Guten Abend, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir befinden uns in Lukas 22 und lesen gleich ab Vers 35.
Wir sind immer noch an diesem einzigartigen Abend, dem Vorabend der Kreuzigung. Der Herr war mit seinen Jüngern oben im Saal versammelt, um das Passa zu feiern. Jetzt kommen wir zu Vers 35.
Von der Aussendung ohne Ausrüstung zur neuen Mission
Als ich euch ohne Börse, Tasche und Sandalen sandte, mangelte es euch an nichts. Sie aber antworteten, es fehle ihnen nichts.
Da sprach er nun zu ihnen: „Aber jetzt, wer eine Börse hat, der nehme sie mit, ebenso eine Tasche. Und wer keine hat, der verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwert. Denn ich sage euch, dass noch erfüllt werden muss, was geschrieben steht: ‚Und er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden.‘ Auch das, was mich betrifft, hat seine Vollendung.“
Sie aber sagten: „Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter.“ Er antwortete ihnen: „Es ist genug.“
Dann ging er hinaus und begab sich, der Gewohnheit nach, zum Ölberg. Die Jünger folgten ihm.
Als er an den Ort gekommen war, sprach er zu ihnen: „Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet!“ Er zog sich etwa einen Steinwurf weit von ihnen zurück, kniete nieder und betete: „Vater, wenn du diesen Kelch von mir wegnehmen willst, so geschehe nicht mein Wille, sondern der deine.“
Es erschien ihm ein Engel vom Himmel, der ihn stärkte.
Das Gebet in Gethsemane und die menschliche Seite Jesu
Und als er in ringendem Kampf war, betete er heftiger. Sein Schweiß wurde wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen.
Er stand auf, betete und kam zu den Jüngern. Dort fand er sie eingeschlafen vor Traurigkeit. Er sprach zu ihnen: „Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“
Während er noch redete, siehe, da kam eine Volksmenge. Judas, einer von den Zwölfen, ging vor ihnen her und näherte sich Jesus, um ihn zu küssen. Jesus aber sprach zu ihm: „Judas, überlieferst du den Sohn des Menschen mit einem Kuss?“
Als die, die um ihn waren, sahen, was geschehen würde, fragten sie: „Herr, sollen wir mit dem Schwert zuschlagen?“ Einer von ihnen schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab.
Jesus aber antwortete und sprach: „Lasst es so.“ Dann berührte er das Ohr des Mannes und heilte ihn.
Die Verhaftung und die Reaktion Jesu
Jesus sprach aber zu den Hohenpriestern, den Hauptleuten des Tempels und den Ältesten, die gegen ihn gekommen waren: „Seid ihr ausgezogen wie gegen einen Räuber, mit Schwertern und Stöcken?
Als ich täglich bei euch im Tempel war, habt ihr die Hände nicht gegen mich ausgestreckt.
Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“
Die Bedeutung des Wechsels in der Missionsanweisung
Nachdem er zuerst eine wichtige Frage gestellt hat, die man auch manchen Missionaren stellen sollte: Als ich euch ohne Geldbeutel, Tasche und Sandalen sandte, fehlte euch wohl etwas? Sie können einfach nur bezeugen, dass sie die Treue des Herrn erlebt haben – an nichts. Der Herr hat für sie gesorgt.
Und jetzt, ganz wichtig, in Vers 36 gibt es eine Änderung. Er hatte das in Lukas 9 so angeordnet, als er die zwölf aussandte – das haben wir damals ausführlich behandelt. Sie sollten also keine Stäbe mitnehmen, keine Tasche, noch Brot, noch Geld, auch nicht zwei Unterkleider (Lukas 9,3). Er sagt, sie sollen von Ort zu Ort gehen und damit rechnen, dass sie aufgenommen werden. Wenn sie nicht aufgenommen werden, dann sollen sie weitergehen.
So erwartete der Herr, dass diese Zwölf, die er als Apostel ausgesandt hatte, entsprechend den zwölf Stämmen Israels auch durch diese versorgt würden. Ich muss vielleicht auch betonen, dass damals alle zwölf Stämme im Land vertreten waren. Darum spricht auch Paulus in Apostelgeschichte 26 vor Agrippa: „Unser zwölfstämmiges Volk dient Gott Tag und Nacht im Tempel“, will er sagen. Auch Jakobus schreibt seinen Brief an gläubige Juden und grüßt „die zwölf Stämme, die in der Zerstreuung sind“ (Jakobus 1,1). Also die zwölf Stämme.
Der Herr hat die zwölf Apostel als seine messianischen Abgesandten zu Israel geschickt und erwartet, dass Israel für sie aufkommt. Jetzt aber sagt er: Jetzt wird alles anders. Wer einen Geldbeutel hat, der soll ihn nehmen, auch eine Tasche.
Und warum dieser Wechsel? Was ist der Grund? Israel hat ihn abgelehnt. Wir sind hier am Vorabend der Kreuzigung. Es war klar: Der Messias wird verworfen werden. Der Herr Jesus hat während des Passamals den dritten Kelch genommen, den Wein, und erklärt: „Dies ist mein Blut.“ Der Messias soll sterben. Gott erwartet nicht mehr, dass die Apostel durch Israel unterstützt werden.
So gibt es jetzt eine Änderung. Das ist sehr wichtig, um zu zeigen, dass man nicht einfach sagen kann: „Schau mal, in Lukas 9 steht, man soll so und so als Missionar losziehen, ohne Stab, ohne Tasche.“ Ja, das war richtig für diese Zeit, als Jesus sie für Israel ausgesandt hatte. Aber hier finden wir die Wende, Vers 36: „Aber jetzt...“
Das ist eine Illustration, wie wichtig es ist, das Wort der Wahrheit gerade zu schneiden. In 2. Timotheus 2 sagt der Apostel Paulus, dass ein Gläubiger sich darstellen soll als ein bewährter Arbeiter, das heißt Facharbeiter. Ich gebe einfach die Stelle an: 2. Timotheus 2,15: „Befleißige dich, dich selbst Gott bewährt darzustellen als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit recht teilt.“ Wörtlich erklärt die alte Elberfelder Übersetzung: „in gerader Richtung schneidet“.
Man muss also ganz klar trennen, was sich auf die Zeit bezieht, als der Messias auf Erden lebte und seine Jünger für Israel ausgesandt hat, und was jetzt gilt, wo der Messias verworfen ist und seine Jünger ausgesandt werden. In der Apostelgeschichte, dem zweiten Teil des Lukas-Evangeliums, sehen wir schließlich, wie dieser Dienst bis zu den Nationen ausgeht.
Wir sehen aber zum Beispiel im 2. Johannesbrief, dass mit der Entstehung der Gemeinde an Pfingsten und ihrer Ausbreitung Gott eine neue Art für Missionare geschaffen hat. Im 3. Johannesbrief lesen wir, dass Johannes Anweisungen an Gaius gibt: „Geliebter, treu tust du, was du an den Brüdern, und zwar an Fremden, getan hast. Sie haben vor der Gemeinde von deiner Liebe Zeugnis gegeben. Und du wirst wohltun, wenn du sie zur Reise ausstattest, wie es gotteswürdig ist. Denn für den Namen sind sie hinausgegangen, und sie nehmen nichts von den Heiden. Wir nun sind schuldig, solche aufzunehmen, damit wir Mitarbeiter der Wahrheit werden, für den Namen des Herrn Jesus.“
Da besteht also eine Schuldigkeit, sie aufzunehmen und für sie zu sorgen, damit sie diesen Dienst für die Wahrheit tun können. Wenn für sie gesorgt wird, wird man Mitarbeiter der Wahrheit.
Interessant ist übrigens, dass der 3. Johannesbrief betont, dass man diese aufnehmen muss. Im 2. Johannesbrief wird hingegen vor einer Frau gewarnt, die falsche Lehre bringt. Dort heißt es, man solle sie nicht aufnehmen. Also: Falsche Lehre ablehnen (2. Johannesbrief), aber wahre Lehrer, die für den Namen ausgegangen sind, aufnehmen (3. Johannesbrief). Man könnte als Titel schreiben: 2. Johannesbrief – nicht aufnehmen, 3. Johannesbrief – aufnehmen.
Es ist wichtig, zu unterscheiden und nicht einfach ab Lukas 9 zu sagen, so gilt es immer. Es gibt den Wechsel in Lukas 22, Vers 35, und dann wieder einen Wechsel mit der Entstehung der Gemeinde, die auch für Unterstützung sorgen konnte. Dazwischen war ein Loch. Darum sagt der Herr: Wer einen Geldbeutel hat, nehme ihn mit, ebenso eine Tasche. Jetzt mussten die Jünger selbst schauen, wie sie in der weiteren Zeit durchkommen. Aber später war dann wieder für sie gesorgt.
So gibt es verschiedene Abschnitte. Das gilt eigentlich für die ganze Bibel. Man sieht die Zeit im Paradies – das war eine ganz andere Zeit als die Zeit nach dem Sündenfall bis zur Sintflut. Nach der Sintflut gibt Gott neue Gebote an Noah, die er vorher nicht gegeben hatte. Da muss man beachten: Ach so, jetzt haben wir einen neuen Zeitabschnitt. Jetzt darf man zum Beispiel Fleisch essen, vorher war alles vegetarisch, und es gab noch mehr solche Änderungen.
Dann sehen wir, wie Gott Abraham, Isaak und Jakob und schließlich das Volk Israel auserwählt. Er macht mit ihnen einen Bund und gibt ihnen ganz spezielle Gebote, die er den anderen Völkern nicht gibt. So muss man richtig unterscheiden und schauen: Ach so, das bezieht sich jetzt auf die Zeit nach dem Sündenfall, das sind diese Änderungen. Seit der Sintflut gibt es nochmals Änderungen, und mit dem Volk Israel ist es nochmals anders und ganz speziell.
So kommt man ins Neue Testament. Auch da muss man unterscheiden, sonst hat man immer ein Durcheinander. Darum habe ich in meiner Bibel Vers 36 ganz speziell angestrichen. Hier gibt es einen Wechsel.
Die Bedeutung der Schwerter und die Ablehnung der Gewalt
Und dann überrascht es, dass der Herr sagt, sie sollen dafür sorgen, dass sie Schwerter dabei haben. Der Grund dafür ist: Es handelt sich hier nicht um Symbolik, sondern sie mussten sich tatsächlich selbst schützen. Ob sie sich wirklich mit dem Schwert verteidigen mussten, ist eine andere Frage. Denn wir sehen gleich danach, dass Petrus das Schwert benutzt hat – aber falsch.
Der Herr sagt also, sie sollten ein Schwert dabei haben. In Matthäus 26,52 heißt es: „Denn alle, die das Schwert nehmen, werden durch das Schwert umkommen.“ Diese Stelle zeigt, dass der Herr nicht wollte, dass sie Widerstandskämpfer werden. Trotzdem sagte er, sie sollten Schwerter mitnehmen. Schließlich sagen sie: „Da sind zwei Schwerter.“ Der Herr antwortet: „Es reicht, es ist genug.“
Was ist der Grund dafür? Philipp, du hast vielleicht eine historische Frage gestellt: Kann man daraus schließen, dass damals bei der mittelalterlichen Kreuzfahrt die Kreuzigung mit dem Schwert und die Bekehrung aus dieser Stelle entstanden sind? Die Aussage „Wir gehen mit dem Schwert in die Bekehrung“ gegenüber den sogenannten Heidenvölkern zu Christen stammt wohl nicht aus dieser Bibelstelle. Ich denke nicht, dass diese Stelle die Begründung für die Kreuzritter im Mittelalter war. Gerade hier wird klargemacht, dass der Herr nicht wollte, dass sie mit dem Schwert kämpfen.
Petrus stellt ja in Vers 49 die Frage: „Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“ Dabei spricht nicht nur er selbst, sondern auch die anderen Jünger. Der Herr macht deutlich, dass dies nicht sein Wille ist. Die Kreuzritter konnten sich zwar auf Israel berufen – das irdische Volk Gottes, das mit dem Schwert kämpfte und das Land eroberte. Aber das zeigt, welche Auswirkungen es hat, wenn man die Schrift nicht richtig auslegt.
Das irdische Volk Gottes führte einen irdischen Kampf mit Fleisch und Blut. Das himmlische Volk Gottes, also die Gemeinde im Neuen Testament, die Kirche, kämpft anders. Epheser 6,10-12 sagt: „Unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut.“ Dort wird gesagt, wir sollen das Schwert des Geistes nehmen, das Gottes Wort ist.
Die Hauptbegründung der Kreuzritter war also die Parallele zu Israel. Ja, das ist mir klar, dass du das meinst. Ob das tatsächlich eine Begründung war, wolltest du wissen. Sehr gut. Möchte noch jemand etwas sagen? Nein?
Also, was ist der Grund, warum der Herr von zwei Schwertern spricht? Es ist eigentlich ganz einfach. Die Frage wird oft gestellt, und viele denken, das sei schwierig. Aber es ist ganz einfach: Der Herr sagt, dass das erfüllt werden muss, was in Jesaja 53,12 steht – dass er unter die Gesetzlosen gerechnet wird.
Allein die Tatsache, dass seine Jünger Schwerter bei sich hatten, konnte dazu führen, dass man sie als Rebellen ansah, obwohl der Herr nicht wollte, dass sie kämpften. Übrigens kann man Schwerter auch für andere Zwecke nutzen. Das Schwert von Petrus war sowieso nicht mehr ganz in Ordnung.
Die Ausdrucksweise ist interessant: Als Petrus das Schwert abgehauen hat, war es ein römischer Soldat, der ein sehr starkes Schwert hatte. Das war ein Kurzschwert für den Nahkampf, mit dem er an der richtigen Stelle zuschlagen konnte. Dann war der Helm gespalten und der Schädel auch.
Bei Petrus sieht man, dass er ein Fischer war, kein Soldat. Sein Schwert ging vorbei und schnitt nur das Ohr ab. Der Herr sagt: „Lasst es so weit“ und berührt das Ohr, das er heilt. Das ist das einzige Heilungswunder gegenüber einem Feind. Es ist etwas ganz Besonderes.
Übrigens wird diese Heilung nur im Lukas-Evangelium erwähnt. Doktor Lukas war Arzt und durfte das so genau schreiben. Er heilte ihn.
René, du wolltest noch etwas sagen? Könnte man hier von selbsterfüllender Prophetie sprechen? Sehr gut, das könnte man. Es gibt Kritiker, die sagen, biblische Prophetien seien nichts Besonderes. Jesus Christus habe dafür gesorgt, dass diese Prophezeiungen nacheinander erfüllt wurden.
Hier sehen wir, dass der Herr sich bewusst war, dass das erfüllt werden muss: Er wird unter die Gesetzlosen gerechnet. Er sagt also: „Ihr könnt ein Oberkleid verkaufen und ein Schwert kaufen, obwohl es eigentlich nicht nötig ist.“ Das ist ein Beispiel, wo der Herr bewusst handelt, damit etwas in Erfüllung geht.
Aber das erklärt die messianische Prophetie nicht vollständig, denn es gibt über dreihundert Prophezeiungen. Wenn wir zum Beispiel mit der Geburt in Bethlehem beginnen: Wie kann jemand bestimmen, dass er in Bethlehem geboren wird? Das ist unmöglich.
Und es gab über 50 falsche Messiasse im Judentum nach Jesus Christus, die alle daran scheiterten, dass sie nicht aus Bethlehem stammten. Wie kann man bestimmen, dass man aus der richtigen Linie stammt, nämlich als Nachkomme von König David?
So ließen sich viele Beispiele anführen. Natürlich könnte man sagen, es gab jemanden, der Nachkomme Davids war und in Bethlehem geboren wurde. Er hätte also die Gelegenheit gehabt, die Prophetie zu erfüllen.
Aber wenn jemand schon so viele Voraussetzungen mitbringt, um der Messias zu sein, hätte man erwarten müssen, dass das jüdische Volk ihn mit offenen Armen empfängt. Doch die Prophetie des Alten Testaments sagt, dass die Mehrheit des Volkes ihn verwerfen wird.
Wie konnte der Herr bewirken, dass das Volk, das ihn drei Jahre lang gehört hatte, ihn schließlich ablehnte? Wie konnte das geschehen? Und dann wurde er gekreuzigt, und alle Prophezeiungen über die Kreuzigung wurden erfüllt.
Bald darauf sollte Jerusalem zerstört und der Tempel vernichtet werden. Wie konnte jemand, der gerne Messias sein wollte, bewirken, dass nach seinem Tod Jerusalem zerstört wird, der Tempel fällt und das jüdische Volk zerstreut wird – auf alle fünf Kontinente?
Das geht überhaupt nicht. Aber es zeigt, dass der Herr sich bewusst war, wie sich die Prophetie in seinem Leben erfüllte.
Von einer selbsterfüllenden Prophetie in der gesamten messianischen Prophetie zu sprechen, ist einfach absurd.
Das war eine sehr gute Frage, denn sie hilft auch im Gespräch mit Ungläubigen, um gute Antworten geben zu können.
Das Gebet am Ölberg und die menschliche Natur Jesu
Und dann gehen wir weiter zu Vers 39: Der Herr begibt sich nach seiner Gewohnheit an ein Ölwerk. Die Passafeier war abgeschlossen. Im Matthäusevangelium, in der Parallelstelle, heißt es, sie sangen noch ein Loblied, einen Hymnus. Im Griechischen steht dort genau dieses Wort. So nannte man die Psalmen 113 bis 118, die Psalmen, die man an der Passafeier singt. Ganz am Schluss der Feier wird noch Psalm 115, 16-18 gesungen.
Dann ging der Herr aus dem Obersaal hinaus zum Ölberg. Hier wird betont, dass er das nach seiner Gewohnheit tat. Wir sehen auch in Johannes 8, dass der Herr Jesus, wenn er in Jerusalem war, oft auf dem Ölberg übernachtete. Das war ein Ort, den er ganz besonders liebte. Aber nur im Lukasevangelium wird ausdrücklich „nach seiner Gewohnheit“ gesagt.
Gewohnheiten sind etwas ganz Typisches Menschliches. Lukas wurde als Arzt berufen, das Lukasevangelium zu schreiben. Es betont am meisten, dass der Herr Jesus wahrer Mensch geworden ist. Im Lukasevangelium finden wir das Wort „Gewohnheit“ insgesamt fünfmal:
- Kapitel 1, Vers 9: Es geht um die Gewohnheit des Priestertums bei Zacharias.
- Kapitel 2, Vers 27: Nach der Gewohnheit des Gesetzes erfüllen Maria und Joseph die vorgeschriebenen Rituale.
- Kapitel 2, Vers 42: Der Herr Jesus geht als Kind nach Jerusalem – nach der Gewohnheit des Festes, also wie es in der Bibel vorgeschrieben ist, dass man als Israelit die obligatorischen Feste besucht.
- Kapitel 4, Vers 16: Der Herr Jesus geht nach seiner Gewohnheit in die Synagoge in Nazaret.
Dort steht „nach seiner Gewohnheit“. Im Alten Testament ist nirgends vorgeschrieben, dass man in die Synagoge gehen muss. Die Synagoge ist eine spätere Institution nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft. Aber es war eine gute Einrichtung, denn dort wurde regelmäßig die Bibel gelesen, zusammen gebetet und die Schrift ausgelegt und erklärt. Der Herr Jesus ging nach seiner Gewohnheit regelmäßig zu diesen Zusammenkünften.
Hier ging er regelmäßig zum Ölberg – das ist ebenfalls seine Gewohnheit. In den anderen Fällen beziehen sich die Gewohnheiten auf die Heilige Schrift. Es gibt schlechte Gewohnheiten und gute Gewohnheiten, rein menschliche Gewohnheiten und solche, die sich direkt auf die Heilige Schrift gründen. Es gibt Gewohnheiten, die vom Herrn Jesus kommen, und solche, die aus unserer sündigen Natur stammen. Da muss man unterscheiden. Aber all die Gewohnheiten des Herrn Jesus waren gute Gewohnheiten.
Es gibt Leute, die aus Prinzip gegen Gewohnheiten sind und aus Prinzip alles ändern wollen. Das ist typisch für junge Leute – sonst wären sie keine jungen Leute. Man möchte etwas Neues und ist dadurch oft kritisch gegenüber dem, was einfach von Alters her so ist. Wenn man älter wird, merkt man plötzlich, dass es wirklich gute Dinge gibt und auch Dinge, die an Traditionen völlig daneben sind.
Die Bibel macht uns nicht zu Traditionalisten an sich, sondern wir sind kritisch gegenüber Tradition. Das hat der Herr Jesus auch gelehrt, wenn wir an Markus 7 denken. Dort spricht er scharf gegen die Einrichtungen der Rabbiner, die gegen die Bibel verstoßen. Er verurteilt falsche Traditionen und falsche Gewohnheiten. Auf der anderen Seite sehen wir, wie der Herr gute Gewohnheiten gepflegt hat. So war es auch eine wunderbare Gewohnheit, dass er zum Ölberg ging – und die Jünger kamen mit ihm.
Dort betete der Herr Jesus auf eine ganz besondere Weise. Wo genau war das am Ölberg? Steht das in deiner Bibelausgabe? In meiner Bibel gibt es keine Überschriften. Die Übersetzer der alten Elberfelder und auch der CSV Hückeswagen wollten bewusst keine Zwischentitel einfügen. Manche finden das schade, weil man sich mit Überschriften besser orientieren kann. Aber die Übersetzer haben das bewusst gemacht, damit man nicht schon durch Überschriften in eine Schublade gesteckt wird. So liest man das Wort einfach als das Wort.
Es gibt auch falsche Hinweise durch Überschriften, zum Beispiel in 1. Korinther 11. Dort gibt es Überschriften über das Verhalten in der Gemeinde. Es geht um Kopfverdeckung bei Frauen und Männern, um Weissagung bei Frauen und Männern. Dann sagt man: „Seht ihr, in der Gemeinde geht das so.“ Die Kopfverdeckung sei nur für die Gemeinde, so lautet der Titel. Und man erklärt, das gehöre nicht dazu.
1. Korinther 11 spezifiziert aber gerade nicht den Ort, sondern grundsätzlich die Schöpfungsordnung. In Kapitel 14, Vers 34 im Ersten Korintherbrief sagt Paulus jedoch, Frauen sollen in der Gemeinde schweigen. Dort wird der Ort spezifiziert, in 1. Korinther 11 nicht. Es gibt also keinen Widerspruch. Das Durcheinander kann von einer Überschrift kommen.
Das war nur ein kleiner Exkurs. In Matthäus und Markus steht an der Parallelstelle „Gethsemane“. Was heißt Gethsemane auf Deutsch? Es sind eigentlich zwei Wörter. Auf Hebräisch würde man es „Gat Schmanim“ aussprechen. Die Evangelien sind griechisch geschrieben, deshalb wurde das hebräische „sch“ durch ein „s“ ersetzt und der Name der griechischen Sprache angepasst. „Gat Schmanim“ bedeutet „Presse des Öls“ oder „Ölpresse“.
Dann betete der Herr Jesus so heftig, dass wir in Vers 44 lesen: „Sein Schweiß wurde wie große Blutstropfen, die auf die Erde fielen.“ Dieses Phänomen ist bekannt: In extremen Situationen kann Blut aus den Blutbahnen austreten und durch die Zellen hindurchgehen – ein wörtliches Blutschwitzen. Das entsteht nur bei äußerstem Druck.
Da sind wir bei der Ölpresse. Wenn man Oliven geerntet hat, sind sie ziemlich hart. Was macht man als Erstes, um daraus Öl zu gewinnen? Die Oliven kommen in einen großen Steinbehälter mit einem großen Mahlstein. Das ist ein Eselsmalstein. Ein Esel wird an einem Holzbalken geführt und dreht den Stein im Kreis. Dabei werden die Oliven zerdrückt und platzen auf. Das ist die erste Phase – genau das erlebt der Herr hier. Sein Schweiß wurde wie große Blutstropfen.
In Matthäus und Markus wird berichtet, dass der Herr Jesus in drei Phasen betete. Immer wieder sagte er: „Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“ – dreimal. Das entspricht den drei Pressungen der Oliven.
Nach der ersten Pressung nimmt man die Oliven heraus und legt sie in einen beweglichen Korb. Dieser Korb kommt unter die Ölpresse mit einem schweren Stein und darüber einem Balken. Sehr schwere Steine werden angehängt – man kennt das aus dem alten Israel, bis zu 500 Kilogramm schwere Steine.
Dann geschieht die zweite Pressung. Was kommt da heraus, Carmine? Das Öl. Das ist das „extra virgin“ Öl – die erste Pressung, das beste Öl. Dieses Öl wurde im alten Israel für das Beste verwendet, für Gott. Es wurde für den Tempel gegeben, um die Lampen zu speisen.
Welche Lampen? Die Menora, der siebenarmige Leuchter im Heiligtum. Außerdem gab es große Lampen im Frauenvorhof, etwa 2,5 Meter hoch, mit Gefäßen, die neun Liter Olivenöl fassten. Als Docht verwendete man abgetragene Priestergewänder. Diese Lampen wurden nicht ständig angezündet, sondern am Laubhüttenfest nachts, da das Fest auch nachts gefeiert wurde.
Später wurde das Chanukkafest in der Makkabäerzeit eingeführt. Es wurde nach dem Laubhüttenfest im Dezember nachgebildet, und auch dort verwendete man diese Leuchter. Jeden Tag brauchte man Olivenöl für die Speisopfer, Feinmehl gemischt mit Öl, wie in 3. Mose 2 beschrieben.
So wurde das beste Öl für den Tempel gegeben. Dann kam die zweite Pressung, das Öl war etwas minderwertiger, wurde aber für die Nahrung verwendet, also zum Kochen, sowie für Medizin und Kosmetik. In Psalm 45 wird davon gesprochen, wie das Gesicht glänzt – das Olivenöl war das Mittel, um die Haut geschmeidig zu halten. Früher gab es keine teuren Cremes, Olivenöl war das Pflegemittel.
Die zweite Pressung hatte also eine große alltägliche Bedeutung. Dann kam die dritte Pressung. Jetzt kannst du kommen, Philipp! Die dritte Pressung war für die Öllampen im alltäglichen Gebrauch und auch für Seife. Drei Pressungen, und dann war es fertig.
In Gethsemane sehen wir den Herrn Jesus unter diesem Druck – verbunden mit dem dreimaligen Beten, entsprechend der dreifachen Pressung. Das alles geschieht in Gatschmanim, bei der Ölpresse.
Die Jünger sind einfach nicht bei der Sache. Sie schlafen und sind traurig, und das nach diesem Fest! Sie hatten gerade ein Fest gefeiert. Man muss wissen: Der Sederabend ist ein freudiges Fest, etwas Besonderes. Es ist nicht wie Jom Kippur, wo alle weinen und sich an die Brust schlagen, um ihre Sünden zu bereuen. Aber hier sehen wir, dass die Jünger nach dem Fest traurig sind und vor Traurigkeit einschlafen.
Der Herr sagt schließlich in Vers 46: „Was, schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“ Hier wird eine wichtige Anweisung gegeben, wie man Versuchungen widerstehen und bestehen kann. Eine von vielen Antworten ist einfach: wach sein, geistlich wach sein und beten. So kann der Herr uns Kraft geben, um zu überwinden.
Noch etwas Wichtiges in diesem Abschnitt steht nur bei Lukas, Vers 43: „Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel, der ihn stärkte.“ Das wird nicht im Johannesevangelium erwähnt, wo der Herr Jesus als ewiger Sohn Gottes und Schöpfer vorgestellt wird. Auch nicht im Matthäusevangelium, wo er als König dargestellt wird, und nicht im Markus-Evangelium, wo er als Knecht erscheint. Hier aber wird der Mensch Jesus gezeigt, der von einem Engel gestärkt wird.
Wie der Engel das gemacht hat, wird nicht gesagt, aber es wird erwähnt. Nach dieser schweren Zeit in Gethsemane heißt es ergänzend im Hebräerbrief 5:7: „In den Tagen seines Fleisches brachte er Bitten und Flehen mit starkem Geschrei und Tränen zum, der ihn aus dem Tod erretten kann, und wurde um seiner Gottesfurcht willen erhört. Obwohl er Sohn war, lernte er durch das, was er litt, den Gehorsam. Und vollendet ist er allen, die ihm gehorchen, zum Urheber ewigen Heils geworden.“
Hier ergänzt der Hebräerbrief, was man nicht in Matthäus, Markus oder Lukas findet. Im Johannesevangelium wird das Beten in Gethsemane gar nicht beschrieben. Aber mit starkem Geschrei und Tränen zeigt sich noch mehr, welch großer Druck das war.
Wenn man daran denkt, was wir über den Mahlstein gesehen haben: Er ist gewaltig schwer, deshalb benutzt man Esel, um ihn zu drehen. Der Stein zerdrückt die Oliven. Das alles ist nötig, um die wunderbaren Ergebnisse hervorzubringen: Licht, Nahrung, Erfrischung und Heilung – all das bewirkt die Olive.
Möchte noch jemand etwas sagen? Nein? Es steht im Hebräerbrief, dass der Herr Jesus um seiner Gottesfurcht willen erhört wurde. Er ist erhöht worden mit dem Gebet: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“ Das hat Gott erhört. Nicht „wie ich will“, sondern „wie du willst“. So wurde das Gebet des Herrn erhört. Und so ist er zum Urheber ewigen Heils geworden.
Die Bedeutung des Willens Jesu im Gebet
Das ist vielleicht auch noch ein Problem. Warum kann der Herr sagen: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille“? Das würde ja irgendwie nahelegen, als hätte der Herr einen falschen Willen gehabt. Auf diese falsche Idee könnte man kommen, aber man muss wissen: Der Wille des Herrn, dass er vor diesem Kelch verschont bleibt, war ein guter Wille.
Denn der Kelch, den er aus der Hand des Vaters nehmen sollte, bedeutet schon im Alten Testament, den Zorn Gottes in sich aufzunehmen. Es ist so, als würde man einen Kelch austrinken, und dieser Zorn Gottes wird Teil von einem selbst. Dieser Zorn Gottes bedeutete, dass der Herr Jesus als Mensch von Gott getrennt wurde. Er, der von Ewigkeit an immer in Gemeinschaft mit dem Vater war, als ewiger Sohn und dann auch als Mensch, konnte im Psalm 22 sagen: „Von Mutterschoß an bist du mein Gott.“ Das kann keiner von uns sagen.
Gott ist nicht unser Gott seit unserer Geburt, sondern erst seit der Bekehrung. Aber Jesus sagt: „Von Mutterschoß an bist du mein Gott.“ Er lebte immer in Gemeinschaft mit dem Vater. Auch als Zwölfjähriger sagte er: „Muss ich nicht in dem sein, was meines Vaters ist?“ Aber da wusste er, dass er getrennt werden würde. Mit unserer Sünde, mit dem Schmutz der Sünde, würde er direkt verbunden und identifiziert werden. Er sollte zur Sünde gemacht werden.
Und das war nicht sein Wille, es war unmöglich sein Wille. Trotzdem sagt er: „Dein Wille geschehe.“ Dieser andere Wille ist eben der Wille Gottes, dass wir gerettet werden. Darum steht in Jesaja 53,10 das unverständliche Wort: „Es gefiel dem Herrn, ihn zu zerschlagen. Er hat ihn leiden lassen.“ Das war ja nie das Wohlgefallen Gottes, den Zorn über unsere Sünden auf den Herrn Jesus zu bringen. Aber trotzdem steht es da: Es war sein Wille, es gefiel dem Herrn, es gefiel Gott im Blick auf unsere ewige Rettung.
So sind das zwei Willen Gottes, die eigentlich im Kontrast stehen. Der Herr Jesus war bereit, auf den einen Willen zu verzichten – nämlich dass er nicht mit der Sünde verbunden wird, nicht von Gott getrennt wird als Mensch und nicht unter den Zorn Gottes kommt. Aber dann wären wir verloren gegangen. Darum hat er gesagt: „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.“
Wichtig ist, dass es nicht zwei Willen sind, von denen der eine gut und der andere schlecht ist. Es sind zwei Willen, die einander ausschließen. Der Herr hat sich als Mensch dem Willen Gottes unterstellt.
Ja, René? Sehr gut. In Hebräer 5 heißt es, dass der Herr Jesus gehorsam gelernt hat, obwohl er Sohn war, und Sohn zum Retter wurde. Jetzt könnte man denken: „Gehorsam lernen“ bedeutet doch, dass ein Widerstand gegen Gehorsam da ist und man lernen muss zu gehorchen. So ist es bei uns gegangen. Wir haben als Kinder gehorsam gelernt, und es gab Konsequenzen. Diese Konsequenzen haben sich in unserem Gehirn eingeprägt. Sogar wenn man eine Strafe bekam, die Schmerzen bereitete, hat sich dieser Schmerz eingeprägt.
Das macht es möglich zu sagen: Wer als Kind gelernt hat zu gehorchen, kann als Erwachsener leichter Gott gehorchen. Es ist etwas, das im Gehirn fest verankert wird. Wir mussten lernen, unseren Eigensinn zurückzustellen und uns unterzuordnen.
Beim Herrn Jesus heißt es jetzt auch, dass er gehorsam gelernt hat. Aber hier wird gesagt: „Obwohl er Sohn war.“ Übrigens nicht „weil er Sohn war“, sondern „obwohl er Sohn war“. Das heißt, er ist von Ewigkeit her der ewige Sohn. Als ewiger Sohn war er Gott nicht unterstellt, Gott dem Vater.
Darum in Johannes 5: Die führenden Juden haben das richtig verstanden, als er Gott seinen eigenen Vater nannte. Da sagten sie: „Du machst dich Gott gleich!“ Das war für sie klar. Wenn jemand sagen kann: „Gott ist mein Vater“, dann sagt er: „Ich bin der eingeborene Sohn, der Gott gleich ist.“
So musste der Herr Jesus als Sohn nicht gehorchen. Aber er wurde Mensch, erniedrigte sich und lernte etwas, was er nie aus eigener Erfahrung kannte. Er lernte Gehorsam einfach durch die neue Erfahrung, sich zu unterstellen. Also nicht, weil er in sich einen Widerstand hatte. 1. Johannes 3 sagt ganz klar: Sünde ist nicht in ihm. Er hatte nicht die Versuchung von innen, wie wir sie haben.
Darum ist es interessant, dass es heißt: „Obwohl er Sohn war“ und nicht „weil er Sohn war“. Das zeigt, dass der ewige Sohn Gott gleich war und Gott nicht unterstellt war.
Darum ein ganz wichtiges Wort noch: In Sacharja 13,7 sagt Gott: „Schwert, erwache, zerbreche meinen Hirten, den Mann, der mein Genosse ist.“ Und „mein Genosse“ ist auf Hebräisch das Wort „Amiti“ – „mein Amit“.
Der „Amit“ ist, wie man nachschauen kann, jemand, der im Volk sozial gleichgestellt ist, auf der gleichen Stufe steht. Also der „Amit“ ist der Ebenbürtige. Gott nennt den Messias „mein Ebenbürtiger“.
Das entspricht dann Philipper 2,5, wo es heißt, dass der Herr Jesus, als er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub hielt, gottgleich zu sein. Aber er hat sich selbst erniedrigt – und zwar in sieben Stufen. Die unterste Stufe ist dann der Tod am Kreuz. Also das zum gehorsamen Lernen.
Die Verhaftung Jesu und die Beteiligten
Gehen wir weiter zu Lukas 22, Vers 47. Während Jesus noch redete, kam eine Volksmenge, und Judas, einer der Zwölf, ging vor ihnen her. Er näherte sich Jesus, um ihn zu küssen.
Lassen Sie uns zusammenfassen, wer Judas bei seinem Kommen begleitet hat. Können wir das zusammentragen, was in den Texten zu finden ist?
Zunächst ist von einer Volksmenge die Rede. Das bedeutet, es waren gewöhnliche Leute aus dem Volk dabei, die ausgewählt wurden, um mitzukommen. Waren unter ihnen auch Feinde des Herrn?
Dann gibt es noch einen Priester, einen Knecht des Hohenpriesters. In Vers 50 heißt es: „Und ein gewisser von ihnen schlug den Knecht des Hohenpriesters.“ Das Wort „Knecht“ bedeutet hier Sklave, also ein spezieller Bediensteter des Hohenpriesters. Der Hohepriester selbst war ebenfalls anwesend.
Wer noch? Wo steht von den obersten Priestern? In Vers 52 wird das erwähnt. Übrigens, das kann man sich merken: Immer wenn im Neuen Testament in den Evangelien oder der Apostelgeschichte von „Hohenpriestern“ in der Mehrzahl die Rede ist, gab es zu dieser Zeit immer nur einen amtierenden Hohenpriester. Wenn also die Mehrzahl steht, muss man das eigentlich mit „führende Priester“ übersetzen.
Zur Zeit Jesu war Caiaphas der amtierende Hohepriester. Zuvor war sein Schwiegervater Annas Hohepriester, doch der Prokurator Valerius Gratius setzte ihn ab. Danach kamen einige seiner Söhne und schließlich sein Schwiegersohn Caiaphas an die Reihe. Das Amt war offiziell auf Lebenszeit, aber es herrschte ein gewisses Chaos. Annas und Caiaphas gehörten offenbar nicht zur legalen Linie von Zadok, sondern zu einer anderen Linie, weshalb sie nach biblischem Recht eigentlich keine Hohepriester hätten sein dürfen.
Also haben wir hier „Hohepriester“ im Sinne von führenden Priestern. Dann gibt es noch die Hauptleute des Tempels. Was sind das? Das sind die Leiter der Tempelpolizei. Es waren Leviten, die den Tempel bewachten. Jede Nacht war ein großes Kontingent im Einsatz, auch tagsüber kontrollierten sie, ob die Besucher sich gereinigt hatten. Diese Tempelpolizei wurde von Offizieren geleitet, ebenfalls Leviten. In den Parallelstellen der Evangelien werden auch die Diener erwähnt, hier in Vers 50 ist das Wort „Knecht“ für Sklave verwendet, aber in anderen Stellen wird von Dienern gesprochen, die als Tempelpolizisten die Wächter des Tempels waren.
Dann sind da noch die Ältesten. Was man hier nicht hat, aber in Johannes 19, Vers 12 erwähnt wird, ist der Oberste, der Chiliar, der oberste Offizier der Burg Antonia. Diese Burg lag in der Nordwestecke des Tempelplatzes. Dort war ein Kontingent römischer Soldaten stationiert, das Jerusalem und besonders den Tempel bewachte. Es waren etwa sechshundert Soldaten, eine Kohorte, die unter dem Chiliar stand. Eine Kohorte ist der zehnte Teil einer Legion, also etwa 400 bis 600 Mann. Es heißt, er nimmt die Kohorte mit. Das kann die gesamte Schar oder nur ein Teil davon gewesen sein, aber es wird definitiv von einer Kohorte gesprochen, nicht nur von einer kleinen Abordnung.
Man muss sich vorstellen: eine Volksmenge, mehrere hundert Soldaten, der Hohepriester selbst, die führenden Priester und die Ältesten. Das ist der Sanhedrin, der oberste Gerichtshof Israels, bestehend aus 71 Mitgliedern inklusive des Hohenpriesters.
Wie war der Sanhedrin aufgebaut? Der Hohepriester war einer davon. Dann gab es 24 führende Priester, die Sadduzäer waren, sowie 24 Pharisäer, die sich in 24 Älteste und 22 Schriftgelehrte aufteilten. Die Ältesten und Schriftgelehrten waren Pharisäer. Der Hohepriester und die führenden Priester waren Sadduzäer.
Paulus spielte diese Spaltung im Sanhedrin geschickt aus, wie in Apostelgeschichte 21 beschrieben, indem er die Lehrmeinungen gegeneinander stellte. So war der Sanhedrin gespalten und Paulus konnte gehen.
In Lukas 22, Vers 52 spricht Jesus zu den führenden Priestern, und die Ältesten werden erwähnt. Im Vers 66 werden alle Gruppen genannt: Ältestenschaft, führende Priester und Schriftgelehrte.
Jesus sagt zu ihnen: „Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und Stöcken. Ich war ständig im Tempel und habe nichts gemacht.“ Das zeigt, dass das Ganze nicht organisiert war.
Es folgen drei Verhandlungsphasen, die jüdischen Prozesse, und sie sind chaotisch. Das macht klar: Es war nicht organisiert.
Warum? Weil Jesus Judas gezwungen hat, mit seinem Plan zu beginnen. Wie wir gesehen haben, hat Judas sich mit den führenden Priestern und Hauptleuten, den Offizieren der Tempelpolizei, abgesprochen, wie er Jesus überliefern könnte. Sie waren erfreut und versprachen ihm Geld. Judas suchte eine Gelegenheit, Jesus ohne Volksauflauf zu überliefern. Sie sagten sogar: „Nicht am Fest!“
Das war eigentlich der Plan des Sanhedrins: die Verhaftung nicht am Fest. Doch wir wissen, wie der Herr den Sederabend feierte. Er gab zweimal Zeichen, wer ihn verraten würde. Beim zweiten Mal sagte er: „Was du tust, tue schnell.“ Judas ging sofort hinaus, während die anderen Jünger dachten, er müsse noch etwas für das Fest holen oder den Armen geben.
Judas verließ den Obersaal, um sich mit dem Sanhedrin abzusprechen. Er musste auch zu Pilatus gehen, denn römisches Gesetz verlangte, dass eine Kohorte nur auf Anklage des Landpflegers eingesetzt werden durfte. Der Landpfleger war normalerweise in Caesarea am Mittelmeer, aber zu Passah war Pilatus in Jerusalem.
Judas war der Anführer, nicht der Hohepriester, was darauf hinweist, dass er die Anklage bei Pilatus deponieren musste. Nun kommt er mit Leuten aus dem Sanhedrin, einer Volksmenge, Soldaten und der Tempelpolizei. Sie mussten handeln, aber es war chaotisch.
Jesus sagt: „Ich war so oft im Tempel und habe nichts gemacht. Jetzt kommt ihr mit Schwertern und Stöcken.“ Das war ideal in der Nacht, damit kein Volksauflauf entsteht. Doch nach jüdischem Gesetz durften Gerichtsverhandlungen und Todesurteile nur am Tag stattfinden.
Die Verhandlungen fanden im Haus von Caiaphas statt, was illegal war. Dort fiel der Hohepriester das Todesurteil. Die nächtliche Versammlung war illegal. Außerdem durfte der Sanhedrin keine Sitzung an einem Festtag oder am Vorabend eines Festtages abhalten. Es war der 15. Nissan, ein Festtag.
Wurde an einem regulären Tag eine Entscheidung getroffen, musste der Vollzug des Urteils auf den Folgetag verschoben werden. War der Folgetag ein Festtag, war das ebenfalls nicht erlaubt. Dennoch wurde in der gleichen Nacht das Urteil gefällt. Alles war illegal.
Man kann über zwanzig Verstöße gegen biblische und talmudische Gesetze aufzeigen. Wenn man das Vers für Vers liest, staunt man nur. Aus jüdischer Sicht war alles falsch.
Zum Beispiel mussten Richter freundlich zum Angeklagten sein. Hier war alles schon beschlossen, dass Jesus sterben musste. Der Hohepriester durfte seine Kleider nicht zerreißen, wie es in 3. Mose 19 steht. Doch auf dem Höhepunkt der Verhandlung riss Caiaphas seine Kleider.
Er forderte Jesus heraus, zu antworten. In Lukas 22, Vers 66 heißt es: „Als es Tag wurde, versammelte sich die Ältestenschaft des Volkes, die hohen Priester und Schriftgelehrten. Sie führten ihn in ihren Hohen Rat und fragten: ‚Bist du der Christus?‘ Er antwortete: ‚Wenn ich es euch sage, werdet ihr nicht glauben. Wenn ich aber frage, werdet ihr mir nicht antworten. Von nun an wird der Sohn des Menschen sitzen zur Rechten der Macht Gottes.‘ Sie sagten: ‚Du bist also der Sohn Gottes.‘ Er antwortete: ‚Ihr sagt, dass ich es bin.‘ Sie fragten: ‚Was brauchen wir noch Zeugnis? Wir haben es aus seinem eigenen Mund gehört.‘“
Die rabbinischen Gesetze schreiben vor, dass niemand aufgrund seiner eigenen Aussage verurteilt werden darf. Dies sollte verhindern, dass jemand aus Verzweiflung oder Selbstmordabsicht sich selbst belastet, oder dass jemand für einen anderen die Schuld auf sich nimmt. Es mussten andere Zeugenaussagen vorliegen, die die Schuld belegten. Hier wurde das Urteil allein auf Jesu Aussage gefällt – völlig illegal.
Es wird noch schlimmer: Jesus sagte, er sei der Christus und werde auf den Wolken des Himmels kommen. Das wurde als Gotteslästerung gewertet. Doch im Talmud heißt es, Gotteslästerung als Todesstrafe sei nur möglich, wenn dabei der unaussprechliche Name Gottes, JHWH, ausgesprochen wurde.
Jesus verwendet hier das Wort „Macht“ als Ersatz für den unaussprechlichen Namen Gottes. Er spricht ehrfürchtig von Gott, ohne den Namen auszusprechen. Deshalb hätte er nicht wegen Gotteslästerung zum Tod verurteilt werden dürfen.
Lukas berichtet nur einen Teil. In Matthäus und Markus finden wir weitere Details, die über zwanzig Verstöße gegen das Gesetz zeigen.
Die führenden Priester wollten Jesus töten, weil er sich gegen ihre Auslegung der Schrift wandte, die oft im Widerspruch zu Gottes Wort stand. Sie akzeptierten nicht, dass er sagte, die Bibel müsse so verstanden werden und nicht anders.
Sie verurteilten ihn als Gesetzesbrecher in einem Prozess, bei dem sie selbst biblische und rabbinische Gesetze in großer Zahl brachen, um ihr Ziel durchzusetzen.
In Matthäus 26 werden Zeugen gesucht, doch diese sind nicht einig. Im Talmud steht, dass uneinheitliche Zeugenaussagen ungültig sind.
Einige sagten, sie hätten gehört, wie Jesus sagte: „Ich kann diesen Tempel abbrechen und in drei Tagen wieder aufbauen.“ Andere sagten, er habe gesagt: „Ich werde diesen Tempel abbrechen und in drei Tagen wieder aufrichten.“ Das ist nicht dasselbe und kann nicht als Grundlage dienen.
In der Verzweiflung stellte der Hohepriester Jesus unter Eid, da er sonst geschwiegen hatte. Nach 3. Mose 5 muss man unter Eid antworten. Deshalb sprach Jesus hier ausnahmsweise.
Der Hohepriester verurteilte ihn aufgrund dieser Aussage zum Tod. Es ist ein Drama sondergleichen. Es zeigt, dass es nur um Hass ging, nicht um Wahrheit oder Fakten.
Dieser Mann aus Nazareth musste weg.
Beim nächsten Mal werden wir noch mehr sehen. Annas, der ehemalige Hohepriester, hatte eine besondere Rechnung offen. Es gab insgesamt drei Prozesse: bei Annas, bei Caiaphas und beim Sanhedrin am Morgen, der offiziellen Gerichtssitzung.
Annas war zwar nicht mehr Hohepriester, aber immer noch der mächtigste Mann neben Caiaphas. Sie arbeiteten zusammen.
Der Talmud spricht vom „Basar von Annas“, dem Verkauf von Opfertieren in der Königin-Säulenhalle, mit dem sie Geld machten und im Luxus lebten.
Jesus hatte zu Beginn seines Dienstes, in Johannes 2 und einige Tage vorher, die Verkäufer aus dem Tempel vertrieben und die Tische umgeworfen. Das war Annas’ Geschäft, ein großer Verkaufsladen.
Deshalb fand die erste Sitzung im Haus von Annas statt, dann bei Caiaphas.
Es war klar: Jesus musste weg. Es ging nicht um Wahrheit, sondern nur um das Ziel.
Schrecklich! So hat der Herr uns gerettet.
Wir schließen hier.