmutter gewesen sei. Aber das Wort Gottes sagt ganz klar, dass er aus dem Samen Davids ist – also biologisch.
Psalm 134 sagt sogar, dass er aus der Frucht der Lenden von König David kommen sollte, also ein wirklich biologischer Nachkomme. Und Römer 9 sagt, dass der Herr Jesus dem Fleische nach von den Vätern abstammt – Abraham, Isaak und Jakob – und zwar dem Fleische nach, nicht geistlich oder übertragen.
So leugnen sie, dass der Herr Jesus ein wirklicher Mensch geworden ist, der an der Menschheit teilgenommen hat. Wie es in Hebräer 2, Vers 14 steht: Die Kinder waren teilhaftig an Blut und Fleisch, und so hat der Herr Jesus auch an Blut und Fleisch teilgenommen, damit er als Mensch für Menschen stellvertretend sterben konnte.
Die Gnostiker haben die Menschwerdung des Herrn Jesus geleugnet und damit das stellvertretende Opfer. Der Herr Jesus musste Mensch werden, um für Menschen sterben zu können, sonst gibt es keine Erlösung. Diese Irrlehre trifft wirklich den Kern des Evangeliums.
Die Gnostiker haben noch viele weitere schlimme Dinge gelehrt, unter anderem auch: Der Mensch hat keinen freien Willen. Der gnostische Gott hat genau festgelegt, welche Menschen ewig verloren gehen und welche gerettet werden.
Es hängt nicht vom Willen des Menschen ab, sondern der gnostische Gott bestimmt das. Das ist natürlich schockierend, denn genau diese Lehre vertritt der waschechte Calvinismus.
Es gibt verschiedene Variationen und Abschwächungen, man darf nicht alles in denselben Papierkorb werfen. Aber die, die wirklich waschecht calvinistisch denken, vertreten diese Auffassung.
Wie kam Calvin auf diese Idee? Er hat tatsächlich in seinen Schriften gesagt, Gott habe bestimmte Menschen von Anfang an für die ewige Verdammnis bestimmt, andere wollte er retten.
Calvin schreibt, seine ganze Theologie könne man eigentlich aus Augustinus zusammensetzen. Augustinus lebte um 400 und war ursprünglich ein Philosoph, der schlimm in der Sünde lebte.
Das war schrecklich für seine gläubige Mutter Monika, die betete und rang, bis Augustinus sich nach einem verdrehten Leben wirklich bekehrte.
Er hatte einen Römerbrief, ein Manuskript, auf den Knien und fragte sich, ob er es lesen sollte oder nicht. Dann hörte er ein Kind im Nachbargarten, das spielerisch rief: „Tolle lege, tolle lege!“ – nimm und lies, auf Lateinisch.
Er lebte in Nordafrika, dort sprach man Lateinisch, und er entschied sich: „Ah, ich nehme und lese.“ Er las den Römerbrief und erkannte in Kapitel 13, wie über ein Leben in fleischlicher Sünde und Lust gesprochen wird. Er erkannte sich selbst und bekehrte sich.
Augustinus war nicht nur Philosoph, sondern auch jahrelang in einer gnostischen Sekte, den Manichäern. Das war ein Problem.
Damals war in der Christenheit die Überzeugung, dass jemand, der sich aus den Manichäern bekehrt, nie Bischof werden dürfe – auch wenn er sich bekehrt – aus Furcht, dass der Same dieser Sekte wieder aufkeimt.
Bei Augustinus machte man eine Ausnahme. Er wurde Bischof von Hippo in Nordafrika.
Zuerst lehrte er richtig, dass der Mensch verantwortlich ist und sich bekehren muss, wie er es selbst getan hatte. Er entschied sich bewusst: „Tolle lege, tolle lege, nimm und lies.“ Dann tat er Buße.
Aber nach Jahren wandte er sich ab von dem, was er gelernt hatte, und von anderen Bibellehren, die besagen, dass Gott im Voraus weiß, wer sich bekehren wird, wenn er durch das Evangelium gerufen wird, und wer nicht.
Die, von denen Gott weiß, dass sie sich bekehren werden, hat er auserwählt, um seine Kinder zu werden. So wie 1. Petrus 1, Vers 2 sagt: „Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes.“
Das ist eine Prognose, ähnlich einer Wetterprognose, die nicht bestimmt, dass morgen noch kälter wird, sondern erkennt, wie es wird.
Es ist völlig unabhängig, und so wusste Gott voraus, wer sich bekehren wird, wenn er gerufen wird, und wer nicht.
Augustinus sagte: Nein, das geht nicht. Er erinnerte sich an frühere Lehren und nahm die Prädestination der Gnostiker wieder auf.
So führt sich das weiter zu Calvin. Das muss man wissen – das ist ein Problem.
Es widerspricht dem, was das Wort Gottes sagt. Der Herr Jesus macht den Vorwurf: „Ihr habt nicht gewollt.“ Damit macht er sie verantwortlich.
Jemand könnte sagen: Herr Moschit, wenn ich darf?
Ja, klar, natürlich.
Also, ich will dem Wort „freier Wille“ nicht widersprechen. Aber wenn Gott allen Menschen gebietet und Glaube Glaubensgehorsam ist, der Mensch sich also bekehren muss, müsste man dann nicht eher von einer Unwillensentscheidung sprechen?
Also nicht frei, weil die Folgen ja Gott bestimmt. Das Heil wird aus Gnade angeboten. Der Mensch kann nicht frei entscheiden, ob er das Heil annimmt und es dann wieder abgibt.
Das wäre die andere Lehre, dass man das Heil wieder verlieren kann, wenn man nicht mehr will. Aber Gott bestimmt: Wenn ein Mensch das Heil ablehnt, geht er verloren und bleibt im verlorenen Zustand.
Wenn er es annimmt, bekommt er aus reiner Gnade die Gotteskindschaft.
Es ist also keine freie Entscheidung wie bei Apfelkuchen oder Marmorkuchen, bei der man über die Folgen verfügen kann. Gott legt die Folgen fest.
Es ist nur eine Frage: Gehorche ich Gottes Gebot oder nicht? Es ist also moralische Verantwortung, aber eher eine Unwillensentscheidung.
Der Mensch, der nicht will, trifft diese Unwillensentscheidung, aber er ist nicht frei, weil das Gericht Gott bestimmt.
Wie soll ich das zusammenfassen?
Vielleicht könntest du das gerade am Mikrofon von Christian nochmals auf den Punkt bringen.
Oder soll ich sagen: Deine Frage ist, ob es eine Willensentscheidung oder eine Unwillensentscheidung ist? Und wenn der Mensch dann Ja sagt, ist es Gottes Werk, das in ihm dieses Ja bewirkt. Ist das korrekt?
Und wenn er Nein sagt, sind die Folgen von Gott bestimmt?
Und wenn er Nein sagt, dann hat Gott die Folgen für dieses Nein bestimmt.
Das ist gerade ein Punkt, den ich noch ansprechen wollte. Ich möchte Baustein für Baustein aufbauen.
Gehen wir kurz zu Römer 3. Ausgehend von Kapitel 1, Vers 18 wird gezeigt, dass alle Menschen Sünder sind und in der Sünde gefangen. Sie sind im tiefsten Kern alle böse und verdorben.
Diese Verdorbenheit wird unter anderem beschrieben in Kapitel 3, Verse 10 und 11. Bitte, Christian!
„Da ist kein Gerechter, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist, da ist keiner, der Gott sucht.“
Da ist keiner, der Gott sucht. Es gibt also keinen Menschen, der sagen könnte: Ich bin errettet worden, weil ich Gott gesucht habe. Das war meine Willensentscheidung.
Sondern da ist keiner, der Gott sucht.
Aber warum gibt es dann Menschen, die sagen: Ich bin wirklich suchend?
Gut, es gibt manche, die sagen, sie sind suchend, und dann gehen sie zu Hare Krishna. Ja, die waren suchend, haben aber nicht gefunden und sich verehrt.
Aber Jesus sagt ja: „Wer sucht, der findet.“ Manchmal benutzen wir „Gottlose“, wenn sie ihn leiblich verloren hatten und ihn wiedergefunden haben.
Es steht ja in der Bibel: „Wer sucht, der findet.“
Das bedeutet nicht, dass jeder sucht, sondern dass wer Gott echt sucht, ihn auch findet.
Aber wie kann das gehen, wenn keiner da ist, der Gott sucht?
Nun sehen wir Römer 2, Verse 4 und 5. Gib die Antwort!
Römer 2, Verse 4 und 5, bitte!
„Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet? Nach deiner Sturheit und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir selbst Zorn auf für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, der einem jeden vergelten wird nach seinen Werken.“
Danke!
Hier wird über Gottes Wirken gesprochen, und zwar seine Güte, nicht nur seine Güte, sondern der Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut.
Diese Güte Gottes leitet einen Menschen zur Buße, sodass er erkennt: Ich bin ein Sünder, es tut mir leid, und ich bereue, was ich getan habe.
Das braucht Gottes Wirken.
Das würde auch jeder Calvinist bestätigen: Natürlich ist es Gottes Werk, dass Menschen sich bekehren. Er zieht sie.
Jetzt meine Gegenfrage: Zieht Gott alle Menschen oder nur die, die gerettet werden?
Ja, nur die, die gerettet werden?
Nein, hier steht es anders.
Es heißt, wenn jemand den Reichtum der Güte Gottes verachtet und sich nicht klar darüber ist, dass diese Güte ihn zur Buße leitet, dann wird es schlimm.
In Vers 5 heißt es: „Nach deinem Starrsinn und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir selbst Zorn auf am Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes.“
Das heißt, hier wird jemand angesprochen, der zwar von Gottes Güte gezogen wurde, aber bis zum Schluss starrsinnig Nein sagt und verloren geht.
Damit ist klar: Nicht nur Auserwählte werden gezogen, sondern auch solche, die nicht auserwählt sind, werden gezogen.
Ein Beispiel ist Esau. Er verachtete das Erstgeburtsrecht, suchte später Buße, fand sie aber nicht.
Esau hatte das Erstgeburtsrecht verachtet und suchte unter Tränen. Was hat er gesucht? Jetzt sagst du Segen, jemand anderes sagt Buße.
Schauen wir schnell in Hebräer nach.
Ja, darum haben wir eine Heilige Schrift, damit wir uns alle auf dasselbe beziehen können.
Wenn Gott nicht die Heilige Schrift gegeben hätte, sondern immer nur durch Träume und Visionen zu den Gläubigen sprechen würde, dann würde Bruder Müller sagen: „Der Herr hat mir gesagt, Esau suchte den Segen“, und Bruder Neuhäusler sagt: „Nein, mir hat er gesagt, Esau suchte Buße.“
Jetzt schlagen wir Hebräer 12, Verse 16 und 17 auf, bitte, Christian!
„Dass nicht jemand ein Hurer oder Gottloser sei wie Esau, der für eine Speise sein Erstgeburtsrecht verkaufte, denn er wusste, dass er auch nachher, als er den Segen erben wollte, verworfen wurde; denn er fand keinen Raum zur Buße, obgleich er sie mit Tränen eifrig suchte.“
Bezieht sich das auf den Segen oder auf die Buße?
Die Elbefelder Bibel hat das nicht revidiert.
Der CSV hat hier eine Fußnote und erklärt: Es ist der Segen, 1. Mose 27,34, wo Esau weinte, weil er den Segen nicht bekommen sollte.
Das ist, wenn jemand über die Konsequenzen der Sünde weint, nicht das Gleiche, wie wenn er über seine Sünden weint.
Bei Esau muss man sagen: Er hätte gerne den Segen gehabt, hat ihn gesucht, aber keinen Raum für Buße gefunden.
Gott zieht also alle Menschen. Darum lesen wir auch in Hiob 33, Vers 29, dass Gott mit jedem Menschen mindestens zwei- bis dreimal spricht.
Das betont die Zahl Drei als Zahlenspruch.
Er kann auch öfter sprechen, zum Beispiel der Pharao, der sich insgesamt sechsmal sein Herz verhärtete.
Beim siebten Mal verhärtete Gott sein Herz – da war die Gnadenzeit vorbei.
Das steht in 2. Mose.
Pharao hatte also mehrere Möglichkeiten, sich zu bekehren, aber er verhärtete sich und ging verloren.
Hier sehen wir also: Gott zieht jeden Menschen.
Wenn man sagt, jeder Mensch habe einen freien Willen und könne sich bekehren, wann er will – nein, keiner bekehrt sich, keiner sucht Gott.
Es braucht Gottes Werk, und er muss den Menschen ziehen zur Buße.
Dann stellt sich die Frage des freien Willens.
Wenn Gott zieht, gibt er jedem Menschen die Möglichkeit, seinen Willen zu gebrauchen und zu sagen: Ja, ich will, oder Nein, ich will nicht.
Dann macht Gott ihn verantwortlich. Darum sagt der Herr Jesus: „Ihr habt nicht gewollt.“
Wenn diese Menschen einmal vor dem großen weißen Thron stehen, in Offenbarung 20, beim Endgericht, wo alle Gläubigen ab Kain auferstehen und vor dem Herrn Jesus, dem Richter der Welt, stehen, wird der Herr Jesus sagen können:
„Ihr seid nicht im Buch des Lebens.“
Aber das ist nicht, weil ich euch nicht wollte.
Wir können nämlich aus der Schrift zeigen, dass Gott alle Menschen von der Schöpfung der Welt an ins Buch des Lebens eingeschrieben hat, weil er jeden wollte, nicht nur eine bestimmte Gruppe.
Das Buch des Lebens macht das klar.
Wenn jemand während seiner Gnadenzeit auf Erden sich nicht bekehrt, wie Esau oder Pharao, dann geht die Gnadenzeit spätestens mit dem Tod zu Ende.
Sie kann aber auch schon vorher enden, wie bei Pharao, dessen Herz beim siebten Mal von Gott verhärtet wurde.
Er hatte die Möglichkeit, war im Buch des Lebens eingeschrieben, wurde aber gelöscht.
Wenn der Herr Jesus das Buch des Lebens als Dokumentation öffnet, wird er sagen können: „Ich habe gewollt, aber du hast nicht gewollt.“ Die Menschen werden wegen ihrer eigenen Verantwortung verloren gehen.
Darum ist es so wichtig, gerade aus diesem Grund wird im Johannesevangelium das Thema Wille besonders beachtet.
Das ist die Hausaufgabe: Wille, Wollen und alles, was damit verwandt ist, genau zu studieren.
Johannes hat es im Kampf gegen die Gnostiker genau so geschrieben.
Alle Ungläubigen von Kain an werden auferstehen und vor dem großen weißen Thron erscheinen.
Denn ich denke, und ich werde nachher noch mehr dazu sagen, und dann wird das geschehen.
Noch ein Hinweis: Du hast von Johannes gesprochen, da das Evangelium eine Ergänzung für uns zum Lesen ist. In 1. Timotheus 2, Vers 4 heißt es natürlich, dass der Heiland, Gott, will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Und dann aber Johannes wieder, nämlich in Offenbarung 22, wo steht, also der letzte Appell: „Und der Geist und die Braut sagen: ‚Komm!‘ Und wer es hört, sage: ‚Komm!‘ Und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Sehr gut.
Also ich wiederhole das bitte: 1. Timotheus 2, ab Vers 4 bis 6 macht klar, dass Gott will, dass alle Menschen errettet werden. Das ist Gottes Wille. Aber dann Offenbarung 22, wo nochmals ganz am Schluss der Bibel eine Einladung gegeben wird: Jeder, der da will, soll das Wasser des Lebens umsonst nehmen. Auch da – die Offenbarung ist von Johannes geschrieben, nicht wahr? Wieder das Thema Wille.
So macht Gott uns verantwortlich, und wir können uns nicht hinter etwas verstecken, quasi: „Ich bekehre mich nicht, weil ich halt eben nicht gewollt bin von Gott.“ Nein, das ist so wunderbar: Jeder Mensch, der ins Dasein kommt, also auch schon im Mutterleib, darf wissen, Gott hat ein Ja zu mir.
Es kann sein, dass die Eltern vielleicht kein Ja hatten und das Kind, wie Sie so übel das ausdrücken können, als Unfall bezeichnen. Aber keiner ist ein Unfall in den Augen Gottes. Gott hat ein Ja, und darum schreibt er jeden ins Buch des Lebens.
Dann ist es wichtig, dass wir ein völlig überzeugtes Ja zu ihm haben, wenn er uns zieht und uns zur Buße leitet. Oft wird ja auch diese Stelle gebracht, 1. Korinther 2, wo es heißt: „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was für ein Geist Gottes ist; denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt werden muss.“
Da gibt es solche, die sagen, der Mensch kann gar nicht reagieren. Also, 1. Korinther 2, Vers 14 sagt ja, dass der natürliche Mensch nicht annimmt, was des Geistes Gottes ist. Es ist ihm Torheit, er kann es nicht erkennen.
Ja, das haben wir aber gerade betont: Römer 3, Vers 10 sagt, da ist keiner, der Gott sucht. Das ist der natürliche Mensch, der verloren ist und von sich aus nie Gott suchen würde. Aber in seiner Güte, in dem Reichtum seiner Güte, zieht Gott uns Menschen – und zwar alle –, zu keinem von vornherein ein Nein, sondern zu allen ein Ja.
Er zieht, und dann kann der natürliche Mensch sich bekehren, aber nur durch das Wirken Gottes. Da wird ihm dieses Fenster des Willens geöffnet.
Ich hatte einen Mitschüler, das ist ein paar Jahre her, seit ich in der Schule war, und er war jüdischer Abstammung, aber säkular aufgewachsen. Wir hatten viele, viele Diskussionen im Lauf der Gymnasialzeit über Jahre, und in den Diskussionen sollten alle intellektuellen Stolpersteine ausgeräumt werden.
Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, und was kam heraus? Er hat sich dann nicht bekehrt, sondern hat mir gesagt: „Ich würde mich auch nicht bekehren, wenn alles stimmt.“ Und da war ich ihm sehr dankbar, dass er mir Klartext gesagt hat. Es ist, weil du nicht willst. Ihr habt nicht gewollt. Das ist der Punkt.
Und das war unser Ausgangspunkt.
Jetzt kehren wir zurück zu Matthäus 23. Das war ein Exkurs. Danach kündigte Jesus das Gericht an. Er sagt nicht mehr „Wehe“, sondern nach den acht Wehen sagt er hier in Vers 38: „Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen.“
Was ist mit „euer Haus“ gemeint? Das Wohnhaus, das Tempelhaus, ja, wie sagt man auf Hebräisch? Tempel, Bait, genau, „Beit“. Der Tempelberg heißt „Har HaBeit“, so spricht man Hebräisch. Das ist auch in der Bibel so, zum Beispiel in Jesaja 2, „der Berg des Hauses“, „Har HaBeit“ – das ist der Tempelberg.
Also: „Euer Haus“, das ist euer Tempel, wird euch öde gelassen werden. Jesus kündigt an, dass als Konsequenz der Ablehnung von ihm, dem Messias, und seinen Boten – den Propheten, Weisen und Schriftgelehrten, die er noch senden würde – der Tempel untergehen wird.
Und das hat sich erfüllt. Wann? Im Jahr 70 nach Christus. Der Tempel wurde zerstört, dem Erdboden gleichgemacht, und seither bis zum heutigen Tag konnte der Tempel nie mehr aufgebaut werden. Das ist dramatisch, wenn man daran denkt, dass beim ersten Tempel das ja auch schon so war: Er wurde durch die Babylonier im Jahr 586 v. Chr. zerstört und die Juden kamen in die babylonische Gefangenschaft.
Aber nach wenigen Jahrzehnten, wirklich: 586, dann 539, als die Perser Babylon eroberten, bekamen die Juden die Erlaubnis, zurückzukehren. Sie gingen heim, und das Erste, was sie machten, war, den Tempel 538 v. Chr. wieder aufzubauen. Zuerst den Altar, im nächsten Jahr die Grundlage des Tempelhauses – also in wenigen Jahrzehnten.
Warum war das möglich? Weil Israel Götzen gedient hatte, falsche Götter angenommen hatte, anstatt den Herrn allein zu verehren. Aber ab dem Jahr 70 bis heute, das sind deutlich mehr Jahre, wurde der Tempel nicht mehr aufgebaut, obwohl im Judentum jeden Tag dafür gebetet wird. Das Gebet ist in den Gebetsbüchern enthalten: „Jehiratzon lefanecha“ – möge es dein guter Wille sein, dass der Tempel wieder aufgebaut wird, „Bim Herut Be'amenu“, in Eile, in unseren Tagen.
Und das wird über Jahrhunderte hinweg gebetet, doch nie wurde dieses Gebet erhört. Der Tempel ist untergegangen. Was ist denn geschehen? Was könnte noch schrecklicher sein, als falsche Götter zu verehren, neben dem Herrn Gott selbst zu verwerfen?
Indem der Messias, der eben Gott und Mensch in einer Person ist, verworfen wurde, kam diese Katastrophe. „Siehe, euer Haus wird euch wüst oder öde gelassen.“ Denn Jesus sagt weiter: „Denn ich sage euch, ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: ‚Gepriesen sei der, der da kommt im Namen des Herrn.‘“
Da kündigt er an, dass er wiederkommen wird. Er sollte zwar sterben, und ein Auferstehen hat er den Jüngern ja wiederholt vorausgesagt, wie wir gesehen haben. Aber hier sagt er, dass er wiederkommen wird – nämlich als der herrschende Messias. Dann werden sie ihn empfangen mit „Gepriesen sei der, der da kommt im Namen des Herrn.“
Woher kommt dieses Wort aus dem Alten Testament? Aus Psalm 118. Das ist etwas ganz Besonderes, das müssen wir aufschlagen. Dort steht es in Vers 26: „Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn, vom Haus des Herrn aus haben wir euch gesegnet.“
Jetzt weiß jemand, was da im hebräischen Grundtext für „gesegnet sei, der da kommt“ steht? Du bist schon so weit gekommen. Also nur „gesegnet sei, der da kommt“ – das ist „Baruch haba“. Wann gebraucht man diese zwei Wörter? Wenn man jemanden willkommen heißt.
Also man geht in Israel irgendwo auf Besuch, weil man eingeladen ist – sonst sagt man das nicht. Man klopft an, die Tür wird aufgemacht, und dann sagt man „Baruch haba“. Das heißt dann aber nicht „gepriesen sei, der da kommt“, sondern „gesegnet sei der, der da kommt“.
Aber das Wort „segnen“ und „preisen“ ist dasselbe Wort auf Hebräisch. Wenn man es für Gott benutzt, dann heißt es nicht „gesegnet“, denn wir können Gott nicht segnen. Hebräer 7 macht das ja klar: Dieser Grundsatz, dass immer der Größere den Geringeren segnet.
Darum, wenn „Baruch“ in Bezug auf Gott benutzt wird, muss man es mit „gepriesen“ übersetzen. Wenn es sich auf einen Menschen bezieht, dann mit „gesegnet“. Aber der Sinn ist eben „gesegnet der da kommt“ oder „gepriesen sei der da kommt“ – es heißt „willkommen“.
Und wenn es mehrere sind, dann sagt man die Mehrzahlform „Baruchim habbaim“ – also „gesegnet sind die Kommenden“. So wird klar: Das ist hier in Psalm 118 der Willkommensgruß für den Messias.
Wenn der Herr Jesus wiederkommen wird und Israel dann bereit sein wird, ihn zu empfangen – am Ende der großen Drangsal –, dann werden sie alle rufen: „Baruch haba beschem Adonai“, und dann wird sich Sacharja 12,10 erfüllen: „Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen.“
Dann werden sie weinen: „Warum haben wir ihn damals abgelehnt?“ Und dann werden sie beten, wie in Jesaja 53 beschrieben: „Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann, der Schmerzen und mit Leiden vertraut ist, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt.“
Aber dann werden sie sagen: „Gepriesen sei der, der da kommt im Namen des Herrn.“ Das bedeutet: Willkommen, der da kommt im Namen des Herrn.
Jesus sagt also: Euer Tempel wird verwüstet werden, und ihr werdet mich nicht mehr sehen. Jetzt gehe ich. Wenn er dann kommt, werden sie rufen: Willkommen, der da kommt im Namen des Herrn. Und sie werden auf den blicken, den sie damals durchbohrt haben, und werden wehklagen darüber, dass er beim ersten Mal eben abgelehnt und verworfen worden war.
Aber wenn wir jetzt Plan 118 noch offen haben, dann nehmen wir uns noch eine Minute, bevor wir Pause machen. Dabei müssen wir noch Vers 22 dazulesen: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden."
Das ist auch ein Hinweis auf den Messias, der an anderen Stellen, wie zum Beispiel Jesaja 28, ebenfalls als kostbarer Eckstein bezeichnet wird. Diese Stelle haben die Rabbiner ebenfalls auf den Messias bezogen.
Von diesem Eckstein wird gesagt: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben." Hier muss man sich Folgendes vor Augen halten: Der Ausdruck "Bauleute" wurde vor zweitausend Jahren im Hebräischen verwendet für die Gesetzeslehre, für die Schriftgelehrten. Sie wurden als Bauleute bezeichnet. Warum? Weil Bauleute, die das Wort Gottes verkündigen, zur Auferbauung sprechen sollen.
Von daher kommt das Wort "auferbauen", das wir im Neuen Testament an vielen Stellen finden. Es bedeutet wirklich, ein Haus zu bauen oder aufzubauen. Zum Beispiel wird in 1. Korinther 14, den ersten Versen erklärt, dass Weissagung Reden zur Auferbauung, Ermahnung und Tröstung ist. Das heißt Haus bauen.
Also: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Jeder konnte das damals verstehen. Die Führer verwerfen den Messias. Darum zitiert der Herr Jesus hier diese Stelle. Er spricht ja vorher ausführlich über die Pharisäer und Schriftgelehrten, die acht Vorwürfe gegen sie, und dann sagt er, dass der Tempel zerstört werden wird.
Wenn er dann kommt und man sagt: "Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn", wird man zurückdenken: "Oh ja, wie wahr ist dieses Wort in Vers 22: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden."
Jetzt wird es noch dramatischer: Wir sind an einem Dienstag, Vorkarfreitag. Es folgt der Mittwoch und dann der Donnerstag. Am Donnerstagabend haben alle diese Schriftgelehrten, die das gehört hatten, und alle im Volk sich in den Familien versammelt und das Pessach gefeiert – das Lamm, das geschlachtete Lamm, wurde gegessen. Dabei sang man das Hallel, so nennt man die Psalmen 113 bis 118.
Von der Antike bis heute wird in jeder jüdischen Familie beim Passafest Psalm 113 bis 118 gelesen und damals auch gesungen. In jeder Familie haben alle diese Schriftgelehrten dann gelesen: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden."
Sie haben auch gelesen, dass im gleichen Psalm heißt: "Gepriesen sei der, der da kommt im Namen des Herrn." Das hat Jesus am Dienstag gesagt: "Ihr werdet mich nicht mehr sehen, bis ihr sagen werdet: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn."
Als Hausaufgabe im Lukas-Evangelium, in der Parallelstelle zu diesem Dienstag, sehen wir, dass der Herr Jesus die Führer des Volkes anschaut. Augenkontakt wird im Lukas-Evangelium beschrieben, in Matthäus nicht, aber in Lukas in der Parallelstelle.
Er hat ihnen gesagt: "Was ist das für ein Wort? Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden." Und sie haben das alles dann am Donnerstagabend gelesen – da beginnt im Judentum der Freitag, das Passafest.
Er hat es gesagt. Er hat uns in die Augen geblickt: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben." Ja, das haben wir gemacht. Und an diesem Freitag wurde er gekreuzigt, und die Masse vor Pilatus hat geschrien, dass er gekreuzigt werden soll.
Das ist schon dramatisch, wie der Herr Jesus das Wort genau im richtigen Moment einsetzt. Er wusste, dass sie es dann ein paar Tage später alle in der Familie lesen würden. Und Jesus selbst auch.
In Matthäus 26 feiert Jesus das Passa mit den Jüngern. Am Ende des Passas heißt es in Matthäus 26, Vers 30: Gerade vorher wird beschrieben, wie der Herr den dritten Kelch des Passamals, den Kos Bracha, den Kelch der Segnung, zum Abendmahlskelch macht.
Dann heißt es in Vers 30: "Oder als sie ein Loblied gesungen hatten, gingen sie hinaus zum Ölberg." Das ist der Ausdruck, der auch für Psalm 113 bis 118 verwendet wird.
Am Schluss haben sie also noch gesungen: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden" und "Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn." So haben sie das gesungen, und dann sind sie zum Ölberg gegangen, und die Verwerfung wurde Tatsache.
Ja, jetzt machen wir Pause.
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