B. Guten Abend, ich möchte alle ganz herzlich begrüßen. Wir kommen heute zu Teil 5 im ersten Teil des Lukas-Evangeliums. Es gibt ja zwei große Teile im Lukas-Evangelium, und hier schließen wir den ersten Teil ab, nämlich Lukas 9,1-50.
Ab Kapitel 9,51 beginnt dann der zweite große Teil von Lukas bis zum Schluss. Zuerst lesen wir also den Text von Vers 1 bis 50. Es lohnt sich schon beim Lesen, auf das Wort beziehungsweise den Begriff „Reich Gottes“ zu achten, denn das ist einer der Schlüsselbegriffe in diesem Abschnitt.
Genauso wie wir im vorigen Teil 4, ab Kapitel 7 bis einschließlich Kapitel 8, das Thema „Retten“ hatten. Dort war es wichtig, immer darauf zu achten, wann etwas von „Retten“ steht. Wir haben gesehen, dass auch wiederholt das Wort, das meistens mit „heilen“ übersetzt wird, je nach Zusammenhang auch „retten“ bedeutet. Im Griechischen war das das Schlüsselwort für Teil 4, aber im Teil 5 ist „Reich Gottes“ das Schlüsselwort.
Aussendung der Jünger und erste Reaktionen
Darf ich dich bitten, Sascha?
Er rief seine zwölf Jünger zusammen und gab ihnen Kraft und Vollmacht über alle Dämonen sowie zur Heilung von Krankheiten. Dann sandte er sie aus, das Reich Gottes zu verkündigen und die Kranken zu heilen.
Er sprach zu ihnen: „Nehmt nichts auf den Weg mit, weder Stäbe noch Tasche, weder Brot noch Geld. Auch soll keiner zwei Hemden haben. Wo immer ihr in ein Haus eintretet, da bleibt. Und von dort zieht weiter.“
„Wenn man euch nicht aufnehmen wird, dann geht aus jener Stadt fort und schüttelt den Staub von euren Füßen als Zeugnis gegen sie.“
Sie gingen hinaus, durchzogen die Dörfer, verkündigten das Evangelium und heilten überall.
Herodes, der Vierfürst, hörte alles, was durch ihn geschah, und geriet in Verlegenheit. Denn von einigen sagte man, Johannes sei aus den Toten auferstanden. Andere meinten, Elias sei erschienen, und wieder andere, einer der alten Propheten sei auferstanden.
Herodes sprach: „Johannes habe ich enthauptet. Wer aber ist dieser, von dem ich das höre?“ Er wünschte, ihn zu sehen.
Die Apostel kehrten zurück und erzählten ihm alles, was sie getan hatten. Er nahm sie zu sich und zog sich zurück an einen einsamen Ort bei der Stadt, die Bethsaida heißt.
Als die Volksmenge davon erfuhr, folgten sie ihm nach. Er nahm sie auf, redete zu ihnen vom Reich Gottes und heilte alle, die Heilung brauchten.
Speisung der Fünftausend und erste Offenbarungen
Aber der Tag begann sich zu neigen, und die Zwölf traten zu Jesus und sprachen zu ihm: „Entlasse das Volk, damit sie in die Dörfer und Höfe gehen, einkehren und Speise finden. Denn wir sind hier an einem einsamen Ort.“
Er aber antwortete ihnen: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Sie erwiderten: „Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische. Sollen wir für diese ganze Menge Speise kaufen?“ Denn es waren etwa fünftausend Männer.
Er sagte zu seinen Jüngern: „Lasst sie sich gruppenweise setzen, je fünfzig und fünfzig.“ Sie taten es so und ließen alle sich setzen.
Dann nahm er die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, segnete sie, brach sie und gab sie den Jüngern, damit diese sie der Menge austeilten.
Sie aßen und wurden alle satt. Von den Brocken, die übrig blieben, wurden zwölf Körbe voll aufgehoben.
Es geschah, als er einmal für sich allein betete, dass die Jünger in seiner Nähe waren. Er fragte sie: „Für wen halten mich die Leute?“ Sie antworteten: „Für Johannes den Täufer, andere aber für Elijah, und wieder andere sagen, einer der alten Propheten sei auferstanden.“
Da fragte er sie: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Petrus antwortete: „Für den Christus Gottes.“
Er ermahnte sie ernstlich und gebot ihnen, dies niemandem zu sagen. Er sprach: „Der Sohn des Menschen muss viel leiden, verworfen werden von den Ältesten, den obersten Priestern und Schriftgelehrten, getötet werden und am dritten Tag auferstehen.“
Nachfolge und Selbstverleugnung
Er sprach aber zu allen: Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten.
Denn was hilft es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sich selbst verliert oder schädigt?
Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit, zusammen mit dem Vater und den heiligen Engeln.
Ich sage euch aber in Wahrheit: Es sind etliche unter denen, die hier stehen, welche den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes sehen.
Verklärung auf dem Berg
Es geschah aber ungefähr acht Tage nach diesen Worten, dass er Petrus, Johannes und Jakobus zu sich nahm und auf den Berg stieg, um zu beten.
Während er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders, und sein Gewand strahlte weiß. Siehe, zwei Männer redeten mit ihm, das waren Mose und Elija.
Diese erschienen in Herrlichkeit und redeten von dem Ausgang, den er in Jerusalem erfüllen sollte.
Petrus und seine Gefährten aber waren vom Schlaf übermannt. Als sie erwachten, sahen sie seine Herrlichkeit und die zwei Männer, die bei ihm standen.
Es geschah, als diese von ihm scheiden wollten, da sprach Petrus zu Jesus: „Meister, es ist gut, dass wir hier sind. So lass uns drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elija eine.“
Er wusste jedoch nicht, was er sagte. Während er dies redete, kam eine Wolke und überschattete sie.
Sie fürchteten sich, als jene in die Wolke hineinkam. Eine Stimme kam aus der Wolke und sprach: „Dies ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“
Während die Stimme kam, fanden sie, dass Jesus allein war. Sie schwiegen und sagten in jenen Tagen niemandem etwas von dem, was sie gesehen hatten.
Heilung eines besessenen Knaben und Warnung vor Leiden
Es begab sich aber am folgenden Tag, als sie den Berg hinunterstiegen, dass ihm eine große Menge entgegenkam. Und siehe, ein Mann aus der Volksmenge rief und sprach: Meister, ich bitte dich, sieh doch meinen Sohn an, denn er ist mein Einziger. Siehe, ein Geist ergreift ihn, und plötzlich schreit er und zerrt ihn hin und her, sodass er schäumt und kaum von ihm weicht, ohne ihn zu misshandeln.
Ich habe deine Jünger gebeten, ihn auszutreiben, aber sie konnten es nicht. Da antwortete Jesus und sprach: O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein und euch ertragen? Bring deinen Sohn hierher!
Noch während er auf ihn zukam, warf der Dämon ihn nieder und zerrte ihn. Aber Jesus befahl dem unreinen Geist, machte den Knaben gesund und gab ihn seinem Vater wieder. Alle erstaunten über die große Macht Gottes.
Als sich nun alle über alles, was Jesus tat, verwunderten, sprach er zu seinen Jüngern: Lasst diese Worte in eure Ohren dringen: Der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen ausgeliefert werden. Sie aber verstanden das Wort nicht, und es war vor ihnen verborgen, sodass sie es nicht begriffen. Sie fürchteten sich, ihn wegen dieses Wortes zu fragen.
Es schlich sich aber der Gedanke bei ihnen ein, wer wohl der Größte unter ihnen sei. Da nun Jesus die Gedanken ihrer Herzen sah, nahm er ein Kind und stellte es neben sich. Er sprach zu ihnen: Wer dieses Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Denn wer der Geringste unter euch allen ist, der wird groß sein.
Johannes antwortete und sprach: Meister, wir sahen jemanden, der in deinem Namen die Dämonen austrieb, und wir wehrten es ihm, weil er dir nicht mit uns nachfolgt. Jesus sprach zu ihm: Wehrt ihm nicht, denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
Vielen Dank. Können wir gleich zusammentragen, wo der Ausdruck „das Reich Gottes“ in diesem Abschnitt vorkommt? Das erste Mal in Vers 2: „Und er sandte sie, die Zwölf aus, das Reich Gottes zu predigen.“ Eine Erklärung zu diesem Begriff „Reich“: griechisch Basileia. König heißt auf Griechisch Basileus. Merkt man, da ist das Wort König mit drin. Basileia ist das Königreich. Im Deutschen wäre es eigentlich klarer, wenn man übersetzen würde mit „Königreich“ anstatt nur „Reich“, weil der Hinweis auf den König immer drinsteckt, so wie im Englischen „Kingdom“.
Das war ein fester Begriff im Judentum bei den Rabbinern: Malchut Elohim, Malchut Adonai – das Königreich Gottes oder das Königreich des Herrn. Damit meinten sie, eines Tages, am Ende der Tage, wird der Messias kommen und ein weltweites Königreich aufrichten.
Wir können vielleicht zwischendurch gerade aus Daniel 7 lesen, einem Text, der vor 2000 Jahren im Judentum sehr beliebt war, über den oft gesprochen wurde und der sehr bedeutsam war. Das ist Daniel 7, das von den vier Weltreichen spricht. Damals war klar: Das erste Weltreich wird dargestellt durch einen Löwen mit Adelsflügeln, das ist das babylonische Reich zur Zeit Daniels.
Dann Daniel 7, Vers 4: ein Bär stellt das nächste Weltreich dar, das medopersische Reich. Vers 6: ein Leopard, das griechische Reich Alexanders. Und schließlich Vers 7: ein viertes Tier, schrecklich und furchtbar, mit eisernen Zähnen und zehn Hörnern, das römische Reich.
Vers 13 beschreibt, wie der Messias kommt. Liest jemand Verse 13 und 14? „Ich sah in den Nachtgesichten, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels, gleich einem Sohn des Menschen. Er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihm gebracht, und ihm wurde Herrschaft, Ehre und Königtum verliehen. Alle Völker, Stämme und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, und sein Königtum wird nie zugrunde gehen.“
Der auf den Wolken des Himmels Kommende ist der Messias, der einmal sein weltweites Königreich über alle Nationen, wie in Vers 14 beschrieben, aufrichten wird. Nach dem vierten Reich, dem römischen Reich, kommt das Reich Gottes.
Darum war die Erwartung damals sehr groß. Das Römische Reich herrschte auch über das Land Israel, und man erwartete, dass jetzt die Zeit sei, in der der Messias kommen würde. So sprach man allgemein von diesem Reich, von diesem Königreich Gottes.
Nun sendet Herr Jesus in Lukas 9, Vers 2 seine zwölf Jünger aus, um das Königreich Gottes zu predigen. Das heißt, der König ist da. Er sendet nun seine Boten aus, zwölf an der Zahl, entsprechend den zwölf Stämmen Israels.
Wo finden wir das Wort „Reich Gottes“ noch einmal? Vers 11: „Und er nahm sie auf und redete zu ihnen über das Reich Gottes.“ Und dann Vers 27: „Ich sage euch aber in Wahrheit, es sind einige von denen, die hier stehen, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes gesehen haben.“
Viele sagen hier, das sei ein Beispiel, wo Jesus Christus sich geehrt hat. Er meinte, in dieser Zeit, noch zu Lebzeiten gewisser Hörer, werde das Reich Gottes kommen.
In allen drei Evangelien, in denen dieser Satz steht – Matthäus, Markus und Lukas – folgt als nächster Abschnitt der Bericht über den Berg der Verklärung. Das war ein Vorgeschmack auf das Reich Gottes hier auf Erden.
Das können wir ganz deutlich in 2. Petrus 1 nachlesen. Einer der drei Augenzeugen auf dem Berg der Verklärung – Jakobus, Johannes und Petrus – erklärt, was das bedeutete.
Sascha, könntest du uns 2. Petrus 1, ab Vers 16 vorlesen?
„Denn wir sind nicht klug ersonnenen Legenden gefolgt, als wir euch die Macht und Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus wissen ließen, sondern wir sind Augenzeugen seiner herrlichen Majestät gewesen. Denn er empfing von Gott dem Vater Ehre und Herrlichkeit, als eine Stimme von der hocherhabenen Herrlichkeit an ihn erging: ‚Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.‘ Diese Stimme hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. Und so halten wir nun fest an dem völlig gewissenen prophetischen Wort und tun gut daran, darauf zu achten wie auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen. Dabei sollt ihr vor allem das erkennen, dass keine Weissagung der Schrift von eigenmächtiger Deutung ist; denn niemals wurde eine Weissagung durch menschlichen Willen hervorgebracht, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben die heiligen Menschen Gottes geredet.“
Danke. Hier beschreibt Petrus dasselbe Ereignis, das wir in Lukas 9, Vers 28 und folgende haben. Er spricht von der Ehre und Herrlichkeit, die Gott der Vater ihm gegeben hat (Vers 17), und von der Wolke, die sichtbar war und in die die Jünger eingetreten sind.
Man muss wissen: Im Alten Testament wird die Schechina, diese wunderbare Wolkensäule, die schon über der Stiftshütte war, um Gottes Gegenwart anzudeuten, nachts als Feuersäule sichtbar, immer als die Herrlichkeit Gottes bezeichnet (2. Mose 40 bei der Stiftshütte oder Hesekiel 1). Es ist immer die Schechina, die Wolke der Herrlichkeit und Gegenwart Gottes.
Interessant ist, dass Petrus in Vers 19 sagt (Elberfelder ist etwas wörtlicher, du hattest Schlachter gelesen, nicht wahr?): „Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester.“ Merkt man den Komparativ? Wörtlich auch „befestigter“. Warum dieser Komparativ?
Wir hatten das prophetische Wort schon vorher fest, zum Beispiel Daniel 7 und viele andere Stellen sprechen vom Kommen des Messias. Aber das war eine Enttäuschung für viele Juden: Als Jesus Christus vor zweitausend Jahren kam, hat er kein weltweites Friedensreich aufgerichtet. Viele dachten, er könne nicht der Messias sein, sonst hätte er es aufgerichtet.
Viele Orthodoxe heute sagen: Nein, Jesus von Nazaret kann nicht der Messias sein, sonst gäbe es ja seit zweitausend Jahren Frieden. Nun erklärt Petrus, sie haben damals auf dem Berg quasi wie durch ein Fenster das Reich Gottes in seiner Herrlichkeit hier auf Erden schon erlebt, als Vorgeschmack. Dieses Ereignis war gewissermaßen ein Pfand, das Gott gegeben hat, um zu sagen: Wartet, das mit dem Reich Gottes und dieser Herrlichkeit kommt alles, es ist nur eine Frage der Zeit, noch nicht jetzt.
Es ist eine Bestätigung des prophetischen Wortes, und darum sagt Petrus: „Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester oder befestigter.“ Auf dieses prophetische Wort muss man unbedingt achten wie auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort scheint. Das Griechische kann man auch übersetzen mit „an einem schmutzigen Ort“ – ein Ausdruck für ein Kellerloch, aus dem das Licht in einem dunklen, schmutzigen Kellerloch leuchtet, bis der Tag anbricht.
Dieses Ereignis war also ganz wichtig. Wenn der Herr Jesus sagt, hier sind gewisse, die werden das Reich Gottes noch sehen, dann meinte er eben diese drei: Jakobus, Johannes und Petrus, die das so erleben durften.
Da ist eine Frage: Aber da steht „etliche“. Ja, das griechische Wort bedeutet „gewisse“. Es wird manchmal übersetzt mit „etliche“, kann aber auch „gewisse“ bedeuten. Je nach Zusammenhang muss man übersetzen. Ich würde hier „gewisse Leute“ sagen, nicht „etliche“, denn „etliche“ klingt nach vielen Leuten und ist nicht so glücklich.
Noch etwas? Ja, da: „Bis der Morgenstern euer Herzen aufgeht.“ Man liest immer wieder in Kommentaren, dass das den Ruf von Herrn Jesus, die Entrückung, meint. Hat das jetzt nicht etwas zu tun mit dem Kommen von Jesus Christus als König? Das ist die Frage.
Ja, der Morgenstern ist die Venus. Petrus sagt, beim Anbruch des Morgens erscheint der Morgenstern, die Venus, als klar leuchtender Stern, wenn die Sonne noch nicht über dem Horizont erscheint, aber schon kurz davor ist. Man kann diesen Planeten noch sehen, weil er so hell leuchtet, die anderen Sterne verblassen schon. Dann kommt die Sonne über den Horizont.
Das sind zwei verschiedene Bilder: Der Morgenstern bedeutet das Kommen von Jesus Christus zur Entrückung der Gemeinde. Darum sagt er in Offenbarung 22 im Zusammenhang mit der Verheißung an die Gemeinde: „Ich komme bald“ und „Ich bin der glänzende Morgenstern.“ Das ist ein nicht so deutlich erwartetes oder wahrgenommenes Phänomen. Wer achtet schon auf die Venus? Aber den Sonnenaufgang beachten alle.
Der Sonnenaufgang symbolisiert das Kommen von Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit. Darum heißt es in Maleachi 4 von der Wiederkunft des Messias in Macht und Herrlichkeit: „Er wird kommen wie die Sonne.“ Maleachi 4, je nach Bibelausgabe Kapitel 3, Vers 20. Sascha, kannst du Maleachi 3, Vers 19 lesen?
„Da werden alle Übermütigen und alle, die gesetzlos handeln, wie Stoppeln sein, und der kommende Tag wird sie verbrennen, spricht der Herr der Heerscharen, sodass ihnen weder Wurzel noch Zweig übrigbleibt. Euch aber, die meinen Namen fürchten, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, und Heilung wird unter ihren Flügeln sein. Ihr werdet herauskommen und hüpfen wie Kälber aus dem Stall. Ihr werdet die Gesetzlosen zertreten, denn sie werden wie Asche sein unter euren Fußsohlen an dem Tag, den ich mache, spricht der Herr der Heerscharen.“
In Sacharja 14 sagt der Messias, er wird auf den Ölberg kommen. Das ist genau der Berg im Osten von Jerusalem, wo man jeden Morgen sehen kann, wie die Sonne aufgeht. Dort, wo die Sonne aufgeht, wird der Herr Jesus als König der Welt erscheinen, die Sonne der Gerechtigkeit.
Der Morgenstern ist das Phänomen, das vorher erscheint und ankündigt, dass der Tag kommt. Die Entrückung ist ein Ereignis, das vor der Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit stattfindet und überraschend für die Gläubigen ist. Sein Kommen als König der Welt wird alle Menschen betreffen.
Warum heißt es „in euren Herzen aufgehen“? Weil das die Herzenserwartung der Erlösten ist: „Komm, Herr Jesus!“ Wenn er zur Entrückung kommt, wird diese Hoffnung, die in unseren Herzen ist, aufgehen. Ein sehr schöner Ausdruck.
Wir haben also gesehen, wie wichtig das Ereignis auf dem Berg der Verklärung war. Es war ein Unterpfand Gottes, um Juden zu zeigen, dass sie nicht verzweifeln müssen. Das ist wirklich der Messias. Aber seine Herrschaft als König kommt später.
Interessant ist, dass drei Zeugen von diesem Ereignis da waren. 5. Mose 19, Vers 15 sagt: Vor Gericht in Israel müssen mindestens zwei oder besser drei Zeugen auftreten für ein glaubwürdiges Zeugnis. Darum hat der Herr Jesus diese drei Zeugen genommen.
In der Apostelgeschichte sehen wir, wie der Teufel Interesse hat, diese Leute wegzuschaffen. Apostelgeschichte 12: Jakobus, der Apostel Jakobus, wird umgebracht von einem Herodes-Sohn. Dann nimmt die Menge Petrus fest. Nun gibt es nur noch zwei Zeugen, die Mindestzahl für ein glaubwürdiges Zeugnis.
Petrus kommt ins Gefängnis, soll geköpft werden, aber ein Engel holt ihn heraus. Er durfte nicht sterben – ein Fall. Gott hat nicht bei allen eingegriffen. Ein anderer Fall, bei dem Gott eingegriffen hat, war, weil diese zwei Zeugen erhalten bleiben sollten, noch über Jahrzehnte hinweg.
So haben Petrus und Johannes gezeugt, dass Jesus Christus der Messias ist. Jetzt ist er zum ersten Mal gekommen als der leidende Messias, und er wird wiederkommen als der verherrlichte, herrschende Messias. Wir haben seine Herrlichkeit auf dem Berg erlebt, sein Angesicht leuchtete wie die Sonne.
Schließlich wurde Petrus im Jahr 67 von Kaiser Nero gekreuzigt. Doch das Zeugnis blieb über Jahrzehnte bestehen.
Petrus hat darum noch in seinem letzten Brief, aus der Todeszelle in Rom, den zweiten Petrusbrief geschrieben. Er hinterließ dieses Erlebnis als Vermächtnis und schreibt ausdrücklich, dass er diese Dinge weitergeben will, damit sie sich jederzeit wieder ins Gedächtnis rufen können.
Johannes durfte noch weiter zeugen, allein, aber das Zeugnis war etabliert, fest. Der Grund dafür war gelegt. Er starb um die Jahrhundertwende, nachdem er das letzte Buch, die Offenbarung, geschrieben hatte. Dieses Buch zeigt, dass Jesus Christus als König und Richter der Welt kommen wird.
Wir können gar nicht überschätzen, wie wichtig dieser Abschnitt ist.
Sehen wir: Ich habe gesagt, man soll auf das Wort „Reich Gottes“ achten, aber auch auf andere Ausdrücke.
Liest noch jemand Vers 26? „Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel.“
Hier spricht der Herr Jesus, ohne das Wort „König“ oder „Königreich“ zu verwenden, über sein Kommen als Herrscher. Er verwendet den Ausdruck „Sohn des Menschen“, eine direkte Rückverbindung zu Daniel 7, Vers 14. Er sagt deutlich, er wird kommen in seiner Herrlichkeit. Von dieser Herrlichkeit haben wir in 2. Petrus 1 gelesen: in seiner Herrlichkeit und in der Herrlichkeit des Vaters und der heiligen Engel. Das bedeutet, die ganze Engelwelt, die Engel, die nicht gefallen sind, werden ihn begleiten.
Wo haben wir noch das Reich Gottes gefunden? Jawohl, das war das letzte Mal, genau. Dann kommt der wichtige Abschnitt über den Berg der Verklärung. Nochmals wichtig ist Vers 44: Jesus spricht über sein erstes Kommen als leidender Messias, nennt sich Sohn des Menschen: „Fasst diese Worte in eure Ohren! Denn der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen überliefert werden.“ Er sagt, jetzt ist er gekommen, nicht um zu herrschen, sondern um zu leiden.
Davor hat er dieses Leiden angekündigt. Liest noch jemand Vers 22? „Der Sohn des Menschen muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den obersten Priestern und Schriftgelehrten, und getötet werden, und am dritten Tag auferweckt werden.“
Er macht klar: Es gibt ein erstes Kommen des Sohnes des Menschen, des Messias, als leidender Messias, und später wird er als König wiederkommen.
Ein Problem, das die Rabbiner im Altertum beschäftigte, ist in Daniel 7, Vers 14 beschrieben: Der Messias kommt auf den Wolken des Himmels. Aber in Sacharja 9, Vers 9 heißt es: „Freue dich sehr, du Tochter Zion! Sieh, dein König kommt zu dir, gerecht und ein Retter, demütig und reitend auf einem Esel, auf einem Füllen, dem Jungen einer Eselin.“
Das war ein echtes Problem. Da steht: Der Messias kommt auf einem Esel, und in Daniel steht, er kommt auf den Wolken. Wie kommt er nun?
Man entwickelte im Talmud die Theorie, dass es zwei Möglichkeiten gibt: Wenn wir würdig sind und die Gesetze Mose, die Tora, einhalten, dann kommt er auf den Wolken des Himmels. Wenn wir unwürdig sind und die Gebote nicht einhalten, kommt der Messias auf dem Esel.
Später sehen wir in Lukas 19, wie der Herr Jesus vom Ölberg auf einen Esel einreitet. Nur fünf Tage danach wird er gekreuzigt.
Es sind nicht zwei Möglichkeiten, sondern zwei verschiedene Kommen. Ein erstes Mal kommt der Messias auf dem Esel. Die Masse seines Volkes wird nicht bereit oder würdig sein.
Man muss wissen: Eines der wichtigsten Gebote der Tora ist 5. Mose 18, Vers 15: „Wenn der Prophet kommt, der Messias, dann müssen alle auf ihn hören.“ Wer nicht auf ihn hört, sagt Gott, von dem werde ich es fordern.
Sie haben nicht auf ihn gehört, sondern ihn verworfen. Er wird ein zweites Mal kommen: Dann wird er auf den Wolken des Himmels kommen, und seine Füße werden auf dem Ölberg stehen. Dann richtet er sein Reich, das Reich Gottes, in Macht und Herrlichkeit auf.
Gibt es dazu noch eine Frage? Ja, da hinten: Hat das Volk wirklich geglaubt, dass der Messias kommt? Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht so wichtig war wie heute bei Christen die Entrückung. Manche denken, ja, irgendwann kommt er, aber sonst hätten sie sich Mühe gegeben, bereit zu sein.
Das ist eine sehr gute Frage. Hat das jüdische Volk damals wirklich allgemein geglaubt, dass der Messias kommt? Oder ist es wie manche heute, die sich Gläubige nennen, und sagen, die Entrückung weiß man nicht so genau?
Die Antwort ist eindrücklich: Es war nicht nur eine allgemeine Erwartung, sondern eine genaue Erwartung in dieser Zeit.
Zeugnisse außerhalb der Bibel, zum Beispiel von Tacitus, einem römischen Schriftsteller der Antike, berichten, dass man in Israel fieberhaft auf einen kommenden Herrscher wartete.
Auch Josephus Flavius, ein Priester und Geschichtsschreiber aus Jerusalem, schreibt im ersten Jahrhundert, dass aus den Schriften der Bibel aufgrund einer Aussage ein Weltherrscher erwartet wurde.
Das ist ein direkter Hinweis auf Daniel 9, wo anhand der Jahrwochen vorausgesagt wird, wann der Messias kommen wird. Man konnte das ausrechnen, und mit den 69 Jahrwochen in Daniel 9, Vers 24-25, kommt man auf das erste Jahrhundert nach Christus.
Das zeigt, man war fähig, diese Prophetie zu verstehen und richtig zu rechnen.
Es gab auch die Sekte von Qumran, die am Toten Meer lebte. Sie hatten eine Siedlung und studierten die Bibel intensiv. Sie erwarteten eifrig, dass der Messias bald kommt.
Diese Gruppe von Juden hatte im zweiten Jahrhundert große Probleme mit dem offiziellen Judentum. Die Hohenpriester waren ab dem zweiten Jahrhundert illegal. Eine Familie hatte unrechtmäßig das Hohenpriesteramt an sich gerissen.
Schließlich verband diese Dynastie Königtum und Priestertum, was im Alten Testament immer getrennt sein musste. Die Gruppe hatte Gewissensnöte und zog sich unter Leitung eines Zadokiden, eines Priesters aus dem Stamm Levi, der von Zadok abstammte, zurück.
Sie gingen an den Toten Meer, um zu warten, dass der Messias bald kommt und einen neuen Tempel bringt. Dort studierten sie die Bibel und rechneten, dass der Messias bald kommen wird.
In ihrer sogenannten Sektenrolle, die sie selbst nicht so nannten, sondern „Hayachat“ – die Gemeinschaft –, hatten sie bestimmte Regeln.
Sie zitierten Jesaja 40,3: „Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn!“
Sie gingen in die Wüste Arawa hinunter, weil sie wussten, dort wird der Messias auftreten, nach Jesaja 40.
Tatsächlich predigte Johannes der Täufer ein paar Kilometer entfernt am Jordan. Der Herr Jesus kam, ließ sich taufen (Lukas 3) und begann öffentlich zu predigen. Sie waren also geographisch gut positioniert.
Das zeigt eindrücklich, dass man Prophetie verstehen und vorausberechnen konnte.
Aber es gab schwierige Fragen: Warum steht an einer Stelle „auf dem Esel“ und an der anderen „auf den Wolken“?
Darum war es wichtig, dass der Herr Jesus seinen Jüngern erklärt: „Der Sohn des Menschen muss viel leiden und verworfen werden.“ Ihr sollt nicht erwarten, dass jetzt schon die Königsherrschaft kommt. Das ist noch nicht der Zeitpunkt. Zuerst muss der Messias leiden und sterben, erst dann kommt er in Herrlichkeit.
Das wiederholt er auch in Kapitel 9, Vers 44. Damit erklärt Jesus, dass es zwei Kommen des Messias gibt.
Gerade aus Daniel 9 hätte man das wissen können. Dort steht, der Messias wird nach 69 Jahrwochen kommen. Wenn man das ausrechnet, kommt man auf das erste Jahrhundert nach Christus.
Dann heißt es dort, der Messias wird ermordet werden und nichts haben.
Schlagen wir Daniel 9, Vers 25-26 auf:
Vers 25: „Indem er kommt als Fürst…“ Das hat sich genau erfüllt am Tag von Palmsonntag, als der Herr Jesus auf dem Esel einzog.
Vers 26: „Nach den zweiundsechzig Wochen wird der Gesalbte ausgerottet werden, und ihm wird nichts zuteilwerden. Die Stadt aber samt dem Heiligtum wird das Volk des zukünftigen Fürsten zerstören. Und es wird Krieg geben bis ans Ende, fest beschlossene Verwüstungen.“
Wenn man genau liest, heißt es, der Messias wird sterben, ausgerottet werden und nichts haben.
Diese Stelle muss man kennen, wenn man mit orthodoxen Juden spricht, die sagen: Nein, Jesus ist nicht der Messias, sonst gäbe es seit zweitausend Jahren Frieden.
Ich habe einem Orthodoxen erklärt, dass wenn es seit zweitausend Jahren Frieden gäbe, Jesus gar nicht der Messias sein könnte. Denn es heißt hier, er wird nichts haben, kein machtvolles Königreich.
Gleich danach wird gesagt, dass das Volk des kommenden Fürsten die Stadt und das Heiligtum zerstören wird.
Nach der Kreuzigung kamen die Römer und zerstörten Jerusalem und den Tempel.
Dann wird gesagt, es wird Krieg geben bis ans Ende. Das sieht man bis in die Endzeit.
Das kann man nicht wegbeten, sondern es wird genau so kommen, und zwar bis ans Ende. Das heißt, die Endzeit ist noch nicht mit dem ersten Kommen des Messias, sondern erst, wenn er das zweite Mal kommt. Dort ist die Endzeit.
Der Ausdruck „das Ende“ bedeutet die Endzeit, wie auch in der Ölbergrede des Herrn Jesus. Aber das Ende ist nicht sofort. Mit „das Ende“ meint er die große Drangsal unmittelbar vor seinem Kommen.
Wie ordnet man Jesaja 53 ein? War das dann auch eine Option, könnte man sagen, dem Esel zugeordnet? All die Stellen, wo Leiden beschrieben wird, und andere Stellen, die vom Messias als Herrscher sprechen, wurden so verstanden?
Ja, genau das war das Problem. Jesaja 53 spricht vom leidenden und sterbenden Messias.
Christoph fragt: Was haben die denn mit dieser Stelle gemacht? Ist das nicht ein Problem?
Erstens muss ich betonen: Im antiken Judentum war klar, dass Jesaja 53 vom Messias spricht.
Ich kann viele Stellen aus der rabbinischen Literatur anführen, wo Jesaja 53 ganz klar auf den Messias bezogen wird.
Zum Beispiel Rabbi Al-Schesch im 16. Jahrhundert schreibt über Jesaja 53: Unsere alten Rabbiner haben auf das Zeugnis der Tradition hin angenommen, dass hier vom König Messias die Rede ist.
Oder viel früher im Midrasch Tanchuma, 9. Jahrhundert: Dort wird zu Jesaja 52, Vers 13 gesagt: „Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln.“ Das ist der König Messias, der hoch und erhaben ist, höher als Abraham, Moses und die dienenden Engel.
Man könnte meinen, sie hätten den Hebräerbrief gelesen. Aber umgekehrt war dieses Wissen im Judentum vorhanden, und im Hebräerbrief wird es auf den Herrn Jesus angewendet.
In jeder Rabbinerbibel steht bei Jesaja 53, beziehungsweise 52,13, neben dem hebräischen Text die aramäische Übersetzung des Targum Jonathan ben Uzziel. Dort wurde ergänzt: „Siehe, mein Knecht, der Messias.“
Es ist klar, und das ist sehr wichtig, wenn man mit modernen Theologen spricht, die sagen, das sei eine spätere christliche Interpretation. Im Judentum war klar, Jesaja 53 spricht vom Messias.
Aber es gab einen Konflikt, wie Christoph angedeutet hat.
Eine Lösung war die Theorie, es gibt zwei verschiedene Messiasse: einen, der leidet, und einen, der regiert.
Den leidenden nannten sie Maschiach ben Joseph, den Messias Sohn des Joseph, der wie Joseph von seinen Brüdern verworfen wird.
Den anderen nannten sie Maschiach ben David, den Messias Sohn Davids, der wie David König sein und regieren wird.
Interessant ist, dass Rabbi Al-Schesch im 16. Jahrhundert schrieb, das Subjekt dieser Weissagung sei David, also der Messias.
Für ihn ist klar, dass der leidende Messias und der herrschende Messias dieselbe Person sind.
Man versuchte also den Konflikt durch die Theorie von zwei Messiasse zu lösen.
Maschiach ben Joseph wurde von seinen Brüdern verworfen, doch später verneigten sie sich vor ihm, und er wurde ihr Herrscher.
Zuerst musste er leiden, dann wurde er verherrlicht.
David war auch nicht immer König. Er war lange Zeit der Verstoßene in Israel und wurde sogar von Saul verfolgt, dem offiziellen König.
David war der verworfene König, erst später wurde er zum anerkannten König.
Eine Person: das erste Mal kommt er als der Leidende und wird dann über seine Brüder herrschen.
Zuerst verworfen wie David, später anerkannter König.
Noch jemand wollte etwas fragen? Ja, das sieht man wunderbar in Sacharja 9, Vers 9, wo vom ersten Kommen gesprochen wird, und Vers 19, wo vom zweiten Kommen die Rede ist.
Im ganzen Text wird beides zusammengenommen.
Manfred, du hast noch etwas?
Wir müssen einordnen, wie lesende Juden Jesaja 53 interpretieren.
Es ist ein Problem mit Jesaja 53.
In allen Synagogen weltweit wird im Jahreslauf die ganze Tora, alle fünf Bücher Mose, gelesen.
Es gibt ein Haftaraverzeichnis, in dem steht, an welchem Sabbat im Jahr welcher Abschnitt gelesen wird.
Das ist eine Art Bibelprojekt, bei dem alle denselben Abschnitt lesen.
Im Haftaraverzeichnis wird angegeben, bei diesen Kapiteln in den fünf Büchern Mose liest man bestimmte Abschnitte aus den Propheten dazu.
Man liest nie alle Propheten, sondern nur ausgewählte Kapitel.
Bei 5. Mose liest man die entsprechenden Abschnitte aus den Propheten.
Wenn 5. Mose gelesen wird, kommt Jesaja 52,13, und am nächsten Sabbat Jesaja 54.
Unglaublich, oder? Jesaja 53 wird ausgelassen.
Man muss sich fragen, warum gerade dieses Kapitel ausgelassen wird.
Das Haftaraverzeichnis ist so.
Das bedeutet, dass in der Praxis kaum jemand Jesaja 53 kennt.
Darum ist es wichtig, wenn man mit Orthodoxen spricht, ihnen vielleicht zu sagen: „Lest mal Jesaja 53!“
Das kann sehr eindrücklich sein.
Ein Bekannter von mir, aufgewachsen in einer orthodoxen Familie in Nordafrika, las Jesaja 53 zum ersten Mal und sagte: „Das ist eine Fälschung, Christen haben etwas vom Neuen Testament in unsere Bibel hineingetan. Das kann nicht das jüdische Alte Testament sein.“
Das wirkt sehr stark, weil es so klar ist.
Viele bekehrte Juden erzählen, dass Jesaja 53 eine Schlüsselrolle bei ihrer Bekehrung spielte.
Es ist eindrücklich und unterschiedlich bei jedem.
Das war auch in früheren Jahrhunderten so.
Nur noch ein praktisches Beispiel: Ich war mit Michael aus Zürich-Enge zusammen, orthodoxe Familie.
Wir sprachen über den Messias und lasen Jesaja 53.
Danach war das Gespräch vorbei.
Später trafen wir uns wieder.
Er sagte, als er Jesaja 53 zum ersten Mal gelesen habe, war das unglaublich.
Er fragte seinen Rabbi, wie man es verstehen müsse.
Der Rabbi sagte, es sei ein Freiheitskämpfer in der babylonischen Gefangenschaft gewesen.
Ich fragte: Wann war die babylonische Gefangenschaft?
Er wusste es nicht genau.
Sie war von 606 bis 539 vor Christus.
Wann hat Jesaja gelebt? Um 700 vor Christus.
Das passt nicht.
Der Rabbi sagte, es sei keine Prophetie, sondern in der Vergangenheitsform geschrieben.
Ich zeigte ihm, dass das nicht funktioniert.
Das sind Versuche, um zu fliehen.
Wer Hebräisch lernt, sollte unbedingt den Begriff des prophetischen Perfekts kennen.
Das heißt, zukünftige Dinge werden oft mit Zeitformen beschrieben, als seien sie abgeschlossen.
Jesaja 53 ist Prophetie.
Im Mittelalter sagten Rabbiner wie Raschi und Abrabanel, dieser Knecht sei nicht der Messias, sondern das Volk Israel.
Sie argumentierten, dass Israel der leidende Knecht sei, weil die Heiden sie hassen.
Man muss einfühlsam erklären:
In Jesaja 53, Vers 8 heißt es, dass der Knecht wegen der Übertretungen meines Volkes Strafe getroffen hat.
Der Knecht wird vom Volk Gottes unterschieden.
Der Knecht stirbt für das Volk Gottes, also kann es nicht Israel sein.
In Vers 9 steht: „Weil er kein Unrecht begangen hat und kein Trug in seinem Mund war.“
Israel hat nie gelogen, das ist klar.
Um den Hintergrund besser zu verstehen: In Lukas 9, 1-11 schickt der Herr Jesus die zwölf Apostel aus, für die zwölf Stämme Israels.
Damals gab es unter den Juden in Israel alle zwölf Stämme.
Nach der Reichsteilung bei Salomo wurde Israel in das Königreich der zehn Stämme im Norden und das Königreich der zwei Stämme (Judah und Benjamin) im Süden geteilt.
In 2. Chronik 10-12 lesen wir, dass viele aus den zehn Stämmen in den Süden flohen, weil sie dort sahen, dass Gott bei ihnen war.
So gab es alle zwölf Stämme im Südreich.
Auch bei König Asa (2. Chronik 15) und später bei Hiskia kamen die aus den zehn Stämmen in den Süden.
Als die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehrten, kamen alle zwölf Stämme zurück.
Darum war es wichtig, dass Jesus die zwölf Apostel für Israel sandte.
Er erwartete, dass die Botschaft des Messias von den zwölf Stämmen aufgenommen und unterstützt wird.
Darum sagt er: Nehmt nichts mit auf den Weg, weder Stäbe, noch Tasche, noch Brot, noch Geld, noch soll jemand zwei Unterkleider haben.
Sie sollten mit dem Minimalsten gehen und damit rechnen, dass Israel diese Botschafter des Messias aufnimmt und versorgt.
Diese Phase, in der der König kommt und seine Boten aussendet, endet kurz vor der Kreuzigung.
Schlagen wir Lukas 22 auf, in der Nacht, als der Herr überliefert wurde.
Liest jemand Lukas 22, Vers 35?
„Und er sprach zu ihnen: Als ich euch aussandte ohne Beutel, Tasche und Schuhe, hat euch etwas gemangelt? Sie sprachen: Nichts. Nun sprach er zu ihnen: Aber jetzt, wer einen Beutel hat, der nehme ihn, ebenso auch die Tasche. Wer es nicht hat, der verkaufe sein Gewand und kaufe ein Schwert. Denn ich sage euch, auch dies muss noch an mir erfüllt werden, was geschrieben steht: ‚Und er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden.‘“
Das ist Jesaja 53.
Weiter: „Denn was von mir geschrieben steht, das geht in Erfüllung.“
Sie sprachen: „Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter.“
Er sprach zu ihnen: „Es ist genug.“
Der Herr sagt hier im Rückblick auf Kapitel 9: Wie war das, als ihr damals in Israel predigen musstet? Gab es Probleme?
Sie antworteten: Nein, es hat uns nichts gemangelt. Der Herr hat uns treu versorgt.
Jetzt sagt der Herr Jesus: Aber jetzt müsst ihr selbst schauen.
Jetzt kommt eine neue Zeit.
Es ist nicht mehr so wie damals.
Weil deutlich geworden ist, dass Israel die Masse den Messias verwirft.
Sie können nicht mehr erwarten, dass Israel sie unterstützt.
Sie sollen davon ausgehen, dass sie keine Unterstützung mehr von Israel bekommen.
Jetzt wird alles anders.
Das ist eine wichtige Stelle, um zu zeigen, wie manche Anordnungen im Neuen Testament zeitlich beschränkt sind.
Das ganze Wort Gottes ist voll gültig und hundertprozentig Gottes Wort.
Es wird nicht aufgehoben.
Aber man muss die Anweisungen den richtigen Personen und der richtigen Zeitepoche zuordnen.
Zum Beispiel das Gesetz Mose.
Gott gab es Israel bei seinem Bund am Sinai.
Die Zeit des Gesetzes sollte sein, bis der Messias kommt und am Kreuz stirbt (Römer 10, Vers 4: Christus ist des Gesetzes Ende).
Jetzt kann man die Gemeinde heute nicht unter das Gesetz Mose stellen.
Aber natürlich ist das Gesetz Gottes Wort und voll gültig, nur nicht auf die Gemeinde zu beziehen.
Darum, wenn man Lukas 9 nimmt und sagt, Missionare dürfen keine Stäbe, Taschen, Brot oder Geld mitnehmen, das war biblisches Gebot bis zur Nacht der Verwerfung des Herrn Jesus.
Dann kam eine neue Anweisung in Lukas 22.
Im 3. Johannesbrief schreibt Johannes, dass Gläubige, die als Missionare hinausgingen, sich nicht von der Welt unterstützen lassen wollen. Sie wollen kein Geld von der Welt.
Aber die Gemeinde soll sie unterstützen, nicht die Welt.
Darum ist es wichtig, dass Missionare sich nicht vom Staat unterstützen lassen.
Das ist Sache des Volkes Gottes.
Diese Anweisungen sind praktisch und wichtig.
Hier ein Beispiel: Das war zeitlich begrenzt.
Es gibt Gläubige, die sagen, das, was Paulus im 1. Korintherbrief schreibt, war für damals und kann heute nicht mehr angewendet werden.
Wo steht, dass das nur bis zur Endzeit gilt, aber nicht mehr in der Endzeit?
Das ist das Problem.
Man muss klar zeigen, wenn etwas zeitlich beschränkt war.
Jetzt ist die Zeit vorbei.
Wir würden nächstes Mal ab Vers 12, 9 weitermachen.
Ich möchte noch ein paar Details in Kapitel 9 aufnehmen, kurz zurückkommen, und dann weitergehen.
Bedeutung des Reiches Gottes und biblischer Hintergrund
Vielen Dank. Können wir gleich zusammentragen, wo der Ausdruck „das Reich Gottes“ in diesem Abschnitt, in diesem Text vorkommt?
Das erste Mal findet er sich in Vers 2: „Jawohl, und er sandte sie, die Zwölf, aus, das Reich Gottes zu predigen.“
Eine Erklärung zu diesem Begriff „Reich“: Im Griechischen heißt es Basileia. „König“ heißt auf Griechisch Basileus. Man merkt, dass im Wort Basileia das Wort „König“ enthalten ist. Basileia bedeutet also das Königreich.
Daher wäre es im Deutschen eigentlich klarer, wenn man nicht nur „Reich“, sondern „Königreich“ übersetzen würde. Denn der Hinweis auf den König ist immer enthalten, ähnlich wie im Englischen „Kingdom“.
Dieser Begriff war ein fester Begriff im Judentum bei den Rabbinern: Malchut Elohim, Malchut Adonai – das Königreich Gottes oder das Königreich des Herrn. Damit meinten sie, dass eines Tages, am Ende der Tage, der Messias kommen und ein weltweites Königreich aufrichten wird.
Wir können vielleicht zwischendurch gerade aus Daniel 7 lesen, einem Text, der vor 2000 Jahren im Judentum sehr beliebt war, über den oft gesprochen wurde und der sehr bedeutsam war.
Das ist nämlich Daniel Kapitel 7, das von den vier Weltreichen spricht. Damals war klar: Das erste Weltreich wird hier dargestellt durch einen Löwen mit Adelsflügeln – das ist das Babylonische Reich zur Zeit Daniels.
Dann in Daniel 7,4 wird ein Bär als das nächste Weltreich genannt, das medopersische Reich.
In Vers 6 folgt ein Leopard, das griechische Reich von Alexander, und schließlich in Vers 7 ein viertes Tier, schrecklich und furchtbar, mit eisernen Zähnen und zehn Hörnern – das römische Reich.
In Vers 13 wird beschrieben, wie der Messias kommt. Liest man die Verse 13 und 14:
„Ich sah in den Nachtgesichten, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels, gleich einem Sohn des Menschen, und er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihm gebracht. Und ihm wurde Herrschaft, Ehre und Königtum verliehen, und alle Völker, Stämme und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, und sein Königtum wird nie zugrunde gehen.“
Der auf den Wolken des Himmels Kommende ist der Messias, der einmal sein weltweites Königreich über alle Nationen, wie es in Vers 14 beschrieben wird, aufrichten wird.
Und zwar wird nach dem vierten Reich, dem Römischen Reich, das Reich Gottes kommen.
Darum war damals die Erwartung sehr groß. Das Römische Reich herrschte auch über das Land Israel, und man erwartete, dass jetzt die Zeit sei, in der der Messias kommen würde.
So sprach man allgemein von diesem Reich, von diesem Königreich Gottes.
Nun sendet Herr Jesus in Lukas 9, Vers 2 seine zwölf Jünger aus, um das Königreich Gottes zu predigen. Das heißt, der König ist da.
Er sendet nun seine Boten aus, und zwar zwölf, entsprechend den zwölf Stämmen Israels.
Wo finden wir das Wort „Reich Gottes“ nochmals? In Vers 11 erscheint dieser Ausdruck wieder: „Und er nahm sie auf und redete zu ihnen über das Reich Gottes.“
Und dann in Vers 27 kommt diese Verheißung:
„Ich sage euch aber in Wahrheit, es sind einige von denen, die hier stehen, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes gesehen haben.“
Viele Leute sagen, dass dies ein Beispiel ist, wo Jesus Christus sich geirrt hat. Er habe gemeint, in dieser Zeit, noch zu Lebzeiten gewisser Hörer, werde das Reich Gottes kommen.
Nun, in allen drei Evangelien, in denen dieser Satz steht – Matthäus, Markus und Lukas – folgt als nächster Abschnitt immer der Bericht über den Berg der Verklärung.
Das war ein Vorgeschmack auf das Reich Gottes hier auf Erden.
Das können wir ganz deutlich nachlesen in 2. Petrus 1. Dort erklärt einer der drei Augenzeugen auf dem Berg der Verklärung – es waren Jakobus, Johannes und Petrus –, was das bedeutete.
Sascha, könntest du uns 2. Petrus 1 ab Vers 16 vorlesen?
„Denn wir sind nicht klug ersonnenen Legenden gefolgt, als wir euch die Macht und Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus wissen ließen, sondern wir sind Augenzeugen seiner herrlichen Majestät gewesen.“
Man sieht hier, dass er über die Wiederkunft oder Ankunft (Parousia) unseres Herrn Jesus Christus spricht. Er sagt, sie seien Augenzeugen dieser Ankunft gewesen, ja, in Macht und gewissermaßen in Herrlichkeit.
Weiter heißt es:
„Denn er empfing von Gott dem Vater Ehre und Herrlichkeit, als eine Stimme von der hocherhabenen Herrlichkeit an ihn erging: ‚Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.‘ Und diese Stimme hörten wir vom Himmel her ergehen, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren.“
Und so halten sie nun fest an dem völlig gewissen prophetischen Wort und tun gut daran, darauf zu achten, als auf ein Licht, das an einem dunklen Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
Dabei sollt ihr vor allem erkennen, dass keine Weissagung der Schrift von eigenmächtiger Deutung ist.
Denn niemals wurde eine Weissagung durch menschlichen Willen hervorgebracht, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben die heiligen Menschen Gottes geredet.
Danke.
Bedeutung des Ereignisses auf dem Berg der Verklärung
Hier beschreibt Petrus dasselbe Ereignis, das wir auch in Lukas 9,28 ff. finden. Er spricht in diesem Zusammenhang von der Ehre und Herrlichkeit, die Gott, der Vater, ihm gegeben hat (Vers 17). Dann erwähnt er die Wolke, die sichtbar war und in die die Jünger eingetreten sind. Dort heißt es, von der prachtvollen Herrlichkeit erging eine Stimme.
Man muss wissen, dass im Alten Testament die Schechina – diese wunderbare Wolkensäule, die schon über der Stiftshütte war, um Gottes Gegenwart anzudeuten – nachts als Feuersäule sichtbar war. Diese Schechina wird im Alten Testament immer als die Herrlichkeit Gottes bezeichnet, zum Beispiel in 2. Mose 40 bei der Stiftshütte oder in Hesekiel 1. Es ist stets die Wolke der Herrlichkeit und Gegenwart Gottes.
Interessant ist, dass Petrus in Vers 19 sagt – Elberfelder ist hier etwas wörtlicher, du hattest Schlachter gelesen, nicht wahr? – „Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester.“ Man merkt den Komparativ, also „befestigter“. Warum dieser Komparativ? Wir hatten das prophetische Wort schon vorher fest, nicht wahr? Daniel 7 und viele andere Stellen sprechen vom Kommen des Messias. Aber das war für viele Juden eine Enttäuschung: Als Jesus Christus vor zweitausend Jahren kam, richtete er kein weltweites Friedensreich auf. Viele dachten daher, er könne nicht der Messias sein, sonst hätte er dieses Reich errichtet. Viele Orthodoxe heute sagen: Nein, Jesus von Nazaret kann nicht der Messias sein, sonst gäbe es ja seit zweitausend Jahren Frieden.
Nun erklärt Petrus, dass sie damals auf dem Berg quasi wie durch ein Fenster das Reich Gottes in seiner Herrlichkeit hier auf Erden schon erlebt haben – als Vorgeschmack. Dieses Ereignis war gewissermaßen ein Pfand, das Gott gegeben hat, um zu sagen: Wartet, das mit dem Reich Gottes und dieser Herrlichkeit kommt alles noch, es ist nur eine Frage der Zeit, noch nicht jetzt. Es ist eine Bestätigung des prophetischen Wortes. Darum sagt Petrus: „Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester“ oder „befestigter“. Auf dieses prophetische Wort muss man unbedingt achten wie auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet. Das Griechische kann man auch übersetzen mit „an einem schmutzigen Ort“ – der Ausdruck meint ein Kellerloch. Das Licht leuchtet aus einem dunklen, schmutzigen Kellerloch, bis der Tag anbricht.
Dieses Ereignis war also sehr wichtig. Wenn der Herr Jesus sagt, hier sind gewisse, die werden das Reich Gottes noch sehen, dann meinte er eben diese drei: Jakobus, Johannes und Petrus, die das so erleben durften. Da stellt sich die Frage: Es steht „etliche“. Ja, das griechische Wort bedeutet „gewisse“. Es wird manchmal mit „etliche“ übersetzt, kann aber auch „gewisse“ bedeuten. Man muss je nach Zusammenhang übersetzen. Ich würde hier immer „gewisse“ wählen, also „es sind gewisse Leute, die nicht sterben werden“. „Etliche“ klingt nach einer großen Zahl und ist von der Übersetzung her nicht so glücklich. Das griechische Wort heißt also „gewisse“ oder „etliche“. Man muss das richtige Wort je nach Kontext wählen.
Noch etwas? Ja. „Bis der Morgenstern euer Herz erleuchtet“ liest man oft in Kommentaren, dass es um das Kommen des Herrn Jesus und die Entrückung geht. Wenn Sie meine Frage kennen, warum man das sehen soll, fasse ich sie zusammen: Zweiter Petrus spricht vom Morgenstern. Viele sagen, das bedeutet doch die Entrückung. Hat das nicht etwas mit dem Kommen von Jesus Christus als König zu tun? Das ist die Frage.
Ja, es ist so: Der Morgenstern ist die Venus. Petrus sagt, beim Anbruch des Morgens erscheint der Morgenstern als klar leuchtender Stern, wenn die Sonne noch nicht über dem Horizont steht, aber kurz davor ist, über den Horizont zu kommen. Man kann diesen Stern, also diesen Planeten, noch sehen, weil er so hell leuchtet – die anderen Sterne verblassen schon. Dann kommt die Sonne über den Horizont. Das sind zwei verschiedene Bilder.
Der Morgenstern bedeutet das Kommen von Jesus Christus zur Entrückung der Gemeinde. Darum sagt er in Offenbarung 22 im Zusammenhang mit der Verheißung an die Gemeinde: „Ich komme bald“ und „Ich bin der glänzende Morgenstern“. Das ist also dieses nicht so deutlich erwartete oder wahrgenommene Phänomen, wenn die Venus aufgeht. Hand aufs Herz: Wer achtet darauf? Aber dem Sonnenaufgang achten dann alle zu. Der Sonnenaufgang bedeutet symbolisch das Kommen von Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit.
Darum heißt es in Maleachi 4 von der Wiederkunft des Messias in Macht und Herrlichkeit: „Er wird kommen wie die Sonne.“ Je nach Bibelausgabe ist es Kapitel 4, in den meisten Kapitel 3, Vers 20. Aber man muss Vers 19 dazulesen. Dort heißt es:
„Da werden alle Übermütigen und alle, die gesetzlos handeln, wie Stoppeln sein, und der kommende Tag wird sie verbrennen“, spricht der Herr der Heerscharen, „so dass ihnen an diesem Tag weder Wurzel noch Zweig übrig bleibt.“ (Maleachi 3,19-20)
In Vers 23 wird dieser große und furchtbare Tag des Herrn erwähnt, wenn der Messias als Richter der Welt kommt. Weiter spricht der Herr der Heerscharen:
„Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, und Heilung wird unter ihren Flügeln sein. Ihr werdet herauskommen und hüpfen wie Kälber aus dem Stall. Und ihr werdet die Gesetzlosen zertreten, denn sie werden wie Asche sein unter euren Fußsohlen an dem Tag, den ich mache“, spricht der Herr der Heerscharen.
In Sacharja 14 sagt der Messias, er wird auf den Ölberg kommen. Das ist genau der Berg im Osten Jerusalems, von dem man jeden Morgen sehen kann, wie die Sonne über ihm aufgeht. Genau dort, wo die Sonne aufgeht, wird der Herr Jesus als König der Welt erscheinen – die Sonne der Gerechtigkeit.
Der Morgenstern ist das Phänomen, das vorher erscheint und gewissermaßen ankündigt: Jetzt kommt der Tag. Die Entrückung ist ein Ereignis, das vor der Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit stattfindet und nur für die Gläubigen überraschend ist. Sein Kommen als König der Welt wird alle Menschen betreffen.
Warum heißt es „in euren Herzen aufgehen“? Weil das die Herzenserwartung der Erlösten ist: „Komm, Herr Jesus“ (Offb 22). Wenn er zur Entrückung kommt, wird diese Hoffnung, die in unseren Herzen ist, aufgehen. Ein sehr schöner Ausdruck.
Wir haben nun gesehen, wie wichtig dieses Ereignis auf dem Berg der Verklärung war. Es war ein Unterpfand Gottes, gerade um den Juden zu zeigen: Ihr müsst nicht verzweifeln, das ist wirklich der Messias. Aber seine Herrschaft als König kommt später.
Interessant ist, dass drei Zeugen von diesem Ereignis dabei waren. 5. Mose 19,15 sagt, dass vor Gericht in Israel mindestens zwei oder besser drei Zeugen für ein glaubwürdiges Zeugnis auftreten müssen. Darum hat der Herr Jesus diese drei Zeugen gewählt.
In der Apostelgeschichte sehen wir, wie der Teufel Interesse daran hat, diese Zeugen zu beseitigen. In Apostelgeschichte 12 wird Jakobus, der Apostel Jakobus, von einem Sohn Herodes’ getötet. Dann nimmt die Menge Petrus fest. Es gibt nur noch zwei Zeugen, die Mindestzahl für ein glaubwürdiges Zeugnis. Petrus kommt ins Gefängnis und soll geköpft werden, aber ein Engel holt ihn heraus. Er durfte nicht sterben – ein Fall, in dem Gott eingegriffen hat. Ein anderer Fall, bei dem Gott eingegriffen hat, ist, dass diese zwei Zeugen erhalten bleiben sollten, noch über Jahrzehnte hinweg. So haben Petrus und Johannes über Jesus Christus als den Messias Zeugnis abgelegt.
Jesus ist das erste Mal als leidender Messias gekommen, er wird wiederkommen als verherrlichter, herrschender Messias. Wir haben seine Herrlichkeit auf dem Berg erlebt. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne. Im Jahr 67 wurde Petrus von Kaiser Nero gekreuzigt. Doch dieses Zeugnis blieb über Jahrzehnte erhalten.
Petrus hat darum noch in seinem letzten Brief, den zweiten Petrusbrief, den er aus der Todeszelle in Rom schrieb, dieses Erlebnis als Vermächtnis hinterlassen. Er schreibt ausdrücklich in den Versen davor, dass er diese Dinge weitergeben will, damit sie sich jederzeit ins Gedächtnis rufen können.
Johannes durfte noch weiter Zeugnis ablegen, allein. Aber das Zeugnis war etabliert, der Grund gelegt. Er starb ums Jahrhundert, nachdem er noch das letzte Buch, die Offenbarung, geschrieben hatte. Dieses Buch zeigt, dass Jesus Christus als König und Richter der Welt kommen wird.
Wir können gar nicht überschätzen, wie wichtig dieser Abschnitt ist. Achten wir auch auf andere Ausdrücke. Lesen wir Vers 26 noch einmal:
„Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel.“
Der Herr Jesus spricht hier, ohne das Wort „König“ oder „Königreich“ zu verwenden, über sein Kommen als Herrscher, und zwar mit dem Ausdruck „Sohn des Menschen“. Das ist eine direkte Rückverbindung zu Daniel 7,14. Er sagt deutlich, dass er in seiner Herrlichkeit kommen wird – und in der Herrlichkeit des Vaters und der heiligen Engel. Das bedeutet, die ganze Engelwelt, die nicht gefallen ist, wird ihn begleiten.
Wo haben wir noch das Reich Gottes gefunden? Genau, zuletzt hier. Aber eben auch in diesem wichtigen Abschnitt über den Berg der Verklärung. Noch einmal wichtig: Vers 44. Jesus spricht hier über sein erstes Kommen als leidender Messias, nennt sich „Sohn des Menschen“. Fasst diese Worte in eure Ohren:
„Denn der Sohn des Menschen wird in die Hände der Menschen überliefert werden.“
Er macht klar, dass der Sohn des Menschen, der Messias, zuerst als leidender Messias kommt, nicht um zu herrschen, sondern um zu leiden. Davor hat er dieses Leiden auch angekündigt. Lesen wir Vers 22:
„Der Sohn des Menschen muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den obersten Priestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tag auferweckt werden.“
Er macht klar: Erstes Kommen als leidender Messias, später kommt er als König.
Ein Problem, das die Rabbiner im Altertum beschäftigte, ist die Frage: In Daniel 7,14 heißt es, der Messias kommt auf den Wolken des Himmels. In Sacharja 9,9 dagegen steht:
„Jauchze sehr, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und ein Retter, demütig und reitend auf einem Esel, auf einem Füllen, dem Jungen eines Esels.“
Das war ein echtes Problem. Wie kommt er nun? Man entwickelte die Theorie, die man im Talmud nachlesen kann: Wenn wir würdig sind und die Gesetze Mose einhalten, kommt er auf den Wolken des Himmels. Wenn wir unwürdig sind und die Gebote nicht halten, kommt er auf einem Esel.
Wir werden später in Lukas 19 sehen, wie Jesus vom Ölberg auf einen Esel einreitet. Fünf Tage danach wird er gekreuzigt. Es sind nicht zwei Möglichkeiten, sondern zwei verschiedene Kommen. Ein erstes Mal kommt der Messias auf dem Esel, und die Masse seines Volkes ist nicht bereit, nicht würdig.
Eines der wichtigsten Gebote der Tora ist 5. Mose 18,15:
„Einen Propheten wird dir der Herr, dein Gott, erwecken, wie mich; auf ihn sollt ihr hören.“
Wer nicht auf ihn hört, dem wird Gott es fordern. Sie haben aber nicht auf ihn gehört, sondern ihn verworfen.
Er wird ein zweites Mal kommen, dann auf dem Ölberg. Zuerst auf den Wolken des Himmels, dann werden seine Füße auf dem Ölberg stehen, und dann wird er sein Reich in Macht und Herrlichkeit aufrichten.
Gibt es dazu noch eine Frage? Ja, da hinten. Hat das Volk wirklich geglaubt, dass der Messias kommt? Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht so wichtig war wie heute die Christen bei der Entrückung, die denken: Irgendwann kommt er schon. Sonst hätten sie sich Mühe gegeben, auch bereit zu sein.
Das ist eine sehr gute Frage. Hat das jüdische Volk damals wirklich allgemein geglaubt, dass der Messias kommt? Oder ist es so wie manche heute sagen, die sich Gläubige nennen: Ja, die Entrückung, das weiß man nicht so genau?
Die Antwort ist eindrücklich: Es war nicht nur eine allgemeine Erwartung, dass der Messias kommt, sondern genau in dieser Zeit. Es gibt Zeugnisse außerhalb der Bibel, etwa Tacitus, ein römischer Schriftsteller der Antike, der schreibt, dass man in Israel fieberhaft auf einen kommenden Herrscher wartete.
Auch Josephus Flavius, ein Priester aus Jerusalem und Geschichtsschreiber, berichtet im ersten Jahrhundert, dass aufgrund der Bibeltexte ein Weltherrscher erwartet wurde. Das ist ein direkter Hinweis auf Daniel 9, wo anhand der Jahrwochen vorausgesagt wird, wann der Messias kommt. Man konnte das ausrechnen und kam mit den 69 Jahrwochen in Daniel 9,24-25 auf das erste Jahrhundert nach Christus.
Das zeigt, man war fähig, diese Prophetie zu verstehen und richtig zu rechnen.
Es gab auch die Sekte von Qumran, die am Toten Meer lebte. Diese Juden studierten die Bibel intensiv und erwarteten eifrig, dass der Messias bald kommt. Diese Gruppe hatte Probleme mit dem offiziellen Judentum, weil die Hohenpriester seit dem zweiten Jahrhundert illegal waren. Eine Familie hatte das Hohepriesteramt an sich gerissen, obwohl sie kein Recht dazu hatte. Diese Dynastie vereinte Königtum und Priestertum, was im Alten Testament getrennt sein musste. Die Gruppe hatte Gewissensnöte, ob sie noch in den Tempel gehen konnten.
Daraufhin zogen sie sich unter Leitung eines Zadokiden, eines Priesters aus dem Stamm Levi, der von Zadok abstammte, an das Tote Meer zurück, um auf den Messias zu warten, der einen neuen Tempel bringen würde. Dort studierten sie die Bibel und rechneten intensiv, wann der Messias kommen würde.
In ihrer sogenannten Sektenrolle, die sie selbst nicht als Sekte, sondern als „Hayachat“ – die Gemeinschaft – nannten, zitierten sie Jesaja 40,3: „Stimme eines Rufenden in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn!“ Sie zogen in die Wüste, weil sie wussten, dass dort der Messias auftreten würde – gemäß Jesaja 40.
Tatsächlich predigte Johannes der Täufer wenige Kilometer entfernt am Jordan. Jesus kam, ließ sich taufen und begann öffentlich zu predigen (Lukas 3). Sie waren also geographisch gut positioniert.
Das zeigt eindrücklich: Man konnte Prophetie verstehen und vorausberechnen. Aber es gab schwierige Fragen, etwa warum der Messias an einer Stelle auf einem Esel kommt und an einer anderen auf den Wolken.
Darum erklärte Jesus seinen Jüngern nach und nach, dass der Sohn des Menschen viel leiden und verworfen werden muss, bevor die Königsherrschaft kommt (Lukas 9,22). Das ist noch nicht der Zeitpunkt.
Er wiederholte diese Erklärung in Lukas 9,44: Es gibt zwei Kommen des Messias.
Gerade aus Daniel 9 hätte man das wissen können. Dort heißt es, der Messias wird nach 69 Jahrwochen kommen. Schlägt man Daniel 9,25-26 auf, steht:
Vers 25: „Indem er kommt als Fürst…“ – das hat sich am Tag von Palmsonntag erfüllt, als Jesus auf dem Esel einzog.
Vers 26: „Nach den zweiundsechzig Wochen wird der Gesalbte ausgerottet werden, und ihm wird nichts zuteilwerden. Die Stadt und das Heiligtum wird das Volk des zukünftigen Fürsten zerstören.“
Es folgt, dass es bis ans Ende Krieg und Verwüstungen geben wird.
Wenn man genau liest, heißt das: Der Messias wird sterben, ausgerottet werden und nichts haben. Das muss man wissen, wenn man mit orthodoxen Juden spricht, die sagen: Jesus ist nicht der Messias, sonst gäbe es seit zweitausend Jahren Frieden.
Ich habe einem Orthodoxen erklärt, dass, wenn es seit zweitausend Jahren Frieden gäbe, Jesus gar nicht der Messias sein könnte, denn es steht hier, dass er nichts haben wird, kein mächtiges Königreich.
Weiter heißt es, dass das Volk des kommenden Fürsten die Stadt und das Heiligtum zerstören wird. Nach der Kreuzigung kamen die Römer und zerstörten Jerusalem und den Tempel.
Es wird Krieg geben bis ans Ende – bis in die Endzeit. Das kann man nicht wegdeuten. Die Endzeit beginnt nicht mit dem ersten Kommen des Messias, sondern erst mit seinem zweiten Kommen.
Der Ausdruck „das Ende“ bedeutet die Endzeit, wie in der Ölbergrede Jesu. Das Ende meint den großen Drangsalstag unmittelbar vor seinem Kommen.
Wie haben die Juden Jesaja 53 eingeordnet? War das auch eine Option, das dem Esel zuzuordnen? Jesaja 53 spricht vom leidenden Messias. Was machten sie mit dieser Stelle?
Im antiken Judentum war klar, dass Jesaja 53 vom Messias spricht. Viele Stellen in der rabbinischen Literatur beziehen Jesaja 53 eindeutig auf den Messias.
Zum Beispiel schrieb Rabbi Al-Schesch im 16. Jahrhundert über Jesaja 53:
„Unsere alten Rabbiner haben auf das Zeugnis der Tradition hin angenommen, dass hier vom König-Messias die Rede ist.“
Auch im Midrasch Tanchuma aus dem 9. Jahrhundert wird Jesaja 52,13 so erklärt:
„Dies ist der König-Messias, der hoch und erhöht und sehr erhaben ist, erhabener als Abraham, erhöht über Moses und höher als die dienenden Engel.“
Man könnte meinen, sie hätten den Hebräerbrief gelesen. Aber dieses Wissen war im Judentum vorhanden, und im Hebräerbrief wird es auf Jesus angewendet.
In jeder Rabbinerbibel steht bei Jesaja 53 (genauer bei Jesaja 52,13) neben dem hebräischen Text die aramäische Übersetzung des Targum Jonathan ben Uzziel mit der Ergänzung: „Siehe, mein Knecht, der Messias.“
Das ist sehr wichtig, wenn man mit modernen Theologen spricht, die behaupten, das sei eine spätere christliche Interpretation. Im Judentum war klar, dass Jesaja 53 vom Messias spricht.
Es gab aber einen Konflikt, wie Christoph in der Frage angedeutet hat. Eine Lösung war die Theorie von zwei Messias: Maschiach ben Joseph, der leidende Messias, und Maschiach ben David, der herrschende Messias.
Interessant ist, dass Rabbi Al-Schesch im 16. Jahrhundert schrieb, dass das Subjekt dieser Weissagung David, also der Messias, ist. Für ihn ist klar, dass der leidende und der herrschende Messias dieselbe Person sind.
Maschiach ben Joseph wurde von seinen Brüdern verworfen, doch später verneigten sie sich vor ihm und er wurde ihr Herrscher. Zuerst musste er leiden, dann wurde er verherrlicht.
David war auch nicht immer König. Er war lange Zeit verworfen und wurde von Saul verfolgt. Er war der verworfene König, erst später wurde er zum anerkannten König.
Eine Person kommt also zuerst als Leidender und herrscht später über seine Brüder. Zuerst verworfen wie David, dann anerkannt als König.
Noch jemand eine Frage? Ja, das sieht man wunderbar in Sacharja 9,9, wo vom ersten Kommen gesprochen wird, und in Sacharja 9,19, wo vom zweiten Kommen die Rede ist.
Der ganze Text nimmt beides zusammen.
Manfred, du hast noch etwas? Wir müssen einordnen, wie Juden Jesaja 53 lesen. Es ist ein Problem, dass Jesaja 53 in allen Synagogen weltweit nicht gelesen wird.
Im Haftera-Verzeichnis, das angibt, welche prophetischen Abschnitte an welchem Sabbat gelesen werden, wird Jesaja 53 ausgelassen.
Man muss sich fragen, warum genau dieses Kapitel ausgelassen wird. In der Praxis kennen kaum Juden Jesaja 53.
Darum ist es wichtig, wenn man mit orthodoxen Juden spricht und kein gutes Gespräch führen kann, ihnen vielleicht zu sagen: „Lest mal Jesaja 53.“ Das wirkt oft sehr eindrücklich.
Ein Bekannter von mir, aufgewachsen in einer orthodoxen Familie in Nordafrika, las Jesaja 53 zum ersten Mal und sagte: „Das ist eine Fälschung, da haben Christen etwas vom Neuen Testament in unsere Bibel hineingetan.“ Für ihn war das unmöglich, das könne nicht das jüdische Alte Testament sein. Aber es wirkt sehr stark.
So können viele zur Erkenntnis des Messias kommen. Das war schon in früheren Jahrhunderten so eindrücklich.
Ein praktisches Beispiel: Ich war mit Michael aus Zürich-Enge, orthodoxer Familie, im Gespräch über den Messias. Wir lasen Jesaja 53. Danach verabschiedeten wir uns und trafen uns später wieder. Er sagte, als er Jesaja 53 zum ersten Mal las, war das unglaublich. Dann fragte er seinen Rabbi, wie man das verstehen müsse.
Der Rabbi sagte, das sei ein Freiheitskämpfer in der babylonischen Gefangenschaft gewesen.
Ich fragte: Wann war die babylonische Gefangenschaft? Er wusste es nicht genau. Ich erklärte: Von 606 bis 539 v. Chr.
Wann hat Jesaja gelebt? Um 700 v. Chr.
Das geht nicht zusammen. Der Rabbi sagte, das sei keine Prophetie, da es in der Vergangenheitsform geschrieben sei.
Ich zeigte ihm, dass das nicht passt.
Das sind Versuche, um zu fliehen.
Wer Hebräisch lernt, sollte unbedingt den Begriff des prophetischen Perfekts kennen. Das heißt, zukünftige Dinge werden oft mit Zeitformen beschrieben, als seien sie bereits abgeschlossen.
Jesaja 53 ist Prophetie.
Im Mittelalter sagten Rabbiner wie Raschi und Abrabanel, dass der Knecht nicht der Messias sei, sondern das Volk Israel. Sie meinten, das Volk leide, weil die Heiden es hassen.
Man hört oft dieses Argument. Man muss einfühlsam erklären: In Jesaja 53,8 heißt es:
„Wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen.“
Der Knecht wird vom Volk Gottes unterschieden und stirbt für das Volk Gottes. Also kann es nicht Israel sein.
In Vers 9 heißt es:
„Weil er kein Unrecht begangen hat und kein Trug in seinem Mund war.“
Das Volk hat nie gelogen. Das macht die Sache klar.
Um den Hintergrund besser zu verstehen: In Lukas 9,1-11 schickt Jesus die zwölf Apostel aus, und zwar für die zwölf Stämme Israels.
Damals gab es alle zwölf Stämme in Israel. Nach der Reichsteilung bei Salomo wurde Israel zerrissen in ein Königreich der zehn Stämme im Norden und das Südreich mit zwei Stämmen, Juda und Benjamin.
Doch in 2. Chronik 10-12 lesen wir, dass viele aus den zehn Stämmen in den Süden flohen, weil sie dort Gott sahen.
So gab es alle zwölf Stämme im Südreich. Auch bei König Asa (2. Chronik 15) und später bei Hiskia kamen viele aus den zehn Stämmen in den Süden.
Als die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehrten, kamen alle zwölf Stämme zurück.
Darum war es so, dass im Tempel die Prophetin Anna aus dem Stamm Asser war – aus den zehn Stämmen.
Der Apostel Paulus sagt in Apostelgeschichte 26 vor König Agrippa: „Unser zwölfstämmiges Volk dient Gott Tag und Nacht.“
Der Jakobusbrief richtet sich an die zwölf Stämme in der Zerstreuung (Jakobus 1,1).
Jesus schickte die zwölf Apostel für Israel und erwartete, dass sie die Botschaft des Messias für die zwölf Stämme verbreiten und unterstützt werden.
Darum sagt er: Nehmt nichts mit auf den Weg, weder Stäbe, noch Tasche, noch Brot, noch Geld, noch soll jemand zwei Unterkleider haben.
Sie sollten mit dem Minimalsten gehen und damit rechnen, dass Israel diese Botschafter des Messias aufnimmt und versorgt.
Diese Phase endet kurz vor der Kreuzigung.
Schlagen wir Lukas 22 auf. In der Nacht, als Jesus überliefert wurde, spricht er von einer neuen Zeit.
Lesen wir Lukas 22,35-38:
„Als ich euch aussandte ohne Beutel und Tasche und Schuhe, hat euch etwas gemangelt?“ Sie antworteten: „Nichts.“
Er sprach zu ihnen: „Aber jetzt, wer einen Beutel hat, der nehme ihn, ebenso auch die Tasche; und wer es nicht hat, der verkaufe sein Gewand und kaufe ein Schwert. Denn ich sage euch, auch dies muss noch an mir erfüllt werden, was geschrieben steht: ‚Er ist unter die Gesetzlosen gerechnet worden‘.“
Sie sagten: „Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter.“ Er aber sprach zu ihnen: „Es ist genug.“
Jesus sagt hier im Rückblick auf Kapitel 9: Wie war das, als ihr damals in Israel predigen musstet? Gab es ein Problem? Sie sagen: Nein, es hat uns nichts gemangelt. Der Herr hat uns treu versorgt.
Jetzt sagt Jesus: Aber jetzt müsst ihr selbst schauen. Es kommt eine neue Zeit.
Weil nun deutlich geworden ist, dass Israel den Messias als Masse verwirft, können sie nicht mehr erwarten, dass Israel sie unterstützt.
Sie sollen davon ausgehen, dass sie keine Unterstützung mehr von Israel bekommen. Jetzt wird alles anders.
Das ist eine wichtige Stelle, um zu zeigen, dass gewisse Anordnungen im Neuen Testament zeitlich begrenzt sein können.
Das ganze Wort Gottes ist voll gültig und hundertprozentig Gottes Wort und wird nicht aufgehoben.
Man muss aber die Anweisungen an die richtigen Personen und für die richtige Zeitepoche zuordnen.
Zum Beispiel das Gesetz Mose hat Gott Israel beim Bund am Sinai gegeben. Die Zeit des Gesetzes sollte sein, bis der Messias kommt und am Kreuz stirbt (Römer 10,4: „Christus ist des Gesetzes Ende“).
Man kann die Gemeinde heute nicht unter das mosaische Gesetz stellen, auch wenn es Gottes Wort bleibt.
Darum, wenn man Lukas 9 nimmt und sagt, der Missionar darf keine Stäbe, keine Tasche, kein Brot, kein Geld mitnehmen, das war ein biblisches Gebot – ja, bis zur Nacht der Verwerfung Jesu.
Dann kam eine neue Anweisung in Lukas 22.
Im 3. Johannesbrief schreibt Johannes, dass Gläubige, die als Missionare hinausgehen, sich nicht von der Welt unterstützen lassen wollen, sondern von der Gemeinde.
Darum ist es wichtig, dass sich Missionare nicht vom Staat unterstützen lassen.
Das ist eine andere Situation, etwa in anderen Ländern.
Diese Anweisungen sind praktisch und wichtig, aber zeitlich begrenzt.
Es gibt Gläubige, die sagen: Das, was Paulus im 1. Korintherbrief schreibt, war nur für damals und gilt heute nicht mehr.
Wo steht aber, dass es nur bis zur Endzeit gilt und danach nicht mehr?
Das ist das Problem.
Man muss von der Bibel her klar zeigen, wenn etwas zeitlich begrenzt war.
Jetzt ist die Zeit vorbei.
Wir würden nächstes Mal ab Vers 9,12 weitermachen.
Ich möchte noch einige Details in Kapitel 9 kurz aufnehmen und dann weitermachen.