Einführung in die Betrachtung von Jesaja 52,13 und Jesaja 53
Heute kommen wir in unserer fortlaufenden Betrachtung des Buches Jesaja zu Kapitel 52, Vers 13. Dort beginnt eigentlich das berühmte Kapitel Jesaja 53. Die Kapiteleinteilung ist ja eine spätere Hinzufügung. Sie dient als praktische Hilfe, um Bibelstellen zu finden, hat aber mit dem inspirierten Bibeltext nichts zu tun.
Meistens sind die Kapiteleinteilungen recht gut, manchmal aber auch ein bisschen daneben, wie gerade hier. Es wäre schöner, wenn dieser neue Abschnitt über den Messias, den leidenden Messias, erst mit Jesaja 53,1 beginnen würde. Aber man muss sich jetzt eben merken, dass er schon in Kapitel 52, Vers 13 anfängt.
Ich lese: „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln, er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein. Gleichwie sich viele über ihn entsetzt haben, so entstellt war sein Aussehen mehr als irgendeines Mannes und seine Gestalt mehr als der Menschenkinder. Ebenso wird er viele Nationen in Staunen versetzen, über ihn werden Könige ihren Mund verschließen, denn sie werden sehen, was ihnen nicht erzählt worden war, und was sie nicht gehört hatten, werden sie wahrnehmen.“
Zunächst mal bis hierhin. Man hat dieses Kapitel über den leidenden Messias auch schon das Evangelium nach Jesaja genannt, weil hier die frohe Botschaft alttestamentlich so wunderbar, so kompakt und so deutlich vorgezeichnet wird.
Dieses Gedicht Jesaja ist ja praktisch alles in Poesieform. Dieses Gedicht über den Knecht Gottes gehört in die Serie von Gottesknechtgedichten. Wir haben bereits Kapitel 42 betrachtet, dort beginnt es mit diesen messianischen Gottesknechtgedichten. Wir haben Kapitel 49 gesehen und auch Kapitel 50. Jetzt kommt das vierte Gottesknechtgedicht, das eben Jesaja 53 ist.
Die Echtheit und Bedeutung von Jesaja 53 im historischen Kontext
Ich habe das im Vortrag heute Morgen bereits erwähnt: Zur Echtheit des Jesaja-Buchs können wir die vollständige Jesaja-Rolle heranziehen. Diese wurde in der Höhle Nummer eins in Qumran gefunden. Dort entdeckte man zwischen 1947 und 1956 in insgesamt elf Höhlen Handschriften des Alten Testaments. Einige dieser Schriften stammen teilweise aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Die ältesten und die jüngsten Manuskripte datieren aus dem ersten Jahrhundert nach Christus.
Die Jesaja-Rolle konnte anhand der hebräischen Buchstaben datiert werden. Man kennt die Entwicklung der Buchstabenformen über die Jahrhunderte und sogar über Jahrzehnte hinweg. So ließ sich durch paläographische Untersuchungen feststellen, dass diese Rolle aus der Zeit um circa 125 v. Chr. stammt. Eine Untersuchung mit der C-14-Methode, durchgeführt von der ETH Zürich, ergab einen Zeitraum von ungefähr 200 bis 100 vor Christus. Diese zwei völlig verschiedenen Datierungsmethoden stimmen somit überein.
Daraus folgt, dass dieses Kapitel eindeutig vor der Geburt Christi geschrieben wurde. Wir besitzen eine Abschrift der Jesaja-Rolle. Das Original stammt aus der Zeit um 700 vor Christus, aber wir haben eine Abschrift aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Auch die Prophetie über den leitenden Messias ist darin vollständig enthalten; alle Verse sind erhalten.
Besonders interessant ist die Zeile in Jesaja 52,13. In der Jesaja-Rolle gibt es keine Vers- oder Kapitelzählung, diese wurde erst später hinzugefügt. Die erste Zeile „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln“ beginnt auf einer neuen Kolonne ganz oben.
Weiterhin ist zu erwähnen, dass das Alte Testament im dritten Jahrhundert vor Christus ins Griechische übersetzt wurde. Diese sogenannte Septuaginta-Übersetzung entstand in Ägypten durch verschiedene Übersetzer. Es existieren auch Handschriften der Septuaginta, die bis in die vorchristliche Zeit zurückreichen.
Im Buch Jesus Sirach, einer jüdischen Schrift aus der Zeit vor der Geburt Christi, wird das Alte Testament erwähnt. Im Judentum wurde diese Schrift nie als Teil der Bibel betrachtet. Erst die katholische Kirche nahm sie offiziell durch das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert in die katholische Bibel als Heilige Schrift auf.
Jesus Sirach ist eine jüdische Schrift, geschrieben von einem Rabbiner, der seine Weisheit durch das Bibellesen zusammengestellt hat. Sein Enkel übersetzte diese Schrift vom Hebräischen ins Griechische. Im Vorwort zu dieser Übersetzung schreibt er, dass es allgemein so sei, dass eine Übersetzung aus dem Hebräischen in eine andere Sprache anders klinge. Das gelte nicht nur für das Gesetz, die Propheten und die übrigen Schriften, sondern auch für dieses Buch.
Im Prolog erwähnt er also, dass das gesamte Alte Testament bereits auf Griechisch übersetzt worden war. Dieser Prolog von Jesus Sirach stammt eindeutig aus vorchristlicher Zeit. Somit ist auch die Existenz der griechischen Übersetzung des Alten Testaments ein Beleg dafür, dass das gesamte Alte Testament bereits in vorchristlicher Zeit existierte. Und da es sich dabei um eine Übersetzung handelt, ist das Original selbst noch älter.
Jesaja 53 im Neuen Testament und im antiken Judentum
Jesaja 53 wird immer wieder im Neuen Testament erwähnt. Zum Beispiel zitiert Matthäus in Kapitel 8, Vers 17 daraus. Wir werden später noch darauf zu sprechen kommen. Auch der Apostel Johannes zitiert Jesaja 53 in Johannes 12,38.
Lukas erwähnt Jesaja 53 im Zusammenhang mit dem Bericht über den Kanzler von Äthiopien. Dieser hatte eine griechische Jesajarolle gekauft und las daraus auf der Heimkehr von Jerusalem nach Afrika, genauer gesagt in den Sudan. Er stammte aus dem sudanesischen Königreich der Kandadze. Die Kandadzes waren Königinnen im heutigen Sudan, die übrigens als sehr dick und beleibt bekannt waren. Die gesamte Oberschicht dort war korpulent, was ihren hohen sozialen Stand anzeigte, da sie genug zu essen hatten.
Dieser Finanzminister, der Kanzler, las ausgerechnet gerade in Jesaja 53, als der Evangelist Philippus ihm begegnete. Philippus fragte ihn: „Verstehst du, was du liest?“ Er antwortete: „Wie soll ich es verstehen, wenn mich niemand anleitet?“ Daraufhin stieg Philippus zu ihm auf den Wagen, setzte sich zu ihm und erklärte ihm das ganze Evangelium anhand von Jesaja 53. So kam dieser Afrikaner im ersten Jahrhundert durch Jesaja 53 zum Glauben.
Weitere Zitate aus Jesaja 53 finden sich in Römer 10,16, 15,21 und auch schön in 1. Petrus 2,22, wo Petrus über die Leiden des Herrn spricht und daraus zitiert.
Das Neue Testament macht ganz klar deutlich: Dieses Kapitel spricht von dem leidenden Messias. Dieser leidende Messias ist der Herr Jesus Christus, der für unsere Sünden gestorben ist – genauso, wie es hier prophezeit wurde.
Nun ist es aber sehr wichtig, dass man ein messianisches Verständnis dieser Stelle auch im antiken Judentum nachweisen kann. Das Judentum hat dieses Kapitel ebenfalls so verstanden, dass hier vom Messias die Rede ist. Das zeigt, dass man schon vor der Erfüllung erkennen konnte, dass es sich um eine messianische Prophezeiung handelt und dass der Messias sterben würde.
Damit kann man besonders den liberalen Theologen den Wind aus den Segeln nehmen, wenn sie behaupten, Jesaja 53 sei eine nachträgliche christliche Interpretation. Was bedeutet „nachträgliche Interpretation“? Im Judentum war klar, dass dieses Kapitel vom Messias spricht. Und Jesus Christus hat genau das erfüllt, was in diesem Kapitel steht. Das lässt sich auch belegen.
Messianisches Verständnis im Talmud und rabbinischer Literatur
Es handelt sich also nicht um eine nachträgliche Interpretation, sondern das konnte bereits im Voraus verstanden werden.
Im babylonischen Talmud – es gibt ja zwei Talmudausgaben, den babylonischen und den Jerusalemer Talmud – ist die Mischna, das heißt der ursprüngliche und älteste Teil des Talmuds, in beiden Ausgaben gleich. Sowohl im Jerusalemer als auch im babylonischen Talmud ist die Mischna identisch. Die Gemara, ein Kommentar zur Mischna, stammt aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. Die Gemara selbst wurde im dritten, vierten und fünften Jahrhundert verfasst und unterscheidet sich im babylonischen Talmud von der im Jerusalemer Talmud.
Im Judentum gilt jedoch der babylonische Talmud als der verbindliche Talmud für alle orthodoxen Juden. Dort, im Traktat Sanhedrin 98b, wird die Frage gestellt: „Was ist der Name des Messias?“ Es werden verschiedene Namen des Messias genannt, und einer davon ist „der Nagua“, der Geschlagene. Dabei wird auf Jesaja 53,4 verwiesen: „Fürwahr, er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen. Und wir hielten ihn für bestraft, Nagua, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen.“
Der Ausdruck „Nagua“ aus Jesaja 53,4 wird also als Name für den Messias verwendet. Das zeigt deutlich, dass das antike orthodoxe Judentum Jesaja 53 als eine Messiasstelle verstand.
Es gibt viele weitere Stellen aus der rabbinischen Literatur, die dasselbe bezeugen. So wird im Buch „Besigta Rabbati“ (Bissek 37) gelehrt, im Midrasch Rut Rabba zu Rut 2,12. Auch der große und berühmte Rabbiner aus dem Mittelalter, Abrabanel, hat Jesaja 53 so erklärt.
Rabbi Al-Schesch schrieb im 16. Jahrhundert über Jesaja 53: „Unsere alten Rabbinen haben auf das Zeugnis der Tradition hin angenommen, dass hier die Rede von König Messias sei, Melech Maschiach. Daraus nehmen auch wir ihnen folgend an, dass das Subjekt dieser Weissagung David, das ist der Messias, sein müsse, wie dies offenbar ist.“ Dieses Zitat stammt aus der deutschen Übersetzung von Abraham Meister über den Messias.
Weiterhin findet sich im Midrasch Danchuma, vermutlich aus dem neunten Jahrhundert, zu dem Satz „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln“ die Erklärung: „Dies ist der König Messias, Melech Maschiach, welcher hoch und erhöht und sehr erhaben ist, erhabener als Abraham, erhöht über Moses, höher als die dienenden Engel.“ Auch dieses Zitat stammt aus der deutschen Version von Abraham Meister.
Beim Lesen dieses Midrasch Danchuma hat man den Eindruck, dass hier genau das gesagt wird, was im Hebräerbrief steht. Im Hebräerbrief wird im Kapitel 1 gezeigt, dass der Herr Jesus über alle Engel erhaben ist. Außerdem wird erklärt, dass er größer ist als Moses, größer als Aaron und größer als Josua – ähnlich wie hier: „Dies ist der König Messias, welcher hoch und erhöht und sehr erhaben ist, erhabener als Abraham, erhöht über Moses“ (vgl. Hebräer 3), „höher als die dienenden Engel“ (vgl. Hebräer 1).
Nicht zuletzt ist der Targum Jonathan ben Uzziel zu erwähnen. Im Judentum sprach man schon in vorchristlicher Zeit, je nach Ort, nicht mehr so gut Hebräisch, sondern eher Aramäisch. In der Synagoge wurde deshalb der hebräische Text vorgelesen und jeweils spontan ad hoc ins Aramäische übersetzt. Später wurden diese Übersetzungen aufgeschrieben.
In jeder Rabbinerbibel – so nennt man Bibeln mit dem hebräischen Alten Testament, mehreren Targum-Übersetzungen und verschiedenen Kommentaren, zum Beispiel von Raschi oder Abrabanel – sind diese aramäischen Übersetzungen enthalten. Diese sind jedoch keine wörtlichen Übersetzungen, sondern Umschreibungen mit Kommentar. Für die wörtliche Lesung nutzt man den hebräischen Grundtext.
Im Targum Jonathan ben Uzziel steht zu Jesaja 53: „Siehe, mein Knecht, Meschicha.“ Dabei wird das aramäische Wort „der Messias“ eingefügt. Damit wird klar: Im Judentum war es offensichtlich, dass dieser Knecht Gottes der Messias ist.
Die Auslassung von Jesaja 53 in der Synagogenlesung und die mittelalterliche Umdeutung
Nun ist es so, dass im Haftara-Verzeichnis, das für Synagogen weltweit gilt, Jesaja 53 fehlt. Das ist nicht weiter überraschend, denn in diesem Verzeichnis ist das Jahr so eingeteilt, dass alle Kapitel der fünf Bücher Mose drankommen. Nach einem Jahr beginnt man wieder mit 1. Mose 1, Vers 1 und liest dann mit allen Sabbatlesungen das Jahr über erneut die fünf Bücher Mose.
Zu dieser Tora- beziehungsweise Gesetzeslesung kommt immer eine Prophetenlesung hinzu. Für jeden Sabbat sind genau festgelegte Kapitel aus den Propheten vorgesehen. Dabei liest man im Jahresverlauf nie die gesamten Propheten, sondern nur ausgewählte Kapitel. Jesaja 53 gehört nicht zu diesen ausgewählten Kapiteln, ebenso wie viele andere Kapitel. Sie sind einfach nicht enthalten.
Daraus wird klar, warum ein normaler orthodoxer Jude im Synagogengottesdienst nie etwas über Jesaja 53 erfährt und dieses Kapitel durch den Gottesdienst nicht erkennt. Nur Juden, die zu Hause Bibelstudium betreiben und das gesamte Alte Testament lesen, kommen mit diesem Kapitel in Berührung. Der durchschnittliche orthodoxe Jude kennt dieses Kapitel nicht.
Deshalb ist es wichtig, auf Jesaja 53 hinzuweisen und auch darauf, dass die alten Rabbiner dieses Kapitel ähnlich verstanden haben wie die Christen – nämlich als eine Prophezeiung über den Messias. In der heutigen Diskussion trifft man dann auf die jüdische Umdeutung. Der Durchschnittsjude geht zum Rabbiner, und der erklärt ihm: Nein, das bedeutet nicht der Messias. Der Knecht des Herrn ist hier das Volk Israel oder ein Teil davon. Über das Volk Israel seien solche Leiden gekommen, wie sie in Jesaja 53 beschrieben sind.
Diese Umdeutung entstand im Mittelalter. Rabbiner wie Raschi oder Abrabanel, die bedeutenden Schriftausleger im orthodoxen Judentum, geben zu, dass sie die Interpretation gegenüber den frühen Rabbinern verändert haben. Deshalb ist es in Diskussionen wichtig, dies erklären zu können. Die alten Rabbiner und auch Jesaja 53 im Talmud, Sanhedrin 98b, machen jedoch klar: Das ist der Messias.
Man begann erst später, diese Stelle umzudeuten, um das starke Argument in der Judenmission zu schwächen, dass Jesus Christus der verheißene Messias sei. Die Antwort lautet dann: Nein, nein, das ist das Volk Israel. Diese Erklärung kann man geben, doch sie ist eigentlich völlig unhaltbar.
Wann hat das Volk Israel oder ein Teil davon für die Sünden anderer gelitten? In Jesaja 53,4, 5, 6, 8, 10, 11 und 12 geht es darum, dass dieser leidende Knecht nicht wegen seiner eigenen Sünden leidet, sondern für die Sünden anderer.
Nicht einmal gerechte Menschen wie Noah, Daniel und Hiob hätten dies tun können, wie Hesekiel 14,12-20 zeigt. Dort steht: Wenn Gott das Gericht über ein Land bringt und diese drei gerechten Menschen – Noah, Daniel und Hiob – in diesem Land leben, könnten sie durch ihre Gerechtigkeit nicht die anderen retten. Sie kämen nur selbst davon. Gott würde sie verschonen, aber keine Stellvertretung leisten.
Wie kann man also das Volk Israel als Durchschnittsvolk höher stellen als Noah, Daniel und Hiob? Weiter müsste man fragen: Kann von irgendeinem Juden, außer vom Messias, gesagt werden, dass er kein Unrecht begangen hat und kein Trug in seinem Mund war? Jesaja 53,9 sagt: Wer abstreitet, nur die Wahrheit gesagt zu haben, ist ein Lügner. So steht es auch in den Psalmen: Alle Menschen sind Lügner.
Wann befand sich das Volk Israel oder ein Teil davon im Grab eines Reichen, statt im Grab bei Gesetzlosen? In Jesaja 53,9 heißt es, der Knecht habe sein Grab bei Gesetzlosen gefunden, doch in seinem Tod sei er bei einem Reichen gewesen, weil er kein Unrecht begangen hat und kein Trug in seinem Mund war. Das passt überhaupt nicht zur Vorstellung vom Volk Israel.
Schließlich sollte gemäß Vers 8 der Knecht des Herrn stellvertretend für das Volk Israel sterben. Am Schluss von Vers 8 heißt es: Wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen. Er ist nicht das Volk Gottes, mein Volk, sondern er leidet für das Volk Gottes. Es wird also ganz klar zwischen dem leidenden Knecht des Herrn und dem Volk Gottes unterschieden.
So lassen sich die Argumente klar widerlegen.
Jesaja 52,13: Der erhöhte Knecht und seine Weisheit
Und jetzt gehen wir der Reihe nach durch: Siehe, mein Knecht! Gott richtet also unser Interesse, unseren inneren Blick, auf seinen Sohn.
Wer in diese Welt gekommen ist, um ihm zu dienen, der sich selbst erniedrigt hat, um hier zu dienen – siehe, mein Knecht! Und dann sagt er, wird einsichtig handeln. Yaskil ist ein ganz interessantes, schönes Wort auf Hebräisch. Das Verb Hiskil bedeutet einsichtig sein, zweitens einsichtig handeln und drittens einsichtig machen.
Also beschreibt es den Herrn Jesus als den Weisen. Dabei wird auch gleich deutlich: Biblische Weisheit ist keine theoretische Sache, die mit dem Leben nichts zu tun hat. Denn dasselbe Wort „einsichtig sein“ bedeutet auch „einsichtig handeln“.
So gehört in der Bibel wahre Weisheit immer zusammen mit dem, wie wir leben. Das können wir nicht voneinander trennen. Wenn man es trennt, dann ist es falsche Erkenntnis.
In 1. Korinther 8,1 sagt Paulus: Wenn jemand meint, er hätte etwas erkannt, und er sagt dort auch, Erkenntnis bläht auf. Das ist eben diese falsche Erkenntnis, die rein intellektuell ist und mit unserem Leben nichts zu tun hat. Das ist auch die Weisheit, die unser Schulsystem und unsere Universitäten kennzeichnet.
Da kann jemand viel wissen, aber moralisch im privaten Leben tief im Sumpf stecken. Das ist kein Widerspruch für unser Bildungssystem. Es gehört dort nicht mehr zusammen, wie einer lebt und was einer lehrt.
Aber in der Bibel sind diese beiden Dinge untrennbar verbunden. Das, was wir glauben, muss sich in unserem Leben auswirken. Dann ist es nicht Erkenntnis, die stolz macht, sondern Erkenntnis, die demütig macht.
Ein dritter Punkt ist: Einsichtig machen. So ist es schön zu sehen, was Lukas, der das Lukas-Evangelium geschrieben hat, aber auch die Apostelgeschichte, am Anfang der Apostelgeschichte schreibt:
Vers 1: „Den ersten Bericht habe ich verfasst, o Theophilus, von allem, was Jesus anfing, sowohl zu tun als auch zu lehren, bis zu dem Tag, an welchem er aufgenommen wurde.“
Lukas fasst sein Evangelium zusammen: „Ich habe dir alles beschrieben, was Jesus anfing zu tun und auch zu lehren.“ Dadurch hat er andere einsichtig gemacht.
Also nochmals: Siehe, mein Knecht wird einsichtig sein, oder mein Knecht wird einsichtig handeln, oder mein Knecht wird einsichtig machen.
Dann folgen drei Stufen: Er wird erhoben, erhöht werden und sehr hoch sein.
Wir haben gesehen, der Midrasch Chuma hat diesen Vers in Verbindung gebracht damit, dass eben der Herr Jesus, ich sage jetzt so, der Messias, die höchste Stellung einnimmt – über Abraham, über Mose, über die Engel.
Diese drei Stufen haben eine Bedeutung: Erhoben bezieht sich auf seine Auferstehung am dritten Tag aus dem Grab. Erhöht werden bezieht sich auf die Himmelfahrt vierzig Tage später (Apostelgeschichte 1). Sehr hoch sein bezieht sich auf sein Sitzen zur Rechten Gottes.
Er kam in die himmlische Herrlichkeit, und Gott, der Vater, sagt ihm: „Setze dich zu meiner Rechten, bis dass ich deine Feinde lege als Schemel deiner Füße“ (Psalm 110,1).
Das wird in Hebräer 6 direkt auf den Herrn Jesus bezogen, als er als der Auferstandene in die himmlische Herrlichkeit kam. So hat der Herr Jesus den höchsten Platz eingenommen als Mensch auf Gottes Thron zu seiner Rechten – sehr hoch sein.
Diese drei Erhöhungen finden wir in den Evangelien nur im Markus-Evangelium. Im Matthäusevangelium finden wir die Auferstehung, aber nicht die Himmelfahrt und nicht das Sitzen zur Rechten Gottes. Ebenso finden wir das im Johannesevangelium nicht. Im Lukas-Evangelium finden wir am Schluss auch noch die Himmelfahrt, aber im Markus-Evangelium finden wir alle drei Stufen.
Ich lese aus Markus 16,6: Da kommen die Frauen zum Grab, und in Vers 6 steht vom Engel: „Er aber spricht zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten.“ Das ist die Auferstehung.
Dann finden wir in Kapitel 16, Vers 19: „Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen.“ Das ist die Himmelfahrt.
Und schließlich: „Und setzte sich zur Rechten Gottes. Jene aber gingen aus und predigten überall, indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen.“
Hier im Markus-Evangelium haben wir alle drei Stufen, und das ist interessant, weil das Markus-Evangelium den Herrn Jesus als den Knecht Gottes darstellt.
Im Matthäusevangelium wird der Akzent gelegt: Er ist der König. In Markus – als Kontrast – ist er der Knecht. In Lukas wird seine Menschheit betont, und im Johannesevangelium seine Gottheit.
Ausgerechnet in dem Evangelium, wo der Knecht beschrieben wird – wo wir den Titel setzen könnten: Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln – finden wir am Schluss, wie Gott, weil der Knecht sich so tief erniedrigt hat bis zum Tod am Kreuz, ihn erhöht aus dem Grab, in der Himmelfahrt und er setzt sich zur Rechten Gottes.
Nur im Markus-Evangelium, das passt genau zum Charakter des Evangeliums. Interessanterweise wird Jesus dort, obwohl normalerweise im Markus-Evangelium Jesus Jesus genannt wird, am Schluss als Herr bezeichnet.
Vers 19: „Der Herr nun wurde, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen.“ Und Vers 20: „Jene aber gingen aus und predigten überall, in dem der Herr mitwirkte.“
Der Knecht, der sich selbst erniedrigt hat, erlebt, was der Herr Jesus in Matthäus 23 als Grundsatz aufstellt: Wer sich erhöht, wird erniedrigt werden. Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. So bekommt er diesen Namen über alle Namen: Herr.
Das passt genau zum Charakter des Markus-Evangeliums. Obwohl er Herr auf dem Thron ist, hört der vollkommene Diener nicht auf zu dienen.
Der Vers: Das Evangelium endet mit den Worten: „Jene aber gingen aus und predigten allen Völkern.“ Die Nachfolger werden jetzt auch Knechte hier auf Erden. Aber indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen, dient der vollkommene Knecht weiter – indem er durch die Diener auf der Erde dient.
Es ist bekannt, dass viele Ausleger behaupten, Markus 16, ab Vers 9 bis 20 sei nicht original, nicht von Markus. Und es gibt diese üble Bemerkung in manchen Bibelausgaben, dass in gewissen Handschriften diese Verse fehlen.
Ja, in ganz wenigen Handschriften fehlen sie. Der Mehrheitstext bezeugt aber ganz klar die Echtheit dieser Verse.
Dazu kommt, dass der Charakter dieser Verse genau dem Charakter des Markus-Evangeliums entspricht. Das ist ein internes, sehr wichtiges Argument für die Echtheit dieser Verse.
Natürlich kann man dann schlaue Leute finden, die sagen: „Ja, wir haben das Vokabular untersucht und festgestellt, in diesen Versen 9 bis 20 finden sich 17 Wörter, die man nur da in Markus findet.“ Also das Vokabular zeige, dass ein anderer Autor am Werk war.
Man muss aber aufpassen, sich von solchen Argumenten nicht beeindrucken zu lassen. Einer, der noch schlauer war, hat sich gesagt: „So, und jetzt schaue ich mir die gleich vielen Verse vorher an, ab 15,44 bis 16,8, die sind ja echt.“
Und was findet er? Er findet auch 17 Wörter, die man nur hier in Markus findet.
So darf man sich nicht beeindrucken lassen. Ja, das war ein kleiner Exkurs.
Jesaja 52,14-15: Die Leiden und die Wirkung des Messias
Wir gehen zurück zu Jesaja 53 beziehungsweise Jesaja 52, Vers 14. Bevor der Heilige Geist als Geist der Prophetie durch Jesaja die tiefsten und schrecklichsten Leiden des Messias beschreibt, fasst er in Vers 13 den Triumph und das Endergebnis zusammen: Auferstehung, Himmelfahrt und Sitzen zur Rechten Gottes.
Aber dann kommen die Leiden, und es heißt: „Gleich wie sich viele über dich entsetzt haben.“ So entstellt war sein Aussehen, mehr als irgendeines Mannes, und seine Gestalt mehr als der Menschenkinder. Hier wird von dem von Menschen misshandelten Messias gesprochen.
Der Rücken des Herrn Jesus wurde in eine blutige Masse verwandelt und sein Fleisch zerstückelt, als Pilatus ihn geißeln ließ. Man muss wissen, dass diese Geißelung, die in Johannes 19,1 beschrieben wird, bei den alten Römern eine Geißelung mit Lederriemen war. An deren Ende waren normalerweise Spitzen, Metalle, Steine oder Haken angebracht, die den ganzen Rücken aufrissen.
Auf sein Haupt wurde eine Dornenkrone gesetzt, mit Dornen, deren Länge etwa fünf bis acht Zentimeter betragen konnte. So floss sein Blut in Rinnsalen über seine Haare und über sein Angesicht. Johannes 19, Vers 2 beschreibt das nicht so im Detail, sondern einfach, dass sie ihm eine Dornenkrone aufsetzten. Aber hier wird uns gesagt, sein Aussehen war nicht mehr menschlich.
Vers 14 ist nämlich sehr schwierig, ganz wörtlich zu übersetzen. Wenn man es wörtlich übersetzen würde, wäre es gar nicht mehr verständlich auf Deutsch. Es heißt, so entstellt war sein Aussehen, weg von einem Mann, und seine Gestalt, weg von den Menschenkindern. Das will also sagen, sein Aussehen war nicht mehr menschlich – so schrecklich.
Die Botschaft von diesem misshandelten Messias sollte aber ausgebreitet werden, und das geht gleich weiter in Vers 15. Ebenso wird er viele Nationen in Staunen setzen, und über ihn werden Könige ihren Mund verschließen. Denn sie werden sehen, was ihnen nicht erzählt worden war, und was sie nicht gehört hatten, werden sie wahrnehmen.
Hier wird also um etwa 700 vor Christus gesagt: Der Messias wird zwar nicht mehr menschlich aussehen, so entstellt werden, aber die Botschaft von ihm wird dann zu den Nationen, zu den heidnischen Völkern gebracht werden und wird enorme Reaktionen auslösen. So werden Könige ihren Mund verschließen, wenn sie diese Botschaft hören.
Es wird also missioniert werden von diesem Messias zu Leuten, die nie etwas davon gehört haben. Denn sie werden sehen, was ihnen nicht erzählt worden war, und was sie nicht gehört hatten, werden sie wahrnehmen. Wenn man bedenkt, wie das Evangelium in den vergangenen 2000 Jahren in die ganze Welt, auf alle fünf Kontinente, ausgebreitet wurde – und das durch die Jahrhunderte hindurch – und wenn man an all diese mittelalterlichen Fürsten und Könige denkt, die wirklich beeindruckt waren von der Botschaft des Gekreuzigten, dann hat diese Aussage schon unerhörtes Gewicht.
Hier wird angedeutet, dass die Heidenvölker sich für die Botschaft des Gekreuzigten interessieren werden und so beeindruckt sein werden, dass sie schweigen – ihren Mund verschließen vor dieser Botschaft.
Wenn da so steht von Königen, die ihren Mund verschließen werden, denke ich gerne an eine Episode: Als Händel sein wunderschönes Oratorium „Der Messias“ vertont hatte – das geschah ja in der sagenhaften Zeit von zwei Wochen – könnte man schließen, dass er in dieser Zeit im Zusammenhang mit dem Messias zur Bekehrung gekommen ist.
Als dann die Uraufführung kam und das große Halleluja gesungen wurde, war es ganz spontan so, dass der König von England aufstand. Er war so überwältigt. Dann standen alle Leute auf, und seither ist es in England ganz normal, dass, wenn „Der Messias“ aufgeführt wird, alle bei dem großen Halleluja aufstehen – wie damals der König, der einfach schwieg, aber so beeindruckt war von der Botschaft des Messias und diesem Lob im Halleluja.
Wir gehen weiter zu … Nein, ich möchte noch zu Vers 15 aus Römer 15 ein ganz interessantes Zitat bringen. Der Apostel Paulus berichtet über seine Art zu missionieren und spricht dabei über seine Missionsarbeit unter den heidnischen Völkern.
Römer 15, Verse 15 bis 19: „In der Kraft der Zeichen und Wunder, in der Kraft des Geistes Gottes, so dass ich von Jerusalem an und ringsumher bis nach Illyrikum – also bis nach Jugoslawien – das Evangelium des Christus völlig verkündigt habe und mich also beeifere, das Evangelium zu predigen, nicht da, wo Christus der Messias genannt worden ist, auf dass ich nicht auf eines anderen Grund baue, sondern wie geschrieben steht.“
Und jetzt zitiert er aus Jesaja 52,15: „Denen, die nicht von ihm verkündigt wurden, sollen sehen, und die, die nicht gehört haben, sollen verstehen.“
Er nimmt gerade diese Stelle, um zu erklären, wer einen besonderen Auftrag hat, gerade diesen Volksgruppen das Evangelium zu bringen, die noch nie etwas gehört haben – die unerreichten Volksgruppen.
So ist das natürlich auch eine Stelle, die sehr ermutigend ist für die, die einen klaren Auftrag vom Herrn sehen, gerade unerreichte Stämme und Volksgruppen zu erreichen. Das liegt in diesem prophetischen Plan von Jesaja 52,15 schon begründet.
Jesaja 53,1-3: Die Ablehnung des Messias und seine verborgene Gestalt
Und jetzt kommen wir zu Kapitel 53.
Wer hat unserer Verkündigung geglaubt? Und wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden? Er ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht, und als wir ihn sahen, da hatte er kein Ansehen, dass wir seiner begehrt hätten. Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt. Er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet.
Jetzt haben wir gerade in Vers 15 gelesen, dass die Heiden, die Nationen, in Staunen versetzt werden, wenn sie die Botschaft des Gekreuzigten hören. Aber hier folgt eine Klage: Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden?
Das habe ich ja schon erwähnt: In Vers 38 wird aus Jesaja zitiert, und diese Stelle wird im Zusammenhang damit angeführt, dass Johannes sagt, wie eben viele im Volk Israel die Botschaft nicht angenommen hatten, sondern den Messias verworfen haben. Diese Stelle bezieht sich also auf den Unglauben nicht unter den Heiden, sondern im eigenen Volk, im Volk Gottes.
Und das ist ja ein Phänomen. Der Messias kam genau zur richtigen Zeit. Wir haben außerbiblische Zeugnisse bei Tacitus und bei Josephus Flavius, die belegen, dass im ersten Jahrhundert in Israel eine so aufgeheizte Erwartung herrschte: Jetzt kommt der Messias!
Das war, wie man auch aus diesen Zeugnissen entnehmen kann, aufgrund einer Prophetie in Daniel, Kapitel 9. Dort werden die Jahrwochen bis auf den Messias, einen Fürsten, berechnet. Wenn man diese berechnet, kommt man ins erste Jahrhundert nach Christus. So konnte man also berechnen, dass jetzt der Messias kommen muss.
Und gerade in dieser Stelle steht dann, dass er als Fürst kommt, aber dann ausgerottet werden wird und nichts haben wird. Danach würde das Volk des kommenden Fürsten kommen und die Stadt Jerusalem sowie den Tempel zerstören. Das hat sich im Jahr 70 so eindrücklich durch die Römer erfüllt.
Und trotzdem erkannte die Masse des eigenen Volkes den Messias nicht und lehnte ihn ab. Nur ein Überrest natürlich, und das waren im ersten Jahrhundert an Pfingsten allein schon dreitausend. Dann stieg die Zahl der Männer in den weiteren Kapiteln auf 5000 und später in der Apostelgeschichte Kapitel 21 wird von Zehntausenden, von Myriaden von Juden gesprochen, die glaubten.
Aber im Vergleich zu einem Volk, das damals ein Millionenvolk war – etwa drei Millionen oder noch mehr –, war das eben nur ein kleiner Überrest. Die Masse hat ihn nicht erkannt, und das wird hier geklagt: Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn, das heißt dieser rettende Arm Gottes, der schon damals mit ausgestrecktem Arm Israel aus Ägypten befreite und nun die Befreiung durch den Messias brachte, der am Kreuz für unsere Sünden sterben sollte, wer hat das erkannt, dass das Gottes Rettungswerk ist?
Dann wird erklärt: Er ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Hier wird der Messias mit einer Pflanze verglichen, die aus dem Boden herauswächst. Das weist darauf hin, dass der Messias eben als ganz normaler Mensch oder sagen wir „wie ein normaler Mensch“, also als wirklicher Mensch hier auf Erden, aufwachsen sollte.
Es ist sogar ein Wortspiel, denn das Wort für Reis hier heißt Yonek. Yonek bedeutet eben so einen Zweig, einen Reis, und gleichzeitig ist es auch das Wort für Säugling. Das liegt daran, dass Janak, die Wurzel, „saugen“ bedeutet. Es ist uns klar: Eine Pflanze saugt das Wasser aus dem Boden heraus, und ein Säugling saugt die Muttermilch aus der Mutterbrust. Darum wird das Wort Yonek sowohl für die Pflanze als auch für den Säugling benutzt.
Hier wird also der Messias mit einer Pflanze verglichen, und zwar mit dem Messias, der als wirklicher Mensch, als Säugling in den Armen von Maria aufwachsen sollte. Interessant ist, dass es heißt: „Und er ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen.“ Das heißt, von Anfang an in völliger Gemeinschaft mit Gott. Das könnte von keinem von uns gesagt werden. Wir sind ja alle als Sünder auf die Welt gekommen, ohne Gemeinschaft mit Gott.
Natürlich haben solche, die in gläubigen Familien aufgewachsen sind, das als kleine Kinder meist ganz selbstverständlich aufgenommen. Es war Gottes Wort, das sie von den Eltern gehört haben. Aber der Tag musste kommen, an dem wir uns wirklich bekehrt haben. Dann kam die wirkliche Gemeinschaft mit Gott.
Von dem Messias aber wird gesagt, dass er von Anfang an vor ihm, in völliger Gemeinschaft mit dem Vater, aufgeschossen ist. Dann heißt es: „Wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich.“ Das ist ein Kontrast, nicht wahr? Eine Pflanze, die gut aufwächst, wächst in einem gut bewässerten Boden. Aber das zeigt, dass der Herr Jesus in ein Volk hineingeboren wurde, das geistlich völlig ausgetrocknet war.
Das beschreibt den geistlich tiefen und fatalen Zustand Israels damals vor zweitausend Jahren. Das war auch der Grund, warum die Masse den Messias schließlich gar nicht angenommen hat. Es gab so viel Formalismus und äußere Frömmigkeit, Werkgerechtigkeit, eben völlig ausgetrocknet.
In dieser Situation ist er aufgewachsen. Dann wird erklärt: Er hatte keine Gestalt und keine Pracht, und als wir ihn sahen, da hatte er kein Ansehen, dass wir ihn begehrt hätten. Das hat nichts damit zu tun, wie der Herr Jesus als Mensch ausgesehen hat.
Er hatte keine Spuren der Sünde an sich und war darum auch nie krank. Es wäre eine völlig falsche Vorstellung, wenn man aufgrund dieser Stelle sagen würde, der Herr Jesus als Mensch hätte nicht schön ausgesehen.
Nein, aber die Menschen in Israel erwarteten den Messias als politischen Befreier, der das Joch der Römer abwerfen und sie in die Freiheit führen würde – oder eben zuerst in den Befreiungskampf gegen die Römer. Der Herr Jesus kam aber ganz anders.
So war das für viele genau das, was sie sich nicht gewünscht oder erwartet hatten: ein Messias, der in der Verborgenheit aufwächst, in einer bescheidenen Familie in Nazareth, einem verachteten Städtchen, wo es damals übrigens Leute gab, die in Höhlen wohnten.
Nazareth war wirklich nichts Eindrückliches. So kann man vielleicht nachempfinden, warum einer der späteren Jünger in Johannes 2 sagte: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Dort ist der Herr Jesus aufgewachsen und hat das Handwerk gelernt. Wir haben von Joseph erfahren, dass er Zimmermann war.
Dann hat Jesus begonnen zu predigen, aber es war alles so anders, als diejenigen erwartet hatten, die mit einem Freiheitskämpfer rechneten. So wird hier diese Verachtung ausgedrückt. Er hatte nicht diese königliche Gestalt, dieses Eindrückliche, dieses Imposante nach außen, das wir erwartet hatten.
Dann kommt Vers 3: „Er war verachtet und verlassen von den Menschen.“ Im Hebräischen heißt es „Ischim“. „Isch“ bedeutet Mann oder auch Mensch, und normalerweise ist die Pluralform „Anaschim“ oder „Isch Anaschim“. Hier steht die seltene Form „Ischim“, die speziell Hochgestellte, sozial Hochgestellte bezeichnet.
Dieser Vers drückt also aus, dass er verachtet und verlassen war von den Hochgestellten. Wir sehen in den Evangelien, dass gerade die Führerschaft Israels und viele aus den Sadduzäern und Pharisäern den Herrn Jesus besonders feindlich abgelehnt haben.
Das hat die Prophetie so erfüllt. Er wurde ein Mann, der Schmerzen und Leiden vertraut war, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt – verachtet, für nichts geachtet.
Das hat sich so eindrücklich erfüllt. Im orthodoxen Judentum ist es bis heute unter ganz Orthodoxen üblich, den Namen Jesus gar nicht in den Mund zu nehmen oder ihn „Jeschu“ zu nennen, statt „Jeshua“. „Jeshua“ ist die hebräische Aussprache für Jesus, griechisch ist die Aussprache „Jesus“.
„Jeschu“ bedeutet für sie eine Abkürzung: Jot, Shin und Waw, ausgesprochen als „Jeschu“. Das steht für „Jemache Shemo ve Usichrono“ – „Möge sein Name und sein Gedächtnis ausgelöscht werden“. Ein Fluch!
So hat sich diese Verachtung durch die Jahrhunderte hindurch erfüllt: Er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet.
Jesaja 53,4-6: Die stellvertretenden Leiden des Messias
Aber dann kommt die Einsicht: Vers 4 betont im Hebräischen besonders: Fürwahr, er – das ist hervorgehoben – hat unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt.
Doch es heißt: „Um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“ Hier wird gesagt: So war es. Wir haben ihn abgelehnt, aber in Wirklichkeit war er die Lösung unserer Probleme.
Unsere Vorstellung war völlig falsch. Wir hielten ihn für bestraft, geschlagen und niedergebeugt von Gott – im Hebräischen „Nagua“. Doch tatsächlich war alles wegen unserer Schuld. Wir sind die Schuldigen, er ist der Unschuldige.
Dieses Kapitel hat in den vergangenen zweitausend Jahren immer wieder eine Schlüsselrolle bei der Bekehrung von Juden gespielt. Heute, aktuell, weiß niemand die genaue Zahl. Man kann schätzen, dass es weltweit etwa eine halbe Million bekehrte Juden gibt. Das war in den früheren Jahrhunderten nie ein so hoher Prozentsatz.
Wenn man weltweit rechnet, gibt es etwa 14 Millionen Juden und eine halbe Million bekehrte Juden. Sehr viele haben sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren bekehrt. Man könnte sagen, die Bekehrungsrate unter Juden weltweit ist – ich spreche nicht von Israel, sondern weltweit – wohl höher als bei Schweizern und Deutschen.
Im frühen Jahrhundert war das ganz anders. Viele aus den heidnischen Völkern kamen zum Glauben und erkannten Jesus Christus als ihren Erlöser. Unter den Juden war das sehr schwierig, und es gab nur wenige, die sich bekehrten. Seit dem neunzehnten Jahrhundert gibt es jedoch eine Wende.
Wenn man bekehrte Juden fragt, wie sie zum Glauben gekommen sind, merkt man, dass Jesaja 53 in den meisten Fällen eine Schlüsselrolle gespielt hat. Aber wir dürfen nicht denken, dass Jesaja 53 nur für Judenmissionen benutzt wird.
In Apostelgeschichte 8 sehen wir, dass Jesaja 53 in der Afrikamission gebraucht wurde. Durch Jesaja 53 kam der Kanzler der Kandake aus dem Sudan, ein schwarzer Mann, zum Glauben. So sollten wir es auch für Europäer, Asiaten und Indianer verwenden – für alle!
Jesaja 53 berührt alle so tief. Ich erinnere mich, als ich dieses Kapitel einmal mit einem Juden aus Zürich-Enge durchgelesen habe. Später sagte er mir, dass ihm dieses Kapitel sehr nahegegangen sei. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie er es formulierte, aber es ging ihm tief unter die Haut und ins Herz.
Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er dieses Kapitel gelesen hatte – er kam aus einer orthodoxen Familie. Nur das Lesen dieses Kapitels hat eine so gewaltige Kraft. Darum empfehle ich, dieses Kapitel auswendig zu lernen. Wenn man es dann wieder ein bisschen vergessen hat, sollte man es erneut auswendig lernen, damit man es jederzeit bereit hat.
Dieses Kapitel geht einfach so direkt ins Herz. Es ist hier in der Vergangenheitsform formuliert: Vers 1 haben wir schon gesehen – er ist wie ein Reis –, dann Vers 3: Er war verachtet und verlassen, und schon in Vers 2 heißt es am Schluss: „Als wir ihn sahen, da hatte er kein Ansehen, dass wir ihn begehrt hätten“ usw.
Das ist genau so formuliert, wie ein Jude, der sich bekehrt, beten kann. Dann kann man sich eins machen mit diesem Text und sagen: Ja, das ist wirklich diese Not.
Vers 1: Wer hat unserer Verkündigung geglaubt? Das war die Not in den vergangenen Jahrhunderten, dass so wenig erkannt wurde. Aber jetzt ist uns klar: Er war verachtet und verlassen, und wir haben ihn verachtet.
Fürwahr, er hat unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen (Vers 4). Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen (Vers 5).
Jesaja 53,4-5: Unterschied zwischen Leiden und Sünde
Noch zu Vers 4: Dort wird nicht über Sünden gesprochen, sondern über Leiden. Wie war er? Er hat unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen.
Im ersten Vers 5 hingegen wird über Sünden gesprochen: „Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Missetaten willen zerschlagen.“ Das muss man unterscheiden. Der Heilige Geist erklärt uns selbst, wie man das verstehen muss.
In Matthäus 8 schreibt der Apostel in Vers 16: „Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm, und er trieb die Geister aus mit einem Wort, und er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch Jesaja den Propheten geredet ist, welcher spricht: Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten.“
Matthäus zitiert hier aus Jesaja 53,4. Er bezieht diesen Vers nicht auf das Kreuz, sondern auf das Leben des Herrn Jesus vor dem Kreuz. Es geht um den Umgang des Herrn Jesus mit den leidenden Menschen. Das Wort „tragen“ kann man im griechischen Text hier in Matthäus 8 sowohl physisch verstehen, also etwas auf dem Körper tragen, als auch im übertragenen Sinn, nämlich Lasten und Nöte anderer mitzutragen.
Das ist der Sinn hier: Der Herr Jesus sah die Menschen und nahm das Leiden der Menschen immer als Folge der Sünde und des Sündenfalles wahr. Er hat innerlich mitgetragen und mitgelitten für das, was die Menschen als Folge der Sünde empfinden. In diesem Sinn hat der Herr Jesus dieses innere Mittragen vollzogen und die Schwachheiten und Krankheiten auf sich genommen.
Dieser Vers besagt aber nicht, dass der Herr Jesus am Kreuz unsere Krankheiten auf sich genommen hätte. Es sind bereits sehr falsche Dinge verkündigt worden, zum Beispiel dass Christus am Kreuz Aids oder andere Krankheiten gehabt hätte. Das ist überhaupt nicht biblisch, sondern falsch.
Die Bibel bezieht das klar auf das innere Empfinden und Mittragen des Herrn Jesus im Leben. Die weiteren Verse in Jesaja 53,5, die sich auf Übertretungen und Missetaten beziehen, werden dagegen in 1. Petrus 2 auf das Kreuz bezogen. Der Herr Jesus hat am Kreuz unsere Sünden auf sich genommen und sie vor Gott im Gericht getragen.
An dieser Stelle setzt auch eine der Irrlehren der charismatischen Bewegung an. Diese besagt, Christus hätte am Kreuz unsere Krankheiten getragen und sie weggetan, und deshalb müsse ein Christ nicht mehr krank sein. Die Sünden hat er auch getragen, und darum hat Christus unsere Sünden weggetan – das ist korrekt. Aber das mit den Krankheiten stimmt nicht.
So wird argumentiert, Gott wolle eigentlich gar nicht, dass wir krank sind, sondern wolle unsere Gesundheit. Wird gefragt: Möchte Gott unser Gutes? Ja, natürlich! Aber Krankheit ist kein Gutes. Man hätte besser sagen sollen: Krankheit ist nicht schön, sie ist eine Folge der Sünde, aber Gott kann daraus etwas Gutes machen.
In Römer 8 wird gesagt, dass wir jetzt noch seufzen in dieser Welt, wie auch die Schöpfung noch seufzt. Wir warten auf den Moment, an dem diese Schöpfung befreit wird – wenn Christus mit den Kindern Gottes kommt. Dann wird diese Schöpfung erlöst werden. Deshalb heißt es dort, wir warten auf die Erlösung des Leibes.
Wir haben die Erlösung der Seele. Hebräer 10 spricht am Schluss davon, aber noch nicht von der Erlösung des Leibes. Darum bleibt unser Körper bei der Bekehrung noch genauso sterblich wie vor der Bekehrung. Unser Körper kann also genauso krank werden wie zuvor.
Bei der Entrückung der Gemeinde werden die verstorbenen Gläubigen auferstehen, und die Gläubigen, die dann noch leben, werden verwandelt werden. Das sagt 1. Korinther 15,51: Ihr Körper wird in einen unsterblichen Körper verwandelt. Dann haben wir die Erlösung des Körpers. Aber das ist noch zukünftig.
Diese Irrlehre stellt Gottes Heilsplan auf den Kopf, indem sie so tut, als sei das schon jetzt gekommen. Aber es ist noch nicht jetzt gekommen. Ähnlich wird in 2. Timotheus von Irrlehren gesprochen, die den Glauben vieler zerstören, indem sie behaupten, die Auferstehung sei schon geschehen.
Wir wissen: Die Auferstehung der Gläubigen ist noch etwas Zukünftiges. Paulus macht klar, dass wenn ein zukünftiges biblisches Ereignis auf eine frühere Zeit bezogen wird, das zum Glaubensverlust führt.
Genauso ist es, wenn man sagt, die Erlösung des Leibes, die Gott für die Zukunft verheißen hat, sei schon jetzt Wirklichkeit. Das kann den Glauben vieler zerstören.
Ich habe erlebt, dass gerade im Zusammenhang mit schweren Leiden, wie Krebs, falsche Erwartungen an den Herrn gestellt wurden. Man dachte, der Herr müsse das Leiden heilen. Ich denke an einen Freund von mir, der eine große Familie mit Kindern hatte. Es wurde in der Gemeinde für ihn gebetet, und man erwartete, dass Gott diesen jungen Familienvater nicht wegnehmen könne.
Er ist dennoch gestorben. Das war sehr schlimm. Seine Frau wandte sich danach vom Glauben ab und begann, in der Sünde zu leben. Solche Lehren können den Glauben wirklich zerstören.
Darum ist es wichtig, keine falsche Toleranz zu zeigen und zu sagen, andere sehen das eben anders. Es geht um Dinge unseres Glaubens, und diese haben Auswirkungen. Sie können Menschen kaputtmachen.
Ich kenne auch eine Nachbarin, die im Rollstuhl saß und scheinbar zum Glauben gekommen war. In der Gemeinde, in der sie war, sagte man ihr, sie werde wieder gehen können. Sie konnte aber nie aufstehen. Dann wurde ein Fehler bei ihr gefunden.
Ich stelle mir vor, wie schwer es wäre, gelähmt zu sein. Das ist ein sehr schweres Los. Da braucht es viel Gnade von Gott, um das annehmen und damit vorwärtsgehen zu können.
Wenn man ihr dann noch sagen würde: „Eigentlich könntest du, aber dein Glaube ist zu klein“, wäre das sehr verletzend. Deshalb muss man solche Aussagen als das bezeichnen, was sie sind: Irrlehren.
Darum ist es wichtig, Jesaja 53 gut zu studieren. Man sieht, dass Vers 4a sich noch auf das Leben des Messias bezieht und so auch im Neuen Testament erklärt wird. Erst Vers 5 spricht über das Kreuz, wo es um die Sünden und die stellvertretenden Leiden des Herrn Jesus geht.
„Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm, und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“ Das ist eine geistliche Heilung.
Natürlich hat der Herr Jesus durch sein Sterben am Kreuz auch die Macht des Todes besiegt. Aber diese Macht ist noch nicht vollständig umgesetzt, sonst dürften Gläubige nicht mehr sterben.
Wenn Krankheit eine Folge des Sündenfalls ist, dann ist auch das Sterben eine Folge des Sündenfalls. Die Irrlehre ist inkonsequent: Man sagt, man dürfe nicht krank sein, aber sterben darf man. Nein, wir dürfen sterben, und wir dürfen krank sein.
Es kann sogar eine Entlastung sein, zu wissen, dass man krank sein darf, ohne dass das ein Beweis für mangelnden Glauben ist. Gott kann Krankheit zur geistlichen Erziehung nutzen, wie Hebräer 12 sagt. Leiden gehört zur Erziehung von Kindern und dient dazu, dass wir reifen.
Krankheit kann auch eine Zucht Gottes sein, davon spricht 1. Könige 11. Aber man sollte bei solchen Urteilen sehr zurückhaltend sein. Wenn es wirklich so ist, wird der Herr der Person das schon klar machen.
Über andere zu urteilen, in deren Herzen wir keinen Einblick haben, ist gefährlich. Solche Urteile sollte man Gott überlassen.
Noch zum Ausdruck „Durch seine Striemen ist uns Heilung geworden“: Wir wissen, dass am letzten Passa vor der Kreuzigung, am Vorabend, als die Schatten von Golgatha auf den Herrn Jesus fielen, er während des Abendessens das Brot nahm, es brach und daraus das Brot des Abendmahls machte.
Dieses Brot war das Passabrot, die ungesäuerten Matzen. Im Judentum ist vorgeschrieben, wie man Matzen herstellt. Meistens bestehen sie aus Weizenmehl und enthalten keinen Sauerteig.
Sauerteig ist in der Bibel ein Bild der Sünde. Er durchsäuert den Teig sofort, so wie die Sünde alles ansteckt. Brote mit Sauerteig oder Hefe täuschen mehr vor, als tatsächlich vorhanden ist – ein Bild für Aufblähen, Stolz, Hochmut und Sünde.
Beim Passa wird ungesäuertes Brot gegessen, das nur kurz im Ofen gebacken wird. Typischerweise hat es Löcher und längliche Vertiefungen. Orthodoxe Juden wissen, warum das so ist.
In Sacharja 12,10 heißt es, dass sie auf den blicken werden, den sie durchbohrt haben. Der Talmud bezieht diesen Vers auch auf den Messias.
Wenn man die Matze gegen das Licht hält, sieht man die Löcher. Diese Löcher und Streifen erinnern an Jesaja 53: „Durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“ Dieses Bild findet sich im Brot des Passas und im ersten Abendmahl schön wieder.
Jesaja 53,6-8: Die stellvertretende Schuld und das Schweigen des Messias
Und dann Vers 6: „Wir alle irrten umher wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen eigenen Weg, und der Herr ließ es auf ihn kommen.“ Hier drückt der bekehrte Überrest aus: Wir haben uns völlig geirrt. Wir waren führungslos wie Schafe ohne Hirt. Aber er, der Messias, hat alles auf sich genommen – von Gott her.
Vers 7: Er wurde misshandelt, doch er beugte sich. Er tat seinen Mund nicht auf, gleich dem Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scheren, so tat er seinen Mund nicht auf. So eindrücklich wird das in Matthäus 27 beschrieben: Der Herr Jesus vor dem Hohen Rat antwortet nicht mehr auf die falschen Anschuldigungen.
Warum eigentlich nicht? Bedeutet das, dass wir als Gläubige, wenn wir falsch angeklagt werden, schweigen sollen? Nein, das kann man nicht so sagen. Denn der Herr Jesus wurde in den Evangelien immer wieder angeklagt oder angegangen, und er gab stets Antwort. Aber dort, bei der Verhandlung vor dem Hohen Rat, sprach er nicht mehr. Warum? Weil der Beschluss zur Todesstrafe bereits vorher gefallen war – vor der Gerichtsverhandlung.
Die gesamte Gerichtsverhandlung war nur noch eine Farce. Wenn schon vorher feststeht, was herauskommt, braucht es keine Gerichtsverhandlung mehr. Weil es eine so verlogene Verhandlung war, schwieg der Herr und ließ sich nicht verteidigen. Das ist typisch für ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird. Das ist ganz anders als bei einem Schwein, das in die Metzgerei gebracht wird. Schweine spüren das und wehren sich lautstark, aber das Lamm lässt sich führen.
Damit ist ein Hinweis auf den Herrn Jesus gegeben, wie er sich ohne Widerstand wegführen ließ. Ebenso wie ein Schaf, das geschoren wird, sich ganz anders verhält als andere Tiere, die sich wild wehren würden. Das Schaf ist ganz anders – ein Hinweis auf das wahre Lamm Gottes.
Die ganze Misshandlung wird hier beschrieben – schon vor dem Kreuz. Er wurde misshandelt, doch er beugte sich. Zweimal wird gesagt, er tat seinen Mund nicht auf.
Vers 8: Er ist hinweggenommen worden aus Angst und aus Gericht. Dieser Satz ist schwierig. „Weggenommen“ bedeutet hier, dass man ihn schnell durch die Gerichtsverhandlung hindurchgezogen hat. Es war nur noch eine Pseudoverhandlung.
Die Rabbiner hatten festgelegt – das findet man im Talmud –, dass eine Gerichtsverhandlung über Leben und Tod nicht nachts durchgeführt werden darf. Doch damit die Sache schnell zum Ziel kam, brachten die Leute des Hohen Rates den Herrn nach der nächtlichen Festnahme im Garten Gethsemane zuerst in Privathäuser: ins Haus des Hohenpriesters Kajafas und später in das Haus des Schwiegervaters, des alten Hohenpriesters Annas.
Dort führten sie ebenfalls eine Gerichtsverhandlung durch, aber das war privat und nicht offiziell. Alles war bereits geklärt. So konnten sie nur noch warten. Wie Matthäus 27 berichtet, gingen sie, als das Morgenlicht aufging, sofort in den Sanhedrin, in die königliche Säulenhalle des Tempels, und führten dort den Prozess in aller Eile offiziell durch.
Doch der Herr schwieg auch dort. Alles war schon abgekartet. Schnell, schnell, schnell sollte es gehen, damit nichts dazwischenkommen konnte – kein Volksaufstand und keine große Einsprache des Volkes. Deshalb musste alles so rasch geschehen.
Es heißt, er ist hinweg- oder hindurchgerissen worden durch Angst und durch Gericht. Dann folgt die Frage: Wer wird sein Geschlecht aussprechen? Diese Generation, die das verschuldet hatte – wer kann sie beschreiben? Es war so schlimm, dem Messias nicht einmal eine gerechte Gerichtsverhandlung zu gewähren.
Dann wird erklärt, warum es so schwierig ist, diese Generation zu beschreiben: Er wurde abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen. Man wollte ihn töten.
Doch es wird gleich erklärt: Wegen der Übertretung meines Volkes traf ihn die Strafe. Obwohl er von seinem eigenen Volk verworfen wurde, starb er für die Sünde seines Volkes.
Dann wird beschrieben: Man hat sein Grab bei Gesetzlosen bestimmt. Ein Gekreuzigter wäre damals im Tal Hinnom verbrannt worden. Die Kreuzigung hat Gott zugelassen, und nach dem Speerstich erlaubte Gott keine weiteren Ehrungen seines Sohnes.
So erfüllte sich aber, dass er bei einem Reichen war in seinem Tod. Joseph von Arimathia war einer der Ratsleute. Plötzlich fasste dieser Mann Mut, ging zu Pilatus, forderte den Leib Jesu und stellte sein Grab zur Verfügung – dieser reiche Joseph von Arimathia.
Übrigens war er kein Mitglied des Sanhedrins, des obersten Gerichtshofs. Nikodemus war einer der Obersten, ein Archon (Herrscher), der zum Sanhedrin gehörte (Johannes 3). Doch in Lukas 23 wird über Joseph von Arimathia gesagt, er war ein Ratsmann. Dieses Wort bedeutete im Judentum „Mitglied des obersten Priesterrats“.
Zum Priesterrat gehörten der Hohe Priester, sein Stellvertreter und weitere Priester – insgesamt etwa fünfzehn Personen. Im Tempel gab es eine Kammer, die in den innersten Vorhof führte, auf der Südseite. Diese Kammer war für die Ratsleute bestimmt, zu denen Joseph von Arimathia gehörte.
Er war also ein Priester, ein Mitglied des Hohen Rates. Er hatte sich bekehrt und verstanden, dass der Herr Jesus das Lamm Gottes ist. Deshalb stellte er sein Grab zur Verfügung.
So erfüllte sich das Wort: Man hat sein Grab bei Gesetzlosen bestimmt, aber bei einem Reichen war er in seinem Tod. Warum? Gott wollte seinen Sohn so ehren, weil er kein Unrecht begangen hatte und kein Trug in seinem Mund war.
Jesaja 53,10-12: Gottes Wille und die Frucht des Opfers
Ja, jetzt kommt die große Pause. Wir kommen nun zu Vers 10: „Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen; er hat ihn leiden lassen. Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird er Samen sehen, er wird seine Tage verlängern, und das Wohlgefallen des Herrn wird in seiner Hand gedeihen.“
Hier wird über die drei Stunden der Finsternis am Kreuz gesprochen. Es ist die Zeit, in der Gottes Zorn den Herrn Jesus getroffen hat, weil er mit unserer Schuld beladen war.
Der Ausdruck „Dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen“ bedeutet, dass es Gottes Gefallen war, uns zu retten. Deshalb war er bereit, diesen Preis zu zahlen: Seinen Sohn dem Gericht und dem Tod zu übergeben. Das ist das Gefallen Gottes.
Im Garten Gethsemane betete der Herr Jesus. Das zeigt deutlich seine Menschlichkeit. Er sagte: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Doch es gab keinen anderen Weg, sonst wären wir ewig verloren. Deshalb nahm der Herr diesen Willen an: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“ Dieser Wille bedeutete, dass der Herr durch diese Leiden hindurchgehen musste.
Es konnte nie die Freude des Herrn Jesus sein, zur Sünde gemacht zu werden und Gottes Zorngericht zu erleiden. Deshalb sagt er nicht „mein Wille“, sondern dieser Wille wurde darüber gestellt, damit die Rettung möglich würde. Dieser Wille wird hier abgebildet: „Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen.“
Weiter wird in Vers 10 deutlich gemacht, dass man sich vor Augen halten soll, dass dieser Text etwa 700 Jahre vor Christus in der Zeit des ersten Tempels entstand. Dort wird der Ausdruck „Schuldopfer“ (hebräisch „Ascham“) verwendet. Dieser Begriff wird im Gesetz Mose für die Opfer der Stiftshütte und des Tempels benutzt. Alttestamentlich wird somit klargemacht, dass die Tieropfer in der Stiftshütte und im Tempel auf das wahre Opfer des Messias hinwiesen, der sich als Schuldopfer hingeben würde.
Das Ziel ist, dass Frucht entsteht: eine unzählbare Schar von erlösten Menschen. Deshalb heißt es: „So wird er Samen sehen.“ Das ist die Frucht der Mühsal seiner Seele, wie es auch in Vers 11 genannt wird.
Der Ersatzteil „Er wird seine Tage verlängern“ weist auf die Auferstehung hin. Im Gesetz Mose findet man oft die Formulierung, dass Gott zu Israel spricht: „Wenn ihr treu seid und die Gebote einhaltet, so werdet ihr eure Tage verlängern im Land.“ Ein treuer Israelit, der sich an Gottes Wort hielt, konnte ein langes Leben auf Erden erwarten.
Hier wird dieser Ausdruck nun auf denjenigen angewandt, der in den Tod geht als Schuldopfer. Wenn er dieses Schuldopfer vollendet haben wird, wird er seine Tage verlängern. Das heißt, er wird sterben, aber danach wieder leben. Das ist eine direkte Prophetie auf die Auferstehung.
„Das Wohlgefallen des Herrn wird in seiner Hand gedeihen“ bedeutet, dass er von der Mühsal seiner Seele Frucht sehen und sich daran sättigen wird. Das war es, was der Herr Jesus vor sich sah, als er ans Kreuz ging: all die vielen Erlösten, die durch sein Opfer gerettet würden.
Deshalb steht auch in Hebräer 12, dass er wegen der vor ihm liegenden Freude das Kreuz erduldete. Durch seine Erkenntnis wird mein gerechter Knecht die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, und ihre Missetaten wird er auf sich laden.
Der Ausdruck „die Vielen zur Gerechtigkeit weisen“ kann auch übersetzt werden mit „den Vielen zur Gerechtigkeit verhelfen“. Hier ist zusammengefasst, was der Römerbrief im Neuen Testament erklärt: Wie kann ein Mensch vor Gott gerecht sein? Indem er durch Glauben gerechtfertigt wird. Er glaubt an das stellvertretende Opfer des Herrn Jesus. Dann kann Gott ihn gerecht sprechen, das heißt rechtfertigen, und sagen: „Dieser Mensch ist gerecht in meinen Augen, weil seine ganze Schuld weg ist.“
Das ist genau die Botschaft des Römerbriefes: Wie der Mensch vor Gott gerecht sein kann aufgrund des Opfers des Herrn Jesus. „Er wird die Vielen zur Gerechtigkeit weisen.“
In Vers 12 heißt es: „Darum werde ich ihm die Großen zuteilgeben, und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen, dafür, dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod und den Übertretern beigezählt worden ist. Er aber hat die Sünde vieler getragen und für die Übertreter Fürbitte getan.“
Die Großen und Gewaltigen dieser Erde sind die großen Machthaber. Hier wird gesagt, dass Jesus alle Macht dieser Welt übernehmen wird, wenn er als König kommen wird. Das ist Gottes Antwort darauf, dass er das erste Mal kam, um sein Leben als Opfer zu geben.
Alttestamentlich wird klar, dass der Messias einmal kommen sollte, um als Opfer zu sterben, und ein anderes Mal, um die Herrschaft über diese Welt zu übernehmen. Aus dieser Stelle wird auch die Reihenfolge deutlich: zuerst der Leidende, dann als Lohn der herrschende Messias.
Schließlich heißt es hier: „Seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod.“ Ausschütten ist ein Wort, das von Flüssigkeit spricht, die man ausschüttet. Wir wissen aus 3. Mose 17, dass die Seele alles Fleisches als Blut beschrieben wird. Blut ist der Inbegriff des Lebens. „Nephisch“ auf Hebräisch kann Seele oder Leben bedeuten und hat noch weitere Bedeutungen.
Wenn hier steht, dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod, bedeutet das, dass er sein Blut als Opfer gegeben hat. Denken wir an den Speerstich am Kreuz, bei dem Blut und Wasser herauskamen. Das Blut hat sich getrennt, weil der Tod schon eingetreten war. Die schweren Bestandteile sind abgesunken, deshalb gab es diese Trennung von Blut und Wasser.
Das ist es: „Seine Seele ausgeschüttet in den Tod.“ Er wurde den Übertretern beigezählt. Das ist ein Hinweis darauf, dass er zusammen mit zwei Kriminellen gekreuzigt wurde.
Doch dann wird betont, dass die mitgekreuzigten Personen Verbrecher und Übertreter waren. „Er“ – im Hebräischen wird das „Er“ besonders hervorgehoben – aber hat die Sünde vieler getragen. Er ist der Vollkommene, aber der Stellvertreter.
Für die Übertreter hat er Fürbitte getan. In Lukas 23 bittet der Herr Jesus am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Zusammenfassung und Ausblick auf die folgenden Kapitel
Eine so wunderbare, detaillierte Prophetie: Jesaja 53. Oft liest man dieses Kapitel isoliert, nicht im Zusammenhang. Wenn wir jedoch daran denken, hatten wir beim letzten Mal Jesaja 52 bis Vers 12 betrachtet. Dort sahen wir, dass in der Endzeit Israel wiederhergestellt und aus den Völkern gesammelt wird. Zion wird von Gott getröstet werden. Jesaja 52,9 sagt: „Brecht den Jubel aus, jauchzt insgesamt, ihr Trümmer Jerusalems, denn der Herr hat sein Volk getröstet, hat Jerusalem erlöst.“
Dann folgt Jesaja 53. Dieses Kapitel erklärt, dass aller Segen Israels in der Zukunft kommt, weil der Messias zuerst das Problem der Schuld durch sein Leiden am Kreuz gelöst hat. Das führt uns direkt zu Kapitel 54: „Jubel, du Unfruchtbare, die nicht geboren, brich in Jubel aus und jauchze, die keine Wehen gehabt hat, denn die Kinder der Vereinsamten sind mehr als die Kinder der Vermählten.“
Der Herr spricht: „Mache weit den Raum deines Zeltes und spanne aus die Behänge deiner Wohnstätte. Wehre nicht, mache deine Seile lang und deine Pflöcke stecke fest, denn du wirst dich ausbreiten zur Rechten und zur Linken, und dein Same wird die Nationen in Besitz nehmen und die verödeten Städte bevölkern.“
„Fürchte dich nicht, denn du wirst nicht beschämt werden, und schäme dich nicht, denn du wirst nicht zu Schanden werden. Du wirst der Schmach deiner Jugend vergessen und der Schande deiner Witwenschaft nicht mehr gedenken, denn der, der dich gemacht hat, ist dein Mann. Der Herr der Heerscharen ist sein Name, und der Heilige Israels ist dein Erlöser. Er wird der Gott der ganzen Erde genannt werden.“
„Denn wie ein verlassenes und im Geist betrübtes Weib ruft dich der Herr, und wie eine Frau der Jugend, wenn sie verstossen ist, spricht dein Gott: ‚Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen, aber mit großem Erbarmen will ich dich sammeln. Im Zorneserguss habe ich einen Augenblick mein Angesicht vor dir verborgen, aber mit ewiger Güte werde ich mich deiner erbarmen‘“, spricht der Herr, dein Erlöser!
Sehen wir, auf Jesaja 53 folgt Jubel. Das ist die Folge des Werkes des Herrn Jesus, dass wir jubeln können über die Erlösung. Jerusalem wird hier als Frau dargestellt. Das hebräische Wort für Stadt ist weiblich, deshalb werden Städte in der Bibel oft als Frauen beschrieben – wie die Jungfrau Babel oder die Tochter Zion für Jerusalem (Sacharja 9,9).
Hier wird Jerusalem, die Hauptstadt Israels, aufgerufen, zu jubeln. Diese Frau wird in den Versen, die wir gelesen haben, als „verstoßene Frau“ beschrieben. Sie wird in Vers 1 als „Unfruchtbare, Vereinsamte“, in Vers 4 als „Witwe“, in Vers 6 als „betrübte Frau“ und „verstoßene Frau der Jugend“ genannt. In Vers 11 heißt es „Elende, sturmbewegte und ungetröstete“. Jerusalem wird als Frau gesehen, die gemäß Hesekiel 16 eine Ehe mit Gott eingehen durfte.
Hesekiel 16 zeigt jedoch, wie Jerusalem untreu wurde und Ehebruch beging, indem sie sich mit anderen Göttern verband. Das erste Gebot, „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, wurde in schrecklicher Weise gebrochen. Das führte dazu, dass Gott sich von Israel scheiden ließ. Das haben wir bereits gesehen, etwa in Jesaja 50,1, wo von einem Scheidebrief die Rede ist, den Gott Israel gegeben hat.
Auch in Matthäus 5 und 19 ist der einzige gültige Scheidungsgrund in der Bibel Unzucht. So hat Gott Israel einen Scheidebrief gegeben. Die zehn Stämme wurden 722 v. Chr. nach Assyrien deportiert. Die zwei Stämme Juda und Benjamin, verbunden mit Jerusalem, wurden 606 bis 582 v. Chr. nach Babylon deportiert. Jerusalem wurde 586 v. Chr. zerstört, und ein Großteil der Juden kam in babylonische Gefangenschaft.
Von da an wurden die Juden nach Hosea 1,8-9 als „nicht mein Volk“ gesehen. Natürlich kehrten sie später aus der babylonischen Gefangenschaft zurück, doch die Bundeslade war nicht mehr im Allerheiligsten. Das Allerheiligste war leer. Das Zeichen des Bundesgottes mit Israel, das Zeichen des Ehebundes, war nicht mehr vorhanden.
Als schließlich der Messias kam, wurde er von der Masse verworfen. Jerusalem wurde 70 n. Chr. erneut zerstört, und das jüdische Volk wurde weltweit zerstreut. So wurde die Stadt Jerusalem gedemütigt. Sie wurde als unfruchtbar gesehen. Diese Stadt sank ab, war verlassen, verachtet und unbedeutend über lange Zeiträume der Geschichte – eine vereinsamte, betrübte, verstoßene Frau der Jugend, elend, sturmbewegte und ungetröstete.
Wie viele Kinder hat sie verloren? In den vergangenen 2000 Jahren schätzt man etwa 13 Millionen Tote infolge des Judenhasses. Doch jetzt wird die Unfruchtbare aufgerufen: „Brich in Jubel aus!“ Jerusalem soll eine völlige Erneuerung erleben. Vers 5 sagt: „Gott ist dein Mann, denn der, der dich gemacht hat, ist dein Mann.“ Es geht also um die verstoßene Ehefrau, die Gott wieder neu heiratet.
Das wird in Hosea 2 schön beschrieben (bei mir Hosea 2,19-23, die Verszählung kann variieren): „Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, in Gerechtigkeit, Gericht, Güte und Barmherzigkeit. Ich will dich mir verloben in Treue, und du wirst den Herrn erkennen.“ Vers 23: „Ich will mich der Loruchama (Nichtbegnadete) erbarmen und zu Loami (Nicht mein Volk) nicht mehr mein Volk sagen, sondern du wirst sagen: ‚Mein Gott‘.“
Nach der Entrückung der Gemeinde wird Gott einen Überrest aus Israel erwecken, zuerst die 144.000 (Offenbarung 7). Das ist nur die Vorhut, die Erstlingsfrucht (Offenbarung 14). In der Drangsal von dreieinhalb Jahren wird ein Drittel der Bevölkerung sich bekehren (Sacharja 13,8) und den Herrn erkennen. Gott wird sagen: „Ihr seid mein Volk“, nicht mehr „Loami“. So wird Israel im Tausendjährigen Reich als die Frau Gottes auf Erden anerkannt werden.
Wir dürfen die Zeiten nicht vermischen. Die Gemeinde ist heute die Braut Christi (2. Korinther 11). Paulus sagt zu Korinth: „Ich habe euch einem Mann verlobt, um euch als keusche Jungfrau dem Christus darzustellen.“ In Offenbarung 22 sagen Geist und Braut: „Komm!“ – dann wird Jesus kommen. Bei der Entrückung wird die Gemeinde heimgeführt, und im Himmel findet die Hochzeit des Lammes statt (Offenbarung 19).
Die Gemeinde als himmlisches Volk und himmlische Braut darf nicht mit Israel, dem irdischen Volk und der irdischen Braut, verwechselt werden. Israel ist gewissermaßen ein irdisches Abbild der himmlischen Gemeinde. Wir müssen die Bibel so stehen lassen, wie sie über Israel und die Gemeinde spricht, um Durcheinander zu vermeiden.
Hier geht es um Israel, um Jerusalem, das Volk, das wieder angenommen wird – etwas ganz Spezielles. Ich erinnere mich an eine Klavierschülerin, die später heiratete. Die Ehe zerbrach, beide bekehrten sich und heirateten erneut. So etwas gibt es. Genau das macht Gott mit Israel: Er hat Israel als Ehefrau wegen Götzendienst und Untreue verstoßen, aber Israel wird wieder angenommen – wie eine verstoßene Frau der Jugend (Vers 6).
„Denn wie ein verlassenes und im Geist betrübtes Weib ruft dich der Herr, und wie eine Frau der Jugend, wenn sie verstossen ist, spricht dein Gott: ‚Einen kleinen Augenblick habe ich dich verlassen‘.“ Gott beschreibt diese über zweieinhalbtausend Jahre als „einen kleinen Augenblick“. Das ist nicht unser Zeitempfinden. Für ihn gilt 2. Petrus 3: „Ein Tag ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.“ So drückt sich das aus: ein Augenblick, aber mit ewiger Güte werde ich mich deiner erbarmen.
Wichtig ist: Wenn die Ehe aufgrund von Unzucht aufgelöst wurde, kann man nicht einfach so tun, als wäre die Ehe noch intakt. Wenn sie aufgelöst ist, muss man zuerst wieder heiraten, um die eheliche Gemeinschaft wiederherzustellen. Das wird hier am Beispiel Israels dargestellt. Eine solche Wiederherstellung ist etwas Besonderes.
In Vers 9 heißt es: „Denn dieses soll mir sein wie die Wasser Noachs, als ich schwur, dass die Wasser Noachs die Erde nicht mehr überfluten sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich ergrimmen noch dich schelten werde.“ Gott verspricht, Israel nie mehr so zu verwerfen, wie in der Vergangenheit.
Vers 10: „Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Güte wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken“, spricht der Herr, dein Erbarmer. Gott wird am Anfang des Tausendjährigen Reiches einen neuen Bund mit Israel schließen (Jeremia 31,31). Der alte Bund von Sinai führte zur Scheidung, deshalb war die Bundeslade nicht mehr im Tempel.
Gott wird Israel wieder annehmen und einen neuen Ehebund schließen – den neuen Bund. Nirgends steht, dass der neue Bund mit der Gemeinde geschlossen wird. 2. Korinther 3 macht klar, dass die Gemeinde alle Segnungen des neuen Bundes erhält und Diener dieses Bundes ist, aber der Bund selbst wird mit Israel geschlossen (Jeremia 31,31). Dieser Bund wird ein ewiger Bund sein (Hebräer 13,20).
Vers 11: „Du Elende, sturmbewegte, ungetröstete, siehe, ich lege deine Steine in Bleiglanz und gründe dich mit Saphiren. Ich mache deine Zinnen aus Rubinen und deine Tore von Karfunkeln, ein ganzes Gebiet von Edelsteinen. Alle deine Kinder werden von dem Herrn gelehrt, und der Friede deiner Kinder wird groß sein. Durch Gerechtigkeit wirst du befestigt werden. Sei fern von Angst, denn du hast dich nicht zu fürchten, und von Schrecken, denn er wird dir nicht nahen.“
Hier wird beschrieben, dass Jerusalem die herrlichste Stadt der Welt werden wird. Das Land Israel wird so gesegnet sein, dass es als ein Gebiet von Edelsteinen bezeichnet wird – ein Prachtsland. Es wird zu einer Bevölkerungsexplosion kommen, wie wir schon gelesen haben.
Vers 2 beschreibt die einst Vereinsamte: „Mache weit den Raum deines Zeltes, spanne aus die Behänge deiner Wohnstätte. Wehre nicht, mache deine Seile lang und deine Pflöcke stecke fest, denn du wirst dich ausbreiten zur Rechten und zur Linken. Dein Same wird die Nationen in Besitz nehmen und die verödeten Städte bevölkern.“
Dieser Überrest, der umkehrt (Sacharja 13,8) in der großen Drangsal, wird ins Tausendjährige Reich eingehen und sich vermehren. Hesekiel 47 beschreibt die Grenzen Israels im Tausendjährigen Reich, die große Gebiete des heutigen Libanon und Syrien umfassen. Diese Gebiete werden unter den zwölf Stämmen neu verteilt.
Die Südgrenze ist der Bach Ägyptens, nicht der Strom Ägyptens. Der Bach Ägyptens (Oadi el-Arisch) liegt in der Negevwüste nahe der heutigen Grenze zwischen Ägypten und Israel. Die Verheißung an Abraham in 1. Mose 15 gilt weiterhin: vom Strom Ägyptens bis zum Euphrat. Der Strom Ägyptens ist der Nil, der Bach ein kleinerer Wasserlauf.
Am Anfang brauchen die Menschen im Tausendjährigen Reich noch nicht so viel Platz. Mit der Bevölkerungsexplosion wird auch der Sinai besiedelt und bebaut werden. Die Wüste wird fruchtbar, wie Jesaja 35 beschreibt. So wird es kein Landproblem mehr geben. Das ist hier vorausgesagt.
Zum Abschluss Vers 15: „Siehe, wenn man sich auch rottet, so ist es nicht von mir aus. Wer sich wider dich rottet, der wird um deinetwillen fallen. Siehe, ich habe den Schmied geschaffen, der das Kohlenfeuer anbläst und die Waffe hervorbringt, seinem Handwerk gemäß. Ich habe den Verderber geschaffen, um zu zerstören. Keine Waffe, die wider dich gebildet wird, soll es gelingen. Und jede Zunge, die vor Gericht wider dich aufsteht, wirst du schuldig sprechen. Das ist das Erbteil der Knechte des Herrn und ihre Gerechtigkeit von mir aus“, spricht der Herr.
Das ist eine wunderbare Verheißung für Israel, das heute in der arabischen Welt und durch künftige Waffen des Iran bedroht ist, der nach einer Atombombe strebt. „Keine Waffe, die wider dich gebildet wird, soll es gelingen.“ Es wird nicht möglich sein, Israel auszulöschen. Zwar werden zwei Drittel in der großen Drangsal umkommen (Sacharja 13,8), aber das Ziel, Israel auszulöschen, wird nicht gelingen.
Nun zu Kapitel 55: „Hey, ihr Durstigen alle, kommt zu den Wassern! Und ihr, die ihr kein Geld habt, kommt, kauft und esst! Ja, kommt, kauft ohne Geld und ohne Kaufpreis Wein und Milch!“
„Warum wägt ihr Geld da für das, was nicht Brot ist, und euren Erwerb für das, was nicht sättigt? Hört doch auf mich und esst das Gute, und eure Seele labe sich an Fettem. Neigt euer Ohr und kommt zu mir, hört, und eure Seele wird leben. Ich will einen ewigen Bund mit euch schließen, die gewissen Gnaden Davids.“
Ein wunderbarer Aufruf: Kommt, ernährt euch, sättigt euch – alles gratis. Hier wird ausgedrückt, dass Gott geistlichen Segen aus reiner Gnade ohne Verdienst gibt. Das ist eine Vorwegnahme der Botschaft der Briefe an Römer und Galater: Gott gibt durch seine Gnade, ohne Leistung des Menschen, dem, der umkehrt und seine Schuld bereut.
Darum ist es so wichtig, Jesaja 53 im Zusammenhang mit den Kapiteln davor und danach zu lesen. Vers 2 ist sehr aktuell: „Warum wägt ihr Geld da für das, was nicht Brot ist, und euren Erwerb für das, was nicht sättigt?“
Als Gläubige müssen wir uns fragen, womit wir uns ernähren – geistlich. Mit welchen Filmen, Büchern und anderen Dingen beschäftigen wir uns? Wendet ihr dafür Geld und Energie auf, obwohl es euch nicht geistlich weiterbringt oder sogar rückwärtsführt? Dann heißt es: „Hört auf mich und esst das Gute.“ Das ist der Aufruf zu wirklicher geistlicher, gesunder Nahrung, die uns im Glauben stärkt.
„Esst das Gute, eure Seele labe sich an Fettem.“ Übrigens kann man die Qualität eines Entrecôtes an der Fettschicht messen. Wenn man von „Fettem“ liest, versteht man besser, was damit im Blick auf Segen gemeint ist.
Gott sagt, er werde einen ewigen Bund schließen – den neuen Bund mit Israel. Es sind die „gewissen und sicheren Gnaden Davids“. Das bezieht sich auf den Davidsbund, beschrieben in Psalm 89. Gott versprach David: „Von deiner Nachkommenschaft werde ich jemanden auf den Thron setzen.“ Das war ein Hinweis auf den Messias, der am Ende der Zeiten im Tausendjährigen Reich über die ganze Welt herrschen wird.
Das Reich des Herrn Jesus wird ein ewiges Reich sein (2. Petrus 1). Auch im neuen Himmel und der neuen Erde wird Jesus der ewige Herrscher sein. Das sind die gewissen Gnaden Davids. Gottes Verheißung an David wird sich ewig erfüllen und in den neuen Bund mit Israel hineinführen.
Vers 4: „Siehe, ich habe ihn zu einem Zeugen für Völkerschaften gesetzt, zum Fürsten und Gebieter von Völkerschaften. Du wirst eine Nation herbeirufen, die du nicht kanntest, und eine Nation, die dich nicht kannte, wird dir zulaufen um des Herrn willen, deines Gottes. Und wegen des Heiligen Israels, denn er hat dich herrlich gemacht.“
Hier wird klar, dass Israel durch Gottes Gnade die höchste Stellung unter den Völkern erlangen wird. Gott hatte in 5. Mose 28,1 und 13 gesagt: Wenn Israel das Gesetz hält, wird es die höchste Nation; wenn nicht, wird es die verachtetste Nation sein. Das ist geschehen, aber damit ist es nicht zu Ende. Gott macht einen neuen Bund und wird Israel zur höchsten Nation machen – als Zeuge für die anderen Völker.
Vers 6: „Sucht den Herrn, während er sich finden lässt, ruft ihn an, während er nahe ist! Der Gesetzlose verlasse seinen Weg, und der Mann des Frevels seine Gedanken, und erkehre um zu dem Herrn, so wird er sich seiner erbarmen. Denn er ist reich an Vergebung.“
Das ist ein allgemeiner Aufruf Gottes an die Menschen zur Umkehr und zum Bereuen der Sünden. Es gibt Vergebung – warum? Wegen dem, was in Jesaja 53 beschrieben wird. Aufgrund von Jesaja 53 ist diese Evangeliumsverkündigung möglich.
Diese Verse müssen wir immer wieder in der Evangeliumsverkündigung verwenden. „Gesetzlose“ bezeichnet hier nicht nur Kriminelle, sondern alle Menschen, die Gottes Gesetz gebrochen haben – uns alle.
Es gibt eine Begrenzung der Gnade: „Sucht den Herrn, während er sich finden lässt, ruft ihn an, während er nahe ist.“ Die Bekehrung darf nicht hinausgezögert werden. Wenn er ruft und nahe ist, muss man kommen. Es ist unsere Verantwortung, die Gnade jetzt anzunehmen.
Gott sagt: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege nicht meine Wege“, spricht der Herr. „Wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“
Das zeigt, wie Gottes Gedanken und Pläne alles übersteigen. Der Vergleich ist eindrücklich: So viel höher ist der Himmel als die Erde. Das Hubble-Teleskop hat den tiefsten Blick ins All ermöglicht, bis zu den entferntesten Galaxien in etwa 13 Milliarden Lichtjahren Entfernung.
Das heißt, theoretisch müsste das Licht von diesen Galaxien 13 Milliarden Jahre unterwegs sein, obwohl es mit 300.000 Kilometern pro Sekunde reist. Natürlich hat der Schöpfer das Weltall geschaffen, ohne die Zeit zu benötigen, damit dieses Licht sichtbar wird.
Diese Dimensionen zeigen Zahlen, mit denen wir jonglieren können, aber niemand kann sich wirklich vorstellen, was das bedeutet. Und der Himmel ist noch nicht das Ende – es gibt keine sichtbare Mauer. In Jeremia wird gesagt, dass die Ausdehnung des Himmels nie ausgemessen werden kann.
Könnte man das je ausmessen, würde Gott Israel endgültig verwerfen – aber er tut es nicht. Er wird Israel wieder annehmen als seine Frau. Das zeigt etwas von der Erhabenheit Gottes.
Man fragt sich, warum Gott ein so großes Weltall geschaffen hat. Die Menschen früher wussten nichts davon. Sie wussten nur aus der Bibel, dass es unausmessbar ist. Heute kann die Forschung mehr sagen.
Warum hat Gott das gemacht? Ganz einfach: um uns zu zeigen, wie klein wir sind und wie groß er ist. Das ist eine eindrückliche Illustration. Gott ist überall gleichzeitig im ganzen Weltall.
Wenn man in die andere Richtung mit Hubble schaut, gibt es nochmals 13 Milliarden Lichtjahre. Das wäre eine Diagonale von 26 Milliarden Lichtjahren. Und es ist nicht fertig – einfach um uns zu zeigen, wie klein wir sind.
Dann werden wir ruhig, wenn uns Fragen umtreiben: Warum hat Gott den Sündenfall zugelassen? Warum war es möglich, dass der Cherub zum Satan wurde und sündigte? Gott hätte ihn auch nicht schaffen müssen.
Immer wieder fragen Leute solche Dinge. Natürlich versuche ich zu antworten: Wenn der Sündenfall nie geschehen wäre, hätten wir Gott nie so kennengelernt, wie wir ihn jetzt kennen – als Gott, der bereit war, seinen Sohn am Kreuz zu geben, um unsere Sünden zu tragen.
Die Tiefen von Golgatha hätten wir nie erkannt. Gott hat sich gerade dadurch offenbart, wie wir ihn sonst nie hätten kennenlernen können.
Wenn Gott beschlossen hat, so und nicht anders zu handeln, hätte er auch ein ganz anderes Universum schaffen können. Aber er hat es so gemacht – und es ist gut so.
Er hätte mich auch vor 500 Jahren in einem Indianerstamm im Amazonas schaffen können. Warum gerade in Zürich 1958? Ich muss mich nicht hinterfragen, weil Gott es so wollte.
Er hätte alles anders machen können, aber er hat es so gemacht – und es ist richtig so. Seine Gedanken sind erhaben, und wir sind klein. Wir können ihm vertrauen, dass es genau so richtig ist.
So wie Gott zu Abraham sagte im Blick auf die Zerstörung Sodoms und Gomorras: „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?“
Auch bei Fragen zur Gerechtigkeit Gottes gilt: Wer sind wir, dass wir über Gerechtigkeit sprechen wollen? Wir, die wir so ungerecht gehandelt und gedacht haben, und dann Gott erklären, was Gerechtigkeit sein sollte?
Manchmal lästern Atheisten über Gottes angebliche Ungerechtigkeit. Doch wenn man ihr Leben betrachtet, wie sie andere Menschen zerstört haben, wie können sie über Gottes Gerechtigkeit urteilen?
Dieser Vers ist wirklich wunderbar und zeigt uns, wo wir stehen und wo Gott ist.
Weiter Vers 10: „Wie der Regen und Schnee vom Himmel herabfällt und nicht dahin zurückkehrt, ehe er die Erde befeuchtet, sie sprossen macht, dem Sämann Samen und dem Essenden Brot gibt, so wird mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird nicht leer zurückkehren, sondern ausrichten, was mir gefällt, und durchführen, wozu ich es gesandt habe.“
Eine wunderbare Stelle, die zeigt, dass Gottes Wort immer Segenswirkung hat, wie Regen und Schnee. Wir brauchen uns nie zu fragen, was Regentropfen bewirken. Wir sehen, wie die Natur aufblüht und grünt.
So ist es auch wichtig, wenn wir das Wort Gottes weitergeben. Wir haben alle den Auftrag, das Evangelium zu verkündigen. Wir müssen keine Listen führen, wer durch uns zum Glauben gekommen ist, und keine Statistik.
Es ist schöner, wenn wir uns nicht auflisten, sondern dem Herrn vertrauen. Ich kenne einen Mann in Australien, der jahrzehntelang evangelisierte, immer auf die gleiche Weise: Er fragte die Leute, wo sie hinkämen, wenn sie heute sterben würden.
Er sah lange keine Frucht. Vierzig Jahre später besuchte ihn ein Missionar, der sagte: „Ich bin durch Sie zum Glauben gekommen und Missionar geworden.“ Es gab viele, die durch ihn gläubig wurden.
40 Jahre lang sah der Mann keine Ergebnisse, doch er diente treu. Wir dürfen sicher sein: Dinge, die wir hier nicht sehen, werden wir in der Ewigkeit sehen. Es ist die Verheißung: Mein Wort kehrt nicht leer zurück.
Vers 12: „Denn in Freuden werdet ihr ausziehen und in Frieden geleitet werden. Die Berge und Hügel werden vor euch in Jubel ausbrechen, und alle Bäume des Feldes werden in die Hände klatschen. Statt der Dornsträucher werden Zypressen aufschießen, und statt der Brennnesseln Myrten. Es wird dem Herrn zum Ruhm, zu einem ewigen Denkzeichen sein, das nicht ausgerottet wird.“
Hier wird beschrieben, wie sich im Tausendjährigen Reich die Natur verändern wird. Heute ist die Natur noch unter dem Fluch. Dornen, Brennnesseln und Disteln sind Symbole des Fluches und erinnern daran, dass die Schöpfung nicht mehr vollkommen ist.
Im Tausendjährigen Reich wird das anders sein. Petrus nennt diese Zeit in Apostelgeschichte 3 die „Wiederherstellung aller Dinge“. Es werden paradiesische Zustände sein, und die Wehen der Natur, wie in Römer 8 beschrieben, werden zum Abschluss kommen.
Eigenartig: „Alle Bäume des Feldes werden in die Hände klatschen.“ Wie können Bäume klatschen? Ganz einfach: Die Blätter haben eine ähnliche Form wie Hände. Wenn der Wind durch die Bäume säuselt, bewegen sich die Blätter – das ist das „Klatschen“. Eine orientalisch-hebräische Bildersprache.
Nun zu Kapitel 56, wir haben noch drei Minuten: „So spricht der Herr: Wahret das Recht und übt Gerechtigkeit, denn mein Heil steht im Begriff zu kommen und meine Gerechtigkeit wird geoffenbart werden.“
Gott spricht zu Israel, zum Überrest, der nach der Entrückung zum Glauben kommt. Sie sollen treu sein und wissen, dass bald die große Befreiung kommt, wenn der Messias als König herrscht.
„Glückselig der Mensch, der dies tut, und das Menschenkind, das daran festhält, der den Sabbat hält, dass er ihn nicht entweiht, und seine Hand davor bewahrt, Böses zu tun.“
„Und der Sohn der Fremde, der sich dem Herrn angeschlossen hat, soll nicht sagen: ‚Der Herr wird mich sicherlich von seinem Volk ausschließen‘. Und der Verschnittene soll nicht sagen: ‚Siehe, ich bin ein dürrer Baum‘.“
Denn so spricht der Herr zu den Verschnittenen, die meine Sabbate halten, das erwählen, woran ich gefallen habe, und an meinem Bund festhalten: „Ihnen will ich in meinem Haus und in meinen Mauern einen Platz geben und einen Namen besser als Söhne und Töchter. Einen ewigen Namen, der nicht ausgerottet werden soll.“
Die Söhne der Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, um ihm zu dienen und den Namen des Herrn zu lieben, sollen Knechte sein. Jeder, der den Sabbat hält und an meinem Bund festhält, werde ich zu meinem heiligen Berg bringen – dem Tempelberg in Jerusalem – und sie werden sich an meinem Bethaus erfreuen.
Ihre Brandopfer und Schlachtopfer sollen wohlgefällig sein auf meinem Altar. Mein Haus wird ein Bethaus für alle Völker genannt werden. Spricht der Herr, der Ewige, der die Vertriebenen Israels sammelt: „Zu ihm, zu seinen Gesammelten, werde ich noch mehr hinzusammeln.“
Hier wird gesagt, dass Gott zum Überrest Israels auch einen Überrest aus den Völkern sammelt. Das ist in Offenbarung 7 die unzählbare Volksmenge aus allen Völkern, Nationen, Stämmen und Sprachen, die durch die große Drangsal gehen und ins Tausendjährige Reich kommen.
Sie werden zum Tempel nach Jerusalem kommen, wie in Hesekiel 40 bis 48 beschrieben. Dort wird ein dritter Tempel gebaut, mit einem dritten Vorhof von 500 auf 500 Rut (etwa 1,5 x 1,5 km). Der Tempelplatz im Tausendjährigen Reich wird gigantisch sein – etwa 17-mal größer als der Tempelplatz zu Jesu Zeiten.
Warum so groß? Weil die Bekehrten aus den Völkern, die ins Tausendjährige Reich kommen, diesen Tempel besuchen werden. Gott sagt, sie werden einen Platz in seinem Haus haben.
Unter dem alten Bund von Sinai durften Verschnittene (5. Mose 23) nicht in den Tempel gehen. Im Tausendjährigen Reich wird das anders sein. Sie müssen nicht sagen: „Ich bin aus den Völkern, ich bin kein Jude, und ich bin verschnitten, ich darf nicht kommen.“ Sie werden kommen. Das Bethaus ist für alle Völker.
Man darf nicht den Fehler machen, das auf die Gemeinde heute zu übertragen. Kolosser 2,18 lehrt klar, dass die Gemeinde den Sabbat nicht halten soll. Auch der Galaterbrief macht deutlich, dass die Gemeinde das Gesetz von Sinai nicht halten muss. Wer das lehrt, verbreitet Irrlehre.
Es ist wichtig, die Zeitalter in der Bibel auseinanderzuhalten, sonst entsteht ein heilloses Durcheinander.
Hier wird über die Nationen im Tausendjährigen Reich gesprochen. Diese Gläubigen aus den Nationen gehören nicht zur Gemeinde. Zur Gemeinde gehören nur die Gläubigen von Pfingsten bis zur Entrückung.
Nach der Entrückung gibt es Israel als irdisches Volk, das von Gott angenommen wird, und es gibt die Gläubigen aus den Nationen. Das sind Menschen, die nicht vor der Entrückung das Evangelium gehört hatten. Manche verhärten sich und werden vom Antichrist verführt.
Doch viele, die das Evangelium noch nie gehört haben, können sich bis zur Entrückung bekehren. Eine unzählbare Schar wird sich bekehren, wie in Offenbarung 7 beschrieben: Sie haben Palmen in ihren Händen und kommen zum Tempel, zum Haus Gottes, und dienen Gott Tag und Nacht.
Sie bekommen einen Platz in Gottes Haus und werden zu seinem heiligen Berg gebracht. Sie freuen sich an seinem Bethaus. Ihre Brandopfer und Schlachtopfer sind wohlgefällig auf dem Altar.
Das Abendmahl wird es dann nicht mehr geben. Das Abendmahl gilt nur bis zur Entrückung (1. Korinther 11). Dort verkündigen wir den Tod des Herrn, bis er kommt. Danach haben die Opfer eine andere Bedeutung: Sie erinnern an das Opfer von Jesaja 53.
Schön ist, dass der Golgatha-Felsen in Jerusalem genau in den äußeren Vorhof von 500 mal 500 Rut hineinragt. Im Tausendjährigen Reich werden die Nationen kommen und im Vorhof den Golgatha-Felsen sehen und wissen, dass der Herr dort seine Seele ausgeschüttet hat.
Alle Opfer nach Jesaja 57 und Hesekiel 40-48 sind Erinnerungen an das eine wahre Opfer, das unsere Sünden weggenommen hat – das Opfer von Jesaja 53.
„Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird er Samen sehen.“ Damit wollen wir an dieser Stelle schließen und beten:
Herr Jesus, wir können dir nie genug danken für dein Wort, das uns dein Licht gibt und hilft, zu verstehen, wo wir in der Heilsgeschichte stehen. Wir erkennen, was unsere Zeit in deinen Augen bedeutet, was unser Auftrag ist, was wichtig ist und was unwichtig.
Hilf uns, uns noch mehr nach deinem Wort auszurichten, dass du den ersten Platz in unserem Leben einnimmst. Hilf uns, in dieser Endzeit die letzten Menschen zu dir zu rufen.
Hilf uns, ein glaubwürdiges Zeugnis zu sein. Wir freuen uns auf den Tag, an dem wir in der Herrlichkeit all die Frucht sehen werden, die dein Wort gewirkt hat, ohne dass wir es hier auf Erden bewusst wahrgenommen haben.
Danke für diese wunderbaren Verheißungen, dass dein Wort nicht leer zurückkehrt. Amen.
