Gut, danke!
Sehnsucht nach Heimat und die Realität des Lebens
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Amen!
Es ist schon eine Weile her, da veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen kleinen Artikel mit dem Titel „Einmütig, wie man doch in der Menge verloren gehen kann.“
Aus dem Menschenknäuel, das in den U-Bahnwagen drängt, steigt eine wehmütige, etwas krächzende Stimme auf: „Ich will zu meiner Mami.“ Ein Kind, das verloren ging? Der kränende Ton macht misstrauisch und bremst die Hilfsbereitschaft, die sich gerade regen will.
Als die Neuzusteigenden nun in den Wagen kommen, wandert der sehnsüchtige Ruf mit ihnen: „Ich will zu meiner Mami“, bis auf einmal die Greisin zu sehen ist, die ihnen in echter Verzweiflung aufstößt. Kein Wunder, dass nun alles erstarrt.
Aber dann hellen sich die Minen in merkwürdiger Einmütigkeit auf. Der Chor von träumerisch dreinblickenden Gesichtern stimmt in schönem Einklang über die Klage der Alten ein: „Recht hat sie, Recht hat sie, das wollen wir doch auch, aber wir lassen es uns nicht anmerken.“
Soweit die FAZ.
„Ich will heim zu meiner Mami“ – eine interessante Beobachtung. Alle wollen nach Hause. Jeder sehnt sich nach dieser besonderen Geborgenheit, die wir mit dem Wort Heimat, Zuhause, verbinden.
Ein Dichter hat gesagt: „Weh dem, der keine Heimat hat.“ Und auch heute, am Ewigkeitssonntag, den viele Totensonntag nennen, werden traditionsgemäß wieder viele Menschen auf die Friedhöfe gehen. Wenn wir dort sind, werden wir ihnen begegnen. Sie werden die Gräber ihrer Eltern und vor allem die Gräber anderer Angehöriger besuchen.
Dabei werden sie, wenn sie das an sich heranlassen, etwas von dem Ernst spüren, der darin liegt: Nämlich, dass alles Zuhause, was wir in dieser Welt haben, nur ein Zuhause auf Zeit ist.
Umso dankbarer sind wir, wenn wir dieses Zuhause auf Zeit haben – für unsere Familien, für unsere Kinder, für unsere Eltern. Wie viele Menschen haben nicht einmal dieses Zuhause auf Zeit!
Ich sprach letzte Woche mit einem ehemaligen Fernfahrer, der berichtete mir, dass die meisten Fernfahrer mit dieser Hollywood-Romantik überhaupt nicht zusammenpassen. Er sagt, sie sind oft so einsam, und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, sind so hart, dass sie oft über Wochen, manchmal Monate nicht nach Hause kommen.
Und er sagt: Wenn einer drei Jahre lang auf so einem Truck gesessen hat, allein nur mit sich, Tag für Tag – und dann immer die Unfälle, an denen er vorbeifährt –, dann wird er irgendwann ganz seltsam und geht kaputt an dieser Einsamkeit.
Aber selbst wenn wir einigermaßen von solcher Einsamkeit verschont bleiben, bleibt es am Ende doch für alle Menschen gültig, nämlich dass es hier in dieser Welt kein endgültiges, kein ewiges Zuhause geben kann.
Darauf weist uns dieser Totensonntag hin. Und er tut das schmucklos und ungeschminkt.
Das sagt uns aber auch schon die Bibel: „Wir haben hier keine bleibende Stadt.“ (Hebräer 13,14)
Neue Heimat durch Versöhnung mit Gott
Vor diesem Hintergrund, liebe Gemeinde, ist es nun interessant, was Paulus gerade in jenen Versen sagt, die heute in unserer Predigtreihe dran sind. Das hätte man gar nicht so planen können, aber es passt wirklich ganz genau.
Dieser Predigttext, den Sie vor sich haben, beginnt mit den Worten: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge. Ein Wort gegen die Heimatlosigkeit. Ihr habt ein neues Zuhause, heißt das, schon jetzt, obwohl ihr in dieser Welt lebt. Und wir heucheln auf, ja, wenn nicht mehr Gäste und Fremdlinge, was denn sonst, Paulus?
Wir wissen: Paulus wendet sich hier an Leute, die ihre ganze Existenz mit Jesus Christus verbunden haben. Die waren Christen geworden, die hatten gewusst, in unserem Leben muss sich vieles ändern, und ihr Leben hatte sich total verändert.
Was da passiert war, hatten wir ja am vergangenen Sonntag hier miteinander studiert, in den Versen 12 bis 18. Da sagt Paulus: Wir wurden versöhnt mit Gott, in Vers 16 etwa, oder in Vers 18, wir bekamen freien Zugang zum Vater im Himmel.
Wenn einer Christ geworden ist, dann ist in seinem Leben eine ganz entscheidende Veränderung passiert. Vorher war er fern von Gott. Und jetzt ist er ganz nah bei ihm. Vorher war er vielleicht, ohne es zu merken, ein Feind Gottes. Und jetzt ist er noch mehr geworden ein Freund Gottes, viel mehr noch: Er hat Frieden mit Gott.
Paulus hat in den Versen vorher beschrieben, wie das möglich wurde – nicht möglich durch einen Stimmungswandel, sondern durch eine bestimmte Person und durch ein ganz bestimmtes Ereignis. Er hatte gesagt: Sie erinnern sich, am letzten Sonntag, Vers 16: Jesus versöhnte sowohl die Heiden als auch die Juden mit Gott durch das Kreuz. Indem er die Feindschaft tötete durch sich selbst.
Wir hatten gesehen, diese auffällige Formulierung, wie plastisch das ist, was zwischen Gott und uns stand, nämlich die Feindschaft, unsere Sünde. Das tötete Jesus durch sich selbst. Er hat sich selber dazwischen geworfen mit seinem eigenen Leib. Er hat, wie ein Bodyguard, wie ein Leibwächter, die tödlichen Kugeln auf sich gezogen, die sonst uns hätten treffen müssen.
Er tötete die Feindschaft, die zwischen Gott und ihnen stand, durch sich selbst. Durch seine eigene Existenz hat er sich ganz für uns dahingegeben und geopfert.
Und wer sich jetzt an Jesus wendet, so hatte Paulus uns gezeigt, wer jetzt zu Kreuze kriecht, wer jetzt zu diesem Kreuz Jesu Christi hinkommt und sagt: Bitte rette mich und verzeih mir, der ist durch, der gehört dazu. Das hatten wir letztes Mal gesehen.
So, und jetzt geht Paulus einen Schritt weiter, und er sagt: Dadurch, dass sich diese wichtigste Frage in eurem Leben geklärt hat, dadurch, dass ihr jetzt versöhnt seid mit Gott, dadurch, liebe Leute, hat sich noch weiteres ergeben.
Und dann fährt er fort, und so beginnt unser Vers 19 jetzt so: Das heißt, weil alles, was eben gesagt wurde, gilt, weil das Vorausgenannte in Kraft ist, deshalb, weil das jetzt stimmt, seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge.
Das heißt, ihr habt schon jetzt ein neues Zuhause. Das heißt nicht, ihr seid schon jetzt im Himmel angekommen – haben wir ja gerade gesungen – nicht, dass wir als Erste schon im Himmel angekommen sind. Wir sind noch nicht allen Schwierigkeiten enthoben, allem Kampf, allem Ärger, allem Streit, allem Leiden, aller Angst. Das sagt Paulus nicht.
Aber er sagt: Ihr habt schon jetzt eine neue Heimat gefunden, ihr habt schon jetzt eine neue Zugehörigkeit, die wirklich in Geltung ist, die euch niemand mehr wegnehmen kann, nicht einmal mehr der Tod.
Drei Bilder der neuen Zugehörigkeit
Und nun fragen wir Paulus: Was ist das? Was bedeutet diese neue Heimat? Worin zeigt sie sich? Wie äußert sie sich? Wie sieht diese neue Zugehörigkeit aus?
Paulus bringt in den Versen, die Sie vor sich sehen, drei Bilder, die wir uns der Reihe nach anschauen können.
Bürger im Gottesstaat
Das erste Bild: Jesus sagt, wenn du nicht mehr Fremdling bist, wenn du zu Jesus gehörst, dann bist du erstens Bürger im Gottesstaat. Das ist das Erste, was Paulus sagt: Du bist Bürger in Gottes Staat. In Vers 19 heißt es: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen.“
Liebe Gemeinde, wie viel es wert ist, vollberechtigt Bürger in einem Staat zu sein, haben wir spätestens durch die ganze Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft wieder in Erinnerung gerufen bekommen. Wie man das politisch auch bewerten mag – wir haben gesehen, dass das Bürgerrecht ein hohes Privileg ist, das nicht jeder erhält.
Nicht jeder, der mit dem Auto durch Deutschland fährt, ist deutscher Staatsbürger. Auch nicht jeder, der eine Greencard bekommt und für eine bestimmte Zeit eine Arbeitserlaubnis hat, besitzt alle Rechte und Privilegien eines deutschen Staatsbürgers. Ebenso ist nicht jeder, der einmal in eine Kirche hineinschnuppert oder einen Gottesdienst besucht, automatisch Bürger in Gottes Staat.
Paulus vergleicht die Gemeinde hier mit einem Staatswesen: Jesus ist der König, und die ihm als König Folgenden sind seine Untertanen. Sie gehören dazu und folgen ihm.
Paulus wusste sehr genau, was Bürgerrecht bedeutet. Er selbst hatte das römische Bürgerrecht – etwas Besonderes in der damaligen Zeit. Das römische Bürgerrecht konnte man von seinen Eltern vererbt bekommen. Wenn man diese Möglichkeit nicht hatte, konnte man es nicht einfach für viel Geld kaufen – auch nicht durch Bestechung. Es war etwas ganz Besonderes.
Mit dem römischen Bürgerrecht konnte man zum Beispiel nicht mehr ohne Prozess verurteilt werden. Darauf hat Paulus sich in bestimmten Situationen auch berufen.
Jetzt sagt er, dass das göttliche Bürgerrecht ebenfalls etwas ganz Besonderes ist. Es wird nicht jedem gegeben, sondern nur denen, die durch dieses eine Nadelöhr hindurchgehen: den Glauben an Jesus Christus.
Diese Formulierung, die Paulus hier in Vers 19 benutzt, zeigt, dass es wirklich nicht selbstverständlich ist. Er hat vor allem Heiden vor Augen, Heidenchristen. Er erinnert sie an ihr früheres Leben, das bei vielen noch nicht lange zurücklag.
Er sagt: Was ihr damals wart im Verhältnis zu Gott, das waren Gäste und Fremdlinge. Ihr hattet kein Bürgerrecht, keinen Zugang zu Gott – mit allen Konsequenzen.
Letzten Sonntag haben wir gesehen, dass es in Jerusalem einen besonderen Ort gab, an dem ein Heide handgreiflich merken konnte, dass er draußen war. Dort wurde ihm die ganze Tragik seiner Situation vor Augen geführt – und das war der Tempel.
Der Tempel war in verschiedene Bereiche aufgeteilt: für Priester, für Laien, für Frauen. Alle gehörten irgendwie dazu, sogar die Frauen. Dann ging man ein paar Treppen hinunter, kam an eine Mauer, und jenseits dieser Mauer waren die Heiden.
So hatte Gott das nicht vorgesehen, aber so hatte sich das im Judentum durchgesetzt: die absolute Abtrennung. Teilweise gab es sehr deutliche Inschriften, die warnten: Wer als Heide darübergeht und umgebracht wird, ist selbst schuld an den Konsequenzen. Das war die Botschaft.
Man findet dort Schilder, die heute an manchen Geschäften noch harmlos erscheinen würden. Diese Grenze des Tempels war ein eindrückliches Gleichnis für die Menschen. Damit wurde den Heiden klar gemacht: Ihr seid draußen, wir wollen euch nicht. Man meinte damit auch, sie vom Reich Gottes ausschließen zu können.
Jetzt verstehen wir, denke ich, noch besser, warum der Jude Paulus vor seiner Bekehrung so erzürnt über Jesus war. Man kann sich das jetzt noch deutlicher vorstellen, weil Paulus und seine Leute lehrten: Alle Menschen sind wegen ihrer Schuld verloren. Aber wir Juden haben eine besondere Nähe zu Gott. Durch die Opfer und den Gottesdienst, den wir tun, gehören wir dazu und sind nicht verloren.
Jesus lehrte jedoch: Jeder ist verloren. Das gilt nicht nur für die Heiden, sondern auch für die Juden in gleichem Maße. Sogar die, die innerhalb des Tempels sein dürfen, bleiben wie durch eine dicke Mauer von Gott getrennt.
Diese Mauer hat nur ein einziges Schlupfloch: den Glauben an den Sohn Jesus Christus, den lebendigen Sohn Gottes. Den Messias hat Gott jetzt gesandt. Seitdem der Messias da ist, gibt es zum Vaterherzen und zum Vaterhaus Gottes nur noch dieses eine Schlupfloch, diesen einen Weg durch die Mauer.
Das ist Jesus. Das hatte Paulus erst einmal schlucken müssen. Er konnte sich das zunächst nicht vorstellen. Im Epheserbrief klopft er das noch einmal fest. Er hatte es begriffen, es hatte ihn überzeugt und überwältigt.
Er sagt: Egal, ob Jude oder Heide – wir haben alle nur einen, und das ist der Herr Jesus Christus. Er ist unser Retter.
Weil das so ist, seid auch ihr Heiden jetzt nicht mehr Zaungäste. Ihr seid nicht mehr Ausgeschlossene, sondern – wie unsere Kinder sagen – willkommen im Club. Willkommen im Club derer, die zu dem lebendigen Gott gehören. Ihr seid Heilige!
Heilige ist der Ausdruck, den das Neue Testament für alle verwendet, die exklusiv durch Jesus zu dem lebendigen Gott gehören. Wer durch den Glauben an Jesus exklusiv zu Gottes Volk gehört, ist ein Heiliger.
„An die Heiligen in Ephesus“ – so beginnt dieser Brief. Und das seid ihr jetzt, sagt Paulus. Das ist die große Würde der Gemeinde. Es ist eine riesige Ehre, zur Gemeinde dazugehören zu können. Denn du bist jetzt Bürger in Gottes Staat.
Genauso wie es bestimmte Privilegien gab, die mit der römischen Staatsbürgerschaft verbunden waren – oder heute mit der deutschen Staatsbürgerschaft –, so gibt es Privilegien, die mit der himmlischen Staatsbürgerschaft verbunden sind.
Als Bürger in Gottes Staat steht man unter dem Schutz seiner königlichen Truppen, unter dem Schutz seiner Engel, unter dem Schutz Gottes selbst. Man muss Gott nicht mehr fürchten, weil man mit ihm versöhnt ist.
Zu dieser Staatsbürgerschaft gehört natürlich auch das Visum für den Himmel. Paulus hat das an anderer Stelle mit einem besonderen Begriff ausgedrückt. In Philipper 3, Vers 20 heißt es: „Unser Bürgerrecht ist im Himmel.“ Wir haben ein Visum für den Himmel.
Der griechische Ausdruck lautet polytoima – ein ganz spezielles Wort, das einen hohen Rechtsanspruch ausdrückt.
Ich erinnere mich genau: Studienfreunde von uns, die in Sankt Petersburg an einer Akademie arbeiteten, mussten von Zeit zu Zeit immer wieder aus dem Land an die Grenze fahren, um sich ein neues Visum zu besorgen. Denn sie erhielten das Visum immer nur auf Zeit.
Die Zeit lief schnell ab, und dann mussten sie wieder alles zusammenpacken – Sack und Pack und Kinder –, um viele hundert Kilometer bis zur Grenze zu fahren und sich einen neuen Stempel holen. So ging das immer wieder.
Für den Himmel jedoch brauchen wir uns nicht ständig ein neues Visum zu besorgen. Das Visum verfällt nicht. Es steht im Pass all derer, die durch Jesus Christus dazugehören.
Also halten wir fest: Wer dazugehört, kann froh sein. Denn er gehört zu der wichtigsten Vereinigung, die es auf der ganzen Welt gibt. Zu der einflussreichsten Organisation überhaupt, die uns zu ihren eingetragenen Mitgliedern zählt und unter deren Schutz wir stehen.
Die Mafia ist dagegen nichts.
Das ist der erste Vergleich, den Paulus hier bringt: Wenn du zu Jesus gehörst, dann bist du Bürger in Gottes Staat.
Kind in Gottes Familie
Aber das ist noch nicht alles. Paulus fügt einen zweiten Vergleich hinzu: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Das ist das Zweite: Du bist nicht mehr Fremdling, sondern Kind in Gottes Familie.
Erstens bist du Bürger in Gottes Staat, zweitens Kind in Gottes Familie. Gottes Hausgenossen, Mitglieder in Gottes Haushalt – das ist doch noch eine Steigerung gegenüber dem Ersten. Paulus will ganz deutlich werden: Bürger in Gottes Staat zu sein, ist schon gut. Aber Kind in Gottes Familie zu sein, ist unendlich viel besser.
Das bedeutet nämlich, der Herrscher des Reiches, zu dem ich gehöre, ist zugleich mein Vater. Zum König werde ich nach Anmeldung vorgelassen, zum Vater kann ich immer kommen. Ulalesbi, ein Theologieprofessor, hat das einmal so schön beschrieben: Wenn er sich in seinem Arbeitszimmer zurückgezogen hatte, kam oft einer seiner Söhne zu ihm und sagte: "Vati, ich will nur bei dir sein." Dann machte sich der Sohn irgendwo unter dem Schreibtisch gemütlich. Ulalesbi sagte: "Welcher Vater kann einen Sohn, der so zu ihm kommt, abweisen?"
Zum Vater kann man immer kommen. Selbst wenn er die schlimmste Arbeit hat, wird er immer Zeit haben und sich bemühen, ein Ohr für die Anliegen der Kinder zu finden. Zum Vater habe ich jederzeit freien Zutritt. Das hat Paulus in Vers 18 deutlich gemacht: Wir haben freien Zugang zum Vater.
Paulus sagt: Das bist du jetzt. Du bist nicht nur Bürger in Gottes Staat, sondern Kind in Gottes Familie. Das bedeutet nicht nur Portier, Chauffeur oder Zimmermädchen zu sein. Du gehörst nicht nur im weitesten Sinne dazu und wohnst im Anbau, sondern du bist Hausgenosse.
In Vers 18 hat Paulus deutlich gemacht, welchen Status die Christen jetzt besitzen: Durch Jesus haben wir Zugang zum Vater. Wir sind nicht Portiers in Gottes Garage, nicht Sekretärinnen in Gottes Büro, nicht Gärtner in Gottes Park, sondern Kinder in Gottes Familie. Das ist ganz etwas anderes.
Damit geht Paulus noch einen Schritt weiter. Er sagt: Du bist mehr als nur Staatsbürger. Dieses Verhältnis Kind – Vater hat eine ganz andere Dimension. Es ist viel persönlicher, inniger, intensiver, näher, direkter und umfassender.
Die Leute reden ja immer wieder von der Fürsorge des Vaterstaats, aber die Fürsorge des richtigen Vaters hat natürlich eine ganz andere Dimension und steht uns umfassend zur Verfügung.
Damit wird gesagt: Ein Christ ist nicht nur jemand, dem die Sünde vergeben ist und der von der Hölle gerettet wurde. Das ist die eine Seite, die Basis. Aber die Bibel sagt nicht nur, wovon wir als Christen gerettet und befreit wurden, sondern Paulus sagt auch, wozu ein Christ befreit und gemacht wird. Und das heißt, zu einem vollgültig adoptierten Mitglied in der Familie des ewigen Gottes.
Liebe Gemeinde, das ist eine unerhörte Aussage. Wir haben uns nur zu sehr an diese Begriffe gewöhnt, sodass uns das Unerhörte daran gar nicht mehr so deutlich wird: Sie sind mit Gott verwandt. Und zwar nicht in einem allgemeinen pantheistischen Sinne, in dem sich in jedem Blatt die Herrlichkeit der Natur und ihres Schöpfers spiegelt, sondern ganz persönlich, in einem speziellen Sinne – persönlich adoptiert, aufgenommen in Gottes Haushalt, Gottes Hausgenosse. Das gilt.
Man könnte auch sagen: Wer zur Gemeinde gehört, wird in eine Familie aufgenommen, zu der er von Geburt her überhaupt keinen Zutritt hätte.
In was für eine Familie wir Menschen hineingeboren werden, hatte Paulus am Anfang von Kapitel zwei gesagt. Ich nehme an, Sie erinnern sich noch daran, was dort steht, in welche Familie wir hineingeboren sind.
Dort sagt Paulus: Ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden. Ihr habt früher gelebt nach der Art und Weise dieser Welt, unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist, und den Kindern des Ungehorsams war, der Teufel mit seinen Dämonen.
Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den Begierden unseres Fleisches, taten den Willen des Fleisches und des Denkens und waren Kinder des Zorns.
Kinder des Zorns – das ist die Familie, in die wir ursprünglich hineingeboren wurden.
Paulus sagt: Das ist eure angestammte Verwandtschaft gewesen. Das war in geistlicher Hinsicht euer sozialer Background, wie wir sagen würden: Kinder des Zorns, das ist eure natürliche Herkunft, jenseits der Tempelmauer. Wir bleiben draußen, Feinde Gottes.
Aber für euch, die ihr jetzt zur Gemeinde Jesu Christi gehört, ist das Vergangenheit. Und das ist eine Vergangenheit, die euch nicht mehr einholen kann. Denn nach allem, was geschehen ist, gehört ihr jetzt zu einer anderen Familie.
Man kann sagen: Wir Christen leben jetzt im guten Sinne über unsere eigentlichen Verhältnisse. Wir leben auf einem Niveau, das von Natur aus gar nicht zu uns passt.
Und wissen Sie, manchmal merkt man uns das noch ganz schön an, dass wir eigentlich über unsere Verhältnisse leben.
Trotzdem müssen wir nicht wieder ausziehen aus Gottes Haus. Das ist beruhigend. Gott nimmt die Adoption nicht zurück.
Aber unser praktisches Verhalten Gott gegenüber und einander gegenüber erinnert manchmal noch ganz schön stark an die Verhältnisse, aus denen wir einmal gekommen sind.
Deswegen möchte ich noch einmal an jene Geschichte erinnern, die ich hier vor einiger Zeit schon erzählt habe: von einem jungen Mann, der von einem kinderlosen König entdeckt wurde.
Der König suchte einen Nachfolger und ging durch die Straßen. Er fand diesen jungen Mann irgendwo draußen und sagte: "Ich habe ein großes Geschenk für dich, unter einer Voraussetzung: Lebe wie ein Sohn, der an den Königshof passt. In einem Jahr komme ich wieder, nehme dich mit und adoptiere dich."
Nach einem Jahr kam der König wieder. Sie können sich vorstellen, wie die Geschichte weiterging: Es scheiterte von vorn bis hinten.
Als der König nach einem Jahr wiederkam, fand er den Jungen kaum verändert vor. Er war einfach in seinem alten Umfeld geblieben und an seinen alten Gewohnheiten hängen geblieben.
Er war eben nicht als Königssohn geboren. Er kannte das nicht. Er lebte von Natur aus völlig anders.
Da sagte der König: "Nein, jetzt machen wir es anders. Ich nehme dich mit, ich adoptiere dich gleich. Du kommst mit an meinen Hof, du gehörst jetzt dazu. Und dann wirst du, wo du zu mir gehörst, nach und nach lernen, in meiner Familie zu leben."
Der Junge ging mit und lernte nach und nach, wie ein Familienmitglied zu leben.
Er hatte eigentlich nicht die Voraussetzungen, aber er gehörte schon dazu. Und während er dazugehörte, lernte er Tag für Tag.
Genau so macht es Gott mit seinen Kindern, wenn er uns in seine Familie hineinholt, wenn er uns in seine Gemeinde hineinholt.
Wir passen da nicht rein, weil wir so mit unserer Sünde zu kämpfen haben, weil wir so an bestimmten alten Gewohnheiten hängen, weil wir so vergänglich sind und oft krumm und schief in unserem Denken.
Aber Gott nimmt uns gnädig an. Er nimmt uns auf als Vollmitglieder, adoptiert uns in seine Familie, und dann erzieht er uns.
Hätte der junge Mann gesagt: "Na ja, mitkommen will ich schon, die schönen Speisen des königlichen Palastes genießen, lieber heute als morgen. Aber bitte ändern will ich mich nicht. Ich will an meinem alten Lebensstil festhalten, jeden fünften oder zehnten Tag vielleicht mal ein bisschen Wasser an die Hände, und ansonsten will ich meine Begriffe, mit denen ich so um mich geworfen habe, nicht verändern. Ich will weiterhin so ab und zu mal einen kleinen Diebstahl machen. Ich will in meinem alten Leben bleiben und komme gerne mit und wohne im Palast", dann hätte der König gesagt: "Nein, daraus wird nichts. Wenn du mitkommst, geht es nur, wenn du bereit bist, dich ganz wirklich mir unterzuordnen, von uns zu lernen und uns zu folgen."
So hat Jesus gesagt: Wer sich nicht ändern will, also wer sich nicht von Jesus ändern lassen will, wer nicht gehorsam gegenüber Jesus werden will, der kann nicht sein Jünger sein. Der kann nicht Gottes Kind werden. Der kann nicht ins Reich Gottes kommen, wenn er nicht bereit ist, sich ganz von ihm beugen zu lassen.
Wir werden allein durch den Glauben gerettet, aber wir glauben an den einen Herrn, Jesus Christus, der der Herr ist. Wir hängen uns im Glauben an den, der die gesamte Königsherrschaft über unser Leben beansprucht.
In Gottes Haushalt gehören wir dann entweder ganz dazu oder gar nicht.
Im Himmel gibt es keinen Bewährungsaufstieg, also nicht vom Türsteher über den Gärtner zum Privatsekretär bis zum adoptierten Kind. Das gibt es nicht in Gottes Familie.
Wer dazugehört, gehört ganz und gleich dazu.
Das ist die besondere Würde für jedes einzelne Mitglied in Gottes Gemeinde: Kind in Gottes Familie, sagt Paulus, wenn du zu Jesus gehörst.
Baustein in Gottes Tempel
Und selbst das reicht ihm noch nicht. Dann bringt er ein drittes Bild: Bürger in Gottes Staat, Kind in Gottes Familie. Und am Ende kommt noch ein drittes Bild dazu. Er sagt: Wenn du zu Jesus gehörst, dann bist du nicht mehr Gast und Fremdling, sondern ein Baustein in Gottes Tempel.
Das ist das dritte, was sie aufschreiben können: Baustein in Gottes Tempel. Paulus baut, in Vers 20, auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchen der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Wenn Gott einen Menschen in seinen Staat aufnimmt, in sein Reich, in seine Familie, dann macht er auch etwas mit ihm. Dann macht er auch etwas aus ihm. Manfred Siebald hat das so schön in seinem Lied gesagt: „Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin.“ Aber dann heißt es in der letzten Strophe: „Jesus, bei dir muss ich nicht bleiben, wie ich bin.“
Deshalb ist die Gemeinde nicht nur Gottes Staat, nicht nur Gottes Familie, sondern auch Gottes Baustelle. Wir als Gemeinde sind Gottes Baustellen – das müssen wir uns immer wieder klar machen. Da ist schon ein ziemlich großes Gebäude zu sehen, um im Bild zu bleiben, sogar ein Tempel. Das ist das Bild, das Paulus hier verwendet. In Vers 21 heißt es: „wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.“ Aber dieses Bauwerk ist noch nicht abgeschlossen, sondern es wächst, und es kommen immer neue Bausteine dazu. Das ist das Bild, das Paulus uns hier vor Augen malen will.
Das heißt, als sie Christen wurden, als sie Mitglieder der Gemeinde Jesu wurden, da bekamen sie nicht nur ein neues Bürgerrecht. Sie wurden nicht nur in eine neue Familie adoptiert, sondern Gott wählte sie auch als Baustein aus und erbaute sie rein in seinen Tempel – und das ist seine Gemeinde.
Paulus deutet das hier kurz an: Bei diesem Bau gab es auch ganz bestimmte Grundregeln, die Gott verfolgte. Zum Beispiel: Erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten. Das ist also das Fundament, das vor zweitausend Jahren gelegt wurde. Und darauf werden wir jetzt mit erbaut.
Damit meint Paulus das ganze Neue Testament. Apostel und Propheten ist ein zusammenfassender Begriff für das Neue Testament. Apostel – als es noch keine Bibel gab in der Anfangszeit – da hat Gott geredet durch die Apostel und durch bestimmte inspirierte Propheten, einige wenige. Im Neuen Testament ist das, was die Apostel und Propheten gesagt haben, dann zusammengekommen und abgeschlossen.
Das ist der Grund, das Fundament, auf dem der Gemeindebau jetzt hochgezogen wird. Deshalb braucht die Gemeinde auch keine neuen Propheten, keine neuen Prophetien und keine neuen Visionen, weil das Fundament gelegt ist. Und ein Fundament, wie Sie alle wissen, legt man nur einmal. Das wird nicht alle paar Jahre neu gelegt, sondern einmal am Anfang. Und das ist das Fundament der Apostel und Propheten, fest zusammengebunden in der Heiligen Schrift.
Das heißt jetzt persönlich: Als sie Christen wurden, als Gott sie in seinen Tempel aufnahm, da stellte er sie auf dieses Fundament der Bibel. Da positionierte er ihr Leben ganz fest darauf.
Dann die nächste Bauweise: Auf dem Grund der Apostel und Propheten ist Jesus Christus der Eckstein. Stellen Sie sich vor, beim Jerusalemer Tempel gab es riesige Ecksteine. Diese Ecksteine waren gewissermaßen die strategischen Steine, an denen sich das ganze Gebäude auszurichten hatte. Der Eckstein gab allem Halt, gab allem die Struktur. Alles musste auf den Eckstein hin orientiert und ausgerichtet werden.
So ist es im Tempel der Gemeinde: Alle Wände, alle Steine, die diese Wände bilden, werden auf Christus hin ausgerichtet, orientieren sich an ihm allein. Und das hat Jesus mit ihnen gemacht. Als sie Christen wurden, als Baustein der Gemeinde, da hat Gott die Richtung und Ausrichtung ihres Lebens ein für alle Mal auf Jesus festgelegt.
Es gibt keine andere Ausrichtung mehr für sie. Jesus Christus ist ihr Eckstein, er ist der absolute Orientierungspunkt. Er gibt ihrem Leben die Richtung vor, das kann gar nicht anders sein. Er macht ihnen verbindliche Vorgaben, darum ist ja auch sein Wort das Fundament des Baus.
Das gehört zur großen Würde der Gemeinde dazu: Wir beruhen auf einer verbindlichen, eindeutigen Wahrheit. Diese Wahrheit ist einmal eine Person: Jesus, der Eckstein. Uns ist ein Buch das Fundament, die Bibel, erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten.
Und was für ein Segen ist das, in dieser Zeit, wo um uns herum die Orientierungslosigkeit wie eine Riesenkrake nach allem greift. Wo die Philosophen eine Erkenntnistheorie nach der anderen sich aus den Fingern saugen, weil sie mit der Erkenntnis nicht mehr klarkommen. Sie kriegen keine verbindliche Erkenntnis mehr. Je mehr Erkenntnistheorien auf dem Markt sind, umso mehr Chaos gibt es im Hinblick auf die Möglichkeit von Erkenntnis.
Jesus Christus, unser Eckstein, hat uns diese absolute Orientierung gegeben. Das ist ein großes, großes Privileg.
Man wundert sich manchmal, warum so viele, auch gebildete Leute, auch Schüler von Gymnasien, Zuflucht zum Okkultismus nehmen. Das liegt meiner Überzeugung nach daran, dass sie keine anderen vernünftigen Antworten zu finden scheinen. Sie merken, sie rennen mit dem Kopf gegen die Wand, und es müsste etwas da sein. Dann flüchten sie in finsterste Quellen, weil sie das wahre Licht nicht kennen. Wir müssen das weitersagen.
Mit diesem Bild sagt Paulus noch mehr über die Gemeinde. In Vers 19 sagt er: „Du darfst in Gottes Haushalt wohnen.“ Aber in Vers 21 und 22 geht er noch einen Schritt weiter: „auf welchem der ganze Bau aneinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.“
Das heißt nicht nur, dass wir in Gottes Haushalt wohnen dürfen, sondern dass Gott in unserem Haus wohnen will, in unserem Tempel als Gemeinde. Gott nimmt uns als Gemeinde für sich zu einer Wohnung im Geist.
Das müssen wir uns immer wieder klar machen: Der lebendige Gott will in uns wohnen, als einzelnen Christen, aber auch in uns als Gemeinde. Wir sollten uns das immer wieder bewusst machen, welche Verantwortung damit verbunden ist, dass der lebendige Gott wohnen will.
Dann wissen wir auch, was für ein kostbares Gut die Gemeinde ist, die er baut und die er uns anvertraut. Es ist seine eigene Wohnung. Wir sind ihm Rechenschaft schuldig. Wir müssen uns immer klar machen: Gott ist dabei. Er sieht uns und durchschaut uns. Alles, was wir tun, sagen und denken, sollen wir vor ihm verantworten. Und das soll daraufhin ausgerichtet sein, dass wir ihm ehren, ihm Freude machen, ihm folgen und ihm dienen.
Der herodianische Tempel in Jerusalem wurde 70 nach Christus von den Römern brutal zermalmt. Aber der Tempel aus Menschen, die die Gemeinde Jesu sind, konnte auch durch die schlimmste römische Christenverfolgung nicht zerstört werden. Er konnte nicht zerstört werden.
Machen Sie sich noch einmal klar, was das gerade für die Heidenchristen bedeuten musste, die den alten Tempel in Jerusalem vor Augen hatten. Dort waren sie verbannt gewesen in den Vorhof der Heiden. Dort durften sie nicht mal an den Tempel heran, geschweige denn in den Tempel hinein.
Jetzt sagt Paulus: Jetzt, wo ihr zu Jesus gehört, jetzt, wo ihr in seine Gemeinde eingebaut und integriert seid, da dürft ihr sogar ein Teil dieses Tempels selbst sein – Wohnung Gottes. Was für ein Geschenk!
Wir dürfen zu der Gemeinde gehören, in der Gott selber wohnen will. Wir sollen als Gemeinde jener Ort sein, an dem die Menschen besonders an die Gegenwart und Macht Gottes erinnert werden. Der Ort, an dem sie sich treffen, um Gott zu loben.
Natürlich loben wir ihn auch in unseren Häusern und in unseren Familien, aber die Gemeinde ist noch einmal in einer besonderen, herausgehobenen Weise dieser Tempel, wo Menschen sich treffen, um Gott zu loben. Hier will der Schöpfer der Welt, dem die ganze Erde und alle Himmel gehören, in besonderer Weise zu Hause sein.
Dabei ist es ganz egal, wie prunkvoll die Kirche ist, wie abenteuerlich das Gemeindehaus oder wie schmucklos und nüchtern der Hörsaal auch sein mag. Es kommt darauf an, dass Gott in uns als seiner Gemeinde wohnt.
An dieser Stelle liebe ich immer dieses alte Gebet, in dem einer gedichtet hat:
„Irdische Tempel brauchst du nicht,
Dome, die Meister erbauen,
Schatten sind sie vor deinem Licht,
Welches kein Auge kann schauen.
Aber du selbst baust dir dein Haus
Und wählst dir zur Wohnung
Menschen aus, die deinem Ruf gehorchen.
Wenn dich die Welt auch nicht kennt und sieht,
An uns, deinem Volk, dein Werk geschieht.“
„Du selbst baust dir dein Haus, wählst dir als Wohnung Menschen aus, die deinem Ruf gehorchen.“
Das wollen wir sein. Und das meint Paulus hier mit seinem letzten Satz: „Durch ihn“, durch Jesus, der in euer Leben kommt, durch Jesus, der euch zu seiner Gemeinde zusammengefügt hat, „werdet ihr auch miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.“
Das ist die Würde unserer Gemeinde. Dieser Tempel Gottes wächst weiter mit jedem Stein, der dazukommt. Und jeder von uns muss sich fragen: Bin ich schon drin? Bin ich ein Stein, der dazugehört?
Wenn ich dazugehöre, dann passiert etwas ganz Bestimmtes mit mir. Paulus sagt in Vers 21, die Steine werden ineinandergefügt, und in Vers 22, sie werden miterbaut. Das ist passiv. Das heißt, wir fügen uns da nicht selbst rein und sagen: „Ach, mir gefällt es jetzt mal an dieser Stelle, mich in das Mauerwerk so ein wenig einzuschmiegen.“
Sondern Gott setzt uns da ein, er macht das. Wir stehen nicht irgendwo als einzelner Stein verloren in der Landschaft herum, sondern als wir Gottes Kinder wurden, nahm er uns als seinen Stein in die Hand. Er ist der Baumeister, er fügt uns zusammen, er fügt uns rein in seine Gemeinde – auch mit den anderen zusammen.
Das bedeutet auch, dass er uns bearbeiten muss. Das steckt da mit drin: ineinandergefügt. Wahrscheinlich waren wir ein ziemlicher Rohling, und deswegen muss Gott uns passend machen. Er muss uns passend machen.
So wie der König den adoptierten Sohn erzieht, so arbeitet Gott an uns, seinen Adoptivkindern. Er arbeitet an uns wie ein Baumeister mit lebendigen Steinen. Er fand uns als Rohlinge, aber er machte uns passend. Und er bearbeitet uns, solange wir in dieser Welt leben.
Jesus hat uns herausgelöst aus dem alten Mauerwerk, aus dem alten Leben. Da waren wir auch eingemauert, da waren wir auch fest drin verankert. Aber er hat uns herausgeholt durch seine Vergebung. Er hat uns entstaubt, gesäubert. Und jetzt arbeitet er immer weiter an uns.
Das ist die Grenze, die jedes Bild hat: Wir sind schon als Stein drin in dem Bau, und wir werden doch immer noch weiter abgeschliffen, weiter bearbeitet, bis wir einmal ganz bei unserem Herrn daheim im Himmel sind.
Was für eine große Wahrheit, die Paulus uns in diesem kleinen Abschnitt aufdeckt!
Wenn Sie zu diesem Trupp dazugehören, wenn Sie ein Teil der Gemeinde Jesu Christi sind, dann ist das die herausragendste Stellung, die Sie jemals in Ihrem Leben bekommen können.
Sie werden niemals eine größere Stellung erhalten als die, Mitglied in der Familie Gottes zu sein, in seiner Gemeinde. Bürger in Gottes Staat, Kind in Gottes Familie, lebendiger Baustein in Gottes Tempel, speziell bearbeitet vom Baumeister selbst.
Als Christ wissen Sie, wo Sie hingehören. Als Christ sind Sie nicht mehr Gast und Fremdling. Als Christ haben Sie ein Zuhause. Als Christ haben Sie eine ganz klare Platzanweisung schon jetzt.
Herausforderungen und Hoffnung in der Gemeinde
Nun könnte jemand am Ende einwenden: „Na ja, wenn das mit der Gemeinde Jesu Christi so wahr ist, wenn sie wirklich so großartig ist und alle eine so herausragende Stellung haben, dann erklär mir doch bitte, warum es in der Gemeinde noch so viel Ärger gibt.“
Wenn das eine so herausragende Gemeinschaft ist, warum gibt es dann so viele Probleme, so viel Meckerei, Unzufriedenheit, Beleidigungen und Verletzungen? Wir wissen ja, wie es bei uns ist, bei jedem von uns.
Ich denke, nach diesem Vers von Paulus kann man das leichter verstehen. Es liegt wohl daran, dass Gott uns das Bürgerrecht verleiht, obwohl mit uns eigentlich wenig Staat zu machen ist. Gott lässt mich als Kind in sein Haus hinein und verwendet mich als Baustein in seinem Tempel wieder. Darum gibt es Probleme.
Wir nehmen das Bürgerrecht gerne in Anspruch. Das Visum für den Himmel stecken wir gerne in die Tasche. Und doch sind wir manchmal ziemlich eigenwillige Staatsbürger, die am liebsten noch nach ihren eigenen Gesetzen leben würden. So sind wir eben.
Wir sind froh, in Gottes Vaterhaus dabei zu sein, brauchen aber wie ein Straßenjunge noch ein gehöriges Maß an Erziehung. Wir blitzen und blinken gern als Bausteine in Gottes Tempel, aber manchmal stellen wir uns noch ganz schön quer.
Wir würden lieber an einem anderen Platz eingebaut werden, an einer anderen Stelle, oder wir würden auf eine andere Weise gern bearbeitet werden. Wir sind ganz schön widerspenstige Steine.
Verstehen Sie: Wenn es noch ein Problem in dieser Welt, in dieser Gemeinde gibt, dann sind wir es. Aber Gott sei Dank hat er uns trotzdem genommen.
Er macht sich jeden Tag wieder die Mühe und investiert seine Liebe in uns spröde Bausteine, in uns nörgelige Kinder, in uns widerspenstige Bürger. Er hat Geduld.
Darum – und nur darum – dürfen wir weiter dazugehören. Welche Ehre, welche Gnade, aber auch welche Aussicht! Denn es kommt der Tag, sagt die Bibel, an dem der Bau der Gemeinde abgeschlossen sein wird.
Es kommt der Tag, an dem alle Vorläufigkeit, alles Gebrochene, Schwierige und Eingetrübte vorbei sein wird. Es kommt der Tag, an dem wir als Gemeinde Jesu so strahlen und funkeln werden, wie es der Ehre Gottes und der Heiligkeit unseres Herrn angemessen ist.
Das ist wunderbar. Und auf diesen Tag freuen wir uns. Auf diesen Tag gehen wir zu.
An diesem Tag erinnert uns Jesus mit jedem Abendmahl daran. Er hat gesagt: „So oft ihr von diesem Brot esst und von diesem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ Darauf gehen wir zu.
Er hat auch gesagt, dass er vom Gewächs des Weinstocks, also Jesus selbst, den Wein nicht mehr trinken wird – bis wann? Er sagt: „Bis an den Tag, an dem ich es neu trinken werde mit euch, mit meiner Gemeinde, in meines Vaters Reich.“
Das ist die Zukunftsperspektive, die uns das Mahl des Herrn vor Augen stellt. Darum dürfen wir heute, gerade an diesem besonderen Tag, weit über den Rand des Todes hinausblicken – hinein in die Ewigkeit.
Für uns ist nicht Totensonntag angesagt, sondern Ewigkeitssonntag.
Und bis wir dort sind, hat der Herr uns schon jetzt einander zur Seite gestellt. Er hat uns zusammengebaut als Mitbürger, als Mitkinder, also als Geschwister und als Bausteine, die einander stützen und stabilisieren – so, wie der Herr uns zusammengefügt hat.
Darum wollen wir das jetzt ganz getrost und dankbar singen:
„Herr, wir stehen Hand in Hand, die dein Hand und Rufverband, stehen in deinem großen Heer, aller Himmel, Erd und Meer.“
Dann wird hier auch noch einmal die Bedrohung ausgesprochen, der die Gemeinde ausgesetzt ist: „Wetterleuchten allerwärts, schenke uns das feste Herz, deine Fahnen ziehen voran, führ auch uns nach deinem Plan.“
In Vers 5 heißt es dann: „Mach in unserer kleinen Schar Herzen rein und Augen klar.“
Und schließlich: „Herr, wir gehen Hand in Hand, Wanderer nach dem Vaterland, es geht nach Hause, Wanderer nach dem Vaterland. Lass dein Antlitz mit uns gehen, bis wir ganz im Lichte stehen!“
Amen!
Lassen Sie uns das jetzt singen! Lied 426, Strophen 1-6.
