Einführung in die messianischen Prophezeiungen und das Buch der Klagelieder
Beim Studium der messianischen Stellen im Alten Testament, also der Prophezeiungen über das erste Kommen des Herrn Jesus Christus, kommen wir heute, nachdem wir Jeremia betrachtet haben, zum Buch der Klagelieder.
Zu Beginn lesen wir aus den Klageliedern Jeremias, Kapitel 3, Verse 1 bis 27.
Klage des Propheten über sein eigenes Elend und das des Volkes, eine Erkenntnis der Treue Gottes, ein Aufruf zum Sündenbekenntnis sowie eine Bitte um Rettung und Vergeltung an die Feinde.
Ich bin der Mann, der Elend sah durch die Rute seines Grimmes. Mich trieb er weg und ließ mich gehen in Finsternis und ohne Licht. Nur gegen mich wendet er immer wieder seine Hand jeden Tag. Verfallen ließ er mein Fleisch, und meine Haut zerbrach. Meine Knochen baute er um und umgab mich mit Gift und Mühsal.
Er ließ mich wohnen in Finsternissen, wie die Toten der Urzeit. Er ummauerte mich, sodass ich nicht herauskonnte. Er legte mich in schwere bronzene Ketten. Auch wenn ich schrie und um Hilfe rief, verschloss er sein Ohr vor meinem Gebet.
Er vermauerte meine Wege mit Quadersteinen und kehrte meine Pfade um. Ein lauernder Bär war er mir, ein Löwe im Versteck. Er ließ mich vom Weg abirren, zerfleischte mich und machte mich menschenleer.
Er spannte seinen Bogen und stellte mich hin als Ziel für den Pfeil. Er ließ in meine Nieren dringen die Söhne seines Köchers. Ich wurde meinem ganzen Volk zum Gelächter; ihr Spottlied bin ich jeden Tag.
Er sättigte mich mit bittern Kräutern und drängte mich mit Wermut. Er ließ auf Kies meine Zähne beißen. Er trat mich nieder in den Staub. Du verstiessest meine Seele aus dem Frieden.
Ich habe vergessen, was Glück ist, und ich sagte: verloren ist mein Glanz und meine Hoffnung auf den Herrn. An mein Elend und meine Heimatlosigkeit zu denken, bedeutet Wermut und Gift. Und doch denkt und denkt meine Seele daran und ist niedergedrückt in mir.
Doch dies will ich mir in den Sinn zurückrufen, darauf will ich hoffen: Ja, die Gnadenerweise des Herrn sind nicht zu Ende, ja, sein Erbarmen hört nicht auf. Es ist jeden Morgen neu.
Groß ist deine Treue. Mein Anteil ist der Herr, sagt meine Seele. Darum will ich auf ihn hoffen.
Gut ist der Herr zu denen, die auf ihn harren, zu der Seele, die nach ihm fragt. Es ist gut, dass man schweigend hofft auf die Retter des Herrn. Gut ist es für den Mann, wenn er das Joch in seiner Jugend trägt.
(Klagelieder 3,1-27)Die Herkunft und Bedeutung der Klagelieder
Die Klagelieder stammen von Jeremia. Das steht zwar im Buch der Klagelieder selbst nicht, aber es ist aus der jüdischen Überlieferung ganz klar bezeugt. Einerseits schon in der ältesten griechischen Übersetzung, der Septuaginta, die im dritten Jahrhundert vor Christus in Alexandria angefertigt wurde. Dort wird am Anfang darauf hingewiesen, dass Jeremia der Autor ist.
Auch im Talmud wird dies so bestätigt, ebenso im aramäischen Targum zu den Klageliedern. Das passt gut zu Jeremia, der oft als „der weinende Prophet“ bezeichnet wird. Eine Schlüsselstelle für den „weinenden Propheten“ findet sich in Jeremia 9. Wegen des Zusammenhangs könnte jemand bitte Jeremia 8,28 bis 9,1 vorlesen.
Bis dahin ist der Text ganz eindrücklich, nicht wahr? „Oh, dass mein Haupt Wasser wäre und meine Augen ein Tränenquell.“
Man muss dies vor dem Hintergrund sehen, dass der Prophet jahrelang die Bewohner Jerusalems, das jüdische Volk, vor dem Untergang durch die babylonische Armee gewarnt hat. Er forderte sie auf, umzukehren und Buße zu tun. Doch die Mehrheit lehnte den Propheten ab und verspottete ihn. Schließlich kam das Gericht: Jerusalem wurde dem Erdboden gleichgemacht, und der salomonische Tempel wurde in Staub und Asche gelegt.
Der Prophet erlebte dabei jedoch keine Genugtuung. Das Gericht, das er angekündigt hatte, war eingetreten, aber er weinte darüber. Er wünschte sich, dass sein Haupt Wasser wäre und sein Auge ein Tränenquell, um Tag und Nacht die Erschlagenen seines Volkes beweinen zu können.
Das ist sehr eindrücklich. Wahre Liebe zu anderen Menschen führt niemals dazu, dass wir Genugtuung empfinden, wenn das Gericht Gottes über sie kommt. Stattdessen weinen wir über sie. Deshalb hat auch Jeremia die Klagelieder geschrieben.
Die Zerstörung Jerusalems und die Klage Jerusalems
Dieses Buch wurde nach der Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 v. Chr. verfasst, nachdem die Katastrophe vollendet war. Es beschreibt das Leiden der Stadt Jerusalem.
Wir wollen zunächst einige Verse aus Kapitel 1 betrachten. Er liest Klagelieder 1,1-5:
„Ach, wie einsam sitzt doch jetzt die Stadt, die einst so stark bevölkert war! Sie ist zur Witwe geworden. Sie, die groß war unter den Völkern, die Fürstin der Hauptstädte, muss nun Frohdienste leisten. Sie weint unaufhörlich bei Nacht, und ihre Tränen laufen ihr über die Wangen. Sie hat keinen Tröster unter allen ihren Liebhabern, alle ihre Freunde sind ihr untreu, sind ihr zu Feinden geworden. Juda ist ausgewandert vor lauter Elend und hartem Knechtsdienst. Es wohnt unter den Heiden, findet keine Ruhe; alle seine Verfolger haben es eingeholt mitten in seinen Nöten. Die Straßen ziehen uns Trauern, weil niemand mehr zu den Festen kommt; alle ihre Tore sind verödet, ihre Priester seufzen, ihre Jungfrauen sind betrübt, und ihr Selbst ist bitter weh. Ihre Widersacher haben die Oberhand gewonnen, ihren Feinden geht es gut. Denn der Herr hat ihr Betrübnis zugefügt um ihrer vielen Übertretungen willen; ihre Kinder sind in die Gefangenschaft gewandert vor dem Feindheer.“
In Kapitel 1 wird das Thema behandelt, dass Jerusalem hoffnungslos ist und die Stadt keinen Tröster hat. Das wird beispielsweise in Vers 9 gesagt: „Ihre Unreinigkeit ist an ihren Säumen, sie hat ihr Ende nicht bedacht und ist wunderbar heruntergekommen; da ist niemand, der sie tröste.“
Auch in Vers 16 heißt es: „Darüber weine ich, rinnt mein Auge, mein Auge von Wasser, denn fern von mir ist ein Tröster.“
In den Versen 17 und 21 wird ebenfalls betont: Kein Tröster!
In Vers 3 sehen wir etwas, das fehlt, nämlich kein Tröster und keine Ruhe. In Vers 6 heißt es: „Und von der Tochter Zion ist all ihre Pracht gewichen, ihre Fürsten sind wie Hirsche geworden, die keine Weide finden.“
Schließlich fehlt in Vers 7 jemand: kein Helfer, kein Tröster, keine Ruhe, keine Weide, kein Helfer.
Aufbau und Themen der Klagelieder
Die Klagelieder sind kunstvoll gestaltet. Erstens sind sie vollständig in hebräischer Poesie verfasst, und zwar in Verszeilen. Dabei handelt es sich um ein Akrostichon. Das bedeutet, dass der erste Vers mit Aleph beginnt, dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets.
Der zweite Vers beginnt mit Bet, der dritte mit Gimel, und so weiter. Dieses Muster zieht sich durch bis zum letzten Buchstaben Taw im Vers 22. Das hebräische Alphabet besteht aus 22 Konsonanten. So ist das erste Gedicht, Kapitel 1, das Jerusalem als hoffnungslos beschreibt, als Akrostichon gestaltet, das sich durch das gesamte Alphabet zieht.
Auch Kapitel 2 hat 22 Verse. Auch hier ist die Struktur entsprechend dem hebräischen Alphabet aufgebaut. Das Thema von Kapitel 2 lässt sich mit dem Titel „Der Herr hat Jerusalem geschlagen“ beschreiben.
Wichtig ist zum Beispiel Vers 2: „Verrichtet hat der Herr ohne Mitleid alle Weideplätze Jakobs.“ Hier wird der Herr erwähnt. Ebenso in Vers 5: „Der Herr ist wie ein Feind geworden, er hat Israel vernichtet.“ Und in Vers 7: „Der Herr hat seinen Altar verworfen, sein Heiligtum verschmäht.“
Im Hebräischen steht hier jedes Mal das Wort Adonai, was „der, der Autorität hat“ bedeutet. Es waren also nicht die Babylonier, die ihre politischen und militärischen Ziele erreichten, sondern der Herr der Geschichte, der dieses Gericht über Jerusalem kommen ließ. Deshalb kann Kapitel 2 mit „Der Herr hat Jerusalem geschlagen“ überschrieben werden.
Kapitel 3 überspringe ich an dieser Stelle.
Kapitel 4 hat ebenfalls 22 Verse. Es folgt wieder dem hebräischen Alphabet. Das Thema ist ein schlimmes Gericht aufgrund schwerer Sünde, was hier zum Ausdruck gebracht wird.
Kapitel 5 besteht auch aus 22 Versen. Allerdings folgt es nicht dem Alphabet. Dennoch ist es in 22 Verse unterteilt, entsprechend der Anzahl der Buchstaben. Der Inhalt besteht aus einem Flehen um die Wiederherstellung Jerusalems. Gott wird hier aufgerufen, einzugreifen, Jerusalem zu erneuern und der Stadt zu vergeben.
Das Leiden des Mannes in Kapitel 3 und seine Deutung
Nun, ich habe Kapitel drei übersprungen, weil dort nicht die Stadt spricht. Es geht nicht um die Stadt, sondern Kapitel drei, Vers eins spricht über eine Person. Liest nochmals jemand Kapitel drei, Vers eins?
Ich bin der Mann, der tief gebeugt worden ist und durch die Rute seinen Zorn erfahren hat. Jawohl, jetzt ist die Frage: Wer ist dieser Mann? Wie? Ja, am Anfang wurde ja der Text vorgelesen und auch noch die Titelüberschrift der Bibelübersetzung. Welche Übersetzung hast du benutzt, Edith? Revidierte Elberfelder. Das war die revidierte Elberfelder.
Dort wird gefragt: Wer spricht hier? Lies den Titel nochmals vor. Klage des Propheten. Jawohl, also da wird gesagt, hier spreche Jeremia über seine eigene Not. Nun, wenn man diese Verse liest, muss man sagen, das übersteigt bei weitem das Elend, das Jeremia erlebt hat.
Wenn hier heißt, dass Gott gegen ihn seine Hand wendet den ganzen Tag, und wenn es heißt: Er ließ mich wohnen in Finsternissen gleich dem Tod in der Urzeit, er hat mich umzäunt, dass ich nicht herauskommen kann, und schließlich Vers 10: Ein lauernder Bär ist er mir, ein Löwe im Versteck.
Gott hat in Jeremia 1 immer gesagt, dass er Jeremia beistehen wird gegen seine Feinde. Aber hier spricht ein Mann, der sagt, dass Gott sich als Feind gegen ihn gewandt hat. Das kann man nicht auf den Propheten beziehen. Es ist vielleicht ein Beispiel, das erklärt, warum in der alten Elberfelder man grundsätzlich auf Titelüberschriften verzichtet hat.
Das macht es natürlich ein bisschen schwieriger mit einer Bibel ohne Zwischentitel, man kann sich weniger gut orientieren. Aber das Problem ist: Titel können manchmal treffend sein und gut, manchmal können sie aber auch in eine falsche Richtung weisen. Und schon könnte man dann geneigt sein, von vornherein hier Jeremia zu suchen in Klagelieder drei.
Aber es ist eben jemand, der leidet unsäglich, so wie Jeremia selber nicht gelitten hat. Es ist jemand, gegen den Gott sich wendet, und das entspricht diesem Mann aus Jesaja 53. Schlagen wir das nochmals auf. Wir hatten das ja schon vor längerer Zeit behandelt: Jesaja 53, wo der Messias beschrieben wird in seinen Leiden, stellvertretend für unsere Sünden.
Liest jemand Jesaja 53, Verse 3 bis 5?
Er war beachtet und von den Menschen verlassen, ein Mann, der Schmerzen und mit Leiden vertraut, wie einer, vor dem man das Gesicht verliert.
Zerschlagen um unsere Sünde willen, die Strafe lag auf ihm zu unserem Frieden, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.
Jawohl, also hier wird der Messias beschrieben als ein Mann, der Schmerzen kennt und mit Leiden vertraut ist. Und Klagelieder drei beginnt mit: Ich bin der Mann, der Elend gesehen durch die Rute seines Grimmes, also der unter dem Grimm Gottes leidet.
Jesaja 53, Vers 10 noch dazu:
Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen. Wenn er sein Leben als Schuldopfer eingesetzt hat, wird er Nachkommen sehen, er wird seine Tage verlängern. Und was dem Herrn gefällt, wird durch seine Hand gelingen.
Ja, das sagt also Vers 10a: Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen, er hat ihn leiden lassen, und zwar als Schuldopfer. Also es geht hier in Jesaja 53 um einen Mann, der von Gott geschlagen wird, aber eben als Stellvertreter für unsere Sünden. Und das ist der gleiche Mann hier in Klagelieder 3.
Die Struktur der Klagelieder und die zentrale Rolle des leidenden Messias
Wenn wir uns die Klagelieder noch einmal genauer ansehen, fällt auf, dass sie aus fünf Teilen bestehen. Das ist nicht nur deshalb interessant, weil sie in unseren Bibeln in fünf Kapitel unterteilt sind, sondern weil dies auch dem hebräischen Text entspricht. Dort gibt es 22 Verse, die einem Akrostichon folgen, das jeweils das Alphabet durchläuft. Kapitel drei steht dabei genau im Zentrum.
In den Kapiteln eins, zwei sowie vier und fünf leidet Jerusalem wegen ihrer eigenen Sünden. Im Gegensatz dazu leidet in Kapitel drei, also in der Mitte, der Messias wegen unserer Sünden. Dieser Zusammenhang ist besonders wichtig.
Wo hat das Leiden des Herrn Jesus stattgefunden? Es war in Jerusalem, vor den Toren der Stadt. Umso erstaunlicher ist es, dass das Leiden des Messias genau an diesem Ort beschrieben wird – in Jerusalem, vor den Toren Jerusalems.
Wenn wir uns Kapitel 1 noch einmal anschauen, hören wir, wie Jerusalem als Stadt spricht. Ähnlich wie in Kapitel 3, wo der Messias über sein Leiden spricht. Zum Beispiel heißt es in Klagelieder 1,12: "Ist es noch nicht zu euch gedrungen, alle, die ihr des Weges zieht, schaut und seht, ob es einen Schmerz gibt wie meinen Schmerz, der mir angetan worden ist, mit dem mich der Herr betrübt hat am Tag seiner Zornglut!"
Diesen Vers könnte man gut auf den Herrn Jesus beziehen. Er starb und litt auf dem Golgatha-Felsen, der sich mitten in einem ausgedienten Steinbruch außerhalb des Gennad-Tors, des Gartentors von Jerusalem, befand. Dieser Steinbruch lag an einer belebten und vielfrequentierten Straße. So könnte man verstehen, dass der Herr sagt: "Merkt ihr es nicht, alle, die ihr des Weges zieht, schaut und seht, ob ein Schmerz sei wie mein Schmerz, der mir angetan wurde."
Im Hebräischen lautet der Vers wörtlich: "Wie mein Schmerz, der mir angetan worden, mir, die der Herr betrübt hat am Tag seiner Zornglut." Dabei wird eine weibliche Form verwendet. Das zeigt, dass dieser Vers nicht auf den Herrn Jesus bezogen werden kann, sondern ganz klar auf die Stadt Jerusalem. Hier spricht eine Frau, was aus dem hebräischen Text deutlich wird.
Genau so, wie Jerusalem für ihre eigenen Sünden gelitten hat, beschreibt Kapitel 3, wie der Herr Jesus für unsere Sünden leiden sollte.
Die liturgische Verwendung der Klagelieder und historische Hintergründe
Das Buch der Klagelieder wird im Judentum in den Synagogen am neunten Av gelesen. Dieser Tag fällt in den Monat Juli und ist der Gedenktag an die Zerstörung des Tempels im Jahr 586 v. Chr. Damals fiel der erste Tempel, und als Erinnerung daran werden an diesem Tag die Klagelieder vorgelesen.
Dieser Tag wurde bereits im Alten Testament als Fastentag festgelegt. In Sacharja wird deutlich, dass dieser Fastentag unmittelbar nach der babylonischen Gefangenschaft üblich wurde. Dort fragen die Leute den Propheten Sacharja, ob sie diese Fastentage weiterhin einhalten sollen.
In Sacharja 7,3-5 heißt es:
„Indem sie die Priester am Haus des Herrn, der Herrscher und die Propheten fragten: Soll ich auch fernerhin im fünften Monat weinen und mich enthalten, wie ich es nun so viele Jahre getan habe?“ Da erging das Wort des Herrn der Herrscher an mich folgendermaßen: Rede zu dem ganzen Volk des Landes, zu den Dresdnern, und sprich: Wenn ihr jeweils im fünften und siebten Monat gefastet und geklagt habt, und zwar schon diese siebzig Jahre, habt ihr denn dafür nicht gefastet? Und wenn ihr esst und wenn ihr trinkt, esst und trinkt ihr dann nichts für euch?“
Hier wird der fünfte Monat erwähnt, ebenso der siebte. Später im Kapitel wird auch noch der zehnte Monat genannt. Das zeigt, dass in der babylonischen Gefangenschaft Fastentage an wichtigen Tagen eingeführt wurden, die mit dem Untergang Jerusalems in Verbindung standen.
Der Fastentag im fünften Monat, dem Monat Av, ist der Tag des Fastens wegen des Untergangs des Tempels. An diesem Tag wurde es üblich, die Klagelieder zu lesen. Es ist der Tag, an dem in allen Synagogen geschrien und geweint wird – ein sehr ergreifender Moment.
Der zweite Tempel wurde ebenfalls am neunten Av im Jahr 70 n. Chr. zerstört. So ist der neunte Av seit über 2600 Jahren weltweit in allen Synagogen der Tag des Klagens über den Verlust des ersten und zweiten Tempels. Einen dritten Tempel gibt es bisher nicht.
An diesem Tag werden die Klagelieder gelesen, und man denkt darüber nach, wie Gott Jerusalem wegen seiner Sünde bestraft hat und dass Jerusalem deshalb untergehen musste. Dabei liest man immer wieder Kapitel 3 und fragt sich: Wer ist dieser Mann? Ich bin der Mann, der...
Ursachen der Zerstörungen Jerusalems in der Geschichte
Was war eigentlich der Hauptgrund für die Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 vor Christus? Götzendienst. Die Juden wandten sich von dem einen wahren Gott der Bibel ab, dem Schöpfergott, der nicht Teil der Natur ist. Stattdessen übernahmen sie die Naturgötter der umliegenden Völker. Diese wurden als personifizierte Götter in der Natur angesehen, zum Beispiel Ba'al, der Blitz- und Regengott war.
Alle möglichen Naturerscheinungen wurden mit Göttern verbunden, und so wurde die Natur angebetet anstatt der Schöpfer. Jeremia und andere Propheten riefen das Volk zur Umkehr zu dem einen wahren Gott auf. Nicht die Natur solle verehrt werden, sondern der, der die Natur geschaffen hat – nicht die Schöpfung, sondern der Schöpfer. Doch man hörte nicht darauf, und so kam es zu dieser Katastrophe.
Aber was war der Hauptgrund für den Untergang des Tempels im Jahr 70 nach Christus? Die Verwerfung Christi. Zu dieser Zeit war der Götzendienst kein Problem mehr. Doch in den Jahren davor wurde der Herr Jesus verworfen und schließlich gekreuzigt. Als Folge davon ging Jerusalem unter.
Das wird ganz klar in Daniel 9 beschrieben. Wir können das kurz aufschlagen: In Daniel 9 beklagt der Prophet Daniel in der babylonischen Gefangenschaft den Zustand Jerusalems. Der Tempel, der salomonische Tempel, liegt in Trümmern. Dann erhält er eine Prophetie, dass die Stadt Jerusalem wieder aufgebaut werden wird.
Liest man Daniel 9, Vers 25, so heißt es: Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen... Zur Zeit Daniels war Jerusalem noch in Trümmern. Von dem Moment an, wo ein Erlass ausgeht, dass Jerusalem wieder aufgebaut wird, bis zum Kommen des Messias als Fürst, sind sieben Wochen und 62 Wochen gemeint. Diese Wochen sind Jahrwochen, also jeweils sieben Jahre. Insgesamt sind es 69 mal sieben Jahre.
Rechnet man das nach, vom Erlass König Artaxerxes' im Jahr 445 v. Chr. bis zum Jahr 32 nach Christus, als Jesus Christus als Fürst am Palmsonntag kam, liegen exakt 69 Jahrwochen dazwischen. Die prophetischen Jahre bestehen jeweils aus 360 Tagen. Das passt genau.
In Vers 26 heißt es: Nach den zweiundsechzig Jahrwochen, also nach den sieben und dann den zweiundsechzig, kommt der Messias als Fürst. Doch danach wird der Messias weggetan oder ausgerottet werden und nichts haben – er wird ermordet.
Dann folgt der Satz: "Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören." Der Messias kommt als Fürst, wird ermordet, und daraufhin kommt ein Volk, das Jerusalem und den Tempel zerstört. Dies geschieht als Folge der Ermordung des Messias.
Seither liest man in den Synagogen weltweit, besonders wegen des Jahres 70 nach Christus, am neunten Av die Klagelieder. In Kapitel 3 heißt es immer wieder: "Ich bin der Mann, der Elend gesehen hat." Genau wegen dieses Mannes wurde Jerusalem zum zweiten Mal zerstört – weil man ihn abgelehnt hat.
Wie wird er beschrieben? In Klagelieder 3, Vers 14 heißt es: "Ich bin meinem ganzen Volk zum Gelächter geworden, ihr Spottlied den ganzen Tag." Die Masse hat ihn verworfen und abgelehnt.
Im rabbinischen Judentum, im orthodoxen Judentum, wie nennt man Jesus Christus? Man sagt "Jeschu". Warum nicht "Jeshua", die normale Form für Jesus? Man sagt "Jeshu".
Weiß jemand, warum? Und was bedeutet das? Es ist eine Art Fluch. Auf Hebräisch schreibt man Jeshu mit den Buchstaben Jod, Shin und Waw. Das wird ausgesprochen als "Jeschu". Diese Form ist eine Abkürzung für den Satz "Jemachä Shmo U sichrono" – "Möge er seinen Namen und sein Gedächtnis auslöschen".
Es ist also eine Bitte an Gott, dass der Name und das Gedächtnis von Jesus Christus ausgelöscht werden. Deshalb sollte man sich nicht anpassen und diesen Namen "Jeshu" nicht übernehmen. Stattdessen sagt man: Wir glauben an Jeshua Hamashiach, Jesus, den Messias. Wir haben nichts zu tun mit diesem "Jeshu".
So wurde der Messias verworfen, und die Folge war das ganze Elend, das wir in den Klageliedern lesen.
Diskussion zur jüdischen Monatszählung und zukünftigen Zerstörungen Jerusalems
Roger, eine Frage noch wegen der Monatszählung: Du sagst, im fünften Monat, das entspricht unserem Juli, war das der Gedenktag jedes Jahr. Das müsste ja heißen, dass das jüdische Neujahr dann irgendwo im Februar stattfindet, ist das richtig?
Nein, März, April. Erst. Ja. Und eben, das ist dann der Monat Nissan, März, April. Dort beginnt die Zählung, und zwar in dem Monat, in dem die Tag-Nacht-Gleiche stattfindet. Dann verschiebt sich das immer von Monat zu Monat. Also dann März/April, der nächste Monat ist April/Mai, dann Mai/Juni und so weiter. So fällt das, ich habe gesagt, ungefähr auf August. Das kann sich aber verschieben, je nach Jahr. Jedes Jahr muss man die Umrechnung des Kalenders neu festlegen.
Reicht das als Antwort so?
Ja.
Und jetzt noch etwas: Die biblische Prophetie beschreibt noch eine zukünftige Zerstörung Jerusalems, die an vielen prophetischen Stellen ganz ausführlich dargestellt wird. Welche Zerstörung ist das?
Ja, das hängt mit Harmagedon zusammen. Das findet in der Trübsalszeit statt, also in den dreieinhalb Jahren vor der Wiederkunft Jesu als König der Welt. Wir können eine Stelle lesen von dieser Verwüstung Jerusalems in Sacharja 14.
Sacharja 14,1-2: Siehe, ein Tag kommt für den Herrn, da verteilt man in deiner Mitte dein Plündergut, und ich versammle alle Nationen nach Jerusalem zum Krieg. Die Stadt wird eingenommen, die Häuser werden geplündert, die Frauen werden geschändet, und die Hälfte der Stadt wird in die Gefangenschaft geführt. Aber der Rest des Volkes wird nicht aus der Stadt ausgerottet werden.
Jawohl, das ist der Verwüstungszug des Königs des Nordens in Daniel. Zehn ab Vers 40 wird beschrieben, wie in dieser Endzeit der König des Nordens von Norden her Israel überrannen und verwüsten wird und dabei Jerusalem erobert.
Der König des Nordens ist in der erfüllten Prophetie immer eine Bezeichnung gewesen für Syrien, und zwar für Großsyrien. Das heißt das Gebiet von Syrien, Libanon heute, aber auch Gebiete der heutigen Türkei, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan bis nach Pakistan und auch Iran und Irak gehören mit dazu.
Daniel 11,45 beschreibt, wie der König des Nordens Israel vollständig überrennen wird. Das ist eben diese Beschreibung hier in Sacharja 14 von der Eroberung Jerusalems.
Aber in dieser Zeit wird dann der Herr Jesus zurückkehren und Jerusalem schließlich befreien.
Liest jemand Sacharja 14, Vers 3?
Und gegen jede Nation kämpfen, wie er schon immer gekämpft hat am Tage der Schlacht. Seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem im Osten liegt. Der Ölberg wird sich von seiner Mitte aus nach Osten und nach Westen spalten, zu einem sehr großen Tal.
Am Schluss der großen Danksalzeit von dreieinhalb Jahren wird er persönlich intervenieren und schließlich Jerusalem befreien. Er wird gegen jene Nationen streiten. Das zeigt uns wieder der König des Nordens nach Daniel 11. Das ist nicht eine Nation, sondern eine ganze Koalition.
Interessanterweise sind heute all diese Gebiete, die ich erwähnt habe und die einst den König des Nordens umfassten, islamische Nationen. Diese sind durch die koranische Lehre zu einem Judenhass verbunden, und ihr Ziel wird Jerusalem sein.
In Sacharja 12 können wir noch dazu lesen, Vers 2-3:
Ich mache Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum und auch für Juda. Es wird in Bedrängnis geraten zusammen mit Jerusalem.
Jawohl, eine Taumelschale – was ist das? Wenn man zu viel trinkt, kann man nicht mehr objektiv denken. Alkohol reduziert die Funktion des Frontallappens, der für Selbstkontrolle zuständig ist. Also wird Jerusalem für alle Völker ringsum zu einer Taumelschale.
Heute sind wir mittendrin, wo wir diesen Schrei der islamischen Welt nach der Befreiung Jerusalems hören. Jerusalem muss für den Islam befreit, aus der Hand der Juden entrissen werden und die zukünftige Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden.
Um dem Nachdruck zu verleihen, baut der Iran eine Atombombe. Völliger Wahnsinn. Ja, natürlich wird Jerusalem eine Taumelschale werden.
Der nächste Vers sagt, Vers 3:
Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich Jerusalem zu einem Laststein machen für alle Völker.
Ein Laststein in der Antike war ein schwerer Stein. Junge Leute testeten ihre Kräfte miteinander: Wer kann den schweren Laststein heben? Gute konnten ihn bis zur Brusthöhe heben, andere auf Kopfhöhe und wieder andere über den Kopf. Aber wehe, wenn man dann losließ.
Darum sagt der Vers weiter: Ich werde Jerusalem zu einem Laststein machen für alle Völker. Alle, die ihn aufladen wollen, werden sich gewisslich daran verwunden, und alle Nationen der Erde werden sich gegen dasselbe versammeln.
Das wird einen Weltkrieg auslösen. Aber ganz speziell geht es um die Nationen ringsum im Nahen Osten, für die Jerusalem a) eine Taumelschale und b) ein Laststein ist.
Es wird also eine Messlatte für militärische Stärke. Und wir sind mitten in diesem Drama heute drin.
Aber Jerusalem wird eingenommen werden, wie wir gelesen haben. Es wird zu einer furchtbaren Verwüstung kommen, und dann werden die Klagelieder noch einmal eine Bedeutung bekommen.
Die drei Zerstörungen Jerusalems und ihre Ursachen
Es gab drei Zerstörungen Jerusalems in der Geschichte Israels: unter den Babyloniern im Jahr 586 v. Chr., durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. und in der Zukunft durch den König des Nordens.
Was wird der Hauptgrund für die Verwüstung Jerusalems in der Zukunft sein? Die Rückkehr des Messias. Er kommt zwar erst am Ende, aber warum wird Jerusalem unmittelbar davor durch den König des Nordens verwüstet? Warum lässt Gott das zu?
Israel wurde seit 1948 in allen Existenzkriegen gegen eine Übermacht jedes Mal bewahrt: 1948, 1949, 1967, 1973, im Jom-Kippur-Krieg. Jedes Mal hat diese Nation überlebt, obwohl dreimal versucht wurde, Israel auszulöschen.
Der Grund ist, dass Israel keine falschen Götter anbetet. Stattdessen wird der Antichrist angenommen werden – der falsche Messias. Er wird kommen, und die Masse wird ihn akzeptieren. Er wird sich sogar in den Tempel Gottes setzen, also in den kommenden dritten Tempel.
So sehen wir, dass diese drei Zerstörungen Jerusalems mit den drei Tempeln in der Geschichte Israels zusammenhängen. Der erste Tempel wurde wegen Götzendienst zerstört. Der zweite Tempel wurde wegen der Verwerfung des Messias zerstört. Das dritte Drama für Jerusalem wird sein, dass der Antichrist angenommen wird und den Tempel verunreinigt.
Der Antichrist wird auf dem Tempelplatz ein Götzenbild aufstellen, das sprechen wird. Die Masse in Israel wird diesen Götzendienst akzeptieren. Das heißt, die dritte Verwüstung Jerusalems wird wegen Götzendienst und wegen der Annahme des falschen Messias kommen. Dies ist gleichzeitig die Verwerfung des wahren Messias.
So haben die Klagelieder eine heilsgeschichtliche Bedeutung über die Jahrtausende hinweg bis in die Zukunft. In der Mitte der Klagelieder steht dieser Mann, der stellvertretend für die Sünde von uns allen leidet, aber eben auch für die Sünde Israels und Jerusalems.
Darum kann es eine Wiederherstellung Jerusalems und Israels geben.
Ablehnung des wahren Messias und Aufnahme des Antichristen
Jemand wollte etwas fragen? Ja, schlagen wir doch gerade diese Stelle auf! Dort kündigt der Herr eben diesen falschen Messias an. Es ist Johannes 5,43. Da spricht der Herr zu den Führern des jüdischen Volkes: „Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmt mich nicht auf. Wenn aber ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr auch lieben.“
Jawohl, das ist der Antichrist. Die Aufnahme des Antichristen ist direkt geknüpft an die Tatsache, dass der wahre Messias verworfen wurde. Wer die Wahrheit ablehnt, wird automatisch offen für jede Art von Verführung. Das erleben wir auch heute immer wieder. Menschen, die ganz bewusst das Evangelium ablehnen, werden Opfer der absurdesten Verführungen.
Damit ist die Frage gestellt: Wird der Antichrist ein Jude sein? Ja, er wird auf jeden Fall ein Israelit sein. In Daniel 11,36-39 wird der Antichrist beschrieben als Herrscher in Israel. Von ihm heißt es: „Auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten.“ Der Ausdruck „der Gott seiner Väter“ ist in der Bibel ein fester Begriff für den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Es ist eine schwierige Frage, wer Jude ist. Rabbiner sagen, Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat. Ben Gurion hingegen sagte, Jude ist, wer sich als Jude fühlt. Es gibt noch andere Definitionen, doch am einfachsten ist es, Jude zu sein, wenn man ein Nachkomme von Abraham, Isaak und Jakob ist.
So wird der Antichrist selbstverständlich ein Israeli sein.
Aktuelle Entwicklungen und die Rolle des Antichristen
Sie haben es sehr treffend beschrieben: Seit 30 Jahren herrscht ein Krieg in Jerusalem, bei dem um die Stadt Jerusalem gekämpft wird.
Ich lese gerade ein Buch mit dem Titel "Erst Manhattan, dann Berlin". Sicher kennen Sie es, es stammt von Wolfgang Eckert und behandelt messianische Netzwerke. Ich habe es nun etwa 50 Seiten lang gelesen, und es macht einem wirklich Angst, weil es genau das beschreibt, was Sie sagen. Er spricht auch das Thema Antichrist an. Es wird dargestellt, wie die Israelis durch das große Geld aus Amerika in eine Art Seilschaft eingebunden sind. Das Buch beschreibt sehr gut, dass es in diese Richtung geht.
Deshalb interessiere ich mich zurzeit besonders für die Bibel. Ich lese viel und bin heute hier, um das einmal zu hören. Das ist wirklich großartig. Dennoch frage ich mich oft unheimlich, wohin die Reise in unserer Welt führt.
Genau, es geht, wie Sie sagen, in Richtung totale Verführung. Vielleicht können wir noch die Stelle aus dem zweiten Thessalonicherbrief Kapitel 2 hinzunehmen, wo der Antichrist beschrieben wird und wie er handeln wird.
Kann jemand die Verse 3 bis 4 aus dem zweiten Thessalonicherbrief 2 vorlesen?
„Lasst euch von niemandem in irgendeiner Weise verführen, denn es muss unbedingt zuerst der Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens, der sich widersetzt und sich über alles erhebt, was Gott oder Gegenstand der Verehrung heißt, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt als ein Gott und sich selbst für Gott ausgibt.“
Der Tag des Herrn, also der Tag der Wiederkunft Jesu, kann nicht kommen, bevor dieser Abfall nicht stattgefunden hat.
Dieser Abfall bedeutet, dass in der Christenheit ein massiver Abfall von Gott und seinem Wort geschieht. Besonders seit der 1968-Bewegung haben Millionen in den sogenannten christlichen Ländern sich bewusst von den biblischen Werten, von der Bibel und vom Evangelium abgewandt. Das ist dieser Abfall.
Dieser Abfall dauert noch an, aber sein Höhepunkt wird der Mensch der Sünde sein, der Sohn des Verderbens. Das ist der Moment, wenn der Antichrist kommt. Er wird sich über alles erheben, was Gott heißt oder Gegenstand der Verehrung ist.
Dieser Antichrist wird der Prototyp eines Rebellen und Revolutionärs sein, der allem widersteht und sich über alles erhebt. Er wird sich sogar in den Tempel Gottes setzen, wie wir gelesen haben. In Israel bereitet man ja den dritten Tempel vor. In diesem Tempel wird er sich niederlassen, ihn entweihen und behaupten, er sei Gott.
Kann jemand bitte noch die Verse 5 bis 9 vorlesen?
„Denkt ihr nicht mehr daran, dass ich euch dies sagte, als ich noch bei euch war? Und ihr wisst ja, was jetzt noch zurückhält, damit er geoffenbart werde zu seiner Zeit.“
Es gibt also etwas, das verhindert, dass der Antichrist sich offenbaren kann. Er könnte heute schon leben, aber etwas hält ihn zurück. Was ist dieses Etwas?
Die Gemeinde, der Heilige Geist. Aber wie passt das zusammen? Es steht hier nicht „der, der zurückhält“.
Im Griechischen ist das Wort für Gemeinde „Ekklesia“ und ist weiblich. Das Wort für Geist, „pneuma“, ist sächlich, also neutral. Die grammatische Konstruktion passt also genau.
Der Heilige Geist wohnt seit Pfingsten in der Gemeinde und ist die Kraft, die die letzte Entfaltung des Bösen auf der Erde noch zurückhält. Deshalb sind Christen berufen, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein. Nicht, um sich von der Welt formen zu lassen, sondern um Einfluss zu haben – wie Salz, das Fäulnis hemmt, und Licht, das Klarheit bringt. Das können wir durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Bei der Entrückung wird der Heilige Geist mit der Gemeinde weggehen. Das wird die Umkehrung von Pfingsten sein, und dann kann der Antichrist kommen.
Lesen wir noch Vers 7:
„Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon am Wirken, nur muss der, welcher jetzt zurückhält, erst aus dem Weg.“
Wird der Gesetzlose offenbart werden? Ja, das wird er. Hier wird das Geheimnis der Gesetzlosigkeit genannt. Gesetzlosigkeit bedeutet die Verwerfung von Gottes Gesetz und Wort.
Der Apostel Paulus sagt, dieses Geheimnis ist schon jetzt wirksam. Innerhalb der Christenheit, wo das Evangelium gesegnete, verändernde Wirkung auf die Gesellschaft hatte, entwickelt sich gleichzeitig Gesetzlosigkeit. Diese wird ihren Höhepunkt durch den Antichristen erreichen.
Die Gesetzlosigkeit hat sich durch die Kirchengeschichte entfaltet. Man kann dabei an all das Blutvergießen, an die Religionskriege und Ähnliches denken.
Am Ende kommt es zum Abfall, bei dem Millionen, die sich einst zum Christentum zählten, sich offen lossagen – wie wir es heute beobachten können. Der letzte Punkt ist, wenn dieser Rebell, der Antichrist, kommt.
Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist also wirksam, aber jetzt steht hier: „nur ist jetzt der, welcher zurückhält“. Jetzt ist das grammatisch männlich.
Das passt auch zum Heiligen Geist, denn „pneuma“ ist zwar sächlich, aber der Heilige Geist ist eine Person, Gott gleich dem Vater und dem Sohn.
Deshalb sagt Jesus in Johannes 14 bis 16, dass der Heilige Geist kommen wird, und verwendet das männliche Pronomen „ekeinos“ – „Jener wird euch in alle Wahrheit führen“.
Das passt also zu dem, der zurückhält. Der Geist Gottes hält zurück, bis er aus dem Weg ist. Bei der Entrückung geht er weg, und dann wird der Gesetzlose offenbar.
Roland, kannst du noch weiter lesen?
„Den der Herr verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und den er durch die Erscheinung seiner Wiederkunft beseitigt wird.“
Wenn Jesus dann in Macht und Herrlichkeit am Ende der großen Drangsal kommt, wird er den Antichristen vernichten, ohne ihn anzurühren. Er wird den Gesetzlosen durch den Hauch seines Mundes vernichten, durch die Erscheinung seiner Wiederkunft.
Nun wird erklärt, woher dieser Antichrist kommt:
Vers 9: „Indessen kommen aufgrund der Wirkung Satans Erfolge unter Entfaltung aller betrügerischen Kräfte, Zeichen und Wunder und aller Verführung der Ungerechtigkeit bei denen, die verloren gehen wollen.“
Das wird also der größte Esoteriker aller Zeiten sein, ausgestattet mit Macht, Zeichen und Wundern.
Übrigens werden diese drei Ausdrücke im Neuen Testament auch für die Machttaten der Apostel verwendet. In der apostolischen Zeit hat Gott durch mächtige Zeichen und Wunder bestätigt, dass diese Apostel die Wahrheit verkündigen und dass Jesus Christus wirklich der Messias ist.
In Hebräer 2 finden wir diesen Ausdruck „Macht, Zeichen und Wunder“.
Jetzt finden wir dieselben Ausdrücke im Neuen Testament für die Endzeit, wenn der Antichrist kommt. Er wird mächtige Taten, Zeichen und Wunder tun – aber der Lüge dienen.
Diese Machttaten, Zeichen und Wunder sind der Lüge angehängt, voller Betrug und Ungerechtigkeit.
Weiter heißt es:
„Und aller Verführung der Ungerechtigkeit bei denen, die verloren gehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, durch die sie hätten gerettet werden können. Darum wird ihnen Gott eine wirksame Kraft der Verführung senden, sodass sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern Wohlgefallen hatten an der Ungerechtigkeit.“
Gott wird also diese Verführung schicken – aber nicht für alle, sondern ausdrücklich für die, die die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben.
Das sind Menschen, die das Evangelium gehört, es aber nicht angenommen haben. Sie werden garantiert Opfer der Verführung des Antichristen.
Der Antichrist wird nicht nur in Israel wirken, sondern eine weltweite Ausstrahlung haben. Besonders wird er auf Europa wirken, das nach der Prophetie das wiedererstandene römische Reich ist.
Wir leben also in der Zeit der Verführung, die sich zur totalen Verführung entwickelt. Israel wird sich zum großen Teil ebenfalls verführen lassen, und darum wird Jerusalem in größte Not kommen.
Die Klagelieder erhalten dadurch ihre Bedeutung im Zusammenhang mit dem ersten, zweiten und dritten Tempel.
Das jüdische Volk liest dieses Buch immer wieder am 9. Av bis heute.
Das Herzstück ist der „Mann der Schmerzen, mit Leiden vertraut“, wie es in Klagelieder 3,1 heißt.
Wir machen jetzt zwanzig Minuten Pause und fahren an dieser Stelle weiter.
Wir haben gesehen, dass im Zentrum der Klagelieder der leidende Messias steht und dass der Messias unter dem Gericht Gottes leidet.
Das stellvertretende Leiden Jesu Christi im Zentrum der Klagelieder
Es ist wichtig zu erkennen, dass Jesus Christus von den Menschen gelitten hat. Er wurde verurteilt, gegeißelt, misshandelt und schließlich gekreuzigt. Doch diese Leiden haben unsere Sünden nicht weggetan. Was die Sünden wirklich weggetan hat, war das Gericht Gottes – am Kreuz in den Stunden der Finsternis.
Im Psalm 22 finden wir die Prophetie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Jesus wurde in diesen Stunden der Finsternis verlassen, als er der Sündenträger wurde. Gott, weil er ein gerechter Gott ist, brachte die Strafe, die er eigentlich für uns in Ewigkeit hätte tragen müssen, auf ihn. Dieses Gericht beschreibt der Psalm in poetischen Bildern.
Lesen wir zum Beispiel Klagelieder 3, Vers 1: „Jawohl, die Rute seines Zorns“ oder „die Rute seines Grimmes“. Hier geht es um Gottes gerechten Zorn gegen unsere Sünde. Weiter in Vers 5 heißt es: „Bitterkeit und Mühsal hat er wieder mich gebaut und mich damit umgebracht.“ In Vers 8 lesen wir: „Wenn ich auch schreie und rufe, so hemmt er mein Gebet. Meine Wege hat er mit Quadern vermauert, meine Pfade umgekehrt. Ein lauender Bär ist er mir, ein Löwe im Versteck.“
Das ist also Gottes Gericht über den Herrn Jesus. Wir haben das schon in Jesaja 53 gelesen, wo es heißt: „Es gefiel dem Herrn, ihn zu zerschlagen.“ Wo finden wir dieses Gericht Gottes über seinen Sohn noch im Alten Testament beschrieben?
Genau das haben wir gerade gelesen, aber es gibt noch weitere Stellen. Zum Beispiel Zacharja 13, Vers 7: „Wach auf, Schwert, gegen meinen Hirten und gegen den Mann, der mein Gefährte ist“, spricht der Herr, der Herrscher. „Schlage den Hirten, dass die Schafe sich zerstreuen.“ Gott spricht hier über den Mann, den er „mein Gefährte“ nennt. Der Ausdruck „mein Gefährte“ heißt auf Hebräisch „Amitie“ und bedeutet „der mir Gleichgestellte“. Hier wird also angedeutet, dass der Sohn dem Vater gleich ist.
Doch dieses Schwert Gottes musste über ihn kommen. Nur so war Erlösung möglich. Gott ist gerecht und muss die Sünde bestrafen. Aber Gott ist auch Liebe und möchte uns verschonen. Der einzige Weg war die Erlösung durch Stellvertretung: Der Vollkommene, der Gerechte, der Sohn Gottes trat in die Bresche und nahm das Gericht, das wir verdient hatten, auf sich. So konnten wir frei ausgehen.
Wo finden wir noch einen Hinweis auf dieses Gericht? Im Psalm 22. Wird dort ausdrücklich gesagt, dass Gott bestraft? Nein. Aber im Psalm 69, den wir schon vor einiger Zeit angeschaut haben, heißt es in Vers 26 beziehungsweise 27 (je nach Bibelausgabe): „Den du geschlagen hast, haben sie verfolgt, und vom Schmerz deiner Verwundeten erzählen sie sich.“
Wir haben gesehen, dass Psalm 69 ein Kreuzigungspsalm ist, der prophetisch auf den Messias hinweist. Hier wird er genannt: „Den du geschlagen hast“, den haben die Menschen verfolgt. Das ist Gottes Gericht. So sehen wir in Klagelieder 1,4-5, dass Jerusalem wegen seiner eigenen Sünde leidet. Doch Kapitel 3 zeigt, dass der Messias stellvertretend leidet.
Wer dieses Opfer für sich persönlich in Anspruch nimmt und seine persönliche Schuld Gott im Gebet bekennt, dem wird dieses Opfer zugerechnet. So kann er vor Gottes Gericht verschont werden.
Aufbau des Buches Klagelieder und die Bedeutung des Zentrums
Wir haben nun bei den Klageliedern gesehen, wie diese aufgebaut sind, nämlich als Akrostichon entsprechend den 22 Buchstaben im Hebräischen. Aus wie vielen Versen besteht nun das ganze Buch Klagelieder? Ich glaube, das wurde noch nicht erklärt.
In Kapitel 3 besteht die Struktur aus Dreiergruppen. Die ersten drei Verse beginnen mit Aleph, also Vers 1 bis 3. Dann folgen Verse 4 bis 6, wiederum eine Dreiergruppe, die mit Bet beginnt. Danach kommen Verse 7 bis 9 mit dem dritten Buchstaben Gimmel, und so weiter. Dadurch ergeben sich insgesamt 66 Verse, also dreimal 22 Verse.
Wenn man alle Kapitel zusammenzählt, sind es sieben mal 22 Verse. Die Zahl sieben gilt als Zahl der Vollkommenheit. Das Herzstück des Buches ist das Leiden des Messias.
Besonders möchte ich auf Klagelieder 3,19 hinweisen: „Gedenke meines Elends und meines Umherirrens, des Wermuts und der Bitterkeit.“
Wenn wir Matthäus 26 aufschlagen, sehen wir, dass am Vorabend der Kreuzigung der Herr für seine Jünger das Abendmahl eingesetzt hat. Lesen wir Matthäus 26,26:
„Als sie nun aßen, nahm Jesus das Brot, sprach den Segen, brach es, gab es den Jüngern und sprach: Nehmt es, das ist mein Leib! Und er nahm den Kelch, dankte, gab ihnen denselben und sprach: Trinkt alle daraus, denn das ist mein Blut, das vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch aber: Ich werde von jetzt an von diesem Gewächs des Weinstocks nicht mehr trinken bis zu jenem Tag, da ich es neu mit euch trinken werde im Reich meines Vaters.“
Nachdem sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus zum Ölberg.
In Vers 19-20 heißt es: „Er nahm Brot, dankte, brach und gab es ihnen und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird; dies tut zu meinem Gedächtnis. Ebenso auch den Kelch nach dem Mahl und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird. Dieses tut zu meinem Gedächtnis.“
Das zeigt, dass das Leiden und was es ihn gekostet hat, uns die Erlösung zu erwerben, nie aus dem Zentrum herausgehen darf.
Römer 3,23 sagt: „Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes.“ Die ganze Menschheit kann sich anstrengen, wie sie will, aber sie wird sich niemals zu Gott hinaufarbeiten können.
Darum kam Jesus Christus von oben, um diese Erlösung zu schaffen. Damit das nie aus unserem Sinn entweicht, sagte er: „Gedenke meines Elends und meines Umherirrens, des Wermuts und der Bitterkeit.“
Er hat für die Gläubigen das Abendmahl als Gedächtnismal eingesetzt. Das soll dazu führen, dass, wie der Apostel Paulus in 1. Korinther 11 sagt: So oft ihr dieses Brot esst und diesen Kelch trinkt – nicht selten, sondern so oft – soll es immer wieder daran erinnern, was eigentlich das Zentrum des christlichen Glaubens ist.
So leicht könnte man irgendwelche Aktivitäten, auch soziale Arbeiten und ähnliches, ins Zentrum rücken. Diese sind alle wichtig, aber im Zentrum muss ganz klar der stellvertretende Erlösungstod des Herrn Jesus stehen.
Darum ist auch in den Klageliedern das Leiden des Messias so poetisch angeordnet, dass es im Zentrum steht.
Auch in der Architektur des Alten Testaments sehen wir das: die Stiftshütte, der erste transportable Tempel mit den Tieropfern, war ein Hinweis auf den Erlösertod des Messias, der einmal geschehen sollte.
Der Vorhof ist ein Quadrat von fünfzig mal fünfzig Ellen, und im Zentrum steht der Altar. Wenn man die Diagonale zieht, befindet sich der Altar genau im Zentrum.
Dann gibt es ein zweites Quadrat von fünfzig Ellen, in dem zentral die Stiftshütte steht. Das Heilige war zwanzig Ellen lang, das Allerheiligste ein Quadrat von zehn Ellen.
Wenn man das verteilt, gibt es im 50-Ellen-Quadrat einen Freiraum von zehn Ellen vorne und hinten. So rückt das Allerheiligste genau ins Zentrum des 50-Ellen-Quadrats.
Was steht im Zentrum des Allerheiligsten? Die Bundeslade.
Am Jom Kippur musste der Hohepriester das Blut des stellvertretenden Opfers auf den Deckel sprengen. Wenn man die Diagonale durch dieses zweite Quadrat zieht, schneidet sie sich genau im Blut der Bundeslade.
Damit ist Christus und sein Opfer im Zentrum.
Der zukünftige Tempel, der in Hesekiel 40 bis 48 beschrieben wird, hat einen äußeren Vorhof von 500 auf 500 Ellen, was etwa 1,5 auf 1,5 Kilometer entspricht.
Die inneren zwei Vorhöfe liegen auf einem Quadrat von 500 Ellen. Wenn man dort die Diagonalen zieht, schneiden sie sich exakt im Altar des Tempels von Hesekiel.
Auch hier zeigt die Architektur, dass im Zentrum das stellvertretende Opfer steht.
Fragen und Antworten zum Reich des Vaters und weiteren prophetischen Büchern
Ja, Kerlop? Ich habe noch eine Frage zu Matthäus 26, wo wir über das Reich meines Vaters lesen, das der Herr hier erwähnt. Was genau bedeutet das hier?
Das Reich des Vaters ist das tausendjährige Reich. Einerseits wird es als das Reich des Vaters bezeichnet, andererseits auch als das Reich des Sohnes des Menschen. Das heißt, es wird die Herrschaft Gottes, des Vaters, und des Sohnes über die ganze Welt sein. So einfach lässt sich das erklären.
Gut, dann gehen wir noch weiter. Heute überspringe ich Hesekiel, da bräuchten wir mehr Zeit, und auch Daniel überspringen wir vorerst. Dazu kommen wir dann später noch einmal zurück. Wir haben diese Prophetie mit den Jahrwochen eigentlich schon früher betrachtet und heute nur ein wenig angedeutet.
Ich habe nur noch eine Frage zu den Klageliedern, und das darf ich verstanden haben?
Ja, klar. Dann gehen wir zu Hosea.
Ja, bitte, noch zu den Klageliedern.
Gut, im Hebräischen steht dort wörtlich: „Er entzog meine Wege“, das heißt, er machte für mich das Weitergehen unmöglich. Es ist also nicht das Abirren. Manchmal zeigt sich hier der Wert einer wörtlichen Übersetzung.
Gut, gehen wir zu Hosea, und zwar Kapitel 3. Ein ganz kurzes Kapitel, das reicht gerade noch für die Zeit, die wir noch zur Verfügung haben. Wer liest uns vor?
Hosea 3,1-5:
Und der Herr sprach zu mir: Geh noch einmal, liebe eine Frau, die sich von einem anderen lieben lässt und Ehebruch treibt. Und wie der Herr die Söhne Israel liebt, die sich aber anderen Göttern zuwenden und Traubenkuchen lieben, da kaufte ich sie mir für fünfzehn Silberschäkel, einen Homer Gerste und einen Letech Gerste.
Und ich sagte zu ihr: Viele Tage sollst du bei mir bleiben, du sollst nicht Huren und keinem Mann gehören, und auch ich verhalte mich dir gegenüber so. Denn die Söhne Israel bleiben viele Tage ohne König und ohne Oberste, ohne Schlachtopfer und ohne Gedenkstein, ohne Ephod und Therafim. Danach werden die Söhne Israel umkehren und den Herrn, ihren Gott, aufsuchen und David, ihren König, und sie werden sich bebend zum Herrn wenden und zu seiner Güte am Ende der Tage.
Historischer Kontext und prophetische Bedeutung von Hosea
Hosea lebte im achten Jahrhundert vor Christus. Schauen wir uns den ersten Vers an: Hosea 1,1. Kann das jemand vorlesen? Vers 1, Hosea 1,1, Kapitel 1, nicht Kapitel 3. Jawohl.
Wir können das ganz genau datieren, weil wir aus der biblischen Chronologie wissen, wann diese Könige regiert haben. Usia, Jotham, Ahas und Hiskia waren Könige von Juda im Südreich im achten Jahrhundert vor Christus. Gleichzeitig regierte Jerobam, der Sohn Joas, als König von Israel im Nordreich der zehn Stämme.
Diese zwei Datierungen, nach dem Südreich und dem Nordreich, zeigen deutlich, dass Hosea, obwohl Israel damals gespalten war – das kam nach dem Tod Salomos, als die zwölf Stämme in zwei und zehn aufgeteilt wurden – immer noch das ganze Volk sieht. Er sieht das zwölfstämmige Volk. Auf dieses zwölfstämmige Volk bezieht sich auch die Prophetie in Hosea.
Das war eine schlimme Zeit. Im Nordreich sind alle Könige von Gott abgefallen. Sie begannen, Naturgötter anstatt des Schöpfergottes zu verehren. Im Südreich waren die meisten Könige gottlos. Unter einigen gab es Reformationen und Rückkehr zu Gott, aber die Mehrheit war gottlos.
Darum musste Hosea eine ganz ungewöhnliche Ehe eingehen. Hosea 1, Vers 2 – kann das jemand lesen? Vers 3: „Da ging er hin und nahm Gomer, die Tochter Didlajins, und sie wurde schwanger und gebar ihm einen Sohn.“ Jawohl, bis dahin.
Gott sagt, dass das Land Israel, das Volk Israel, Hurerei betreibt. Der Ausdruck „Hurerei“ wird in der Bibel im übertragenen Sinn verwendet, wenn man sich vom wahren Gott abwendet, ihm gegenüber untreu wird und andere Götter verehrt. Weil die Leute nicht mehr auf das Wort der Propheten hörten, gab Gott hier ein krasses Lebensbeispiel.
Hosea hat also eine Frau geheiratet, von der er wusste, dass sie untreu werden würde. Damit sollte der Prophet ausdrücken, wie groß das Leid war, das er mit Gomer, der Tochter Dibleims, erlebte. Übrigens heißt Dibleim „doppelte Umarmung“, was schon eine Aussage oder Andeutung ist.
Dieser Mann hat sehr unter seiner untreuen Frau gelitten. Dadurch sollten die Israeliten erkennen, wie schlimm es für Gott war, dass sein Volk ihm gegenüber Untreue beging. Gomer ging von Hosea weg, betrog ihn mit anderen Männern und wurde schließlich auf dem Sklavenmarkt angeboten.
Da gab Gott Hosea den Auftrag, diese Frau freizukaufen. Lesen wir nochmals Hosea 3, Vers 1. Wenn man den Hintergrund kennt, versteht man sofort, was gemeint ist. Nochmals Vers 1 und 2: „Und der Herr sprach zu mir: Geh noch einmal, liebe eine Frau, die sich von einem anderen lieben lässt und Ehebruch treibt, wie der Herr die Söhne Israels gibt, die sich aber anderen Göttern zuwenden und Traubenkuchen geben.“
Diese Traubenkuchen waren Speisopfer für falsche Götter. Gott sagt also zu Hosea: Gib Gomer nicht auf, liebe sie und gehe hin, kaufe sie zurück. Er ging auf den Sklavenmarkt und kaufte sie für fünfzehn Silberschäkel – das sind fünfzehn Mal etwa hundertfünfzig Gramm Silber – und für eine große Menge Gerste, also Kornrohstoff, bezahlte er ebenfalls.
Dann kommt etwas ganz Eigenartiges. Lest nochmals jemand Vers 3? „Da kaufte ich sie für fünfzehn Silberschäkel, einen Hummer Gerste und einen Lechner.“ Lettech, Lettech Gerste. Und ich sagte zu ihr: Viele Tage sollst du bei mir bleiben, du sollst nicht huren und keinem Mann gehören, und auch ich verhalte mich dir gegenüber so.
Für eine gewisse Zeit sollte das eine sehr eigenartige Ehe sein. Er sagt, du gehörst mir, aber wir haben keinen ehelichen Verkehr. Du sollst auch keinen Verkehr mit einem anderen Mann haben. Eine eigenartige Regelung. Auch das sollte wieder ein prophetisches Bild für Israel sein, genauso wie die ganze Ehe eine Botschaft an Israel war.
Die Erklärung dieser eigenartigen Botschaft folgt in Vers 4: „Ohne Oberste, ohne Schlachtopfer, ohne Gedenkstein und ohne Ephroth und Teraphim. Danach werden die Söhne Israels umkehren und den Herrn, ihren Gott, aufsuchen und David, ihren König, und sie werden sich bebend zum Herrn wenden und zu seiner Güte am Ende der Tage.“
Hier wird vorausgesagt: In einer Zeit, als die zehn Stämme ein Königtum waren und auch die zwei Stämme, wird gesagt, dass die Israeliten viele Tage lang, also eine lange Zeitperiode, ohne König und Fürsten sein werden. Sie werden keine Schlachtopfer mehr haben und keine Bildsäulen.
Diese Bildsäulen sind Steine, die als Gedenksteine für irgendwelche Götter aufgestellt wurden. Sie würden keine Götzenbilder mehr haben. Das letzte, Teraphim, weiß jemand, was das sind? Hausgötter. Und was für Hausgötter? Sehr spezielle Figuren, Ahnenbilder. Das waren Bilder, die für die göttliche Verehrung Verstorbener eingesetzt wurden.
Das war zur Zeit von Hosea das Problem: der Ahnenkult, die Gedenksteine für Götter. Aber er sagt voraus, dass eine Zeit kommen wird, in der die Israeliten lange Zeit ohne Staat sein werden, ohne König und Fürsten. Auch ohne Tempel, denn es heißt hier „ohne Schlachtopfer“.
Sie werden auch keine Götzen mehr haben, keine Bildsäulen und keine Teraphim. Nun das Erstaunliche ist: Im Jahr 586 wurde Jerusalem durch die Babylonier zerstört, und dann im Jahr 70 durch die Römer.
Danach begann diese lange Staatenlosigkeit. Nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 70 gab es noch einen Aufstand der Juden gegen die Römer, der aber im Jahr 135 nach Christus brutal von Kaiser Hadrian niedergeschlagen wurde. Es gab über eine Million Tote, und danach gab es keinen jüdischen Staat mehr; das war definitiv das Ende.
Wann wurde der jüdische Staat in der Geschichte wieder gegründet? 1948. Das heißt, von 135 nach Christus bis 1948 gab es keinen Staat mehr. Als Nebukadnezar Jerusalem zerstörte im Jahr 586, wurden die Juden nach Babylon deportiert, aber sie hatten immer noch eine eigene Regierung und Älteste – das sieht man in Hesekiel.
Dann kamen sie zurück ins Land und hatten einen halbautonomen Staat unter persischer Herrschaft, dann unter den Griechen und Römern. Erst mit dem Untergang ab dem Jahr 70 beziehungsweise 135 nach Christus begann die Staatenlosigkeit der Juden.
Das Erstaunliche ist: In den vergangenen 2000 Jahren hat zwar die Mehrheit des Judentums Jesus Christus als Messias abgelehnt, aber sie sind nicht mehr zur Verehrung irgendwelcher Götterbilder zurückgekehrt.
Das Judentum der vergangenen 2000 Jahre ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass alle Formen von Bilderverehrung vehement abgelehnt wurden. Obwohl die Bibel dies klar verbietet und verurteilt, schon in den Zehn Geboten, sind solche Dinge in der Geschichte der Kirche in den frühen Jahrhunderten, besonders ab dem vierten Jahrhundert mit der konstantinischen Wende, in die Kirche hineingekommen.
Im Judentum war man durch all die Jahrhunderte entsetzt darüber, wie in der Christenheit ein solcher Kult betrieben wurde, in dem Bilder verehrt werden. Sie haben das nicht mehr gemacht, genau so wie es hier steht: ohne Bildsäule und ohne Teraphim.
Weiter heißt es auch „ohne Schlachtopfer“. Ab dem Jahr 70 wurde der Tempel zerstört, und seitdem, durch all die Jahrhunderte bis heute, betet das Judentum täglich dreimal, dass Gott den Tempel wiederherstellen möge. Dieses Gebet wurde nie erhört.
Da die Tora, das Gesetz Mose, sagt, dass Opfer nur auf dem Tempelplatz in Jerusalem dargebracht werden dürfen, dem Ort, den der Herr für die Opfer erwählt hat, konnten in den vergangenen zweitausend Jahren keine Opfer mehr gebracht werden.
Diese lange Zeit der Staatenlosigkeit der Juden war also zugleich eine lange Zeit ohne Opfer im Judentum, genau wie es hier steht.
Aber sie waren ohne Beziehung zum Messias. Wie bei der Ehe von Gomer und Hosea: Es ist zwar eine Beziehung da, aber keine Ehe mit ehelicher Gemeinschaft. Das ist keine Ehe, das ist gegen Gottes Wort.
Die Bibel sagt ganz klar, dass die eheliche Gemeinschaft ausgelebt werden muss, nach 1. Korinther 7. Das ist Gottes Wille und ganz normal.
Es war also eine ganz eigenartige Beziehung: Eine Beziehung, aber keine Gemeinschaft. Dann kommt Vers 5. Wer liest? „Danach werden die Kinder Israels umkehren und den Herrn, ihren Gott, und David, ihren König, suchen, und sie werden sich bebend zu dem Herrn und zu seiner Güte flüchten am Ende der Zeit.“
Man kann übersetzen: Danach werden die Kinder Israels umkehren oder zurückkehren. Das heißt, sie kehren zurück in ihr Land nach dieser langen Zeit der Staatenlosigkeit und suchen den Herrn, ihren Gott, die Gemeinschaft mit Gott, und David, ihren König.
In den rabbinischen Kommentaren im Mittelalter, zum Beispiel im Mezudat David – einem Kommentar, der in allen Rabbinerbibeln enthalten ist – wird erklärt, dass David, ihr König, der König Maschiach, also der Messias, ist.
Haben Sie verstanden? David, ihr König, meint den Messias. Es wird eine lange Zeit der Staatenlosigkeit geben, der Götzendienst wird abgelehnt, aber sie haben ein Problem mit dem Messias.
Erst in der Zeit, wenn sie heimkehren ins Land der Väter, werden sie beginnen, David, ihren König, den Messias, zu suchen.
Interessanterweise kamen durch die Jahrhunderte hindurch nur wenige Juden zum Glauben. Die Wende kam im 19. Jahrhundert, als Abertausende sich bekehrten. Heute rechnet man weltweit mit etwa 400.000 bis 500.000 jüdischen Gläubigen, die an Jesus Christus als den Messias glauben.
Der Prozentsatz der Juden, die heute zum Glauben an Jesus Christus kommen, ist höher als der Prozentsatz der Deutschen oder Schweizer, die heute zum Glauben kommen.
Ganz eindrücklich sieht man hier bereits die Anfänge, wie sie umkehren und den Herrn, ihren Gott, sowie den Messias suchen.
Das heißt, wenn sie erst in der Endzeit zurückkehren und den Messias suchen, dann hatten sie in der Zeit der Staatenlosigkeit ein Problem mit dem Messias. Genau wie diese sterile Ehe zwischen Gomer und Hosea: Sie sind zwar zusammen, aber überhaupt nicht wirklich zusammen.
Der Text sagt, dass dies nur für eine gewisse Zeit so sein wird, so wie es bei Hosea nur eine festgelegte Zeit war. Dann sollte die Ehe wiederhergestellt werden, genauso wird es mit dem Volk Israel sein.
Nun haben wir noch einen zeitlichen Hinweis, wann das geschehen soll. Was sagt der Text? „Am Ende der Tage.“
Es gibt viele Ausdrücke für die Endzeit in der Bibel: am Ende der Tage, am Ende der Zeit, in den letzten Tagen, am Ende der Jahre und so weiter. Das sind alles Variationen zum gleichen Thema: Endzeit.
Das ist nie der Weltuntergang. Das Thema „2012 Weltuntergang“ ist kein Thema für Christen, das ist Unsinn.
Wenn die Bibel von der Endzeit spricht, bedeutet das nicht Weltuntergang, sondern das Ende dieser langen Zeit zwischen dem ersten Kommen des Herrn Jesus und seinem zweiten Kommen.
Wir sehen daraus, dass wir tatsächlich in der Epoche leben, in der Jesus Christus wiederkommen wird. Das ist dann, wenn das jüdische Volk zurückkehrt ins Land der Väter und beginnt, David, ihren König, zu suchen.
Interessanterweise hat Hosea zuerst Gomer gekauft, dann kam diese längere Epoche, in der sie nicht wirklich zusammen waren und keine eheliche Gemeinschaft hatten.
Der Herr Jesus kam vor zweitausend Jahren. Am Kreuz hat er als Stellvertreter gelitten und den Preis bezahlt, um alle zu retten, die an ihn glauben, eben auch Israel.
Aber zuerst kam diese lange Zeit der Staatenlosigkeit, und erst am Schluss die Rückkehr ins Land.
So ist die Parallele bis ins Detail gegeben zwischen der Ehe von Hosea und Gomer und der Geschichte Israels, der Geschichte der Juden in den vergangenen zweitausend Jahren.
Abschließende Gedanken zur Endzeit und Gebet
Ja, also eben so kurz, weil die Zeit vorbei ist. Es gibt einen Kalender der Maya-Indianer, der nach gewisser Lesart im Jahr 2012 enden würde. Aber es gibt andere Spezialisten, die sagen, dass dies eine falsche Auffassung des Textes ist. Der Kalender dauert noch viel, viel länger.
Daraus wurde dann geschlossen: Ja, seht ihr, der Maya-Kalender hört auf, folglich wird die Welt 2012 enden. Es ist erstaunlich, womit man da in der Hand hat – überhaupt nichts. Es wird einfach gesagt, ein Kalender hört auf, also endet die Welt.
Das reicht jedoch aus, um Filme zu produzieren, die weltweit Aufsehen erregen zum Thema Weltuntergang. Wenn man aber sieht, was die biblische Prophetie betrifft – ich habe das schon so oft wiederholt, dass es manchen vielleicht lästig ist – allein seit die Juden begonnen haben, zurückzukehren, 1882 bis heute, können wir nachweisen, wie etwa 180 Prophezeiungen über die Endzeit erfüllt wurden.
Und wo sprechen die Medien davon? Kein Wort! Aber das sind Fakten. Das sind 180 so präzise Einzelheiten, und alle in derselben Epoche. Man kann mit Wahrscheinlichkeit zeigen, dass es unmöglich ist, dass so etwas zufällig geschehen würde. Und das sind Fakten.
Darum müssen wir diese Dinge verbreiten. Die Leute müssen das kennen, sie müssen es hören. Das ist natürlich eine Gelegenheit, an diesem Thema Weltuntergang anzuknüpfen und dann zu erklären: Nein, wir glauben nicht an den Weltuntergang. Wir sind auch nicht diejenigen, die Angst vor der Zukunft haben.
Herr Jesus sagt im Blick auf seine Zeichen des Endes, die er ankündigt in Lukas 21: Wenn ihr seht, wie diese Dinge anfangen zu geschehen, so hebt eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht. Also nicht in Depression und Traurigkeit oder Angst verfallen, sondern die Häupter erheben.
Wir sind Menschen, die Hoffnung haben, und diese Hoffnung müssen wir verbreiten, weil es eine begründete Hoffnung ist.
Ja, dann wollen wir noch zum Schluss beten.
Herr Jesus, wir möchten dir danken, dass du vor über zweitausend Jahren gekommen bist, um uns zu retten. Weil wir uns selbst nicht erlösen konnten, bist du in den Riss getreten.
Wir möchten dir danken, dass du dieses Opfer auf Golgatha vollbracht hast für jeden, der an dich glaubt und mit seiner Schuld zu dir kommt. Danke, dass wir im Alten Testament so viele Hinweise auf dich und dein Werk finden und dass wir auch sehen dürfen, wie sich das prophetische Wort der Bibel bis zum heutigen Tag erfüllt.
So können wir erkennen, dass es nicht Menschenwort, sondern wirklich Gottes Wort ist.
Und so möchten wir uns jetzt auch dir anbefohlen und deiner Gnade für die weitere Zeit anvertrauen. Amen.