Einführung: Adressaten und Ziel der Prophetie
Es stellt sich zunächst die Frage, an wen dieses Kapitel gerichtet ist, an wen oder gegen wen? Vielleicht noch genauer: Wie ist die Ausrichtung? Ich meine jetzt genauer, ob es gegen Israel gerichtet ist. Das ist richtig, aber was sagt der Text ganz ausdrücklich?
Der Herr spricht normalerweise zu Ezechiel, ja, da wollte ich hinaus. In Vers 2 heißt es: „Du Menschensohn, so spricht der Herr, der Ewige, zum Land Israel.“ Das Land Israel steht hier im Fokus des Propheten.
Worauf richtete sich die Prophetie in Kapitel 6 beim letzten Mal? Ja, genau, auf die Berge Israels. Wir haben beim letzten Mal besprochen, dass die hauptsächlichste Gebirgskette von Norden nach Süden durch das Land Israel verläuft und größtenteils das sogenannte Westjordanland abdeckt. Auf dieses Gebiet sollte ein besonderer Fluch kommen.
Jetzt ist jedoch die Sicht des Propheten noch allgemeiner. Es geht nicht nur um die Berge Israels, sondern hier steht das Land als Ganzes im Visier, das unter das Gericht Gottes kommen soll.
Hat noch jemand das Blatt mit den Fragen bei sich? Kaum noch, oder? Doch, ah ja! Also, das wäre eigentlich Frage eins zu Kapitel sieben gewesen. Wer es hat, vielleicht Peter, kannst du die Frage zweimal vorlesen?
„Mit welchen Ausdrücken betonte Ezechiel die Sicherheit der Erfüllung seiner Voraussagen?“
Hast du da gleich eine Antwort? Zum Beispiel: „Ich werde jetzt nicht geräumt“ oder Ähnliches. Wir sollten die Wiedernachsicht noch erwärmen mit euch. Jawohl, Vers 9.
Die Unausweichlichkeit des Gerichts
Eigentlich ist der ganze Text voller Bestätigungen. Davon lebt der Text gewissermaßen. Doch es werden nur noch mehr Beispiele genannt. Mein Auge soll nicht geschont werden, heißt es in Vers 9, und ich werde mich nicht erwärmen. Jawohl.
Gerade das, was ihr Böses getan habt, werde ich über euren Kopf bringen – genau das! Das zieht sich durch die ganzen Kapitel. Aber jetzt ganz konkret, am Text belegt: Zuerst Vers 4: „Deine Gräuel will ich über deiner Mitte auswirken.“ Das bedeutet, die Gräuel, die du anderen angetan hast, werde ich auch gegen dich wirken lassen, so verstehe ich es.
Vers 4 spricht von den Gräueln, die sie begangen haben. Das Wort „Gräuel“ bezieht sich hauptsächlich auf Götzendienst. Das ist das typische Wort im Alten Testament, das meist in Verbindung mit Götzendienst oder auch schwerer Unmoral steht. Wegen dieser Gräuel kommt das Gericht Gottes über sie.
Schon am Ende von Vers 3 heißt es: „Und alle deine Gräuel werde ich über dich bringen.“ Das, was sie am Götzendienst getan haben, kommt als Gericht auf sie zurück – vielleicht sogar noch mehr. Am Ende von Vers 8 steht: „Nach deinem Wegen werde ich dich richten“ oder „Aus deinem Munde werde ich dich richten, du böser Knecht.“
Ich hätte gedacht, ihr hättet das alles korrekt und richtig verstanden. Aber vielleicht ist euch noch aufgefallen, wie oft es heißt: „Es kommt, es kommt, es kommt.“ Das unterstreicht die Sicherheit des Gerichts und dass es keinen Umweg mehr gibt, keinen Ausweg. Schon in Vers 3 beginnt es mit „Es hat ein Ende“, beziehungsweise in Vers 2: „Das Ende kommt.“ Dann in Vers 3: „Nun kommt das Ende über dich.“ Und in Vers 5: „Unglück, einziges Unglück, siehe, es kommt, das Ende kommt, es kommt das Ende.“ Und das ist noch nicht alles: „Es erwacht wieder dich, siehe, es kommt, es kommt das Verhängnis über dich“ und so weiter.
Es gibt ja Gerichtsandrohungen in der Bibel, die davon abhängen, ob das Volk Buße tut oder nicht. Das kennen wir aus der Botschaft Jonas. In vierzig Tagen wird diese Stadt umgekehrt sein – das war keine absolute Gerichtsankündigung, sondern die Spitze seiner Aussage, die beinhaltet: Wenn ihr nicht Buße tut. Aber tatsächlich hat niemand Buße getan, und das Land wurde verschont.
Im Fall von Jerusalem, beziehungsweise Juda, in der Zeit der Propheten, haben diese das Volk über Jahrhunderte hinweg zur Umkehr aufgerufen. Doch das Maß war zur Zeit Ezechiels so voll, dass er sagen musste: Jetzt kommt es, es ist unausweichlich. Und so ist es dann auch tatsächlich in den Tagen Ezechiels im Jahr 586 zur endgültigen Zerstörung Jerusalems gekommen.
Die historische Erfüllung und die Rolle der Babylonier
Ist es tatsächlich so gekommen und nachgewiesen, dass von allen vier Ecken des Landes die Nationen oder Heerscharen auf Israel eingestürmt sind? Sie sind von Norden hergekommen. Also nicht von allen vier Ecken, es sei denn, es ist im Verhältnis so klein, dass es kaum ins Gewicht fällt. Nein, sie haben sich als Armeen im Land ausgebreitet und somit die vier Ecken besetzt.
Wo haben wir das? In Vers 2 heißt es, das Ende kommt über die vier Ecken des Landes. Es bedeutet also nicht, dass die Feinde von allen Ecken herkommen, sondern dass sie von Norden hergekommen sind, alle vier Ecken ausgefüllt haben und das ganze Land erobert haben. Das drückt die Totalität aus: Das ganze Land fällt unter die Herrschaft der Babylonier. Und das ist tatsächlich geschehen, denn das ganze Land Israel wurde schließlich Teil des babylonischen Reiches.
Dass die Bedrohung von Norden kommt, wurde eigentlich schon in Kapitel 1 angedeutet. Dort hatten wir diese Vision. Lesen wir Kapitel 1, Vers 4: „Und ich sah, und siehe, ein Sturmwind kam von Norden her. Eine große Wolke und ein Feuer, das hin und her zuckte, und Glanz war rings um sie her. Aus seiner Mitte, aus der Mitte des Feuers, strahlte es unter Anblick von glänzendem Metall.“
Jawohl, hier sehen wir, dass Hesekiel eine Vision vom Thron Gottes hatte, von Gott auf dem Thron. Aber dieser Thron kam von Norden her in einem Sturmwind. Das bedeutete: Gott bringt in seiner Herrschaft über Israel und die Völker von Norden her das Gericht über sein Volk. Es sind nicht einfach die Babylonier, die aus politischen oder militärischen Gründen die Gunst der Stunde genutzt hätten. Nein, es war Gottes Plan.
Darum sieht Hesekiel in Kapitel 1 im Sturm Gottes Thron. Übrigens hat auch Jeremia das klar angekündigt, als Zeitgenosse, sogar etwas früher als Hesekiel. Er sagte ebenfalls, dass von Norden her das Unglück kommt.
Das ist übrigens so zu erklären: Die Babylonier stammen aus dem Osten von Israel, dem Gebiet des heutigen Irak. Aber die Armeen konnten nicht direkt durch die syrische Wüste nach Israel ziehen. Stattdessen gingen sie den Euphratlauf hinauf, entlang des Fruchtbaren Halbmonds, und kamen so von Norden nach Israel, genau über den Libanon.
Auch Abraham ist von Norden hergekommen; das war der übliche Weg vom Irak nach Israel. Erst später haben die Skythen und Aramäer den direkten Weg über die syrische Wüste genommen, die syrisch-jordanische Wüste.
Die Wiederholung des göttlichen Refrains und Gottes Erkenntnis durch Geschichte
Gut, gehen wir noch zu einem weiteren Punkt.
Wir haben letztes Mal über den Refrain gesprochen, der mehr als siebzig Mal im Buch Ezechiel vorkommt: „Ihr werdet wissen“ oder „sie werden wissen“, „erkennen, dass ich der Herr bin“. Wie oft haben wir das jetzt in diesem Kapitel gefunden? Wie viele Male? Jawohl, welche Verse wären das? Es ist Vers 4 am Ende, Vers 9 am Ende und Vers 27.
Wir haben ja schon letztes Mal gesehen, dass in Kapitel 6 dieser Refrain vier Mal vorkam. Dieser Refrain gibt auch eine inhaltliche Gliederung. Damit wird gleichzeitig betont, dass, wenn die Prophetie sich erfüllt, die Menschen daran erkennen können, dass der Autor der Bibel eben der wahre Gott ist: „Ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin.“
So können wir wirklich sagen, dass der Mensch Gott durch den Lauf der Geschichte erkennen kann. Die Geschichte des Volkes Israel ist unter anderem gegeben, damit Menschen Gott erkennen können. Es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, wie man Gott nach der Bibel erkennen kann.
Wie kann der Mensch Gottes Erkenntnis bekommen? Zum einen durch die Schöpfung, durch das Zeugnis der Schöpfung. Das wird ja in Römer 1 ausdrücklich breit behandelt. Weiterhin durch die Geschichte Israels – das wäre jetzt das, was wir vor uns haben. Dann durch Propheten, durch Gottes Wort, also durch die Offenbarung. Letztlich können wir sagen, durch die Offenbarung der Schrift, also das geschriebene Wort Gottes. Und zuletzt durch Jesus Christus, durch das Kommen Gottes selbst in die Welt.
Natürlich braucht es bei allen Offenbarungswegen, die Gott mit uns Menschen geht, das Wirken des Heiligen Geistes. Das ist klar. Denn der Mensch ist absolut stumpf und unempfänglich für jegliche Offenbarung Gottes – ob in der Schöpfung, in der Geschichte, durch Gottes Wort oder durch den kommenden Herrn Jesus selbst. Da sehen wir ja, wie viele Menschen ihn nicht erkannt haben.
Es braucht also das Wirken des Heiligen Geistes, der das Herz öffnet, um die Offenbarung Gottes zu empfangen. Ist es nicht so, dass der Heilige Geist jeden Menschen heute erreicht? Man kann sagen, er zieht jeden Menschen hin. So steht das ja in Römer 2.
Ganz allgemein dort, der dreieine Gott, in Römer 2, Verse 4 und 5: „Oder beachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut, nicht wissend, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet? Nach deiner Sturheit und einem unbußfertigen Herzen häufst du dir selbst Zorn auf an dem Tage des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes, welcher einen jeden vergelten wird nach seinen Werken.“
Jawohl, also Gottes Gütigkeit, Geduld und Langmut wird gegen jeden Menschen ausgeübt, und Gott will ihn zur Buße leiten. Aber der Mensch kann Widerstand leisten. Nach deiner Sturheit und deinem unbußfertigen Herzen häufst du dir selbst Zorn auf.
Die Bekehrung, die Umkehr, ist Gottes Werk, aber es ist nicht so, dass der Mensch ausgeschaltet wäre. Das ist ja die überzogene Sicht, dass der Mensch überhaupt keine Verantwortung hat. Nein, es ist Gottes Werk, aber der Mensch kann störrisch widerstehen. Dann kommt er ins ewige Gericht.
Ich habe gesagt, es ist der dreieine Gott. Denn in Lukas 19, Vers 10 sagt der Herr Jesus: „Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist.“
In Johannes 6, Vers 44 sagt der Herr Jesus: „Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, dass der Vater ihn ziehe.“
Und in Johannes 16 sagt der Herr: „Der Heilige Geist, wenn er kommt, wird er die Welt überführen von Sünde.“ Das ist Johannes 16, Vers 8.
Also sucht der Sohn, zieht der Vater, überführt der Heilige Geist. Das wird in Römer 2 bezeichnet als Gottes Güte, die zur Buße leitet.
Ja, also in unserem Zusammenhang ist wichtig: Durch die Prophetie und durch ihre Erfüllung in der Geschichte Israels kann der Mensch Gott, den Ewigen, erkennen.
Reichtum und Geld im Licht der Prophetie
Jetzt die dritte Frage auf dem Blatt, Peter: Kannst du die Frage stellen? Was sagt Hesekiel zum Thema Reichtum und Geld? Wer hat etwas gefunden?
Entschuldigung, darf ich noch so ein Blatt haben? Ich habe keine.
Ja, sicher. Aber ich habe nicht mehr viele. Wer möchte noch eins?
Dass wir nicht erlöst sind mit Gold und Silber, sondern mit dem kostbaren Blut Jesu.
Ist das in Hesekiel?
Du bist schon einen Schritt weitergegangen, glaube ich.
Nein, was sagt Hesekiel zum Thema Reichtum und Geld? Aber vielen Dank, du hast schon zu schnell gedacht, du bist einen Schritt zu weit gegangen.
Vers 19.
Vers 19, lies:
"Ihr Silber werdet ihr auf die Gassen werfen, und euer Gold wird als Unrat gelten. Euer Silber und euer Gold wird euch nicht erretten können am Tage des Grimmes Jehovas. Euren Hunger werdet ihr damit nicht stillen und euren Durst davon nicht füllen, denn es ist ein Anstoß zu eurer Missetat gewesen."
Also dramatisch, was sich eben in den schrecklichen Kriegen zeigt: Plötzlich fällt die Inflation selbst des Goldes so stark, dass man mit dem Metall nichts mehr anfangen kann. Das hat Israel in der Belagerung Jerusalems ganz tragisch erlebt. Wenn es nichts mehr zu kaufen gibt, kann man auch mit Gold nichts mehr anfangen. Und es ist ja in der Belagerung Jerusalems sogar zu Kannibalismus gekommen, wie wir aus den Klageliedern wissen.
Aber jetzt gerade die Antwort dazu, Reinhold: Hier haben wir gelesen, euer Gold und Silber wird euch nicht retten können am Tag des Grimmes. Und jetzt haben wir dazu die Antwort des Neuen Testaments, 1. Petrus 1, Vers 18:
"So wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht, indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen Wandel, der von den Vätern überliefert wurde, sondern mit dem kostbaren Blut Jesu Christi, des Lammes ohne Fehler und ohne Flecken."
Jawohl! Übrigens ist es doch eigenartig: Wie erklärst du dir das, Reinhold, dass in 1. Petrus 1, Vers 18 und 19 gesagt wird, man sei nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold erlöst worden? Wir wurden doch immer so in der Schule belehrt, dass Silber und Gold Edelmetalle sind, und hier werden sie als vergängliche Dinge dargestellt.
Sie sind allemal vergänglich, weil sie ja auch vom Feuer schmelzen. Das zeigt gut: Selbst wenn sie schmelzen, bleiben sie erhalten, nicht wahr? Aber wenn man noch weiter geht, schreibt Peter in seinem zweiten Brief, wie letztlich einmal diese ganze Welt aufgelöst wird, auch die Elemente im Brand aufgelöst werden. Dann werden auch diese Edelmetalle alle aufgelöst.
Es ist immer die Frage der Zeit, wann diese Dinge vergehen. Gold und Silber, ja, aber auch das ist vergänglich. Diese Schöpfung selbst ist vergänglich. Und die Rettung, Gottes Rettung, das heißt das Blut Jesu, ist etwas Ewig Bleibendes, eine ewige Rettung.
Nun zum Thema Geld: Nach Hesekiel 7, Vers 19 haben wir gelesen, dass das Geld ein Anstoß zu ihrer Missetat gewesen ist. Welche Stelle kommt einem da gerade aus dem Neuen Testament in den Sinn? Es geht darum, dass Geld ein Anstoß ist, ein Ärgernis. Wer ohne Geld geblieben ist? Jawohl, ja, aber direkt eben das Problem der Sünde. Was ist die Ursache? Ein Lügenmuster? Die Geldliebe ist die Wurzel des Übels. Ja, nicht ganz richtig zitiert, aber fast.
Also 1. Timotheus 6, das ist schon die Wurzel alles Bösen, oder besser gesagt eine Wurzel alles Bösen.
1. Timotheus 6, Vers 10, lies mal vor, Peter:
"Denn die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen, nach der einige getrachtet haben und vom Glauben abgefallen sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben. Du aber, Mensch, fliehe diese Dinge! Strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren und Sanftmut."
Ja, das war also 1. Timotheus 6, Verse 10 und 11. Ebenso heißt es, die Geldliebe ist nicht die Wurzel alles Bösen, aber eine Wurzel alles Bösen. Ich meine, wir können nicht alle Sünde in der Welt auf Geld zurückführen, aber alle Arten von Bösem können auf Geld zurückgeführt werden. Ebenso ist es eine Wurzel alles Bösen.
Alle Arten von Bösem können aus der Geldliebe herauskommen. Es ist aber nicht eine Stelle, die sich gegen das Geld an sich richtet – das ist wieder wichtig –, sondern die Geldliebe wird hier gegeißelt. In der Gute Nachricht Bibel steht "Geldgier", das bringt es vielleicht noch besser.
Ja, ja. Gibt es auch noch das Wort: Wer reich werden will, fällt in Sünde?
Ja, das ist genau diese Stelle, 1. Timotheus 6, gerade vorher, Vers 9. Peter, du hättest gerade noch einen Vers früher lesen können:
"Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick und viele unvernünftige und schädliche Begierden, welche die Menschen in Verderben und Untergang versenken."
Wie richtet sich diese Stelle gegen die Reichen? Sondern gegen das Streben. Das Streben nach Reichtum. Also diejenigen, die diese Haltung haben: Ich will einmal reich werden. Die werden hier erfasst. Die aber reich werden wollen, fallen.
Die richtige Einstellung zum Geld und Wirtschaften
Die ganze Geschichte zeigt, wie Gott über Gold und Silber denkt. Ja, bei uns ist es heute oft noch viel schlimmer als damals. An dem Bibelvers, der Gottseligkeit mit Genügsamkeit verbindet, sieht man einen großen Gewinn.
Ich denke auch, man sollte vorsichtig sein bei Aktien. Man kann schnell hochklettern, aber man sollte sich bewusst sein, wie wertlos diese Dinge in Gottes Augen sein können. Zum Beispiel bei der Aktie von Medcom, die jetzt Telekom heißt und sich vervierfacht hat. Das zeigt, wie schnell solche Werte steigen, aber auch wie hohl das Ganze oft ist.
Damals ging es wenigstens noch um Gold und Silber, das waren reale Werte. Heute ist es oft wie Monopoly. Wenn sie dann das Gold und Silber auf die Straße werfen, erkennen sie endgültig die Wertlosigkeit. Auch das Geld mit Halskettchen rettet und erlöst nicht.
Ich denke auch, weil man nichts dafür bekommt, was nützt Geld und Gold, wenn es zum Beispiel keine Lebensmittel mehr gibt? Dann ist es absolut wertlos.
Wichtig ist im Umgang mit unserer Gesellschaft, in der die Wirtschaft unser Leben so stark dominiert, die richtige Einstellung. Wir kommen aus ganz verschiedenen Berufen, aber es geht um die richtige Haltung zum Geld. Wer reich werden will und Aktien kauft, um schnell und ohne viel Aufwand Geld zu machen, fällt unter dieses Urteil.
Du hast ja noch den Vers, den wir weiter zurück suchen müssen. Du hast schon Vers 6 erwähnt, lies ihn bitte vor.
„Die Gottseligkeit aber mit Genügsamkeit ist ein großer Gewinn, denn wir haben nichts in die Welt hineingebracht, so ist es offenbar, dass wir auch nichts hinausbringen können. Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns darin begnügen lassen.“ (1. Timotheus 6,6-8)
Würden Sie jetzt von diesem Wort „reich werden wollen“ ableiten, dass man als Christ überhaupt nichts mit Aktien und Aktiengeschäften zu tun haben darf? Nein, das würde ich nicht sagen. Darum habe ich betont, es geht um die richtige Einstellung.
Auch hier gibt es natürlich große Unterschiede. Geht es darum, mit irrealen Werten zu arbeiten, oder geht es um etwas anderes? Zum Beispiel beim Anlegen, vor allem bei Fondskonten, gibt es verschiedene Arten und Typen. Da muss man sich Gedanken machen.
Ein Immobilienfonds ist etwas anderes als eine einzelne Aktie. Das sind sicher Dinge, die eine Gewissensfrage vor Gott sind. Aber wenn wir diese Stelle vor uns haben, müssen unsere inneren Motive durchleuchtet werden.
Im Neuen Testament gibt es die Situation, wo ein Herr auf Reisen geht und seinen drei Knechten unterschiedliche Beträge zum Verwalten gibt. Er lobt denjenigen, der mit seinem Fonds gewirtschaftet hat. Das Wort „wuchern“ ist vielleicht eine Übersetzung aus der Lutherbibel, aber es bedeutet hier wirtschaften. Und so ist das Wirtschaften an sich nichts Negatives.
Sogar der Knecht, der nichts gehandelt hat, wurde getadelt. Er hätte das Geld besser zur Bank gebracht, zum Pfandleiher, denn dort hätte er Zinsen bekommen.
Wilhelm Pals von der Buda sagte: „Verdiene so viel du kannst, aber gib auch so viel du kannst.“ Das heißt, der Schwerpunkt liegt auf dem Beweggrund. Entscheidend ist, was mein Beweggrund ist, um mit dem Geld weiterzugeben – in der Reich-Gottes-Arbeit, sicher nicht nur mit Geld, sondern auch mit Talenten. Wir sollten uns vom Herrn sorgfältig prüfen lassen, was unser Anliegen ist.
Ich will es nicht so formulieren, dass man sich schnell selbst täuscht und sagt: „Ich verdiene viel, ich gebe viel, aber ich behalte auch viel.“ Da muss man ehrlich sein. Er meinte es natürlich richtig.
Vielleicht noch aus 1. Timotheus 6,17-19: Dort wird nicht über die gesprochen, die reich werden wollen, sondern über die, die reich sind. Das ist etwas ganz anderes. Wer liest uns das vor?
„Den Reichen in diesem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss. Sie sollen Gutes tun, reich sein an guten Werken, freigebig und mitteilsam sein, indem sie sich selbst eine gute Grundlage sammeln für die Zukunft, damit sie das wirkliche Leben ergreifen.“ (1. Timotheus 6,17-19)
Wenn man das beherzigt, ist man gut beraten.
Aber es gibt auch den Vers: „Schaffet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon.“ (Lukas 16,9)
Reichtum an sich ist nichts Verwerfliches. Es wird sogar gesagt, dass man damit Freunde schafft. Das finden manche Menschen schlecht, aber es steht da.
Das Gleichnis zeigt, wie der Christ mit Geld umgehen muss, um es letztlich für seinen Herrn einzusetzen. Das ist etwas ganz anderes als die, die reich werden wollen, die ihr Ziel im Reichtum sehen.
Hier ist nochmals ein Unterschied: Die, die reich sind und vom Herrn gesegnet wurden, sollen nicht auf die Ungewissheit des Reichtums hoffen, sondern auf Gott. Und dann wird klar gezeigt, wie sie damit umgehen sollen – in Freigiebigkeit und Mitteilsamkeit.
Der Grundsatz bleibt trotz allem: Niemand kann zwei Herren dienen. Ganz genau.
Götzendienst durch Reichtum und die Folgen für Jerusalem
Wenn wir zu Hesekiel 7 zurückkehren, sehen wir in Vers 19: „Denn es ist ein Anstoß zu ihrer Missetat gewesen.“ Danach wird in Vers 20 erklärt, dass sie Gräuelbilder und Scheusale daraus gefertigt haben. Sie haben also Götzenbilder auch aus Silber und Gold gemacht.
Man kann darüber nachdenken, wie viel Götzendienst gerade durch Geld in unserer von Reichtum überschütteten Gesellschaft betrieben wird. Es braucht nicht unbedingt sichtbare Götzenbilder zu sein. Doch der Reichtum kann Anlass zu vielen Missetaten und letztlich zu Götzendienst gegen Gott werden.
In Hesekiel wird das Gericht über Jerusalem ausgesprochen. Es heißt, es ist gekommen, und so wird es auch über unsere Gesellschaft kommen. In Sprüche 11,4 steht ein schöner Vers: „Vermögen nützt nichts am Tage des Zornes, aber Gerechtigkeit errettet vom Tode.“
Es ist aber auch schon mit Geld regelrechter Götzendienst möglich, ebenso mit Bildern und vielen Worten. Man braucht nur die prachtvollen Kirchenbauten und deren Ausstattung anzuschauen. Dort findet sich Götzendienst in einer gewissen Weinkultur. Natürlich, genau. Aber es ist nicht nur die äußere Art, sondern auch eine sehr subtile, versteckte Form.
Denkst du an die Seierei, die versteckte Art? Ja, genau. Wie soll man das vorlesen? Wenn ich gestimmt bin, dann ja.
Jesaja 3,16-24 beschreibt es so: „Und Jehova sprach: Weil die Töchter Zions hochmütig sind und mit gerecktem Hals und blinzelnden Augen einhergehen, mit klirrenden Fußspangen, so wird der Herr den Scheitel der Töchter Zions kahl machen und ihre Scham entblößen. An jenem Tage wird der Herr den Schmuck wegnehmen: die Fußspangen, die Stirnwänder, die Halbmonde, die Ohrgehänge, die Armketten, die Schleier, die Kopfbunde, die Schrittkettchen, die Gürtel, die Riechfläschchen und die Amulette, die Fingerringe, die Nasenringe, die Prachtkleider, die Oberrücken, die Umhänge, die Beutel, die Handspiegel, die Hemden, die Turbane und die Überwürfe. Es wird geschehen: Statt des Wohlgeruchs wird Moder sein, statt des Gürtels ein Strick, statt der Locken eine Glatze und statt des Prunkgewandes ein Kittel aus Sacktuch, Brandmal statt Schönheit.“
Diese Beschreibung zeigt die pervertierte, im Luxus schwelgende Gesellschaft zur Zeit Jesajas, die unter Gericht kommen musste. Und dieses Gericht hat sich in der Zeit von Hesekiel so drastisch erfüllt.
Das angekündigte Gericht und Gottes Versteckung
Gut, jetzt noch zu Hesekiel 7, die vierte Frage auf dem Blatt. Worin bestand das im Vers 26 angekündigte Gericht? Wer hat dazu eine Antwort?
Das Gericht besteht in der Zerstörung beziehungsweise der Wegführung, in der Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Doch im Vers 26 wird noch etwas anderes ausgesprochen: Gott wird sich verstecken und zurückziehen.
Genau, und zwar bei denen, die die Propheten keinen Rat mehr wissen. In Vers 26 heißt es, dass das Gesetz dem Priester entschwinden wird und den Ältesten der Rat.
Und was ist mit den Priestern?
Nein, ich verstehe. Die Weisung wird dem Priester verloren gehen. Ja, die Weisung und das Gesetz – das ist dasselbe. Also die Bibel wird dem Priester verloren gehen. Nicht, dass sie keine Bibel mehr hätten, aber sie finden keine Antworten mehr darin.
Was ist das für eine Art von Gericht? Wie könnte eine solche Antwort aussehen?
Ich denke, Gott ist heilig, und wir haben uns vollkommen gegen ihn versündigt. Wenn das von Herzen richtig erkannt und bereut würde, würde Gott für den Einzelnen Rettung bereitstellen. Aber vermutlich wird das weder von den Priestern noch vom Volk noch ausgesprochen.
Gut, wie könnte man dieses Gericht bezeichnen?
Du hast es schon bezeichnet als …
Ja, Gott versteckt sich. Manche Geister sind dann einfach nicht mehr da. Sie sehen das so, als sei alles aussichtslos.
Verstockung, ja.
Ja, Helmut?
Mit hörenden Ohren werden sie nicht verstanden. Ich denke, das ist die Richtung. Sie lesen es, aber es wirkt wie ein Sperrfeuer von Gott.
Ja, es ist Verhärtung und Verblendung. Martin Buber hat das als „Gottesfinsternis“ bezeichnet. Diesen eigenartigen Ausdruck hat er geprägt, abgeleitet von der Sonnenfinsternis: Die Sonne ist da, aber man sieht sie nicht mehr.
Gottesfinsternis bedeutet, Gott ist da, aber der Mensch hat Mühe, Gott zu erkennen und seine Stimme zu hören. Das kennzeichnet besonders unsere westliche Welt seit dem letzten Krieg – diese Gottesfinsternis.
Gerade Deutschland war das Reformationsland, das die Bibel zurückbekommen hat. Heute haben wir jedoch eine weitgehend entchristlichte Gesellschaft. Die Bibel ist vorhanden, aber sie hat kaum Bedeutung. Die Masse sucht keine Antworten auf Lebensfragen in der Bibel.
Das merken wir, wenn in einer Fernsehsendung, etwa einem Podiumsgespräch, eingeladen wird. Wer wird eingeladen? Vielleicht ein Politiker, eine Psychologin, einen Philosophen, natürlich, vielleicht auch einen Arzt und einen Theologen.
Aber warum lädt man einen Theologen ein? Damit das Ganze noch ein bisschen lustig wird, weil er dann quasi das repräsentiert – oder in Ihren Augen sollte er das repräsentieren. Normalerweise ist er ein kritischer, moderner Theologe, der das, was eigentlich längst überkommen und vorbei ist, noch irgendwie in die Diskussion einbringt.
Eine Diskussion muss ja, damit die Einschaltquote hoch genug ist, etwas bieten. Aber man lädt den Theologen sicher nicht ein, weil man denkt, von seiner Seite könnten vielleicht doch Antworten auf die Frage kommen: Wie sollen wir heute leben?
Haben Sie die Antworten schon festgelegt?
Ja, klar, ganz genau. Aber nicht, dass die Allgemeinheit überhaupt die Möglichkeit einschließt, Antworten aus Gottes Mund zu hören.
In diesem Sinn können wir sagen, dieses Gericht sehen wir heute in ganz ausgeprägtem Maß über unserer westlichen Welt. Das Gesetz wird dem Priester entschwinden.
Gut, gibt es zum Kapitel noch etwas? Eine Frage oder Ergänzung?
Dann würde ich sagen, dass der Reichtum an einem Tag zu Ende sein wird.
Welcher Vers?
Ich weiß die Verse nicht genau.
Wie hast du es formuliert?
Offenbarung 18, das Jahr des Reichtums.
Ja, genau. Dort haben wir den Zusammenbruch von Babylon.
Ja, das ganze Kapitel 18 beschreibt den Zusammenbruch dieses Wirtschaftssystems.
Nun, dort geht es im Speziellen um die katholische Kirche der Endzeit. Sie ist eine Wirtschaftsmacht, die in der Endzeit als solche zusammenbrechen wird – ganz plötzlich.
Du denkst vielleicht an Offenbarung 18, Vers 16, am Schluss: „In einer Stunde ist der so große Reichtum verwüstet worden.“
Ja, das kommt auch in Vers 15 und 10 vor: in einer Stunde.
Ja, ganz plötzlich.
Beginn der Vision in Hesekiel 8: Die Abwendung Gottes vom Tempel
Wir kommen nun zu Kapitel 8 von Hesekiel. Dieses Kapitel ist relativ kurz, daher lesen wir es gemeinsam durch.
Es geschah im sechsten Jahr, im sechsten Monat, am fünften Tag des Monats: Ich saß in meinem Haus, und die Ältesten von Juda saßen vor mir. Da fiel die Hand des Herrn auf mich. Ich sah, und siehe, eine Gestalt, die aussah wie Feuer – von ihren Lenden abwärts war Feuer, und von ihren Lenden aufwärts ebenfalls. Sie sah aus wie ein Lichtglanz, wie glänzendes Metall.
Das Gebilde streckte seine Hand aus, nahm mich beim Haarschopf meines Hauptes, und der Geist hob mich zwischen Erde und Himmel empor. Er brachte mich im Gesicht Gottes nach Jerusalem, an den Eingang des Tores des inneren Vorhofs, das gegen Norden zeigt. Dort stand das Bild der Eifersucht, das zum Eifer reizt.
Und siehe, die Herrlichkeit des Gottes Israels war dort, gleich dem Anblick, den ich im Tal gesehen hatte. Er sprach zu mir: Menschensohn, hebe nun deine Augen auf gegen Norden! Ich hob meine Augen auf gegen Norden, und nördlich vom Tor des Altars war dieses Bild der Eifersucht am Eingang.
Er sprach zu mir: Menschensohn, sieh, was sie tun – die großen Gräuel, die das Haus Israel hier verübt, damit ich mich von meinem Heiligtum entferne. Du wirst noch größere Gräuel sehen.
Dann führte er mich zum Eingang des Vorhofs. Ich sah, und siehe, ein Loch war in der Mauer. Er sprach zu mir: Menschensohn, durchbrich die Mauer! Ich durchbrach die Mauer, und siehe, da war eine Tür. Er sagte zu mir: Gehe hinein und sieh die bösen Gräuel, die sie hier verüben.
Ich ging hinein und sah: Da waren allerlei Arten von scheußlichen Gewürmen und Vieh sowie allerlei Götzen des Hauses Israel, ringsum an die Wand gemalt. Siebzig Männer von den Ältesten des Hauses Israel standen davor, darunter Jasanja und der Sohn Schafan, in ihrer Mitte. Jeder hielt ein Räucherfass in der Hand, und der Duft des Weihrauchs erfüllte den Raum.
Er sprach zu mir: Hast du gesehen, Menschensohn, was die Ältesten des Hauses Israel im Finstern tun, jeder in seiner Bilderkammer? Denn sie sagen: Jehova sieht uns nicht, Jehova hat das Land verlassen.
Er sprach weiter: Du wirst noch größere Gräuel sehen, die sie verüben. Er brachte mich an den Eingang des Tores des Hauses Jehovas, das gegen Norden liegt. Dort saßen Frauen, die den Tammuz beweinten.
Er fragte mich: Hast du gesehen, Menschensohn? Du wirst noch größere Gräuel sehen als diese. Dann führte er mich in den inneren Vorhof des Hauses Jehovas. Am Eingang des Tempels Jehovas, zwischen der Halle und dem Altar, standen fünfundzwanzig Männer. Ihre Rücken waren dem Tempel Jehovas zugewandt, ihre Gesichter aber nach Osten gerichtet.
Sie bückten sich gegen Osten hin vor der Sonne. Er sprach zu mir: Hast du gesehen, Menschensohn? Ist es dem Haus Juda zu gering, die Gräuel zu verüben, die sie hier verüben? Sie füllen das Land mit Gewalttat und reizen mich immer wieder.
Sie halten das Reiß an ihrer Nase – so will auch ich handeln. Mein Auge wird nicht schonen, ich werde mich nicht erbarmen. Auch wenn sie von meinen Omen rufen und die Gläser spielen, werde ich sie doch nicht hören.
Kontext und Bedeutung der Vision
Vers 1 verdeutlicht, dass wir uns jetzt im Jahr 592 befinden. Es ist das sechste Jahr, im sechsten Monat. Nach jüdischer Zeitrechnung entspricht das etwa dem September, also dem Herbst. Diese Information ist wichtig für das Verständnis der folgenden Beschreibung, damit wir wissen, welche Jahreszeit gerade herrscht.
Habt ihr noch das Blatt, auf dem ich eine Übersicht zu Hesekiel gegeben habe? Falls nicht, werde ich wieder einige Kopien mitbringen. Dort kann man sich gut orientieren.
Nun beginnt ein neuer Abschnitt, in dem wir sehen, wie die Herrlichkeit des Herrn, also die Schechina – diese wunderbare Wolke, die die Gegenwart Gottes in Israel anzeigte – vom Tempel weggeht. Das geschieht noch bevor Nebukadnezar schließlich den Tempel zerstört. Hesekiel sieht dies in der Vision, die in den Kapiteln 9, 10 und 11 beschrieben wird.
In Kapitel 8 wird Hesekiel deutlich gemacht, warum Gott Jerusalem endgültig verlassen muss. Das Sündenmaß hat einen solchen Umfang erreicht, dass es nicht mehr möglich ist, dass Gott länger bleibt. Kapitel 8 liefert also den Beweis dafür, wie der Tempel Gottes derart entehrt und entweiht wurde, dass Gott handeln muss.
Es wird Hesekiel gezeigt, welche Gräuel verübt werden. Das Stichwort „Gräuel“ habe ich in der vorherigen Stunde bereits erklärt: Es steht sehr häufig in der Bibel in Verbindung mit Götzendienst. Hier wird gezeigt, welche Gräuel im Tempel, im salomonischen Tempel, verübt wurden.
Bevor Hesekiel jedoch in der Vision nach Jerusalem geht, begegnet ihm eine Gestalt. Wer ist diese Gestalt? Kann das Jesus sein? Ja, das ist durchaus denkbar. Es erinnert an die Erscheinung in der Offenbarung. Es ist eine Gestalt, deren Aussehen wie von Feuer ist. Das ist der Richtergott, der Hesekiel erscheint, ihn nach Jerusalem bringt und ihm zeigt, warum es absolut notwendig ist, dass Jerusalem und der Tempel gerichtet werden.
Die Parallelen finden sich in der Offenbarung 1 und auch in Jesaja 6, wo der Prophet ebenfalls Gott, den Herrn, auf einem hohen, erhabenen Thron sieht – eine erschreckende Erscheinung der Heiligkeit Gottes.
Die Bedeutung des Tempels als Wohnort Gottes
Ich habe eine Frage: Diese Erscheinung steht ja immer im Zusammenhang mit dem Heiligtum Gottes, sowohl in der Offenbarung, also dort, wo Gott sich eigentlich offenbart beziehungsweise wo er zu dem Volk reden wollte. Hat das eine besondere Bedeutung?
Ja, was ist der Tempel? Das Heiligtum ist ja der Ort, wo Gott wohnt. Aber wie ist es möglich, dass der ewige, unendliche, allgegenwärtige Gott an einem Ort wohnen kann, wenn er doch allgegenwärtig ist? Wie kann es dann heißen, er wohnt zum Beispiel in Jerusalem, im Tempel Salomos?
Das bedeutet, dass Gott sich an dem Ort besonders offenbart, wo er wohnt. Dort war Gott besonders zu erleben und zu erfahren. Das heißt, er wohnt an einem Ort. Das macht der Allgegenwart Gottes überhaupt keinen Abbruch.
Dasselbe gilt, wenn zum Beispiel der Herr Jesus in Bezug auf die Gemeinde sagt, Matthäus 18,20: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Aber er ist doch überall, als Gott der Allgegenwärtige. Warum sagt er dann, er sei hier in der Mitte?
Das heißt, da, wo zwei oder drei Menschen sich als Gemeinde auf Jesus Christus hin allein ausrichten, wird er sich auf besondere Weise offenbaren. Dort ist er auf besondere Weise zu erleben. Und dort macht er zum Beispiel auch sein Wort auf.
Wir haben das als Gericht gesehen, Hesekiel 7 am Schluss: „Das Gesetz wird dem Priester entschwinden.“ Das ist das Gegenteil von Gottes Offenbarung. Die Bibel spricht einen nicht mehr an. Aber da, wo der Herr ist, wo er sich offenbart, wo er wohnt, da wird die Bibel ein geöffnetes Buch.
Es ist interessant, dass im Alten Testament Gott nicht als der Allgegenwärtige für das Volk erscheint, sondern es immer konzentriert auf den Tempel oder auf die Bundeslade ist.
Im Alten Testament offenbarte sich Gott speziell an dem Ort Israel gegenüber. So heißt es auch, gerade in Verbindung mit der Bundeslade, die eigentlich das Zentrum des Tempels ist. In 2. Mose 25,22, wo der Bau der Bundeslade beschrieben wird, steht: „Und dort werde ich mit dir zusammenkommen und von dem Deckel herab zwischen den zwei Cherubim hervor, die auf der Lade des Zeugnisses sind, alles zu dir reden, was ich dir an die Kinder Israel gebieten werde.“
So war das also der Sprachort, da, wo Gott sprach. Deshalb heißt das Allerheiligste im 2. Chronik in der Beschreibung des Salomontempels „der Sprachort“, der Debir, weil Gott dort in besonderer Weise Israel offenbart hatte.
In der Vision wird Hesekiel nach Jerusalem geführt, und zwar zum Nordtor des Tempels. Nordtor wovon? Für einen Vorhof. Das macht deutlich, dass schon der Salomontempel mehr als einen Vorhof hatte.
Wir kennen den Salomontempel weniger gut, im Prinzip eher den Tempel zur Zeit der Evangelien. Aber wenn man alle Stellen zusammennimmt, erfährt man einige Details über den Salomontempel. So wird schon deutlich, dass es mehr als einen Vorhof gab. Im inneren Vorhof kommt nun Hesekiel zum Nordtor.
Es wird noch genauer beschrieben, in Vers 5 am Schluss: Nördlich vom Tor des Altars, also im inneren Vorhof beim Altar, kommt man vom Norden hinein. Die Nordgegend neben dem Altar war der Ort, wo die Opfertiere jeweils im Tempel geschlachtet wurden.
Und dort sieht Hesekiel was? Ein Götzenbild. Bei der Schlachtung des Opfers wird Götzendienst betrieben. Das war ganz schrecklich, was Israel angerichtet hat. Aber wenn wir schauen, in welchem Zustand die Christenheit heute ist, wagt man es kaum zu sagen, welche Gräuel geschehen.
Ich meine die evangelische Kirche: Es gibt sogar ein Video von einer Abendmahlsfeier mit einer Tanzgruppe, die nackt beim Abendmahl ihre Aufführung gemacht hat. Das heißt, sie hatten praktisch nichts an. Um nicht zu schockieren, hätten sie ganz ohne sein sollen, aber sie hatten noch ein bisschen an, praktisch nackt beim Abendmahl. Es ist belegt mit Video.
Ich habe einen Freund, mit dem ich an der Übersetzung der Schlachterbibel zusammenarbeite. Er ist dem nachgegangen und hat sich genau erkundigt, wer dahintersteht. Es kam heraus, dass ein bestimmter Choreograf das alles arrangiert hatte. Er erfuhr, dass das von hinduistischen Tempeltänzen in der evangelischen Kirche stammt.
Das ist unglaublich, wie weit das damals Israel war, aber die Menschen in der heutigen Zeit können auch so weit kommen. Das, was ich erzählt habe, ist ein Beispiel in Verbindung mit dem Abendmahl. Hier ist es genau beim Schlachtplatz, da, wo das Opfer, das stellvertretende Opfer, getötet werden sollte. Das weist voraus auf Golgatha, so wie das Abendmahl auf Golgatha zurückweist.
„Gott war noch nicht weg.“ Vers 4: „Und siehe, dort war die Herrlichkeit des Gottes Israels.“ Das muss bei Hesekiel eine Erstaunung ausgelöst haben: Warum ist Gott nicht schon längst weggegangen? Weil er noch da ist. Aber Hesekiel versteht dann in Kapitel 10, Verse 9 und 10, warum Gott schließlich doch weggeht. Da ist wirklich die Spitze erreicht worden.
Übrigens sagt er in Vers 4, dass die Herrlichkeit des Gottes Israels gleich dem Gesicht war, das sich im Tal gesehen hatte. Was war das für ein Gesicht? Erinnern wir uns: Im Tal, das wäre speziell Kapitel 3. Oder Kapitel 1, wo er schon die Erscheinung der Herrlichkeit Gottes gesehen hat, und Kapitel 3 dann in einem Tal nochmals.
In Hesekiel 3,22 steht: „Da kam des Herrn Mann über mich, und er sprach zu mir: Mache dich auf und gehe hinaus ins Feld; da will ich mit dir reden.“ Das hebräische Wort meint eine breite Talebene, darum ist es mit Feld übersetzt.
„Ich machte mich auf und ging hinaus ins Feld, und siehe, da stand die Herrlichkeit des Herrn dort.“ Da fällt er dann aufs Angesicht. In Kapitel 8 steht es bei Ihnen auch „Feld“. Man kann die Verbindung herstellen: Nach Merkung kann das auch Tal heißen, eben das breite Tal, darum Feld.
Der Fluss Keba steht hier im Guten Nachricht. Es steht auch so bei Hesekiel, zum Beispiel in Kapitel 3, Vers 23: „Die ich am Fluss Keba gesehen hatte, und ich fiel nieder auf mein Angesicht.“ Und in Kapitel 8 steht es auch: „Fluss Keba, Vers 4.“ Das ist eingefügt, steht aber im Grundtext nicht.
„... hinaus in das Tal, und siehe, dort stand die Herrlichkeit des Herrn, wie die Herrlichkeit, die ich am Fluss Keba gesehen hatte, und ich fiel nieder auf mein Angesicht.“ Also vorher hatte er schon mal am Fluss Keba eine Herrlichkeit gesehen.
Ich meine, in Kapitel 23 kommt der Fluss Keba nicht vor im Kontext. Nein, das ist Kapitel 23, richtig. Aber bei Ihnen ist das eingefügt, in Kapitel 8.
Ich hätte noch eine Idee zur Allgegenwart Gottes: Da kann sogar der Satan sein, wie in Hiob 1 und 2. Aber wo der Herr in der Mitte der Seinen ist, heißt es: „Tut den Bösen von euch selbst hinaus!“ Dort hat er keinen Zutritt, keine Gegenwart. Der Herr sorgt dafür, dass die Seinen mit ihm allein in Frieden sind.
Das heißt aber nicht, dass er „Tut den Bösen von euch selbst hinaus!“ in 1. Korinther 5,13 meint, wo es um Gemeindedisziplin geht. Dort wird jemand aus der Gemeinde ausgeschlossen. Aber das heißt nicht, dass der Teufel nicht auch in der Gemeinde Zugang haben könnte.
Ich meine, da sind wir bei Matthäus 4, wo der Herr Jesus auf der Zinne des Tempels steht, und der Teufel ihn besucht. Bei Judas kann man in Johannes 13 zeigen, dass er schon vor dem Hauptmahl hinausgegangen ist. Matthäus 4 erwähnt ausdrücklich den Teufel im Tempel.
Es ist ein Unterschied, ob der Teufel in der Gemeinde kommt, um Einfluss zu gewinnen, oder ob man ihm Einfluss gewährt. Das ist der Unterschied.
Nun, in Hesekiel 8 zeigt Gott ihm weitere große Gräuel, Vers 6 am Schluss. Wo befindet er sich jetzt bei dem zweiten Beispiel? Im Vorhof, Herr Sieben. Jawohl. Das war offensichtlich im großen Vorhof.
Dort sieht er ein Loch in der Mauer. Er muss da hinein. Er sieht eine Tür und dann eine Geheimversammlung. Das andere war offensichtlicher Götzendienst beim Altar, und jetzt eine Geheimversammlung. Das gibt es auch: Böses, das verborgen ist, und diejenigen, die es tun, denken, niemand sieht es, nicht einmal Gott.
Zum Neuen Testament eine Bibelstelle zu den Verborgenen: Ich dachte gerade an 2. Korinther 7,1. Schlag mal auf! Ich dachte an den Abschnitt B: „So lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes.“ Ich dachte da besonders an „von jeder Befleckung des Geistes“, das heißt noch keine vollendeten Sünden, sondern Gedanken, gedankliche Dinge.
Da ist einfach immer wieder die Frage: Haben wir nicht in unserem Leben auch schon Bitterkammern diesbezüglich gehabt, worüber wir uns heute schämen?
Schlag dazu gerade 2. Korinther 4,2 auf: „Sondern wir haben den geheimen Dingen der Scham entsagt, indem wir nicht in Arglosigkeit wandeln, noch das Wort Gottes fälschen.“ Paulus sagt, wir haben den verborgenen Dingen der Scham entsagt, das heißt allem, dessen man sich schämt und das man deshalb verborgen hält.
Oder Epheser 5: „Denn was heimlich von ihnen geschieht, das ist auch zu sagen schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn es vom Licht gerichtet wird, denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.“
Da haben wir genau diesen Fall mit dieser geheimen Gruppe, mit Dingen, die schändlich sind. Aber Gott bringt es ans Licht, so wie es in Epheser 5 gesagt wird: Es kommt ans Licht.
Hier wird wieder die Zahl siebzig erwähnt, und die hat an manchen Stellen eine Bedeutung, nicht wahr? Siebzig Männer.
Wir sehen das schon bei Mose, wie er siebzig Älteste eingesetzt hatte, die ihn entlasten sollten, zum Beispiel für die Rechtsprechung. Von daher hat man dann auch den Sanhedrin als Gremium, den obersten Gerichtshof, als ein Gremium von siebzig Männern unter der Leitung des Hohenpriesters eingesetzt. Das war das Gremium zur Zeit der Evangelien, das Synedrium.
Nun, aber das Tragische ist: Hier sind die führenden Leute Israels, die diese geheimen Dinge machen. Das waren nicht irgendwelche Leute am Rand der Gesellschaft, sondern die Führer. Sie haben sich zu dieser siebziger Gruppe zusammengetan.
Und darunter, und das ist das Schreckliche, befindet sich jemand mit einer besonderen Veranschlagung: Ben Schaffan, der Sohn des Schaffans, der in ihrer Mitte steht.
Da zuckt man zusammen bei diesem Namen. Schaffan, wer war das? Schlagen wir auf 2. Chronik. Jawohl, da sind wir zur Zeit der Erweckung, der letzten Erweckung in Juda unter König Josia.
2. Chronik 34,14-15: Liest jemand? „Also der König wollte, dass der Tempel ausgebessert wird, der zerfallen war wegen der Untreue. Jetzt gibt es eine Reformation, eine Erweckung. Und nun Vers 14: ‚Und als sie das Geld herausnahmen, welches in das Haus Jehovas gebracht worden war, fand der Priester Hilkija das Buch des Gesetzes Jehovas durch Mose. Da hob Hilkija an und sprach zu Schafan, dem Schreiber: Ich habe das Buch des Gesetzes über das Haus Jehovas gefunden.‘ Und Hilkija gab das Buch dem Schafan.“
Da haben wir also die Reformation unter Josia um 620 v. Chr. Die Bibel wurde neu entdeckt im Tempel, und eine wichtige Hauptrolle spielte damals der Schreiber Schafan. Er bekam die entdeckte Bibel und musste sie zum König bringen. Das war eine Schlüsselfigur in der Reformation.
Und jetzt, ein paar Jahre später, haben wir die nächste Generation: Jasanja, der Sohn des Schaffans, einer der führenden Götzendiener. Man merkt das Familiendrama, das hier abgelaufen ist.
Man fordert die Treue von diesem Schaffan ein. Glücklicherweise hatte Schaffan noch andere Kinder. Es lohnt sich, die ganze Familie Schaffan mit ihren Verwandten zusammenzubringen. Da kommt eine ganze Reihe vor, und erfreuliche Dinge werden sichtbar.
Aber dann gibt es einen, den Jasanja, der führend war im Götzendienst Israels. Schrecklich, wenn man denkt, dass aus der Linie, die am besten das Gewissen kennen sollte, so eine totale Verleugnung der Reformation kommt.
Das ist das Problem in Europa, in den Ländern, die die Reformation gekannt haben, die zurückgeführt wurden zu Gottes Wort: Wo ist das heute? Wie hat sich die Masse abgewandt und dem Götzendienst zugewandt?
Aber es beginnt immer mit Führungspersönlichkeiten. Es ist selten die Masse von sich aus. Immer sind es Führungspersönlichkeiten, die das einleiten. Das ist heute so, sowohl im Guten wie im Schlechten.
Woraus kann man entnehmen, dass das, was Herr Siffel gezeigt bekommt, schon gegenwärtig ist? Das könnte doch auch zukünftig sein.
Es wird damit begründet: Schau, all diese Gräuel, die da im Tempel geschehen, und deswegen muss Gott den Tempel verlassen. Hesekiel muss überzeugt werden, dass die Zerstörung des Tempels notwendig ist.
Man muss sich vorstellen, damit krachen alle Hoffnungen, alle letzten Hoffnungen des Judentums zusammen. Gott sagt, es muss so sein.
Ist es zu weit gegriffen, wenn man aus dieser Prophetie auch etwas für die letzte Zeit heute herausnimmt? Kann man das nicht?
Ja, übertragen in dem Sinn, dass man sieht, die gleichen Probleme wieder heute. Man kann sehr viel direkt übertragen, denn in den Jahren vor Hesekiel gab es eine Reformation, die verleugnet wurde. Daher kommt das Gericht Gottes.
Das können wir auf unsere Kulturgeschichte übertragen. Gott hat uns die Gnade einer so gewaltigen Reformation im 16. Jahrhundert geschenkt. Aber dann kam der Abfall, mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert. Dort begann der Abfall unter den Intellektuellen. Im 19. und besonders im 20. Jahrhundert ist er zur Allgemeinheit durchgedrungen.
Jetzt haben wir über eine längere Phase das, was wir hier von der Zeit Josias bis Hesekiel haben. Sie begehen Götzendienst und sagen in Vers 12: „Der Herr sieht uns nicht, der Herr hat das Land verlassen.“
Sie sagen nicht, Gott existiert nicht, aber Gott hat überhaupt keine Bewandtnis mit dem, was wir tun. Das ist nicht Atheismus. Wirkliche Atheisten finden wir in unserer Gesellschaft nur ganz wenige.
Kaum jemand sagt offen: Ich glaube wirklich nicht, dass Gott existiert oder etwas Göttliches. Aber wenn man fragt: Welche Bedeutung hat Gott konkret in deinem Alltag, in deinen Entscheidungen? Spielt Gott eine Rolle?
Welche Rolle spielt Gott in der Politik? Welche Rolle spielt Gott in der Kultur? Welche Rolle spielt Gott in anderen Bereichen? Keine. Entscheidungen werden nicht so getroffen, wie man sie vor Gott verantworten könnte.
Da haben wir diese Parallele: Es ist nicht Gottesleugnung, aber Gott hat mit unserem Leben keine Berührung. „Der Herr sieht uns nicht.“
Ich glaube, es ist nicht außergewöhnlich, dass wir zumindest an diese Bibelstellen heranreichen, hier in Deutschland zumindest. Wenn ich allein daran denke: Die letzte Regierung hat nie gesagt: „So war mir Gott helfe!“ Das war immer wissendlos.
Oder dass in der Kirche Homosexuelle getraut werden. Das ist schon fast normal und wird gar nicht mehr verheimlicht. Das ist etwas ganz Normales.
Oder dass Ehepaare in der Zeitung schreiben: „Unser erstes Kind ist da“, und gleichzeitig geben sie die Trauung bekannt. Sie kommen aus der Kirche, sie gehen in die Kirche, kein Pastor sagt mehr etwas. Sie leben zusammen, bekommen ein Kind, und dann wird irgendwie geheiratet und getauft.
Vor kurzem kam ein Pfarrer der evangelischen Kirche massiv unter Druck, weil er Leuten, die in Ehebruch lebten, das Abendmahl verweigern wollte. Dort ist es umgekehrt nicht so.
Gott hat sich in der Bibel nicht länger reizen lassen, und ich denke, er lässt sich auch heute nicht reizen. Das erreicht einen Endpunkt.
Darum nochmals die Frage: Wie können wir das übertragen? Sehr direkt. Diese Dinge machen deutlich, dass diese Gesellschaft in Jerusalem gerichtsreif war.
Und diese Dinge haben wir heute. Das zeigt: Unsere Gesellschaft ist gerichtsreif, also die Apokalypse steht vor der Tür.
Ich gehe immer davon aus, dass man das jemandem erklären soll. Man kann sicher nicht sagen, Hesekiel hat hier die letzte Zeit vor Jesu Wiederkunft gesehen, aber man kann die Stelle aus Timotheus nehmen: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre.“
Ganz genau. Wenn es darum geht: Die Stelle bezieht sich auf die Zerstörung Jerusalams. Wir sind hier im Jahr 592 v. Chr., und 586 kam das Gericht. Das ist der Text, die Auslegung ist das.
Aber jetzt können wir Übertragungen machen und Parallelen ziehen. Die Offenbarung beschäftigt sich konkret mit unserer Kultur, die unter Gericht kommt.
Man muss unterscheiden zwischen Auslegung – das machen wir jetzt – und Anwendung. Das muss man immer gut trennen. Aber dann hat man den Gewinn davon.
Auslegung allein wäre zu trocken. Die Anwendung ist ganz legitim, sie muss sein. Denn Sie haben gerade die richtige Stelle zitiert: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Belehrung.“
In Römer 15,4 heißt es: „Alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben.“ Da liegt noch alles unter der Sorge.
Ganz genau. Drum: Jeder Schriftgelehrte liest aus dem Alten Testament Neues hervor. Aber wenn wir die Unterscheidung zwischen Auslegung und Anwendung nicht machen, entsteht ein Mischmasch, ein perfektes Durcheinander.
Es ist nötig, wir müssen das. Es ist Gottes Wille, dass die Bibel angewandt wird auf unsere Zeit, auf unsere Kultur und dann auch ganz persönlich: Was hat sie jetzt mit mir zu sagen? Diesen Schritt muss jeder beim Lesen machen.
Beispiel aus der Gegenwart und die Folgen für die Gesellschaft
Darf ich vorher noch ein positives Beispiel nennen? Unser Pfarrer hat heute Morgen in der Predigt einen Studienfreund erwähnt, einen sehr mutigen Mann. Dieser mutige Mann hat einen Pfarrer angezeigt, der bis zu dreißigtausend Abtreibungen durchgeführt haben soll.
Dieser Pfarrer wurde nun bestraft, kann die Strafe nicht bezahlen und sitzt jetzt im Gefängnis. Wie kann ein Führer so handeln? Der Pfarrer führt Abtreibungen durch? Nein, der Pfarrer nicht, er hat einen Arzt angezeigt. Genau, der Pfarrer hat einen Arzt angezeigt.
Entschuldigung, ich habe mich gerade etwas verhaspelt. Ja, dieser Mann hatte den Mut, zur dänischen Moral zu stehen. Es gibt eben solche Menschen.
Dann wurde der Pfarrer angezeigt, und jetzt sitzt er im Gefängnis, weil er jemanden angezeigt hat.
Wegen welcher Begründung wurde der Pfarrer angezeigt? Der Arzt kann die Strafe nicht zahlen und sitzt jetzt im Gefängnis? Nein, der Pfarrer wurde bestraft, weil er den Arzt angezeigt hat.
Ach so, das stellt die Sache auf den Kopf. Ja, das ist fast zu absurd. Und was war die Begründung für die Anzeige? Verleumdung oder Rufmord?
Ja, Rufmord. Genau.
Martin hat Sörder bezeichnet. Ach so, ja, ja. Das ist die perfekte Perversion.
Das ist etwas, worauf wir zum Schluss noch eingehen sollten. Es ist schon fünf Uhr gewesen.
Die dritte Szene: Frauen beweinen den Tammuz
In der dritten Szene, Vers 14, kommt er zum Eingang des Tores. Beim Nordtor sieht er die Frauen. Es ist interessant, dass die Frauen dort auf der Nordseite sind. Denn im zweiten Tempel gab es vom Norden her ein spezielles Frauentor.
Daher ist es nicht überraschend, dass es offenbar auch beim salomonischen Tempel eine entsprechende Einrichtung gab, bei der die Frauen auf der Nordseite des Hauses waren.
Und was machen sie dort? Sie beweinen den Tammuz. Der Tammuz ist in der babylonischen Mythologie der sterbende Sonnengott, der im Herbst stirbt und im Frühjahr wieder aufersteht. Mit dem Absterben der Natur im Herbst stirbt der Gott, und mit dem Wiederkommen im Frühjahr aufersteht er wieder.
Das war also dieses herbstliche Ritual, weil es im Herbst stattfand. Genau darum habe ich am Anfang gesagt, dass es wichtig ist: Wir sind hier etwa im September, im Herbst, dem sechsten Monat. Dort wird nun das Sterben des Sonnengottes beweint, und das im salomonischen Tempel.
Das wird sehr sentimental dargestellt. Es sind die Frauen, die diesen Kult gepflegt haben. Man merkt auch in dieser ganzen Mythologie die Perversion, das Thema von Tod und Auferstehung und Auferstehung im Frühjahr. Unser Herr ist wirklich im Frühjahr auferstanden.
In den heidnischen Religionen gibt es oft solche Elemente, die heidnische geschichtliche Inhalte enthalten, aber völlig ins Götzendienerische verdreht und pervertiert sind. Das ist hier genau der Fall.
Die Bibel und der Götzendienst
Ist es möglich, dass das Volk Israel damals noch keine Bibel hatte? Ich frage einfach deswegen, weil du, wenn du die Bibel liest, eigentlich darauf stoßen musst. Gerade im fünften Buch Mose, Kapitel 4, Vers 19, steht, dass du deine Augen nicht zum Himmel erheben sollst, um die Sonne, den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, zu sehen und dich von ihnen verleiten zu lassen, dich vor ihnen zu bücken und ihnen zu dienen.
Diese Anweisung war doch natürlich. Wir haben ja gerade das Beispiel der Reformation unter Josia angeführt, wo die Bibel neu entdeckt wurde. Die Bibel musste ja immer wieder im Tempel vor dem ganzen Volk verlesen werden. Nein, das ist genauso wie heute: Wir haben die Bibel, aber die Masse ignoriert sie.
Dann geht es noch weiter mit noch größeren Gräueln. In Vers 15 wird eine Gruppe von Männern beim Osttor gesehen. In Vers 16, am Schluss, wenden sie ihre Rücken gegen den Tempel des Herrn und ihre Gesichter nach Osten. Sie bücken sich vor der Sonne. Das ist ein Sonnenkult, und das ist so bösartig.
Der Eingang von Osten war so gestaltet, dass man, wenn man zum Tempel ging, das Tempelgebäude vor sich hatte und den Rücken gegen die aufgehende Sonne, die über dem Ölberg am Morgen emporstieg. Das war eine klare Abwendung von der Verehrung der Natur, denn im Tempel geht es um die Begegnung mit dem Schöpfergott. Nicht die Schöpfung, sondern der Schöpfer soll verehrt werden.
Und was machen sie genau? Sie sind im Osttor, aber sie haben den Rücken gegen den Tempel des Herrn. Das bedeutet eine ganz klare Abwendung vom Schöpfergott, um die Schöpfung zu verehren. Das ist genau das Problem unserer Kultur: Zurück zur Natur. Rousseau hat das schon längst verkündet. Das ist das große Aha heute. Man will zur Natur zurückkehren und wieder in Harmonie mit der Natur leben, aber der Schöpfergott spielt keine Rolle.
Es ist genau diese Situation: Den Rücken dem Herrn zu kehren, dem Schöpfer, um sich dann vor dem Geschöpften, vor der Natur, in Ehrfurcht zu verbeugen. Die östlichen Religionen spielen heute eine große Rolle, weil sie gerade die Naturverehrung sehr in den Mittelpunkt stellen. Nach Hinduismus und Buddhismus ist letztlich alles göttlich – die ganze Natur und der Mensch selbst.
Will man die Parallele ziehen, weil sie sich jetzt quasi nach Osten richten? Nein. Hier geht es tatsächlich darum, dass die aufgehende Sonne verehrt wird. Das Aufgehen der Sonne wird im Heidentum als der Moment betrachtet, in dem der Sonnengott zu Macht kommt. Das Untergehen dagegen ist sein Tod. Darum hat die Verehrung der aufgehenden Sonne im Heidentum eine spezielle Bedeutung.
Wir haben gesehen, dass die Frauen im Herbst Tammuz beweinen, weil er jetzt stirbt. Die Tage werden immer kürzer, die Nächte immer länger, und sie beweinen ihn. Für sie ist die Macht des Gottes also quasi der Sonnenaufgang.
Darum war der Tempel so eingerichtet, dass der Opfernde, der dem Herrn begegnen wollte, immer den Rücken zur aufgehenden Sonne hatte. Und das haben sie verdreht. So ist der Zusammenhang zu sehen.
Die Entwicklung mit den Ostreligionen heute zeigt genau dieses Prinzip: Die Schöpfung, die Natur, wird verehrt anstatt der Schöpfer.
Hat die Stelle im Jesaja mit unserer hier zu tun, wo die Frauen der Himmelskönigin Kuchen backen? Das ist etwas anderes. Ja, das ist Astarte, eine babylonische Göttin, die übrigens bei den Ephesern als Artemis verehrt wurde. Die Artemis ist im Christentum als Maria weitergeführt worden. Als Lehmeter kommt sie auch irgendwo vor, oder?
Ja, das ist eine Variante. Auch das ist eine Göttermutter. Das Symbol der Göttermutter kommt in vielen Religionen vor, ebenso die Urmutter. Im Marienkult wurde das alles wieder aufgenommen und weitergeführt.
Aber jetzt eben die Artemis-Verehrung oder die Astarte-Verehrung – das kommt in Jeremia vor. Und hier der Tammuz-Kult. Das führt zu dem Urteil in Hesekiel 8: „So will auch ich handeln im Grimm, mein Auge soll nicht schonen, und ich werde mich nicht erbarmen. Und wenn sie auch vor meinen Ohren mit lauter Stimme rufen, so werde ich doch nicht hören.“
Es gibt ein Zu-spät, das lernen wir hier.
Und jetzt fahren wir das nächste Mal weiter mit Kapitel 19, Vers 11, wo wir sehr bewegend sehen, wie die Herrlichkeit des Herrn etappenweise weggeht – bis zum Osttor, das wir gerade behandelt haben. Sie geht durch das Osttor hinaus. Das ist übrigens genau die Stelle, an der heute das Goldene Tor ist.
Dort geht die Schechina hinaus, an der Stelle, wo der letzte Gräuel getrieben wurde. Sie geht durch das Tor hinaus, und dann, wie wir in Kapitel 11 sehen werden, kommt sie auf den Ölberg und geht weg. Sie ist nie mehr zum Tempel zurückgekehrt.
Was so eindrücklich ist, ist, wie Hesekiel das in Etappen beschreibt. Gott sagt nicht einfach: „Es ist Schluss, jetzt gehe ich.“ Das ist ein Zögern. Gott möchte Gemeinschaft mit uns Menschen.
Aber wenn der Mensch so eigensinnig und gottlos ist und Gott herausfordert, dann muss Gott weggehen. Aber Gott geht nicht gerne weg.
Das werden wir beim nächsten Mal sehr bewegend sehen, wie das in Etappen geschieht und dann vom Ölberg weg.
Übrigens genau wie der Sohn Gottes. In den Evangelien werden wir das nächste Mal sehen, dass er am Schluss noch zum Tempel in Jerusalem kommt. Er wird dort im Tempel vom Synedrium verworfen und schließlich geht er nach der Auferstehung auf den Ölberg und weg.
Die Parallelen sind eng verbunden: Wie damals die Schechina weggegangen ist, so ist auch der Mensch gewordene Sohn Gottes vom Ölberg weggegangen.
Sie sagten gerade, die Herrlichkeit Gottes ist nicht wieder in den Tempel zurückgekehrt, auch nicht in den neuen? Nein, in den zweiten Tempel kam sie nie zurück. Aber interessanterweise kam der Sohn Gottes als Mensch dort zurück.
Das wird uns noch beschäftigen, dieser Zusammenhang.
In Hesekiel 43 sieht der Prophet, wie die Schechina im dritten Tempel zurückkommen wird – und zwar durchs Osttor in den Tempel.
Das Osttor wird dann für das ganze tausendjährige Reich verschlossen sein. Warum? Nicht wie das Goldene Tor heute verschlossen ist. Die Muslime haben es zugemauert, damit der Messias nicht kommen kann, wenn er auf dem Ölberg erscheint.
Das Osttor des dritten Tempels wird verschlossen sein, weil Gott sagt: „Ich gehe nie mehr weg von Israel.“ Das ist der Grund.
Darum endet Hesekiel mit den Worten: „Der Herr selbst.“ Gott wird Israel nicht mehr verlassen.
Aber wir Christen haben diese Verheißung gewissermaßen im geschlossenen Tor in Matthäus 28, Vers 20, wo der Herr Jesus sagt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“
Der Herr verlässt seine wahre Gemeinde nie.
Die Herrlichkeit Gottes in der heutigen Zeit
Zu der Herrlichkeit Gottes im Tempel: Wie sehen Sie das in der heutigen Zeit? Ist die Herrlichkeit Gottes nicht in jedem Gotteshaus gegenwärtig, wo man gottesfürchtig ist und Jesus angenommen wird?
Ja, genau. In Matthäus 18,20 heißt es: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Man kann sagen, dass hier das Prinzip beschrieben wird, dass die Herrlichkeit Gottes, die Gegenwart des Herrn Jesus Christus, dort erfahrbar ist.
Also hat das nichts mit dem Gebäude an sich zu tun?
Nein, nicht mit dem Gebäude an sich. Es geht vielmehr darum, dass dort, wo zwei oder drei zu Jesus Christus versammelt sind, Gemeinde entsteht. Ich sehe das Gebäude zwar auch als einen Ort, an dem wir in die Kirche gehen und Christus der Mittelpunkt ist. Dort empfängt uns die Heiligkeit Gottes.
Gut, aber dann ist es nicht das Gebäude an sich, sondern der Ort, an dem Christen wirklich zu Jesus Christus hin ausgerichtet sind.
Genau. Das Versprechen aus Matthäus 18,20 ist nicht an ein Gebäude gebunden, sondern an die innere Haltung derer, die sich versammeln.
Ja, ganz genau. Darauf können wir vielleicht beim nächsten Mal noch ausführlicher eingehen. Jetzt wollen wir noch beten.