Herr Präsident, liebe Gemeinde,
wir waren schon zu spät. In aller Eile wollte ich Lukas noch schnell zum Stützpunkttraining fahren. Dabei schaute ich auf die Benzinanzeige. Natürlich war der Tank fast leer. Sie wissen, wie das läuft. Also fuhr ich schnell noch an der Tankstelle vorbei, stürmte zur Zapfsäule, steckte den Stutzen hinein. Benzin kam, der Tank wurde voll.
Plötzlich packte mich das kalte Entsetzen – Sie ahnen es schon. Nein, ich hatte kein Geld dabei. Das wäre vielleicht noch gegangen, dann wäre ich möglicherweise kreditwürdig gewesen. Aber nein, das war nicht das Problem. Als ich den Stutzen herauszog, bemerkte ich, dass ich den falschen Treibstoff getankt hatte: Normalbenzin statt Diesel.
Wenn ich jetzt losgefahren wäre und der Termin gedrängt hätte, dann hätten wir einen Motorschaden gehabt. Was war zu tun? Der einzige Ausweg war ein totaler Austausch des Treibstoffs. An der Tankstelle war das nicht möglich. Also ließ ich mich vom ADAC zur nächsten Werkstatt abschleppen.
Dort wurde der falsche Treibstoff mit einem Saugverfahren herausgeholt. Das Normalbenzin wurde also entfernt, aber das hätte zum Fahren immer noch nicht genügt. Wenn also Herr Nesvoh jetzt versorgt ist und weiterfahren wollte, hätte ich im wahrsten Sinne des Wortes immer noch auf dem Trockenen gesessen.
Es musste also der falsche Treibstoff raus und Diesel eingefüllt werden, neuer Treibstoff rein. Erst dann konnte der Wagen seinen vernünftigen Dienst wieder tun, und der Motor war gerettet.
Das Bild des Treibstoffwechsels als geistliche Metapher
Heute in unserem Predigttext verordnet uns Paulus ebenfalls einen solchen Treibstoffwechsel. Er sagt: Wenn du als Christ dein Lebensauto so fahren willst, dass es dem Willen Gottes entspricht, wenn du dein Lebensauto so fahren willst, dass es zum Segen deiner Gemeinde wird und zum Segen für dich selbst, dann brauchst du immer wieder einen Treibstoffwechsel.
Damit kommen wir heute an eine sehr heikle Stelle in dieser Epistel. Letzten Sonntag hatten wir in den Versen unmittelbar davor, Epheser 4,17-24, gesehen, dass Gott uns als seine Kinder annahm, als wir Christen wurden. Er hat uns herausgeholt aus unserem alten Leben und hineingestellt in ein neues Leben. Das haben wir letzten Sonntag betrachtet: Das alte Leben ausgezogen, das neue Leben angezogen – das hat Gott an unserem Leben gewirkt.
Wir hatten außerdem gesehen, dass dieses neue Leben ein Kontrastprogramm ist. Gott führt uns in einen Lebensstil hinein, der sich an Gottes Maßstäben ausrichtet. Dadurch gerät dieses Leben unausweichlich in Konflikt mit den Lebensmaßstäben der Heiden. Ein Kontrastprogramm ist das neue Leben, bestimmt vom Maß Gottes.
Wir hatten auch gesehen, dass dieses Kontrastprogramm etwas mit unserem Denken zu tun hat. Gott lehrt uns, neu zu denken, die Dinge neu zu bewerten, zu prüfen und daraufhin neue Entscheidungen zu treffen. Dieses neue Leben wird ständig erneuert.
Als Christen sind wir nicht perfekt, wenn wir bekehrt sind. Gott arbeitet ein ganzes Leben lang an uns, bis wir einmal ganz bei ihm sind. Erst dann werden wir vollkommen sein und alle Sünde endgültig los sein. Das haben wir letzten Sonntag gesehen.
Die praktischen Folgen des neuen Lebens
Und heute nun, in der Fortsetzung, zeigt Paulus uns an konkreten Beispielen aus dem Alltag, wie dieses neue Leben praktisch aussehen soll. Er beschreibt, welche Symptome und Folgewirkungen dieses neue Leben bei uns haben wird – gewissermaßen das, was Gott in uns finden möchte.
Folglich ist das erste Wort in diesem Text, den Sie vor sich haben – und das ist übrigens auch im griechischen Text das erste Wort – „darum“. Der Bibeltext beginnt also mit dem Wörtchen „darum“. Paulus sagt: Weil das so ist, was ich in den Versen 17 bis 24 geschrieben habe, weil du als Christ ein neues Leben von Gott geschenkt bekommen hast und hineingestellt worden bist in neue Kleider, gewissermaßen, darum...
Darum sollen jetzt auch die Folgen dieses neuen Lebens schrittweise in deiner Praxis erkennbar werden. Jesus hat diese Folgen, wie wir eben in der Lesung gehört haben, als Früchte bezeichnet. Früchte sind etwas, das organisch wächst, herauswächst aus einem guten Stamm, aus einer guten Wurzel. So soll unser Leben jetzt diese Früchte zeigen – die Früchte des neuen Lebens.
Wir warten mal kurz, bis das Fenster geschlossen oder geöffnet ist, jedenfalls so, dass es in der richtigen Stellung ist. Ein Käfer findet nicht raus, ja, wir sind heute ganz tierfreundlich. So, jetzt haben wir es geschafft, alles klar, danke.
Also, die Früchte des neuen Lebens sollen erkennbar werden, sagt Jesus. Wer in mir bleibt, der bringt Frucht. Wer zu mir gehört, bei dem wird sich das in seinem Leben auswirken. Paulus nennt jetzt in unserem Predigttext einige dieser Früchte beim Namen. Das ist eine gute Hilfe für uns, denn jeder von uns kann sich selbst überprüfen: Welche dieser Früchte sind bei mir schon gewachsen? Welche sind vielleicht stärker ausgeprägt, welche noch schwächer? Es ist eine Hilfe für jeden einzelnen von uns.
So lassen Sie uns jetzt diesen ganzen Text am Stück lesen, Verse 25 bis 32 aus Epheser 4:
Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. Zürnt ihr, so sündigt nicht. Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht dem Teufel Raum.
Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.
Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit.
Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einander, wie auch Gott euch vergeben hat.
Die Bedeutung der Reihenfolge in der Predigtreihe
In Christus, wir beten noch einmal zu Jesus Christus. Jetzt bitten wir dich, hilf uns, dass wir wirklich deine Stimme aus diesem Bibeltext heraushören und dass jeder von uns bei sich selbst ganz ehrlich erkennt, was du ihm, was du ihr damit sagen willst. Herr, wir bitten jetzt um deine Hilfe und deine Leitung, wenn wir diesen Text zusammen studieren wollen. Amen.
Liebe Gemeinde, es ist wichtig, dass diese Verse erst am Ende des vierten Kapitels stehen. Anders ausgedrückt: Dies ist heute die dreißigste Predigt in unserer Predigtreihe über den Epheserbrief, die dreißigste Predigt. Es ist wichtig, dass es erst die dreißigste Predigt ist und nicht die zweite, dritte oder vierte, in der dieses Thema behandelt wird.
Warum? Weil sonst ein großes Missverständnis entstehen könnte. Dieses Missverständnis würde so lauten: Christ sein bedeutet eine Anleitung zum ordentlichen Leben. Wäre dieser Text früher gekommen, vielleicht gleich am Anfang, hätte man denken können, der christliche Glaube bedeute, möglichst gut, ordentlich und wahrhaftig zu leben. Dabei helfe die Bibel, diesen ordentlichen, wahrhaftigen Weg zu finden. Das unterscheide Christen von anderen, nämlich dass sie möglicherweise wahrhaftiger sind oder mit ihren Worten sorgsamer umgehen als andere.
Dieses Missverständnis führt dazu, dass, wenn man jemanden fragt: „Bist du Christ?“, sehr schnell die Antwort kommt: „Ich bemühe mich, Christ zu sein.“ Das heißt, man versucht, den Ordnungen und Regeln, die hier aufgestellt werden, möglichst genau zu entsprechen. Man weiß, dass das nicht immer hundertprozentig funktioniert, aber man bemüht sich, Christ zu sein. Das ist das Missverständnis.
Auf der Welle dieses Missverständnisses schwimmt auch das Projekt Weltethos, das maßgeblich von dem katholischen Theologen Hans Küng entworfen wurde und auch von unserem Bundespräsidenten Köhler sehr stark unterstützt wird. Das Konzept besagt, dass die Religionen wunderbar zusammenarbeiten können. Jede Religion muss aus ihren Lehren die besten ethischen Prinzipien herausfiltern. Treffen sich dann alle und jeder bringt seine besten ethischen Prinzipien ein, erkennt man eine Schnittmenge. Auf dieser Basis können die Religionen dann friedlich und konstruktiv zusammenarbeiten.
Vielleicht haben Sie es mitbekommen: Gestern wurde von der Evangelischen Akademie in Tutzing – die von der Evangelischen Landeskirche finanziert wird – der Aga Khan geehrt. Der Aga Khan ist das spirituelle Oberhaupt von 18 Millionen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft der Ismaeliten, einer muslimischen Glaubensgemeinschaft, die zu den Schiiten zählt. Dieser Aga Khan erhielt den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing. Damit würdigt die Akademie das weltweite Engagement Kahns gegen die Armut, das durch die Ethik des Islams bestimmt sei.
In einer Würdigung der Akademie heißt es, der Aga Khan konkretisiere den Anspruch eines toleranten, sozial engagierten Islams. Die Botschaft ist klar: Wenn man den Islam nur richtig versteht, sagt die Evangelische Akademie Tutzing, dann kann er sich bestens mit dem christlichen Glauben ergänzen. Nämlich auf der Ebene einer Ethik, einer Toleranzethik, die versucht, die Verhältnisse in dieser Welt besser zu ordnen, als das zurzeit der Fall ist.
So viel Naivität, mag man denken, bringt nur eine Evangelische Akademie zustande. Und in diesem Sinne könnten auch Leute, die den Zusammenhang nicht beachten, die Verse von Paulus so deuten, dass der christliche Glaube eine Anleitung zum ordentlichen, anständigen Leben sei. So ist es nicht gemeint.
Der lebendige Gott setzt bei unserem Leben völlig anders an. Deshalb schickt Paulus diesen Versen, die wir hier haben, ja drei Viertel Kapitel voran. Das Hauptproblem, sagt die Bibel, ist nicht, dass wir falsch handeln, sondern dass wir falsch sind. Gott sagt nicht: Du handelst falsch, sondern: Du bist falsch in deinem Herzen. Und weil du falsch bist in deinem Herzen, bist du verloren. Das ist die Konsequenz: Du bist von Gott getrennt, selbst wenn du dich bemühst, einigermaßen wahrhaftig, friedlich und nächstenliebend zu leben.
Das ist dein Hauptproblem: Du bist von Gott getrennt. Deshalb setzt die Kerntherapie der Bibel beim Kernproblem an, nämlich bei der Vergebung unserer Schuld und beim Geschenk des neuen Lebens in der Wiedergeburt. Gott schenkt dem, der ihm glaubt, neues Leben zurück zu Gott.
Das Beziehungsproblem ist unser Hauptproblem, und das löst der lebendige Gott durch seinen Sohn Jesus Christus. Er nimmt das auf sich, was uns von Gott für immer hätte trennen müssen.
Dieses Kernanliegen hat Paulus in den ersten Versen ausführlich behandelt. Er beschrieb, wie wir Kinder Gottes wurden durch die Vergebung, wie Gott uns in seine Familie und in sein Reich hineingeholt hat. Erst danach – erst jetzt, am Ende des vierten Kapitels, in der dreißigsten Predigt über den Epheserbrief – kommen die logischen Auswirkungen dieses neuen Lebens zur Sprache.
Wir werden in den nächsten Kapiteln, ab Epheser 5,22, sehen, was das speziell bedeutet: die Auswirkungen für das Zusammenleben in der Ehe, die Auswirkungen für die Kindererziehung, die Auswirkungen für das Verhalten am Arbeitsplatz gegenüber dem Chef oder den Mitarbeitern. Paulus stellt das sehr konkret dar.
Heute geht es zunächst um die Auswirkungen für das Zusammenleben überhaupt, auch in der Gemeinde.
Der geistliche Treibstoffwechsel: Altes ablegen, Neues aufnehmen
Da sagt Paulus: Dein Leben braucht einen Energieaustausch. Denken Sie an den Treibstoffwechsel in der Werkstatt: Normalbenzin raus, Diesel rein. Dieser Vergleich passt ganz gut, denn unser altes Leben fuhr gewissermaßen mit Normalbenzin.
Unser altes Leben setzte sich aus alten Gewohnheiten zusammen, und diese alten Gewohnheiten waren der Normalfall. Deshalb passt das Bild sehr gut: Das Normalbenzin muss raus.
Aber Paulus bleibt nicht bei der Abgrenzung stehen, bei der Negation. Er sagt in einem Atemzug beides: Er nennt, was aus dem Herzen und aus dem Handeln heraus muss, und zugleich, was ins Herz und ins Handeln hinein muss. Es darf kein Vakuum entstehen, kein luftleerer Raum.
Paulus sagt nicht: Lass das, lass das, lass das, lass das, lass das. So stellen sich manche Leute christliche Ethik vor – einfach eine große Aufzählung von lauter Dingen, die man nicht darf. Aber so macht es Paulus nicht.
Stattdessen sagt er: Nimm das eine raus und nimm dafür das andere rein. Darum wird es jetzt in den nächsten Versen gehen.
Dabei werden wir wieder diese eigenartige Spannung erleben, die sich durch die Bibel hindurchzieht: Gott gibt uns das neue Leben als Geschenk. Er sagt: Du kannst es dir nicht erarbeiten, du kannst es dir nicht verdienen, du kannst es nur im Glauben demütig ergreifen. Ich schenke es dir.
Und dann sagt er weiter: Ich schenke es dir und wirke jetzt auch die Veränderungen in deinem Leben. Weil ich dir das schenke, darfst du dich jetzt mit deinem ganzen Engagement reinhängen und lernen, mir gehorsam zu sein.
Erster Treibstoffwechsel: Von der Lüge zur Wahrheit
Jetzt sehen wir, welchen Treibstoffwechsel Paulus uns hier verordnet. Der erste Wechsel, zu dem er uns auffordert, steht in Vers 25. Dort heißt es: „Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind.“
Das ist also der erste Treibstoffaustausch: von der Lüge zur Wahrheit. Wenn Sie mitschreiben wollen, notieren Sie: erstens von der Lüge zur Wahrheit.
Das Wort für Lüge im Griechischen ist Pseudos. Das kennen Sie alle. Wenn jemand ein Pseudofussballer ist, tut er nur so, als wäre er ein Fußballer, kann aber in Wirklichkeit gar nicht spielen. Das heißt Lügen: Ich erwecke einen Eindruck, der dem wahren Sachverhalt nicht entspricht, um den anderen zu täuschen.
Lügen gehören in der Welt zu den ganz normalen Umgangsformen. Sie werden bestenfalls als Kavaliersdelikt betrachtet. Teile der Gesellschaft sind geradezu systematisch auf Lügen aufgebaut. Wenn manche Leute plötzlich aufhören würden zu lügen, würde manches in der Gesellschaft überhaupt nicht mehr funktionieren.
Aber die Bibel nimmt das Ganze nicht auf die leichte Schulter. Jesus sagt: „Der Teufel ist der Vater der Lüge“ (Johannes 8,44). Lüge hat viele Facetten und Gesichtspunkte. Das kann falsche Information sein oder dass ich maßlos übertreibe und dadurch einen völlig anderen Eindruck erwecke, als der Wirklichkeit entspricht. Steuerbetrug kann Lüge sein. Das heißt, ich versuche, den anderen in die Irre zu führen, um mir selbst einen Vorteil zu verschaffen, den ich sonst nicht hätte.
Deswegen steht schon in den Zehn Geboten: „Du sollst nicht lügen.“ Man kann schnell zum Lügner werden. Paulus sagt jetzt zu den Christen: „Legt die Lüge ab!“ Das Wort, das hier benutzt wird, verwendet man, um ein Kleidungsstück abzulegen. Legt die Lüge ab, trennt euch davon, zieht sie aus!
Na klar wird uns das auch als Christen hier und da immer noch mal wieder passieren, dass wir da hineintappen. Hinterher fassen wir uns an den Kopf und sagen: „Mensch, jetzt hast du eine Lüge gesagt.“ Aber das darf nicht zum Normalfall werden. Das dürfen wir nicht selbst bei uns als ein Kavaliersdelikt entschuldigen. Das darf nicht zur Grundhaltung werden: „Naja, man lügt eben so ein bisschen.“ Nein, Lüge raus! Das ist das Normalbenzin – und Dieselrein.
Paulus sagt: redet die Wahrheit. Darum geht es. Damit ist nicht nur die theologische Wahrheit gemeint, also dass wir die richtige, wahre Lehre den Menschen sagen – das natürlich auch –, sondern hier ist auch gemeint, dass wir die Wahrheit im Alltag sagen.
Es gibt eine ganz klassische Definition von Wahrheit: Wahrheit ist die Übereinstimmung zwischen einer Sache und einer Aussage. Das heißt, dass ich über eine Sache wirklich eine richtige, zutreffende Aussage mache. Und das gilt bis in die Kleinigkeiten hinein.
Wenn wir als Christen an der Kasse stehen und die Dame uns plötzlich fünf Euro zu viel herausgibt, als eigentlich angemessen wäre, dann sollte es selbstverständlich für uns sein, sie darauf hinzuweisen. Und wenn sich daraus ein Gespräch ergibt, warum wir sie darauf hinweisen, umso besser. Vielleicht denkt sie dann noch ein bisschen länger darüber nach.
Wahrheit ist so wichtig. Warum? Weil nur durch Wahrheit Vertrauen wachsen kann. Nur durch Wahrheit kann Vertrauen wachsen.
Der Evangelist Theo Lehmann hat das mal über seinen Vater gesagt: „Mein Vater war kein perfekter Mensch, aber er hat mich nie belogen. Er hat mir immer die Wahrheit gesagt.“ Das könnte ich über meinen Vater genauso sagen, und ich denke, mein Sohn über mich auch.
Das ist die Grundlage für Vertrauen: Ich weiß, der andere sagt mir immer die Wahrheit. Paulus betont das hier noch einmal besonders in Bezug auf die Gemeinde. Er sagt: „Weil wir untereinander Glieder sind.“ Das heißt natürlich nicht, dass wir als Christen nur verpflichtet sind, Christen gegenüber die Wahrheit zu sagen. Das will Paulus hier nicht sagen.
Er bringt das Wahrheit sagen in der Gemeinde als ein Beispiel dafür, wie wichtig Wahrhaftigkeit für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft ist. Denn Gemeinschaft baut auf Vertrauen, und Vertrauen baut darauf, dass man sich die Wahrheit sagt. Lüge untergräbt die Gemeinschaft, und Wahrheit stärkt sie. Das ist in jeder Familie und in jeder Gemeinde so.
Paulus, Sie haben es schon gemerkt, lässt hier wieder sein Lieblingsbeispiel für die Gemeinde anklingen, nämlich den menschlichen Körper. Er sagt: „Wir sind untereinander Glieder.“ Und auch der Körper kann nur funktionieren, wenn seine einzelnen Teile verlässlich miteinander kommunizieren. Sonst funktioniert der ganze Körper nicht.
Stellen Sie sich vor, das Gehirn sendet falsche Signale an die Füße. Dann werden wir stolpern. Wir werden torkeln wie ein Betrunkener, weil das Gehirn falsche Signale an die Füße sendet und keine Signale, die dem wahren Sachverhalt entsprechen.
Oder das Gehirn meldet plötzlich eine falsche Temperatur an den Körper. Es meldet, dass es ganz, ganz warm ist, in Wirklichkeit ist es aber kalt. Dann schützt der Körper sich nicht entsprechend gegen die Kälte.
Oder das Auge sendet falsche Signale an das Gehirn. Das Auge sendet das Signal: „Da kommt eine Kurve.“ In Wirklichkeit geht es aber geradeaus weiter. Überlegen Sie mal, was das für das Autofahren bedeutet, wenn das Auge plötzlich falsche Signale sendet.
Oder wenn die Nerven in den Händen und Füßen falsche Signale an das Gehirn senden, etwa nicht melden, wenn eine Verletzung vorliegt. Das ist zum Beispiel bei der Leprakrankheit das große Problem. Dort senden die Nerven keine angemessenen Schmerzsignale mehr. Die Leprakranken verletzen sich dadurch ganz furchtbar, etwa an ihren Füßen, weil sie keine Schmerzen empfinden und nicht merken, wo sie auf Widerstand stoßen.
Wenn die Kommunikation in einem Körper nicht wahrhaftig und angemessen funktioniert, dann funktioniert überhaupt nichts. Und so sagt Paulus: „Es ist mit der Gemeinde ebenso.“ Weil ihr untereinander Glieder seid, sollt ihr wahrhaftig miteinander umgehen.
Dabei muss man die Wahrheit sagen. Das heißt nicht, dass ich immer alles sagen muss, was mir gerade so durch den Sinn geht. Manche Therapien, die von Sigmund Freud sehr stark geprägt sind, lehren zum Beispiel: Man muss alles auspacken, alle Empfindungen auf den Tisch legen. Nur dann ist man authentisch, nur dann ist man echt. Man muss dem anderen auch sagen, was einem an ihm missfällt, und man muss die ganze Aggression rauslassen. Nur dann wäre man wahr.
So ist das hier natürlich nicht gemeint. Auch manche Christen denken, sie seien besonders wahrhaftig, wenn sie immer alles ungeschützt auf den Tisch packen. Aber das sagt Paulus hier nicht.
Es gibt auch den Schutz der Verborgenheit. Die Bibel weiß etwas davon, was es bedeutet, dass wir die Intimsphäre wahren. Etwa im Umgang mit sensiblen Fragen, die den anderen tief in seinem Inneren berühren, brauchen wir auch so etwas wie eine Keuschheit im Umgang miteinander. Seelsorgerliche Verschwiegenheit sowieso.
Wahrheit sagen heißt nicht, immer alles auf den Tisch packen, was mir gerade durchs Hirn geht. Wahrheitsreden heißt nicht, dass ich immer alles sagen muss. Aber wenn ich rede, dann muss das, was ich sage, wahrhaftig sein. Nur so kann Vertrauen wachsen.
Das ist also der erste Treibstoffaustausch, den Paulus uns hier ans Herz legt: von der Lüge zur Wahrheit.
Zweiter Treibstoffwechsel: Vom ungezügelten zum gerechten Zorn
Und dann der zweite Wechsel: In Vers 26 und 27 sagt Paulus: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht Raum dem Teufel.“ Das ist der zweite Wechsel vom ungezügelten Zorn zum gerechten Zorn.
Das mag Sie vielleicht erstaunen. Paulus sagt nicht, vom ungezügelten Zorn dahin, dass Sie überhaupt nicht mehr zornig sind, sondern vom ungezügelten Zorn zum gerechten Zorn. Nicht jede Art von Zorn wird in der Bibel grundsätzlich abgelehnt. Es gibt auch einen heiligen Zorn, einen gerechtfertigten Zorn über die Sünde.
Etwas später im Epheserbrief sagt Paulus in Kapitel 5, Vers 6: „Gottes Zorn kommt über den Ungehorsam.“ Das muss ein gerechter Zorn sein. Und Jesus hat es einmal ganz deutlich gesagt in Markus 3, Vers 5. Dort heißt es über Jesus: „Und er sah sie an mit Zorn.“ Sünde auch von seinen Nachfolgern.
Jesus erwartet, dass wir uns nicht mit der Sünde abfinden. Wissen Sie, es gibt einen fehlenden Zorn unter manchen Christen, und dieser fehlende Zorn ist Ignoranz gegenüber dem Bösen, Apathie, Leblosigkeit gegenüber der Unmoral. Das darf uns doch nicht kalt lassen.
Liebe Leute, wenn wir Gott lieben, dann kann es uns doch nicht egal sein, wie die Welt mit ihm umgeht und mit seinen Geboten. Im Psalm 119 steht der Vers: „Zorn erfasst mich über die Gottlosen, die dein Gesetz verlassen.“ Und ich frage Sie: Kennen wir das noch, diesen gerechten Zorn über die Gottlosigkeit, darüber, dass man Gottes Gebote mit Füßen tritt, über die Unmoral, über die ganzen Perversitäten, die vor uns ausgebreitet werden in den Medien, über die Brutalität, über die Verführung der Menschen?
Versetzt uns das noch in Zorn, wenn wir sehen, wie gestern Abend – ich habe nur mal kurz reingeschaut – die Gruppe, die den Grand Prix der Eurovision gewonnen hat, im Grunde genommen mit einer Horrorshow das fortsetzt, woran wir durch Harry Potter und andere Erzeugnisse schon gewöhnt worden sind, wo sozusagen der Horrortrip europaweit auf den Schlagerthron gesetzt wird?
Man muss sich vorstellen, von welcher Geisteshaltung diese Dekadenz in Europa zeugt. Und kann uns das noch in einen gerechten Zorn versetzen? Wir sollen keine falsche Zurückhaltung walten lassen gegenüber bösen Zuständen, bösen Taten, bösen Worten.
In der Politik hat man das die Politik des Appeasement genannt, bei der manche dachten, sie würden Diktatoren am besten besänftigen, indem sie sich möglichst freundlich und vorsichtig ihnen gegenüber verhielten. Und so gewöhnen wir uns als Christen manchmal gegenüber dem Bösen und der Unmoral eine Form des Appeasements an. Wir sagen: „Na ja, wir wollen den Konflikt nicht auf die Spitze treiben, schließlich sind wir ja immer friedlich als Christen.“
Das wollte Jesus nicht. Es gibt einen heiligen Zorn, einen gerechten Zorn, und da sollten wir unserem Herrn wirklich nachfolgen – um seines Willen und um seiner Ehre willen.
Solcher Zorn ist nicht so sehr ein äußerer Gefühlsausbruch, das ist mit diesem Wort hier nicht gemeint, sondern eher eine tiefe, innere, überzeugte Ablehnung des Falschen. Dies ist verbunden mit Traurigkeit, mit tiefer Traurigkeit. Gerechter Zorn ist von Gott angesagt – auch für uns.
Allerdings muss ich zugeben, dass es dabei auch bei gerechtem Zorn immer eine gewisse Gefährdung gibt: dass der gerechte Zorn zu einem selbstgerechten Zorn wird, dass ich mich innerlich über den anderen erhebe. In Jakobus 1, Vers 20 steht: „Denn der Zorn des Menschen tut nicht, was vor Gott recht ist.“ Damit ist ein auf sich selbst gerichteter, selbstgerechter Zorn gemeint.
Darum macht Paulus hier drei Einschränkungen. Er sagt: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht Raum dem Teufel.“ Das wollen wir uns kurz anschauen.
Also: Wenn wir zürnen, auch gerecht, dann sollen wir nicht sündigen. Das steht schon in Psalm 4, Vers 5: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; redet mit eurem Herzen auf eurem Nachtlager und seid still.“ Auf dem Nachtlager soll einer seinen Zorn noch einmal überdenken, seinen Zorn noch einmal überprüfen.
Denn wir können mit unserem Zorn auch sündigen im Hinblick auf das Motiv. Dann meinen wir, wir würden um Gottes Willen zürnen und um seiner Gerechtigkeit willen, und in Wirklichkeit zürnen wir vielleicht nur um unserer eigenen Eitelkeit und Empfindlichkeit willen oder weil wir uns nicht beherrschen können.
Wir können also sündigen im Hinblick auf unser Motiv und auch im Hinblick darauf, wie wir unserem Zorn Ausdruck verleihen. Der gerechte Zorn soll auch ein gezügelter Zorn sein. Das kommt später noch in dem Vers: nicht so ein wildes Drauflos-Schlagen, weil wir uns mal wieder Luft machen wollen.
Paulus sagt also: Wenn ihr zürnt, so sündigt nicht. Sogar gerechter Zorn kann in Bitterkeit umschlagen. Darum die zweite Einschränkung: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ Lasst sie nicht untergehen.
Wissen Sie, im Judentum endet mit dem Sonnenuntergang der alte Tag. Deswegen beginnt der Sabbat ja auch schon am Freitagabend, wenn die Sonne untergegangen ist. Wenn Paulus jetzt sagt: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, dann sagt er damit: Nehmt den Zorn nicht mit in den neuen Tag, nehmt ihn nicht mit in die Nacht hinein.
Das ist ein wichtiger Rat, auch für Ehepaare. Wenn ich Traugespräche führe, komme ich regelmäßig darauf zu sprechen und sage: Machen Sie sich das zu einer guten Regel für Ihre Ehe. Wenn Sie auch mal Krach miteinander haben und es richtig kracht, dann lassen Sie die Sonne nicht untergehen über Ihren Zorn. Nehmen Sie ihn nicht mit in die Nacht hinein.
Es zerstört und quält so viel, wo es überhaupt nicht nötig ist. Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Brüte deinen Zorn nicht aus, kultiviere deinen Zorn nicht und lass deinen Zorn erst recht nicht unkontrolliert vor sich hin brutzeln, köcheln und kochen.
Also rechtzeitig klären, rechtzeitig Versöhnung suchen. Denn wo man Zorn in sich hineinfrisst und möglicherweise sogar daran festhalten will, vielleicht aus Trotz, da gibt man jemandem Raum und Einfluss, der bei uns keinen Raum und Einfluss haben sollte.
Und das ist die dritte Einschränkung, die Paulus vornimmt: „Gebt nicht Raum dem Teufel“, sagt er.
Das ist interessant. Offensichtlich ist Zorn ein beliebtes Werkzeug des Teufels, um Frieden und Segen in Gemeinden und Familien zu stören und zu untergraben. Der Teufel weiß, wie fließend oft die Grenze zwischen gerechtem und ungerechtem Zorn, zwischen ungezügeltem Zorn ist, dass sie oft hauchdünn ist und dass wir diese Grenze manchmal überschreiten, ohne es zu merken.
So führt uns der Teufel sehr gerne an der Nase herum, indem er Raum gewinnt durch unseren ungerechten oder falsch ausgeführten Zorn. Wie viel Gemeinschaft ist dadurch schon zerstört worden? Wie viel fruchtbare Zusammenarbeit ist kaputt gemacht worden durch ungezügelten Zorn, wo ungerechter Zorn den Boden des Herzens düngt oder wo gerechter Zorn, mit dem wir falsch umgehen, bei uns haften bleibt?
Was wächst da auf dem Herzensboden? Da wächst Bitterkeit, da wächst Hass, da wächst Selbstmitleid, Selbstgerechtigkeit, Stolz, Rachegelüste und andere zerstörerische Gedanken können dort wachsen, wo der Zorn das Herz düngt.
Darum sagt Paulus: Dieser Austausch ist so wichtig. Raus mit dem falschen Zorn und rein, ja, einerseits mit dem gerechten Zorn, aber dann auch rein mit der immer wieder praktizierten Bereitschaft zur Versöhnung und zur Klärung.
Und wie können wir das praktisch machen, wenn uns so ein Zorn packt? Der beste Weg ist bestimmt, dass wir das einfach im Gebet vor unserem Herrn ausbreiten und unseren Zorn gebetsmäßig entsorgen. Wir sagen: „Herr, du weißt, es hat mich so gepackt. Es treibt mich dermaßen um. Bitte nimm mir das jetzt ab. Ich lege es dir wirklich hin. Ich bitte dich, lass mich auch innerlich zur Ruhe kommen. Ich will nicht schuldig werden an dieser Sache. Vergib mir, wo ich über die Stränge geschlagen habe, vergib mir, wo ich über das Ziel hinausgeschossen bin, und lass das jetzt bitte zur Ruhe kommen.“
Das ist sicherlich die wichtigste und wirksamste Entsorgung unseres Zorns: das Gebet.
Dann kann es in manchen Fällen noch nötig und gut sein, mit dem Betroffenen darüber zu reden, wenn ein anderer Mensch noch betroffen ist. Das muss nicht immer sein. Manchmal weiß der das vielleicht gar nicht. Warum soll ich ihn dann beunruhigen? Dann bringe ich das vor Gott ins Reine. Wenn ich merke, ich habe wieder Frieden über der Sache und kann ihm mit offenem Gesicht begegnen – er weiß das vielleicht gar nicht –, warum soll ich ihn nachträglich noch traurig machen oder in Unruhe versetzen?
Vor Gott muss ich es aber klären. Es gibt Situationen, wo ich es auch mit dem Betroffenen direkt ansprechen sollte, wenn bei ihm vielleicht auch etwas aufgekommen ist und ich das merke. Dann lasst uns reden.
Aber lasst uns wirklich den Weg des Herrn gehen: vom ungezügelten Zorn zum gerechten Zorn und zur Versöhnung.
Dritter Treibstoffwechsel: Vom Stehlen zum Spenden
Und schon machen wir Pause beim nächsten und dritten Gegensatz. Das ist der letzte, den wir heute noch schaffen werden. Die anderen beiden Gegensätze werden wir dann am Sonntag in acht Tagen, also heute in einer Woche, noch zur Sprache bringen.
Also erstens: von der Lüge zur Wahrheit, zweitens: vom ungezügelten zum gerechten Zorn und drittens: vom Stehlen zum Spenden. So kann man diesen Vers 28 zusammenfassen – vom Stehlen zum Spenden.
Wer gestohlen hat, sagt Paulus, der stehle nicht mehr, sondern er arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen geben kann. Der stehle nicht mehr – da steht im Griechischen das Wort Klepto, das kennen wir von Kleptomanie. Paulus sagt: Früher hast du dich unzulässigerweise bereichert, und jetzt sollst du die anderen zulässigerweise bereichern. So ist das gedacht. Normalbenzin raus, Diesel rein.
Das steht auch in den Zehn Geboten: Du sollst nicht stehlen. Und wie schnell man stiehlt! Man stiehlt Geld, man stiehlt Besitz anderer Leute, man hinterzieht Steuern, man beutet seine Arbeitnehmer aus, indem man ihnen keinen angemessenen Lohn gibt. Man beutet seinen Arbeitgeber aus, indem man die Arbeitskraft nicht richtig einsetzt und zur Verfügung stellt. Man lässt Rechnungen verfallen und bezahlt sie nicht. Es gibt viele Varianten, wie wir stehlen können.
So lebt ein Dieb auf Kosten anderer. Und das neue Leben, sagt Paulus, bedeutet jetzt nicht nur, dass du das Böse lässt, sondern dass du das Gute tust. Also, wie heißt es hier: Arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit du dem Bedürftigen geben kannst.
Das ist interessant. Christen werden immer wieder dazu angehalten, in der Bibel durch ehrliche Arbeit für sich und ihre Familien den Lebensunterhalt zu verdienen. Die Christen werden in keiner Weise zu Schmarotzern erzogen im Neuen Testament.
Lesen Sie mal 2. Thessalonicher 3, ab Vers 10. Dort sagt Paulus: Denn schon als wir bei euch waren, geboten wir euch: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Das sind klare Worte. Und dann geht es weiter: Denn wir hören, dass einige unter euch unordentlich leben und nichts arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben.
Da war so eine Lehre aufgetreten: Der Herr kommt sowieso bald, also setzen wir uns hin und warten. Paulus sagt: Mitnichten, ihr sollt arbeiten. Und dann führt er das noch mal an in 1. Timotheus 5, Vers 8. Er sagt: Wenn aber jemand die Seinen, besonders seine Hausgenossen, nicht versorgt, hat er den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Heide.
Also, wir sollen arbeiten, sagt Paulus. Das ist natürlich anders, wenn jemand durch Arbeitslosigkeit daran gehindert wird. Dann kann er ja gar nichts dagegen tun. Aber wenn wir arbeiten können, sollen wir arbeiten. Paulus sagt hier mit eigenen Händen, also selber. Das kann auch sein mit eigenem Kugelschreiber oder eigenem Computer, aber jedenfalls selber.
Wir sollen nicht anderen auf die Tasche fallen, wenn möglich. Und das Wort, das hier für Arbeiten steht, bedeutet sich einzusetzen. Und der schaffe gut – das Wort „gut“ steht im Griechischen wirklich auch im qualitativen Sinne. Also das ist Wertschöpfung. Wir sollen als Christen gutes Arbeiten leisten, ordentliche Qualität abliefern, egal in welchem Bereich wir arbeiten. Wenn das ethisch in Ordnung ist, sollen wir gute Qualität liefern als Christen.
Es ist hochinteressant, dass die Reformation, die das Wort Gottes wieder auf den Leuchter stellte, das Arbeitsethos in der Bevölkerung wieder ganz anders nach vorn gebracht hat. Sie wissen wahrscheinlich, dass Luther so betont hat: Ein Christ ist auch, wenn er da von Gott her stehen soll, an seinem Arbeitsplatz berufen.
In der Reformation wurde aus der Arbeit dann der Beruf. Luther sagte, wir sind, wenn Gott will, dass wir dort stehen, von Gott dorthin berufen. Wir sollen auch dort dem Herrn gehorsam sein. Wir sollen uns dort als Christen bewähren – als Schaffner oder als Fließbandarbeiter im Kollegenkreis oder als jemand, der Consulting betreibt oder eine Computerfirma führt oder als Krankenschwester arbeitet oder wo auch immer. Wir sind dort als Christen berufen und sollen gute Arbeit leisten, dort wo der Herr uns hinstellt. Die Schüler in der Schule übrigens genauso.
Also, für ehrliche Arbeit sollen wir sorgen. Und dann sagt Paulus nicht nur für uns selbst, nicht nur für die eigene Familie, sondern auch für andere, auch für das Reich Gottes. Er sagt hier: Damit er dem Bedürftigen abgeben kann. An anderer Stelle sagt Paulus mal: Geben ist seliger als Nehmen.
Das ist so wichtig, dass wir diese Aufforderung des Herrn sehen: Nicht stehlen, sondern spenden. Früher lebte man auf Kosten anderer, jetzt lässt man sich die Hilfe für andere etwas kosten. Deswegen brauchen wir alle diese Dienstgesinnung.
Im Reich Gottes sind auch Menschen vonnöten, ja, ich sage es mal ganz einfach, die das Geld ranschaffen. Bestimmte Missionswerke könnten nicht existieren, wenn es nicht Verdiener gäbe, die diese Missionswerke finanzieren. Das ist einfach so.
Jemand hat mal gesprochen von Charismatikern des Geldes. Also denen hat Gott die besondere Gabe gegeben, Geld ranzuschaffen. Und ich denke, da ist auch ein Mentalitätswandel gerade in Deutschland nötig, weil ja weite Teile in Deutschland immer von den Volkskirchen versorgt worden sind.
Das heißt, man zahlte seinen entsprechenden Steuersatz, der wurde einem automatisch sowieso abgenommen, und man bekam die Versorgung. Das lief ganz normal. Aber in dem Augenblick, wo man sich nicht mehr in den geordneten Verhältnissen der Volkskirche befindet – die sind ja nur finanziell geordnet, nicht theologisch geordnet, theologisch sehr ungeordnet – sondern wo man aus diesen eben finanziell geordneten Verhältnissen der Volkskirche herausgeht, da brauchen wir, und wir haben das ja auch unter uns schon erlebt, einen Mentalitätswandel.
Wir müssen sagen: Wir sind selber verantwortlich auch für die Arbeit, die im Reich Gottes geleistet und finanziert werden muss. Und wenn wir jetzt, wenn Gott das schenkt, demnächst eigene Räumlichkeiten mieten können, dann wird das auch wieder eine Anfrage an uns als Gemeinde sein: Sind wir willens, nach unseren Möglichkeiten das auch mitzufinanzieren?
Also Arbeit ist ein wichtiges Feld. Da geht es um unsere Zeit, um unsere Kraft und um unser Geld. Paulus sagt, es ist wichtig, dass wir nicht bequem werden in dem, was wir tun. Wir sollen gute Arbeit leisten. Wir sollen nicht nur nicht stehlen, sondern wir sollen so arbeiten, dass wir etwas Ordentliches zuwegebringen und am besten auch ordentlich spenden können.
Wir sollen nicht bequem werden. Aber natürlich soll sich die Arbeit auch nicht verselbständigen. Die Arbeit soll nicht ständig unsere ganzen Gedanken und alles, was uns so treibt, bestimmen, so dass wir nur noch unsere Arbeit machen.
Darum ist es so wichtig, auch für unsere Arbeit immer wieder die Perspektive des Reiches Gottes zu gewinnen. Ich weiß von vielen Leuten, die an guten Positionen gutes Geld verdienen, dass sie sagen: Das ist für uns eine große Hilfe, dass Gott mir immer wieder klar macht: Mensch, manchmal frage ich mich, warum tust du das überhaupt? Was bringt das für die Ewigkeit, wenn du an der Stelle dich gut einsetzt?
Aber dann sage ich diesen Leuten gerne: Gut, du bist als Christ dort vor Ort, und du kannst Menschen erreichen, die ein Pastor zum Beispiel nicht so leicht erreichen würde. Du kannst dort ein Zeuge Jesu Christi sein an deiner Stelle. Und das andere: Du kannst Geld anschaffen, das dem Reich Gottes wieder zugutekommt.
Also, so sagt Paulus: Nicht stehlen, sondern spenden. Hier geht es um die Arbeit mit der Hand. Im nächsten Vers, auf den wir dann in acht Tagen kommen werden, geht es um den Umgang mit unseren Worten.
Ich lese das jetzt nur noch mal: Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut, was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören, und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.
Abschluss und Ausblick
Ich komme für heute zum Schluss. Wir haben jetzt diesen ersten Treibstoffwechsel von Paulus verordnet bekommen: von der Lüge zur Wahrheit, vom ungezügelten Zorn zum gerechten Zorn, vom Stehlen zum Spenden.
Und eines bitte ich, dass Sie das mitnehmen und festhalten: Es geht hier nicht um einen allgemeinen Moralkatalog, das ist nicht gemeint. Es geht nicht um die pädagogische Verwirklichung eines humanen Ideals, sozusagen darum, dass Christen das beste Erziehungskonzept haben. Ich bin überzeugt, sie haben es, aber darum geht es hier noch nicht.
Worum geht es also? Es geht um unser persönliches Verhältnis zu unserem Herrn. Deshalb schauen wir uns das nächsten Sonntag noch genauer an. In Vers 30 steht: „Betrübt nicht den Heiligen Geist.“ Darum geht es eigentlich. Es geht hier auch um unser Verhältnis zu dem dreieinigen Gott, der uns seinen Heiligen Geist geschenkt hat.
Es geht darum, dass wir ihm gehorchen, ihm dienen und ihm auch Freude machen wollen. Darum geht es. Und daran werden wir jetzt ja auch im Abendmahl erinnert – im Abendmahl, wo der Herr uns ganz neu seiner Vergebung vergewissert.
Ich denke, nach diesem Predigttext können wir das Abendmahl besonders gut gebrauchen, wenn wir unsere eigenen Defizite so deutlich sehen. Wenn wir den Text weiterlesen, fallen uns sicherlich noch mehr Defizite auf. Dann ist es so tröstlich und stärkend, dass der Herr uns im Abendmahl vergewissert: „Mein Blut ist für dich geflossen, ich habe mein Leben für dich gegeben, und ich vergebe dir.“
Zum Abendmahl dürfen wir kommen, nicht weil wir sündlos sind, sondern weil wir unter unserer Sünde leiden und weil wir unsere Sünde bei Jesus abladen wollen.
Ein berühmter schottischer Theologe, John Duncan aus Edinburgh, hat einmal eine Abendmahlsfeier geleitet. Dabei bemerkte er, wie ein junges Mädchen, als das Abendmahl vorbeigereicht wurde, den Kopf abwandte, hochrot wurde, mit Tränen in den Augen das Mahl zurückwies. Er erkannte dieses Mädchen und wusste genau, was vorgefallen war.
Dann legte er ihr den Arm auf die Schulter und sagte: „Take it, Lassie, it’s for sinners.“ Nimm es, nimm es, Lassie, nimm das Mahl, es ist für Sünder.
Es ist gerade für den, der sich in seiner Unwürdigkeit vor dem Herrn erkennt. Es ist gerade für den, der seine Schuld einsieht und weiß, wie viel er Jesus Christus noch schuldig bleibt. Aber gerade wenn wir unsere Schuld erkennen, sind wir zum Mahl geladen, und der Herr vergewissert uns seiner Vergebung.
Durch seine Vergebung – und auch das macht uns das Mahl deutlich – haben wir dann untereinander eine übernatürliche Gemeinschaft. Die Vergebung des Herrn stiftet uns eine Gemeinschaft, wie sie zwischen Nichtchristen niemals möglich wäre. Auch das macht das Abendmahl deutlich.
Deshalb sollten wir den Herrn bitten, dass er alles Normalbenzin aus unserem Leben immer wieder raussaugt – das, was die Gemeinschaft gefährdet – und dass er immer wieder den richtigen geistlichen Diesel in unser Leben hineingibt, das, was die Gemeinschaft stärkt. So können wir mit dem Herrn leben.
Mein ganz praktischer Rat an Sie für die kommende Woche ist folgender: Legen Sie diesen Gottesdienstzettel – der ja so schön leuchtend ist und den man nicht so schnell verliert – zum Beispiel in Ihre Bibel und lassen Sie ihn einfach durch Ihre Gebetszeiten in der nächsten Woche mitlaufen.
So dient er als eine Art Beichtspiegel. Ich finde, das ist ausgesprochen hilfreich. Ich kann diese Verse lesen und den Herrn fragen: An welcher dieser Stellen sind in meinem Herzen Dinge, die geändert und bereinigt werden müssen?
So kann dieser ausgesprochen konkrete Predigttext uns als Beichtspiegel in unserer stillen Zeit in der kommenden Woche dienen. Der Herr führt uns an bestimmte Punkte, sagt uns, wo wir Buße tun müssen, und spricht: „Ich will dir vergeben.“
Dann richtet er unseren Blick nach vorn und sagt: „Ich will dir dieses schenken, dass du die Wahrheit sagst, dass du in gerechter Weise mit deinem Zorn umgehst und dass du zum Bau des Reiches Gottes beitragen kannst – auch durch deine Arbeit und alles, was du einsetzt.“
Das schenke uns der Herr, dass wir ihm folgen und dass er uns festhält und froh macht auch in der kommenden Woche. Amen.
Wir singen jetzt.