Einleitung
Heute betrachten wir einen schwierigen Text. Damit Sie besser folgen können, habe ich Ihnen den Text gegliedert und ausgedruckt. So hoffe ich, dass Sie besser folgen und verstehen können. Ein Ausleger (Radloff) sagt zu diesem Abschnitt: Er gehört zu den Abschnitten des Neuen Testaments, die am schwierigsten zu verstehen und zu interpretieren sind. [1] Text lesen:
Einleitung: Folgt meinem Beispiel, so wie ich dem Beispiel folge, das Christus uns gegeben hat! (1.Kor 11,1)Ich muss euch dafür loben, dass ihr immer an mich denkt und die Anweisungen befolgt, die ich euch weitergegeben habe.(1.Kor 11,2)
Die Schöpfungsbedingte Ordnung: Ich muss euch aber auch noch dies sagen: Jeder Mann ist unmittelbar Christus unterstellt, die Frau aber dem Mann; und Christus ist Gott unterstellt. (1.Kor 11,3)
Praktische Anwendung für Korinth: Ein Mann, der im öffentlichen Gottesdienst betet oder Weisungen Gottes verkündet, entehrt sich selbst, wenn er dabei seinen Kopf bedeckt.(1.Kor 11,4)Eine Frau, die im öffentlichen Gottesdienst betet oder Weisungen Gottes verkündet, entehrt sich selbst, wenn sie dabei ihren Kopf nicht bedeckt. Es ist genauso, als ob sie kahlgeschoren wäre.(1.Kor 11,5)Wenn sie keine Kopfbedeckung trägt, kann sie sich gleich die Haare abschneiden lassen. Es ist doch eine Schande für eine Frau, sich die Haare abschneiden oder den Kopf kahlscheren zu lassen. Dann soll sie auch ihren Kopf verhüllen.(1.Kor 11,6)
Vertiefung der Schöpfungsordnung I: Der Mann dagegen soll seinen Kopf nicht bedecken; denn der Mann ist das Abbild Gottes und spiegelt die Herrlichkeit Gottes wider. In der Frau spiegelt sich die Herrlichkeit des Mannes. (1.Kor 11,7)Der Mann wurde nicht aus der Frau geschaffen, sondern die Frau aus dem Mann. (1.Kor 11,8)Der Mann wurde auch nicht für die Frau geschaffen, wohl aber die Frau für den Mann.(1.Kor 11,9)
Praktische Anwendung für Korinth: Deshalb muss die Frau ein Zeichen der Unterordnung und zugleich der Bevollmächtigung auf dem Kopf tragen. Damit genügt sie der Ordnung, über die die Engel wachen.(1.Kor 11,10)
Vertiefung der Schöpfungsordnung II: Vor dem Herrn gibt es jedoch die Frau nicht ohne den Mann und den Mann nicht ohne die Frau.(1.Kor 11,11)Zwar wurde die Frau aus dem Mann geschaffen; aber der Mann wird von der Frau geboren. Und beide kommen von Gott, der alles geschaffen hat.(1.Kor 11,12)
Der Grund der Anweisungen für Korinth: Urteilt selbst: Gehört es sich für eine Frau, in einem öffentlichen Gottesdienst zu beten, ohne dass sie eine Kopfbedeckung trägt?(1.Kor 11,13)Schon die Natur lehrt euch, dass langes Haar für den Mann eine Schande ist,(1.Kor 11,14)aber eine Ehre für die Frau. Die Frau hat langes Haar erhalten, um sich zu verhüllen.(1.Kor 11,15)
Schlussbemerkung: Falls aber jemand mit mir darüber streiten möchte, kann ich nur eines sagen: Weder ich noch die Gemeinden Gottes kennen eine andere Sitte im Gottesdienst.(1.Kor 11,16)
Wir werden nun diesen offensichtlich schwierigen Abschnitt betrachten.
I. Zwei grundverschiedene Argumente
Paulus benutzt hier zwei grundverschiedene Argumente. (Folie: Zwei grundverschiedene Argumente) Auf der einen Seite benutzt er die Schöpfungsordnung, er betont damit, wie sich Gott das Verhältnis von Mann und Frau gedacht hat. Auf der anderen Seite argumentiert er mit der damaligen Sitte, die veränderlich ist und auf die spezielle Zeit und Situation von Korinth eingeht. Paulus wendet die Schöpfungsordnung auf die damalige Sitte an.
Schöpfungsargument
Zuerst betrachten wir die Schöpfungsargumente. Diese Aussage hatten wir bereits betrachtet. (Folie: 1.Kor.11,3)(Folie: 2x Dreieinigkeit erklären)
Sitte
Dann wendet Paulus diese Schöpfungsordnung auf die damaligen Sitten an. Im Grund geht es dem Paulus darum, das das Verhalten der Christen die damaligen Sitten nicht so verletzt, dass das Evangelium in Verruf kommt. Urteilt selbst: Gehört es sich für eine Frau, in einem öffentlichen Gottesdienst zu beten, ohne dass sie eine Kopfbedeckung trägt?(1.Kor 11,13)Schon die Natur lehrt euch, dass langes Haar für den Mann eine Schande ist,(1.Kor 11,14)aber eine Ehre für die Frau. Die Frau hat langes Haar erhalten, um sich zu verhüllen.(1.Kor 11,15)
Hier beruft sich Paulus ganz eindeutig auf ein Empfinden in der damaligen Zeit in Korinth. Gerade mit der Haarlänge des Mannes kann man das sehr schön aufzeignen. So gibt es im AT viele Männer, die lange Haare trugen, so war langes Haar was sogar ein Zeichen der gottgeweihten Männern z.B. Samuel. (Hanna) »HERR, du Herrscher der Welt, sieh doch meine Schande und hilf mir! Vergiss mich nicht und schenk mir einen Sohn! Ich verspreche dir dafür, dass er dir sein ganzes Leben lang gehören soll; und sein Haar soll niemals geschnitten werden.« (1.Sam 1,11)Aber auch Simson gehörte dazu. Der König Absalom ebenfalls auch sehr langes Haar, von ihm wird berichtet: In ganz Israel gab es keinen Mann, der so schön war und so sehr bewundert wurde wie Abschalom. Vom Scheitel bis zur Sohle war alles an ihm vollkommen. Wenn er sein Haar schneiden ließ - und das geschah einmal im Jahr, wenn es ihm zu schwer wurde -, dann wog das abgeschnitte Haar jedesmal fünf Pfund. (2.Sam 14,25-26)Hingegen lesen wir über den Kaiser Nero: Er war so schamlos, dass er sein Haar immer in langen Lockenreihen frisiert trug. Auf seiner achäischen Reise liess er es sogar auf die Schulter hinabwallen. (Sueton, Cäsarenleben, Nero, 51) Hier sehen wir deutlich, dass langes Haar mit Schamlosigkeit in Verbindung gebracht wird. Dasselbe gilt auch für das Kopftuch oder die Haarbedeckung der Frau. Diese Kopfbedeckung gehörte zur Frau in der damaligen Welt. Ähnlich wie wir das bei den islamischen Völkern beobachten können. An der Haartracht konnte man erkennen, ob eine Frau verheiratet war oder nicht. Sicherlich ist einigen auch der Begriff unter die Haube kommen noch geläufig. Ich sah vor einigen Jahren einen Film, wo der Mann der Frau bei der Hochzeit ein Kopftuch angezogen hatte, um auszudrücken, dass sie jetzt unter seiner Obhut steht.
Ein Kommentator schreibt zu diesem Kopftuch: Die Halakha verlangte von der jüdischen Frau, dass sie sich ausserhalb des Hauses nur mit bedecktem Haupte zeigte. Das Ausgehen im blossen Kopf rechnete man der Frau als etwas Schandbares an, so dass ihr Mann sie deshalb entlassen durfte, u. zwar ohne verpflichtet zu sein, ihr die ausbedungene Hochzeitsverschreibung zu zahlen. Umgekehrt galt die gewaltsame Entblössung des Kopfes einer Frau für eine so schwere Beschimpfung, dass die Mischna dem Täter die Zahlung eines Beschämungsgeldes in Höhe von 400 Zuz auferlegt hat. [2]
Die Frau bedeckte ihren Kopf nicht nur im Gottesdienst zum Beten und prophetisch Reden, sondern überall ausser im eigenen Haus. Bei uns in Zürich hat die Kopfbedeckung keine Bedeutung. Niemand würde auf die Idee kommen, dass eine Frau mit einem Kopftuch verheiratet ist. Eher würde man sich fragen, ob sie vielleicht dem Islam angehört. Es gibt heute noch Gemeinden, die das tragen eines Kopftuches in der Gemeinde verlangen. Aber man merkt dabei nicht, dass es gar nicht praktikabel ist, denn meistens nehmen dann die Frauen ihr Kopftuch in den Gottesdienst mit und ziehen es erst im Gottesdienst an. Damit, dass der Apostel den Christinnen von Korinth den Schleier empfiehlt, verlangt er von ihnen keinen unbekannten Brauch, sondern er erklärt eine vorhandene Sitte für richtig und begründet sie geistlich. [3]
Paulus will hier mit diesem Abschnitt nicht eine allgemeingültige Sitte propagieren, die über die ganze Menschheitsgeschichte gelten sollte. Paulus will, dass Christen keinen Anstoss erregen und dadurch das Evagelium in Verruf bringen. Die Christen in Korinth hatten Mühe mit den Freiheiten, die der Glaube an Christus mit sich brachte umzugehen. Sie meinten nun alle Sitten über Bord werfen zu können. Stolz erhob sich Einer über den Anderen. Sie verstanden es nicht mit der gewonnen Freiheit in Christus richtig umzugehen. Deshalb beschäftigt sich Paulus mit ganz konkreten Verhaltensweisen, um den Christen zu erklären, wie man die Freiheit in Christus auslebt. Er betonte dabei nicht die Autonomie des Christen, der sagt ich muss mich nur noch vor Gott verantworten, alles andere interessiert mich nicht. Paulus betont besonders die Freiheit zum Dienen, zur Unterordnung, zum Verzicht usw. Wie diese Freiheit ausgelebt werden soll beschreibt Paulus ein Kapitel vorher: Ich sage also: Ob ihr esst oder trinkt oder sonst etwas tut, so tut alles zur Ehre Gottes. (31) Lebt so, dass ihr für niemand ein Glaubenshindernis seid, weder für Juden noch für Nichtjuden, noch für die Gemeinde Gottes. (32) Macht es so wie ich: Ich nehme in allem Rücksicht auf alle. Ich suche nicht meinen eigenen Vorteil, sondern den Vorteil aller anderen, damit sie gerettet werden. (1.Kor 10,31-33)Genau darum geht es auch in unserem Abschnitt wieder. Das Hauptthema ist nicht die Kopfbedeckung der Frau, sondern der rechte Umgang mit der gewonnen Freiheit in Christus.
Die Frau hat durch das ausziehen Ihrer Kopfbedeckung im Gottesdienst Anstoss erregt, weil sie sich dadurch – im Empfinden der damaligen Zeit – dem Mann gleichstellte. Das empfanden die Leute schamlos, unsittlich, es war einfach unerträglich. Vielleicht etwa so, wie wenn ich heute in der Badehose hier vorne stehen würde. Jeder kannte die Bedeutung der Kopfbedeckung. Er wusste genau um deren Symbolik. Paulus wird ganz radikal, wenn er sagt: Wenn sie keine Kopfbedeckung trägt, kann sie sich gleich die Haare abschneiden lassen. Es ist doch eine Schande für eine Frau, sich die Haare abschneiden oder den Kopf kahlscheren zu lassen. Dann soll sie auch ihren Kopf verhüllen.(1.Kor 11,6)Wenn Paulus nun im Vers 10 von den Engeln spricht, dann ist das nicht so zu verstehen, dass die Engel über die Sitten der damaligen Zeit wachen. Engel sind keine Gesetzeshüter. Ihnen geht es nur um das Eine: sie wollen nicht, dass das Evangelium und somit Gott selbst unnötig in Verruf kommt.
Sind wir uns bewusst, dass es nicht immer um uns geht, sondern vielmehr um die Ehre Gottes. Ist es für uns eine ernsthafte Frage, ob das, was wir tun zur Ehre Gottes dient, oder fragen wir einfach danach, was mir besser gefällt? Wir sind die Visitenkarten des Reiches Gottes. Wenn wir uns so verhalten, dass die Leute sich empören, weil wir ihre Empfindungen unnötig verletzten, dann tun wir dem Evangelium keinen guten dienst. Wir tun dem Evangelium auch keinen guten Dienst, wenn wir an Sachen festhalten, die nichts mehr mit unseren Sitten in Zürich zu tun haben. So erwecken Frauen, die ihren Kopf im Gottesdienst bedecken Unverständnis, weil man das gar nicht mehr versteht.
II. Gleichwertig
Obwohl Paulus an der schöfpungsgemässen Unterordnung der Frau festhalt, unterlässt er es nicht im gleichen Zusammenhang die Gleichwertigkeit von Frau und Mann zu betonen. Vor dem Herrn gibt es jedoch die Frau nicht ohne den Mann und den Mann nicht ohne die Frau.(1.Kor 11,11)Zwar wurde die Frau aus dem Mann geschaffen; aber der Mann wird von der Frau geboren. Und beide kommen von Gott, der alles geschaffen hat.(1.Kor 11,12)Diese Überzeugung findet auch ganz praktischen Ausdruck, denn Paulus geht in diesem Abschnitt ganz selbstverständlich davon aus, dass eine Frau in der Öffentlichkeit betet und sogar Weisungen Gottes verkündigt oder wie es die Lutherübersetzung sagt: prophetisch redet. Er verbietet ihr in keiner Weise die Beteiligung im Gottesdienst, die Frauen können sich mündlich am Gottesdienst beteiligen, was wir wenn wir 1.Kor.14 betrachten, wo er davon spricht, dass die Frau schweigen soll. Paulus verbietet hier das öffentliche Sprechen der Frau nicht, er gibt nur Anweisungen in welcher Art das geschehen soll.
Schluss
(Folie: zwei grundverschiedene Argumente) Paulus sagt, dass der Glaube an Christus, nicht die Schöpfungsordnung ausser Kraft setzt. Die schöpfungsgemässe Unterordnung der Frau wird durch Christus nicht aufgehoben. Aber auch hier gilt, dass sich der Mann selbst Christus unterordnet.
Es ist nun unsere Aufgabe herauszufinden welches in Zürich die kurzen Haare der Männer und die Kopftücher der Frauen sind. Wir müssen überlegen, wie wir in unserer Gesellschaft der Schöpfungsordnung Ausdruck verleihen können. Paulus will sich in dieser Frage nicht weiter in ein Streitgespräch verwickeln, so sagt er: Falls aber jemand mit mir darüber streiten möchte, kann ich nur eines sagen: Weder ich noch die Gemeinden Gottes kennen eine andere Sitte im Gottesdienst.(1.Kor 11,16)
[1] Alfred Kuen: Die Frau in der Gemeinde, S. 116.
[2]Strack/Billerbeck: Kommentar zum Neuen Testament, III, 427.
[3] Alfred Kuen: Die Frau in der Gemeinde, S. 140.