Jesus kehrt nach Israel zurück
Matthäus - Evangelium 2,19-23
Einleitende Gedanken
Josef musste mit Jesus und Maria vor Herodes dem Grossen nach Ägypten fliegen. Wäre er mit seiner Familie in Betlehem geblieben, hätten die Soldaten des Herodes Jesus getötet und das Rettungswerk Gottes zunichtegemacht.
Die Tage des Herodes waren gezählt. Er wurde schwer krank und durchlitt grauenhafte Qualen. Eine ausführliche Beschreibung seiner fürchterlichen Krankheit möchte ich euch ersparen. Er unternahm alles, um wieder gesund zu werden. Doch nach dem erfolglosen Besuch eines Heilbades, realisierte er, dass er bald sterben wird. So traf er die Vorbereitungen für seinen Tod und zeigte damit noch einmal, wie herzlos und egozentrisch er war. Flavius Josephus, ein jüdischer Geschichtsschreiber, berichtet folgendes:
Er (Herodes) kehrte (von einer versuchten Heilung bei warmen Quellen am Jordan beim Toten Meer) voll galliger Erbitterung nach Jericho zurück und schritt, als wolle er dem Tode selbst drohen, zur Ausführung einer grauenhaften Tat. Denn er liess die Vornehmsten aus allen jüdischen Ortschaften in das sogenannte Hippodrom zusammenbringen und gab Befehl, sie dort in Haft zu halten. Dann rief er seine Schwester Salome und ihren Mann Alexas zu sich und sagte:
„Ich weiss, dass mein Tod ein Freudenfest für die Juden sein wird, ich habe aber die Macht, von Anderen betrauert zu werden und dadurch selbst eine prächtige Totenfeier zu erhalten, wenn ihr euch nach meinen Weisungen richten wollt. Lasst jene in Haft gehaltene Männer durch Soldaten umstellen und tötet sie, sobald ich den letzten Atemzug getan habe, damit ganz Judäa und jede Familie wieder ihren Willen über mich weine.“
Im wahrsten Sinne des Wortes: ein teuflischer Plan! Glücklicherweise befolgte seine Schwester Salome und ihr Mann Alexas diese Anweisung nicht.
„Bevor das Heer den Tod des Königs erfahren hatte, ging Salome mit ihrem Manne hin und liess die Gefangenen frei, die der König zu töten befohlen hatte; sie sagte, der König habe seine Meinung geändert und schickte jeden wieder nach Hause.“
Matthäus fährt nun nach diesen Ereignissen mit seinem Bericht über Jesus weiter. Wir lesen den Abschnitt im Matthäusevangelium Kapitel 2, die Verse 19-23: Als Herodes gestorben war, hatte Josef in Ägypten einen Traum; darin erschien ihm ein Engel des Herrn und sagte: »Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und geh wieder in das Land Israel! Denn die, die dem Kind nach dem Leben trachteten, sind tot.« Matthäus 2, 19-20. Da stand Josef auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel. Doch er fürchtete sich davor, nach Judäa zu ziehen, weil er hörte, dass dort als Nachfolger von Herodes dessen Sohn Archelaus regierte. Auf eine Weisung hin, die er im Traum erhielt, ging er in das Gebiet von Galiläa. Matthäus 2, 21-22. Dort liess er sich in der Stadt Nazaret nieder. Auf diese Weise erfüllte sich, was durch die Propheten vorausgesagt worden war: Er sollte Nazarener genannt werden. Matthäus 2, 23.
Kein Platz in Betlehem
Nach dem Tod des Herodes war es soweit, dass Josef mit seiner Familie zurückkehren konnte. Ein Engel Gottes erschien Josef im Traum und sagte: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und geh wieder in das Land Israel!“ Matthäus 2, 20. Auffallend ist die feierlich wirkende Bezeichnung «Land Israel», die sonst im Neuen Testament nie vorkommt, ausser in diesem Abschnitt zweimal. Damit hebt Matthäus die Wichtigkeit des Landes Israel hervor, denn der Messias soll nicht in Ägypten aufwachsen. Der Sohn Davids, der Messias, gehört in das Land Israel, das Gott seinem Volk gegeben hatte. Und jetzt war die Zeit gekommen, dass die kleine Familie zurückkehren konnte, denn der Engel sagt zu Josef: „Die, die dem Kind nach dem Leben trachteten, sind tot.“ Matthäus 2, 20. Josef verhält sich in jeder Hinsicht vorbildlich, denn ohne Widerrede befolgte er alle Anweisungen, die er jeweils durch den Engel Gottes im Traum erhalten hatte. „Josef stand auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel.“ Matthäus 2, 21. Nach dem Tod von Herodes gab es in Israel grosse Umwälzungen und Unruhen, denn die Nachfolge für Herodes musste zuerst geregelt werden. Herodes hinterliess ein Testament, in dem er unter anderen Anweisungen sein Reich unter die drei noch lebenden Söhne verteilte. Philippus und Antipas bekamen einige Gebiete und wurden zu Tetrarchen ernannt und Archelaus ernannte Herodes in seinem Testament zum König. Doch dieses Testament musste zuerst vom Kaiser in Rom bestätigt werden. So reiste eine Delegation nach Rom, um vom Kaiser die Autorisierung des Testaments zu erhalten.
Nach ausgiebigen Verhandlungen über das Testament, erliess der Kaiser Augustus folgende Beschlüsse : Er übergab dem Archelaus die Hälfte des Königreichs mit der Amtsbezeichnung Ethnarch und versprach ihm den Königstitel, wenn er sich bewähren würde. Die andere Hälfte des Reichs teilte der Kaiser in zwei Tetrarchien und übergab sie den beiden Söhnen des Herodes. Die eine Hälfte dem Philippus, die andere dem Antipas, der über das Gebiet Galiläa herrschte.
Als Josef mit seiner Familie nach Israel zurückkehrte, war das schon alles geregelt und Archelaus war auch wieder von Rom zurückgekehrt und regierte mit harter Hand. Bezüglich Brutalität, Willkür und Herzlosigkeit übertraf er seinen Vater.
Eigentlich wollte Josef nach Judäa zurückkehren. Vermutlich wollten sie sich wieder in Betlehem niederlassen. Josef und Maria waren offensichtlich der Meinung, dass ihr Sohn, der Messias, nahe der Stadt Jerusalems und nahe beim Tempel aufwachsen sollte. Das zeigt uns auch, dass Josef und Maria vor der Flucht nach Ägypten eigentlich in Betlehem bleiben wollten.
Aber diesmal fanden sie in Betlehem auch keinen Platz. Nicht weil sie dort kein Haus gefunden hätten, sondern weil sie sich vor dem rücksichtslosen Archelaus fürchteten.
„Josef fürchtete sich davor, nach Judäa zu ziehen, weil er hörte, dass dort als Nachfolger von Herodes dessen Sohn Archelaus regierte.“ Matthäus 2, 22.
Josef muss bereits gehört haben, wie rücksichtslos Archelaus regierte. Übrigens wurde Archelaus 6 n. Chronik vom Kaiser enteignet und nach Vienna in Gallien, dem heutigen Frankreich, in die Verbannung geschickt.
„Das Gebiet des Archelaos wurde in eine Provinz umgewandelt, und als Prokurator wurde Coponius, ein Mann aus römischem Ritterstand, entsandt, er empfing vom Kaiser obrigkeitliche Gewalt einschliesslich des Rechts, die Todesstrafe zu verhängen.“
Das berichtet Josephus. Zurzeit als Jesus gekreuzigt wurde, war Pontius Pilatus Prokurator dieser Provinz.
Nun bekam Josef im Traum erneut eine Anweisung. „Auf eine Weisung hin, die er im Traum erhielt, ging er in das Gebiet von Galiläa.“ Matthäus 2, 22. Dort liess er sich in der Stadt Nazaret nieder. Wobei – das ist durchaus interessant – nicht erwähnt wird, dass Josef in seine Heimatstadt zurückkehrte. Matthäus möchte uns nämlich auf etwas Hinweisen, das er wichtiger findet, wie wir noch sehen werden. Wenn wir die verschiedenen Berichte über die Geburt und die Jugendjahre von Jesus lesen, werden wir den Eindruck nicht los, dass Jesus ständig irgendwie auf der Flucht war. Ihm wurde kein roter Teppich ausgerollt, wie man das von mächtigen Personen kennt. Als der amerikanische Präsident zum WEF in Davos anreiste, konnte man beobachten, wie sich mächtige Männer bewegen. Bevor er überhaupt in Zürich landete, kamen bereits grosse Transportflugzeuge, die Autos, Helikopter und vieles mehr lieferten. Bereits Tage vor der Anreise kamen seine Sicherheitsleute in die Schweiz, um alles vorzubereiten. In Kloten eingetroffen, bestieg er kein Auto, sondern den eigenen Helikopter, der von Schweizer Superpumas und amerikanischen Black Hawks eskortiert wurde. Und in Davos wartete ein Konvoi mit Edellimousinen, die den Präsidenten ins beste Hotel brachten. Dieser ganze Aufwand wurde für einen Besuch betrieben, der insgesamt 29 Stunden und 35 Minuten dauerte. Das war schon sehr beeindruckend. Wie unbedeutend scheint da das Leben von Jesus. Ihm wurde der rote Teppich nicht ausgerollt. Im Gegenteil, er musste fliehen und sich verstecken. Und es ist nicht überraschend, wenn bei dem einen oder anderen die Frage hochkommt, warum Gott seinen Sohn nicht deutlicher schützt und zwar nicht so, dass er ihm auf der Flucht hilft, sondern indem er seine Feinde beseitigt oder zumindest in die Schranken weist. Warum greift Gott nicht sichtbarer und mächtiger ein? Letzten Sonntag hatte ich diese Frage schon einmal aufgeworfen und gesagt, dass ich zur Beantwortung keine Zeit hätte. Da habe ich euren Gesichtern angesehen, dass ihr dachtet, das sei natürlich eine gute Ausrede, um einer schwierigen Frage auszuweichen. Aber diese Frage wird uns in dieser Reihe immer wieder begegnen und jetzt möchte ich mich schon mal an eine Antwort heranwagen. Es ist doch so, dass wir davon ausgehen würden, dass der Sohn Gottes, der Himmel und Erde erschaffen hat, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist, sich nicht so behandeln lassen muss. Wenn ich darüber nachdenke höre ich immer die Stimme des Propheten Jesaja, der in einer Offenbarung sieht, wie der Messias verachtet, verstossen und gequält werden wird. Er ruft vor Entsetzen: „Wer glaubt, was uns da berichtet wurde? Wer hält es für möglich, dass die Macht des Herrn sich auf solche Weise offenbaren würde?“ Jesaja 53, 1. Wer soll in dieser Person den Messias erkennen? Sie werden nicht den Sohn Gottes erkennen, denn: „Wir meinten, Gott habe ihn gestraft und geschlagen.“ Jesaja 53, 4. Sie werden ihn für einen von Gott bestraften halten. Das ist bis heute so. Wir wünschten uns oft, dass Gott seine Macht deutlicher zeigen würde. Wir wünschten uns, dass er sie so deutlich zeigt, dass denen, die uns belächeln und die über uns spotten das Maul gestopft wird. Stattdessen verhöhnen sie uns und wir können mit Korach sage: „Tränen sind meine Nahrung bei Tag und Nacht, weil man mich ständig fragt: „Wo bleibt er denn, dein Gott?“ Psalm 42, 4. In deinem Leben ist nichts von deinem Gott erkennbar! Sagen sie. Wo bleibt dein Gott? Zeig ihn uns! Ich möchte uns folgende Überlegungen mit auf den Weg geben: Gott kam nicht in seiner göttlichen Macht auf die Erde, sondern Gott wurde in Jesus Mensch, zwar ohne Sünde, aber ganz und gar Mensch. So war Jesus den Menschen ausgeliefert, die sich oft unbewusst vom Widersacher Gottes instrumentalisieren oder missbrauchen liessen, wie wir das schon am Beispiel des Herodes gesehen hatten, der das Rettungswerk Gottes zerstören wollte. Wenn Gott eine ernstzunehmende Rettungsaktion durchführen wollte, dann musste er seinen Sohn ganz Mensch werden lassen. Hätte er ihn mit seiner ganzen Macht geschützt, dann wäre Jesus uns nicht gleich geworden. Jesus musste in dieser gottlosen Welt seinen Weg als Mensch gehen, wollte er eine ernstzunehmende Rettung bewirken. Im Hebräer lesen wir: „Weil nun aber alle Geschöpfe aus Fleisch und Blut sind, ist auch er ein Mensch von Fleisch und Blut geworden. So konnte er durch den Tod den entmachten, der mit Hilfe des Todes seine Macht ausübt, nämlich den Teufel, und konnte die, deren ganzes Leben von der Angst vor dem Tod beherrscht war, aus ihrer Sklaverei befreien.“ Hebräer 2, 14–15. Wir werden nochmals auf dieses Thema zu sprechen kommen, wenn wir uns mit den vierzig Tagen beschäftigen, in denen Jesus in der Wüste dem Teufel ausgeliefert war. Auch wenn von aussen gesehen alles so aussieht, wie wenn Gott machtlos wäre und wir Menschen die Geschicke lenken würden, sollten wir uns nicht täuschen lassen. Gott wird sein Ziel erreichen. Was er versprochen hat, wird er einhalten. Seine Macht und Herrlichkeit wird eines Tages für alle sichtbar werden. Es lohnt sich unbedingt Jesus treu zu bleiben. Es lohnt sich Spott, Hohn und Verfolgung zu ertragen, so wie es Jesus selber ertragen hatte. Petrus schreibt: „Ihr müsst jetzt für eine kurze Zeit leiden. Aber Gott hat euch in seiner grossen Gnade dazu berufen, in Gemeinschaft mit Jesus Christus für immer in seiner Herrlichkeit zu leben. Er wird euch Kraft geben, sodass euer Glaube stark und fest bleibt und ihr nicht zu Fall kommt.“ 1. Petrus 5, 10.
Unbekannt, aber bedeutungsvoll
Josef zog also nach Nazaret, eine völlig unbedeutende Ortschaft. Sie wird weder im Alten Testament noch in jüdischen Schriften jener Zeit erwähnt. Doch Matthäus sieht in der Tatsache, dass Jesus nun in Nazaret aufwachsen wird, eine prophetische Erfüllung. „Auf diese Weise erfüllte sich, was durch die Propheten vorausgesagt worden war: Er sollte Nazarener genannt werden.“ Matthäus 2, 23. Wie gesagt, Nazaret wird im Alten Testament gar nicht erwähnt, deshalb werden wir dort keinen Vers finden, der uns sagt, dass Jesus Nazarener genannt werden wird. Wie soll man das nun verstehen? Spricht – was Ausleger auch vermutet haben – Matthäus von Propheten, die wir nicht kennen, weil ihre Schriften verloren gegangen sind? Das wäre möglich, erachte ich aber eher als unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass Matthäus an die prophetischen Aussagen insbesondere von Jesaja 11, 1 dachte: „Ein Spross wächst aus dem Baumstumpf Isai, ein neuer Trieb schiesst hervor aus seinen Wurzeln.“ Jesaja 11,1Spross heisst im Hebräisch «nezer» und wird auch mit Zweig übersetzt. Dieser Zweig wächst aus dem Baumstrumpf Isai. Isai war der Vater von König David und da der Messias ein Nachkomme Davids sein wird, steht dieser Spross für den erwarteten Messias. Diese prophetische Voraussage betont die Unscheinbarkeit und Verletzlichkeit des kommenden Messias. Man wird auf diesem Zweig herumtrampeln und wird versuchen, ihn auszureissen. Der Ortsname Nazaret hat seinen Ursprung in diesem hebräischen Wort «nezer». So könnte man sagen, dass Nazaret mit Sprossikon oder Sprosswil übersetzt werden könnte. Wer Nazaret hörte, musste an einen Spross oder Zweig denken. Nun gehe ich davon aus, dass Matthäus in der Tatsache, dass nun der Spross, der Messias, sozusagen nach Sprossikon zieht und in Zukunft immer mit diesem Namen in Verbindung gebracht wird, eine göttliche Fügung sieht. So wird Jesus von Nazaret, wie er später oft genannt wird, um klarzustellen, von welchem Jesus man spricht, immer doppeldeutig sein. Es weist darauf hin, wo er aufgewachsen und ist und es weist darauf hin, dass er der Spross ist, der von den Propheten angekündigt wurde.
Schlussgedanke Das Matthäusevangelium zeigt uns genauso wie das Lukasevangelium, dass Jesus nicht wirklich willkommen geheissen wurde. Sie zeigen uns beide, dass er dort, wo er eigentlich hingehörte keinen Platz fand. Auch das Johannesevangelium weist uns darauf hin, wenn es heisst: „Jesus kam zu seinem Volk, aber sein Volk wollte nichts von ihm wissen.“ Johannes 1, 11. Das ist doch dieselbe Tragik wie heute. Jesus ist praktisch auf der ganzen Welt bekannt, aber die Menschen wollen nichts von ihm wissen. Was machst du? Hat Jesus bei dir Platz gefunden? Hast du seine Einladung angenommen? Ja – es gibt zum Glück Menschen, die Jesus nicht verachten, denn Johannes sagt im folgenden Vers: „All denen jedoch, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden.“ Johannes 1, 12. Gehörst du zu denen, die Jesus aufgenommen haben? Ich hoffe es für dich! Ich wünsche es dir! Denn nur so hast du eine grossartige Zukunft. Auch wenn Jesus fliehen musste, wenn er in einer unbedeutenden Ortschaft aufgewachsen ist und in einem Gebiet lebte, dass von vielen verachtet wurde, so ist Jesus eben doch oder gerade deswegen der Messias – der Sohn Gottes, der für unsere Schuld am Kreuz starb, auferstand und der wiederkommen wird, um uns zu sich zu holen!