Einführung in das Buch der Richter und seine Verbindung zu Joshua
Wir gehen zum Buch Richter. Ich lese nur aus Kapitel 2, Vers 1 bis 5:
„Und der Engel des Herrn kam von Gilgal herauf nach Bochim, und er sprach: Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und euch in das Land gebracht, das ich euren Vätern zugeschworen habe. Und ich sagte, ich werde meinen Bund mit euch nicht brechen, ewiglich. Ihr aber, ihr sollt keinen Bund mit den Bewohnern dieses Landes machen, ihre Altäre sollt ihr niederreißen. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht. Was habt ihr da getan? So habe ich auch gesagt, ich werde sie nicht vor euch vertreiben, und sie werden zu euren Seiten sein, und ihre Götter werden euch zum Fallestrick werden.“
Und es geschah: Als der Engel des Herrn diese Worte zu allen Kindern Israel redete, da erhob das Volk seine Stimme und weinte. Sie gaben selbigem Ort den Namen Bochim, das heißt „Weinende“. Und sie opferten daselbst dem Herrn.
Das Buch der Richter ist das siebte Buch der Bibel und folgt auf das Buch Josua. Es ist sehr wichtig, die Verbindung zwischen Josua und Richter zu sehen. Die fünf Bücher Mose bringen das Volk Israel zum Eingang, an den Eingang des verheißenen Landes. Das Buch Josua führt das Volk in das Land hinein. Das Buch der Richter zeigt, wie es weitergegangen ist.
Josua und Richter unterscheiden sich jedoch fundamental. Das Buch Josua ist das Buch des Sieges und des Überwindens, während das Buch der Richter das Buch des Fallens und des Niedergangs ist.
Bemerkenswert ist ein besonderer geografischer Ort, der für jedes Buch kennzeichnend ist. Für das Buch Josua ist der Ort Gilgal bezeichnend, während für das Buch der Richter der Ort Bochim grundlegend ist.
Warum Gilgal? Das war der Ort der Beschneidung. Ich habe auf dem Blatt die Stellen angegeben, wo Gilgal vorkommt. Dort wurde das Volk zuerst beschnitten, und erst danach begannen sie, Ort um Ort zu erobern im verheißenden Land.
Wenn Sie alle diese Stellen aus Josua durchlesen, dann sehen Sie, wie oft das Volk immer wieder zu dem Lager, zu dem Armeelager in Gilgal zurückkehrt. So ist Gilgal gewissermaßen der Ausgangspunkt für den Erfolg, für das Gelingen, für den Sieg und für das Überwinden.
Im Buch der Richter ist hingegen der Ort Bochim, dieses Weinen, von dem wir gelesen haben, ganz kennzeichnend.
Beachten wir Kapitel 2, Vers 1: Dort heißt es nicht einfach, der Engel des Herrn kam nach Bochim, sondern ausdrücklich: Der Engel des Herrn kam von Gilgal herauf nach Bochim. Offensichtlich erscheint der Engel des Herrn sichtbar in Gilgal. Dann sieht man ihn, wie er den Weg bis nach Bochim geht. Dort findet eine Volksversammlung statt.
Der Engel des Herrn: Bedeutung und theologische Implikationen
Einige Bemerkungen zu dem Engel des Herrn
Das hebräische Wort Malach bedeutet einfach Bote. In der Bibel wird es sehr oft für Menschen verwendet, die als Botengesandte auftreten – das sind Malachim. Es wird aber auch für Engelwesen gebraucht, denn diese sind ebenfalls Boten Gottes. An einer Reihe von Stellen wird eine geheimnisvolle Person als der Malach Adonai bezeichnet, also der Bote des Herrn oder der Engel des Herrn.
Man erkennt an verschiedenen Stellen, dass dieser Bote des Herrn identisch ist mit dem Herrn, mit Yahweh. Ich möchte das kurz an einigen Beispielen zeigen.
In 1. Mose 16 erscheint der Engel des Herrn Hagar. In Vers 7 findet er sie bei einer Wasserquelle auf dem Weg nach Sur – nicht das Sur dort drüben, das mit „uh“ geschrieben wird. Dort spricht er mit ihr. Wenn man jedoch weiterliest, heißt es plötzlich in Vers 13: Da nannte sie den Herrn, der zu ihr redete, „Du bist ein Gott, der sich schauen lässt.“
Der Engel des Herrn, der vorher ständig mit Hagar in der Wüste sprach, wird nun plötzlich als der Herr, also Yahweh, der Ewige, bezeichnet. Das macht deutlich, dass der Engel des Herrn gleich Yahweh ist.
Ein weiteres Beispiel findet sich in Richter 2. Was sagt der Engel des Herrn? Er sagt: „Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt.“ Wenn wir aber weiter in Mose lesen, wer Israel aus Ägypten geführt hat, dann ist es der Herr. Und all das, was der Engel des Herrn sagt – „Ich habe einen Bund mit euch geschlossen“ – das hat der Herr getan. Das zeigt erneut, dass der Engel des Herrn identisch ist mit Yahweh.
Das ist ein großes Problem im Judentum, denn es weist deutlich darauf hin, dass es in der Gottheit eine Mehrzahl von Personen gibt – mindestens zwei. Somit finden sich schon im Alten Testament interessante Hinweise auf die Trinität. Um es klar zu sagen: Der Engel des Herrn ist immer der Sohn Gottes. Wenn Gott sich offenbart, tut er das immer im Sohn. Darum wird er genannt: „Du bist ein Gott, der sich schauen lässt.“
So kommt es auch im Neuen Testament: Gott, der Sohn, wird Mensch. In Johannes 1, Vers 18 heißt es: „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgetan.“ Gott offenbart sich also im Sohn. Der Engel des Herrn wird vom Herrn gesandt, ist aber zugleich der Herr selbst.
Es gibt auch viele weitere Stellen, an denen man diese Mehrzahl der Personen in der Gottheit bereits im Alten Testament findet.
Der Engel des Herrn kommt von Gilgal, vom Ort des Sieges, nach Bochim und sagt: „Schaut, ich habe euch gesagt, ihr sollt euch nicht mit diesen Götzendienern im Land verbinden, und ihr habt es trotzdem getan. Jetzt werden sie euch zum Fallstrick werden.“ Das ganze Volk hört dies, beginnt zu weinen – Bochim bedeutet „Weinende“ – und sie opfern sogar dort.
Doch es geschieht nichts. Keine Wende. Im Buch der Richter geht alles Stufe um Stufe abwärts. Das zeigt uns: Einfach nur zu weinen über eine traurige Situation im Volk Gottes bringt überhaupt nichts. Es müssen auch Buße und würdige Früchte folgen. Diese sind aber nicht gekommen.
So ist Bochim gewissermaßen der Ausgangspunkt für den Niedergang. Man weint, ist traurig, alles geht schief – doch es geschieht nichts. Weinen und opfern ja, aber mehr nicht.
Symbolik von Gilgal und Bochim: Beschneidung und Niedergang
Wichtig ist noch Folgendes: Gilgal war der Ort der Beschneidung.
Was bedeutet die Beschneidung? Bei der Beschneidung fließt Blut. Damit wird gewissermaßen das Gericht über die Natur des Menschen ausgeführt. Mit der Beschneidung wird ausgedrückt, dass ein Mann immer nur einen Sünder zeugen kann. Das ist eine Tatsache.
Wir haben das sechsmal erlebt. Sechsmal sind Sünder auf die Welt gekommen. Keiner war plötzlich so ein liebenswürdiges Kind, aus dem nichts Böses hervorgeht. Das ist fatal.
Römer 5,12 und folgende lehrt, dass die Sünde durch Adam in die Welt gekommen ist und durch alle Generationen weitergegeben wurde. Die Beschneidung zeigt, dass die Natur des Menschen verdorben ist und Gottes Gericht darüber verlangt.
Darum habe ich auf Kolosser 2,9 verwiesen. Dort wird die Beschneidung in Verbindung mit der Taufe gebracht. Es wird erklärt, dass die Taufe eigentlich die Beschneidung des Messias ist.
Denn durch die Taufe drückt der Gläubige aus: Ich bin mit Christus gestorben. Die Taufe ist ein Untertauchen, ein Hineingehen ins Grab. Dann kommt man wieder heraus. Das ist immer wichtig bei der Taufe, dass man auch wieder heraufkommt. Denn das ist nur ein Aspekt: Das Alte ist vorbei, aber man kommt wieder heraus.
Christus ist auferstanden, und so kann ich jetzt in einem neuen Leben wandeln. Das ist also die neutestamentliche Ausgangswahrheit für Jüngerschaft.
Wenn der Mensch erkennt, dass er in sich selbst verdorben ist und Christus für ihn sterben musste, kann er ein Leben führen, das dem Auferstehungsleben entspricht. Das ist der Ausgangspunkt für Sieg und Erfolg im geistlichen Bereich.
Darum ist Gilgal, der Ort der Beschneidung, der Ausgangspunkt für den Sieg im Buch Josua.
Das Buch der Richter zeigt jedoch, dass das Volk einen Weg von Gilgal weg nach Bochim gemacht hat, einem Ort, an dem man nur noch frustriert weint und nichts geschieht. Es gibt keine Wende.
So können wir die beiden Bücher Josua und Richter charakterisieren.
Der wiederkehrende Abfall Israels und Gottes Gnade
Das Buch der Richter ist nicht nur einfach traurig oder entmutigend. Vielmehr sehen wir in diesem Buch, wie das Volk Gottes siebenmal abfällt.
Ein charakteristisches Merkmal sind die siebenfache Refrain vom Abfall, der uns gleichzeitig den Schlüssel zur Einteilung des Buches gibt. Ich lese aus Kapitel 3, Vers 7: „Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des Herrn. Und sie vergaßen den Herrn, ihren Gott, und dienten den Ba'alim und den Aschirot.“
Diesen Refrain finden wir erneut in Kapitel 3, Vers 12: „Und die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des Herrn.“ Ebenso in Kapitel 4, Vers 1: „Und die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des Herrn.“
Weitere Stellen sind Kapitel 6, Vers 8, 10 und 13. So sehen wir, dass das Volk Gottes in diesem Buch siebenmal fällt. Gleichzeitig sehen wir aber auch, wie das Volk siebenmal wieder aufsteht.
Darum handelt es sich hier um eine Geschichte von Fallen und Aufstehen. Dazu passt ein Vers aus Sprüche 24, Vers 16: „Denn der Gerechte fällt siebenmal und steht wieder auf.“
Ich weiß nicht, ob viele den Autor des Buches über die Stiftshütte, Paul Kiene, kennen. Er hat diesen Vers oft zitiert, wenn er Langlauf fuhr. Genau das erleben wir im Buch der Richter: Das Volk fällt siebenmal, steht aber auch siebenmal wieder auf.
Unter Botschaftspunkt zwei steht daher Gottes strahlende Gnade und Vergebungsbereitschaft im Mittelpunkt. Das ist ein ganz wichtiges Thema in diesem Buch. Jedes Mal, wenn das Volk Gottes zu Gott schrie, wirkte Gott einen Neuanfang.
Erster Johannesbrief 1, Vers 9 sagt: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.“ Die Zahl sieben steht dabei für göttliche Vollkommenheit.
Gleichzeitig sehen wir aber auch Gottes Zorn über die Sünde. Unter Botschaftspunkt eins wird deutlich: So wie sich in Josua Gottes Segen für Gehorsam auswirkte, so kam im Buch der Richter Gottes Fluch für Ungehorsam über das Volk Gottes.
Das Buch zeigt also auch, dass es sich nicht lohnt zu denken: „Die Gnade Gottes ist da, also können wir einfach drauflos sündigen.“ So funktioniert das nicht. Gott greift ein, wenn das Volk Gottes sündigt – sowohl als Gemeinschaft als auch der einzelne im Volk.
In 1. Petrus 4, Vers 17 lesen wir ein sehr ernstes Wort: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes. Wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen?“
Und weiter: „Wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo wird dann der Gottlose und Sünder erscheinen?“
Gott lässt das Volk Gottes also nicht einfach sündigen. Er greift ein, und das hat Konsequenzen.
Die abwärtstreibende Spirale der Sünde und ihre Folgen
Unter dem dritten Punkt in der Botschaft haben wir die abwärtstreibende Spirale der Sünde. Im Buch der Richter sehen wir, dass mit jedem weiteren Abfall die Lage schlimmer wird als zuvor.
Ein Schlüsselvers ist Kapitel 2, Vers 19. Dort wird erklärt: Israel hat gesündigt, daraufhin kamen sie unter Fremdherrschaft. In ihrer Not schrien sie zu Gott, und Gott sandte einen Richter, der sie wieder befreite. Doch in Vers 19 heißt es: „Und es geschah, wenn der Richter starb, so verderbten sie sich wiederum mehr als ihre Väter, indem sie anderen Göttern nachgingen.“
In meiner Bibel habe ich speziell diesen Ausdruck „mehr“ vermerkt. Er beschreibt diese abwärtstreibende Spirale. Man kann also weder mit der Sünde noch mit der Gnade Gottes spielen. Ein Rückfall kann bedeuten, dass es noch tiefer hinuntergeht als zuvor.
Besonders deutlich wird dies in Verbindung mit den Kapiteln 17 bis 18. Dort sehen wir, dass ein Bruch mit Gott automatisch auch einen Bruch mit den Menschen bedeutet.
In den Kapiteln 19 bis 21 wird gezeigt, dass Ehebruch, Massenvergewaltigung, Mord, Perversion, Bürgerkrieg und Menschenraub die Folge dieses Bruchs mit Gott waren.
Die Sünde hat eine Eigendynamik. Deshalb lässt sich weder mit der Sünde noch mit der Gnade spielen.
Aufruf zur kompromisslosen Hingabe an Gott
Viertens zeigt das Buch der Richter eine ganz wichtige Ermahnung an die Erlösten. Diese Ermahnung ist fundamental wichtig.
Es ist ein Aufruf zu völliger Hingabe an den Herrn, ohne faule Kompromisse.
Ich habe eine Reihe von Stellen aus dem Neuen Testament zusammengestellt, die genau das verdeutlichen: kompromisslose Hingabe an den Herrn.
Genau das soll mit dem Buch der Richter gefördert werden.
Beginn des Buches der Richter: Gehorsam und erste Erfolge
Jetzt gehen wir ganz an den Anfang des Buches. Wir beginnen ganz positiv.
- Vers 1: Und es geschah nach dem Tod Josuas, da befragten die Kinder Israel den Herrn und sprachen: Wer von uns soll zuerst gegen die Kanaaniter hinaufziehen, um wieder mit ihnen zu streiten?
Das Buch der Richter beginnt damit, dass Gottes Volk Gott um Rat fragt, um Wegweisung. Positiver kann es kaum sein: Es beginnt mit Abhängigkeit von Gott.
Der Herr sprach: Juda soll hinaufziehen, siehe, ich habe das Land in seine Hand gegeben. Und Juda sprach zu Simeon, seinem Bruder: Ziehe mit mir hinauf in mein Los, und lass uns gegen die Kanaaniter streiten. So will auch ich mit dir in dein Los ziehen. Und Simeon zog mit ihm.
Juda zog hinauf, und der Herr gab die Kanaaniter und die Perisiter in ihre Hand. Sie schlugen sie zu Bezek, zehntausend Mann. Also Gehorsam und Erfolg.
Doch merken wir etwas: Gottes Antwort war, dass Juda hinaufziehen soll. Juda geht zum Stamm Simeons und sagt: Kommt mit, helft mir, und dann helfe ich euch auch. Aber Simeon hatte Gott nichts gesagt.
Das war irgendwie ein Kleinglaube. Natürlich vertraute man auf Gottes Hilfe in der Landeroberung, aber man dachte, wenn Simeon mitkommt, dann geht es sicher nicht schief. Und es ging gut.
Aber hier haben wir gewissermaßen den Ausgangspunkt all dieser Katastrophe, die wir im Buch der Richter finden: Kleinglaube und halber Gehorsam – da fing alles an.
So wird uns das im Buch der Richter gezeigt. Ich habe unter Punkt vier bei charakteristischen Ausdrücken geschrieben: Beginn des Buches – halber Gehorsam gegenüber Gottes Wort. Und das ist gleich der Anfang des Niedergangs.
Ende des Buches der Richter: Individualismus und Relativismus
Am Ende des Buches der Richter finden wir einen Refrain, der viermal vorkommt – den sogenannten Königsrefrain. Er steht in Kapitel 21, Vers 25: „In jenen Tagen war kein König in Israel; ein jeder tat, was recht war in seinen Augen.“
Dieser Satz beschreibt totalen Individualismus und Relativismus. Jeder handelt subjektiv nach seinem eigenen Gutdünken, ohne eine objektive Orientierung oder Messlatte. Das ist die Folge von halbem Gehorsam. Im Buch der Richter wird uns dieser Zusammenhang präsentiert, und er ist hochaktuell.
Viele Fragen, die Christen heute bewegen, werden oft so beantwortet, dass man sagt: „Man kann es so oder so sehen, man kann es so und so interpretieren.“ Ein charakteristisches Merkmal des Volkes Gottes heute ist Individualismus und Relativismus. Genau so war es auch damals beim Volk Gottes. Es begann mit halbem Gehorsam und kleinem Glauben.
Die Anordnung des Buches der Richter ist nicht zufällig. Die gesamte Struktur ist sorgfältig geplant, um eine Botschaft zu vermitteln. Wir haben folgende Einteilung: Kapitel 1, Vers 1 bis Kapitel 2, Vers 5 bildet die erste Einleitung. Ich kann zeigen, warum dieser Teil für sich steht.
Betrachten wir Kapitel 2, Vers 6: „Und Josua entließ das Volk, und die Kinder Israel gingen hin, ein jeder in sein Erbteil.“ Das ist merkwürdig, denn das Buch begann mit 1,1: „Es geschah nach dem Tode Josuas.“ Nun entlässt Josua das Volk. Bibelkritiker haben daraus geschlossen, dass hier etwas nicht stimmt. Doch dem ist nicht so.
Der erste Teil ist eine Einleitung, die Ereignisse nach dem Tod Josuas behandelt. Das ist ein eigenständiger Abschnitt. Ab Kapitel 2, Vers 6, beginnt ein neuer Abschnitt, der bis Kapitel 3, Vers 4 reicht, wie auf der Rückseite des Buches vermerkt ist. Auch dieser Abschnitt ist eine Einleitung, aber mit einer anderen Betonung, die wir gleich noch sehen werden.
Die erste Einleitung beschreibt den politischen Niedergang Israels, während die zweite Einleitung den religiösen Niedergang darstellt. Die erste Einleitung zeigt die Misserfolge bei der Landnahme, die zweite den Götzendienst und Abfall.
In der ersten Einleitung geht es darum, dass das Gute unterlassen wird, während in der zweiten Einleitung gezeigt wird, wie man das Böse tut. Das sind unterschiedliche Aspekte, die jedoch zusammenhängen.
Politischer Niedergang in der ersten Einleitung
Jetzt ganz kurz zur ersten Einleitung: Politischer Niedergang.
Es beginnt also mit halbem Gehorsam. Wir lesen dann, wie das Volk weitergefahren ist bei der Eroberung. Ich will nur ein paar Punkte herausziehen.
In Kapitel 1, Vers 19 steht: „Und der Herr war mit Juda, und er nahm das Gebirge in Besitz, denn die Bewohner der Niederung trieben sie nicht aus, weil sie eiserne Wagen hatten.“
Jetzt ist plötzlich ein Stocken gekommen. Sie haben nur Teilerfolge gehabt. Sie konnten nur das Gebirge erobern. Das war ohnehin das unbewohnte Gebiet, das man damals noch roden musste, denn die Kanaaniter wohnten hauptsächlich in den Talebenen.
Und da ließen die Kanaaniter sie nicht. Sie hatten keine Chance gegen sie, weil die Kanaaniter eiserne Wagen hatten. Weil sie eiserne Wagen hatten – heute würde man sagen, weil sie ganz moderne Panzer hatten. Das sind ja die Vorläufer der Panzer.
Aber ist das der eigentliche Grund? Der Herr kann ihnen doch Sieg geben, auch wenn sie gute Panzer haben. Das ist der äußerliche Grund, aber der tiefere Grund liegt darin, dass es zu Misserfolg bei halbem Gehorsam kommt.
Dann lesen wir in Vers 21: „Aber die Kinder Benjamins trieben die Jebusiter, die Bewohner von Jerusalem, nicht aus.“ Auch dieser Stamm hat Misserfolg.
In Vers 27 heißt es: „Aber Manasse trieb nicht aus Bet Schean und seine Tochterstädte.“
Dann in Vers 29: „Und Ephraim trieb die Kanaaniter nicht aus, Sebulon trieb nicht aus, die Bewohner von Kitron, Asser trieb nicht aus, die Bewohner von Akko, Naftali trieb nicht aus, die Bewohner von Bet Schemesch.“
Also Misserfolg durch und durch.
Und dann kommt Vers 34 gewissermaßen als Höhepunkt: „Und die Amoriter drängten die Kinder Israel ins Gebirge, denn sie gestatteten ihnen nicht, in die Niederung herabzukommen.“
Bis jetzt haben wir also gesehen: Misserfolg, man kann nicht vordringen. Aber jetzt kommt als Höhepunkt, dass sie selbst zurückgedrängt werden.
Dann kommt der Engel des Herrn von Gilgal nach Bochin. Frustrierend! Man kommt nicht vorwärts im Glauben, und es gibt sogar Rückschritt im Glauben. Denn das Land ist ja der verheißene Segen, und den sollten sie konkret in Besitz nehmen. Sie können es nicht, sie werden sogar daraus vertrieben.
Dann kommt der Engel des Herrn und fragt: „Was habt ihr gemacht? Ihr habt Kompromisse geschlossen mit den Götzendienern. Was habt ihr da getan?“ (Kapitel 2, Vers 2)
Das ganze Volk weint, aber es ändert sich nichts.
Das ist die erste Einleitung.
Religiöser Niedergang in der zweiten Einleitung
Dann folgt die zweite Einleitung. Hier wird gezeigt, wie Israel nicht nur unterließ, das Gute zu tun, sondern auch begann, das Böse zu tun – nämlich Götzendienst.
Die heidnischen Nachbarn mit ihren Religionen beeinflussen sie, und sie fangen an, diese falschen Religionen zu praktizieren. Daraufhin bringt der Herr sie unter Fremdherrschaft. In ihrer Not schreien sie zu ihm. Dann sendet er einen Richter, der sie rettet. Doch wenn dieser stirbt, fallen sie wieder ins Böse zurück.
Dieser Ablauf bildet gewissermaßen den Geschichtsrhythmus im Buch der Richter: Abfall, Strafe, Umkehr, Rettung.
Charakteristische Merkmale: Richter als Retter und Herrscher
Punkt zwei unter Charakteristisches: Gott schickt immer Richter.
Unter Punkt drei Charakteristisches habe ich erklärt, dass Richter, hebräisch Schofet, einen bezeichnet, der zum Recht verhilft oder ganz allgemein ein Regierender ist. Recht sprechen ist ein besonders wichtiger Aspekt des Herrschens.
Diese Richter werden manchmal sogar Retter genannt. Das hebräische Wort dafür ist Moschia. Es ist dasselbe Wort, das auch für Heiland verwendet wird, zum Beispiel in Moschäenu Jeschua ha-Maschiach – unser Heiland, Jesus Christus.
Dieser Ausdruck zeigt uns, dass die Richter, die Israel retteten, bereits ein Hinweis auf den großen Retter, Jesus Christus, sind.
Erste Geschichte im Hauptteil: Othniel und das Problem der Mischehen
Ja, es ist viertel vor, wir dürfen Kaffee trinken. Wir haben gesehen, was die zwei Einleitungen betrifft. Danach kommt der Hauptteil.
Die erste Geschichte im Hauptteil ist die Geschichte mit dem Richter Othniel. Das Hintergrundproblem dieser Zeit waren Mischehen, wie in Kapitel 3, Vers 5 beschrieben: „Und die Kinder Israel wohnten inmitten der Kananiter, der Hethiter, der Amoriter, der Peresiter, der Hewiter und der Jebusiter. Und sie nahmen sich deren Töchter zu Frauen und gaben ihre Töchter deren Söhnen und dienten ihren Göttern.“
Dann folgt der Refrain: „Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des Herrn.“ Das erste Problem war also ein Problem auf dem Gebiet der Liebe und der Ehe, speziell was die Mischehen betrifft.
Neutestamentlich wird in 2. Korinther 6 ganz ausdrücklich vor einem ungleichen Joch mit Ungläubigen gewarnt. Dort heißt es in Vers 14: „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen, denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit mit Gesetzlosigkeit, oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis?“ Das wird also ganz klar als unmöglich dargestellt.
Das war das Problem auf diesem Gebiet. Dann kam Gottes Zorn über das Volk. Kuschan Rischataim, der König von Mesopotamien, unterdrückte sie acht Jahre lang. Der Name „Kushan Rishadayim“ ist interessant: „Kushan“ heißt auf Hebräisch „Schwarz“ und „Rishadayim“ bedeutet „doppelte Gottlosigkeit“.
Das ist unter dem letzten Punkt „charakteristische Ausdrücke und Besonderheiten“ aufgeführt. Dieser Name ist schon sehr deutlich und farbig genug, um die Parallele zu ziehen: Das Volk Gottes kommt unter die Herrschaft Satans, bleibt aber dennoch das Volk Gottes.
In der Not schreien sie zu Gott, und dann sendet Gott ihnen Othniel. Wir fragen uns, warum ausgerechnet Othniel? Eine Liebesgeschichte oder Liebesanekdote über Othniel findet man in Kapitel 1, Vers 11: „Und er zog von dannen und eroberte die Bewohner von Debir. Der Name von Debir war aber vor dem Kirjat Sefer. Und Kaleb sprach: ‚Wer Kirjat Sefer schlägt und es einnimmt, dem gebe ich meine Tochter Aksa zur Frau.‘ Da nahm es Othniel ein, der Sohn Kenas, der jüngere Bruder Kalebs, und er gab ihm seine Tochter Aksa zur Frau.“
Es geschah, als sie einzog, dass sie ihn antrieb, ein Feld von ihrem Vater zu fordern. Sie sprang von dem Esel herab, und Kaleb sprach zu ihr: „Was ist hier?“ Sie sprach zu ihm: „Gib mir einen Segen, denn ein Mittagsland hast du mir gegeben, so gib mir auch Wasserquellen.“ Da gab ihr Kaleb die oberen Quellen und die unteren Quellen.
Das ist die Liebesgeschichte von Othniel und Aksa. Worum ging es? Dieser Hintergrund ist ganz entscheidend, um die erste Geschichte zu verstehen. Debir, diese Stadt im verheißenden Land, sollte erobert werden. Es ging also darum, den verheißenden Segen Gottes konkret in Besitz zu nehmen.
Othniel ist bereit, sich total einzusetzen. Er erobert diese Stadt. Sie hatte übrigens früher den Namen Kirjat Sefer. Unter dem viertletzten Punkt „charakteristische Ausdrücke“ steht, dass Kirjat Sefer gleich „Stadt des Buches“ bedeutet – die Buchstadt.
Die Bibel ist auch so eine Stadt mit hohen Mauern, für viele Leute ein Buch mit sieben Siegeln. Um in die Bibel eindringen zu können, um diese Schätze des Glaubens heben zu können, genügt ein bequemes Christenleben nicht. Es braucht Anstrengung, Einsatz und den Willen, voranzukommen. Kirjat Sefer muss erobert werden.
Das gelingt Othniel, einem Mann, der auf Gottes Segen aus war. Die Bibel so zu lesen wie einen Roman, das funktioniert nicht. Es heißt in den Sprüchen: „Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht!“ Man muss etwas zahlen, und Geld ist Zeit zum Beispiel. Viele Leute haben keine Zeit, da muss man sich eben Zeit nehmen.
Das gehört auch zu diesem Kampf bei der Eroberung. Kaufe Wahrheit! Man muss studieren, man muss investieren, und das machen wir heute: den ganzen Tag investieren wir, trotz der Hitze und so weiter. Das ist Kampf, um Kirjat Sefer zu erobern.
Dann bekommt Kirjat Sefer einen neuen Namen, nämlich Debir. Unter dem drittletzten Punkt „charakteristische Ausdrücke“ steht, dass Debir auf Deutsch „Sprachort“ heißt. Das ist die Bezeichnung für das Allerheiligste im Alten Testament.
Ich habe eine ganze Reihe von Stellen aufgeführt, zum Beispiel 1. Könige 6,5.16.19.20.21, 2. Chronik und Psalm 28,2, wo das Allerheiligste im Hebräischen Debir genannt wird. Warum? Im Allerheiligsten war die Bundeslade, und nach 2. Mose 25,22 verhieß Gott: „Zwischen den Cherubim werde ich mit dir reden, alles, was du zu den Kindern Israel reden sollst.“
Das Allerheiligste war also der Ort, wo Gott sich seinem Volk offenbarte. Kirjat Sefer, die Stadt des Buches, wird zu einem Ort, wo Gott spricht. Ein Buch so alt wie die Bibel kann man lesen als ein Geschichtsbuch, man kann es lesen als eine Urkunde von alten Völkern und alten Sitten, aber dann hört man nicht die Stimme Gottes.
Das Gewaltige ist, dass Menschen heute an der Schwelle zum 21. Jahrhundert erleben können, wie ein jahrtausendealtes Buch plötzlich zu einem Buch wird, in dem wir Gottes Stimme ganz persönlich zu uns reden hören. Aber das braucht Kampf. Kirjat Sefer muss erobert werden, damit Gott durch diese alten Geschichten ganz persönlich zu uns sprechen kann.
Dann bekam Othniel seine Frau Aksa. Das kam sozusagen nebenbei noch dazu. Aksa stand ihm überhaupt nicht nach, denn wir lesen schon in Vers 14: „Und es geschah, als sie einzog, da trieb sie ihn an, ein Feld von ihrem Vater zu fordern.“
Debir liegt ja im Negev unten, darum wird es mit „Mittagsland“ übersetzt. Das ist im Hebräischen Negev, also so heiß, richtig heiß. Und da will sie noch mehr Land und dann auch noch Wasserquellen.
Aber es ist Aksa, die Othniel antreibt, nicht zufrieden zu sein mit dem, was er jetzt hat. Sie fordert noch mehr. Sie will also nicht so bescheiden sein, und auf geistlichem Gebiet sollen wir auch nicht bescheiden sein. Das ist ein Gebiet, wo wir wirklich sagen dürfen: Ich möchte noch mehr!
Sonst lassen wir es auch mit dem, aber in geistlichen Dingen nicht. Und Aksa treibt ihren Mann, der schon sehr temperamentvoll und zielgerichtet war, noch mehr an: „Hol noch mehr!“ Offensichtlich ging es zu langsam, denn gerade im gleichen Vers lesen wir, dass sie ihn antrieb, ein Feld zu fordern, und sie sprang vom Esel herab. Sie war recht temperamentvoll, wie gesagt.
Kaleb sprach zu ihr: „Was ist hier? Gib mir einen Segen.“ Also es ging ihr zu lang, zu langsam mit Othniel. Sie geht selber zu Kaleb und sagt: „Gib mir!“
Wir können sagen: Auf geistlicher Ebene waren Aksa und Othniel wirklich auf der gleichen Linie. Das ist auch sehr wichtig beim Heiraten: Ganz klar, ein Partner muss zum Volk Gottes gehören. Mischehen verbietet Gott nach 2. Korinther 6 einzugehen.
Aber wir finden noch mehr: Es ist auch wichtig, dass beide einen ähnlichen Eifer und eine ähnliche Hingabe im Glauben haben, also dass auch hier möglichst eine Korrespondenz vorhanden ist. Das finden wir bei Aksa und Othniel.
Wir können also sagen: Eine vorbildliche Ehe, eine erfüllte Ehe nach Gottes Gedanken. Ausgerechnet wenn es um das Problem des Heiratens geht, kommt Othniel als Richter. Das zeigt uns, wie die Einleitung und diese erste Geschichte im Hauptteil völlig zusammengehören.
Man kann sie nicht trennen voneinander, sonst geht Wesentliches verloren. Das sage ich aus dem Grund, weil in der Bibelkritik, also in der liberalen Theologie, gesagt wurde, dass das, was ich als Einleitung bezeichnet habe, ein gesondertes Dasein als Quelle gehabt habe und diese Hauptgeschichten eine andere Quelle für sich seien.
Es gab noch weitere Aufteilungen. Dann hätte man das später so zusammengebastelt. Aber wir werden jetzt sehen: Das ist alles Unsinn, denn das Buch Richter ist als eine Einheit und als eine verflochtene Struktur aufgebaut, die man nicht auseinanderreißen darf, ansonsten verliert das Buch seinen Sinn.
Mit der Struktur des Buches Richter können wir die liberale Theologie also gleich vom Tisch wischen.
Vergleich der ersten und letzten Geschichte: Othniel und Simson
Gut, jetzt vergleichen wir diese erste Geschichte mit der siebten Geschichte. Auf der Rückseite haben wir die Struktur des Buches, Hauptteil A Ottenjel. Das Volk versagt auf dem Gebiet der Liebe und Ehe, der Richter Ottenjel ist ein leuchtendes Beispiel auf diesem Gebiet.
Jetzt schauen wir uns aber das Letzte an, bezeichnet als A'. Das ist die Geschichte von Simpson. Und was für eine Geschichte ist das? Der Richter Simpson versagt völlig auf dem Gebiet der Liebe und Ehe. Er geht eine Verbindung mit einer Philisterin ein, hat eine Beziehung zu einer Prostituierten und kommt durch eine Philisterin schließlich völlig zu Fall.
Also war er ein Mann, der auf diesem Gebiet totale Probleme hatte und völlig versagte. Doch das, was in der ersten Geschichte das Problem des Volkes ist und der Richter dem Volk in der Not hilft, wird in der letzten Geschichte zum Problem des Richters. So sehen wir die Korrespondenz zwischen der ersten und der letzten Geschichte.
Warum wird das so dargestellt? Um das Prinzip der Spirale des Bösen nach unten zu zeigen. Am Anfang ist es das Problem des Volkes, am Schluss wird es zum Problem des Richters. Wenn ein Führer im Volk Gottes auf diesem Gebiet versagt, dann ist die Katastrophe wirklich komplett.
Die Geschichte Ehuds: Befreiung durch das Wort Gottes
Gehen wir nun zur zweiten Geschichte, der Geschichte mit Ehud, die in Kapitel 3, Vers 12 steht.
Die Kinder Israel taten wiederum, was böse war in den Augen des Herrn. Daraufhin stärkte der Herr Eglon, den König von Moab, gegen Israel, weil sie das Böse taten, das der Herr missfiel. Eglon versammelte die Kinder Ammon und Amalek zu sich. Gemeinsam zogen sie gegen Israel und schlugen es. Sie nahmen die Palmenstadt, das ist Jericho, in Besitz.
Die Kinder Israel dienten Eglon, dem König von Moab, achtzehn Jahre. Dann schrien sie zum Herrn. Der Herr erweckte ihnen einen Retter: Ehud, den Sohn Geras, einen Benjaminiter. Interessant ist, dass Ehud Linkshänder war. Das ist ein schönes Wortspiel, denn Benjamin bedeutet „Sohn der rechten Hand“, und Ehud war ein Linkshänder.
Die Kinder Israels schickten durch Ehud ein Geschenk an Eglon, den König von Moab. Ehud hatte sich ein Schwert mit zwei Schneiden anfertigen lassen, etwa eine Elle lang. Er gürtete es unter seinem Rock an der rechten Hüfte.
Als Ehud das Geschenk überreichte, war Eglon ein sehr fetter Mann. Nachdem die Übergabe beendet war, entließ Eglon das Volk, das das Geschenk gebracht hatte. Er selbst kehrte von den geschnitzten Bildern bei Gilgal um und sprach zu Ehud: „Ein geheimes Wort habe ich an dich, o König.“ Dann befahl er Stille, und alle, die bei ihm standen, verließen den Raum.
Ehud ging zu ihm herein. Eglon saß im Obergemach, das nur für ihn allein war. Ehud sagte: „Ein Wort Gottes habe ich an dich.“ Darauf stand Eglon vom Stuhl auf. Ehud streckte seine linke Hand aus, zog das Schwert von seiner rechten Hüfte und stieß es in Eglons Bauch. Die Klinge drang so tief ein, dass sogar der Griff in die Wunde hineingeschoben wurde. Das Fett schloss sich um die Klinge. Ehud zog das Schwert nicht aus dem Bauch, sondern ließ es dort stecken und ging hinaus. Das Schwert fuhr zwischen den Beinen des Königs heraus.
Nach langer Zeit bemerkten die Leute, dass der König nicht aus dem Obergemach kam. Sie dachten, er sei auf der Toilette – der Ausdruck „die Füße bedecken“ bedeutet, auf der Toilette zu sitzen, da die Kleider dabei die Füße bedecken. Sie warteten, doch Ehud kam nicht heraus. Vielleicht vermuteten sie, er hätte ein Buch oder Ähnliches bei sich.
Schließlich gingen sie hinein und fanden Eglon tot am Boden liegen. Dieses Ereignis war der Ausgangspunkt dafür, dass Israel seine Feinde militärisch besiegen konnte. Die Fürsten des Jordan wurden abgeschnitten, und Israel wurde frei.
Was lernen wir aus dieser Geschichte? Ehud befreit das Volk Gottes mit einem zweischneidigen Schwert. In Hebräer 4,12-13 wird die Bibel als ein zweischneidiges Schwert beschrieben. Das ist durchaus gefährlich, denn wenn man das Schwert zuerst zieht, kann der erste Schlag auch einen selbst treffen. So soll man die Bibel lesen: als ein zweischneidiges Schwert.
Ehud kommt zum König, macht keine lange Diplomatie, sondern sagt: „Ein Wort Gottes habe ich an dich.“ Damit ist der König besiegt. Hier sehen wir, wie Ehud das Wort Gottes, das zweischneidige Schwert in seiner ganzen Schärfe, gegen den König einsetzt. Danach nimmt Israel die Fürsten des Jordan gefangen, und die Freiheit kehrt zurück.
Jephthas diplomatischer Umgang mit dem Feind
Nun betrachten wir die zweitletzte Geschichte mit Jefta. Jefta ist ebenfalls ein Richter und hat es mit einem feindlichen König jenseits des Jordans zu tun. Er schickt Diplomaten zu ihm, die eine lange Rede halten. Diese Rede kann man in Kapitel 11, Verse 12 und folgende nachlesen.
In dieser langen Rede lässt Jefta dem König von Ammon sagen: „Schau mal“, heißt es in Vers 24, „nimmst du nicht das in Besitz, was dir Kamos, dein Gott, zum Besitz gibt, so auch alles, was der Herr, unser Gott, vor uns ausgetrieben hat, das wollen wir besitzen.“ Er argumentiert also, dass der König von Ammon doch auch ein Land auf der anderen Seite des Jordans hat. Dieses Land hat ihm Kamos, sein Gott, gegeben. Auf der anderen Seite hat der Herr, Yahweh, Israel dieses Land gegeben. Warum sollte es also Probleme geben? Der König solle zufrieden sein mit dem, was er hat, und Israel sei zufrieden mit dem, was es besitzt.
Doch das ist die Sprache der Diplomatie. Dabei wird das Scheusal Kamos, hinter dem ein Engelfürst steht – ein gefallener Engelfürst –, gewissermaßen auf dieselbe Stufe gestellt. Dieser Engelfürst Kamos habe den Ammonitern das Land gegeben, und der Herr habe Israel das Land gegeben. Das ist an sich nicht falsch, aber praktisch stellt Jefta diesen Engelfürsten auf die gleiche Ebene wie den Herrn selbst, der im Alten Testament an vielen Stellen als der Gott der Götter genannt wird.
Jefta hält also eine ellenlange diplomatische Rede, ohne die Schärfe des Wortes Gottes anzuwenden. In beiden Fällen haben wir einen Feind jenseits des Jordans. Doch während Ehud das Wort Gottes anwendet und dadurch zum Sieg kommt, verfängt Jefta sich in der Diplomatie, und die ganze Schärfe des Wortes verliert ihre Kraft.
In derselben Geschichte, der Geschichte von Jefta, heißt es außerdem, dass Israel die Furzen des Jordans nimmt. Aber das geschieht nur dort, und es handelt sich um einen Bürgerkrieg, wie in Kapitel 12, Vers 5 beschrieben. Wir merken also: Bei Ehud geht es gegen die Feinde, bei Jefta dagegen gegen das eigene Volk.
So sehen wir, wie diese Geschichten sehr deutlich miteinander korrespondieren.
Deborah und Barak: Führung und Befreiung durch eine Frau
Dann wenden wir uns Deborah und Barak zu, Kapitel 4, Vers 1. Es ist eine hochinteressante Geschichte. In dieser Zeit sind sowohl ein Mann als auch eine Frau Richter. Doch im Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Israel und den Kanaanäern spielt eine Frau die Hauptrolle: Yael.
Die Armee unter der Leitung von Barak und Deborah kann die Kanaanäer weitgehend besiegen. Allerdings gelingt es dem feindlichen General, zu Fuß zu flüchten. Auf seiner Flucht kommt er bei Yael vorbei. Ihre Familie lebt in einem Zelt, und zwischen den Kanaanäern und Yaels Familie besteht eine gute Beziehung.
Der General ist völlig erschöpft. Yael lädt ihn ein, ins Zelt zu kommen. Er möchte gerne etwas trinken. Sie bringt ihm eine Schale Milch. Danach legt er sich schlafen. Während er schläft, nimmt Yael einen Zeltpflock und einen Hammer und zerstört den Schädel des Feindes.
Durch diese Tat wird Israel befreit. Auf dem Höhepunkt der Geschichte ist es also eine Frau, die Israel befreit, indem sie den Schädel des Feindes zerschlägt.
Übrigens, warum gab es eigentlich kein Wasser? Milch soll doch müde Männer wieder munter machen. Das ist jedoch ein völliger Irrtum und stimmt überhaupt nicht. Milch enthält Enzyme, die schlaffördernd wirken. Yael wollte dem General einen tiefen Schlaf verschaffen. Deshalb gab sie ihm Milch statt Wasser, um ihn anschließend zu besiegen.
Das nur als interessantes Detail.
Spiegelung mit der Geschichte von Abimelech
Jetzt vergleichen wir das mit der Geschichte, die auf der anderen Seite korrespondiert, also C korrespondiert mit C'. Das ist die Geschichte von Abimelech.
Abimelech war ein Israelit, der eine Terrorherrschaft in Israel ausübte – und zwar drei Jahre lang. Auf dem Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen kämpft Abimelech gegen eine Stadt, gegen einen Turm. Dabei wirft eine Frau einen Mühlstein von einer Handmühle oben vom Turm herunter auf den Schädel des Feindes. Abimelech stirbt mit zertrümmertem Schädel.
Es ist interessant, dass genau in der korrespondierenden Geschichte wieder auf dem Höhepunkt eine Frau Israel rettet, indem sie den Schädel des Feindes zerschlägt. In beiden Fällen geschieht also dasselbe. Sonst finden wir kein weiteres Beispiel in der Bibel, wo so etwas vorkommt. Das ist alles von Bedeutung.
Nun schauen wir uns wieder die andere Hälfte an, die negativer ist: Bei Deborah und Barak war der Feind, der geschlagen wurde, ein Kanaaniter. In der Geschichte von Abimelech hingegen gehört der Feind zum Volk Gottes selbst. Der Feind kam also aus dem Volk Gottes.
Das ist natürlich dramatisch, wenn der Feind nicht mehr nur von außen kommt, sondern sich die Feinde im Volk Gottes selbst befinden.
Gideon: Kampf gegen Götzendienst und späterer Rückfall
Dann haben wir ganz zentral noch die Geschichte von Gideon, die jedoch zweigeteilt ist. Darum habe ich die erste Hälfte als d und die zweite Hälfte als d' bezeichnet.
In der ersten Hälfte führt Gideon das Volk aus dem Götzendienst heraus. Er ist der einzige Richter, der ausdrücklich gegen den Götzendienst kämpft. Am Ende seines Lebens jedoch schafft er wieder ein Kultobjekt und führt Israel erneut in den Götzendienst.
So sehen wir eine perfekte Symmetrie dieser sieben Geschichten, wie sie sich gegenseitig spiegeln. Diese Struktur entspricht genau der des siebenarmigen Leuchters.
Was will uns das sagen? Dass trotz all des Versagens des Volkes Gottes Gottes Licht und Gnade vorhanden sind. Dies kommt hier in der Aufbauweise des Buches förmlich zum Ausdruck.
Der Anhang des Buches der Richter: Religiöser und politischer Niedergang
Eindrücklich ist auch Folgendes, wenn wir den Schluss betrachten: Der Anhang besteht nämlich ebenfalls aus zwei Teilen.
Die Kapitel 17 und 18 zeigen den religiösen Niedergang und den Götzendienst. Die Kapitel 19 bis 21 behandeln den politischen Niedergang und den Bürgerkrieg in Israel.
Man erkennt deutlich, wie sich die Einleitung und der Anhang spiegeln. In der Einleitung A wird der politische Niedergang dargestellt, im Anhang A' findet sich ebenfalls der politische Niedergang. Abschnitt B thematisiert den religiösen Niedergang, und auch im Anhang B spiegelt sich dieser religiöse Niedergang wider.
Das gesamte Buch ist also auf Spiegelungen ausgerichtet.
Zeitrechnung und Chronologie der Richterzeit
Ja, jetzt sollten wir eigentlich noch eine kleine Pause machen. Gibt es bis dahin noch eine wichtige Frage? Habe ich richtig gerechnet?
Wir haben uns mit der Struktur und dem Aufbau des Buches beschäftigt und sollten uns nun auch noch mit der Zeitrechnung der Richterzeit befassen. Es gibt nämlich ein recht großes Chronologieproblem, wenn wir 1. Könige 6 aufschlagen. Dort wird der Bau des ersten Tempels beschrieben – ein geschichtlich ganz wichtiger Einschnitt in der Geschichte des Volkes Israel, keine Nebensache.
Dort heißt es: „Und es geschah im vierhundertachtzigsten Jahr nach dem Auszug der Kinder Israel aus dem Land Ägypten, im vierten Jahr der Regierung Salomos über Israel, im Monat Ziv, dem zweiten Monat, da baute er das Haus des Herrn.“
Das vierhundertachtzigste Jahr nach dem Auszug aus Ägypten – wenn wir aber die Zahlen in der Bibel zusammenrechnen, insbesondere die vielen Jahresangaben der Richterzeit, in denen genau angegeben ist, wie lange Israel unter Fremdherrschaft gelitten hat, wie lange ein Richter gewirkt hat, wie lange Ruhe war und wann wieder Fremdherrschaft kam, dann kommen wir auf 114 Jahre mehr. Und das ist keine Kleinigkeit – 114 Jahre!
Was sollen wir damit anfangen? Man hat versucht, das zu erklären. Vielleicht ist ein Abschreibefehler in 1. Könige 6. Oder man könnte so sehen, dass manche Richter nicht einfach nacheinander gewirkt haben. Wenn wir nämlich genauer hinschauen, bezieht sich das Wirken eines Richters oft besonders auf eine Region in Israel, während ein anderer Richter in einer anderen Region tätig war.
Man könnte also erklären, dass die Richter teilweise parallel über verschiedene Gebiete in Israel gewirkt haben. Deshalb sollte man die Zahlen nicht einfach addieren.
Wenn wir dennoch zusammenrechnen, ergibt sich, wie auf dem Blatt dargestellt, aus Apostelgeschichte 13,18-22 und verschiedenen Stellen im Alten Testament Folgendes:
Die Wüstenreise Israels nach dem Auszug aus Ägypten dauerte 40 Jahre, das ist klar. Dann folgt die Eroberung des Landes bis zum ersten Richter – das wird nirgends genau genannt, nennen wir das x Jahre. Von da an bis zum ersten Richter Othniel sind es y Jahre.
Dann kommt die Zeit der Richter, die mit 450 Jahren angegeben wird (Apostelgeschichte 13,20). König Saul herrschte 40 Jahre, ebenso David. Salomo regierte ebenfalls 40 Jahre, aber bis zum Beginn des Tempelbaus sind es nur 4 Jahre.
Wenn wir all das zusammenrechnen, erhalten wir x plus y plus 570 Jahre.
Durch den Vergleich von 4. Mose 9,1 mit Josua 14,7-10 – das kann man zu Hause nachprüfen – ergibt sich, dass x gleich 6 Jahre ist. Aus Richter 11,26 und den vorhergehenden Kapiteln lässt sich ableiten, dass y offenbar 14 Jahre beträgt.
Damit können wir die Rechnung lösen: 6 plus 14 plus 574 Jahre ergeben 594 Jahre.
Da haben wir eben diese 114 Jahre zu viel.
Es gibt verschiedene Lösungsansätze, aber etwas fällt besonders auf: Wenn man nämlich alle Fremdherrschaften im Buch der Richter zusammenzählt – ich habe sie hier alle aufgeführt – ergibt sich folgendes Bild:
Zunächst 8 Jahre bei Othniel, dann 18 Jahre, 20 Jahre, 7 Jahre, unter Abimelech 3 Jahre, 18 Jahre und schließlich 40 Jahre. Das ergibt genau 114 Jahre.
Eigenartig, dass ausgerechnet diese Zahl herauskommt.
Im Vergleich zu 1. Könige 6,1, wo vom 480. Jahr nach dem Auszug die Rede ist und nicht vom 594. Jahr, können wir daraus schließen, dass die verlorene Zeit unter der göttlichen Zucht während der Richterzeit nicht mitgerechnet wurde.
Das ist schon sehr beeindruckend: Wir können sagen, dass all diese Jahre nicht nötig gewesen wären in der Geschichte Israels. Es waren Umwege, die nicht im eigentlichen Plan Gottes lagen.
Bezieht man das auf unser Leben, erkennt man Parallelen. Nicht alles verläuft geradlinig.
Das bedeutet, es gibt vieles, das verlorene Zeit ist.
Wenn wir das aus dem Buch der Richter entnehmen, führt uns das zum Thema Zeit und Ewigkeit.
Was machen wir mit der begrenzten Zeit, die uns hier auf der Erde gegeben ist? Nutzen wir sie wirklich, um im Plan Gottes voranzukommen? Oder lassen wir uns auf Nebengleise führen, auf denen Gott uns in seiner Zucht durchführt, um schließlich ans vorgesehene Ziel zu gelangen?
Das ist sehr ernst.
Das Buch der Richter warnt uns davor, Jahre in unserem Leben zu verlieren, die nicht nötig gewesen wären – nur wegen Untreue.
Charakteristische Ausdrücke und Besonderheiten der Richterzeit
Dann kommen wir nochmals zurück zu charakteristischen Ausdrücken und Besonderheiten unter Punkt eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Hier haben wir noch nichts gesagt.
Im ganzen Buch der Richter finden wir vierzehn Richter, das ist zweimal sieben. Wir haben gesehen, wie oft die Zahl sieben also eine wesentliche Rolle spielt. Richter ist das siebte Buch der Bibel, es hat zweimal sieben Richter, und der Hauptteil besteht aus siebenmal Abfall und Wiederaufstehen.
Ich habe alle Richter hier aufgeführt, die großen und die kleinen Richter. Das ist so eine Konvention: Man nennt die großen Richter diejenigen, über die eine lange Geschichte erzählt wird, wie Othniel, Ehud, Deborah und Barak. Dann gibt es die kleinen Richter, die nur so nebenbei eingefügt sind, wie Shamgar, Tola, Ibzan und Abdon. Man kennt sie wohl kaum einfach so aus dem Stehgreif. Das sind die großen und die kleinen Richter.
Wenn man diese Richter im Einzelnen studiert, fällt als besonderes Merkmal des Buches der Richter auf, wie Gott sehr auffällige Werkzeuge benutzt. Zum Beispiel haben wir gesehen, bei Ehud spielte seine Linkshänder-Veranlagung eine Schlüsselrolle. Früher wurde das irgendwie als etwas Komisches angesehen, oder? Man hat dann den Schülern in der Schule beigebracht, dass sie doch rechts schreiben müssten. Heute sieht man, das hat überhaupt keinen Wert. Ob man rechts oder links schreibt, das ist nicht so tragisch.
Aber gerade früher war das so eine Auffälligkeit, der man viel zu viel Bedeutung beigemessen hat. Wir sehen gerade, diese Auffälligkeit bei Ehud war ein wichtiges Mittel zum Sieg, denn er konnte dadurch das Schwert auf der Seite haben, wo man es gerade nicht erwartete. Und das führte zum Sieg und zur Befreiung. Also ist es doch eigenartig: Gott benutzt speziell einen Linkshänder, um Israel zu befreien.
Dann haben wir Shamgar, Kapitel 3, Vers 31. Er hatte nicht gerade eine eindrückliche Waffe; es heißt von ihm, dass er einen Rinderstachel hatte und damit Israel rettete. Ein Rinderstachel ist so ein Stachel, den man braucht, um den Rindern hinten reinzuzwicken, damit sie aufstehen und etwas tun, dorthin gehen, wo sie sollen. Diese Waffe braucht Shamgar und rettet damit Israel. Komisch, oder? Aber offensichtlich kann Gott gerade komische Leute manchmal besonders gut gebrauchen. Es ist doch ermutigend, wenn wir ein bisschen komisch sind, denn wir wissen, Gott kann gerade komische Leute gut gebrauchen. Stehen wir also zu unserem Komischsein.
Debora fällt auf, weil sie als Frau eine führende Position im Volk Gottes eingenommen hat. Deborah ist Richterin und Prophetin, aber ihr Selbstbild ist bemerkenswert. In ihrem Lied mit Barak bezeichnete sie sich in Kapitel 5, Vers 7 so: „Es feierten die Landstädte in Israel. Sie feierten, bis ich Deborah aufstand, bis ich aufstand, eine Mutter in Israel.“ Ihr Selbstbild ist eine Mutter in Israel, nicht ein Vater in Israel. So hat sie sich gesehen.
Das Auffällige ist, sie war eine Richterin. Aber wo hat sie gerichtet? Unter ihrer Palme, Kapitel 4, Vers 4 und folgende. Die Richter in der alten Welt übten ihren Beruf normalerweise im Stadttor aus. Und es fällt auf, dass sie das nicht im Stadttor tat, sondern bei sich zu Hause unter der Palme. Irgendwie hat die Frau sich etwas überlegt über ihre Aufgaben, über ihre Stellung im Volk Gottes. Sie hat sich gesehen als Mutter in Israel, sie hat gesehen: Ich muss das Amt der Richterin ausüben, aber sie hat sich überlegt, wo. Und sie wollte es zu Hause machen, unter ihrer Palme. Die Leute kamen dann zu ihr hinauf, um Rat und Rechtsentscheidung von ihr zu bekommen. Aufgrund der Bibel hat sie dann entschieden, wenn Leute Streit hatten im Volk Gottes.
Dann beruft sie im Namen Gottes Barak zur Befreiung Israels. Sie ruft hinauf: Du hast den Auftrag, mit der Armee Israels zuzuschlagen und Befreiung zu bringen. Barak sagt: Ja, wenn du nicht kommst, dann gehe ich nicht. Unglaublich! Da sehen wir ein gutes Beispiel: Wenn es um die Stellung von Mann und Frau geht, sind meistens nicht die Frauen das Problem, sondern die Männer. Ja, das ist das Hauptproblem der Zeit.
Ich meine, er bekommt einen Auftrag von Gott: Du sollst Israel befreien, und er sagt: Ja, wenn du mitkommst, dann gehe ich, sonst nicht. Das ist ja unwahrscheinlich. Aber sie sagt ihm dann: Gut, ich komme mit. Sie will die Armeeführung nicht übernehmen, aber um den General zu stützen, da geht sie mit.
Also hatte die Frau eine ganz klare Vorstellung und sagt ihm: Weil du deine Stellung als Mann nicht einnimmst, wird die Ehre des Sieges einer Frau zukommen. Sie wusste nicht wie, aber das ist dann die Geschichte mit Jael und dem Zeltpflock. Eine Frau hat Israel befreit. Darum wird sie auch speziell im Deboralied erwähnt, Kapitel 5, Vers 24: „Gesegnet vor Frauen sei Jael, die Frau Hebers des Kenitters, vor Frauen in Zelten gesegnet. Was so verlangte, gab sie Milch; in einer Schale der Edlen reichte sie geronnene Milch usw.“
Also die ganze Thematik von der Stellung von Mann und Frau im Volk Gottes wird hier sehr vordergründig behandelt. Wir sehen, wie Gott eine Deborah dann, wenn viele Männer versagt haben, gebrauchen konnte. Aber die Frau hat wirklich nur das getan, was sie vor Gott wirklich verantworten konnte. Sie war doch nicht oberflächlich und sagte: Ja gut, das ist ja kein Unterschied, Mann und Frau sind sowieso gleich, besonders die Frauen. Das ist doch nicht nur die Devise heute.
Nein, sondern sie hat sich genau überlegt: Was ist meine Aufgabe? Wer bin ich? Wie sehe ich mich? Und sie hat sich gesehen als Mutter in Israel. Und das brauchen wir: Mütter in Israel, also Frauen, die wirklich ihre Frau stehen und so zum Segen des Volkes Gottes werden. Frauen, die die Bibel kennen, so wie Deborah die Bibel kannte, und sie konnte wirklich Rat geben und dem Volk Gottes behilflich sein.
Dann wieder auffällig: Ich habe bereits erwähnt Barak, der führungsscheu ist, daneben Jael mit dem Zeltpflock. Sie gibt Milch statt Wasser, also auch wieder das Hilfsmittel ist eigenartig. Jetzt nicht ein Linkshänder, nicht ein Rinderstachel, aber mit einem Zeltpflock wird Israel befreit. Also Gott hat offensichtlich eine Vorliebe für Originalität.
Dann finden wir Gideons dreihundert Leute, die wie Hunde trinken. Es waren ja viel zu viele Leute. Gott hat gesagt: Nein, mit einer so großen Armee will ich nicht den Sieg geben, sonst sagen die Leute wieder: Wir haben es geschafft. Ich will viel, viel weniger. Schluss blieben nur noch die Leute übrig, die Wasser geleckt haben wie Hunde.
Das ist nicht gerade ein großes Qualitätszeichen. Ich meine, niemand würde eine Stelle ausschreiben in der Zeitung und besonders auf Leute schauen, die lecken wie Hunde, und die nimmt man dann. Hunde sind in der Bibel unreine Tiere. Gut, und Gott wollte Leute, die nicht gerade besonders edel wirkten, die wollte er gebrauchen.
Also, wieder ermutigend: Nicht denken, Gott gebraucht die, die irgendwie besonders edel sind, die besonders oben sind, sondern Gott gebraucht gerade solche, die nicht auf die Idee kommen, sich selber zu rühmen. Also die Demut ist eine wesentliche Voraussetzung, um Gott wirkungsvoll, glaubwürdig und fruchtbar dienen zu können.
Dann haben wir Gideons Kampf mit Krügen und Schofahörnern, auch wieder auffällig. Rinderstachel, linke Hand, Zeltpflock und dann Krüge und Hörner. Anstatt mit Schwertern und Pfeilen, Bogen und so weiter. Also das geht irgendwie durch das ganze Buch der Richter, diese ausgefallenen Hilfsmittel im Dienst für Gott.
Dann haben wir Jephtha, den Sohn einer Hure. Gott gebraucht den Mann, und er hat auch nichts dafür, es ist eine Abstammung. Aber es gibt so viele Leute, die hängen derart herum, woher sie kommen, was sie alles in der Kindheit erlebt haben, und das ist der Grund, warum sie nicht vorwärtskommen usw. Und Gott gebraucht Leute mit einem Hintergrund, der so unwürdig sein kann, wie es nur geht. Aber Gott hat Jephtha gebrauchen wollen.
Darum zeigt es uns, wir müssen nicht an all diesen Dingen irgendwie so hängen und herumhängen und dauernd herumstudieren, sondern uns von Gott gebrauchen lassen, so wie wir sind.
Dann haben wir diesen Simson, einen völlig barbarischen Menschen. Und Gott in seiner Souveränität hat auch ihn gebraucht. Und auch er hat wieder so eigenartige Hilfsmittel: Simsons Kampf mit Schakalen. Er braucht Schakale, um gegen die Philister zu kämpfen, bindet sie zusammen, steckt Fackeln daran und lässt sie los.
Oder in einem anderen Fall hat er einen Eselskinnbacken gebraucht, um die Feinde zu erschlagen. Also wir sehen, es zieht sich durch diese ungewöhnlichen Hilfsmittel. Gott gibt also Ideen, wie wir wirken können. Aber wichtig ist: All diese Hilfsmittel waren nicht an sich irgendwie unmoralisch oder fragwürdig, aber nicht gerade das, was man erwartet. Es zeigt, Gott schenkt Kreativität.
Sind bis dahin Fragen?
Ja, das war so mit den Haaren. Simson war ein Naziräer. In 4. Mose 6 findet man das Naziräergesetz. Nasir heißt „Abgesondert“. Man konnte sich freiwillig für eine bestimmte Zeit Gott besonders weihen. In dieser Zeit durfte der Nasir die Haare nicht mehr schneiden, er durfte nicht in Kontakt kommen mit Toten und drittens durfte er nichts vom Weinstock nehmen, also keine Trauben essen, keinen Wein trinken, keinen Traubensaft, nichts davon.
Wenn diese Zeit, die man selbst wählen konnte, abgelaufen war, dann musste man Gott ein besonderes Opfer bringen, und die Haare wurden feierlich geschnitten und dann auf dem Brandopferaltar verbrannt als das Zeichen der unbegrenzten Hingabe an Gott.
Das ist das Symbol der ungeschnittenen Haare. Die werden nicht gestutzt beim Naziräer, sondern er wollte damit ausdrücken: völlige Hingabe an Gott. Das lange Haar ist ein Bild des Schleiers, das Hingabe ausdrückt.
Gut, jetzt bei Simson war das speziell: Gott hat ihm das nicht freiwillig überlassen, sondern hat den Eltern gesagt, dieses Kind soll ein Naziräer sein von Mutterleib an. Darum durfte seine Mutter keinen Wein mehr trinken und nichts Unreines anrühren. So wurde es ihr gesagt vom Engel des Herrn in Richter 13.
Von den Haaren wird bei ihr nichts gesagt, aber das ist auch nicht überraschend, weil sie eine Frau war und ihr Haar sowieso wachsen ließ. Also das war die Situation bei Simson.
Nun verstehen wir die Bedeutung der Haare: Sie sind das Symbol der Hingabe an Gott, und Hingabe an Gott gibt geistliche Kraft. Bei ihm war es physische Kraft. In der Übertragung ist gewissermaßen die Hingabe an Gott eines Menschen, der sich Gott wirklich zur Verfügung stellt, geistliche Kraft.
Bei ihm war das symbolisch, und es steht in einem widerlichen Gegensatz zu dem, wie sein Leben wirklich ausgesehen hat. Es war ein Leben der Unmoral. Schlimm, aber wir können die Lehre daraus übernehmen: Heute ist geistlich ein Naziräer ein Mensch, der sich ganz Gott zur Verfügung stellt, und Gott gibt ihm geistliche Kraft.
Reicht das so als Antwort?
Gut, weiter.
Du meinst du mit dem Opfer der Tochter? Ja, das ist ja immer die große Frage: Hat er sie geopfert oder nicht? Nun, es wird auf jeden Fall gesagt, er hat das Gelübde eingelöst. Aber die Frage ist, ob er es nicht auf jüdische Art gelöst hat, weil es ja um ein Brandopfer geht, das ist das Opfer der völligen Hingabe an Gott.
Es fragt sich, ob er gewissermaßen das umgedeutet hat und seine Tochter dem Tempeldienst geweiht hat. Darum beweint sie am Schluss auch ihre Jungfrauschaft. Denn in Israel war es völlig ungewöhnlich, dass jemand den Weg der Ehelosigkeit wählte. Zölibat und so – das ist eigentlich völlig unjüdisch und ist auch widerlich und unnatürlich.
Ja, in 1. Timotheus wird das Gebot, nicht zu heiraten, als Lehre von Dämonen bezeichnet. Man muss sich vorstellen, wie das in der Kirchengeschichte sehr früh entstanden ist. Das ist eine Lehre von Dämonen, sagt 1. Timotheus 4.
Nun gut, er hat sie offensichtlich – oder es scheint so –, er hat sie geweiht für den Tempeldienst. Aber ich will das nie einfach so endgültig behaupten. Es gibt andere, die sind genau so überzeugt, dass er sie wirklich geopfert hat.
Aber damit hätte er ja etwas so Schändliches getan, denn das Menschenopfer wird in der Bibel dermaßen scharf gegeißelt und verurteilt.
Ja?
Ich habe verstanden, er hat sich mit einem Brandopfer geweiht, aber es musste doch verbrannt werden, das Opfer.
Ja gut, aber das hebräische Wort Brandopfer, „Ola“, heißt einfach „das Aufsteigende“, das zu Gott aufsteigt. So kann es eben sein, dass er das Wort oder wir im Deutschen haben das Wort Brand drin, da brennt etwas bei dem Opfer. Im hebräischen Wort ist das nicht so.
Darum kann es sein, dass er das Wort eben so umgedeutet hat: Es ist etwas Aufsteigendes. Ich gebe gewissermaßen meine Tochter hinauf zu Gott.
Ja, ja, genau, genau. Aber ich möchte mich da nicht endgültig festlegen, weil die Bibel nicht ganz ausdrücklich sagt, sondern nur, dass er sein Gelübde eingelöst hat. Die Frage ist, ob wörtlich oder übertragen.
Noch was?
Weihe für den Tempeldienst?
Ja, das würde ich nicht so behaupten. Denn es wird ja zum Beispiel bei der Stiftshütte schon über Frauen gesprochen, die sich am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft versammelten. Die Frage ist, ob das nur so quasi momentan war, wo sie ihren Schmuck brachten und dem Tempel schenkten, oder ob sie eine bleibende Funktion hatten und besonders wirkten.
Man findet auch die Frauen in 1. Samuel, die bei der Stiftshütte waren und von den Söhnen des Hohenpriesters Eli missbraucht worden sind. Also auch dort scheint es, dass die Frauen eine besondere Helferfunktion übernommen hatten.
Von daher ist es denkbar, dass es auch bei der Tochter Jephthas in diese Richtung ging. Und auch später, zur Zeit des Zweiten Tempels, haben Frauen im Neuen Testament ganz besondere Aufgaben für den Tempel übernommen.
Zum Beispiel wurde der Scheidevorhang jedes Jahr erneuert, und es waren siebzig Mädchen, die daran gearbeitet haben und speziell den Tempeldienst dafür taten.
Nein, sondern einfach, dass sie ihr Leben quasi geweiht hat dem Dienst in der Stiftshütte und gewissermaßen auf eine Ehe verzichtet hat, um diesen Dienst vollständiger auszuüben. In der Art.
Die Prophetin Anna war sieben Jahre verheiratet, während Jahrzehnten hat sie dem Herrn im Tempel gedient und hat nicht mehr geheiratet. Witwe bis in ihr 84. Lebensjahr.
Ja.
Nein, es ist ja sein Gelübde, das schief ging, nicht ihr Gelübde. Der Vater konnte das Gelübde einer Tochter lösen, aber nicht die Tochter das Gelübde des Vaters. Das ist ja logisch, oder? Ich habe Verantwortung, wenn meine Töchter etwas Dummes machen, aber in Bezug auf mich haben sie keine Verantwortung.
Das muss meine Frau ein bisschen schauen.
Gut, ja?
Ich habe eine Frage: Wenn man nur auf die künftigen Kulte da zurücksteht, wo die Mannschaft stattfindet. Die Jephtha, da sind die Frauen hier, wo die Schillerinnen von Jephtha drin sind.
Ja, das Beispiel von Jephtha ist eben ein klassisches Beispiel, wie dumm man sein kann in der Meinung, besonders fromm zu sein. Also das ist gerade eine Warnung vor enthusiastischen Entschlüssen, die gar nicht wirklich vor dem Herrn überlegt sind und die dann ganz schwere Konsequenzen haben können.
Ja, da hinten?
Ach so, das war's. Weitere Fragen?
Ja, ich glaube, dann brauchen wir Pause. Das ist gut, wenn wir nochmals...
Gut, wir wollen das nicht künstlich verlängern. Wir können auch früher aufhören, aber wenn noch Fragen da sind, dann wollen wir jetzt miteinander noch besprechen und dann nehmen wir uns etwas Zeit für Gebet, und das gibt einen guten Abschluss.
Also, wer hat noch eine Frage auf dem Herzen? Wer hat noch was?
Also, Harry, dann bitte.
In den Evangelien sagt der Herr dreimal: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird“, außer Johannes. Im Jesaja 53 heißt es: „Er hat seine Seele dem Tod ausgesetzt“, wo sie jetzt unterbittet. Wenn er selbst sagt: „Mein Leid“ und von ihm gesagt wird, seine Seele bringt das Heil.
Ja, gut, in Jesaja 53 ist das besonders deutlich, was dort Seele bedeutet.
Es ist so: Seele bedeutet in der Bibel ganz Verschiedenes. Nefesch kann sein, dass ich den Herrn lobe, meine Seele, das heißt, ich soll den Herrn loben.
Dann kann es aber auch bedeuten: einfach leben. Die Seele alles Fleisches ist im Blut, das heißt nicht, dass der Sitz der Persönlichkeit im Blut ist, sondern dass Leben, der Inbegriff des Lebens, im Blut ist. Trennt man das Blut von einem Lebewesen, dann ist das Lebewesen tot.
Dann weiter kann Nefesch auch bedeuten Hals. Und zwar kommt es von einer Wurzel. Nafasch heißt hauchen, man hört es im Wort drin sogar, dieses Hauchen.
Darum wird es eben ausgehend von der Bedeutung „hauchen“ die Bedeutung Lebensodem beziehungsweise Atemkanal. Darum Seele im Sinne von Atemkanal.
Von Joseph heißt es in den Psalmen: „Seine Füße kamen ins Eisen und seine Seele ins Eisen.“ Ja, das ist also das Fuß- und Halseisen gemeint.
Jetzt Jesaja 53. Dort heißt es in Vers 12 nochmals etwas von Seele, nicht nur in Vers 10: „Darum werde ich ihm die Großen zuteilgeben, und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen, dafür, dass er seine Seele ausgeschüttet hat in den Tod.“
Ausschütten tut man eine Flüssigkeit. Seine Seele ausschütten in den Tod heißt, er hat sein Blut ausgeschüttet in den Tod, er hat sein Blut gegeben.
Ist das für den Zusammenhang? Einerseits „Mein Leib, dies ist mein Leib, den ich hingebe“, aber er spricht auch von seinem Blut, das er hingibt. Und das ist dann die Seele hier.
Noch was?
Ja?
Die 440 Jahre separat von diesen 114 Jahren. Gehören die 440 Jahre nicht der wirklichen Zeit, sondern die 114 Jahre?
Die 114 meinst du, oder?
Die 114 Jahre entsprechen genau den Jahren der Fremdherrschaft. Wenn man diese Jahre der Fremdherrschaft wegzählt, dann bekommst du vom Auszug aus Ägypten bis zum Tempelbau 480 Jahre. Aber du musst die eben wegzählen.
Darum habe ich daraus abgeleitet: Diese Jahre der Zucht unter der Hand Gottes hat der Schreiber von 1. Könige nicht mitgezählt. Es waren verlorene Jahre.
