Ich möchte mit einer Begebenheit aus dem Jahr 2008 einleiten. Eckhart Fuss – den Namen muss man nicht unbedingt kennen – ist ein Radsportler. Er bricht zu einer olympischen Radtour auf. Am 18. Februar 2008 möchte er von Athen bis nach Peking fahren, also von Griechenland bis nach China, mit dem Fahrrad.
In 170 Tagen will er entlang der sogenannten Seidenstraße, einer sehr berühmten historischen Handelsroute, 13.000 Kilometer zurücklegen. Zwei Tage vor der Olympiade, am 6. August, will die Gruppe, die mit ihm fährt, Peking erreichen. Das ist ein waghalsiges Ziel, doch sie starten voller Zuversicht.
Zunächst läuft auch alles gut. Nach 87 Tagen hat der Radfahrer bereits 7.000 Kilometer und 4.700 Höhenmeter hinter sich gebracht. Alles sieht nach Erfolg aus. Doch kurz nach der Einreise in Turkmenistan wird es schwierig. Sie müssen durch die Wüste radeln, und es kommt ein heftiger, stürmischer Gegenwind.
Nach 80 Kilometern sind sie völlig erschöpft und geben vorerst auf. Ihr Lieben, Gegenwind kann wirklich heftig sein. Wusstet ihr, dass bei Flügen nach Amerika – auch wenn das heutzutage kaum noch jemand macht – der Hinflug manchmal zwei Stunden länger dauert als der Rückflug? Zum Beispiel auf der Strecke von Frankfurt nach Dallas. Der Hinflug dauert neun Stunden, der Rückflug nur sieben. Das liegt am Gegenwind.
Gegenwind hat also eine enorme Wirkung. Segler oder Hobbysegler wissen, dass sie bei Gegenwind nicht mehr geradeaus fahren können. Sie müssen Zickzacklinien fahren, um voranzukommen. Das ändert alles, wenn Gegenwind kommt.
Aber, ihr Lieben, Gegenwind erleben wir nicht nur als Sportler. Gegenwind erfahren wir nicht nur auf Reisen oder auf Seen. Gegenwind erleben wir auch manchmal als Gemeinde. Und genau das ist das erste Thema heute Abend: Gemeinde im Gegenwind – Gemeinde im Gegenwind.
Der Bibeltext stammt aus dem Brief an die Philipper, Kapitel 1. Ich lese die Verse 27 bis 30 zunächst vor, und anschließend arbeiten wir uns Vers für Vers durch den Text.
Dort schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Philippi Folgendes:
„Aber das Entscheidende ist, lebt so, dass es im Einklang mit dem Evangelium von Christus steht. Dann werdet ihr, ob ich nun komme und euch besuche oder ob ich nur aus der Ferne von euch höre, einmütig zusammenstehen. Ihr werdet Seite an Seite für den Glauben kämpfen, der sich auf das Evangelium gründet, und ihr werdet euch nichts von euren Gegnern einschüchtern lassen.
An all dem zeigt sich, dass sie verloren gehen und ihr gerettet werdet. So ist es von Gott selbst gefügt. Er hat euch die Gnade erwiesen, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für Christus zu leiden. Ja, ihr habt jetzt denselben Kampf zu bestehen wie ich – den Kampf, den ihr miterlebt habt, als ich bei euch war und in dem ich, wie ihr gehört habt, immer noch stehe.“ (Philipper 1,27-30)
Ein paar Takte zum Philippabrief
Paulus schreibt diesen Brief an eine Gemeinde, die ihm besonders nahe steht. Zu kaum einer Gemeinde hatte Paulus eine so enge Beziehung wie zu den Philippern. Man kann sagen, es ist eine Freundschaft.
Wenn wir die Korintherbriefe lesen, merken wir manchmal, dass Paulus sehr aufpassen muss, was er sagt. Er will sicherstellen, dass seine Worte nicht falsch verstanden werden. Bei den Philippern hingegen hören wir eine Sehnsucht, eine tiefe Beziehung und Freundschaft heraus.
Keine Gemeinde hat Paulus so unterstützt wie die Gemeinde in Philippi. Er schreibt diesen Brief aus Rom, aus einem Gefängnis. Paulus sitzt selbst in Fesseln. Wenn wir an die Gefängnisse in Rom denken, dürfen wir sie nicht mit heutigen Gefängnissen vergleichen, sondern eher mit den Gefängnissen der ehemaligen Sowjetunion, wahrscheinlich sogar noch schlimmer. Die Gefängnisse in Rom waren eher Verliesse als Gefängnisse.
Dort sitzt Paulus und schreibt diesen Brief. Ich kann mir vorstellen, dass die Philipper, die ja Epaphroditus zu Paulus ins Gefängnis gesandt hatten, eine Antwort hören wollten: Wie geht es Paulus im Gefängnis? Der Philippabrief beginnt mit Dank. Paulus redet dabei gar nicht von sich selbst. Er sagt, Hauptsache, es geht dem Evangelium gut.
Er beginnt den Philippabrief, indem er sagt, dass er jetzt hier im Gefängnis sitzt. Doch für ihn, liebe Gemeinde, hat das etwas Positives – aus der Sicht des Evangeliums. Denn das ganze Prätorium hat jetzt das Evangelium gehört. Das waren Elite-Soldaten, die Paulus bewacht haben und in Schichtdiensten arbeiteten.
Das Tolle daran ist, dass sie nicht weglaufen können. Sie müssen Paulus bewachen, und Paulus missioniert sie. Dann kommt der Nächste, der ihn bewachen muss, und auch dieser wird missioniert. Paulus sagt, dass es etwas Wunderbares ist, hier im Gefängnis zu sitzen.
So dankt er und hat das Anliegen, dass vor allem Christus verherrlicht wird. Das sagt er im Kontext, in den Versen davor.
Dann kommt der bekannte Satz, der berühmte Vers in Philipper 1,21: „Das Leben ist für mich Christus, und Sterben ist Gewinn.“ So beginnt Paulus diesen Brief. Es ist ein Freudenbrief, in dem er immer wieder zur Freude in Christus aufruft.
Und der Text, den wir uns jetzt anschauen, die Verse 27 bis 30, enthält die ersten Anweisungen an die Gemeinde. Davor war alles Dank, und Paulus hat erzählt, was das Evangelium alles im Gefängnis bewirkt.
Jetzt richtet er sich an die Gemeinde und möchte ihnen sagen, worauf es ankommt, wenn die Gemeinde Gegenwind erfährt. Ihr Lieben, dieser Text ist sehr wichtig für uns. Vielleicht erleben wir als Gemeinden noch keinen Gegenwind, aber ich kann euch versprechen: Der Gegenwind wird kommen.
Es kann sein, dass dieses Jahr schon vieles anders aussieht. Ich möchte nicht politisch werden, aber wenn andere Parteien an die Macht kommen, kann sich vieles für uns Christen auch in Deutschland noch verschärfen. Dabei will ich nichts schwarzmalen, aber wir müssen mit Gegenwind rechnen, wenn wir treu zu Gottes Wort stehen.
Wir müssen damit rechnen. Deswegen ist dieser Vers so wichtig, und ich hoffe, er ist für uns zugleich eine Herausforderung und eine Ermutigung.
Worauf kommt es an, wenn wir Gegenwind für unseren Glauben erfahren?
Der erste Punkt, den ich hier nennen möchte, ist: Lebt, was ihr seid! Schaut mal, da heißt es in Vers 27: Paulus beginnt den Text mit den Worten „Aber das Entscheidende ist“. Ja, im Griechischen steht hier das Wort „nur“, als wenn Paulus sagen will: Letztendlich zählt nur eins. Und das fasst er in einem Vers zusammen. Er sagt, es geht darum, so zu leben, dass es im Einklang mit dem Evangelium von Christus steht. Luther übersetzt: „wandelt würdig des Evangeliums Christi“.
Diese Anweisung „wandelt würdig“ ist die Hauptaussage unseres Textes. Wir wollen heute Abend auch ein bisschen tiefer in die Textauslegung gehen. Ja, das ist die Hauptaussage: wandelt würdig! Die nächsten Verse zeigen, wie das aussieht, würdig zu wandeln, also dem Evangelium gemäß zu wandeln. Paulus ist es wichtig, dass wir als Christen würdig wandeln, dass das Leben, was wir sind, sichtbar wird in unserem Leben.
Schaut mal auch in Epheser 4,1. Dort schreibt er: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid.“ Oder auch im Kolosserbrief 1,9-10: „Deshalb hören wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, also für die Kolosser, dass ihr mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt werdet in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, warum? Um des Herrn würdig zu wandeln.“
Das ist das Anliegen von Paulus. Die Neue Genfer Übersetzung, aus der ich hier diesen Text gelesen habe, hat sehr treffend wiedergegeben, was es bedeutet, würdig zu wandeln – im Einklang mit dem Evangelium. Das heißt, das, was ich vorgebe zu sein, soll auch sichtbar werden in meinem Leben, auch dort, wo mich keiner sieht. Dass ich immer echt bin, lebt „was ihr seid“, sagt Paulus.
Interessant ist, dass hier ein Wort im Griechischen verwendet wird, das eigentlich bedeutet „sich als Bürger verhalten“. Verhaltet euch würdig als Bürger. Jetzt müssen wir wissen: Philippi wurde auch „Kleinrom“ genannt. Die Stadt Philippi war eine römische Kolonie, dort lebten viele Menschen, die ein römisches Bürgerrecht hatten. Darauf konnte man in der damaligen Zeit scheinbar stolz sein.
Aber hier geht es nicht um das römische Bürgerrecht, denn in Kapitel 3, Vers 20 sagt Paulus: „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus erwarten als den Retter.“ Das heißt, was Paulus eigentlich sagt in Vers 27, ist: Lebt in der römischen Kolonie Philippi als Bürger des Himmels! Euer Leben soll im Einklang mit dem Evangelium stehen.
Paulus sagt hier mit anderen Worten: Liebe Philippa, auch wenn der Gegenwind kommt, lebt das, was ihr seid. Ihr Lieben, ich denke, ihr werdet mir zustimmen, dass man gerade bei Druck den wahren inneren Wert eines Menschen erkennen kann. Wie eine Person wirklich ist, welchen Charakter sie hat, erfährt man, wenn sie zwei Wochen lang in Quarantäne ist und die Umstände schlecht sind.
Wenn Druck da ist, wenn die äußeren Umstände nicht positiv sind, dann kommt wirklich das aus uns heraus, was in uns drin ist. Und deswegen sagt Paulus: Auch wenn ihr Gegenwind erfahrt, lebt das, was ihr seid.
Ich habe euch heute Abend mal eine Chipspackung mitgebracht. Ich möchte weder Werbung machen noch Anti-Werbung, aber die Chips sind richtig lecker von dieser Firma. Was mir bei dieser Firma gerade auffällt, ist: Die Packung sieht ja relativ groß aus. Wenn ich sie jetzt aufmachen würde, gehen die Chips nur bis hierhin. All das, was darüber ist, ist nur Luft.
Das ist eigentlich eine Mogelpackung, ohne das jetzt schlecht machen zu wollen. Aber eigentlich, wenn du die kaufst, denkst du, da ist jede Menge drin. Du machst auf und stellst fest: Okay, so viele Chips sind hier drin. Da ist ganz viel Luft und ganz, ganz wenig Inhalt.
Und Paulus sagt: Wenn man euch Christen mal „aufmachen“ sollte, dann sollte das drin sein, was draufsteht. Da sollte nicht einfach nur ganz viel Luft sein, sondern da soll Substanz sein.
Was ist, wenn dich jemand mal zwei Wochen lang auf Schritt und Tritt verfolgt, mit dir mitgeht und schaut, wie du dich in deiner Ehe gegenüber deiner Frau verhältst oder andersherum gegenüber deinem Mann? Er ist bei dir zu Hause, er schaut zu – wie lebt diese Person wirklich? Kann er nach zwei Wochen ein Fazit ziehen und sagen: Ja, das, was draufsteht, ist auch drin?
Bei uns im Haus leben einige Leute, sie essen mit uns mit, aus unserer Gemeinde. Sie leben sozusagen bei uns mit. Und ich stelle mir zwischendurch die Frage: Die kennen mich wirklich. Ihr kennt mich, wenn ich vorne rede, von den Vorträgen kennt ihr mich. Aber die Leute, die bei mir wohnen, meine Kinder und meine Frau, die beobachten mich immer. Sie sehen Andre, wie ihn keiner sieht.
Und ich stelle mir manchmal die Frage: Unterstreicht mein Leben da, wo mich keiner sieht, das, was ich vorne sage? Oder stellen die Leute manchmal fest: Ist doch nicht alles so, ist doch auch ganz viel Luft drin?
Ihr Lieben, genau darum geht es. Genau darum geht es, wenn Paulus sagt: Das Entscheidende ist nur – darum geht es letztendlich –, lebt so, dass es im Einklang mit dem Evangelium steht. Lebt, was ihr seid, nicht nur am Sonntagmorgen.
Das nächste, was Paulus der Gemeinde mitgibt – einer Gemeinde, die sich gerade im Gegenwind befindet – ist: Haltet zusammen und seid mutig! Schauen wir uns die nächsten Verse einmal genauer an. In den Versen 27 und 28 heißt es:
„Dann werdet ihr, ob ich nun komme und euch besuche oder ob ich nur aus der Ferne von euch höre, einmütig zusammenstehen. Ihr werdet Seite an Seite für den Glauben kämpfen, der sich auf das Evangelium gründet, und ihr werdet euch durch nichts von euren Gegnern einschüchtern lassen.“
Paulus sagt: „Ihr lieben Philipper, wenn ihr im Einklang mit dem Evangelium lebt, zeigt sich das sehr praktisch. Es zeigt sich darin, dass ihr euch immer gleich verhaltet, egal ob ich da bin oder nicht.“
Vielleicht können sich einige noch an die Grundschulzeit erinnern. Dort gab es immer wieder folgende Situationen: Ab und zu musste der Lehrer das Klassenzimmer verlassen, um etwas zu holen. Damals schrieb man ja noch mit Kreide. Ich glaube, heute läuft das nicht mehr immer so klassisch mit Kreide und Tafel ab.
Bei uns in der Klasse war es so: Der Lehrer ging raus, um neue Kreide zu holen. In dem Moment, in dem der Lehrer weg war, herrschte im Klassenzimmer Tohuwabohu oder Halligalli. Sobald der Lehrer zurückkam, saß man wieder ganz brav. Das ist kein echter Gehorsam. Nur wenn der Lehrer da ist, verhält man sich so, ansonsten gibt es keine Ruhe mehr in der Klasse.
Paulus sagt: Wenn ihr würdig des Evangeliums wandelt, dann werdet ihr, ob ich da bin oder abwesend, so leben. Ihr macht euer Verhalten nicht von meiner Anwesenheit abhängig. Paulus geht es um Christus, und das wird immer sichtbar sein – egal, ob ich da bin oder nicht. Ihr werdet einmütig zusammenstehen.
Schaut mal, Integrität wird genau dort offenbar, wo der Auftraggeber nicht da ist, man aber die Anweisung trotzdem gewissenhaft ausführt.
Paulus weiß nicht, ob er noch einmal zu den Philippern zurückkommt. Im Kontext sagt er: „Ich weiß nicht, ob ich hier sterben werde. Das würde ich persönlich bevorzugen, denn dann wäre ich bei Christus. Aber vielleicht lebe ich weiter im Fleisch, und das ist auch nötig – dann um eureretwillen, damit ich euch noch dienen kann.“
Er weiß nicht, ob er noch einmal zu den Philippern kommt. Deswegen sagt er: Ob ich jetzt komme und euch besuche oder auch aus der Ferne von euch höre und euch vielleicht sogar nie wieder sehe – lebt so, dass es im Einklang mit dem Evangelium steht. Das zeigt sich darin, dass ihr einmütig zusammensteht.
Paulus verwendet hier ein Bild. Einige Ausleger gehen davon aus, dass er eine militärische Sprache benutzt. Er hat eine konkrete Situation, eine militärische Formation vor Augen, die genau so aussieht. Diese nennt man eine Phalanx.
Wahrscheinlich denkt Paulus, genau weil er dieses militärische Wort benutzt, an dieses Bild, das man von den römischen Soldaten kannte. Natürlich will Paulus hier nicht zu einem militärischen Krieg aufrufen, wenn er vom Kämpfen spricht, sondern von einem geistlichen Kampf. Aber er verwendet das Bild des einmütigen Zusammenstehens.
Gemeinsam ist man stark. Das Gegenteil von Zusammenstehen ist Auseinanderfallen. Gerade wenn eine Gemeinde Gegenwind erfährt, ist es so wichtig, dass sie zusammensteht.
Jetzt macht Paulus in den nächsten Versen deutlicher, was das genau beinhaltet. Er wird konkreter und erklärt es mit zwei Aussagen. Schaut genau hin.
Am Ende von Vers 27 heißt es: Wie sieht das aus, wenn eine Gemeinde im Gegenwind einmütig zusammensteht? Erstens: Ihr werdet Seite an Seite für den Glauben kämpfen, der sich auf das Evangelium gründet. Und zweitens: Ihr werdet euch durch nichts von euren Gegnern einschüchtern lassen.
Zunächst zur ersten Aussage: Ihr werdet Seite an Seite für den Glauben kämpfen, der sich auf das Evangelium gründet. Warum ist das so wichtig, dass die Gemeinde Seite an Seite zusammensteht?
Gerade bei den Philippern gab es Streitigkeiten in der Gemeinde. Paulus sagt, es ist so wichtig, dass der gemeinsame Einsatz für das Evangelium stimmt. In Kapitel 4, Verse 2 und 3 heißt es:
„Ich ermahne Evodia und ich ermahne Syntyche, ihre Unstimmigkeiten beizulegen und sich ganz auf das gemeinsame Ziel auszurichten. Sie gehören ja beide dem Herrn. Und dich, meinen treuen Weggefährten – da wissen wir nicht genau, wen er meint, aber er spricht eine Person konkret an – bitte ich, ihnen zu helfen. Schließlich haben diese beiden Frauen Seite an Seite mit mir für die Sache des Evangeliums gekämpft, sie und Clemens und meine übrigen Mitarbeiter, deren Name im Buch des Lebens steht.“
Paulus sieht hier eine Gefahr in der Gemeinde in Philippi. Sie waren immer Seite an Seite für das Evangelium unterwegs. Jetzt kommt Gegenwind, und plötzlich gibt es zwei Schwestern in der Gemeinde, die nicht mehr miteinander können. Offensichtlich waren das Mitarbeiterinnen, sie waren an der Front.
Paulus sieht eine Gefahr für die ganze Gemeinde durch diesen Streit, den die Schwestern untereinander haben. Er sagt: Ihr sollt einmütig zusammen für das Evangelium kämpfen.
Das Wort, das er hier benutzt, heißt Synadle. Es ist ein Wort aus dem Sport: „Syn“ heißt „mit“ und „Atleo“ kommt vom Athleten. Paulus denkt hier wahrscheinlich an Mannschaftssport.
Er hat immer wieder Begriffe aus dem Sport verwendet. Das kennen wir ja auch aus dem Mannschaftssport: Dort, wo man gemeinsam als Mannschaft ein Ziel verfolgt, kann man erfolgreich sein. Aber nicht, wenn jeder nur an sich denkt.
Ich denke persönlich an die WM 2018. Deutschland ist als Weltmeister nach Russland gefahren zur Fußballweltmeisterschaft. Viele haben damit gerechnet, dass sie vielleicht wieder Weltmeister werden. Die deutsche Fußballnationalmannschaft scheidet jedoch in der Vorrunde absolut blamabel aus.
Man fragte: Was ist passiert? Ihr seid als Weltmeister in dieses Turnier gegangen. In den Interviews kam heraus, die Mannschaft war keine Einheit. Es gab Grüppchenbildung. Aber es war kein Team mehr, und deswegen konnten sie nicht erfolgreich sein.
Ich erwähne das, weil Paulus auch diesen Begriff aus dem Sport gebraucht hat. Er sagt: Ihr sollt zusammenhalten, wenn ihr für das Evangelium kämpft.
Zum einen muss die Gemeinde erkennen, dass sie – und das müssen wir auch erkennen – in einem Kampf steht. Ihr Lieben, das ist uns nicht immer so ganz klar, dass wir wirklich in einem geistlichen Kampf stehen.
Wenn wir an unsere Großeltern denken – ich denke da an meinen Opa, der für den Glauben im Gefängnis saß, in der ehemaligen Sowjetunion. Mein Bruder in der Gemeindeleitung, Daniel Siemens, erzählt mir immer wieder, dass er schon als Grundschulkind plötzlich ins Lehrerzimmer gerufen wurde. Dort saß ein KGB-Mann und hat ausgefragt: „Wer ist bei euch in der Gemeinde Gemeindeleiter? Sagt es mir!“
Da wurde man als Jugendlicher recht herausgefordert, für den Glauben einzustehen. Man stand plötzlich vor der Entscheidung: Bekenne ich mich zu Christus, auch wenn es Nachteile mit sich bringt? Oder wähle ich den einfachen Weg, den Weg mit dem geringsten Widerstand, und schwimme mit der Masse mit?
Ihr Lieben, ich glaube manchmal, dass uns das heute fehlt, weil wir nicht mehr so herausgefordert werden. Aber ich denke, dass es so wichtig ist, denn der Gegenwind wird kommen. Wir müssen uns dessen bewusst sein: Wir stehen im Kampf.
Es ist kein Kampf gegen Menschen, sondern ein Kampf um Menschen.
Schaut mal in Kolosser 2, Vers 1. Dort sagt Paulus: „Ich will euch nämlich wissen lassen, welchen Kampf ich um euch führe und um die in Laodizea und um alle, die mich nicht von Angesicht gesehen haben.“
Das dürfen wir nicht vergessen. Wir dürfen uns nicht einfach zurücklehnen mit dem Motto: „Ja, es läuft schon. Wir haben Glaubensfreiheit, und es wird immer so bleiben.“ Ich gehe fest davon aus, dass es nicht mehr lange so bleibt.
Paulus sagt, wir müssen für das Evangelium kämpfen, indem wir es verbreiten, verkünden und verteidigen. Und wir müssen es gemeinsam tun – als Team, als Einheit.
Ich möchte euch mal die Frage stellen: Könnt ihr als Gemeinde wirklich sagen, dass ihr gemeinsam für das Evangelium unterwegs seid? Ich denke ja. Ich erlebe das hier in der Gemeinde immer wieder – auch eine große Einmütigkeit.
Ich will euch einfach erzählen, was das letzte Jahr mit uns als Gemeinde gemacht hat. Ich bin so dankbar für viele Entwicklungen. Das Jahr Corona, das Corona-Jahr 2020, war für uns als Gemeinde ein großer Segen – wirklich ein sehr, sehr großer Segen.
Wir haben so viele Menschen in die Gemeinde bekommen wie nie zuvor: 70 neue Leute aus zwanzig Nationen. Die ganze Gemeinde geht in eine Richtung, man merkt es.
Wir haben zurzeit drei Gottesdienste – drei kürzere, identische Gottesdienste. Das heißt, die Musiker sind dreimal am Vormittag dran, die Lieder zu singen. Die Techniker müssen dreimal die Technik machen.
Was mich so bewegt, ist, dass wir alle ein Ziel haben: dass Menschen gerettet werden.
Es sind so viele Nichtchristen immer wieder Sonntag für Sonntag da. Ihr erreicht sie auch über den Livestream, und sie kommen auch in eure Gottesdienste.
Was mich immer wieder bewegt, ist das Gebetstreffen vor dem Gottesdienst. Da sitzen wir alle zusammen, alle, die am Gottesdienst beteiligt sind, und wir gehen ins Gebet.
Wir wissen: Draußen wartet jetzt ein Kampf. Denn immer, wenn das Evangelium verkündet wird, gibt es einen geistlichen Kampf.
Satan braucht sämtliche Dinge. Manchmal sind es sogar weinende Babys, die nichts dafür können, aber Satan nutzt alles gerne, damit Menschen abgelenkt werden.
Es ist ein Kampf, in dem wir uns befinden. Und das, was ich so schätze, ist diese Einmütigkeit. Wir stehen hier zusammen fürs Evangelium.
Vor Corona waren wir auch schon am Überlegen, ob wir einen zweiten Gottesdienst machen sollen. Damals haben einige gesagt: „Nee, eher nicht, das ist zu viel.“ Jetzt sind wir sogar bei drei Gottesdiensten, und alle ziehen an einem Strang.
Ich finde es so wichtig, dass wir als Gemeinde eine große Einmütigkeit haben und sagen: Wir gehen zusammen diesen Schritt. Wir haben eine gemeinsame Sicht für verlorene Menschen. Das ist so entscheidend.
Ich bin so dankbar für unsere Jugendgruppe. Ich habe heute Stephan Freitag mitgebracht, der das Evangelisationsteam in der Jugend leitet. Die Jugend geht Woche für Woche raus. Jeden Montag gehen sie auf die Straßen Kölns und evangelisieren.
Das alles ist in diesem Corona-Jahr passiert. Im Januar haben wir für Erweckung gebetet. Da wussten wir noch nichts von Corona, beziehungsweise wir hatten nur gehört, dass es in China irgendetwas gibt.
Was der Herr daraus gemacht hat, dafür sind wir sehr, sehr dankbar.
Deswegen, wenn ich diesen Text lese und Paulus sagt, es ist so wichtig, dass ihr Seite an Seite für das Evangelium kämpft und zusammensteht, kann ich sagen: Preis dem Herrn, wir haben nichts anderes gemacht als sonst, aber der Herr schenkt es immer mehr, dass wir einmütig sind.
Ich möchte euch als Gemeinde vor allem ermutigen: Ihr habt so ein Wirkungsfeld, auch als Gemeinde. Viele schauen in euren Livestream, viele Nichtchristen sind dabei.
Lasst uns gemeinsam den Kampf kämpfen. Lasst uns in jedem Gottesdienst mit Gebet beginnen: „Herr, rede du heute, wirke du heute, dass wir etwas von dir erwarten. Denn Gott möchte wirken.“
Lass niemanden unverändert aus diesem Gottesdienst gehen. Überführe von Sünde, dass Menschen Buße tun, und dass wir hier an einem Strang ziehen.
Was ist die zweite Auswirkung, wenn die Gemeinde in Philippi einmütig zusammensteht? In Vers 28 heißt es: „Ihr werdet euch durch nichts von euren Gegnern einschüchtern lassen.“ Wer sind diese Gegner, die hier im Text erwähnt werden?
Wir wissen es nicht genau, aber in Kapitel 2, Vers 15 sagt Paulus: „Ihr seid Lichter in einer Welt, die euch feindlich gegenübersteht.“ Deshalb denke ich, dass es einfach die Nachbarschaft war, die Bürger der Stadt Philippi, die zu Gegnern der Gemeinde geworden sind. Paulus sagt, wenn ihr zusammenhaltet, dann werdet ihr fest zusammenstehen und euch durch nichts einschüchtern lassen.
Ich habe euch ein Bild mitgebracht: Im Redwood Nationalpark an der kalifornischen Pazifikküste stehen die sogenannten Redwood Trees, das sind Küstenmammutbäume. Diese Bäume gehören zu den höchsten der Welt. Sie werden etwa 115 Meter hoch – das ist fast so hoch wie der Kölner Dom, nur ein paar Meter fehlen noch. Eine wahnsinnige Größe für einen Baum, und sie stehen direkt an der Pazifikküste.
An dieser Küste sind sie Wind und Wetter ausgesetzt. Man könnte sagen, sie stehen ständig im Gegenwind. Daraus müsste man eigentlich schließen, dass diese Bäume extrem tiefe Wurzeln haben. So ein großer Baum direkt am Pazifik! Das Interessante ist jedoch: Diese Bäume sind Flachwurzler, sie haben flache Wurzeln.
Die Frage stellt sich also: Wie bleiben die Bäume bei Wind und Wetter stehen? Das Geheimnis dieser Bäume ist, dass ihre Wurzeln teilweise sogar über der Erde liegen. Diese Wurzeln sind miteinander verwurzelt. Ein Baum steht nie alleine, er steht immer mit anderen Bäumen zusammen. So halten sie zusammen und bleiben stehen, auch wenn der Wind kommt.
Ihr Lieben, genau dazu möchte ich uns heute ermutigen: dass wir als Gemeinde zusammenstehen, dass ihr als Gemeinde zusammensteht für den Glauben des Evangeliums. Denn dieser Zusammenhalt wird euch bewahren, wenn der Gegenwind kommt. Paulus sagt: Haltet zusammen, dann werdet ihr euch durch nichts einschüchtern lassen.
Ihr Lieben, das ist eine Herausforderung, die uns gilt. Für mich ist das eine sehr herausfordernde Situation. Ich predige zurzeit bei uns durch den Römerbrief. Wenn man bei Römer 1 ist, muss man auch das Thema Homosexualität ansprechen. Ich überspringe den Text nicht einfach, ich wollte ihn auch predigen.
Das ist bei uns in Köln eine ziemlich heikle Sache. Köln ist, glaube ich, Platz zwei in Deutschland, was die Homosexualitätsrate angeht. Berlin ist Platz eins, Köln Platz zwei. Ich habe gehört, Köln war eine Zeit lang sogar Platz zwei weltweit nach San Francisco.
Dieses heiße Eisen anzupacken, vor allem wenn man hört, was in Bremen mit Olaf Latzel passiert, war für mich eine Zeit voller Anfechtungen. Ich hatte große Ängste, diese Predigt zu halten. Der Herr hat mir Gnade geschenkt, dass ich sie gehalten habe, aber ich war schwach.
Am Freitag war ich in der Jugendgruppe. Bei uns in der Gemeinde gibt es ein Paar, das bei Instagram ziemlich aktiv ist – man nennt das heutzutage Influencer – mit über zehntausend Abonnenten oder Followern. Da ist auch immer wieder mal die Presse dabei.
Ich komme zur Jugendstunde, und sie sagen: „Andre, wir wollen nicht, dass du jetzt noch mehr aufgeregt bist wegen der Predigt am Sonntag, aber eine Journalistin vom Kölner Stadtanzeiger wird am Sonntag in den Gottesdienst kommen.“ Ich wusste sofort, worüber ich predigen werde: Ich werde sagen, dass Homosexualität Sünde ist. Das werde ich so sagen.
Jetzt sitzt der Kölner Stadtanzeiger da, und ich weiß, dass sich diese Zeitung erst vor ein paar Wochen oder Monaten sehr kritisch über Franklin Graham, den Sohn von Billy Graham, geäußert hat. Ich wusste: Der Kampf wird kommen. Und ich werde es sagen, auch wenn die Kamera angeschaltet ist und viele zuhören. Ich werde sagen, was im Wort Gottes steht.
Aber ich war schwach. Was ich da erlebt habe, möchte ich euch einfach erzählen. Das hat der Herr geschenkt. Plötzlich schreibt mir ein Bruder aus der Gemeinde: „Andre, wir stehen im Gebet hinter dir, predige!“ Nach der Predigt sagte ein Mann aus unserer Gemeinde, der vor kurzem zum Glauben gekommen ist, ein ehemaliger Soldat und jetzt bei der Bundespolizei – also ein richtiger Schrank von Mann –: „Andre, wenn du Anfeindungen erlebst, kannst du mit meiner Hilfe rechnen.“
Das ist gut zu wissen: die Bundespolizei im Rücken zu haben, wenn man so ein Thema anspricht. Ich konnte die Predigt halten, der Herr hat Gnade geschenkt. Er hat auch Buße geschenkt bei einigen, die betroffen waren. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
Am Montag ging es weiter. Es folgte eine Bibelwoche in Waldbröl, wo ich einiges über Amos predigen durfte. Ich hatte eine Schwäche, die schwer zu beschreiben ist, eine geistliche Anfechtung, die ich so noch nicht kannte. Ich war am Montag völlig fertig, geistlich angefochten, im Kampf.
Ohne dass ich es wusste, schreibt mir ein älterer Bruder aus der Gemeinde, keine WhatsApp oder SMS, sondern eine Nachricht: „Andre, danke für deine klaren Worte. Der Feind wird zurückschlagen, aber fürchte dich nicht. Rede und schweige nicht. Wir beten.“
Das war für mich eine so große Ermutigung, dass ich weinte, weil es genau das Wort war, das ich brauchte, um am Abend in Waldbröl weiter predigen zu können. Der Herr hat dort Bekehrungen geschenkt.
Was ich euch sagen will, ist: Was für eine Ermutigung es ist, wenn die Gemeinde im Gegenwind zusammenhält. Das ist, was Paulus sagt und was ich euch ermutigend weitergebe.
Ihr Lieben, wir werden Gegenwind erleben, das wird kommen. Aber lasst uns zusammenstehen im Gebet. Lasst uns verwurzelt sein und einmütig kämpfen für die Wahrheit des Evangeliums. Es lohnt sich. Das, was die Gemeinde im Gegenwind braucht, ist Zusammenhalt und Mut.
Der letzte Punkt, den Paulus in diesem Text anspricht, ordnet das Leiden richtig ein. Er sagt: Ordnet den Gegenwind richtig ein! Was meint er damit? Lassen Sie uns noch einmal die Verse 28 bis 30 lesen:
„An all dem zeigt sich, dass sie verloren gehen und ihr gerettet werdet. So ist es von Gott selbst gefügt. Er hat euch die Gnade erwiesen, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für Christus zu leiden. Ja, ihr habt jetzt denselben Kampf zu bestehen wie ich, den Kampf, den ihr miterlebt habt, als ich bei euch war und in dem ich, wie ihr gehört habt, immer noch stehe.“
Paulus sagt, wenn man Gegenwind bekommt – oder er geht davon aus, dass die Philipper sich automatisch die Frage stellen: Machen wir etwas falsch? Ja, wir erleben jetzt diese heftige Situation, wir stehen unter Beschuss, machen wir etwas falsch?
Vielleicht stellst auch du dir ab und zu die Frage, wenn Arbeitskollegen sich über dich lustig machen: Mache ich etwas falsch? Ich bin hier der Buhmann geworden auf der Arbeit. Gegenwind kann uns verunsichern, und deswegen will Paulus den Philippern helfen, den Gegenwind richtig einzuordnen.
Gegenwind, sagt Paulus, muss euch nicht verunsichern. Im Gegenteil: Gegenwind schafft Klarheit. Worüber schafft Gegenwind Klarheit? Da heißt es: „An all dem zeigt sich, dass sie, also die euch anfeinden, verloren gehen und ihr gerettet werdet. So ist es von Gott selbst gefügt.“
Das heißt, wenn ein Christ Anfeindung erfährt – und ich möchte es persönlich machen – wenn du Gegenwind erlebst, dann musst du dich nicht hinterfragen: Mache ich alles richtig? Sondern es ist eine Bestätigung für dich, dass du alles richtig machst, wenn du für Christus leidest. Das ist das, was Paulus hier deutlich machen möchte: Ihr liegt goldrichtig.
Dasselbe finden wir auch im 1. Thessalonicher 3, Verse 2 und 3:
„Und wir sandten Timotheus, unseren Bruder und Mitarbeiter Gottes, in dem Evangelium des Christus, um euch zu stärken und zu trösten eures Glaubens wegen, dass niemand wankend werde in diesen Bedrängnissen, denn ihr selbst wisst, dass ihr dazu bestimmt seid.“
Paulus sagt, es ist eigentlich der Normalfall, dass man als Christ Bedrängnisse erlebt, dass man Widerstand erfährt, dass man Gegenwind bekommt. Er sagt, wenn das eintritt, ist das sogar ein Zeichen, dass ihr wirklich zu Christus gehört, weil ihr das Kreuz tragt. Das ist der Punkt.
Aber das Gegenteil ist auch wahr: Wer Christen verfolgt, der ist kein echter wiedergeborener Christ. Denn ein echter wiedergeborener Christ wird Christen nicht verfolgen. Deshalb sagt Paulus: Gegenwind hat etwas Gutes, er schafft Klarheit und trennt die Spreu vom Weizen. Wer mitten im Gegenwind an Christus festhält, beweist damit, dass er wirklich wiedergeboren ist. Das sind Früchte einer echten Wiedergeburt.
Damit möchte Paulus den Philippern Mut und Sicherheit geben.
Vor einiger Zeit kam eine junge Frau zu mir, eine junge Mutter. Sie erzählte, wie sie auf der Arbeit fertiggemacht wird. Ja, das erfährt man auch in Deutschland für den Glauben. Ihr kamen die Tränen in die Augen, sie hat wirklich darunter gelitten. Die Arbeitskollegen haben sie fertiggemacht – das ist wahrscheinlich noch verharmlosend gesagt. Ihr fällt es so schwer, und sie weint und fragt: „Wieso sind alle gegen mich? Was mache ich falsch?“
Ich musste überlegen und konnte ihr dann sagen: Weißt du was? Du machst überhaupt nichts falsch. Du machst alles richtig. Und deswegen erfährst du das. Aber das ist eine Bestätigung für dich, dass du goldrichtig liegst.
Wir müssen uns doch eher die Frage stellen: Wenn wir nie Anfeindung erfahren, wenn wir nie Gegenwind bekommen, kann es sein, dass wir dann nur ein Fähnchen im Wind sind? Wenn du ein Fähnchen im Wind bist, hast du nie Gegenwind. Du richtest dich immer nach dem Wind. Versteht ihr?
Es gibt Christen, die reden allen nur zum Munde. Ich will nicht so jemand sein, und ich denke, ihr auch nicht. Und das ist die logische Folge: Wir werden auch mal Gegenwind bekommen.
Christus sagt: „Sie haben mich verfolgt, sie werden euch verfolgen.“ Er geht sogar noch weiter und sagt: „Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.“ Eine Frage an uns alle: Was machen Wölfe mit Schafen? Christus sagt, er sendet uns wie Schafe unter die Wölfe.
Ihr Lieben, wenn wir Gegenwind erfahren, ist das ein Zeichen dafür, dass alles richtig läuft – auch wenn es schwer ist. Aber wir wissen: Wir dürfen für Christus leiden.
Kann es sein, dass wir oft nicht mehr Gegenwind erfahren, weil wir als Christen nicht mehr konsequent nachfolgen? Das ist ja auch ein Thema dieser Abende: konsequente Nachfolge.
Wenn ich die Apostelgeschichte lese, habe ich den Eindruck, dass die erste Gemeinde viel Widerstand erfahren hat. Die Jünger, nehmen wir mal Petrus und Johannes, haben so viel Widerstand erlebt, weil sie so sehr für Jesus gebrannt haben, dass sie von der Gesellschaft als gefährlich angesehen wurden. Nicht gefährlich, weil sie gewaltbereit waren, sondern weil sie den Glauben mit so großer Überzeugung gelebt haben, dass man sagte: Das passt nicht in das politische System. Sie sind gefährlich, diese Christen, weil sie sich so rasch ausbreiten und so konsequent leben.
Ich glaube, wir heutzutage sind nicht mehr gefährlich, wir sind nur noch nett. Und ich möchte in diesem positiven Sinn in den Augen der Welt wieder gefährlich sein, weil ich für den Glauben brenne. Das möchte ich, dahin möchte ich kommen. Und dann werden wir Gegenwind erfahren, wie die Christen in der Apostelgeschichte. Das Gleiche wird eintreten.
Paulus erwähnt hier auch noch einmal einen sehr seelsorgerlichen Ansatz. Er möchte die Philipper ermutigen und begründet in Vers 29, dass das Leiden für einen Christen eigentlich immer eine Bestätigung und sogar ein Vorrecht ist:
„Er hat euch die Gnade erwiesen, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für Christus zu leiden.“
Das ist eine ziemlich starke Aussage. Vielleicht sitzt du heute hier und leidest gerade. Wir müssen diese Aussage richtig verstehen.
Einmal müssen wir uns vergegenwärtigen: Hier geht es wirklich um Leiden für Christus. Auch die Elberfelder Bibel macht das sehr deutlich. Im Elberfelder Text heißt es:
„Denn euch ist es im Blick auf Christus geschenkt worden, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden.“
Der Text sagt: Leiden ist ein Geschenk.
Da muss man vorsichtig sein, dass man nicht unsensibel damit umgeht. Ich war gestern auf einer Beerdigung – eine italienische Schwester aus unserer Gemeinde, ihr Vater ist verstorben. Man weiß nicht, ob er Christ war. Es war eine sehr traurige Beerdigung, das Wetter, der Regen, passte dazu. Es war einfach bedrückend.
Es gibt ja auch schöne Beerdigungen, bei denen man Hoffnung hat, zum Beispiel bei einer 87-jährigen Schwester, die lange mit dem Herrn gelebt und treu gewesen ist. Gestern war es nicht so.
Da muss man vorsichtig sein. In so einer Situation geht man ja nicht auf die Leidenden zu und klopft ihnen auf die Schulter mit den Worten: „Hey, Leiden ist ein Geschenk.“ So nicht.
Aber wie ist das hier zu verstehen, wenn Paulus sagt: „Es ist euch geschenkt worden, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden“?
Ich finde, diese Aussage kann man besser verstehen, wenn man sich zunächst einmal vergegenwärtigt, wer diese Aussage macht: Paulus.
Ich habe heute noch in meiner stillen Zeit den 2. Korintherbrief Kapitel 11 gelesen, die große Leidensliste von Paulus. Was hat dieser Mann für Christus gelitten!
Wenn dieser Paulus, der es selbst erlebt hat – wir würden wahrscheinlich seine Narben von der Steinigung sehen –, wenn dieser Mann schreibt, dass es ein Geschenk ist, für Christus zu leiden, weil wir für das Evangelium einstehen, dann hilft uns das, das besser einzuordnen.
Aber was genau ist daran das Geschenk? Vielleicht stellst du dir jetzt die Frage: Was ist am Leiden das Geschenk?
Die Bibel sagt einiges dazu. Ich möchte hier einige Punkte kurz erwähnen. Es ist ja ein sehr großes Thema.
Römer 5 sagt: Leiden verstärkt unsere Hoffnung. Im Leiden schauen wir mehr nach oben. Wir freuen uns wieder mehr über den Himmel, wenn wir im Leid stehen. Leiden verstärkt also die Hoffnung – das ist etwas Gutes, dass die Hoffnung gestärkt wird. Es verstärkt unsere Ewigkeitsperspektive.
Jakobus 1 sagt: Leiden festigt unseren Glauben. Leiden hat das Potenzial – nicht automatisch, aber es hat das Potenzial –, uns im Glauben stärker zu machen.
In Lukas 6 sagt Jesus, dass diejenigen, die für Christus leiden, besonders belohnt werden.
Das sind einige Bibelstellen dazu.
Die Frage, die uns jetzt beschäftigt, ist: Was meint Paulus hier, wenn er in Philipper 1 sagt, es sei ein Geschenk, für Christus zu leiden?
Ich denke, im Philipperbrief geht es um folgenden Ansatz: Der, der gerade im Leid steckt, verspürt eine besondere Nähe zu Christus.
Schauen wir mal, da heißt es in Philipper 3, Vers 10:
„Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden.“
Ich finde es interessant, dass Paulus am Ende seines Lebens sagt: Ich möchte Christus erkennen. Er sagt, ich möchte Christus immer mehr kennenlernen. Ich will mich nie zufrieden geben mit dem Stand im Glauben, den ich jetzt habe. Ich möchte immer näher zu Christus.
Ist das auch dein Wunsch, dass du immer näher zu Christus willst?
Paulus sagt, das geht aber einher mit Leiden, mit der Gemeinschaft seiner Leiden, damit ich ihm auch im Leiden immer ähnlicher werde.
Christus hat gelitten, und so möchte auch ich leiden, sagt Paulus. Nicht einfach nur wegen des Leidens willen.
Christen sind keine Leidsuchenden – das möchte ich klarstellen.
Aber Christen sehen im Leid auch eine Möglichkeit, eine immer engere Beziehung zu Christus zu haben. Das ist das, was Paulus hier sagt.
Wenn du schon einmal durch Leid gegangen bist, dann weißt du, wovon ich spreche: Gerade Leidenszeiten für Christus sind Zeiten, in denen wir ihm ganz besonders nah sind.
Am Ende, rückblickend auf diese Leidenszeit, sagen wir: Ich möchte nicht noch einmal durch diese Zeit gehen, aber ich möchte diese Zeit auch nicht missen. Diese Nähe zum Herrn! Was hat der Herr mich in dieser Zeit geformt, in seiner Gegenwart.
Paulus sagt deshalb, es ist ein Geschenk, für Christus zu leiden, weil du durch Leid, durch Anfechtungen, eine enge Beziehung erlebst, die du sonst nicht hast.
Nik Ripken hat das Buch „Gottes unfassbare Wege“ geschrieben – ein Buch, das ich euch allen wärmstens empfehle. Er war selbst als Missionar in Somalia, hat viel Verfolgung erlebt und daraufhin viele Christen in China und der ehemaligen Sowjetunion besucht und interviewt. Er sprach mit verfolgten Christen.
Sein Fazit – und das schreibt er gemeinsam mit seiner Frau Ruth – lautet: Uns ist kein einziger geistlich reifer Christ begegnet, der verfolgt wurde und der uns gebeten hätte, für ein Ende der Verfolgung zu beten.
Das machen wir häufig, und ich denke, es ist nicht verkehrt, wenn wir für unsere verfolgten Geschwister beten und sagen: Herr, bitte lass die Verfolgung zu einem Ende kommen.
Interessanterweise beten die verfolgten Geschwister aber nicht dafür, dass die Verfolgung endet. Stattdessen bitten verfolgte Christen uns regelmäßig um Gebet dafür, dass sie in ihrer Verfolgung und in ihrem Leiden treu und gehorsam bleiben.
Das ist eine radikal andere Perspektive.
Ich glaube, die verfolgten Christen beten nicht für das Ende der Verfolgung, weil sie wissen, dass sie in dieser Situation eine so nahe und erfüllende Beziehung zu ihrem Herrn haben – eine Freude, einen Frieden, der menschlichen Verstand übersteigt –, dass sie das nicht mehr missen wollen. Es geht ihnen nicht um persönliches Glück, sondern um Christus und die Nähe zu ihm.
Ich möchte uns ermutigen, mehr und mehr dahin zu kommen.
Aber bist du bereit, das zu beten: „Herr, wenn es widrige, wenn es schwere Umstände in meinem Leben braucht, damit ich dich näher kennenlerne, damit ich eine noch engere Beziehung zu dir bekomme, bin ich bereit, das in Kauf zu nehmen, wenn ich nur dich habe“?
Das ist ein schweres Gebet.
Ich weiß, wie ich damals gelebt habe, als ich die Tumorverdachtsdiagnose hatte. Ist es vielleicht etwas Bösartiges in meiner Lunge oder nicht? Ich habe lange darum gerungen: Soll ich immer nur beten: „Herr, lass es gutartig sein“ oder sollte ich vielleicht auch mal beten: „Herr, dein Wille geschehe! Dein Wille geschehe!“?
Es war schwer, ich habe lange gerungen.
Irgendwann bin ich zu dem Ergebnis gekommen, Gott zu sagen: Herr, wenn mich eine Krankheit näher zu dir bringt, bin ich bereit, sie anzunehmen.
Natürlich habe ich jetzt gut reden, rückblickend ist alles gut gelaufen.
Aber ich möchte uns einladen, mit Paulus dieses Gebet zu beten: Herr, ich möchte dich immer mehr erkennen. Und wenn du Leid, wenn du Anfeindung in meinem Leben dazu gebrauchen willst, dann tu es, denn die Nähe zu dir will ich haben.
Paulus liest dann mit einer seelsorgerlichen Note in Vers 30 und sagt:
„Ja, ihr habt jetzt denselben Kampf zu bestehen wie ich, den Kampf, den ihr miterlebt habt, als ich bei euch war und in dem ich, wie ihr gehört habt, immer noch stehe.“
Es ist so ermutigend für die Philipper zu sehen: Paulus geht auch durch dieses Leid. Sie gehen gemeinsam durch dieses Leid.
Geteiltes Leid ist halbes Leid, vor allem wenn jemand genau dasselbe durchmacht wie du. Mit so jemandem kann man sich verbinden.
Paulus sagt: Das ist bei uns der Fall. Lasst uns gemeinsam im Gegenwind stark sein.
Ich möchte abschließend noch einmal zusammenfassen: Gemeinde im Gegenwind – worauf kommt es an, wenn wir Gegenwind erfahren? Und er wird kommen.
Paulus sagt: Erstens, lebt, was ihr seid. Zweitens, haltet zusammen und seid mutig. Drittens, ordnet das Leiden richtig ein.
Für einen Christen ist es eine Bestätigung und auch ein Geschenk, wenn er für Christus leiden darf.
Zum Abschluss dieses ersten Vortrags möchte ich gerne für uns beten, dass Gott uns hilft, genau das zu leben, wenn der Gegenwind kommt. Amen.
Lass uns dazu aufstehen.