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Nimm deine Berufung an!

14.09.20251. Korinther 7,17-24

Herausforderungen im Alltag und die Frage nach der Berufung

Es gibt Lebensumstände, die sich einfach zum Davonlaufen anfühlen können. Eine richtig schwierige Ehe gehört oft dazu. Wenn zwei Partner, die sich einst sehr geliebt und einander zugewandt waren, plötzlich den ganzen Tag nur noch streiten, ist das sehr belastend. Der Alltag ist dann von Konflikten geprägt.

Oft folgt die nächste Stufe: Die Partner ziehen sich voreinander zurück, Schweigen kehrt ein, und man hat sich nichts mehr zu sagen. Das ist eine harte Situation. Auch wenn einer an Jesus Christus glaubt und der andere nicht, kann das sehr schwierig sein. Wenn der nichtgläubige Partner sich den ganzen Tag über den Glauben lustig macht, nicht möchte, dass man in die Gemeinde geht, dich fernhalten will, etwas gegen Christen hat und das spüren lässt, belastet das sehr.

Manche stellen sich dann die Frage: Bringt das überhaupt etwas? Wäre es nicht besser, sich zu trennen? Wäre das nicht wirklich die bessere Lösung?

Auch Single-Sein kann sich manchmal zum Davonlaufen anfühlen. Paulus spricht zwar ganz positiv darüber, besonders in dem Kapitel, das wir uns in den Gottesdiensten anschauen – 1. Korinther 7. Dort betont er die Vorteile des Single-Daseins, und nächste Woche hören wir noch mehr darüber. Dennoch empfinden manche oder sogar viele Menschen das Single-Sein manchmal als sehr belastend.

Allein mit der Sehnsucht zu sein, sich tief emotional mit jemandem verbinden zu können, ist schwer. Auch mit der Sexualität allein zu sein, sie nicht im Rahmen ausleben zu können, den Gott dafür vorgesehen hat, macht einsam. Man fühlt sich allein mit dem Traum, eine eigene Familie zu haben. Manche finden diese Situation zum Davonlaufen und machen Kompromisse. Sie suchen sich jemanden, der kein Christ ist, oder versuchen, auf andere Weise mit ihrer Sexualität klarzukommen.

Pornografie ist ebenfalls ein großes Thema, auch in unserer Zeit. Vor diesem Hintergrund bin ich mir sicher, dass zumindest manche von uns mit den Botschaften der letzten beiden Wochen wirklich zu kämpfen haben.

Vor zwei Wochen lautete die Predigt: „Meide die Unzucht“, also meide jeglichen Sex außerhalb der Ehe. Letzte Woche hieß es: „Lasst euch nicht scheiden.“

Gilt das denn auch, wenn es richtig schwierig ist? Wie soll das gehen? Geht das überhaupt?

Unser Predigttext heute zeigt uns: Ja, das gilt, und das geht auch. Paulus hebt dieses Thema auf eine höhere Ebene und spricht über die Lebensumstände, in denen wir stehen. Er spricht jetzt nicht nur über Ehe und Single-Sein, sondern ganz allgemein über unsere Lebensumstände. Dabei zeigt er uns einen Weg, wie wir in allen Umständen für Gott leben können und wirklich seinen Weg gehen können.

Gottes Berufung in unseren Lebensumständen

Ich möchte uns diesen Text vorlesen und anschließend für uns beten, damit wir diesen Weg besser verstehen und Gott selbst zu uns spricht. Paulus sagt hier in 1. Korinther 7:

„Nur soll jeder so leben, wie der Herr es ihm zugemessen hat, wie Gott jeden berufen hat. So ordne ich es in allen Gemeinden an: Ist jemand als Beschnittener berufen, der bleibe bei der Beschneidung. Ist jemand als Unbeschnittener berufen, der lasse sich nicht beschneiden. Beschnittener oder Unbeschnittener soll nicht auf seine äußere Form achten, sondern Gottes Gebote halten. Jeder bleibe in der Berufung, in der er berufen wurde.

Bist du als Knecht berufen, so sorge dich nicht. Doch wenn du frei werden kannst, so nutze es umso lieber. Denn wer als Knecht im Herrn berufen ist, der ist ein Freigelassener des Herrn. Ebenso, wer als Freier berufen ist, der ist ein Knecht Christi.

Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte. Liebe Brüder, jeder bleibe vor Gott in der Berufung, in der er berufen ist.“

Vater im Himmel, wir danken dir so sehr für dein Wort und deine Wahrheit, die uns frei macht. Wir danken dir auch dafür, dass du uns alle beim Namen kennst und uns durch und durch erkennst. Du weißt um unsere Umstände und wie dieses Wort in unser Leben spricht.

Wir möchten beten, dass du uns zeigst, wie wir deine Berufung in allen Situationen leben können, in denen wir gerade stehen. Hilf uns, deine Gebote zu halten, so dass es dich ehrt, dir gefällt und auch zu unserem Besten ist.

Bitte mach dieses Wort lebendig in unseren Herzen. Amen!

Die wahre Bedeutung von Berufung

Das Schlüsselwort in diesem Abschnitt ist das Wort „berufen“ beziehungsweise „Berufung“. Deshalb lautet auch der Titel der Predigt „Nimm deine Berufung an“.

Ich weiß nicht, woran du denkst, wenn du das Wort „Berufung“ hörst. Aber ich habe die Ahnung, dass viele von uns, viele Christen, bei Berufung an eine besondere Aufgabe oder einen besonderen Auftrag denken, den Gott Menschen gibt. Zum Beispiel beruft er Menschen in die Mission. Jemand sagt dann: „Ich lasse meinen Beruf hier sein und gehe als Evangelist oder Missionar in ein ganz anderes Land, in einen anderen Kontext.“ Er beruft Menschen zum Pastor, beruft Menschen, einen christlichen Verlag zu gründen und zu leiten. Er gibt spezielle Aufgaben und Aufträge, und wir denken oft genau daran. Das kann Berufung auch sein.

Ich habe das selbst erlebt, vor jetzt bald 15 Jahren, als ich im Geschichtsstudium war. Ich wollte Journalist werden und hatte wirklich den Eindruck – ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als ich im Auslandssemester in England war –, dass Gott mir aufs Herz gelegt hat: „Mach noch mal etwas anderes, studier Theologie, werd Pastor.“ Das war an dem Tag ein Eindruck.

In den letzten Jahren durfte ich durch Menschen und durch meine Umstände immer mehr erkennen, leben und annehmen, dass das wirklich eine Berufung ist, die Gott mir gegeben hat – ein besonderer Auftrag, den ich leben möchte.

Viele, ich würde sogar sagen die meisten Christen, erleben jedoch nicht so eine spezielle Berufung, keinen besonderen Auftrag. Deshalb ist die Verwirrung bei manchen sehr groß. Viele fragen sich: „Was will Gott denn von mir? Was ist meine Aufgabe in dieser Welt?“ Manche blockieren das richtig. Sie fragen sich das unter Umständen Jahre und Jahrzehnte und kommen gar nicht richtig voran. Ich kenne Christen, die stehen mitten im Leben, Mitte 50, und fragen sich immer noch: „Was will Gott eigentlich von mir?“

Da ist die Botschaft, die Paulus hier hat, so befreiend für uns. Sie hilft uns, noch einmal anders über Berufung nachzudenken. Nicht nur als einen speziellen Auftrag, den Gott manchen gibt, sondern als etwas, das Gott wirklich jedem Christen gibt. Jeder Christ ist berufen – und zwar ganz allgemein, in seinen Umständen, da, wo Gott ihn hingestellt hat, für Gott zu leben. Das ist es, was uns dieser Abschnitt sehr deutlich vor Augen stellt.

Es geht nicht in erster Linie um spezielle Aufgaben. Es geht darum, dass wir da, wo wir hingestellt sind von Gott, für ihn leben – als Männer und Frauen, als Singles und Verheiratete, als Müllmann, Krankenschwester, Richter, Vollzeitmama, Arbeitsloser oder Rentner. Da, wo du bist, für Gott zu leben – das zieht sich als Leitmotiv durch diesen Abschnitt.

Die Annahme des von Gott zugemessenen Lebensrahmens

In Vers 17 öffnet Paulus ein großes Thema: Er sagt: „Nur soll jeder so leben, wie es der Herr ihm zugemessen hat, wie Gott jeden einzelnen berufen hat.“ Hinter dem Wort „zugemessen“ verbirgt sich eine wichtige Vorstellung. Es bedeutet, dass Gott uns einen Rahmen gibt. Er misst uns im Leben Dinge zu, gibt uns ein Leben und stellt uns in bestimmte Umstände.

Dass die meisten von uns in Deutschland geboren sind und hier leben – und nicht in Somalia oder Nordkorea – haben wir uns nicht ausgesucht. Gott hat uns dort hineingestellt. Dass ich eine Ehefrau habe, ist für mich ehrlich gesagt ein Wunder. Ich frage mich bis heute, wie wir uns finden konnten und wie sie „Ja“ gesagt hat. Das ist erstaunlich. Es ist nichts, was ich geplant oder geschickt gemacht habe.

Gott misst uns Dinge zu, und dort, wo wir hingestellt sind, sollen wir unsere Berufung leben. Das ist der Gedanke am Anfang. Dann heißt es in Vers 20 wieder: Jeder bleibe in der Berufung, in der er berufen wurde. Bleibe in der Berufung – man kann auch sagen: Bleibe in dem Stand oder in der Position, in die du hineingestellt bist. Am Ende steht noch einmal: Jeder bleibe, worin er berufen ist. Das ist das große Thema dieses Abschnitts.

Strebe nicht zu sehr nach Veränderung, nicht zu sehr nach Veränderung deiner Lebensumstände, sondern sieh in allen Umständen deinen Auftrag für Gott. Darum geht es.

In Vers 17 zeigt Paulus uns als ersten Punkt: Diese Berufung hängt wirklich nicht an deinen Umständen. Ich möchte diesen Vers noch einmal lesen – das ist der erste Punkt der Predigt: Die Berufung hängt nicht an deinen Umständen. Paulus sagt: „Nur soll jeder so leben, wie der Herr es ihm zugemessen hat, wie Gott jeden einzelnen berufen hat, und so ordne ich es in allen Gemeinden an.“ Das gilt also nicht nur für die Korinther, sondern für alle Gemeinden, auch für die FWG München Mitte.

Lebe deine Berufung in den Umständen, die Gott dir zugemessen hat. Viele unserer Probleme hängen damit zusammen, dass wir nicht zufrieden sind mit dem, was Gott uns zugemessen hat. Das fängt oft bei der Familie an. Wir sind unzufrieden mit der Herkunftsfamilie, aus der wir kommen, und sagen: „Das finde ich nicht gut, wie ich aufwachsen musste, wo ich herkomme.“ Wir hadern damit.

Es geht weiter mit den Gaben, die wir haben, oder mit den Dingen, die wir nicht können. Wir würden gerne etwas anderes können und sind damit nicht zufrieden. Dann kommt die Arbeit, die wir tun, oder wie wir aussehen. Wir sind unzufrieden damit, wie Gott unseren Körper gemacht hat. Vielleicht hält Gott uns einen Ehepartner vor oder hat uns den Partner gegeben, den er uns gegeben hat, und wir hätten lieber jemand anderen.

Wir können sehr neidisch auf andere schauen und sagen: „Das, was die haben, hätte ich auch gern.“ Diesen Neid können wir sogar fromm verpacken. Wir sagen: „Gott hat mich eigentlich zu etwas anderem berufen. Er kann nicht wollen, dass ich Single bin, das kann nicht Gottes Wille sein.“ Oder: „Er kann nicht wollen, dass ich in dieser schwierigen Ehe sein muss, das kann nicht Gottes Wille sein.“

Wenn wir nicht aufpassen, machen wir Kompromisse und nennen das dann noch Gottes Willen. „Er will ja, dass ich glücklich bin, er will, dass ich aufblühe, er will, dass ich es schön und gut habe im Leben.“ Vorsicht! Es ist sehr gefährlich, unsere eigenen Wünsche und Sehnsüchte mit Gottes Willen zu verwechseln.

Paulus sagt: Lebe so, wie es der Herr dir zugemessen hat. Bleib darin! Das ist keine Ermutigung zu radikalen Veränderungen, sondern ein Aufruf: Lebe in deinen Umständen, in dem Rahmen, den Gott dir gesetzt hat. Lebe mit den Gaben, mit den Begrenzungen und mit allem, was Gott in dein Leben hineingelegt hat.

Natürlich gibt es Raum für Veränderung, das ist nicht ausgeschlossen. Paulus ist nicht komplett gegen jede Veränderung. Eine spricht er später noch an, die werden wir uns noch anschauen. Aber die viel größere Herausforderung für die meisten von uns ist, den Rahmen anzunehmen und zu bejahen, den Gott uns gegeben hat. Das ist eine echte Herausforderung.

Berufung in Ehe und Single-Dasein annehmen

Ich möchte es einmal anwenden, was es bedeutet, das zu bejahen, was Gott uns zugemessen hat – gerade wenn wir beim Thema bleiben, das wir im ersten Korintherbrief Kapitel sieben behandeln: bei der Ehe und beim Single-Sein.

Wenn du verheiratet bist und in deiner Ehe Schwierigkeiten hast, dann ist vielleicht dein erster und wichtigster Schritt, in der Beziehung zu deiner Frau oder zu deinem Mann zu bejahen, wer dieser Mensch ist. Sage: „Ich nehme dich an, so wie du bist. Ich liebe dich, so wie du bist. Du musst nicht erst ein anderer Mensch werden, den ich lieben kann. Mein Ja gilt jetzt für dich.“

Ich habe vor ein paar Jahren von einem Pastor gelesen, der über seine Ehe sagte, die ersten zehn Jahre seien wirklich eine Vollkatastrophe gewesen. Es war richtig, richtig schlimm. Dann begann er zu begreifen, dass er aufhören musste, Heiliger Geist im Leben seiner Frau spielen zu wollen. Was er damit meinte, war, dass er aufhören musste, seine Frau ständig verändern zu wollen und sie nach seinen Wünschen zu formen.

Mit „Heiliger Geist“ meinte er nicht, dass er sie wirklich heiliger machen wollte, sondern eigentlich wollte er sie so verändern, dass sie ihm besser gefällt und in der Beziehung besser passt. Er sagte: „Ich muss damit aufhören.“ Natürlich sollen wir uns gegenseitig helfen, in der Heiligung zu wachsen. Und ich sage nicht, dass du alles einfach hinnehmen musst, wenn sich dein Mann oder deine Frau schwer an dir versündigt. Da braucht es manchmal wirklich einen Stopp. Wenn ein Mann seine Frau schlägt oder die Kinder, dann braucht es einen Stopp.

Aber ganz oft geht es gar nicht um solche extremen Themen. Viele Konflikte entstehen einfach, weil wir so unterschiedlich sind. Wir müssen darin wachsen, uns anzunehmen, so wie Gott uns gemacht hat. Wir müssen zufrieden sein und lernen, das zu bejahen – den Menschen zu bejahen, den Gott uns zugemessen hat, so wie er ihn oder sie geschaffen hat. Übe dich darin!

Auch als Alleinstehender kann es sein, dass du lernen musst, dein Single-Sein ganz bewusst als etwas anzunehmen, das Gott dir zugemessen hat. Vielleicht nicht für dein ganzes Leben, aber auf jeden Fall für diese Zeit. Es ist kein Zufall, kein Unfall Gottes und auch keine Strafe Gottes für dich, wenn du sein Kind bist. Gott sagt nicht: „Ich enthalte dir hier etwas Gutes vor.“

Lerne, das anzunehmen als etwas, das Gott dir zugemessen hat. Die Gefahr ist, dass man sich als Single blockieren lässt, nur noch über Beziehungen nachdenkt und eigentlich nur darauf hinarbeitet, eine Ehe zu führen. Dabei vergisst man seine Kernberufung oder vernachlässigt sie: nämlich in der Beziehung zum Herrn zu wachsen.

Das ist so tragisch, denn gerade diese Beziehung zum Herrn macht dich bereit, mit den Herausforderungen umzugehen – und die sind teilweise sehr groß, auch als Single. Du musst dich ganz fest an Jesus hängen, um damit umgehen zu können. Aber viele schauen so sehr auf ihre Umstände, dass sie das vernachlässigen.

Das gilt genauso für die Ehen. Man kämpft so sehr miteinander, dass man vernachlässigt, in der Berufung zum Herrn zu wachsen, in der Beziehung zu ihm. Paulus sagt: Die Umstände sind erst einmal egal. Du kannst in allen Umständen deine Berufung leben.

Berufung unabhängig von Herkunft und sozialem Status

Er macht das dann konkret an zwei Beispielen. Das erste Beispiel ist uns vielleicht ein bisschen fremd: Beschnitten und unbeschnitten. Das ist nicht die Kategorie, in der wir heute im 21. Jahrhundert in München Menschen einordnen.

Trotzdem hat das, was er dort anspricht, viel mit uns zu tun. Das zweite Beispiel stammt aus der Arbeitswelt.

Ich möchte beide Beispiele mit euch anschauen. Das ist ein bisschen verwirrend, weil das erste Beispiel eigentlich zum zweiten Punkt gehört. Aber wir bekommen das zusammen hin.

Der zweite Punkt lautet: Deine Berufung hängt nicht an deiner Herkunft.

Deine Berufung hängt nicht an deiner Herkunft

Paulus spricht in den Versen 18 und 19 darüber. Er sagt: Ist jemand als Beschnittener berufen, der bleibe bei der Beschneidung. Ist jemand als Unbeschnittener berufen, der lasse sich nicht beschneiden.

Es gibt Berichte aus der Antike, dass manche Juden versucht haben, ihre Beschneidung rückgängig zu machen. Das hatte zunächst gar nichts mit der Gemeinde zu tun. Auch in der Antike gab es Judenhass. In der griechischen Welt haben manche Juden gedacht, sie müssten sich an diese Kultur anpassen. Deshalb gingen sie zu Ärzten, die darauf spezialisiert waren, die Beschneidung zu kaschieren. Fragt mich nicht, wie das genau funktionierte – ein operativer Eingriff. Die Details interessieren uns nicht, aber es gab diese Option damals.

In der Gemeinde hätte man auf die Idee kommen können: Wenn wir jetzt zu Jesus Christus gehören und so viele Juden den Messias ablehnen, dann ist es vielleicht gut, wenn man sich davon abwendet. Wenn man seine jüdische Herkunft ablegt, die Beschneidung rückgängig macht und ein anderer Mensch wird, wenn man seine Herkunft verleugnet oder ablegt, um sich davon abzuwenden.

Paulus sagt jedoch: Nein, macht das nicht! Das ist nur eine äußerliche Veränderung. Juden, ihr müsst nicht jemand anderes werden. Bleibt Juden, bleibt bei eurer Herkunft. Eure Identität hängt nicht davon ab, wo ihr herkommt, sondern davon, wer ihr seid.

Es gab auch das Gegenteil, und davon berichtet uns die Bibel: Manche in der Gemeinde sagten, wer zu Christus gehört, der muss die ganze Sache machen. Er müsse sich das Bundeszeichen der Beschneidung anlegen, um zu Gottes Volk zu gehören. Denn das war lange Zeit das Bundeszeichen. Wer zu Gottes Volk gehörte, musste beschnitten sein. Babys wurden beschnitten, und auch Erwachsene, die zum Glauben kamen, ließen sich teilweise beschneiden.

Paulus sagt: Das müsst ihr nicht tun! Wer unbeschnitten ist, muss sich nicht beschneiden lassen. Ihr Heiden müsst eure Herkunft nicht verleugnen oder ablegen. Eure Herkunft ist nicht das Entscheidende.

Wichtig ist, was Paulus in Vers 19 sagt: Nicht Beschnitten sein oder Unbeschnitten sein ist entscheidend, sondern Gottes Gebote halten. Er meint damit, dass Äußerlichkeiten nicht das Kennzeichen eines Menschen sind, der zu Gottes Volk gehört. Vielmehr zählt die innere Haltung zu Gottes Geboten. Dass du nach Gottes Willen fragst und nach Gottes Willen lebst.

Ähnlich sagt er es im Galaterbrief, Kapitel 6, Vers 15: Denn es gilt weder Beschneidung noch Unbeschnitten sein, sondern die neue Schöpfung. Das ist, was zählt in Gottes Volk: dass wir neu gemacht worden sind, neue Kreaturen durch den Heiligen Geist. So sind wir innerlich verändert und können anders leben.

Deshalb passt jeder, der das erlebt hat, in Gottes Gemeinde hinein. Du musst deine Herkunft nicht verleugnen. Wie schön, dass wir in unserer Gemeinde so viele unterschiedliche Nationen vereint haben! Ja, 50, 60 Nationen, Menschen aus vielen Herrenländern – nicht aus allen, aber aus vielen. Wie schön!

Du musst dir nicht erst einen Anzug zulegen, um in Gottes Gemeinde reinzupassen, oder deine Tattoos weglasern lassen. Manche Christen sagen heute noch: Du musst erst mal die Tattoos entfernen, dann kannst du wiederkommen. Das musst du nicht.

Es kann sein, dass deine innere Veränderung dazu führt, dass du sagst: Manche Tattoos, ob ich die noch tragen will, lasse ich lieber weglasern. Aber du darfst kommen, wie du bist.

Du musst dir nicht erst eine bestimmte Sprache zulegen oder besonders heilig reden, um dabei sein zu können. Das alles braucht es nicht. Was es braucht, ist, dass du diese innere Veränderung erlebt hast.

Äußerlichkeiten zählen nicht, deine Herkunft zählt nicht. Es zählt, wer du bist.

Deine Berufung hängt auch nicht an deinem sozialen Status

Das zweite Beispiel zeigt, dass wir unsere Berufung in allen Umständen leben können – mit allen Hintergründen, die wir haben. Dieses Beispiel stammt aus der Arbeitswelt.

Hier sehen wir den dritten Punkt: Deine Berufung hängt nicht von deinem sozialen Status ab. Die Verse 21 und 22 lese ich noch einmal vor:

„Bist du als Knecht berufen, so sorge dich nicht. Doch kannst du frei werden, so nutze es umso lieber. Denn wer als Knecht berufen ist in dem Herrn, der ist ein Freigelassener des Herrn. Desgleichen, wer als Freier berufen ist, der ist ein Knecht Christi.“

Paulus sagt hier: Ob du ein Knecht bist oder ein freier Mann – in beiden Fällen kannst und sollst du deine Berufung leben. Diese Umstände sind nicht entscheidend dafür, ob du als Kind Gottes leben kannst, zu Gottes Ehre.

Es ist zwar nicht verkehrt, die Freiheit zu suchen. Paulus macht diese Option hier auf. Er sagt: Wenn du freikommen kannst, ergreife das, das ist gut. In der Antike gab es für einige die Möglichkeit, sich nach einer gewissen Zeit des Dienens bei einem Herrn freizukaufen. Manche erhielten die Freiheit auch als Geschenk für jahrelangen treuen Dienst. Das war ein bisschen so wie heute der Ruhestand – ein Herr sagte dann: „Jetzt hast du mir so lange treu gedient, ich schenke dir die Freiheit.“

Paulus sagt: Wenn es die Umstände ergeben, nimm das gerne an. Aber wenn nicht, sorge dich nicht! Warum kann er das sagen? Weil Glück und Friede nicht an der sozialen Stellung hängen. Auch heute hängt unser Glück, unser Friede nicht davon ab, ob wir auf der sozialen Leiter ganz weit oben stehen und viel zu sagen haben oder ob wir eher unten angesiedelt sind. Ob du Angestellter bist oder Chef, ob du dich in sozialen Zwängen befindest.

Ich denke dabei zum Beispiel an Vollzeitmütter, die das gerade in den Sommerferien erlebt haben: soziale Zwänge. Das heißt, von morgens bis abends muss ich für die Kinder da sein. Sie wollen Programm, sie wollen unterhalten werden, sie wollen essen, sie brauchen viel. Man kann manchmal hadern mit so einer Situation. Aber Paulus sagt: In deiner Situation, in deinen Umständen, in deinen sozialen Zwängen kannst du deine Berufung leben.

Auch wenn du ganz frei bist und ziemlich unabhängig durchs Leben gehst – ist das der Auftrag? Nimm auch die soziale Stellung an als etwas, was dir der Herr zugemessen hat, deinen Platz in der Gesellschaft. Wenn du Dinge verändern kannst, ist das in Ordnung. Paulus hat nichts dagegen, es ist kein Problem, sich einen neuen Job zu suchen oder Dinge zu verändern. Aber es ist nicht so entscheidend.

Es ist nicht das, was unser Denken dominieren muss. Es ist nicht das, was unsere Träume bestimmen soll. Wir sollen nicht ständig nur davon träumen: „Ach, wenn doch meine soziale Stellung besser wäre, wenn ich doch einen besseren Beruf hätte, wenn ich doch anerkannter wäre.“ Das soll uns als Kinder Gottes nicht bestimmen.

Die zentrale Rolle der Beziehung zu Jesus Christus

Aber ist das nicht vielleicht doch ein bisschen viel verlangt?

Am Anfang habe ich schwierige Umstände in der Ehe oder als Single angesprochen. Es gibt so viele Schwierigkeiten im Leben, bei denen wir an Punkte kommen, an denen wir denken: Ja, aber unter diesen Umständen geht das nicht mehr. Die sind einfach nicht akzeptabel. So kann ich nicht weiterleben.

Damit sind wir beim vierten und entscheidenden Punkt. Wir müssen verstehen – Paulus will, dass wir das verstehen, Gott will, dass wir das verstehen – dass unsere Beziehung zu Jesus Christus wichtiger ist als unsere Umstände jeglicher Art. Sie ist wichtiger als alles andere.

Ja, tatsächlich will uns Jesus Christus freimachen – in allen Umständen, in der ganzen Palette, die das Leben mit sich bringt. In allen Umständen möchte er, dass wir Freiheit, Frieden und Erfüllung in ihm finden.

Deshalb der letzte und entscheidende Punkt: Deine Berufung hängt an deiner Beziehung zu Jesus Christus. Paulus gibt uns in den Versen 22 und 23 den Schlüssel für ein wirklich freies Leben. Es geht weit darüber hinaus, ob man Knecht oder Herr ist.

Er sagt zu den Knechten: Wenn ihr zu Christus gehört, dann seid ihr Freigelassene des Herrn. Damit macht er sehr deutlich, dass die wichtigste Freiheit, die ein Mensch haben kann, keine äußerliche Freiheit in dieser Welt ist, sondern die innere Freiheit von der Macht der Sünde. Du bist innerlich frei geworden von der Macht der Sünde.

Sünde ist so brutal, sie knechtet uns Menschen – so beschreibt die Bibel das. Wir können als Menschen gar nicht anders, als gegen Gott zu rebellieren, an seinem Willen vorbeizuleben und unsere eigenen Wege zu gehen. Wir sind voll verantwortlich dafür und gleichzeitig können wir nicht anders. Wir sind Knechte der Sünde. Die Bibel ist schonungslos und zeigt uns, wohin diese Knechtschaft führt: Sie macht unfrei im Hier und Jetzt und tötet in alle Ewigkeit.

Jesus hat darüber gesprochen, über die Hölle, darüber, dass Verdammnis ewig ist für alle, die in Sünde leben. Und da kommt Jesus Christus in unsere Knechtschaft der Sünde und sagt: Ich mache euch frei, ich gebe mein Leben dafür.

Jesus Christus ist Mensch geworden, um uns von diesen Ketten, von dieser Knechtschaft der Sünde freizumachen. Er hat sie am Kreuz auf sich genommen und mit seinem kostbaren Leben bezahlt. Deshalb sagt Paulus: Ihr seid teuer erkauft.

Das ist sein Ruf – erst an die Knechte, aber dann an jeden von uns: Ihr seid teuer erkauft! Wenn ihr an Jesus Christus glaubt, wenn ihr ihm vertraut, hat er sein Leben für euch, für dich ganz persönlich gegeben, um dir diese Knechtschaft der Sünde abzunehmen und dich in die Freiheit zu führen – in die Beziehung zu Gott.

Hast du das erlebt, dass Jesus Christus dich wirklich freigemacht hat von deiner Sünde? Wenn nicht, dann möchte ich dich einladen und rufen: Lerne Jesus Christus kennen als den, der er ist – den Sohn Gottes, der freimacht.

Jesus hat das selbst gesagt. Im Johannesevangelium Kapitel 8 Vers 36 lesen wir: Wer Sünde tut, der ist der Sündeknecht. Jesus sagt genau das: Wer Sünde tut, der ist der Sündeknecht. Zwei Verse später sagt er: Wenn euch nun der Sohn freimacht, so seid ihr wirklich frei.

Jesus Christus ist der Sohn, er macht uns wirklich frei. Er macht dich frei, wenn du ihm vertraust. Glaub an ihn! Und wenn du ihm glaubst, wenn du zu ihm gehörst – vielleicht schon sehr, sehr lange – dann mach dir das bewusst: Die Freiheit, deine Freiheit, deine größte Freiheit findest du in Christus.

Das ist die Freiheit, die du wirklich brauchst, nicht die Freiheit von schwierigen Umständen. Nicht ein einfaches Leben, auch wenn die Sehnsucht manchmal so groß ist: Ach, wenn sich doch die Umstände verändern würden.

Aber die entscheidende Freiheit ist die, die du in Christus findest. Er ist dein Glück, er ist deine Erfüllung. Er schenkt dir das, was du brauchst. Er schenkt dir die Beziehung zum lebendigen Gott. Er spricht dir zu: Du bist wertvoll, du bist geliebt, du bist frei – in allen Umständen.

Und das müssen wir hören, oder? Ich muss das hören, weil die Versuchung so groß ist und weil es so schnell geht, dass auch ich meine Freiheit in anderen Dingen suche und von anderen Dingen verspreche, wo ich sie nicht finden kann.

Wir leben in einer Gesellschaft, die uns das so laut predigt und sagt, wo wir eigentlich Freiheit finden könnten: Dass du nur glücklich sein kannst, wenn deine Umstände gut sind. Das predigt uns unsere Gesellschaft. Glück ist nur da, wo die Umstände gut sind. Hauptsache gesund.

Bist du nur wirklich frei, wenn du beruflich erfolgreich bist? Wenn du finanziell unabhängig bist? Ein Riesenthema: finanzielle Unabhängigkeit, Seminare rauf und runter. Dann hast du es geschafft, wenn du auf dem Konto ausgesorgt hast.

Findest du nur Frieden, wenn du das richtige Umfeld dir aufgebaut hast? Die richtigen Leute an deiner Seite hast? Die richtigen Beziehungen, die richtigen Netzwerke?

Aber Paulus sagt: Werdet nicht der Menschen Knechte! Lasst euch nicht knechten von einem System, von einer Gesellschaft, die Gott nicht kennt, die seine Werte nicht kennt und die echte Freiheit nicht kennt.

Freiheit ist nicht in diesen Dingen zu finden, sondern allein bei Christus. Wir finden bei Jesus Christus wirklich eine Freiheit, die größer ist als alle Umstände.

Zeugnis von Freiheit trotz schwerer Umstände

Sammy Stolz hat mich diese Woche an eine Geschichte erinnert, die ich auch schon kannte und die, finde ich, sehr gut an diese Stelle passt. Es geht um Joni Eareckson Tada, eine Frau, die als Teenager einen schweren Unfall hatte. Sie erlitt einen Badeunfall, bei dem sie sich kompliziert einen Halswirbel brach und querschnittsgelähmt wurde.

Es gab keine Möglichkeit mehr, durch Operationen etwas zu ändern. Sie war gelähmt, an den Rollstuhl gefesselt und zunächst lange Zeit ans Bett gebunden. Man kann sich vorstellen, was das mit einem Teenager macht. Sie war zunächst verzweifelt. Alles, was sie gerne gemacht hatte – Reiten, Laufen, Schwimmen, Sport – war nicht mehr möglich. Sie durchlebte eine Zeit der Depression, die lange anhielt. Sie hatte Selbstmordgedanken und haderte mit Gott: Warum Gott? Warum ich? Warum muss das sein? Warum dieses Leid?

Doch dann machte Joni eine erstaunliche Erfahrung. Sie berichtet, dass sich mit der Zeit – es war kein Schalter, der von jetzt auf gleich umgelegt wurde – durch Freunde, die an ihrer Seite waren, durch Gebet und vor allem durch das intensive Studium der Bibel, durch das Studium von Gottes Wort, ihr Blick veränderte. Sie erkannte, dass es im Leben wichtigere Dinge gibt als laufen zu können oder die Hände zu bewegen.

Das ist ziemlich erstaunlich, wenn ein Mensch so etwas sagen kann. Uns ist das Gehen und die Bewegungsfreiheit sehr wichtig, und wir geben das ungern auf. Auch sie wollte laufen können, die Hände bewegen und Freiheit erleben. Aber sie kam an den Punkt, an dem sie erkannte: Es gibt etwas Wichtigeres.

Heute gibt sie Zeugnis und sagt: „Es klingt unglaublich, aber ich bin wirklich lieber in diesem Rollstuhl und kenne Jesus, als ohne ihn auf meinen eigenen Beinen zu stehen.“ Ich erwähne das nicht, um Joni Eareckson Tada zu bewundern, obwohl das Zeugnis wirklich bewundernswert ist. Es ist ein schönes Zeugnis, wenn jemand in so einer Situation sagen kann: Wenn ich Jesus habe, bin ich frei.

Doch es ist nicht ihre eigene Kraft, die aus ihr spricht, sondern Gottes Kraft. Es ist der Heilige Geist, der ihr gezeigt hat, dass sie auch im Rollstuhl frei ist, weil sie Jesus hat. Und dieser Heilige Geist lebt in dir, wenn du Jesus vertraust, er lebt auch in mir. Er kann uns in allen Umständen diese Kraft schenken.

Es kann aber auch sein, dass du dich sehr frei fühlst oder sogar tatsächlich frei bist in deinem Leben. Wir haben hier viele in der Gemeinde, die beruflich sehr erfolgreich sind, die Einfluss haben und anderen sagen, wie sie leben sollen oder ihre Arbeit tun sollen. Sie leiten andere in wichtigen Positionen, sind finanziell gut aufgestellt, beliebt und angesehen.

Auch an diese Menschen richtet Paulus ein Wort, und das ist so schön. Er sagt nicht nur zu den Knechten: „Seht euch als Freigelassene des Herrn“, sondern auch zu denen, die frei sind und gute Zeiten erleben: Du bist berufen als Knecht Christi. Es ist sein Wort an die Freien.

Gott gibt uns keine Freiheit, um uns selbst zu verwirklichen, um einfach unsere Träume zu erfüllen und ein gutes Leben zu führen. Paulus sagt hier zu denen, die Freiheit erleben: „Erkennt, ihr gehört euch nicht mehr selbst. Auch ihr seid teuer erkauft. Setzt das, was ihr habt, für Gott ein, als seine Knechte, als seine Diener. Nutzt deine Ressourcen, deinen Einfluss, deine Freiheit für ihn.“

Die Versuchung ist groß, das nicht zu tun. Im Buch der Sprüche gibt es einen Mann namens Agur, der in Kapitel 30 vorkommt. Er betet ein Gebet und bittet Gott darum, ihm keine Armut zu schenken, weil er sonst in Versuchung geraten könnte zu stehlen. Er sagt: „Herr, schenke mir keine Armut.“ Aber er bittet auch, ihm keinen Reichtum zu geben. Seine Begründung: Wenn er zu satt würde, könnte er verleugnen und sagen: „Wer ist der Herr?“

Dieser Mann hat die Gefahr erkannt, die in einem guten irdischen Leben liegen kann: dass wir Gott vergessen und fragen, wer denn der Herr ist. Wenn es uns so gut geht und wir so sehr in unseren guten Umständen aufgehen, vergessen wir, wem wir gehören.

Das Problem ist nicht das Geld, die Sicherheit oder die Freiheit, sondern unser Herz. Deshalb sei achtsam auf dein Herz, wenn das deine Situation ist. Du bist ein Knecht Christi. Mach dir das bewusst.

Wichtiger als alles andere ist auch für dich die Beziehung zu ihm. Frag dich: Wie kann ich das, was er mir anvertraut hat – diese Freiheit, diese Gestaltungsmöglichkeit, auch die Position, die ich habe – einsetzen, um ihm zu dienen und in seinem Dienst zu stehen?

Darum geht es. Das ist es, was Paulus uns zeigt: In allen Umständen sollen wir für Gott leben. Das Erkennungszeichen der Berufenen ist das, was er in Vers 19 sagt, nämlich dass sie Gottes Gebote halten und nach dem leben, was Gott will.

Wenn das so ist, wenn das unser Erkennungszeichen ist, dann können wir nicht sagen: „Na ja, wenn ich andere Umstände hätte, dann könnte ich auch für Gott leben.“ Nein, das gilt in allen Umständen. Wie frei oder unfrei wir auch sind – wir können Gottes Gebote halten und für ihn leben, weil wir neu geworden sind und weil sein Heiliger Geist in uns wohnt. Er gibt uns die Kraft, die Weisheit, den Fokus und die Orientierung dazu.

Konkrete Beispiele für gelebte Berufung trotz Umständen

Ich möchte das zum Schluss an ein paar Beispielen konkret machen, bei denen wir besonders gerne unsere Umstände vorschieben, um Gottes Gebote nicht zu halten.

Als Christen sind wir zum Beispiel dazu aufgerufen, großzügig zu sein. Das macht das Neue Testament ganz klar. Dort steht zwar nichts ausdrücklich von einem Zehnten, aber dass wir großzügig sein sollen mit dem, was Gott uns gegeben hat – den Finanzen, den Gaben, der Zeit – ist unbestritten. Das macht die Bibel sehr deutlich. Es ist unsere Berufung als Christen, an dem Ort, wo Gott uns hingestellt hat.

Viele sagen jedoch: „Ich kann das im Moment nicht.“ Oder: „Wenn ich mehr hätte, dann könnte ich großzügig sein.“ Das höre ich immer wieder von Studenten, die sagen: „Wenn ich selber mehr hätte, dann könnte ich auch etwas spenden, aber ich habe ja selber nicht genug.“ Doch das stimmt nicht. Großzügigkeit ist keine Frage davon, wie viel Geld auf dem Konto ist oder wie viel man selbst besitzt. Großzügigkeit entscheidet sich im Herzen.

Jesus gibt uns ein Beispiel. Er hat oft Dinge beobachtet und sie genutzt, um direkt zu lehren. Einmal kam eine Frau zum Tempel und warf dort zwei kleine Münzen ein. Jesus sieht das und sagt zu seinen Jüngern: „Seht ihr, das ist ein Vorbild.“ Diese Frau hat alles gegeben, was sie hatte, für Gott. Sie war großzügig mit diesen zwei Münzen, mit denen man im Tempel nicht viel kaufen konnte. Das war kein Vermögen, aber für sie war es ein Vermögen, es war alles, was sie hatte. Und sie hat es großzügig für Gottes Sache gegeben, weil ihr das wichtiger war.

Jesus sagt: „Schaut euch diese Frau an, sie hat das gegeben, was sie hatte, darum geht es.“ Großzügigkeit ist eine Frage des Herzens, nicht der Umstände.

Das sehe ich auch, wenn ich unsere Kinder anschaue. Unsere Kinder haben nicht viel Geld, sie bekommen nicht viel Taschengeld. Trotzdem staune ich immer wieder, was sie mit dem wenigen Geld machen, das sie haben. Sie kaufen sich nicht nur Süßigkeiten für sich selbst oder Hefte, sondern geben oft großzügig für andere. Sie kaufen sich als Geschwister gegenseitig Geschenke. Sie machen uns als Eltern Geschenke, bei denen man denkt: „Ihr habt doch selbst gar nichts.“ Aber es ist ihnen wichtig, ihre Liebe und ihre Großzügigkeit mit dem Wenigen zu zeigen, das sie haben.

Großzügigkeit ist eine Herzenssache. Und dein Herz wird großzügig, wenn du tiefer verinnerlichst und verstehst, wie großzügig Gott mit dir ist, wie reichlich er dich beschenkt hat.

Noch einmal: Du bist teuer erkauft. Gott hat alles gegeben für dich – sein Ein und Alles, seinen Sohn. Und in dem Maß, wie dich das bewegt, lernst du, mit deinen Mitteln und Ressourcen großzügig zu sein. Du lernst, weiterzugeben und zu schenken von dem Segen, den du empfangen hast – mit dem Wenigen, das du hast, oder mit dem Viel.

Die Erfahrung zeigt: Die, die heute als Studenten sagen „Wenn ich mal viel habe, dann spende ich“, tun sich später nicht leichter damit. Wenn man das nicht als junger Mensch gelernt hat, wenn man jung im Glauben ist, wird es nicht leichter, wenn man viel auf dem Konto hat. Das kann dir jeder sagen, der viel hat.

Gastfreundschaft als Herzensentscheidung

Zweites Beispiel

Unsere Nächstenliebe soll sich auch in Gastfreundschaft zeigen. In Hebräer 13 heißt es: „Gastfrei zu sein, vergesst nicht.“

Auch hier können wir unsere Umstände anführen und sagen: Ja, aber in meinem Fall geht das nicht. Meine Wohnung ist zu klein, mein Terminkalender ist zu voll. Ich kann jetzt nicht auch noch gastfreundlich sein. Wenn ich mal im Ruhestand bin, dann will ich gern gastfreundlich sein. Wenn ich mehr Zeit habe oder mein Haus groß ist, dann kann ich gastfreundlich sein.

Doch das Gebot richtet sich nicht nach deinen Umständen. Auch Gastfreundschaft ist eine Herzenssache. Jesus ist auf uns zugekommen. Er hat für uns den Himmel, sein Zuhause, geöffnet und lädt uns ein, zu ihm zu kommen.

In dem Maße, wie dich das bewegt, wirst du den Schritt auf andere zugehen. Du wirst kreativ werden und dir überlegen, wie du Gastfreundschaft üben kannst. Das geht tatsächlich auch in der kleinsten Hütte. Das ist zwar ein Sprichwort, das nicht aus der Bibel stammt, aber trotzdem wahr ist: Platz ist in der kleinsten Hütte.

Gastfreundschaft ist auch möglich, wenn das Wohnzimmer nicht picobello aufgeräumt ist. Es ist kein Gebot in der Bibel, dass du erst komplett aufräumen musst, bevor du gastfreundlich sein kannst. Das Gebot lautet: Sei gastfreundlich, vergiss das nicht.

Und selbst wenn du wirklich keinen Platz hast, kannst du trotzdem einen einladenden Lebensstil pflegen. Du kannst auch mit Menschen woanders hingehen. Man kann sich im Café treffen, auf der Wiese oder an einem anderen Ort. Wichtig ist, diese Gastfreundschaft zu üben.

Berufung zur sexuellen Reinheit trotz schwieriger Umstände

Ein letztes Beispiel, und da sind wir wieder bei Kapitel sieben im 1. Korintherbrief. Dort geht es sehr stark darum, wie wir unsere Sexualität so leben, dass sie Gott ehrt und ihm gefällt.

Wir sind zur sexuellen Reinheit berufen. Darauf haben wir in den letzten Wochen immer wieder geschaut. Doch viele sagen: „Meine Umstände lassen das nicht zu.“ Sie sagen es oder zeigen es mit ihrem Leben. „Meine Umstände lassen es nicht zu. Ja, wenn ich mal einen Ehepartner habe, dann kann ich sexuell rein leben. Solange das nicht so ist, muss ich mir anders helfen.“

Oder die Verheirateten sagen: „Ja, wenn mein Ehepartner mehr für mich da wäre, dann wäre das ja möglich. Aber wir reden ja nicht mal mehr miteinander, wir haben keine erfüllte Sexualität miteinander. Dann muss ich eben andere Wege finden.“

Aber auch das stimmt nicht. Reinheit in der Sexualität entscheidet sich nicht an deinen Umständen. Es ist eine Herzenssache. Und auch das hängt sehr stark daran, dass du in der Beziehung zu Jesus wächst. Dass du verstehst, wer der ist, der dich berufen hat, und wer du vor ihm bist.

Ich bin sein Eigentum. Ich gehöre ihm – mit meiner Seele, aber auch mit meinem Körper. Er weiß, was ich brauche, er kennt meine Nöte. Aber er sorgt auch für mich. Ich gehe keine anderen Wege. Ich suche meine Erfüllung in ihm.

Ist das immer einfach? Ganz sicher nicht. Lohnt sich das? Auf jeden Fall.

Jesus Christus ist der, der uns beruft zu einem Leben nach Gott. Seine Gebote sind nicht ein Pflichtprogramm für uns als Christen. Vielmehr sind sie eine Einladung: Finde dein Leben, deine Freiheit im Leben für Gott, in seinen guten Geboten, in seinen Ordnungen für das Leben. Sie dienen dem Leben. Sie sind keine Einschränkung für uns.

Ermutigung in schwierigen Lebensumständen

Ich möchte schließen mit einem Wort an diejenigen, die gerade in diesen Tagen sehr mit ihren Umständen zu kämpfen haben.

Bei der Vorbereitung musste ich an einen Brief denken, den der Theologe Dietrich Bonhoeffer am 19. März 1944 aus dem Gefängnis geschrieben hat. Er befand sich in sehr unfreien Verhältnissen. Er saß dort schon eine längere Zeit ein und wurde später sogar hingerichtet. In dieser Gefängniszelle schreibt er und reflektiert über die Gefahr, die Wünsche in unserem Leben entfalten können. Dieses Träumen von Veränderung, das Sehnen danach, dass die Umstände anders wären – er sagt, darin liegt eine große Gefahr.

Er schreibt: Wünsche, an die wir uns zu sehr klammern, rauben uns leicht etwas von dem, was wir sein sollen und können. Ich lese es noch einmal: Wünsche, an die wir uns zu sehr klammern, rauben uns leicht etwas von dem, was wir sein sollen und können. Wünsche, die wir um der gegenwärtigen Aufgabe willen immer wieder überwinden, machen uns umgekehrt reicher.

Ein paar Sätze später sagt er diesen wunderbaren, bemerkenswerten Satz: Es gibt erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche. Das ist wahr, weil unsere Erfüllung nicht in den Umständen liegt, sondern bei Jesus Christus selber zu finden ist.

Es ist kein Problem, wenn du Wünsche hast, wenn du dir Freiheit wünschst, wenn du dir Beziehung wünschst, sexuelle Erfüllung – das ist nicht das Problem. Das Problem ist, wenn das dein Herz so vereinnahmt, wenn deine Gedanken sich so darum drehen, wenn du deine Erfüllung davon erwartest und dadurch verpasst, Gott besser kennenzulernen, für ihn zu leben und deine Berufung anzunehmen, da, wo er dich hineingestellt hat.

Deshalb nimm deine Berufung an, das, was Gott dir zugemessen hat, und leb vor ihm.

Lasst uns beten.

Jesus Christus, wir danken dir, dass wir durch den Glauben an dich eine neue Identität bekommen haben. Wir sind eine neue Kreatur, neue Geschöpfe, bereit gemacht für die Beziehung zu dir, zum lebendigen Gott. Danke, dass du uns teuer erkauft hast durch dein Leben.

Wir wollen dir bekennen, dass es uns immer noch oft schwerfällt, in allen Umständen wirklich unsere Berufung zu leben, dir zu vertrauen und deine Gebote als etwas Gutes anzusehen und auch zu befolgen.

Bitte verändere du unsere Herzen. Zeig uns, wie gut du bist, wie gut du es mit uns meinst. Zeig uns, wie gut deine Wege sind und auch, wie wir sie leben können.

Herr, du weißt, wie oft es uns auch schwerfällt, überhaupt zu sehen: Wie geht das in meiner konkreten Situation? Schenk uns deine Weisheit durch deinen Heiligen Geist und die Kraft und den Frieden, auf deinen Wegen zu gehen – zu deiner Ehre, zu unserem Besten und zum Zeugnis für diese Welt. Amen.