Die Grundidee der Frankeschen Schullaufschule und ihre Ausrichtung auf Gott
Das hier ist ein weiterer wichtiger Teil seiner Mission, der ganz wesentlich zu ihm gehört. Nun stellt sich die Frage: Was ist das Besondere an seiner Schullaufschule?
Er baut eine ganz eigene Schule auf. Das hier ist das Denkmal, das heute auch in den fränkischen Anstalten steht. Darauf ist Franke mit Kindern abgebildet, rechts und links neben ihm. Schon allein die Handbewegung zum Himmel soll verdeutlichen, dass der Kern jeder Ausbildung und Pädagogik bei Franke die Ausrichtung auf Gott ist.
Das betont er auch ganz deutlich in seinen pädagogischen Schriften. Es gibt mehrere davon, und darin weist er darauf hin, dass menschliche, weltliche Klugheit allein nichts bringt. Vielmehr muss das Kind zuerst zur Bekehrung geführt werden. Das ist der zentrale Lehrinhalt.
Natürlich sagt er auch, dass andere Wissenschaften wichtig sind. Doch Wissenschaft allein wird dem Kind nicht helfen. Es braucht eine innere Veränderung. Deshalb spielt der Religionsunterricht eine ganz wichtige Rolle. Eigentlich findet er jeden Tag statt.
Es wird also sehr stark betont, dass es eine gemeinsame Andacht im Speisesaal gibt. Das gehört für ihn unbedingt dazu. Außerdem soll der gesamte Unterricht von christlichen Werten geprägt sein.
Die Struktur des dreigliedrigen Schulsystems und individuelle Förderung
Ich kann jetzt eigentlich nur einige Schlaglichter darauf werfen, was typisch für die Pädagogik ist. Ganz besonders hervorzuheben ist, dass er als der Gründer des dreigliedrigen Schulsystems gilt, das wir bis heute haben.
Er entwickelte nämlich eine sogenannte Volksschule. Diese sollte für die einfachen Leute sein, also für diejenigen, die irgendwo als Angestellte, Bauern oder in ähnlichen Berufen arbeiten. Dort wird eine einfache Schulausbildung angeboten. Die Schüler sollen lesen, schreiben und ein wenig rechnen können. Natürlich sollen sie auch Theologie kennenlernen und ähnliche Inhalte.
Dann gibt es die Realschule, so nennt man sie auch, weil die Realien, also der Umgang mit praktischen Inhalten, stärker im Mittelpunkt stehen sollen. Das bedeutet, dass diese Schüler auch stärker Fächer wie Physik, Chemie und Naturwissenschaften lernen. Das war damals etwas ganz Neues.
Und schließlich gibt es das Kollegium Regium, das ist eine Art Vorläufer des späteren Gymnasiums. Dort sollen diejenigen erzogen werden, die später ein Studium absolvieren oder Führungspositionen in der Gesellschaft übernehmen sollen. Zu den Fächern gehören hier noch einige zusätzliche Inhalte.
Das Schulsystem ist also einerseits auf die spätere Tätigkeit der Schüler ausgerichtet. Aber etwas ganz Wichtiges bei Franke ist, dass die Schulen auch nach den Fähigkeiten der Schüler ausgerichtet sind. Im Gegensatz zu allen anderen Schulen ist es hier nicht so, dass diejenigen, die mehr bezahlen können, automatisch eine bessere Schulausbildung erhalten. Zwar ist das eine Voraussetzung, und manche Wege kann man wählen, wenn die Eltern sagen: Unsere Kinder sind so gut, wir bezahlen, dann können sie die Schule besuchen. Aber selbst einfache Waisenkinder können das Gymnasium besuchen, wenn sie das Talent dafür mitbringen. Die Schule übernimmt dann die Kosten.
Darüber hinaus brachte er einige ganz neue Entwicklungen ein. Zum Beispiel soll jedes Kind nie mehr als drei verschiedene Fächer gleichzeitig haben. Es gibt eine Art Kurssystem. Wenn man einen dieser Kurse nicht besteht, kann man ihn noch einmal wiederholen, bevor man mit einem neuen Fach beginnt. Auch das ist möglich, um die Schüler sehr individuell weiter zu fördern.
Innovationen in der Ausbildung von Mädchen und soziale Gleichheit
Er gilt auch als einer der Ersten in Deutschland, der eine richtige Frauenausbildung einrichtete. Bis dahin gab es zwar einige Schulen für höhere Töchter, doch das, was dort gelehrt wurde, beschränkte sich meist auf ein wenig Konversation und das Auswendiglernen von Gedichten. Die reichen Fräulein mussten ja keine praktischen Fertigkeiten erlernen oder sonst etwas leisten.
Bei Franke hingegen sollten die Schülerinnen direkt auf einen Beruf vorbereitet werden. Sie sollten praktische und ganz konkrete Dinge kennenlernen. Das war etwas Neues. Deshalb wurde auch eine eigene Schule dafür eingerichtet.
In seiner Schule sollten keine Standesunterschiede herrschen. Seine Abneigung gegen den Dünkel der Adligen zeigte sich darin, dass bestimmte Dinge, die damals typisch für Adlige waren, nicht erlaubt wurden. Zum Beispiel war Fechten, eine Sportart, die damals bei den Adligen beliebt war, verboten. Damit sollte vermieden werden, dass sich ein Unterschied zwischen einfachen Leuten und höheren Ständen zeigte.
Praxisorientierung und Anschauungsmaterial im Unterricht
Übrigens war er auch wichtig, denn er war einer der Mitentwickler von Praktika im Unterricht. Die Schüler sollten nämlich jedes Jahr in einem praktischen Bereich in Halle mitarbeiten, zum Beispiel im Handwerk. Besonders betraf das die Schüler der Realschule.
Allerdings war es so, dass viele der weißen Kinder dort nicht angenommen wurden. Sie galten als ehrlos, weil sie keine Eltern hatten und nicht wussten, woher sie kamen. Somit hatten sie keinen festen Stand und konnten kein Handwerk lernen. Diese Kinder ließ er dann in den eigenen Werkstätten unterrichten.
Für seinen Unterricht richtete er auch ein sogenanntes Naturalienkabinett ein. Dieses Naturalienkabinett war voll von verschiedenen Abteilungen. Es gab große Schränke, in denen alle möglichen Abteilungen untergebracht waren. Hier sind gerade ein paar verschiedene Steine zu sehen. Außerdem gab es Modelle von Mühlen, Schiffen und ähnlichen Dingen. Diese sollten in den Unterricht eingebunden werden, damit die Kinder die Welt anschaulich und besser kennenlernen konnten.
Man muss sich vorstellen, dass es damals kein Fernsehen gab und weite Weltreisen erst recht nicht möglich waren. Wer hat denn je in seinem Leben ein Krokodil gesehen? Er hatte weltweite Verbindungen, unter anderem durch seine Missionare. Wenn diese auf Heimatdienst kamen, brachten sie manchmal solche Dinge mit. Diese sollten den Kindern als Illustration dienen.
Zum Beispiel waren ausgestopfte Tiere zu sehen, sodass man richtig etwas erkennen konnte. Dort gab es Tiere aus anderen Ländern und verschiedene Gegenstände. Außerdem waren Speere und Schilde aus allen Teilen der Welt ausgestellt, ebenso technische Geräte. Er legte großen Wert darauf, dass die Sachen anschaulich sichtbar waren.
Regelmäßig wurden Exkursionen in die Natur unternommen, bei denen die Kinder Pflanzen bestimmen sollten. Auf dem Haupthaus war ein Observatorium, ein Stern-Observatorium. Wenn gutes Wetter war, wurde morgens um fünf Uhr oder zu anderen Zeiten die Möglichkeit genutzt, die Planeten zu beobachten. Die Kinder wurden dann dorthin geführt, um die Planeten anzuschauen.
Insgesamt war der Unterricht sehr praxisorientiert, und das spielte bei ihm eine ganz wichtige Rolle.
Strenge Haltung gegenüber Märchen, Musik und Freizeitgestaltung
Es gab einige Dinge, die uns heute vielleicht seltsam vorkommen. So war Franke zum Beispiel sehr allergisch gegen Märchensagen, also gegen Romane. Er hielt sie, so sein Wortlaut, sowieso nur für Lügengeschichten. Das sind ausgedachte Geschichten, die nicht der Wahrheit entsprechen. Seiner Meinung nach bringen sie den Kindern falsche Fantasien bei. Deshalb sollte man sich relativ wenig mit solchen Geschichten beschäftigen.
Stattdessen sollten den Kindern mehr biblische Berichte oder realistische, also wahre Gegebenheiten vermittelt werden. Diese sollten sie moralisch weiterbringen und aufbauen. In den Geschichten sollte ganz deutlich sein: Die Guten sind gut, die Bösen sind böse. Es sollten moralische Vorbilder gezeigt werden. Franke war hier ganz streng bei der Auswahl und wollte nicht irgendeine Literatur verwenden. Deshalb übte er auch Kritik gegenüber antiken Schriften, die damals sehr in Mode waren.
Damit sind Werke aus der Antike gemeint, wie zum Beispiel von Sophokles. Diese Schriften, Dramen und ähnliches wollte er nicht zulassen, weil sie aus seiner Sicht unmoralisch waren. Er hielt sie für ungeeignet. Darüber hinaus war er sehr skeptisch, was zu viel Musik oder gar Tanz anging. Hier merkt man deutlich, wie der Pietismus bis in spätere Zeiten hinein geprägt wurde. Solche Dinge galten als tabu, man sollte damit nichts zu tun haben.
Man muss dabei immer im Hinterkopf behalten, dass Franke in einer Zeit nach Halle wirkte, in der solche Dinge übermäßig verbreitet waren. Er erkannte die negativen Auswirkungen, die das hatte, nämlich dass Menschen dadurch vom christlichen Glauben weggeführt wurden. Wahrscheinlich hängt seine besondere Strenge in dieser Hinsicht damit zusammen.
Manche seiner Maßnahmen erscheinen uns heute ebenfalls seltsam. Zum Beispiel legte er den Kindern möglichst einen ganz genau durchstrukturierten Tagesplan vor. Nach Möglichkeit sollte es keine großen Pausen geben. Generell gab es an Frankes Schule auch keine richtigen Ferien. Er hatte stets die Angst, dass in den Ferien, wenn die Kinder nach Hause oder anderswohin gingen, alles wieder kaputtginge, was man dort aufgebaut hatte. Ferien gab es also nicht.
Stattdessen gab es sogenannte Rekreationsphasen oder -stunden. Rekreation sollte die Kreativität wieder aufbauen. Diese sollte aber einfach mit der Abwechslung des Lernens einhergehen. Franke ließ sich unter anderem vom Arztrichter beraten, damit die Kinder nicht nur sitzen, sondern auch mal etwas tun konnten. So bekamen sie die Möglichkeit, leichte Arbeiten zu verrichten, wie Holz hacken, Holz tragen oder auf dem Bauernhof ein bisschen mitzuhelfen.
Dadurch wurden sie wieder frisch und konnten besser lernen. Spielen galt er hingegen als Zeitverschwendung. Für ihn war die Zeit das wichtigste Gut, das Gott dem Menschen gegeben hat. Damit sollte man nicht großzügig umgehen. Deshalb sollten die Kinder von vornherein lernen, die Zeit sinnvoll zu verwenden und einzusetzen.
Der ganze Tag war also richtig durchstrukturiert. Selbst am Abend, wenn die Kinder auf ihren Kammern waren, waren sie nicht sich selbst überlassen. Franke hatte von vornherein immer Studenten angestellt, die als Mitarbeiter fungierten und mit den Jungen oder Mädchen in den Zimmern wohnten. Diese sollten überwachen, was die Kinder taten, damit sie in der Freizeit nicht auf dumme Ideen kamen.
Falls doch, gab es in den Türen Gucklöcher, durch die man von außen sehen konnte, ob die Kinder Unsinn machten oder nicht. Solche Maßnahmen würden wir heute wahrscheinlich als etwas übers Ziel hinausgeschossen betrachten. Erstaunlicherweise äußerte sich kaum einer der damaligen Schüler negativ darüber.
Das hängt damit zusammen, dass Franke in all seinen Schriften viel mehr betont, dass die Lehrer den Kindern wie ein Vater in Liebe und Fürsorge begegnen müssen. Die Kinder merkten, dass trotz der festen Regelungen und der Überwachung das Grundmotiv die Liebe war. Zumindest zu dieser Gründungszeit war das ziemlich offensichtlich.
Das bestätigen auch die späteren Äußerungen der Schüler. Keiner sagte, er sei gegängelt oder unterdrückt worden, obwohl sich manche vielleicht kurzzeitig so gefühlt haben. Die meisten nahmen eher ganz positive Eindrücke mit.
Einfluss auf Preußen und die Einführung der allgemeinen Schulpflicht
Man hat übrigens im Nachhinein gesagt, dass die ganze Geschichte Preußens stark von Halle mitgeprägt wurde. Die Tugenden wie Fleiß, Pünktlichkeit und Disziplin, die dort besonders ausgeprägt waren, hatten großen Einfluss. Der spätere preußische König ließ alle führenden Verwaltungsstellen und alle Pastorenstellen, soweit er Einfluss hatte, nur mit Leuten aus Halle besetzen. Er meinte, diese seien vorbildlich und an ihnen könne man sich orientieren.
Wenn man weiter betrachtet, war der erste Staat in Deutschland, soweit mir bekannt, der die allgemeine Schulpflicht eingeführt hat, Preußen. Diese Schulpflicht basierte auf den Schulgrundlagen, die Franke entwickelt hatte. Die erste Realschule, die es in Deutschland gab – also eine eigenständige Schule –, wurde in Berlin gegründet. Sie entstand durch einen Schüler Frankes nach dessen System. Bei Franke selbst waren die drei Schulformen noch in einem Verband zusammengefasst.
Das Waisenhaus in Magdeburg, das militärische Waisenhaus, in dem alle Kinder aufgenommen wurden, deren Väter im Krieg gestorben waren, wurde von den Mitarbeitern Frankes aufgebaut. Das zeigt, dass Franke auch einen sehr direkten staatlichen Einfluss hatte.
Wir müssen zudem beachten, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der sich viele europäische Höfe verschuldeten. Sie wurden bekannt durch großzügige Lager und Feste. Der brandenburgische Hof war unter dem Einfluss des Pietismus eher bescheiden und zurückhaltend. Er hatte keine großen Geldausgaben. Dies bildete die Grundlage für die spätere Expansion Preußens, denn es war wichtig, dass Geld vorhanden war und Disziplin herrschte – sowohl in der Armee als auch in der Verwaltung und Bürokratie.
Vor dieser Zeit war Brandenburg ein armes Land. Es verfügte über wenig Bodenschätze und Ressourcen, und die Landwirtschaft war ebenfalls nicht besonders ertragreich. Eine der Stärken Preußens wurde somit die Bildung, die hier gefördert wurde.
Haltung zu körperlicher Züchtigung und Erziehungsmethoden
Er hält körperliche Züchtigung und Strafe grundsätzlich für möglich. Allerdings schränkt er diese im Vergleich zur damaligen Zeit stark ein. Früher gehörten Prügel zur normalen Pädagogik dazu. Es wird berichtet, dass es regelmäßig Prügelpädagogik gab: Wenn ein Kind etwas nicht wusste, wurde es geschlagen. Es wurde nicht erklärt, sondern geschlagen. Wenn das Kind immer noch nichts wusste, gab es noch einen Schlag. Irgendwann lernte das Kind es dann.
Frank hat diese Praxis stark eingeschränkt. Er betonte, dass ein Kind niemals aus Ärger geschlagen werden darf. Wenn ein Kind etwas nicht versteht, darf es ebenfalls nicht geschlagen werden. Körperliche Züchtigung sei nur dann erlaubt, wenn das Kind mindestens dreimal zuvor ermahnt worden ist und wenn es böswillig handelt. Dabei muss erkennbar sein, dass es sich nicht um mangelnde Einsicht handelt, sondern um Böswilligkeit.
Außerdem sollte das Kind nicht vor allen anderen bestraft werden, da dies seine Ehre und sein Ansehen verletzen würde. Stattdessen solle man das Kind aus der Gruppe herausnehmen. Ein Schlag ins Gesicht sei ebenso verboten. Die Strafe solle mit der Rute auf den Hintern erfolgen.
Interessant ist eine Formulierung, die Frank verwendet: Er sagt, der Lehrer solle dem Kind „unter Seufzen und Weinen den Hosenboden versohlen“. Damit möchte er ausdrücken, dass die Züchtigung nicht aus Ärger oder Rache erfolgen soll. Das Kind soll spüren, dass es auch dem Lehrer leid tut, es ermahnen zu müssen.
Frank fügt hinzu, dass er nicht sicher sei, ob dies immer umsetzbar war. Ideal wäre es jedoch, wenn der Lehrer das Kind danach umarmt und sagt: „Jetzt ist vergeben und jetzt ist es wieder gut.“ Ob dies emotional immer möglich war, ist unklar, aber zumindest stellt dies das Ideal dar.
Hier wird deutlich, dass körperliche Züchtigung wirklich nur als Ultima Ratio eingesetzt werden soll. Frank meint jedoch, dass es manchmal ohne sie nicht geht. Gerade hartnäckige Übeltäter bräuchten gelegentlich auch körperliche Züchtigung.
Dies ist einer der Gründe, warum Frank heute unter Pädagogen eher kritisch gesehen wird. Man macht ihm vor allem diesen Aspekt seiner Erziehungsmethoden zum Vorwurf.
Kritik an Frankes Frömmigkeit und Erziehungsprinzipien
Ein weiterer Punkt, den man ihm sehr zum Vorwurf macht, ist seine Frömmigkeit. Das ist heute kaum noch verbreitet. Unter anderem hat er damals die Aussage getroffen, dass man den Kindern ihren Eigenwillen brechen müsse.
Das klingt heute natürlich sehr hart und würde kein Pädagoge so formulieren. Es gilt als das Schlimmste, was man einem Kind antun kann. Dennoch glaube ich, dass er aus der Position, die er vertritt, nicht ganz Unrecht hat.
Was er nämlich meint, ist, dass ein Kind zunächst egoistisch ist, wenn es heranwächst. Es denkt an sich selbst und tut nur das, was ihm selbst dient. Mit „Eigenwillen brechen“ meint er, dass das Kind dahin geführt werden muss, Gottes Autorität im Leben zu akzeptieren.
Dabei geht es nicht darum, dass das Kind sklavisch einem Lehrer folgt. Vielmehr soll es erkennen, dass der Lehrer sich selbst Gott unterordnet. Das Kind soll verstehen, dass es eine höhere Autorität über sich gibt – nicht die des Lehrers oder des Staates, sondern Gottes. Diese Erkenntnis müsse dem Kind vermittelt werden.
Wissenschaftliche Leistungen und Lehrerbildung
Die weltliche Wissenschaft spielt durchaus eine wichtige Rolle. Franke schätzt sie sehr und setzt sich stark für sie ein. Unter anderem ist er als Universitätsprofessor tätig und gründet mehrere Institute, die sich mit der Erforschung orientalischer Sprachen beschäftigen. Zudem gehört er zu den Ersten, die die praktische Theologie, das heißt die Homiletik im Alltag, stärker berücksichtigen.
Er gründet auch die erste deutsche Lehrerausbildungsstätte. Bis dahin gab es Lehrer, die einfach an der Universität ihr Fachstudium absolvierten – meist ohne pädagogische Ausbildung – und dann unterrichten durften. Manchmal wurden sogar Lehrer angestellt, die nie studiert hatten. Beispielsweise ernannte ein Fürst einen altgedienten Soldaten, der durch eine Schlacht lahmgelegt war, zum Lehrer. Dieser brachte den Kindern das bei, was er wusste, und setzte dabei die auf dem Schlachtfeld übliche Disziplin ein. Das war nicht immer ideal.
Lehrer war damals kein angesehener Beruf. Franke war der Erste, der eine Art Lehrerseminar einführte. Dieses orientierte sich an ähnlichen Mustern wie das heutige Referendariat. Talentierte Studenten lud er ein, die einen Freitisch erhielten – das bedeutete, sie durften frei essen und trinken, manche sogar kostenlos in heiligen Anstalten übernachten. Dafür mussten sie wöchentlich drei bis vier Unterrichtsstunden geben, also nicht sehr viele.
Diese Unterrichtsstunden sollten gegenseitig besucht, also hospitiert werden. Einmal pro Woche wurde darüber ausgewertet. Dabei war stets ein Präzeptor, also ein ausgebildeter Lehrer, anwesend, der Rückmeldungen gab. So fand das Lernen des Lehrerseins in der Praxis mit Begleitung, Anleitung und zusätzlicher, praxisbezogener Ausbildung statt. Diese Methode ist eine Erfindung Frankes und kann als Vorläufer moderner pädagogischer Ansätze gesehen werden.
Dieses Konzept wurde später an vielen Stellen übernommen. Es ist auch der Grund, warum Frankes Lehrer in ganz Europa sehr gefragt waren. Sie verfügten über wesentlich mehr pädagogisches Wissen als viele andere Hauslehrer, die zwar fachlich kompetent waren, aber die Pädagogik nicht so im Blick hatten.
Die Erfindung der Kindheit und kindgerechte Pädagogik
Man spricht auch in der Zeit des Pietismus von der Erfindung der Kindheit. Natürlich gab es die Kindheit auch vorher, aber neu ist, dass Frank erkennt, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind. Kinder sind eigenständige Wesen und können bestimmte Dinge noch nicht verstehen.
Heute ist das jedem Pädagogikstudenten klar. Es gibt die Entwicklungspsychologie, die zeigt, dass kleine Kinder anders denken und Dinge anders begreifen als ältere Kinder. Diese Erkenntnis entsteht in der Zeit des Pietismus. Deshalb fordert Frank auch dazu auf, den Kindern schulische Inhalte auf kindgemäße Weise zu vermitteln.
Natürlich befindet sich vieles noch in der Entwicklungsphase, das ist klar. Aber Frank gehört zu denjenigen, die ganz am Anfang stehen, diese Erkenntnisse weiterzuentwickeln.
Nachfolge und Fortführung des Werkes
Das sind nun einige Schlaglichter auf die Pädagogik Frankes. Irgendwann stirbt er, und zur Zeit seines Todes übernimmt sein Schwiegersohn Freilinghaus die Leitung des Werkes. Freilinghaus war bereits seit vielen Jahren ein enger Mitarbeiter Frankes.
Er hatte Frankes Tochter geheiratet. Freilinghaus ist auch musikalisch sehr begabt. Unter seiner Leitung wird ein eigenes Gesangbuch herausgegeben, das von den Pietisten in ganz Deutschland gesungen wird. Dieses Gesangbuch wird zudem ins Dänische und Englische übersetzt und auch dort gesungen.
So bleiben die frankischen Anstalten über Jahrzehnte hinweg prägend für die pietistische Bewegung in ganz Europa.
Frankes Weltveränderung durch Menschenveränderung
Frank hatte auch in seinem sogenannten großen Aufsatz, den er veröffentlicht hat, eine ähnliche Perspektive entwickelt. Er meinte, man müsse die ganze Welt verändern.
Die Weltveränderung geschehe jedoch durch Menschenveränderung, so sagte er. Deshalb wollte er die Menschen verändern und von Halle aus eine umfassende Verwandlung der Welt bewirken.
Daher stammen auch seine Pläne für Handwerk, Politik und Weltmission. Er hatte große Pläne und Ideen, die tatsächlich enorme Auswirkungen in der damaligen Zeit hatten.
Die Entwicklung der frankischen Anstalten bis heute
Die frankischen Anstalten existieren bis heute. Allerdings gab es Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts starke theologische Veränderungen. Das heißt, man öffnete sich mehr für bibelkritische Überzeugungen, die dann auch aufgenommen wurden – sowohl an der Universität in Halle, die lange Zeit pietistisch geprägt war, als auch in den hallischen Anstalten.
Trotzdem waren die Anstalten bis zum Zweiten Weltkrieg noch kirchlich geprägt. Nach dem Zweiten Weltkrieg befanden sie sich in der DDR. Dort wurden sie vom Staat stark bedrängt. Die Anstalten blieben zwar als Eigenorganisation bestehen, doch sie erhielten keine Zuteilung für Baumaterialien und Ähnliches. Dadurch verfielen sie mit der Zeit immer mehr, verloren an Bedeutung, und es fehlten die finanziellen Mittel.
Die DDR-Regierung baute zudem eine vierspurige Umgehungsstraße direkt vor den frankischen Anstalten. Diese Straße existiert bis heute und trug dazu bei, dass die Anstalten bei der Wiedervereinigung nur noch ein Schatten ihrer selbst waren.
Einige bekannte Absolventen der Schule, unter anderem der damalige Außenminister Genscher, der die Schule noch vor dem Zweiten Weltkrieg besucht hatte, setzten sich dafür ein, die Anstalten zu erneuern. Heute sind sie perfekt restauriert.
Heute dienen die Gebäude nicht nur als Museum, das an Franke erinnert. Auch das Naturalienkabinett, das dort zu sehen ist, ist sehenswert. Besonders interessant ist die Bibliothek. Daneben sind auch einige andere Einrichtungen untergebracht. Hauptsächlich befinden sich heute wieder Schulen und Teile der Universität Halle dort, insbesondere die theologische Fakultät.
Kleine Räume nutzt auch die von Kahnstein'sche Bibelgesellschaft. Diese erinnert an von Kahnstein. Ein Besuch lohnt sich also auf jeden Fall.
Es besteht die Möglichkeit, gemeinsam dorthin zu fahren. Ich habe bereits einen Termin angeboten, zu dem alle, die mitkommen möchten, eingeladen sind. Beim nächsten Mal kann ich den Zettel mitbringen, auf dem auch ein Sonderpreis für Schüler und Studenten vermerkt ist. Falls jemand aus finanziellen Gründen nicht zahlen kann, gibt es ebenfalls einen günstigeren Preis für die Teilnahme.
Hinterher wird es eine Gesamtkalkulation geben. Es lohnt sich sicherlich, mitzufahren. Wir werden auf dem Marktplatz die Gebäude der alten Universität anschauen, die Kirche besuchen, in der Franke gepredigt hat, sowie die frankischen Anstalten besichtigen. Außerdem werfen wir einen kleinen Blick in die Ausstellung der von Kahnstein'schen Bibelgesellschaft.
Zum Abschluss beenden wir die Tour am Reichsgottesacker, dem Friedhof, auf dem das Grabmal Frankes zu sehen ist. Das vor Augen zu haben, ist eine ganz interessante Erfahrung.
Empfehlung zur weiteren Vertiefung und persönliche Eindrücke
Und wenn ihr noch mehr darüber wissen wollt, empfehle ich euch, ein Buch zu August Hermann Francke zu erwerben, das bald erscheinen wird. Es ist bereits fertig geschrieben, befindet sich aber noch im Lektorat und muss noch gedruckt werden. Ich kann es euch wirklich empfehlen, denn es hat mir Freude bereitet, noch mehr zu recherchieren und viele seiner Schriften auch im Original laut zu lesen.
Ich denke, Francke ist eine spannende und herausfordernde Persönlichkeit. Ich hoffe, dass das heute Abend zumindest ein wenig rübergekommen ist. Man sieht daran die Größe des Handelns Gottes und auch die Auswirkungen, die das in Deutschland im christlichen Bereich hatte – allein durch die Initiative eines Mannes, der Gott vertraut hat. Das kann bis heute motivieren.
Deshalb ist das wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum sich viele freie Bekenntnisschulen in Deutschland den Namen Augustin-Franke-Schule gegeben haben. So auch die Detmolder Schule, eine der größten deutschen Bekenntnisschulen. Vielleicht kennt ihr sie nicht, die Detmolder Schule: Es gibt dort zwei Grundschulen, eine in Delbrück, eine in Detmold, dann eine Hauptschule, eine Gesamtschule und ein Gymnasium. Das ist eine ziemlich große Sache geworden und nennt sich auch Augustin-Franke-Schule. Aber es ist nicht die einzige. Es gibt auch eine christliche Schule in Hamburg, mit der ich einmal eine Schulung gemacht habe. Diese hat drei Niederlassungen und nennt sich ebenfalls Augustin-Franke-Schule. Es gibt noch einige andere mehr.
Genau aus diesem Grund – weil Francke einer der wirklich bedeutenden pietistisch-evangelikalen Theologen und Pädagogen ist. Damit mache ich jetzt Schluss, denn es ist neun Uhr. Nicht, dass ich euch nicht noch einiges zu erzählen hätte, aber ich möchte mich ungefähr an die Zeit halten.
Hier ist noch einmal Ziegenbalg, und das war es dann auch schon. So, jetzt ist das Ganze weg, es geht nicht mehr. Na ja, aber jetzt haben wir die Bilder auch alle mal gesehen. Oder da waren doch noch welche? Irgendwie waren da noch welche, aber gut. Jetzt haben wir höchstens noch die Möglichkeit, etwas darüber auszutauschen. Oder wollt ihr noch etwas genauer wissen?
Ich habe ja viele Sachen nur angeschnitten, aber vielleicht wollt ihr etwas noch genauer wissen: Wie hat August Hermann Francke überhaupt sein ganzes „Pupilium“ anfangs organisiert? Pharmazie, Handwerk, Landgeschäfte, Schifffahrt – das war wie ein kleiner Gegenentwurf zu damaligen Firmen wie Doktor Oetker. Er hatte die Übersicht bis ins kleinste Detail. Heute ist das ja durch Computer und Internet relativ einfacher, aber damals...
Man kann sagen, er war einerseits ein sehr, sehr fleißiger Mann. Manche seiner Tätigkeiten habe ich euch gar nicht erwähnt, das war nur beispielhaft. Es fing früh morgens mit der Arbeit an. Er hatte ganz früh morgens mit seinen wichtigsten Mitarbeitern ein gemeinsames Treffen. An diesem Treffen nahmen auch auswärtige Leute teil, die die Anstalten besichtigen wollten. Jede Woche kamen Leute, die das besichtigen wollten, und mit denen hielt er morgens erst einmal eine Bibelstunde.
Dann gab es eine Arbeitsbesprechung mit den wichtigsten Mitarbeitern. Diese Mitarbeiter spielten eine ganz große Rolle. Viele von ihnen arbeiteten in den Anstalten gratis, sie aßen und tranken nur mit, erhielten keinen Lohn. Das erwähnte sogar der preußische König, der zu Besuch kam. Er sagte, wenn er solche Leute hätte, könnte er auch etwas ganz anderes erreichen. Er fragte den Ehlers, der schon jahrzehntelang mitarbeitete und Leiter der Buchhandlung war: „Was haben Sie denn davon, dass Sie mitarbeiten?“ Antwort: „Gar nichts.“ Das heißt, es waren selbstlose Leute, die bereit waren, sich einzusetzen. Francke konnte ihnen total vertrauen, musste nicht ständig kontrollieren, konnte Aufgaben übertragen und hatte so immer den Überblick, was lief.
Durch diese täglichen Treffen mit etwa zehn wichtigsten Mitarbeitern traf er sich jeden Tag, betete mit ihnen und besprach, was entschieden werden musste. So konnte er sich auf die wesentlichen Aufgaben konzentrieren.
Daneben war er natürlich auch außerordentlich fleißig und hatte gute organisatorische Fähigkeiten. Aber ich glaube, das Geheimnis dahinter, was das Ganze möglich machte, waren diese Mitarbeiter. Sie waren nicht nur kurzzeitig dabei, sondern sahen ihre Lebensaufgabe darin, sich in diesem Werk zu engagieren – und das auch sehr gut.
Francke hatte die Fähigkeit, Menschen nach ihrer Begabung und Fähigkeit zu erkennen und sie an den richtigen Platz zu setzen. Einige davon habe ich genannt: Von Kahnstein mit der Bibelgesellschaft, Ehlers mit der Buchgesellschaft, der Arzt Richter für die Apotheke. Diese Leute waren verantwortlich für ihren Bereich.
In manchen Bereichen war Francke unmittelbar intensiver beteiligt, zum Beispiel beim Predigtdienst. Er war lebenslang auch Pfarrer. An der Universität war er natürlich intensiver dabei, bei der Leitung des Gesamtwerks und der Schule. Er war auch immer wieder im Unterricht dabei, hörte zu und sprach mit den Schülern. Er saß auch immer beim Mittagkaffee mit den Schülern zusammen. Deshalb gibt es ein Denkmal, auf dem er Kinder an der Hand hält. Er war nicht nur der Direktor, der aus der Ferne im Büro saß, sondern hatte durchaus auch Kontakt zu den Kindern.
Das war ziemlich genau eingeteilt. So können wir uns vorstellen, was ich euch gesagt habe: Er meinte, alles andere als Arbeit sei Zeitverschwendung. Vergnügungen und ähnliches hatten in so einem Leben keinen Platz. Das wollte er auch den Schülern vermitteln: Nutzt die Zeit, kauft sie aus, die Zeit ist knapp, und dann kann man richtig etwas erreichen.
Aber so ist es immer: Es gibt wenig für Pyramiden. Früher, vor etwa hundert Jahren, gab es auch keine Computer. Letztlich wurden nach diesem System auch die großen Firmen geführt, wie Kryptysnit und andere. Alles genau nach demselben System. Es gibt eine Hierarchie, und natürlich muss derjenige an der Spitze talentiert sein, Ordnung halten und alles im Griff haben. Aber klar, das ging auch ohne die technischen Mittel, die wir heute haben.
Beeindruckend.
Gibt es sonst noch Informationswünsche, Anfragen oder Ergänzungen? Wenn nicht, schließe ich einfach mal ab. Falls jetzt noch persönliche Fragen kommen, könnt ihr gerne auf mich zukommen. Dann erzähle ich euch noch ein bisschen mehr.
Gegen Ende seines Lebens unternahm Francke zum Beispiel eine Rundreise durch Deutschland, die ich jetzt nicht ausgespart habe. Dabei begegnete er in Württemberg dem Bengel, den einige vielleicht kennen, der zum württembergischen Pietismus gehört. Nebenbei hatte Francke auch einige Begegnungen mit Zinzendorf, denen wir uns beim nächsten Mal näher widmen wollen.
Das nächste Mal will ich, wenn wir noch Zeit haben, neben Zinzendorf auch einen kurzen Blick auf den württembergischen Pietismus werfen. Dazu gehört auch Bengel. Außerdem werde ich etwas über die radikalen Pietisten erzählen. Es gab auch ein paar schräge Vögel im Pietismus, die ich wenigstens kurz erwähnen möchte, ohne sie in den Mittelpunkt zu stellen.
Es hat mich gefreut, dass ihr da wart. Ich hoffe, ihr konntet einige Sachen mitnehmen. Ich wünsche euch einen schönen Abend und gute Nacht. Bis zum nächsten Mal.
Ich hätte euch jetzt auch gerne schon das Buch über Francke vorgestellt. Es hätte eigentlich im Herbst erscheinen sollen, aber die Arbeit daran zog sich immer länger hin. Ich wollte noch etwas lesen, ergänzen und umschreiben. Deshalb ist es erst jetzt fertig geworden und dauert noch ein bisschen, bis es herauskommt.
Wie heißt es? Es heißt „August Hermann Francke“. Der Untertitel wird meist vom Verlag festgelegt. Es wird wohl etwas wie „Theologe und Pädagoge“ heißen. Es erscheint in der Christlichen Verlagsgesellschaft in Dillenburg mit einem Umfang von knapp über zweihundert Seiten.
Ich habe den Eindruck, dass es sich lohnt, das Buch zu lesen. Über August Hermann Francke ist seit Jahrzehnten keine größere Biografie mehr erschienen, nur kurze, die aber nicht sehr informativ sind. Die letzte größere Biografie stammt von Erich Bayreuther und ist über fünfzig Jahre alt.
Bayreuthers Buch war damals gut, aber stilistisch etwas älter. Manche Aspekte, zum Beispiel seine geistliche Entwicklung, werden aus meiner Sicht zu kurz behandelt. In den letzten Jahren ist über ihn relativ wenig erschienen.
Auch im Bereich der pädagogischen Ausbildung wird Francke heute nicht mehr so häufig zitiert. Seine Auffassungen zur Pädagogik, etwa das Durchgreifen oder die Verbindung von Pädagogik und Frömmigkeit, entsprechen nicht dem Mainstream der aktuellen pädagogischen Ausbildung.
