Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich nehme an, nicht alle konnten gestern dabei sein, als wir Teil 1 und Teil 2 des Themas „Unsere wahre Identität in Christus“ hier behandelt haben. Ich kann natürlich nicht die zwei Stunden Vorträge jetzt wiederholen, aber mit einer ganz kurzen Wiederholung dürfen wir beginnen.
Wir denken nach über die Frage: „Wer bin ich?“ Wenn uns jemand ehrlich danach fragt, was antworten wir dann? Wer bin ich? Den Begriff „Identität“ finden wir in der Bibel nicht, aber die Sache selbst begegnet uns auf jeder Seite der Bibel. Die Bibel spricht von Identität, auch wenn sie das moderne Wort nicht verwendet.
Im zweiten Vortrag gestern haben wir gesehen, dass wir Christen eine Identität in Christus haben. Es gibt nur zwei Gruppen von Menschen auf dieser Erde: Die einen sind in Adam, die anderen in Christus. Wir sind alle in Adam geboren worden. Aber jeder von uns, der eine Wiedergeburt erlebt hat, eine Geburt von oben, der ist jetzt nicht mehr in Adam, sondern in Christus. So sieht Gott uns.
Und in Christus sind wir für gerecht erklärt worden. Wir, die wir uns oft so ungerecht fühlen – zu Recht, weil wir versagt haben, weil wir gesündigt haben, weil wir schwach waren –, trotzdem sind wir von Gott für gerecht erklärt worden.
Wir sind angenommen. Da bin ich gestern so schnell drübergegangen. Ich mache das absichtlich, damit ich bei diesem dritten Vortrag zu dem Stichwort „angenommen“ noch eine kleine Geschichte erzählen kann.
Die Erfahrung der Annahme in Christus
Wir lebten in Mannheim und hatten in unserem Haus einen Hausbibelkreis. Dort kamen verschiedene Menschen zusammen: Evangelische, Katholiken, Konfessionslose und sogar ein Moslem. Alle besuchten den Bibelkreis, in dem wir das Johannesevangelium durchnahmen.
Eine Teilnehmerin, Uschi, war katholisch. Sie hatte das Evangelium bereits sehr gut verstanden. Ich war einmal Zeuge, wie sie einer anderen Frau erklärte, wie diese sich bekehren könnte und sollte. Uschi selbst hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekehrt, aber sie wusste genau, wie man es tun sollte.
Dann hatten wir Werner Gitt zu Vorträgen bei uns in Mannheim in der Stadthalle. So machen es die Evangelisten: Er hielt drei Vorträge, und danach bekehrten sich ungefähr so viele Menschen, wie heute Abend hier sitzen. Unter ihnen waren fünf aus unserem Hausbibelkreis, darunter auch Uschi.
Wir hatten jahrelang die Knochenarbeit gemacht. Dann kamen die Evangelisten, hielten drei Vorträge und ernteten die Früchte. Doch wir freuten uns mit ihnen und weinten vor Freude. Das kann ich euch sagen: Es war ein herrlicher Tag. Fünf Menschen aus unserem Bibelkreis bekehrten sich, auch Uschi.
Am Mittwoch darauf hatten wir wieder Hausbibelstunde bei mir. Es war üblich, dass am Ende eine Gebetsgemeinschaft stattfand. Bis dahin hatte Uschi noch nie laut gebetet. Doch plötzlich betete sie laut. Ich kann euch ihr Gebet wortwörtlich wiedergeben:
„Herr Jesus, ich danke dir, dass bei dir gilt: angenommen heißt angenommen. Amen.“
Mehr sagte sie nicht. Mein Herz jubelte, weil ich sah, dass Uschi es begriffen hatte. Da war der Groschen gefallen. Sie wusste, dass sie von Gott angenommen war.
Nicht die katholische Taufe hatte sie zu einem Christen gemacht, nicht die Kommunion und auch nicht die Firmung. Jesus Christus war in ihr Leben gekommen, und er hatte sie angenommen.
Vollendung und Rechtfertigung in Christus
Dann sind wir in Christus vollkommen gemacht. Der Hebräerbrief sagt, dass er mit einem Opfer für immer vollkommen gemacht hat. Die, die geheiligt werden, hat er mit einem Opfer vor den Vater vollkommen hingestellt.
Wir sind passend für den Himmel. Das bedeutet, auch wenn wir plötzlich sterben müssten – etwa durch einen Hirnschlag oder einen Unfall – müssen wir nicht denken: „Da ist ja noch so viel Unvollkommenes, Ungeduld, Unbarmherzigkeit, Stolz und Empfindlichkeit an mir.“ Ja, das ist leider alles noch an uns, aber trotzdem sind wir durch Christus passend für den Himmel. Er hat uns passend für den Himmel gemacht, wie wir gestern gesehen haben.
Wir sind unantastbar und unanklagbar. Der Teufel, die Dämonen und schon gar keine Menschen können uns nicht mehr anklagen. Sie können es versuchen, aber es hat keinen Erfolg. Wir sind in Christus gerecht vor Gott und passend für den Himmel.
Praktische Auswirkungen der Identität in Christus
Und wenn wir so eine Identität haben, wenn das das Fundament ist, auf dem wir stehen, wenn da der Zirkel eingestochen ist bei diesen Heilstatssachen, dann muss das doch Auswirkungen haben. Und zwar sowohl seelsorgerliche als auch praktische für unser Leben. Darüber möchte ich heute Abend sprechen.
Ich glaube, dass unsere Identität in Christus einen echten Schutz darstellt. Wir leben in einer glaubensfeindlichen Welt. Wir sind von verschiedenen Richtungen bedroht. Deshalb brauchen wir Schutz. Und ich glaube, wenn wir unsere Identität in Christus kennen, ist das ein echter, ein realer, ganz praktischer Schutz.
Ich möchte vier Dinge nennen, bei denen uns unsere Identität in Christus schützt. Und ich fange mal hier an.
Schutz vor Leistungsdenken
Meine Identität in Christus schützt mich vor Leistungsdenken. Leistungsdenken ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Fragt einmal eure Kinder oder Enkelkinder. Eine PISA-Studie jagt die nächste.
G8 wurde eingeführt, in Sachsen ebenfalls G8. Wer weiß, vielleicht kommt bald noch ein G7 dazu, bei dem man in sieben Jahren durchs Gymnasium hetzen muss. Zurzeit geht die Tendenz jedoch eher wieder in Richtung G9.
Wir leben wahrlich in einer Leistungsgesellschaft. Das merken schon unsere Kinder, aber auch die Erwachsenen. Immer weniger Leute müssen immer mehr Arbeit erledigen, weil am Personal gespart wird – nicht an Maschinen. Maschinen werden gekauft und von der Steuer abgeschrieben, aber Personal ist der Kostenfaktor. Deshalb müssen immer weniger Menschen immer mehr Arbeit übernehmen.
Ganz fatal ist, dass sich manche von uns sogar die Liebe und Annahme der eigenen Eltern verdienen mussten. So etwas sollte es eigentlich überhaupt nicht geben – und schon gar nicht unter Christen. Wir als christliche Eltern wollen unsere Kinder bedingungslos annehmen, so wie Gott sie uns gegeben hat. Nicht, wie wir sie in unserer Wunsch- und Idealvorstellung gerne hätten, sondern so, wie Gott sie uns gegeben hat – mit ihren Stärken und Schwächen.
Aber manche Kinder sind nicht angenommen von ihren Eltern. Sie müssen die Annahme und Liebe erst verdienen. Wenn sie alles machen, was die Eltern wünschen, sind die Eltern zufrieden. Wenn sie das nicht erfüllen, steht ein Fragezeichen über der Liebe und Annahme der Eltern.
Und das ist wirklich Gift. Das kann Menschen ihr ganzes Leben lang belasten und wirkt wie eine negative Hypothek.
Der Verdienstgedanke ist darüber hinaus uns allen angeboren. Wir möchten gerne Gunst und Wohlgefallen bei Menschen und sogar bei Gott verdienen. So sind wir. Jeder von uns möchte gerne ein Gegengeschenk machen, wenn er etwas geschenkt bekommt, oder eine Gegeneinladung aussprechen, wenn er eingeladen wurde. Wir wollen verdienen. Der Verdienstgedanke ist uns angeboren.
Die Gefahr des Perfektionismus
Eine besondere Form des Leistungsdenkens ist der sogenannte Perfektionismus oder auf Deutsch das Vollkommenheitsstreben.
Das zeigt sich bei Menschen, die unter einer Tyrannei des „Ich sollte eigentlich mehr“ leben. Sie denken ständig: „Habe ich irgendwann schon mal genug gebetet? Ich nie.“ Mehr beten, mehr Bibel lesen, mehr Zeugnis geben, mehr spenden, mehr helfen – immer mehr, mehr, mehr. Es ist immer zu wenig, es fehlt immer, es gibt immer Mangel und Defizite.
Diese Menschen spüren das sehr stark und leiden darunter. Ständig fehlt etwas, und sie denken: „Ich sollte mehr tun.“ Heute Morgen habe ich nicht lange genug Bibel gelesen, heute habe ich nicht genug gebetet, und eigentlich hätte ich Zeugnis geben müssen.
Man steht geistlich auf Zehenspitzen, streckt sich nach Vollkommenheit aus, doch erreicht sie nie auf diese Weise. Wir erreichen keine Vollkommenheit, bei der wir einmal sagen könnten: „So, jetzt habe ich genug geliebt, genug gebetet und genug geholfen.“ Das werden wir nie erreichen.
Besondere Gefährdung der Erstgeborenen
Wisst ihr, welche Menschen besonders gefährdet sind, in dieses Fahrwasser zu geraten? Es sind die Erstgeborenen in den Familien. Man kann sich nicht aussuchen, ob man als erstes, zweites, fünftes oder x-tes Kind geboren wird. Alles hat seine Vor- und Nachteile.
Ich bin das Nesthäkchen, und das ist auch fatal, denn man nimmt dabei viel Negatives mit ins Leben. Aber egal: Die Erstgeborenen müssen oft den Eltern ganz genau gefallen und gleichzeitig Vorbild für die nachgeborenen Geschwister sein. Sie geraten häufig in eine Haltung, in der sie eine Performance bringen wollen – so sagt man es heute modern. Sie möchten eine Vorstellung bieten, die den Eltern gut gefällt.
Dabei entwickeln sie manchmal eine Haltung, allen Menschen es recht machen zu wollen. Trotzdem merken sie, dass irgendwo etwas fehlt. Erstgeborene sind hier mehr gefährdet als später Geborene. Sie haben oft ein allgemeines Gefühl der göttlichen Missbilligung. Sie denken: Gott kann mit mir nicht zufrieden sein. „Ich habe heute Morgen schon wieder nicht lange genug gebetet. Er kann mit mir so nicht zufrieden sein. Ich habe es mir so oft vorgenommen, und jetzt habe ich es wieder nicht gemacht.“
Aus solchen Gläubigen können fromme Neurotiker werden. Das kann Menschen krank machen, wenn sie immer mit dem Gefühl leben, es reiche nicht, sie schaffen es nicht, und sie müssten aber mehr leisten. Das kann einen Menschen krank machen.
Diese Gedanken habe ich aus einem Buch von David Siemens entnommen mit dem Titel Heilung der Gefühle. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was in dem Buch steht – das muss man aber auch nicht sein. Man sollte Bücher lesen mit der Haltung: Das Gute nehme ich heraus, das andere lasse ich durch das Sieb fallen und lasse es im Buch stehen, aber ich übernehme es nicht für mich.
Die biblische Antwort auf Leistungsdenken
Zurück zu unserer Frage: Wie kann mich meine Identität in Christus vor Leistungsdenken schützen?
Ich möchte das anhand eines der bekanntesten Bibeltexte überhaupt erklären – der Geschichte vom verlorenen Sohn. Besser gesagt, von den verlorenen Söhnen oder noch besser: der Geschichte vom liebenden Vater. Denn Jesus spricht hier vom himmlischen Vater.
Ihr kennt die Geschichte, ich muss sie nicht ganz vorlesen. Der jüngere Sohn hat alles verschwendet, alles verprasst. Die Taschen waren leer, die Freunde weg. Dann kommt er zur Besinnung: „Oh, mein Vater, die Tagelöhner meines Vaters haben es besser als ich. Ich bin hier bei den grunzenden Schweinen und muss sogar deren Treber fressen.“ Dann kommt ihm der Gedanke, sich aufzumachen und zu seinem Vater zurückzugehen. Er will sagen: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Mache mich zu einem deiner Tagelöhner.“
Das nimmt er sich aufrichtig vor, und es bleibt nicht nur bei diesem Vorsatz. Im nächsten Vers lesen wir: „Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater.“ Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater, wurde innerlich bewegt, lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn zärtlich, so steht es in der Elberfelder Bibel, die ich hier vor mir habe.
Das bedeutet, der Vater muss Ausschau gehalten haben nach dem Sohn, sonst hätte er ihn nicht gesehen, als er noch fern war. Wilhelm Busch sagt an dieser Stelle: Es steht nur einmal in der Bibel, dass Gott läuft – hier ist der laufende Gott zu sehen. Wem läuft Gott entgegen? Den Religiösen, den Selbstgerechten, den Superfrommen, den Pharisäern? Nein, einem Sünder, der umkehrt. So läuft der Gott der Bibel dem Sünder entgegen.
Der Sohn hatte sich etwas vorgenommen, er wollte etwas sagen. Er beginnt genauso: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen.“ Aber welchen Satz lässt er weg? „Mache mich zu einem deiner Tagelöhner“ – diesen Satz lässt er weg.
Jetzt aufgepasst: Es gibt Spezialisten, die sagen, es gibt zwei Handschriftensammlungen – den sogenannten Mehrheitstext oder Textus Receptus und den Nestle-Aland-Text. In einer dieser beiden Handschriftensammlungen der neutestamentlichen Schriften steht dieser Satz nicht, sagen sie. Und ich sage: Hört auf damit, bitte!
Der Sohn konnte diesen Satz nicht mehr sagen. Er brauchte ihn nicht mehr sagen. Der Satz blieb ihm im Hals stecken, denn er wäre völlig unpassend gewesen. Er war überwältigt von der Liebe und Annahme seines Vaters. Hätte er jetzt gesagt: „Ja, Vater, mache mich zu einem deiner Tagelöhner“, wäre das so gewesen, als hätte er ihm eine Ohrfeige verpasst. Das hätte überhaupt nicht gepasst.
Der Vater hatte Ausschau gehalten, war ihm entgegengekommen, hatte ihn umarmt, geküsst, ihm einen Ring an den Finger gesteckt, ihm Schuhe an die Füße gegeben und ein neues Kleid übergezogen. Er hatte das gemästete Kalb geschlachtet. Er war überwältigt von Liebe und Annahme. Deshalb brauchte der Sohn diesen Satz nicht mehr sagen. Er durfte ihn nicht mehr sagen.
Diese Szene ist unendlich oft dargestellt worden – gemalt auf Bildern oder hier, in einem ganz schlichten Linolschnitt. Wir sehen, wie der Vater dem Sohn entgegenkommt, wie er da angeschlichen kommt. Der ältere Sohn wurde auch nicht vergessen, ja?
Seht ihr, was ich hier hingeschrieben habe? Gott will keine christlichen Tagelöhner, die jeden Tag eine Performance bringen und immer denken: „Hoffentlich habe ich genug getan, hoffentlich habe ich nichts vergessen, hoffentlich ist Gott mit mir zufrieden.“ Das ist christliche Tagelöhnerei, und das will Gott nicht.
Dieser Mann hat den Satz weggelassen, weil er ihn nicht mehr sagen musste. Und du brauchst ihn auch nicht zu sagen – und ich auch nicht.
Gnade als Heilmittel gegen Leistungsdenken
Was hilft uns? Wie kann uns unsere Identität in Christus an dieser Stelle unterstützen?
Das Heilmittel heißt erneut Gnade. Die Gnade ist das Mittel, das Bewusstsein, dass ich schon längst von Gott angenommen bin und bereits in Christus bin. Dieses Bewusstsein wird mich immer wieder von dem elenden Verdienstgedanken wegführen und zurück auf den Boden der Gnade bringen. Ich bin angenommen.
Denkt bitte an Uschi. Wie hat sie gebetet? „Herr Jesus, ich danke dir, dass bei dir angenommen wirklich angenommen heißt. Und so ist es: Ich bin bereits angenommen, und ich muss den Vater nicht mehr zufriedenstellen. Natürlich will ich ihn nicht betrüben, und natürlich möchte ich ihm wohlgefällig leben. Aber nicht in der Hinsicht, dass ich keinen Fehler machen darf und dass alles perfekt, hundertfünfzigprozentig stimmen muss. So nicht.“
Das Heilmittel heißt Gnade. Ich bin bei Gott in Gnade, und das hilft mir, wenn mich das Leistungsdenken einholt. Und das kann jedem passieren, auch wenn er nicht der Erstgeborene ist.
Schutz bei Versagen
Zweitens schützt mich meine Identität in Christus auch bei Versagen. Christen sind durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus vor Gott gerecht geworden. Das sagt uns der Römerbrief, aber auch das ganze Neue Testament, vor allem der Römerbrief.
Dennoch sündigen wir noch. Wir sind Heilige – so nennt uns die Bibel an vielen Stellen. Es sind nicht römisch-katholische oder griechisch-orthodoxe Heilige gemeint, sondern biblische Heilige, die dem Heiligen gehören.
Wir sind also Heilige, die dennoch sündigen können. Unsere Identität ist jedoch klar: Wir sind Heilige, so spricht uns die Bibel an.
Die zwei Naturen des Christen
Nach meiner Erkenntnis haben Christen zwei Naturen: die alte Natur und die neue Natur. Diese sind gleichzeitig vorhanden. Die alte Natur nennt die Bibel Fleisch, die neue Natur ist Geist. Beide Naturen existieren in Personalunion.
Die Bibel sagt: Unser Fleisch, das ist unser Körper, und die Lüste wohnen in unserem Fleisch. Hier stehen über achtzig Kilo Fleisch, und da ist noch allerhand drin. Deshalb ist die alte Natur, das Fleisch, da, ebenso wie die neue Natur. Es kommt darauf an, dass die neue Natur die Oberhand gewinnt, dass wir im Geist wandeln, sagt Paulus im Galater 5. Aber wir haben beide Naturen gleichzeitig.
Das bedeutet, dass wir hier auf der Erde niemals Sündlosigkeit erreichen werden. Es hat immer wieder Einzelne gegeben und sogar ganze Bewegungen in der Kirchengeschichte, die in diese Richtung unterwegs waren. Sie haben angestrebt oder sogar behauptet, man könne als Christ Sündlosigkeit erreichen.
Bereits im dritten und vierten Jahrhundert gab es Bewegungen wie die Donatisten und Montanisten. Auch später, immer wieder, etwa in der Reformationszeit, haben Christen von Sündlosigkeit gesprochen.
Kommen wir nun in unsere Gefilde: Auch in der Gemeinschaftsbewegung gab es eine Richtung namens Jonathan Paul, die sogenannte Lehre vom reinen Herzen, Anfang des 20. Jahrhunderts. Wir sind jetzt im 21. Jahrhundert, und ihr kennt ja die Geschichte. Er hat einmal vor einer großen Versammlung von Menschen den berühmten Satz gesagt: „Brüder, ich habe schon vier Wochen meinen alten Adam nicht gesehen.“
Doch hinten stand ein mutiger Bruder auf und sagte: „So, du hast ihn nicht mehr gesehen, aber wir haben ihn noch gesehen. Frag mal deine Frau, die hat ihn wahrscheinlich auch noch gesehen.“ Da war er ganz schön blamiert. Aber das ist wirklich so passiert. Er hatte wirklich gedacht, er hätte schon vier Wochen nicht mehr gesündigt.
Heute gibt es noch eine Bewegung, die man die Norweger nennt, weil sie aus Norwegen kommen. Auch sie tendieren in diese Richtung. Ich habe einen speziellen Freund in der Schweiz – Freund in Anführungsstrichen – der heißt Ivo Sasek. Er lehrt ganz unverblümt, dass Christen Vollkommenheit im Sinne von Sündlosigkeit erreichen könnten. Wahrscheinlich hält er sich selbst auch schon für sündlos.
Wenn jemand vor mir steht und in diese Richtung redet, liebäugelt damit, Sündlosigkeit zu erreichen, höre ich mir das in Ruhe an. Dann frage ich: Hast du jemals dein eigenes Herz erkannt? Was da drinsteckt, in diesem Abgrund da in dir drin, diese Brunnenstube des Bösen? Wie sagt Woltersdorf: „Was bin ich, wenn es mich betrifft? Ein Abgrund voller Sündengift.“ Kennt ihr diese Liedstrophe?
Wenn es jemals eine Bewegung gegeben hat, die es ganz genau genommen hat mit der Heiligung, dann waren es die Puritaner. Schaut mal, hier ist ein Hammerzitat von einem Puritaner: Beveridge sagt, er könne nicht einmal beten, ohne zu sündigen. Er müsse oft über seine Buße Buße tun. Warum denn das? Weil sie viel zu oberflächlich sei. Selbst seine Tränen müssten noch mit dem Blut des Erlösers gewaschen werden.
Von wegen Sündlosigkeit! Der Mann hatte wirklich sein Herz entdeckt und sein ganzes Versagen.
Die Realität der Sündhaftigkeit und das Wachstum in Christus
Ihr Lieben, als Christen bleiben wir alle fähig zu jeder Sünde und Schändlichkeit. Jeder von uns könnte Ehebruch, Mord, Diebstahl und andere schlimme Taten begehen. Jeder von uns hat dieses Potenzial – ich auch.
Was hilft uns also bei Versagen? Zunächst möchte ich euch anhand einer kleinen Gegenüberstellung zeigen, wie Paulus gewachsen ist. In 1. Korinther 15,9 nennt er sich den geringsten der Apostel – das haben wir gestern hier gelesen. In Wirklichkeit war er der größte Apostel, aber in seinen Augen war er der geringste. Dies schrieb er im Jahr 56 nach Christus.
Fünf Jahre später, im Jahr 61 nach Christus, nennt er sich im Brief an die Epheser den geringsten aller Heiligen. Und wiederum sechs Jahre später schreibt er an Timotheus, dass er der größte aller Sünder sei, der vornehmste aller Sünder.
Merken wir, wie Paulus gewachsen ist? Christen wachsen wie ein Kuhschwanz – der wächst nach unten, wenn ihr das schon mal gesehen habt. Hier sehen wir Paulus, der in seinen Augen ein immer größerer Sünder wurde. Von wegen Sündlosigkeit oder so etwas – woher kommen denn solche Gedanken, die so etwas behaupten? Hier sehen wir, wie Paulus gewachsen ist.
Aber die eine Seite wäre zu wenig. Wenn man immer nur seine Sünden sieht, wird man depressiv. Nein, gleichzeitig sehen wir, wie Paulus den Herrn Jesus und seine Erlösung immer tiefer erkannt hat. In Apostelgeschichte 9 wird seine Bekehrung beschrieben. Dort ist die Rede von einem Licht aus dem Himmel. Es war helllichter Tag im Orient, und trotzdem war da ein Licht. Es war nicht die Sonne, sondern Jesus Christus, das Licht.
In Kapitel 22 erzählt Paulus selbst seine Bekehrung. In Jerusalem, vor den ganzen Juden, spricht er von der Herrlichkeit jenes Lichts – eine Steigerung. Und vor dem König Agrippa spricht er von einem Licht, das den Glanz der Sonne übertraf.
Merkt ihr, je länger Paulus mit dem Herrn gelebt hatte, desto heller kam ihm Christus und die Erlösung vor. Umso schöner und klarer sah er sie.
Ihr Lieben, was wir hier auf dieser schlichten Folie sehen, ist das Werk des Heiligen Geistes, das er bei jedem von uns tun will, bei jedem Gläubigen. Er will uns immer tiefer hineinführen in die Erkenntnis von uns selbst, unserer Sünden und unserer Verlorenheit. Ohne Christus wären wir völlig verloren und hätten nicht den Hauch einer Chance vor Gott.
Gleichzeitig will er uns immer mehr zeigen, was wir in Christus haben, wie tief die Erlösung ist und dass sie den ganzen Schaden gut gemacht hat. Das ist das Wirken des Heiligen Geistes in unserem Leben.
Hier sehen wir Ausgewogenheit, hier sehen wir Balance, hier sehen wir Symmetrie und nicht Schieflage. Es gibt auch welche, die überhaupt nicht mehr von Sünde reden wollen, sondern nur noch von Herrlichkeit und Triumph, ja, nur noch Halleluja. Das Kreuz ist nicht mehr in ihrem Leben.
Deshalb sehen wir hier Balance und Ausgewogenheit.
Die Identität in Christus bei Versagen
Wieder zurück zu der Frage: Wie schützt mich meine Identität in Christus bei Versagen?
Nehmen wir an, ich bin gestolpert, gefallen und habe eine Sünde getan, von der ich dachte, dass ich sie eigentlich nie wieder tun würde. Und jetzt ist sie mir doch wieder passiert. Kannst du dir vorstellen, was das sein könnte?
Da kommt gerade ein Flugzeug ins Spiel. Ein Flugzeug fliegt von Frankfurt am Main in einem Nachtflug nach Chicago über den Atlantik. Ich bin mal so geflogen, und wenn es dann dunkel wird, sind die Leselampen an. Nach und nach gehen die Leselampen aus, und die Leute fangen an zu schlafen. Ich möchte zur Toilette gehen, aber jemand hat sein Handgepäck ungünstig im Gang abgestellt. Im Halbdunkel stolpere ich darüber und falle.
Wie tief falle ich? Ein Meter zwanzig. Ich bin doch im Flugzeug, oder? Ich falle doch nicht ins Bodenlose! Das Flugzeug fliegt meistens zwischen zehn- und elftausend Metern Höhe, weil dort der Luftwiderstand geringer ist und es weniger Kerosin verbraucht.
Ja, ich falle, ich kann mir den Ellbogen verstauchen, mir etwas aufschürfen oder wehtun, aber ich falle doch nicht ins Bodenlose bis in den Atlantik, oder?
Jetzt kommen die Schlauen und sagen: „Aber da sind doch die ganzen Luken und Türen, du kannst doch da auch rausspringen.“ Das geht nicht. Ihr könnt mal einen Flugzeugingenieur fragen: Die Luken gehen da oben in der Luft nicht auf. Was meint ihr, wie viele da schon hätten rausspringen wollen? Die Luken gehen da nicht auf, die Flugzeuge sind so konstruiert.
Aber ihr braucht keine Sorge haben. Manche denken jetzt vielleicht: „Will der Wilfried uns hier lehren, einmal gerettet, immer gerettet? Dass man als Christ nie mehr verloren gehen kann, weil man im Flugzeug ist?“ Ich weiß, dass Christen bei dieser Frage unterschiedliche Erkenntnisse haben.
Ich rede jetzt von echten Christen, die die Bibel sehr ernst nehmen und den Herrn fürchten. Ich kenne welche, die sagen: „Doch, niemand kann dich aus dem Flugzeug herausreißen, aber du selbst kannst die Luke öffnen und rausspringen. Gott hat dich nicht zum Glauben gezwungen und zwingt dich auch nicht, bei ihm zu bleiben.“ So sehen es manche Christen.
Es gibt aber auch andere Christen, die sagen: „Nein, ich bin im Flugzeug, das ist Christus, und er lässt mich nicht mehr raus. Wenn ich einmal in Christus bin, kann ich nicht wieder zurück in Adam und dann wieder in Christus und noch mal in Adam. Das geht nicht. Wenn überhaupt, wäre nur ein Absturz möglich. Danach könnte man nicht mehr erneuert werden.“ So sagt es der Hebräerbrief. Man würde Christus ja noch einmal kreuzigen, wenn man wieder zurückkäme.
Ihr seht, da sind Christen unterschiedlicher Meinung. Jeder soll seiner Meinung gewiss sein. Ich habe meine Überzeugung, meine Erkenntnis, und du hoffentlich auch.
Darum geht es mir gar nicht um die Lehre der Heilssicherheit. Mir geht es um die Heilsgewissheit. Mir geht es darum: Was ist, wenn ich sündige und falle? Bin ich dann jedes Mal mit einem Bein wieder in der Hölle? Oder bin ich in Christus, auch wenn ich versage?
Wisst ihr, wir haben in unserer Nähe große russlanddeutsche Gemeinden, riesengroße, mit bis zu tausend Gemeindegliedern in Fulda und Bad Hersfeld. Sehr strenge Gemeinden. Aus einer dieser Gemeinden sind Leute zu uns gekommen, weil sie diesen strengen Weg nicht mehr mitgehen wollten.
Dann kamen die Ältesten dieser Gemeinde zu zweit zu unseren Ältesten in Nünfeld. Unsere Ältesten haben diese Brüder in die Enge getrieben und gefragt: „Moment mal, wie ist das, wenn du auf dem Sterbebett liegst? Du bist dreißig, vierzig oder fünfzig Jahre mit dem Herrn unterwegs gewesen. Jetzt bist du auf dem Sterbebett, kurz bevor dein Herz stehen bleibt und du stirbst, hast du noch einen schlechten Gedanken. Was ist dann?“
Diese Brüder antworteten: „Dann bist du verloren.“ Stellt euch das mal vor! Was ist das für ein Gott, an den die glauben? Ein Gott, der uns errettet und viele Jahre und Jahrzehnte durch unser Leben begleitet. Und dann machen wir kurz vor dem Gipfelkreuz einen Fehltritt, stürzen ab, fallen aus dem Flugzeug und sind für immer verloren.
Das ist nicht der Gott der Bibel, das ist ganz sicher nicht der Gott der Bibel. Das ist der Gott von Ingmar Bergman. Kennt ihr Ingmar Bergman, den schwedischen Regisseur? Hoffentlich kennt ihr ihn gar nicht. Er war ein Pfarrerssohn, Sohn eines evangelischen Pfarrers, und hat einen Film gedreht mit dem Titel „Vierhundert Einundneunzig“. Warum heißt der Film so? Das muss doch gleich Klick machen.
Warum heißt er 491? Weil Jesus zu Petrus sagt, als dieser fragt: „Wie oft sollen wir vergeben? Ist siebenmal genug?“ Jesus antwortet: „Nein, nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“ Das sind 490. Und Bergman stellt Gott so dar wie einen Polizisten, der Striche macht: 488, 489, 490 – „Jetzt habe ich ihn 491 weg.“ Ist das der Gott der Bibel, der Striche macht? Nein, das ist nicht der Gott der Bibel. Das ist ein Hirngespinst, ein Teufelsgebilde, das Bergman da gezeichnet hat.
Und, ihr lieben Geschwister, wir sind in Christus. Das ist eine Realität, eine geistliche Wahrheit. Daran wollen wir festhalten. Die Bibel sagt: „So gibt es jetzt keine Verdammnis mehr für die, welche in Christus Jesus sind.“ Das heißt, wir sind im Flugzeug.
Ja, ich sage noch einmal: Ich will niemanden hier überreden, an die Heilssicherheit zu glauben. Mir wäre schon genug, wenn du an die Heilsgewissheit glaubst – echte biblische Heilsgewissheit. Ich weiß, ich bin in Christus.
Wir wollten eigentlich gestern das Lied singen – und haben es auch gesungen – „Sicher in Jesu Armen“. Ja, haben wir doch gesungen am Schluss gestern: „Sicher in Jesu Armen, sicher an seiner Brust.“ Das singen wir doch. Wir glauben an die Gewissheit des Heils.
Und da sehen wir es: Meine Identität in Christus schützt mich. Mir hat dieses Bild vom Flugzeug sehr geholfen, und ich hoffe, dir hilft es auch. Es ist nur ein schlichtes Bild, ein Vergleich, eine Analogie, aber sie ist treffend.
Gegenüberstellung von Teufelslüge und biblischer Wahrheit
Schaut, der Teufel kommt immer wieder. Ich bringe noch einmal so eine Gegenüberstellung: Hier sehen wir den Teufel mit seiner Lüge gegenübergestellt.
Der Teufel sagt: Du bist ein Sünder, weil du manchmal noch sündigst. Deine Identität ist: Du bist ein Sünder und wirst immer einer bleiben. Du bist ein armer Sünder und wirst es nie schaffen, Gott wohlgefällig zu leben.
So kommt der Teufel. Doch die Bibel sagt: Du bist ein Heiliger von Gott, für gerecht erklärt, auch wenn du manchmal noch sündigst.
Heute haben wir wahrscheinlich schon alle gesündigt, und morgen werden wir auch wieder sündigen, obwohl wir es nicht wollen. Sogar Paulus hat geschrieben: „Das Gute, das ich will, tue ich nicht, und das Böse, das ich nicht will, tue ich.“ Wir haben diesen Konflikt in uns zwischen Geist und Fleisch.
Der Teufel kommt und sagt, deine Identität wird bestimmt von dem, was du getan hast. Das ist falsch. Deine Identität wird bestimmt von dem, was Gott für dich getan hat in Christus. Das bleibt deine Identität, auch wenn du einmal versagt hast oder gestolpert bist.
Manche denken, deine Identität wird bestimmt von dem, was die Leute über dich reden. Das stimmt überhaupt nicht. Deine Identität wird bestimmt von dem, was Gott über dich sagt in der Bibel – von Gottes Aussagen, die er über uns macht im Neuen Testament.
Dein Verhalten bestimmt, was du über dich glaubst. Ja, manchmal verhalten wir uns falsch, sündigen, und dann denken wir: Bin ich überhaupt richtig bekehrt? Jetzt habe ich diese Sünde gemacht. Wie kann denn ein Christ eine solche Sünde begehen? Solche Gedanken kommen.
Schaut, was du über dich selbst glaubst, bestimmt dein Verhalten. Wenn du die biblische Wahrheit annimmst und sagst: Ich bin gerettet, ich bin in Christus, ich bin ein Heiliger. „Ich kann auch sündigen, ich habe eben auch gesündigt, aber es ändert nichts daran: Ich bin und bleibe ein Heiliger, so erklärt mich Gottes Wort.“
Warnung vor Missverständnissen
Ich weiß, was einige von euch denken – ich kann Gedanken lesen. Manche fragen sich vielleicht: Verführt diese Sichtweise nicht dazu, fröhlich weiter zu sündigen? Wird man dadurch nicht großzügig? Sagt man dann nicht: „Ach, da kommt es doch gar nicht drauf an, ich bin ja im Flugzeug und mir passiert ja nichts“?
Aufpassen! Wir haben zu Hause zwei leere Zimmer, in denen früher unsere Kinder gewohnt haben. Die sind schon vor ein paar Jahren mehr oder weniger ausgezogen und haben einige Jahre in Studenten-WGs gelebt.
Das eine Zimmer haben wir zum Gästezimmer umfunktioniert. Dieses Zimmer halten wir immer picobello sauber und in Ordnung. Dort wird regelmäßig Staub gesaugt. Ich glaube, wenn du heute Abend kommen würdest, würde meine Frau sagen: „Bitte schön, ein Zimmer ist schon bereit. Du kannst gleich da reinkommen, bekommst noch ein paar Handtücher und dann kannst du dort übernachten.“
Das andere Zimmer ist eine unaufgeräumte Rumpelkammer. Dort sieht es so aus, als würde alles hineingestellt und reingeschmissen, was wir gerade nicht wissen, wohin damit.
Jetzt stell dir vor, du gehst bei mir durch das Dachgeschoss. Du hast gerade einen Kaugummi im Mund und weißt nicht, wohin mit dem Kaugummipapier. In welches Zimmer würdest du dein Kaugummipapier werfen? Doch nicht in die picobello aufgeräumte Gästestube, oder? Sondern eher in die Rumpelkammer. Da denkst du dir: „Ach, komm, da sieht doch keiner, wenn ich da noch ein Papier reinschmeiße.“ Ja, es ist zwar einigermaßen aufgeräumt, aber egal – es ist eine Rumpelkammer.
Schau mal, wohin würdest du deinen Müll entsorgen? Die Frage lautet: Welches Zimmer bist du? Bist du die picobello saubere Gästestube oder bist du diese Rumpelkammer? Wie siehst du dich selbst?
Die Antwort auf diese Frage bestimmt, was du mit dem Müll machst, der dir begegnet. Am Telefon, im Fernseher, im Computer, in der Tankstelle – überall begegnet uns Müll.
Und die Antwort auf diese Frage bestimmt, was du mit dem Müll machst. Wenn wir uns selbst als schmutzige Sünder sehen, warum sollten wir dann nicht noch ein bisschen mehr Sünder auf den großen Haufen werfen? „Kommt doch gar nicht darauf an“, denkt man dann vielleicht. Wenn man so über sich denkt, wenn man sagt: „Ich bin ein Sünder, ich schaffe es sowieso nie, ich kann nicht gottwohlgefällig leben, ich werde immer in der Sünde drinhängen.“
Wenn aber unser Sündenregister gelöscht wurde und wir gerechtgesprochene Heilige sind, dann passt die Sünde einfach nicht mehr. Dann wissen wir: Das passt nicht, und wir wollen das nicht mehr.
Und wenn unser Wille mal doch schwach ist und wir das Böse tun, was wir eigentlich nicht wollen, dann wissen wir, dass wir einen Erlöser haben, zu dem wir immer kommen können. Johannes sagt: „Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, und wir dürfen ihm die Sünde sofort bringen“ (1. Johannes 2,1).
Die Bedeutung der Umkehr und des Heilswandels
Aber ich bleibe dabei, ihr Lieben: Ein ganz wichtiger Beweis für die Errettung ist, wenn jemand aufgehört hat, in Sünde zu leben.
Wir müssen unterscheiden, ob jemand schwach ist, strauchelt und fällt, oder ob er übereilt einen Fehler begeht, schreibt Paulus an die Galater. Man will gar nicht sündigen, aber plötzlich gerät man in eine Situation, erkennt den Fehler, tut Buße und geht wieder heraus. Das ist nicht dasselbe wie bewusst in Sünde zu leben.
Zum Beispiel zusammenleben wie Mann und Frau, ohne verheiratet zu sein, oder die Steuererklärung zu fälschen, ganz bewusst falsche Angaben bei einer Versicherung oder beim Finanzamt zu machen. Auch unversöhnlich zu leben, obwohl man weiß, dass man mit einem Bruder oder einer Schwester nicht versöhnt ist, und es einem egal ist.
Wenn jemand aufgehört hat, in Sünde zu leben, ist das ein Zeichen, dass er ein echter Christ ist. Er kann versagen, aber er wird sich nicht daran gewöhnen. Er wird nicht darin bleiben wollen, sondern herausgehen.
Schutz bei Verlust
Drittens: Meine Identität in Christus schützt mich auch bei Verlust. Unsere christliche Existenz kennt ebenso Schwierigkeiten, Leiden und Verlust. Da bin ich mir ganz sicher, dass auch hier im Raum Menschen sind, die bereits Verlust erlebt haben. Manche Jünger verlieren Geld – ich meine hoffentlich nicht an der Börse –, ihre Gesundheit, andere verlieren geliebte Angehörige, und manche sogar Freiheit oder Leben.
Ich war oft in der Schweiz und habe immer bei derselben Familie gewohnt. Sie hatten ein großes Haus, die Kinder waren schon ausgezogen, und ich konnte dort wohnen. Dann war der Mann gestorben, und die Frau wurde Witwe. Drei Monate später besuchte ich sie. Ich wohnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bei der Witwe, sondern bei anderen Geschwistern, doch ich besuchte sie.
Sie sagte zu mir: „Wilfried, ich habe ganz für meine Kinder und für meinen Mann gelebt.“ Das machen Frauen oft – sie leben ganz für die Familie. „Jetzt sind meine Kinder aus dem Haus gegangen, mein Mann wurde mir genommen. Für was soll ich denn jetzt noch leben?“
Merken wir das Identitätsproblem? Wir wollen nicht vorschnell urteilen, denn das war damals alles sehr frisch, es war erst drei Monate her. Inzwischen bin ich sicher, dass die Schwester auch erkannt hat, dass Gott für sie noch Aufgaben hat. Auch als Witwe kann sie Gott noch dienen, und das tut sie auch. Aber damals hat sie wirklich so gesagt: „Für was soll ich denn jetzt noch leben?“
Da ist mir wieder an einem ganz schlichten Text der Bibel etwas aufgegangen. Das kennt ihr alle: Da kommt ein Gesetzesgelehrter zu Jesus – es ist nicht der reiche Jüngling, es ist ein anderer – und fragt: „Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetz?“ Jesus antwortet ihm mit dem Doppelgebot der Liebe: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Verstand. Das ist das erste und größte Gebot. Und das Zweite ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Da ist mir aufgegangen: Hier ist doch eine Reihenfolge beschrieben. Zuerst Gott lieben und dann den Nächsten. Nur wer das erste Gebot befolgt, Gott zu lieben, kann auch das zweite einhalten, den Nächsten zu lieben. Das bedeutet, Gott selbst muss zwischen und über allen unseren Beziehungen stehen – auch bei uns Verheirateten. Und bei denen, die heiraten wollen, haben wir auch welche hier vorne sitzen. Da muss Gott zwischen uns stehen und über uns, auch zwischen uns und den Kindern und den Enkelkindern sowie zwischen uns als Geschwister. Zwischen allen zwischenmenschlichen Beziehungen muss Gott stehen: Gott zuerst, und dann können wir den Nächsten lieben wie uns selbst.
Denn manchmal, wenn Menschen so kletten, wenn sie den anderen so klammern und sagen: „Ich kann ohne ihn nicht leben“, das ist gar keine Liebe, das ist Parasitismus, eine parasitäre Liebe. Sie brauchen den anderen für sich, um ihre Lebenserfüllung und Selbstverwirklichung zu haben. Sie benutzen den anderen – das ist gar keine wirkliche Liebe. Versteht ihr, was ich meine?
Die biblische Reihenfolge der Liebe
Gott muss zwischen und über allen unseren Beziehungen stehen. Das werde ich auch am Samstag bei der Hochzeitspredigt meiner Tochter sagen. Ja, auch zwischen den beiden, die jetzt am Samstag heiraten – übermorgen schon standesamtlich – muss Gott stehen.
Warum habe ich denn von einem Doppelgebot gesprochen und nicht von einem Dreifachgebot der Liebe? Hier ist ein kleines Büchlein. Vor vierzig Jahren war das hoch im Kurs. Kennt das noch jemand? Hat das noch jemand zufällig von euch? Nein, glücklicherweise nicht. Ihr seht: Walter Trobisch, Liebe dich selbst – Selbstannahme und Schwermut.
Dieses Buch wird normalerweise einmal gedruckt, wenn es hoch kommt zwei- oder dreimal. Die meisten Bücher erleben gar keine zweite Auflage. Wisst ihr, wie viele Exemplare von diesem unbiblischen Buch gedruckt wurden? Ich kann es nicht fassen: Mehr als einhundertachtzigtausend Stück.
Ich habe damals Briefe geschrieben an EC-Bundeswarte, an Inspektoren und alles Mögliche, und habe gesagt: Was macht ihr da? Wie könnt ihr dieses Buch empfehlen? Ich habe es gelesen. Wisst ihr, was Trobisch hier in dem Buch entfaltet? Er folgt einem amerikanischen Psychologen namens Erich Fromm. Der hieß aber nur so – er war gar nicht fromm.
Fromm hat ein Buch geschrieben mit dem Titel Die Kunst des Liebens (The Art of Loving). Trobisch folgt Fromm und sagt: Du musst zuerst dich selber lieben, das ist das Wichtigste. Du musst dich selber lieben. Und wenn du dich selbst liebst, kannst du auch den Nächsten lieben. Und indem du den Nächsten liebst, liebst du Gott.
Das stellt genau das auf den Kopf, was die Bibel lehrt. Es spricht von Selbstliebe, liebe dich selbst, und legt das so aus, als wäre das ein Gebot Jesu, dass wir uns selber lieben sollen.
Ich stelle die Frage: Warum ist Jesu Aussage kein Befehl zur Selbstliebe? Ich weiß, das ist jetzt ein bisschen heikel, weil viele von euch das auch gelesen haben – in Büchern, Artikeln und in Predigten gehört. Das kam euch ganz plausibel vor. Ich will euch das auch nicht wegnehmen. Wenn ihr davon überzeugt seid, dass ihr euch selbst lieben sollt, dann liebt euch doch von morgens bis abends selbst.
Aber ich glaube nicht, dass das biblisch ist. Ich glaube nicht. Ich will es begründen.
Schaut mal: Es ist grammatikalisch unmöglich. Hier steht gar kein Imperativ, kein Befehl, sondern nur ein Vergleich. Jesus sagt, wir sollen Gott lieben – Imperativ. Den Nächsten lieben – Imperativ. Aber er sagt nicht: „Und liebe dich selbst.“ Da ist kein Imperativ mehr, sondern ein Vergleich.
So wie wir uns mit natürlicher Liebe selbst lieben, indem wir uns zu essen geben, zu trinken geben, jeden Tag eine Stunde vorm Spiegel stehen, so sollen wir auch den Nächsten lieben. Nur ein Vergleich.
Es ist theologisch unmöglich. Die Bibel nennt Selbstliebe „Sünde“. In 2. Timotheus 3,2 heißt es: Die ungläubigen Endzeitmenschen werden sich selbstliebend sein, philautoi.
Und wenn ich euch jetzt immer noch nicht überzeugt habe, habe ich noch ein Argument für euch: Es ist auch numerisch unmöglich. Denn der Herr Jesus sagt, an diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.
Glaubt ihr wirklich, dass er nicht bis drei zählen konnte? Ich bitte euch: Er hat nicht von drei Geboten geredet, sondern von zweien – Gott lieben und den Nächsten lieben.
Biblische Selbstannahme statt Selbstliebe
Wie sollen wir das jetzt verstehen? Wie sollen wir mit uns umgehen?
Wir sollen ein Ja zum Willen Gottes finden – über unserer Geschöpflichkeit hinaus. Zum Beispiel, dass ich gerade zufällig 1,80 m groß bin und nicht 1,90 m wie manche hier oder 1,70 m. Dass ich diese Haarfarbe habe, bald dieses „Friedhofsblonde“, wie man das Silbergrau nennt, und dass ich diese Nase und diese Augen habe. Dazu muss ich ein Ja finden. Du auch.
Wir müssen ein Ja zum Willen Gottes finden. Aber das ist nicht dasselbe wie Selbstliebe. Das ist ganz anders gefüllt in der humanistischen Psychologie. Dort musst du nämlich zu allem Ja sagen – brutto, mit all deinen sündigen Anlagen und Neigungen. Du sollst dann zu allem Ja sagen.
Diese Sichtweise ist heute in der Christenheit weit verbreitet. Sie ist jedoch unbiblisch. Das wollte ich hier einfach mal kurz einfügen.
Paulus und der Umgang mit Verlust
Wir sind wieder beim Thema Verlust. Paulus kannte diesen Verlust sehr gut. Er verlor zum Beispiel seine alten Freunde und die Gunst seiner Volksgenossen.
Er war hoch zu Ross in Damaskus eingeritten, wie wir gestern gesehen haben, um dort die Christen gefangen zu nehmen. Doch dann wurde er auf eine ganz demütigende Weise in einer Nacht- und Nebelaktion mit einem Korb die Mauer hinuntergelassen. So verließ er Damaskus.
Man könnte sagen: Er ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. So ungefähr ging es ihm in Damaskus.
Außerdem verlor er seine körperliche Unversehrtheit. In Philippi finden wir ihn in den Block gespannt und mit blutigem Rücken. Er verlor auch seine Freiheit und war mehrfach im Gefängnis.
Paulus kannte Verlust – all das hier ist Verlust, was ihr seht.
Die Vergänglichkeit irdischer Sicherheiten
Hier ist ein Christ in Hartmannsdorf und in der Umgebung, wo ihr herkommt, zum Beispiel Haslau, Wilkau-Haßlau und so weiter. Er hat eine Identität in Christus, er ist ein Christ. Außerdem hat er einen Arbeitsplatz – Gott sei Dank für jeden von uns, der einen Arbeitsplatz hat.
Er ist Teil einer Gruppe von geliebten Menschen, er hat Menschen, die ihn schätzen und lieben. Er hat einen guten Ruf, eine gute Reputation, und er ist relativ gesund. Leider sind wir alle nur noch relativ gesund. Wenn hier jemand ist, der meint, er sei kerngesund, dann war er wahrscheinlich nur bei einem Arzt, der ihn nicht gründlich genug untersucht hat. Aber viele von uns erfreuen sich glücklicherweise an relativer Gesundheit. Das ist schön.
Aber jetzt komme ich zu dem Punkt, auf den ich hinauswill: Einen Arbeitsplatz kann man verlieren – schneller, als man gucken kann. Ich war in diesem Jahr schon in Espelkamp in Nordrhein-Westfalen. Dort gab es eine große Firma mit 600 Arbeitsplätzen, in der viele Russlanddeutsche ihr Geld verdient haben. Dann kam ein österreichischer Investor, kaufte die ganze Firma auf und versprach hoch und heilig, dass er keinen einzigen entlässt. Zwei Jahre später war die ganze Firma platt, alles weg, 600 Leute standen auf der Straße. Nur ein lästiger Konkurrent war aus dem Weg geschafft.
Das war jetzt zufällig ein Österreicher, aber das machen Deutsche im Ausland auch, das ist ja wohl klar. Merkt ihr, da standen 600 Leute auf der Straße, Leute, die ich kenne, waren plötzlich von jetzt auf gleich weg.
Oh, ich soll mich beeilen, ich habe heute keinen Akku dran – also ich meine, ich habe kein Stromkabel dran.
Einen guten Ruf kann man verlieren. Denkt daran, wie es mir vor ein paar Jahren mit den Medien ging, wie sie mich an den Pranger gestellt haben. Geliebte Menschen kann man verlieren, wie diese Schwester in der Schweiz. Gesundheit kann man verlieren – schneller, als man gucken kann. Aber die Identität in Christus werden wir nicht verlieren.
Die bleibende Identität in Christus
Liebe Brüder und Schwestern,
Paul Gerhardt im Dreißigjährigen Krieg schrieb:
Warum sollte ich mich denn grämen, hab ich doch Christum noch?
Wer wird mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben, den mir schon Gottes Sohn beigelegt im Glauben?
Drei seiner Kinder musste er hergeben, hier geliebte Menschen verloren. Doch Christus, den nimmt uns doch niemand.
Deswegen ruft auch Hiob aus:
„Aber das eine weiß ich, dass mein Erlöser lebt,
und als der Letzte wird er sich über dem Staub erheben.“
Schutz in Schwachheit
Viertens und letztens: Unsere Identität in Christus schützt uns bei Verlust. Sie trägt uns auch in Zeiten der Schwachheit.
Paulus kannte ebenfalls Schwachheit. Die bekannteste Stelle in der ganzen Bibel zum Thema Schwachheit findet sich in 2. Korinther 12,9. Dort berichtet Paulus von dem „Pfahl im Fleisch“, dem „Dorn“ oder „Stachel“, den er erhalten hat.
Wie wir wissen, hat Paulus versucht, diesen Pfahl loszuwerden. Er betete dreimal zum Herrn und flehte: „Herr, was machst du mit mir? Das kann ich doch gar nicht gebrauchen! Ich will dir doch dienen, ich möchte doch noch bis nach Spanien das Evangelium bringen. Bitte nimm diesen lästigen Pfahl weg!“
Paulus schrie zu Gott, doch dann steht dort ein sehr starker Ausdruck. Der Herr antwortete ihm: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen.“
Gott gab Paulus diesen Pfahl, damit er ganz abhängig von ihm bleibt und vor Hochmut und Stolz bewahrt wird. Wir sind zerbrechlich.
Illustration zur Schwachheit und Stärke
Ich möchte hier noch eine letzte Illustration zeigen. Hier ist ein dürrer Ast, der vorher draußen am Baum war. Er sieht das Leben an, das manchmal sehr belastend ist. Da gibt es Druck, finanzielle Nöte, Beziehungsprobleme in Ehe und Familie sowie Schwierigkeiten mit Kindern und Enkelkindern – all das sind Nöte.
Ihr seht, ich bin stärker als dieser Ast. Wenn ich ihn noch ein bisschen biege, dann knackt er. Das sollte jetzt nicht passieren, denn er war draußen zu trocken. Wir müssen einen anderen Ast nehmen. Ich wollte ihn nur anknacksen. Jetzt ist er angeknackst, ihr habt es gehört.
So fühlen sich Menschen, die schwere Erlebnisse durchgemacht haben: durch schwere Krankheiten, durch Verlust. Menschen, die ihre Eltern, ihren Ehepartner oder ihre Freunde verloren haben, fühlen sich wie dieser angeknackste Ast.
Die Frage ist: Was kann uns schützen? Brauchen wir nicht mehr? Ist das okay so? Was kann uns schützen? Hier habe ich ein Metallrohr. Ich schiebe den Ast jetzt in das Rohr.
Ihr seht, ich habe ihn hineingeschoben, doch der Ast ist immer noch schwach und angeknackst. Jetzt darf der stärkste Mann hier im Raum nach vorne kommen und versuchen, diesen Ast vollständig durchzubrechen.
Liebe Brüder und Schwestern, ihr seht, das geht nicht. Der Ast ist immer noch schwach und zerbrechlich. Und wir dürfen schwach sein. Auch wir, die Vollzeitlichen, Gemeinschaftsleiter, Brüder aus dem Brüderrat und EC-Jugendbundleiter, dürfen schwach sein.
Wir Männer geben das nicht gerne zu, aber wir dürfen schwach sein. Unser Herr ist jedoch nicht schwach. Unser Herz kann wackeln, aber der Fels, auf dem es steht, wackelt nicht.
Diese Illustration hat auch mir etwas zu sagen gegeben, als ich sie einmal bei einem Freiluftgottesdienst gesehen habe. Ein Bruder hat das so gezeigt, und jetzt habe ich es euch gezeigt.
Du bist vielleicht auch schwach und hast das erkannt. Aber du bist in Christus, und deine Identität in ihm kann dich wirklich schützen, auch in Zeiten der Schwachheit.
Abschluss: Leben auf dem Boden der Gnade
Wir schließen unseren Vortrag heute Abend über das Thema, wie uns unsere Identität in Christus vor Leistungsdenken, bei Versagen, bei Verlust und auch in Schwachheit schützen kann, mit einem bewussten Gedanken ab: Die Bibel sagt, wir sind in Christus, wir haben unsere Identität in ihm. Gott sieht uns so an, und uns geht es nirgendwo besser als auf dem Boden der Gnade.
Wenn wir auf diesem Boden der Gnade leben, dann werden wir erstens barmherzig mit anderen und zweitens wachsam gegen uns selbst, weil wir wissen, was da alles in uns schlummert. Außerdem werden wir immer abhängiger vom Herrn. Wir leben auf dem Boden der Gnade und wissen, wir sind in Christus. Das ist ein echter Schutz, und das wollen wir so mitnehmen.
Wir stehen miteinander auf zum Gebet.
Herr Jesus Christus, wir wollen dir von ganzem Herzen danken, dass wir eine solche Identität haben dürfen. Es stimmt, was wir heute Abend bewegt haben: Es ist ein echter Schutz, in dir zu sein. Danke für dieses Bibelwort: Es gibt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
So mögest du uns auch alle schützen vor Leistungsdenken, damit wir in der Gnade leben und in der Gnade bleiben. Lass uns nicht aus der Gnade fallen, wie die Galater, die doch wieder das Gesetz erfüllen wollten.
Hilf du uns auch bitte, wenn wir versagt haben, wenn wir gefallen sind, wenn uns irgendetwas passiert ist, von dem wir dachten, das wird nicht mehr eintreten. Bitte gib, dass wir dann nicht ins Bodenlose stürzen, sondern verstehen, dass wir im Flugzeug sind.
Hilf uns auch, wenn wir Verlust erleiden müssen – ob an Menschen, an Gesundheit oder was immer wir verloren haben. Bitte gib, dass wir wie Paul Gerhardt sagen können: „Habe ich doch Christum noch!“
Und bitte schütze uns auch in Schwachheit durch das Bewusstsein, dass deine Gnade genügt – auch wenn wir alt, krank und gebrechlich geworden sind oder in welcher Schwachheit wir leben müssen. Lass uns daran festhalten, dass deine Gnade für jede Situation unseres Lebens genügt.
Das wollen wir wirklich im Glauben ergreifen und festhalten.
So danke ich dir noch einmal für diese wunderbare Identität, die du uns geschenkt hast – in dir, Herr Jesus. Amen.
