Der Europaabgeordnete Lange hat sich in Florenz das Leben genommen. Er war ein engagierter Mann aus Südtirol, der sich sehr eingesetzt hat, zum Beispiel für die Flüchtlinge in Jugoslawien.
Er hat die Flüchtlingslager persönlich besucht und erst vor wenigen Wochen ein viel beachtetes Zehn-Punkte-Programm zum Zusammenleben der Völker vorgelegt.
In seinem Abschiedsbrief schreibt der Politiker: „Ich gehe weg als Verzweifelter, der nicht mehr kann. Seid nicht traurig, macht weiter, was gut war.“
Hier hat jemand die Wirklichkeit dieser Welt nicht mehr ausgehalten.
Die bedrückende Realität der Welt und ihre Herausforderungen
Und diese Wirklichkeit zeigt sich nicht nur im ehemaligen Jugoslawien. Die UNO hat veröffentlicht, dass seit 1945 insgesamt 189 Kriege und Bürgerkriege geführt wurden.
In einem anderen UNO-Bericht über die Situation der Kinder heißt es: Früher wurden Kriege von Armeen geführt. In den Kriegen des letzten Jahrzehnts starben jedoch mehr Kinder als Soldaten.
Wenn wir von der fernen Weltpolitik in die nahe Gesellschaft blicken, sieht es nicht besser aus. Lehrer klagen über eine wachsende Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen. Die Familien brechen auseinander. Es gibt große Probleme mit Drogen – auch hier bei uns in Osnabrück. Osnabrück ist ein wichtiger Umschlagplatz für Heroin und andere Drogen geworden.
Der Normalbürger bereichert sich, so gut er kann. Ein Zeitkritiker sagt, Betrug sei so alltäglich, dass der Ehrliche sich fragen müsse, ob er nicht der Dumme sei. Wer mit offenen Augen in diese Welt sieht und nicht total abgestumpft ist, den kann manchmal das kalte Entsetzen packen.
Die christliche Haltung zur Welt: Herausforderung und Auftrag
Wie gehen Christen mit dieser Welt um? Was sollen sie tun? Sollen sie sich zurückziehen? Sollen sie sich ständig beklagen und sagen: „Ach, wie schlimm ist das alles“? Wie sollen Christen sich in dieser Welt verhalten?
In unserer Predigtreihe kommen wir heute genau an die Stelle, an der Jesus uns eine klare Antwort gibt. Wie soll ein Christ sich in dieser Welt verhalten?
In den Versen 3 bis 12 hat Jesus den neuen Charakter beschrieben, in den seine Leute Schritt für Schritt hineinwachsen. Wir haben ausführlich darüber gesprochen. Zuvor hat Jesus dieses ganz andere Leben gezeigt, das Christen bekommen können. Immer wieder hat er deutlich gemacht, welches Vorrecht es ist, als Christ leben zu dürfen, sein Leben bei Jesus festzumachen.
Jetzt, in den Versen, die Sie vor sich haben, beschreibt Jesus die Verantwortung, die sich aus diesem Vorrecht ergibt. Welche Verantwortung hat der Christ für diese Welt? Was ist unsere Aufgabe? Was ist unsere Funktion auf dieser Erde?
Wir werden sehen: Diese Aufgabe lässt sich mit zwei Worten zusammenfassen. Christen wirken. Das heißt, Christen – und zwar alle Christen – sollen in dieser Welt Einfluss ausüben.
Aber wie kann das geschehen? Jesus sagt: „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.“
Der Gegensatz zwischen Christ und Welt als Grundlage christlichen Wirkens
Das Erste, worauf Jesus uns hier aufmerksam macht, ist der Gegensatz zwischen Christ und Welt. Jesus sagt: „Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.“ Damit klärt Jesus die Voraussetzung, unter der seine Leute in dieser Welt auftreten. Er beschreibt gewissermaßen das Arbeitsfeld, auf dem wir uns bewähren sollen.
Dabei wird deutlich: Zwischen dem Menschen, der zu Jesus Christus gehört, und dieser Welt besteht ein schreiender Gegensatz, eine riesige Kluft. Mit „Welt“ meint Jesus die Menschen, die nicht unter seiner Herrschaft leben und nicht zu seinem Reich gehören – eine große Kluft.
Warum? Salz hatte damals vor allem eine Aufgabe: Salz sollte konservieren. Damals gab es ja noch keine Kühlschränke, und Salz war das entscheidende Mittel gegen Fäulnis und Verrottung. Bis heute hält sich gepökeltes Fleisch bekanntermaßen länger als nicht gepökeltes. Salz verlängert also die Haltbarkeit von Speisen.
Wenn Jesus nun sagt, die Christen sind das Salz, dann heißt das für die Welt: Sie ist dabei zu verrotten und zu verfaulen.
Auch Licht hat eine bestimmte Wirkung. Es soll die Dunkelheit aufhellen und Orientierung vermitteln, mitten in der Finsternis. Wenn Jesus die Christen als das Licht der Welt bezeichnet, dann heißt das für die Welt: Sie ist finster und muss dringend erleuchtet werden.
Die Christen auf der einen Seite, die Welt auf der anderen – das Salz auf der einen Seite, die Fäulnis auf der anderen, das Licht auf der einen Seite, die Finsternis auf der anderen – ein schreiender Gegensatz.
Dieser Gegensatz wird noch schärfer, wenn Jesus sagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Das heißt: nur ihr. Das „Ihr“ ist ganz hervorgehoben, in der Grammatik nennt man das emphatisch. Es ist deutlich herausgestrichen: Ihr allein seid das Licht der Welt.
Wenn das wahr ist, was Jesus hier sagt, dann denken wir Christen meistens viel zu gut von der Welt und viel zu schlecht von uns selbst. Wenn das wahr ist, was Jesus hier sagt, dann denken wir oft viel zu gut von der Welt – „Ach, so schlimm ist sie ja gar nicht“ – und viel zu schlecht von uns selbst – „So anders sind wir ja gar nicht.“
Aber Jesus spricht von einem schreienden Gegensatz.
Nun taucht natürlich gleich die Frage auf: Ist das nicht anmaßend? Sollten wir nicht besser sagen, wir bemühen uns, Salz zu sein, wir versuchen, so gut es geht, ein wenig Licht in diese Welt zu bringen?
Nein, Jesus spricht hier nicht von einer Forderung, sondern von einer Tatsache: „Ihr seid das Salz“, das ist kein Befehl, sondern eine Feststellung. „Ihr seid das Licht der Erde.“
Die Quelle des Lichts: Jesus als Grundlage christlicher Identität
Wie kommen wir zu dieser Ehre? Wodurch haben wir diese hervorgehobene Position? Bestimmt nicht, weil wir bessere Menschen wären – das ganz bestimmt nicht. Nein, Jesus hat die Antwort einmal deutlich gegeben. Er sagte: „Ich bin das Licht der Welt.“
Also ist das eigentliche Licht Jesus selbst. Er ist Gott in Person, sündlos und die Wahrheit. Jesus selbst. Und was ist ein Christ? Ein Christ ist ein Mensch, der in einer persönlichen Verbindung zu Jesus steht.
Das ist ein Christ: Er betet zu Jesus, er bekommt von Jesus Wegweisung durch sein Wort, er vertraut ihm und gehorcht ihm. Ein Christ steht in einer verbindlichen Beziehung zu Jesus. Das gehört auch zu den großen Geheimnissen, die wir selbst letztlich nicht vollständig erklären können: diese persönliche Lebensverbindung mit Jesus.
Er ist nicht nur unser Vorbild, nein, er ist da. Wir wissen das, auch wenn wir ihn nicht mit unseren Augen sehen. Jesus ist das Licht, und wer nun mit Jesus verbunden ist, ist angeschlossen an dieses Licht, an diese Lichtquelle Jesus.
Deswegen kann Jesus zu seinen Leuten sagen: „Ihr seid auch das Licht der Welt“, weil ihr an mir hängt und zu mir gehört. Paulus hat das einmal geschrieben an Leute, die kurz vorher Christen geworden waren. In Epheser 5 sagt er: „Ihr wart früher Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn.“
Das heißt: Jetzt seid ihr Licht, weil ihr an Jesus gebunden seid und zu ihm gehört. Und das ist der einzige Grund für die neue Qualität der Christen. Der einzige Grund. Wir sind nicht deshalb Licht, weil wir bessere Fähigkeiten hätten, weil wir einen natürlichen guten Charakter haben oder weil wir einen guten Willen mitbringen. Nein, nicht deswegen.
Wir sind Licht der Welt, weil Jesus in uns lebt, weil er uns festhält und weil wir zu ihm gehören. Und vorher? Vorher sagt Paulus, da wart ihr auch Finsternis. Nun aber seid ihr Kinder des Lichts.
Damit entsteht plötzlich dieser schreiende Gegensatz zwischen Christ und Welt, weil die Welt immer noch in der Finsternis ist. Denn jeder, der nicht zu Christus gehört, ist Finsternis – egal wie anständig oder unanständig er sein mag. Egal, wie wohltätig oder egoistisch er sich sonst verhält, ganz gleich, ob er menschenfreundlich oder menschenverachtend ist.
Jeder, der nicht zu Christus gehört, ist Finsternis, weil er nicht versöhnt ist mit dem lebendigen Gott. Ein schreiender Gegensatz: „Ihr seid das Licht der Welt“, sagt Jesus, „die Welt ist Finsternis.“
Die veränderte Weltsicht im Vergleich zu früheren Zeiten
Und nun muss ich sagen: Es ist heute, im Jahr 1995, viel leichter, über diesen Text zu predigen als etwa vor hundert Jahren, im Jahr 1895. Damals herrschte ein großer Zukunftsoptimismus. Die führenden Denker jener Zeit vertraten die Auffassung, dass Kriege bald nur noch aus den Geschichtsbüchern bekannt sein würden. Die Erziehung und Bildung der Menschheit würden sie so weit kultivieren, dass bald ein harmonisches Friedensreich entsteht.
Das haben sie wirklich geglaubt vor hundert Jahren, und es waren nicht die Dümmsten, die das dachten. Heute glaubt es kaum noch jemand. Das Wissen der Menschen hat sich angehäuft, die technischen Möglichkeiten sind größer geworden, aber der Mensch ist derselbe geblieben. Er kann heute nur mehr Unheil anrichten als früher, weil er mehr Machtmittel dazu hat.
Wir gehen vom Verbrechen zum größeren Verbrechen, und die Missachtung von Gottes Geboten zeigt sich immer frecher und selbstverständlicher.
Nehmen Sie das Beispiel der Abtreibungspraxis in unserem Land. Nicht nur in Kriegen bringt man Kinder um. In unserer Gesellschaft werden vor allem diejenigen angegriffen, zum Beispiel in Talkshows, die sagen, das Leben des Kindes im Mutterleib sei genauso unantastbar wie das Leben des Kindes in der Wiege. Wer das sagt, gilt bei vielen als unmenschlich, als frauenfeindlich und sogar als Gefahr für die Demokratie.
Wo sind wir gelandet?
Oder nehmen Sie das andere Beispiel, das in letzter Zeit immer stärker nach vorne gepusht wird: die praktizierte Homosexualität. Eine große Zigarettenfirma machte vor einiger Zeit Werbung mit folgendem Plakat. Unter anderem hing dieses in Hannover: eine Hochzeitsgesellschaft, im Hintergrund ein Pastor im Talar, der sich offensichtlich freut. Ganz vorne sieht man das Brautpaar – zwei Männer, die sich gerade küssen.
Das ist also möglich in unserer Gesellschaft: dass Homosexualität in dieser Weise offen propagiert wird, nicht nur in der Werbung, auch in Unterhaltungsfilmen, schon im Vorabendprogramm.
Ja, mehr noch: Wer es wagt, jetzt auf Gottes Gebote hinzuweisen und zu sagen, wir haben ja nichts gegen die Homosexuellen, aber nach dem Willen Gottes – und Gott kann einen Homosexuellen auch von dieser Neigung befreien –, wer das sagt, der wird niedergeschrien, lächerlich gemacht oder als Fundamentalist in die Ecke gestellt.
Die Lage hat sich zugespitzt. Früher sagte man: Gottes Maßstäbe sind veraltet. Heute sagen viele: Gottes Maßstäbe sind menschenverachtend. Was Gott über die Homosexualität sagt, gilt als menschenverachtend.
Die Fäulnis und Finsternis dieser Welt werden immer greifbarer.
Die Ursache der Weltprobleme und Gottes Diagnose
Genau diese Entwicklung hat die Bibel vorhergesagt, und sie hat uns auch die Ursache dafür genannt. Die Menschheit ist infiziert mit dem Virus der Sünde, das sagt die Bibel sehr deutlich. Daran kann keine gentechnische Manipulation etwas ändern, weil die Gentechnik nicht an unser Herz herankommt. Nur Gott kann den Virus heilen.
Aber den will die Welt nicht. So breitet sich das Geschwür der Dunkelheit immer weiter aus, unaufhörlich. Das ist Gottes schonungslose Diagnose. Doch es ist nicht Gottes letztes Wort.
Der schreiende Gegensatz führt jetzt nicht dazu, dass Jesus sagt: „Weil die Welt so ist, wie sie ist, zieht euch zurück ins Kloster, lasst die Finger von dieser dreckigen Welt, schottet euch ab.“ Das sagt Jesus nicht.
Sondern er sagt: Weil die Welt so verfault und verfinstert ist, braucht sie euer Salz, braucht sie euer Licht. Diese Welt, sagt Jesus, diese kaputte Welt, mache ich euch zur Aufgabe, die lege ich euch ans Herz.
Ihr seid das Salz, und das Salz soll nicht vakuumverpackt bleiben, sondern es soll rein in die Fäulnis der Welt. Ihr seid das Licht, und das Licht soll nicht einfach fröhlich vor sich hin leuchten, sondern es soll draufhalten auf die Dunkelheit.
Die Gefahr des Wirkungsverlusts und die Warnung vor Anpassung
Aber Jesus kennt uns. Er weiß, dass wir Christen in großer Gefahr stehen. Er weiß, wie leicht es passieren kann, dass wir kraftlos werden und wirkungslos in dieser Welt. Darum warnt er uns und weist uns auf eine heimtückische Gefahr hin.
Diese Gefahr ist das Zweifeln und die Anpassung. Jesus beschreibt sie ausführlich in diesen Sätzen. Er fragt: Was passiert, wenn das Salz plötzlich seine Wirkkraft verliert? Welche Folgen hat das? Die Gefahr besteht darin, dass man das Salz nicht mehr schmeckt, dass man das Licht nicht mehr sieht und dass man die Christen als solche nicht mehr erkennt.
Für die Wirkung der Christen in der Welt ist es ganz wichtig, dass wir erkennbar sind. Salz muss man schmecken können, Licht soll man sehen können, sonst ist es sinnlos. Genau dort lauert die heimtückische Gefahr für jeden Christen, weil wir uns anpassen.
Was sagt Jesus in Vers 13? „Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man dann salzen?“ Chemiker wissen heute, dass echtes Salz seine Salzkraft nicht verlieren kann. Aber in Israel kam das Haushaltssalz oft vom Toten Meer. Dieses Salz war kein reines Salz, sondern vermischt – zum Teil mit Sand, Gips und anderen Mineralien. Je mehr das Salz vermischt war, desto fader wurde es, desto geschmackloser und desto weniger konnte es seine Aufgabe erfüllen.
Hier liegt die heimtückische Gefahr für uns Christen: Wir vermischen uns mit dieser Welt und ihren Maßstäben. Das bedeutet auf Deutsch: Wir machen Kompromisse. Auf der einen Seite stehen Gottes Maßstäbe, auf der anderen Seite die Gesellschaft. Eigentlich wollen wir Gott gehorchen, aber ganz so streng wollen wir dann doch nicht sein. Ein paar kleine Abstriche sind ja nicht so schlimm.
Ich musste daran denken: In der neunten Klasse hatte ich eine Zeit lang schlecht Lateinvokabeln gelernt. Zweimal hintereinander wurde ich bei einem Vokabeltest erwischt, wie ich abgeschrieben habe. Man könnte sagen, ein Kavaliersdelikt. Aber in der Pause fragte mich ein Schulkollege: „Du bist doch Christ. Wie kannst du das eigentlich mit deinem Christsein vereinbaren?“ Er hatte Recht, und ich habe mich geschämt. Es war ein heilsames Erlebnis, weil es mich daran erinnerte: Wir stehen als Christen auf dem Präsentierteller.
Wie schnell kann es passieren, im Großen wie im Kleinen, dass ich Gottes Ansichten, die in der Bibel stehen, mit meinen eigenen Vorstellungen vermische – eine Prise Sand, eine Prise Gips. Nach und nach verliert das Salz seine Kraft. Das hat dramatische Folgen: Wir können nicht mehr in die Welt hineinwirken, weil wir uns nicht mehr von ihr unterscheiden.
Das zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bergpredigt. Christen sind anders als die Welt. Die Kirchengeschichte hat es immer bewiesen: Wenn die Kirche sich deutlich von der Welt unterschied, war sie nicht nur gesünder in sich selbst, sondern auch viel attraktiver, anziehender und interessanter für die Welt. Das gilt bis heute.
Neulich sagte mir jemand, der eher noch zur Welt gehört: „Wenn ich in die Kneipe gehe, trinke ich kein Tee, sondern Bier. Und wenn ich in die Kirche gehe, will ich wirklich ordentlich etwas von Gott hören und nicht irgendein anderes Gerede.“ Recht hat er.
Viele Christen irren, wenn sie denken, je weltlicher wir uns geben und je mehr wir uns anpassen, desto leichter kommen wir an die Leute heran und können auf die Welt einwirken. Das Gegenteil ist wahr.
Deshalb warnt Jesus uns vor dieser heimtückischen Gefahr. Er sagt: Macht keine Kompromisse, passt euch nicht an. Dann bewahrt ihr eure Salzkraft und werdet diese Welt stärker beeinflussen, als ihr euch vorstellen könnt.
Wenn ich einem Drogenabhängigen helfen will, muss ich selbst clean sein. Wenn Christen dieser Welt helfen wollen, dürfen sie sich nicht an ihren Krankheiten infizieren. Das ist die heimtückische Gefahr.
Die Gefahr des Rückzugs und die Aufforderung zur Sichtbarkeit
Und wissen Sie, die Anpassung hat noch einen Bruder. Und der Bruder der Anpassung ist der Rückzug. Diesem Bruder nimmt sich Jesus in Vers 15 an. Dort sagt er, man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter.
Sie müssen sich das so vorstellen: Ein Scheffel war ein Getreidemaß, in das etwa zwölf Liter passten. Es ist wirklich absurd, ein Öllämmchen anzuzünden und dann einen Scheffel darüberzusetzen. Das wäre so, als ob wir eine Kerze anzünden und sie dann in den Mülleimer oder in die Mülltonne stellen würden. Die Mülltonne könnte höchstens explodieren – das wäre die beste Wirkung. Aber es ist absurd, ein Öllämmchen anzuzünden und einen Scheffel darüberzusetzen.
Das ist eine heimtückische Gefahr für uns Christen: dass wir uns zurückziehen. Aber wie schnell passiert das? Auch als Christen sind wir Menschen. Und was wollen wir als Menschen? Wir wollen unsere Ruhe. Als Menschen wollen wir Ehre und Ansehen. Als Menschen wollen wir möglichst keine Außenseiter sein, möglichst ungehindert Karriere machen und möglichst nicht durch unseren Glauben auffallen.
Wissen Sie, in unserem Herzen lauern hundert Gründe, die uns zur Anpassung und zum Rückzug verführen wollen. Darum prüft Jesus – er prüft mich und er prüft Sie mit diesen Versen.
Wir müssen uns heute Morgen fragen: Wie steht es eigentlich mit meiner Erkennbarkeit als Christ gegenüber der Welt? Denn nur so können wir dieser Gefahr begegnen, wenn wir uns von Jesus prüfen lassen. Wo habe ich mich angepasst? Wo habe ich angefangen, Kompromisse zu machen? Wo habe ich mich zurückgezogen?
Was wissen eigentlich meine Nachbarn, meine Kommilitonen und meine Freunde davon, dass ich Christ bin? Jemand hat das mal sehr spitz formuliert und gesagt: Angenommen, man will dir einen Prozess machen und dich wegen deines Christseins verurteilen – gibt es genügend Beweise? Gibt es genügend Beweise?
Hast du genug auf dem Kerbholz, das dich als Christ ausweist? Können sie dir nachsagen, dass du anders bist, dass du nicht bei allem mitgemacht hast? Können sie dir vorwerfen, dass du deinen Mund aufgemacht hast? Mussten sie dein Salz schmecken? Mussten sie dein Licht – und mein Licht – sehen und aushalten?
Seine Prüfung ist hart, aber sie ist heilsam. Denn Jesus sagt: Vergebung ist jederzeit möglich, wenn wir das einsehen, wenn uns klar wird, wie fade unser Leben geworden ist, wie sehr wir uns an die Welt angepasst und uns zurückgezogen haben in unser kleines privates Glück.
Wenn wir das einsehen und zu Jesus gehen und sagen: Herr, ich schäme mich dafür, ich bereue es, vergib mir, lass mich neu anfangen – dann wird er unserem Leben wieder ganz neu die Salzkraft geben und die strahlende Leuchtkraft schenken.
Das Gebot zum Wirken: Würzen und Leuchten
Darum steht am Ende nicht eine Warnung vor der Gefahr, sondern Jesus gibt uns zum Schluss ein weitreichendes Gebot. Zuerst zeigt er den schreienden Gegensatz, dann weist er uns auf die heimtückische Gefahr hin. Zum Schluss gibt er uns das Gebot, das heißt: Würzen und Leuchten.
Im Vers 16 sagt er: „So lasst nun euer Licht leuchten vor den Leuten.“ So selbstverständlich, wie eine Stadt auf einem Berg gesehen werden muss, so selbstverständlich gehört das Licht auf den Leuchter und nicht in die Mülltonne. So sollen auch wir Einfluss ausüben – einen doppelten Einfluss, eine zweifache Wirkung auf diese Welt.
Was sollen wir sein? Zum einen sollen wir würzen wie Salz. Was heißt das praktisch? Wir haben gesehen, dass Salz den Verfall eines Nahrungsmittels verzögert und die Haltbarkeit verlängert. Wenn Christen nun an ihrem Platz das ganz andere Leben führen, zu dem Jesus uns durch die Bergpredigt anleitet, dann verzögern wir den Verfall der Gesellschaft um uns herum. Und schon wenige Körnchen Salz haben große Wirkung.
Eine Familie im ganzen Wohnblock, die zusammen betet – auch für ihre Nachbarn –, eine Familie, die Sonntagmorgen zum Gottesdienst geht, eine Familie, die sich unter der Woche um Rücksicht bemüht – glauben Sie, dass das seine Wirkung verfehlt? Ein Arzt im Krankenhaus, der sagt: „Ich mache keine Abtreibungen, weil ich Christ bin!“ Ein Politiker in der Ratsfraktion, der in der Debatte auf die Gebote Gottes verweist. Ein Mitarbeiter am Fließband, der nicht mitmacht, wenn über Gott gespottet wird, in dessen Tasche keine Pornohefte sind, einer, der sich zu seinem Glauben bekennt. Ein Fußballer in der ganzen Mannschaft, der sagt: „Fußball ist nicht alles.“ Ein Schüler in der ganzen Klasse, ein Student im Seminar, ein Mitglied in einer großen Familie, ein Patient auf einer großen Krankenstation.
Vorgestern besuchte ich einen alten Mann, der erzählte, wie er ganz normal wie immer gebetet hatte. Plötzlich kam der Arzt mit der ganzen Visitentruppe herein und sagte: „Herr Schendel, Sie beten ja! Das habe ich lange nicht gesehen.“ In den nächsten Tagen war es, als ob es den Arzt immer wieder in dieses Krankenzimmer zog, weil er spürte, dass dieser alte, betende Mann einen Einfluss in die Station brachte, den er sonst kaum kannte.
Würzige Salzkristen üben starken Einfluss auf diese Gesellschaft aus, und das kann sich bis in die große Politik hinein zeigen. Sehen Sie: Im achtzehnten Jahrhundert blieb den Engländern eine blutige Revolution wie in Frankreich erspart. In Frankreich gab es ein grauenvolles Gemetzel, in England nicht. Die Geschichtswissenschaftler sind sich ziemlich einig über die Ursache.
Sie sagen, der Grund, dass es in England so unblutig verlief, liegt darin, dass der Evangelist John Wesley und seine Mitarbeiter viele Menschen zum Glauben an Jesus riefen. Er konzentrierte sich darauf, Menschen zur Bekehrung zu führen. Er machte keine Politik direkt, aber er bewirkte erstaunliche Begleiterscheinungen: Die Kriminalitätsrate sank, der Alkoholismus ging zurück. Bis ins Parlament hinein wirkte es sich aus, dass wichtige Gesetze, zum Beispiel gegen die Sklaverei, auf den Weg gebracht wurden.
Diese Salzwirkung entstand dadurch, dass John Wesley und seine Leute predigten, Menschen zum Glauben kamen und als Christen ihrer Bestimmung gemäß lebten. Das ist die indirekte Wirkung der Christen. Wir schaffen kein Friedensreich auf der Erde, nein, das ist uns nirgendwo verheißen. Wir verhindern nicht, dass das Böse ausreift. Das hat Gott gesagt, das wird auf jeden Fall geschehen. Das Böse muss ausreifen, und dann wird Gott es endgültig richten.
Aber Christen behindern und verlangsamen den Vormarsch des Bösen. Ohne diese Salzwirkung der Christen sähe es auch in dieser Stadt Osnabrück schon ganz anders aus. Jesus sucht Salzmenschen, die sich nicht anpassen, sondern gehorchen; die sich nicht zurückziehen, sondern Flagge zeigen.
Die Aufforderung zum Leuchten und die Quelle des Lichts
Aber damit sind unsere Möglichkeiten noch nicht erschöpft. Das weitreichende Gebot von Jesus hat auch noch eine andere Seite: Wir sollen nicht nur würzen, sondern auch leuchten.
Das Salz wirkt eher indirekt und unsichtbar. Das Licht hingegen hat eine direkte, sichtbare Wirkung. Darum fordert Jesus uns zum Schluss nochmals auf: Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen!
Und wir fragen uns gleich: Ist das nicht eine totale Überforderung? Sollen wir Vorzeigechristen sein, mit einem vorzeigbaren Leben? Wer schafft das denn? An welches Licht soll hier geleuchtet werden?
Jesus sagt: Lasst euer Licht leuchten. Wer ist denn unser Licht? Jesus selbst. Er macht uns zu Licht durch die Verbindung mit ihm. Damit ist klar: Wir müssen dieses Licht nicht selbst erzeugen, wir müssen es nur widerspiegeln.
Wir müssen das Licht nicht produzieren, wir müssen es nur reflektieren. Wir müssen gehorsam mit Jesus leben, uns immer wieder von ihm unsere Schuld vergeben und bereinigen lassen. Dann wird sein Licht immer stärker durch uns hindurchscheinen.
Ich will es an einem Beispiel zeigen: Eine Missionarin arbeitet in Tokio, unter anderem auch in einem Viertel, wo es viel Prostitution gibt. Sie besucht eine Prostituierte auf der Tuberkulosestation. Im Zimmer sind mehrere Patientinnen. Sie spricht mit allen.
Da liegt auch eine Buddhistin mit einer großen Buddha-Statue auf ihrem Nachtschrank. Die Missionarin gibt allen ein Johannesevangelium, also einen Teil des Neuen Testaments.
Als sie einige Tage später wiederkommt, sieht sie, wie die Buddhistin ganz intensiv in dem Johannesevangelium liest. Sie ist völlig erstaunt und fragt, wie es dazu gekommen ist.
Dann hört sie die Erklärung: Beim ersten Besuch, als sie die Johannesevangelien mitbrachte, wurde der Missionarin auf der Tuberkulosestation ein Pfirsich angeboten.
Vielleicht haben sie auch überlegt, was sie jetzt machen wird – wird sie sich trauen, wird sie ihn essen oder nicht? Sie hat fröhlich Danke gesagt und den Pfirsich verzehrt.
Das hat die Buddhistin so beeindruckt, dass sie sagte: Wenn die das wagt, dann muss die jemanden kennen, der stärker ist als der Tod und die Furcht vor dem Tod. Und diesen muss ich kennenlernen.
So griff diese Buddhistin zum Johannesevangelium, weil eine Christin fröhlich und furchtlos in den Pfirsich gebissen hatte.
Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen!
Das Ziel guten Wirkens: Menschen zum Glauben führen
Nun behaupten viele, Christen müssten gar nicht so viel reden. Sie sollen Krankenhäuser bauen und Sozialdienste leisten, das reiche schon. Aber das ist hier nicht gemeint. Wir müssen den Satz schon zu Ende lesen, ganz bis zum Schluss.
Da sagt Jesus: Lasst euer Licht leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und die soziale Not etwas gelindert wird. Das sagt er nicht, damit sie eure guten Werke sehen und es auf dieser Welt etwas menschenfreundlicher und harmonischer wird. Sagt er auch nicht, sondern er sagt: damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Das ist das Ziel.
Und was muss geschehen, bis einer dazu kommt, dass er den Vater im Himmel preist? Na logisch, er muss erst mal zum Glauben kommen. Er muss erst mal zum Glauben an Jesus und den Vater im Himmel kommen, dann wird er den Vater preisen, und damit ist die Sache klar.
Jesus sagt, eure guten Werke sollen so beschaffen sein, dass sie anderen Menschen helfen, zum Glauben zu kommen. Darum sind die guten Werke nicht einfach nur gute Taten. Wissen Sie, gute Taten können Nichtchristen auch tun, sondern hier ist gemeint unser ganzes Leben, unsere Worte und unsere Taten.
Unser ganzes Leben soll so von Jesus geprägt sein, dass es Werbung macht für den Glauben an ihn, dass es Mut dazu macht, die Verbindung zu Jesus zu suchen. Unser ganzes Lebenswerk soll ein gutes Werk sein, ein Signal, ein Hinweisschild auf Jesus und den Vater im Himmel. Wie bei der Missionarin, was sie tat: nämlich sie aß den Pfirsich auf der Tuberkulosestation.
Das wurde erklärt durch das, was sie sagte: Ich bin Christ. Und was sie sagte, das wurde erklärt und erläutert und bestätigt durch das, was sie tat. Und genau das will Jesus in ihrem und in meinem Leben bewirken, dass unsere Worte und unsere Taten sich nicht gegenseitig durchstreichen, sondern sich gegenseitig unterstreichen.
Oft macht Gott es so, dass Dinge, die wir ganz selbstverständlich tun, einfach weil wir Gott treu und gehorsam sein wollen, eine große Wirkung haben.
Ein gläubiger Arzt wurde mal gefragt: Sagen Sie mal, wann sind Sie zum ersten Mal darauf gestoßen, dass Jesus wirklich lebt und dass Gott da ist? Er überlegte eine Weile und dann sagte er: Als ich ein kleiner Junge war, hat mein Vater in seinem ganzen Leben nie mehr als vierzig Dollar in der Woche verdient. Aber jeden Sonntagmorgen in der Kirche sah ich, wie er zehn Dollar davon vorsichtig auf den Kollektenteller legte.
Und das hatte dieser Junge begriffen: Wenn mein Vater von seinen vierzig Dollar pro Woche zehn für diesen Gott und seine Gemeinde gibt, dann muss da was dran sein.
Und ich habe mich gefragt: Was sehen deine Kinder an dir? Was sehen Ihre Nachbarn an Ihrem Leben? Wie viel geben wir weiter von dem Licht, das Jesus uns gebracht hat?
Wir haben so viele Möglichkeiten. Wir müssen nicht immer erst warten, bis die Leute kommen und uns fragen. Das Licht scheint auch nicht nur, wenn die Dunkelheit danach fragt, sondern das Licht greift die Dunkelheit an.
Wir haben so viele Möglichkeiten, das Licht leuchten zu lassen. Und wenn wir mit jemandem nicht gleich ins Gespräch kommen, können wir ihm vielleicht mal ein Buch schenken. Wir haben so viele Möglichkeiten.
Sei es, dass wir zu den Nachbarn sagen: Na, Sie haben vielleicht gemerkt, wir sind jeden Sonntagvormittag weg im Gottesdienst. Es ist eigentlich schön da. Wir finden das so schön, dass wir Sie gern einmal einladen würden.
Wir haben so viele Möglichkeiten. Christen sind Lichtträger, Reflektoren. Christen sind Kapillaren, kleine Gefäße, durch die Gottes Licht bis in die letzten Winkel unserer Stadt hineinkommen soll.
Schlussfolgerung: Christen wirken als Salz und Licht in der Welt
Ich komme zum Schluss. Was machen Christen in dieser Welt? Sie wirken. Christen drücken dieser Welt ihren heilsamen Stempel auf.
Wir machen uns keine Illusionen. Wir wissen um den schreienden Gegensatz zwischen Licht und Finsternis, zwischen Christ und Welt, zwischen einem Leben ohne Jesus und einem Leben unter Jesus. Das wissen wir. Wir sind anders – nicht weil wir besser wären, sondern weil wir einen besseren Chef haben, den besten, den es gibt.
Aber wir müssen aufpassen, denn immer noch lauert die heimtückische Gefahr, dass wir uns anpassen und anbiedern oder dass wir uns zurückziehen und zur Ruhe setzen.
Heute, heute Morgen, rüttelt Jesus uns auf mit seinem weitreichenden Gebot: „Würzt und leuchtet“, sagt er. In einer Welt, die verfault, dürfen wir nach Gottes Gebot leben. In einer Gesellschaft, die kaputtgeht, dürfen wir dieser Gesellschaft die Salzkraft Gottes entgegenleben. Das ist unsere indirekte Wirkung.
Und dann das Größte: Wir sollen auch direkt in diese Welt hineinwirken. Wir sollen direkt an diese Welt herangehen und ihr Jesus entgegenleuchten. Wir sollen brennende Fackeln sein für Gottes Wahrheit – erkennbar und eindeutig, verständlich und klar und hell –, damit wir denen in der Dunkelheit heimleuchten können, heim zu Gott.
Und dann werden wir leben – wie jener Leuchtturmwärter an der See, mit dem ich jetzt schließe. Immer wenn dieser Leuchtturmwärter mal weggehen musste, sagte er zu seiner Frau: „Halt die Scheiben sauber und lass das Licht leuchten.“
Dann wurde er schwer krank. Bevor sie ihn ins Krankenhaus abtransportierten, schärfte er es seiner Frau noch einmal ein: „Du, halt die Scheiben sauber und lass das Licht leuchten.“
Als die Frau ihn wie immer im Krankenhaus besuchen wollte, sagte man ihr, dass ihr Mann plötzlich gestorben sei. Sie fragte die Schwester: „Sagen Sie mir, hat er noch irgendwas gesagt? Hat er noch irgendeine Nachricht hinterlassen?“
„Ja“, sagte die Schwester, „es war ganz seltsam, aber als Letztes hat er gesagt: ‚Halt die Scheiben sauber und lass das Licht leuchten.‘“
Solche Menschen sucht Gott. Menschen, die nur eine einzige Sorge haben: dass das Licht von Jesus leuchtet. Warum? Damit noch viele am Ufer von Gottes Ewigkeit ankommen und nicht in der Dunkelheit untergehen.
So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie euer ganzes Leben sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Amen.