Einführung in Psalm 118 und seine Bedeutung
Wir wollen uns heute Abend mit Psalm 118 beschäftigen. Dieser Psalm gehört zu den sogenannten Hallelpsalmen. Diese Psalmen wurden gesungen, wenn die Israeliten nach Jerusalem pilgerten, vor allem während des Passafestes. Psalm 118 ist der letzte dieser Hallelpsalmen.
Es ist anzunehmen, dass dieser Psalm bei der Notiz im Neuen Testament eine Rolle spielt. Dort wird berichtet, wie Jesus mit seinen Jüngern im Obersaal die letzte Nacht verbringt und das Passahfest feiert. Anschließend setzt er das Mahl des Herrn ein. Es heißt, dass sie nach dem Singen eines Lobliedes zum Ölberg hinausgingen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Lied der Psalm 118 war, also das letzte Lied nach dem Passafest.
Daher liegt die Vermutung nahe, dass Jesus diesen Psalm bei dieser Begebenheit gesungen hat. Das ist natürlich eine Mutmaßung, aber wenn man den Inhalt des Psalms liest, kann man sich gut vorstellen, dass Jesus ihn in diesem Moment gesungen hat.
Wir schauen uns zunächst den Psalm so an, wie er dort steht, ohne direkt auf die Bedeutung für Jesus einzugehen. Das machen wir dann im Anschluss. Wenn man solche Psalmen oder andere Texte aus dem Alten Testament betrachtet, die schon sehr früh messianisch gedeutet wurden, erkennt man, dass die Israeliten schon früh erahnten, dass die Person, die in diesem Psalm beschrieben wird, wahrscheinlich der Messias, der Christus, der Gesalbte Gottes ist.
Dennoch hatte der Psalm natürlich auch eine Bedeutung für die Israeliten selbst. Wir wollen uns das nun genauer anschauen.
Ein paar Vorbemerkungen dazu: Der Autor des Psalms ist unbekannt. Es steht, wie bei vielen Psalmen, nicht dabei, wer ihn verfasst hat. Heute würde man „nn“ (no name) darunter schreiben, da weder Dichter noch Komponist bekannt sind.
Ebenso ist unbekannt, von wem in diesem Psalm die Rede ist. Trotzdem wurde der Psalm, wie schon erwähnt, sehr früh messianisch gedeutet. Und wie gesagt, er ist der letzte der sogenannten Hallelpsalmen, die beim Passah gesungen wurden.
Martin Luther sagte einmal: „Es ist mein Psalm, den ich lieb habe.“ Wenn man den Inhalt dieses Psalms betrachtet, stellt man fest, dass der Beter offenbar in großer Bedrängnis war. Dennoch hat er in dieser großen Not die Hilfe Gottes erfahren. Dafür dankt er Gott und fordert fünfmal dazu auf, Gott zu preisen.
Psalm 118 im Wortlaut
Und ich möchte jetzt den Psalm erst einmal vorlesen:
Preist den Herrn, denn er ist gut,
denn seine Gnade währt ewig.
Es sage Israel: Ja, seine Gnade währt ewig.
Es sage das Haus Aaron: Ja, seine Gnade währt ewig.
Es sagen, die den Herrn fürchten: Ja, seine Gnade währt ewig.
Aus der Bedrängnis rief ich zu Gott zu,
ja, er antwortete mir in der Weite.
Der Herr ist für mich, ich werde mich nicht fürchten.
Was könnte ein Mensch mir tun?
Der Herr ist für mich, unter denen, die mir helfen.
Ich werde herabsehen auf meine Hasser.
Es ist besser, sich beim Herrn zu bergen,
als sich auf Menschen zu verlassen.
Es ist besser, sich beim Herrn zu bergen,
als sich auf Edle zu verlassen.
Alle Nationen hatten mich umringt,
im Namen des Herrn wehrte ich sie ab.
Sie hatten mich umringt, ja, mich eingeschlossen,
im Namen des Herrn wehrte ich sie ab.
Sie hatten mich umringt wie Bienen,
sie sind erloschen wie Dornenfeuer,
im Namen des Herrn wehrte ich sie ab.
Hart hat man mich gestoßen, um mich zu Fall zu bringen.
Meine Stärke und mein Gesang ist ja,
er ist mir zur Rettung geworden.
Klang von Jubel und Heil ist in den Zelten der Gerechten.
Die Rechte des Herrn tut Gewaltiges,
die Rechte des Herrn ist erhoben,
die Rechte des Herrn tut Gewaltiges.
Ich werde nicht sterben, sondern leben
und die Taten des Herrn verkünden.
Hart hat er mich ja gezüchtigt,
aber dem Tod hat er mich nicht übergeben.
Öffnet die Tore der Gerechtigkeit,
ich will durch sie eingehen,
ja, ich will preisen.
Dies ist das Tor des Herrn,
Gerechte ziehen hier ein.
Ich will dich preisen, denn du hast mich erhört
und bist mir zur Rettung geworden.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
Vom Herrn ist dies geschehen,
ein Wunder ist es in unseren Augen.
Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat,
seien wir fröhlich und freuen wir uns in ihm.
Ach Herr, hilf doch!
Ach Herr, gib doch Gelingen!
Gesegnet sei, der da kommt vom Haus des Herrn,
vom Haus des Herrn haben wir euch gesegnet.
Der Herr ist Gott, er hat uns Licht gegeben.
Bindet das Festopfer mit Stricken an die Hörner des Altars.
Du bist mein Gott, ich will dich preisen,
mein Gott, ich will dich erheben.
Preist den Herrn, denn er ist gut,
denn seine Gnade währt ewig.
Die musikalische Gestaltung und der Aufbau des Psalms
Und ich denke, wir merken schon beim Lesen des Psalms, dass er ganz offensichtlich gesungen wurde. Manche Sätze werden fast wiederholt, und man hat den Eindruck, fast hören zu können, wie verschiedene Stimmen im Chor das aufnehmen.
Zum Beispiel in den Versen 2 bis 4: Zunächst singt offenbar der Vorsänger den Vers 1. Dann heißt es: „Es sage doch Israel“, und darauf stimmt ein Teil des Chores ein. Danach folgt: „Es sage das Haus Aaron“, worauf ein weiterer Teil des Chores antwortet. Schließlich sagt ein anderer Teil des Chores: „Es sagen die, die den Herrn fürchten: Ja, seine Gnade wird ewig währen.“ Man kann sich gut vorstellen, wie das mit einem Chor vorgetragen wurde.
Solche Wiederholungen kommen später im Psalm ebenfalls vor. Zum Beispiel in Vers 11: „Sie haben mich umringt, ja, mich eingeschlossen im Namen des Herrn.“ Man hört fast im Hintergrund den gesamten Chor singen. Ähnlich ist es am Ende von Vers 10, Vers 11 und Vers 12. Auch in Vers 16 gibt es eine solche Wiederholung: „Die Rechte des Herrn tut Gewaltiges, die Rechte des Herrn ist erhoben, die Rechte des Herrn tut Gewaltiges.“
Man merkt bei diesem Psalm, bei der Dichtung, dass er ganz offensichtlich für einen mehrstimmigen Gesang vorgesehen war. Vielleicht hören wir das beim Lesen ein wenig mit. Ich kann mir sehr gut vorstellen – wir hatten ja in diesen Tagen gesehen, wie Asaf den Tempelchor dirigierte – dass er den großen Chor leitete und die Einsätze gab, damit die einzelnen Teile des Chores sich entsprechend ergänzten.
Wer diesen Psalm gedichtet hat, scheint, wie ich sagte, in großer Bedrängnis gewesen zu sein und Gottes Hilfe erfahren zu haben. Das ist die Kernaussage dieses Psalms. Der Psalmdichter möchte das gesamte Volk und darüber hinaus alle, die den Herrn fürchten, mit einstimmen und mitreißen in dieses Lob und den Dank an den Herrn.
Manche nehmen an, dass dieser Psalm auch zur Einweihung der Mauern und Tore Jerusalems nach der babylonischen Gefangenschaft im Jahr 444 v. Chr. unter Esra und Nehemia gesungen wurde. Das sind jedoch Annahmen, die nicht biblisch belegt sind, sondern höchstens aus der jüdischen Geschichte oder Überlieferung stammen.
Die Struktur des Psalms in Strophen und Lobgründe
Auch diesem Psalm kann man, wie bei den anderen Psalmen, in verschiedene Strophenglieder einteilen. Ich habe das in sechs Strophen gemacht.
Die Verse 1 bis 4 sind der Aufruf, Gott zu preisen. Die Verse 5 bis 9 zeigen den ersten Grund zum Loben: Wer glaubt, erfährt Gottes Beistand.
Die Verse 10 bis 14 zeigen den zweiten Grund, Gott zu loben: Gott errettet auch aus ausweglosen Situationen.
Die Verse 15 bis 21 sind der dritte Grund, Gott zu loben: Wer glaubt, sieht schon im Kampf den Sieg – also nicht erst hinterher, sondern während des Kampfes.
Vers 22 bis 25 ist der vierte Grund, Gott zu loben: Gottes Sieg ist stets ein Wunder.
Die sechste Strophe und damit der fünfte Grund, Gott zu loben, sind die Verse 26 bis 29: Gesegnete haben Grund zum Preisen und Loben.
Vielleicht können wir, während wir uns damit beschäftigen, schon einmal im Hinterkopf festhalten, was den Herrn Jesus bewegt haben mag, als er diesen Psalm mit seinen Jüngern in der letzten Nacht vor seinem Tod gesungen hat. Dabei werden wir merken, wie viele Bezüge zu seinem Leiden in diesem Psalm vorkommen.
Erster Abschnitt: Aufruf zum Lob Gottes (Verse 1-4)
Schauen wir uns die erste Strophe an, den Aufruf, Gott zu preisen. In Vers 1 steht praktisch die Überschrift: „Preist den Herrn, denn er ist gut, denn seine Gnade währt ewig.“
Das finden wir in manchem Psalm, dass sozusagen das Ergebnis des Psalms oben als Überschrift geschrieben wird. Wenn ihr genau hinschaut in eurer Bibel, ist der letzte Vers identisch mit dem ersten Vers. So wie heute Morgen bei Psalm 103: Du kannst wieder vorne anfangen. Der Psalm endet also genauso, wie er begonnen hat.
Es gibt auch bei uns in manchen Liederbüchern solche Lieder, die man immer wieder singen kann. Dann wird begründet, warum Gott gepriesen werden soll: „Denn er ist gut, denn seine Gnade währt ewig.“
Fast hätte ich gesagt, ich frage euch mal, wer hat Grund, das zu bestätigen? Wer kennt das aus seinem Leben? Gott ist gut, seine Gnade währt ewig. Jeder, der errettet ist, kann sicherlich davon sprechen. Denn die Gnade des Herrn Jesus an uns, die wir gerettet werden, indem wir an ihn glauben, ist eine ewige Gnade. Sie hört nicht mit unserem Sterben auf, sondern sie ist ewig.
Genauso wie Jesus ewig ist, ist auch seine Gnade ewig. Der Psalmdichter sagt das hier auch in Bezug auf Gott. Er weiß: Gott ist ewig, und von daher ist auch seine Gnade ewig, ohne Ende und ohne Erschöpfung.
Bei uns Menschen ist das anders. Wenn wir Menschen Gnade und Geduld entgegenbringen, sagen wir irgendwann: „Jetzt ist aber Schluss, jetzt reicht es, Punkt.“ Die Bibel sagt jedoch immer wieder, dass die Gnade Gottes kein Ende hat. Und dafür bin ich wirklich dankbar.
Nachdem der Psalmdichter das im ersten Vers genannt und begründet hat, fordert er das Haus Israel auf, zu wiederholen: „Ja, seine Gnade währt ewig.“ Er fordert das Haus Aarons auf: „Ja, seine Gnade währt ewig.“ Also die, die vor Gott stehen. Und er fordert alle Gottesfürchtigen auf: „Ja, seine Gnade währt ewig.“ Spätestens bei der letzten Gruppe sind wir sicherlich mit dabei. Ich hoffe, wir sind alle gottesfürchtig.
Ich finde das schön. Ich stelle mir wirklich vor, wie so ein Chor langsam an Volumen gewinnt. Ihr kennt wahrscheinlich auch solche Lieder, die mit einer Stimme anfangen, dann setzt die zweite ein, die dritte und die vierte. Das ist so wie bei den Kantaten von Johann Sebastian Bach, der auch eine Stimme nach der anderen kommen lässt und hinterher das ganze Orchester und alle Stimmen des Chores einsetzen lässt. Das ist schon gewaltig.
Ich weiß nicht, wer von euch das Oratorium „Der Messias“ von Georg Friedrich Händel kennt. Der Schluss ist beeindruckend, wenn Gott gepriesen wird und dann über, ich sage mal, kilometerlange Notenreihen nur das Wort „Amen“ intoniert wird. Ich muss sagen, das geht durch und durch.
Als ich hier die Japaner sah, wurde ich daran erinnert, dass ich zweimal in Japan gewesen bin, bei unserem Japan-Missionar in Tokio. Dort gibt es einen großen Chor. Vor Jahren ist ein sehr bekannter Dirigent aus Japan zum Glauben gekommen. Er hat mit vielen Gläubigen einen Chor von zweihundert Leuten mit Orchester aufgebaut.
Als wir dort waren, hatten sie eine Aufführung und fragten mich, ob ich mitsingen wollte. Es ist schon etwas anderes, wenn du im Bass mitstehst und mitsingst, die Partituren vor dir hast und eingebunden bist in die anderen. Das ist anders, als wenn du es nur hörst.
Da muss ich oft daran denken: Dieses Lob an Gott, da zu stehen und wirklich für Gott zu singen und nicht für die Zuhörer, sondern für Gott. Ja, seine Gnade währt ewig.
Zweiter Abschnitt: Gottes Beistand in der Bedrängnis (Verse 5-9)
In den Versen fünf bis neun, also in der zweiten Strophe, wird der erste Grund zum Preisen genannt: Wer glaubt, erfährt Gottes Beistand. Der Psalmist hat etwas erlebt und schreibt: „Aus der Bedrängnis rief ich zu, und der Herr antwortete mir in der Weite: ‚Der Herr ist für mich, ich werde mich nicht fürchten. Was könnte ein Mensch mir tun?‘“
Das sind schon kräftige Worte, oder? Hast du keine Angst vor Menschen? Ich muss schon sagen, ich bin dankbar, dass ich manchmal eine weite Hose trage, damit man nicht die wackelnden Beine sieht. Das ist schon gewaltig.
Übrigens, nebenbei bemerkt: Der Ausdruck „Ja“ ist eine Kurzfassung des Namens Yahweh. Jeder Israelit wusste, dass damit „Yahweh, der ich bin“ gemeint war. Aber diese Aussage „Der Herr ist für mich, ich werde mich nicht fürchten, was könnte ein Mensch mir tun?“ ist sehr tröstlich.
Manchmal denke ich, man sollte sich diesen Vers groß über seinen Arbeitsplatz schreiben. Vielleicht als Schild an der Kühlschranktür oder als Bildschirmschoner auf dem Computer. Stell dir vor, dein Chef steht vor dir, macht dich klein, und du schaust auf deinen Bildschirm und da steht: „Ich werde mich nicht fürchten, was könnte ein Mensch mir tun?“
Das ist nicht, weil man selbst Mut oder Kraft hat, sondern weil man sagt: Der Herr ist für mich. Ich habe den Stärksten auf meiner Seite, und das finde ich sehr tröstlich. Egal, was die anderen machen, du darfst wissen, er ist bei dir.
Der Herr Jesus hat es uns ja und seinen Jüngern versprochen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.“ Das ist ein Versprechen, auf das du dich verlassen darfst. Auch wenn du dich allein gelassen fühlst, gemobbt wirst oder in die Ecke gedrängt wirst – du darfst das hier wissen. Schreib es dir groß auf und erinnere dich immer wieder daran: Der Herr ist für mich.
Es kommt nicht darauf an, dass ich für den Herrn bin. Wenn davon die Sicherheit abhängen würde, wäre das schrecklich. Aber ich darf wissen: Er ist für mich. Ich habe den Sieger von Golgatha auf meiner Seite, und das darf mir Mut machen. Egal, was die Menschen sagen und wollen – was könnte ein Mensch mir tun?
Ich brauche also keine Angst zu haben. Ich darf wissen, so wie der Psalmdichter es hier sagt und erfahren hat: Gott hilft mir auch durch andere, und seine Gewissheit ist: Ich bin bei Gott geborgen. Er sagt: „Der Herr ist für mich unter denen, die mir helfen. Ich werde herabsehen auf meine Hasser.“
Es ist besser, sich beim Herrn zu bergen, als sich auf Menschen zu verlassen. Es ist besser, sich beim Herrn zu bergen, als sich auf Edle zu verlassen. Das hat wahrscheinlich jeder von uns schon einmal erlebt: Man hat Hoffnungen auf hohe Persönlichkeiten gesetzt und ist enttäuscht worden.
Der Psalmdichter sagt, es ist besser, sich beim Herrn zu bergen, sich bei ihm zu verstecken und zu wissen: Ich habe den Größten, den Besten, den Stärksten auf meiner Seite. Was kann mir passieren?
Von daher macht dieser Psalm mir Mut. Ich kann Luther durchaus verstehen, wenn er sagt: „Das ist mein Psalm.“ Wenn ich mir vorstelle, wie Luther vor den Obrigkeiten stand, über ihm der Bann ausgesprochen wurde, er vogelfrei war, und er sagen konnte: „Ich werde mich nicht fürchten. Was könnte ein Mensch mir tun?“
Das darf uns auch helfen. Vielleicht können wir auch für all jene beten, die in dieser Welt verfolgt werden und gerade diese Bedrängnis hautnah erleben. Dass sie auch wissen: Jesus ist auf meiner Seite, Gott ist auf meiner Seite. Ich brauche mich nicht zu fürchten, auch wenn es unten durchgeht.
Ich muss mich nicht auf Edle, auf hohe Namen oder große Persönlichkeiten verlassen. Und ich habe mir auch gesagt: Von der Politik können wir uns nichts erwarten.
Was willst du von Menschen erwarten, die nicht an Gott glauben, die sich zwar christlich nennen, aber überhaupt nicht danach handeln? Von daher können wir keine Hilfe erwarten.
Ich kann mich noch gut an den berühmten Bürger der Stadt Wuppertal erinnern, Johannes Rau. Er war erst Bürgermeister in Wuppertal, dann Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und schließlich Bundespräsident.
Ich weiß noch, als er Ministerpräsident war, standen wir mit dem Missionsbus auf dem Rathausplatz. Zur gleichen Zeit standen verschiedene Wahlstände, auch von der SPD. Er drehte seine Musik so laut, dass wir kaum Gespräche führen konnten.
Dann bin ich zu ihm hingegangen und fragte ihn, ob er die Freundlichkeit hätte, die Musik etwas leiser zu machen. „Ich kann das so laut machen, wie ich will“, sagte er. Ich antwortete: „Lassen Sie nicht Bruder Johannes hören.“ Johannes Rau wurde so genannt, weil er viele Bibelverse kannte.
„Ach, der mit seinem Glauben“, sagte er. Dann sagte ich: „Wissen Sie, ich bin überzeugt, dass zwei gefaltete Hände mehr bewirken als ein Kreuz auf einem Stück Papier.“ Er schaute mich verständnisvoll an, drehte die Musik aber trotzdem wieder auf.
Dann haben wir uns als Mannschaft abgesprochen: Wir wechseln uns ab und verwickeln ihn jedes Mal in ein Gespräch. Damit war er ausgeschaltet.
Ich habe so gedacht: Ja, die Menschen erwarten von der Politik etwas, aber wir dürfen von Gott etwas erwarten. Gott kann eingreifen, und das ist mein Gebet.
Das ist auch unsere Aufgabe, die Gottes Wort uns hier sagt: Wir sollen für die Obrigkeit beten. Wir sollen nicht über die Obrigkeit motzen – das fehlt nicht in der Bibel. Aber es steht in der Bibel, für die Obrigkeit zu beten.
Ich glaube, das tun wir Christen viel zu wenig, auch für diejenigen zu beten, die uns nicht passen. Und ich muss schon sagen: Manche passen mir nicht, ganz ehrlich. Ich sage jetzt nicht welche, das wäre sonst Wahlwerbung.
Aber ich glaube, dass wir uns vielmehr auf Gott verlassen sollen.
Dritter Abschnitt: Gottes Rettung aus ausweglosen Situationen (Verse 10-14)
Die dritte Strophe ist der zweite Grund zum Preisen. Gott errettet auch aus ausweglosen Situationen. Wieder schildert der Text etwas, das der Autor selbst erlebt hat.
In Vers 10 heißt es: Alle Nationen hatten mich umringt. Im Namen des Herrn habe ich sie abgewehrt – oder man kann sagen, mit Hilfe des Herrn. Sie hatten mich umzingelt, ja, mich eingeschlossen. Im Namen des Herrn habe ich sie abgewehrt. Sie umgaben mich wie Bienen, doch sie erloschen wie Dornenfeuer. Im Namen des Herrn wehre ich sie ab.
Hart hat man mich gestoßen, um mich zu Fall zu bringen. Doch meine Stärke und mein Gesang sind der Herr. Ja, er ist mir zur Rettung geworden.
Was für eine Zuversicht und welches Vertrauen sprechen aus diesen Versen! Der Autor hat erlebt, dass er umzingelt war – David war das oft auf seiner Flucht vor Saul. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Gott geholfen hat.
Aus dieser Erfahrung zieht er die Erkenntnis: Gott zu loben, denn er ist mein Retter. Ich kann mich auf ihn verlassen.
Vierter Abschnitt: Der Sieg im Kampf als gegenwärtige Erfahrung (Verse 15-21)
In der vierten Strophe des dritten Grundes zum Preisen heißt es: Wer glaubt, sieht schon im Kampf den Sieg.
Im zweiten Buch Chronik, Kapitel 20, wird eine hochinteressante Begebenheit geschildert. Die Feinde kommen und wollen den König in Jerusalem angreifen. Sie nähern sich praktisch von Moab her und stehen unten bei Jericho. Von dort aus müssen sie nur noch den Berg hinauf nach Jerusalem.
Der König ist ängstlich und ruft den Propheten zu sich. Der Prophet sagt ihm: Glaube, Gott wird helfen. „Tu dieses: Zieh nicht mit den Soldaten voran, sondern zieh dem Feind entgegen mit dem Chor.“
Man könnte fragen: Was ist das denn? Stellt euch vor, im Krieg würde statt der Soldaten der Chor nach vorne gehen. Wir würden alle sagen, der Chor kann vielleicht hinterhergehen, aber vorne vor den Soldaten? Doch Gott sagt dem König durch den Propheten: Schickt den Chor nach vorne!
Das Interessante ist, der König tut genau das. Und was passiert? So wird es in 2. Chronik 20 geschildert – es ist eine spannende Geschichte. Am liebsten würde ich euch das jetzt nicht verraten, damit ihr heute Abend noch 2. Chronik 20 lest.
Der König lässt den Chor ziehen. In dem Moment, in dem sie anfangen, Gott zu loben und zu preisen, wird das Heer der Feinde durch Gott vernichtet. Sie müssen überhaupt nichts tun. Sie stehen oben auf der Mauer, schmettern ihre Lieder, und da unten ist Gemetzel, ohne dass sie irgendein Schwert in die Hand nehmen müssen.
Man könnte sagen: Ach, das ist aber eine lustige Geschichte, oder? Aber genau so ist es hier. Wer glaubt, sieht schon im Kampf den Sieg.
Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Mir geht es auch so: Wenn irgendwo etwas Bedrohliches auf einen zukommt, dann bekommt man weiche Knie und zittert. Man fühlt sich wie die Maus vor der Schlange und ist unfähig, etwas zu tun.
Und hier wird gesagt: Lobt doch Gott! Das klingt menschlich gesprochen erst einmal widersinnig. Jeder Psalmdichter hat das im Grunde auch erfahren. Wir erkennen es auch aus dem Lied: „In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über uns Flügel gebreitet.“
Wie oft ist das passiert? Wie oft hat Gott dich bewahrt? Wenn ich zurückblicke auf all die Kilometer, die ich im Jahr fahre, wie oft bin ich bewahrt geblieben? Wie oft hatte ich so einen Sekundenschlaf, und Gott hat mich bewahrt?
Ich erinnere mich noch: Vor einigen Jahren hatte ich eine CD im Auto. Ich nickte gerade mal so ein wenig ein und machte einen Schlenker. Sofort war ich wieder hellwach. In dem Moment sang der Chor auf der CD: „Er hat seinen Engeln befohlen über dir.“ Und ich dachte: Super, hast du gut gemacht.
Man merkt einfach, wenn Gott nicht eingreift, wie schnell etwas passieren kann. Das heißt aber nicht, dass man ruhig am Lenkrad schlafen sollte. Ich sage auch immer: Im Auto kann man gut beten, man sollte nur nicht die Hände falten und die Augen zumachen.
Die Zeit kann man sehr gut zum Gebet nutzen. Sein Weg geht zum Tempel, wie es in den Versen 19 bis 21 des Kapitels beschrieben ist. Dort heißt es:
„Ich will die Tore der Gerechtigkeit öffnen, ich will durch sie eingehen, ja, ich will preisen. Dies ist das Tor des Herrn, Gerechte ziehen hier ein. Ich will dich preisen, denn du hast mich erhört und bist mir zur Rettung geworden.“
Wir merken, wie dieses Lied uns mehr und mehr Mut macht, wirklich auf Gott zu vertrauen.
Fünfter Abschnitt: Gottes Wunder und das verworfene Fundament (Verse 22-25)
In der fünften Strophe wird der vierte Grund zum Preisen Gottes genannt: Sein Sieg ist stets ein Wunder. Dabei wird ein eigenartiger Vergleich gezogen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Deshalb habe ich hier unten einen Eckstein abgebildet. Vom Herrn ist dies geschehen – ein Wunder ist es in unseren Augen.
„Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; seien wir fröhlich und freuen wir uns in ihm.“ Wir merken, dass der Psalmdichter wirklich von Gott überzeugt ist. Er weiß: Gott hilft mir. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.
Wer das Neue Testament ein wenig kennt, weiß, dass der Herr diesen Vers zitiert hat: „Wisst ihr nicht, der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden?“ Für die einen ist dieser Stein ein Stein des Ärgernisses. So ist es auch gewesen: Jesus ist dieser Eckstein geworden. An ihm hat man sich gerieben, man wollte ihn nicht akzeptieren, man wollte nicht auf diesen Eckstein bauen – vom Volk Gottes her.
Das Verworfene wird von Gott benutzt. Und das geschieht häufig, nicht nur bei Jesus. Wie oft hat Gott Menschen gebraucht, die eigentlich nicht geeignet waren, die von anderen nicht akzeptiert wurden, die in dieser Welt nichts galten? Diese Menschen hat Gott gebraucht. Mich wundert das oft, so etwas festzustellen.
Ich erinnere mich an den Gärtner im christlichen Erholungsheim im Westerwald in Rehe. Er war etwas einfältig, und man konnte mit ihm keine vernünftigen Sätze führen. Wenn man mit ihm sprach, nickte er nur und sagte etwas völlig Unzusammenhängendes. Man gab dann auf und dachte, man könne sich nicht mit ihm unterhalten. Aber am Sonntag in der Gemeinde war das frappierend: Wenn wir zusammen zum Mahl des Herrn waren, stand er auf und betete. Und das war astrein, von vorne bis hinten. Ich dachte: eigenartig – als Mensch nicht fähig, mit anderen Menschen zu kommunizieren, aber mit Gott konnte er kommunizieren.
Da merkt man: Da steckt viel mehr drin. Gott gebraucht das Verworfene, das, was nichts ist, das Unedle der Welt hat er ausgesucht. Und er gebraucht es zu seinem Lob. Das ist schon erstaunlich, wenn man das so sieht.
Auch bei uns in der Gefährdetenhilfe ist das so. Die Jungs, die da kommen – wenn sie das erste Mal da sind, denke ich immer: Herr Jesus, was könntest du aus dem Kerl machen? Und es ist erstaunlich, wenn man sie drei, vier Jahre später sieht.
Wir hatten einen dabei, er war Kurde, sein Vater war Kurde, die Mutter Deutsche. Der Vater war abgehauen und lebte in der Türkei. Seine Mutter hatte noch einmal geheiratet. Er stand immer quer, war der, der nicht gewollt war. Er kam an Drogen, Alkohol und vieles mehr. Er war in vielen Therapien, überall wurde er rausgeworfen. Er hat nichts geschafft, auch die Schule nicht.
Eines Tages sagte mir der Hausvater: „Eva, ich halte es nicht mehr aus, nächste Woche schmeiße ich ihn raus.“ Doch an dem Abend kam er im Jugendgottesdienst zum Glauben. Es war, als ob ein Schalter umgelegt wurde. Vorher war alles, was er anfasste, unbrauchbar. Du durftest ihn nicht in die Küche stellen. Was er anfasste, musste man nicht mehr spülen.
Das ging bei ihm kaputt. Den Rest, als der Hausvater sagte, er schmeißt ihn raus: Sie waren auf der Baustelle, hatten eine Wand frisch verputzt. Die Bretter für das Gerüst sollten abgeräumt und auf den Lastwagen gebracht werden. Was macht er? Er stellt die Bretter an die frisch geputzte Wand und tritt dagegen, um die Bretter kleiner zu machen. Damit war die Wand wieder beschädigt.
Unser Hausvater sagte: „Boah, ich schmeiß ihn raus.“ Und dann, an dem Abend, kam er zum Glauben. Es ist erstaunlich, was der Herr aus dem Kerl gemacht hat.
Am nächsten Sonntag in der Gemeinde, beim Mahl des Herrn, stand er auf und sagte: „Geschwister, wir wollen beten.“ Alle Geschwister drehten sich um, weil sie seine Stimme noch nicht kannten. Dann betete er: „Ihr müsst nicht so das Nachbeten.“ Es war nicht Kanaanäisch, was er da betete, sondern er sagte: „Herr Jesus, du bist super, du bist cool, du hast mich aus der Scheiße rausgeholt, danke, Amen!“
Könnt ihr euch das vorstellen? Es war nicht gerade anlassvoll, aber ich muss sagen, ich habe von Herzen Amen gesagt. Denn ich dachte, auch das muss von Gott übersetzt werden – wie mein Gebet auch. Der Heilige Geist verwendet sich für Heilige Gott gemäß. Auch unsere Gebete müssen übersetzt werden. So wird auch das Gebet übersetzt, und das Herz konnte man dabei merken.
Heute spricht er nicht mehr so klar, aber er hat wirklich eine Kehrtwendung von 180 Grad gemacht. Er hat eine Lehre als Automelektriker gemacht, als einziger in Wuppertal die Lehre mit der Note eins abgeschlossen. Er hat dann seinen Meister gemacht, auch mit Auszeichnung. Jetzt hat er eine Stelle in Stuttgart bei Bosch, und sein Traum ist, Berufsschullehrer zu werden.
Das ist schon ein Wunder: Das Verworfene benutzt Gott. Einer, der überall rausgeschmissen wurde, brennt heute für den Herrn.
Das ist das, was wir hier lesen. Vers 23 macht uns einen Blick für Gottes Handeln deutlich: „Vom Herrn ist dies geschehen, ein Wunder ist es in unseren Augen.“ Ich glaube, wir müssen die Wunder Gottes neu erkennen. Gott handelt auch heute noch, aber oft haben wir keinen Blick dafür.
Dann kommt Freude auf: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; seien wir fröhlich und freuen wir uns in ihm.“ Interessanterweise scheint Vers 25 so gar nicht dazwischen zu passen. Plötzlich dieser Vers: „Ach Herr, hilf doch! Ach Herr, gib doch Gelingen!“ Man könnte sagen: Huch, was ist ihm da passiert? Ist da ein Vers aus einem anderen Psalm reingerutscht? Es wirkt, als ob das gar nicht passt.
Wisst ihr, was das im Hebräischen heißt? „Herr, hilf doch!“ Im Hebräischen heißt es Hosianna. Das ist komisch, oder? Das Wort Hosianna denken wir immer ähnlich wie Halleluja, aber es bedeutet „Ach, Herr, hilf doch!“
Man merkt hier: Er freut sich über die Hilfe des Herrn, und er weiß, dass er immer die Hilfe des Herrn braucht. Ohne sie geht es nicht. Ich glaube, das ist wichtig: Auch wenn wir in Hochstimmung sind und uns über Gottes Hilfe freuen, müssen wir uns immer bewusst machen, dass wir auf seine Hilfe angewiesen sind. Ohne ihn können wir nichts tun.
Sechster Abschnitt: Gesegnete haben Grund zum Lobpreis (Verse 26-29)
Und dann die sechste Strophe: Der fünfte Grund zum Preisen. Gesegnete haben Grund zum Preisen.
Er schildert das und sagt es in Erwartung des Kommenden, den Gott schickt. „Gesegnet seid ihr, der kommt vom Haus des Herrn, haben wir euch gesegnet.“ Der Herr ist Gott, er hat uns Licht gegeben.
In Vers 27 schildert er dann die Erwartung auf das Opfer. Hier wird etwas gesagt, nur mit einem kurzen Satz, der das Festopfer mit Stricken bis an die Hörner des Altars bindet.
Dazu müssen wir uns den Altar im Vorhof des Tempels oder der Stiftshütte wieder vorstellen, dort, wo die Tiere geopfert wurden. Gott hatte angeordnet, dass dieser große Brandopferaltar an den vier Ecken Hörner hat – also solche Haken jeweils dran. Diese waren dafür da, um das Festopfer festzubinden.
Ich weiß nicht, wer schon einmal mitbekommen hat, wenn eine Kuh oder ein Stier geschlachtet wurde oder zum Metzger gebracht wurde, zum Schlachthof. Geht so ein Tier freiwillig? Überhaupt nicht. Nur das Schaf ist stumm und lässt sich führen. Alle anderen Tiere wehren sich und kämpfen.
Das bedeutet: Wenn du einen Stier also opfern wolltest, musst du dir vorstellen, der Altar steht da und darauf ist Feuer. Jedes Tier hat Angst vor Feuer. Wie kriegst du einen Ochsen, einen Stier oder eine Ziege dahin zur Schlachtbank, damit es geschlachtet werden kann?
Ich habe ein paarmal mitbekommen, wie Bauern versucht haben, so ein Tier in den Viehwagen zum Schlachthof zu bringen. Meinst du, du kriegst die in den Wagen rein? Die ahnen das.
Im Grunde geht das dann genauso wie hier auch: Man bindet dem Tier einen Strick, entweder um die Hörner oder so, und dann wirft man ein Lasso um das Horn des Altars. Dann kannst du ziehen, sodass das Tier näher rankommt.
„Bindet das Festopfer mit Stricken bis an die Hörner des Altars.“ Also scheint der Verfasser richtig zugeguckt zu haben, wie das da vor sich ging.
Man muss sich das so vorstellen: Im Vorhof des Tempels war es nicht so andächtig wie in unseren Kirchen. Es war teilweise wie auf dem Schlachthof – für unsere Nasen und Gefühle nicht so angenehm. Aber Gott hatte das so angeordnet.
Von daher ließ Gott diese Hörner an dem Altar anbringen. Die Israeliten gebrauchten das, wie hier in diesem Vers, um ein Opfertier heranziehen zu können, um es dann schlachten zu können.
Außerdem waren die Hörner des Altars laut Gesetz dafür da, dass einer, der aus Versehen Totschlag begangen hatte und auf der Flucht war, die Hörner des Altars ergreifen durfte. Damit durfte er nicht getötet werden.
Das heißt, wenn er das Horn des Altars anfasste, hatte er Gnade vor seinen Rächern. Wir finden nur einmal, dass das nicht getan wurde: Als Salomo dann den ehemaligen Heerobersten von David töten ließ, obwohl dieser sich an den Altar flüchtete. Denn dieser hatte ihm vieles aufgeladen.
Das war kein Totschlag, sondern Mord. Von daher ließ Salomo ihn trotzdem töten. Das nur nebenbei, um deutlich zu machen, was die Bedeutung der Hörner des Altars ist.
Und das Ergebnis dann hinterher in Vers 28 und 29: „Du bist mein Gott, ich will dich preisen, mein Gott, ich will dich erheben. Preist den Herrn, denn er ist gut, denn seine Gnade währt ewig.“
Unsere Antwort also auf Gottes Handeln: Lob und Erheben Gottes.
Bezug des Psalms auf das Leiden und Wirken Jesu
Und jetzt schauen wir noch einmal kurz hinein und versuchen uns vorzustellen, dass der Herr Jesus diesen Psalm möglicherweise nach dem Passah und nach dem Mahl des Herrn auf dem Obersaal mit seinen Jüngern gesungen hat.
In einigen Versen kann man sich das sehr gut vorstellen, weil sie Bezüge zu dem haben, was der Herr Jesus erlebt hat.
Die Verse 5 und 6 zeigen: Jesus weiß in der Not, der Herr ist für mich. Wenn wir daran denken, wie er im Garten Gethsemane ist und den Vater bittet, dann aber sagt: „Dein Wille geschehe“, merken wir in diesem Augenblick, dass der Herr Jesus wirklich fest entschlossen ist, den Weg zu gehen. Er tritt ohne Angst seinen Feinden entgegen.
Vers 7 sagt: „Ich werde herabschauen auf meine Hasser.“ Das ist wortwörtlich zu verstehen, wenn er da am Kreuz hängt und Feinde unter ihm sind, die ihn verlästern.
In den Versen 8 bis 9 heißt es: „Es ist besser, sich bei dem Herrn zu bergen, als bei Edlen.“ Jesus hatte erfahren, dass er von den hohen Priestern und den Schriftgelehrten keine Hilfe erwarten konnte. Auch nicht von Herodes, dem König, und auch nicht von dem Landpfleger Pilatus. Obwohl er politisch am leichtesten noch Pilatus hätte überzeugen können, sagt er: „Es ist besser, sich bei dem Herrn zu bergen.“ Er schweigt beim Hohenpriester, er schweigt bei König Herodes, er schweigt bei Pilatus. Er verteidigt sich nicht.
Vers 13 berichtet: „Hart hat man mich gestoßen.“ Das ist wortwörtlich so, denn er ist gegeißelt worden. Aber er sucht seine Zuflucht bei Gott in seiner Not.
Die Verse 14 bis 16 zeigen, dass er die Gewissheit hat: „Ich werde leben.“ Natürlich musste er durch den Tod, aber er wusste, dass er auferstehen wird. Am dritten Tag wird er auferstehen. Gott straft ihn wegen unserer Schuld, aber er preist Gott. Das ist schon erstaunlich, wie er so ganz anders reagiert.
Er ist der Eckstein geworden, wie es in den Versen 22 bis 24 heißt. Er ist das Wunder, das Gott gemacht hat, und dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Der Tag, an dem Jesus starb, ist der größte Tag der gesamten Menschheitsgeschichte.
Doch auch in Vers 25 finden wir den Ruf: „Ach, Herr, hilf doch!“ Hosianna – was fällt euch dazu ein? Wer hat das gerufen und gesungen? Die Kinder, als er nach Jerusalem einzog, oder? Und die Schriftgelehrten sagen: „Verbiete ihm das!“ Doch Jesus verweist darauf, dass, wenn diese schweigen, die Steine schreien werden: „Herr, hilf doch!“
Also rufen sie nicht „Halleluja“, sondern „Herr, hilf!“ Und das bewegt mich sehr.
Ich weiß nicht, weshalb die Kinder das gerufen haben, offensichtlich zitieren sie hier aus diesem Psalm. Den kannten die Kinder sicherlich. Und dann wird der Herr Jesus zu diesem Opfertier, das geschlachtet wird.
Aber Jesus musste nicht zwangsweise zum Altar geführt werden, er musste nicht zwangsweise ans Kreuz geführt werden. Er trug selbst das Kreuz, er ging freiwillig diesen Weg. Er brauchte nicht gezwungen zu werden.
Mich bewegt das sehr, wenn man diesen Psalm so liest, gerade unter diesem Aspekt.
Schlussgedanken und gemeinsamer Lobpreis
Dieser Psalm darf uns Mut machen. Die unerschütterliche Hoffnung auf Gott gibt uns Zuversicht, denn Jesus hat dies buchstäblich durchlebt.
Ich möchte mit dem Vers schließen: „Du bist mein Gott, ich will dich preisen. Mein Gott, ich will dich erheben. Preis den Herrn, denn er ist gut, ja, seine Gnade währt ewig.“
Und vielleicht, wenn ihr auch davon überzeugt seid, könnten wir das jetzt als Letztes gemeinsam noch einmal sagen: „Ja, seine Gnade währt ewig.“
Das klang noch nicht ganz überzeugend. Nochmal üben: „Ja, seine Gnade währt ewig!“
