Hanil Hirn von unterwegs
Ich traf heute an einem wunderstrahlenden Sonntag, an dem 31 Grad prognostiziert waren, vier ältere Menschen. Sie kamen extra aus Australien nach Europa, um die Alpen zu sehen und die großen Städte der Reformation zu besuchen.
Von der Reformation erwähnten sie nichts. Wohl aber sprachen sie von ihrem ästhetischen Interesse: schönes Wetter, gutes Essen, etwas, das lieblich anzusehen ist. Sie fühlen sich vom Ästhetischen angezogen, von der Formvollendung und von schöner Tradition.
Ich versuchte ihnen klarzumachen, dass sie nach Europa gekommen waren – einem Europa, das müde ist, dekadent, verwöhnt und selbstvergessen. Vor allem ist es dabei, sich von seiner eigenen Tradition zu entledigen. Damit meine ich die Tradition im besten Sinne, nämlich das christliche Erbe.
Wie ich in einem Beitrag geschrieben habe, sägen sie an dem Ast, auf dem sie sitzen. Sie vergiften die Wurzel des Baumes, von dem sie sich nähren. Das ist die Tragik der westlichen Touristik: Man will zwar noch die Ästhetik sehen und genießen, sich verwöhnen lassen.
Philippe III und auch Titus warnen uns davor, dass unser Gott nicht unser Bauch wird. Es gibt Götzengeld, es gibt Götzeessen und es gibt auch Götzeästhetik. Es geht darum, die eigenen Gefühle im Moment zu befriedigen – und dies als Flucht vor den Inhalten.
Es ist die Stadt der Reformation, versuchte ich diesen Australiern klarzumachen. Es geht um ein inhaltliches Erbe, ein Erbe, das wir aufgegeben haben. Und wir werden sehr darunter leiden, dieses Erbe aufgegeben zu haben.
Römer 1 sagt, dass Menschen, denen Gott dem eigenen Vergnügen überlassen hat, bereits unter dem Gericht Gottes leiden. Ich habe es verschiedentlich betont: Der Freipass ist bereits die Strafe. Dem eigenen Lüsten und den eigenen Vergnügen überlassen zu sein, ist bereits die Strafe in sich.
So war ich bestürzt und gleichzeitig beschämt, dass Australier nach Europa kommen, um die schönen Alpen zu sehen, die schönen Städte mit australischem Wetter über dreißig Grad zu erleben und sich kulinarisch verwöhnen zu lassen – und das Ganze in vierundzwanzig Stunden. Es geht jedoch nur noch um die Form, nur um das eigene Vergnügen.
Alles hat sich vor dem Tribunal der eigenen Gefühle zu verantworten, dem Wohlbefinden im Moment. Es ist ein Weg der Todesverdrängung. Ja, dieser Tod wartet auf diese Menschen, die schon in fortgeschrittenem Alter sind.
Sie wollen sich jeden Tag etwas Gutes tun. Sie gehören zu der Generation, die sehr viel Vermögen angesammelt hat – so viel Vermögen wie kaum eine Generation zuvor. Sie gehören zu den Babyboomern, zu den Nachkriegsgenerationen, die sich alles leisten konnten und jetzt im Alter das möglichst noch auskosten möchten. Sie wollen sich das Leben verlängern und nicht wahrhaben, dass das Leben schnell dahinfließt.
Untergründig sind sie jedoch, genau wie ich, an das Gesetz Gottes gebunden. Diesem Gesetz ist nichts zu entkommen.
Wir wissen das durch unser Gewissen. In uns gibt es eine Instanz, die uns sagt, wie es sein sollte. Gleichzeitig zeigt uns diese Spannung, dass es noch nicht so ist, wie es sein sollte.
Aus ganzem Herzen wünsche ich mir daher, dass wir nicht nur die Form Europas bewahren. Es soll nicht nur die Ästhetik bewundert werden, sondern wir sollen hinter dieser Ästhetik auch den erkennen, der sie geschaffen hat.
Genesis 2 sagt ganz klar, dass Gott Bäume schuf, die lieblich anzusehen waren. Er ist der Begründer der Ästhetik. Wer Ästhetik, Formvollendung, Schönheit und Kunst nicht auf ihn ausgerichtet sieht, hat bereits einem Götzendienst verfallen.
Der Mensch hat sich als Ersatznorm hingestellt und bestimmt als stellvertretender Gott seine eigene Form der Ästhetik. Auch in der Touristik geht es darum, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Eigentlich sollte jedoch gerade diese Schönheit – ob es nun die Alpen sind, die schönen Zürcher Städte oder die Baukunst des Mittelalters – uns hinweisen auf den, der diese Ästhetik geschaffen hat. Nämlich auf den transzendenten Dreieinigengott. Soviel als Wort zum Sonntag.