Die Macht der Worte und ihre Bedeutung für unser Leben
Karl Marx soll einmal gesagt haben: „Gib mir sechsundzwanzig bleierne Soldaten, und ich werde damit die Welt erobern.“ Mit den sechsundzwanzig bleiernen Soldaten meinte er die sechsundzwanzig Buchstaben des Alphabets in der Druckmaschine.
Karl Marx wusste um die Macht der Worte – die Macht der geschriebenen Worte und erst recht der oft gesprochenen Worte. Worte können viel in Bewegung bringen. „Gib mir 26 bleierne Soldaten, und ich werde die Welt erobern.“ Worte können viel bewirken, zum Guten wie zum Bösen.
Offensichtlich sind wir Menschen von unserem Schöpfer so geschaffen, dass wir auf Worte mitunter sehr stark reagieren. Ein einzelner böser Satz kann uns so treffen und traurig machen, dass er uns den ganzen Tag über beschäftigt und lähmt. Immer wenn wir diesen einen bösen Satz – sei es, dass wir ihn selbst gesprochen haben oder dass er uns gesagt wurde – in Erinnerung rufen, legt sich wieder ein Schatten über diesen Tag.
Und umgekehrt gilt das genauso: Eine einzige aufmunternde Bemerkung am Morgen kann uns so sehr ermutigen, dass sie uns noch Stunden später, wenn wir wieder daran denken, ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Die Macht unserer Worte kann erschreckend groß sein – aber auch erfreulich groß.
Deshalb geht Paulus in unserem Predigttext heute Morgen direkt auf dieses Thema ein. Wir könnten auch sagen: Er spricht nicht nur ein Problem an, sondern auch eine Chance.
Der biblische Kontext und die praktische Anwendung
Diese Verse, die Sie vor sich haben, sind Teil einer Aufzählung, mit der wir vor einer Woche begonnen haben. Ich habe Ihnen den vollständigen Text hier noch einmal abgedruckt. Die kleingedruckten Verse haben wir letzten Sonntag behandelt, und die großgedruckten sind heute dran.
Wir wollen jetzt den gesamten Zusammenhang noch einmal lesen.
Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. Zürnt ihr, so sündigt nicht. Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht dem Teufel Raum.
Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann.
Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören. Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.
Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einander, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
Herr, nun bitten wir dich darum, dass du uns hilfst, diese Worte recht zu verstehen und dass sie uns dort veränderst, wo jeder von uns es besonders braucht. Amen.
Die neue Identität in Christus und ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben
Wir erinnern uns daran: Unmittelbar bevor dieser Text beginnt, bis Vers 24, hatte Paulus den Christen gesagt: „Leute, vergesst es nicht!“
Als ihr Christen wurdet, als wir Christen wurden, hat Jesus uns ein neues Leben geschenkt. Dabei haben wir den alten Menschen gewissermaßen ausgezogen, wie ein Kleidungsstück, und den neuen Menschen angezogen.
Paulus beschreibt dann, dass dieser neue Mensch seitdem ein vollgültiges Kind Gottes ist, aber kein perfekter Mensch. Auch als Christen bleiben wir Sünder. Wir haben weiterhin mit den täglichen Problemen zu kämpfen. Gott arbeitet an uns und erzieht uns.
Nachdem Paulus das gesagt hat, bringt er ab Vers 25 lauter praktische Beispiele, wie dieses neue Leben jetzt im Alltag aussehen soll. Wie es immer mehr Gestalt gewinnen soll in unserem täglichen Leben.
Er beginnt mit seinem typischen „Darum“. Weil all das so ist, wie ich bis Vers 24 gesagt habe, darum – weil Jesus euch dieses neue Leben geschenkt hat – soll und kann sich das jetzt auch in eurem Leben auswirken.
Wo gesät wird, da müssen auch Früchte sein. Weil Gott euch an die Hand genommen hat, könnt und sollt ihr jetzt auch anders leben.
Die fünf Treibstoffwechsel des christlichen Lebens
Und dann beginnt es mit jenen Versen, die wir am vergangenen Sonntag betrachtet haben: Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind innerhalb der Gemeinde. Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen und gebt nicht Raum dem Teufel. Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er den Bedürftigen abgeben kann.
Sie merken, das eine soll raus und das andere soll rein. Wir haben letztes Mal gesehen, dass in dieser Aufzählung ein bestimmtes Prinzip steckt. Das hatte ich Ihnen mithilfe eines Missgeschicks erklärt, das mir beim Tanken passiert war. Ich hatte mit meinem Passat Diesel in aller Eile Normalbenzin getankt. Das funktionierte natürlich nicht, und dann musste ich abgeschleppt werden zur Werkstatt. Dort wurde das Normalbenzin herausgesogen, aber selbst damit hätte ich noch nicht fahren können, weil der Tank ja leer war. Das Normalbenzin, das falsche, musste raus, und der Diesel musste rein. Dann konnte man wieder fahren. Das Falsche musste raus und das Richtige musste rein.
Es reicht nicht nur, wenn das Falsche rauskommt. So sagt auch Paulus: Das Normalbenzin eures alten Lebens muss raus aus eurem Herzen, und dafür muss der Diesel des Heiligen Geistes rein. Paulus zeigt uns hier diesen christlichen Treibstoffwechsel an fünf verschiedenen Beispielen auf. Das erste war von der Lüge zur Wahrheit (Vers 25), das zweite vom ungezügelten Zorn zum gerechten Zorn – dass wir richtig mit unserem Zorn umgehen, an der richtigen Stelle im Sinne Gottes zornig sind, aber dann auch zur Versöhnung finden; also vom ungezügelten Zorn zum gerechten Zorn.
Das dritte, was wir gesehen hatten, war der Wechsel vom Stehlen zum Spenden (Vers 28). Da sagt Paulus: In eurem alten Leben habt ihr euch oft unrechtmäßig bereichert, habt auf Kosten anderer gelebt. Jetzt sollt ihr selber andere bereichern, anderen helfen, anderen dienen. Ihr sollt einen Mentalitätswechsel euch von Gott schenken lassen, dass eure alte Konsumhaltung, eure Bedienungserwartung ersetzt wird durch eine Dienstgesinnung. Dienstgesinnung statt Bedienungserwartung. Das heißt, ihr sollt nicht einfach nur fragen: Was kann ich kriegen? Was ist mein Anspruch und mein Recht? Sondern ihr sollt fragen: Was kann ich geben? Geben ist seliger als Nehmen.
Soweit waren wir letzten Sonntag gekommen. Und heute kommt Paulus nun zu diesem brisanten vierten Treibstoffwechsel in Vers 29 und 30. Da sagt er: Ich lese es noch einmal: Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören, und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.
Viertens: Vom zerstörenden Reden zum aufbauenden Reden. Das ist der vierte Wechsel, vom zerstörenden Reden zum aufbauenden Reden. Dieser vierte Wechsel ist von vornherein durch eine Sache, durch ein Kennzeichen besonders hervorgehoben innerhalb dieser Aufzählung. Dieser Abschnitt, dieser Wechsel hat ein besonderes Ausrufezeichen. Hier fügt Paulus eine besondere Begründung hinzu. Sie ist mit dem griechischen Verbindungswörtchen „und“ ganz nah an diesen Vers 29 herangebunden. Also Vers 30 gehört auch grammatikalisch ganz deutlich zu Vers 29, und zwar diese Aufforderung: „Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes.“ Das ist gewissermaßen die eigentliche Begründung, warum wir mit unseren Worten so sorgsam umgehen sollen.
Paulus sagt: „Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes.“ Das ist offensichtlich im Umgang mit unseren Worten ganz besonders wichtig, obwohl es natürlich auch für die anderen Punkte gilt, die er aufgezählt hat. Was heißt das? Paulus sagt: Betrübt nicht den Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. Das hatte er ja schon in Kapitel 1, Vers 13 beschrieben: Als ihr gläubig wurdet, seid ihr versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, hat er dort schon gesagt.
Das heißt ganz einfach: Mit dem Heiligen Geist drückt Jesus uns ein Siegel auf. Als wir Christen wurden, hat Jesus uns versiegelt, da hat er uns den Heiligen Geist gegeben. Er hat gesagt: Ich bin jetzt mit meinem Heiligen Geist in deinem Leben, du gehörst zu mir. Das heißt, Jesus bindet sich und uns durch den Heiligen Geist untrennbar zusammen. Und er macht uns diese verbindliche Zusage, dass wir gerettet werden können. Hier steht nämlich: Wir sind versiegelt mit dem Heiligen Geist für den Tag der Erlösung.
Sie merken, Paulus spannt hier einen ganz weiten Bogen, von dem Tag unserer Bekehrung, als wir Christen wurden, als wir mit dem Heiligen Geist versiegelt wurden, bis hin zu dem Tag, an dem wir endgültig erlöst werden, an dem wir endgültig beim Herrn sind. Für diese ganze Spanne hat der Herr uns versiegelt mit dem Heiligen Geist, hat sich mit uns verbunden durch seinen Heiligen Geist und hat uns gesagt: Du bist mein Eigentum.
Ein Siegel bezeichnet Eigentum. Denken Sie nur etwa an das Brandzeichen auf einer Rinderfarm – da ist das Siegel das Zeichen des Eigentums. Jesus sagt: Du gehörst zu mir, du bist mein Eigentum, und kein anderer kann dich jetzt mehr besitzen. So sitzt Paulus voraus, und er sagt: Leute, wo wir doch jetzt Eigentum Jesu Christi sind, wo er doch durch seinen Heiligen Geist, mit dem er uns versiegelt hat, untrennbar mit unserem Leben verbunden ist, in jeder Stunde und Minute, wenn wir da mit unseren Worten gedankenlos und lieblos Schaden anrichten, dann betrüben wir den Heiligen Geist.
Das heißt mit anderen Worten: Dann machen wir Gott traurig damit. Das Wort „betrüben“ kann man übersetzen mit „in Trauer versetzen“, „kränken“ oder eben „betrüben“. Das ist ein ungewöhnlicher Gedanke, weil wir sagen: Kann das sein, dass Gott traurig ist, weil Sie oder ich irgendetwas sagen oder tun? Paulus sagt: Es ist so. Das ist übrigens ein weiterer Hinweis darauf, dass der Heilige Geist eine Person ist und nicht nur eine unpersönliche Kraft, denn das Wort „betrüben“, dass wir den Heiligen Geist betrüben können, gibt eine Empfindung wieder, die nur eine Person haben kann. Das ist hochinteressant. Paulus sagt: Ihr könnt Gott traurig machen.
Beim Umgang mit unseren Worten geht es viel um mehr als nur um ein bisschen Anständigkeit, um ein bisschen Sprachkultur. Es geht um unser persönliches Verhältnis zum Herrn Jesus Christus, der durch den Heiligen Geist mit uns verbunden ist, und den sollen wir nicht betrüben. Der Heilige Geist steht hier, wenn Sie so wollen, für die gesamte Trinität, für den dreieinigen Gott persönlich. Und wer Gott liebt, der will ihn doch nicht betrüben.
So fragen wir jetzt umso gespannter: Was steht da eigentlich in Vers 29? Wie sollen wir denn nun mit unseren Worten richtig umgehen, so dass wir den Herrn nicht betrüben, sondern dass er sich über unser Leben vielleicht sogar freuen kann? Dabei stoßen wir wieder auf dieses Raus-rein-Prinzip: Vom zerstörenden Reden zum aufbauenden Leben.
Jetzt müssen wir erst mal fragen: Was soll raus? Macht euch raus aus unserem Reden! Und nehmt Paulus wie immer kein Blatt vor den Mund: Vers 29: Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen. An diesem Vers sehen Sie schon den Segen einer Predigtreihe. Kein Pastor würde es wagen, das einfach eigenständig als Predigttext auszuwählen. Da würden bestimmt alle in der Gemeinde denken: Warum sucht er jetzt gerade diesen Predigttext aus? Hat er sich über irgendjemanden geärgert? Hat irgendwo jemand gepöbelt oder so? Gibt es irgendeinen Anlass, warum gerade dieser aggressive Predigttext?
Das ist der große Segen einer Predigtreihe. Sie zwingt den Predigenden und die Gemeinde, vor jedem biblischen Vers Halt zu machen. Wir können uns nicht irgendwelche Punkte heraussuchen und brisante Stellen elegant umschiffen. Die Predigtreihe zwingt uns, Gottes Argumentation nachzudenken und ihr nachzugehen, so wie Gott in seinem Wort Schritt für Schritt die Dinge entfaltet.
So haben wir heute eben diesen Vers 29 vor uns, wo es heißt: Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen. Was ist faules Geschwätz? Das Wort, das hier steht, wird oft gebraucht für faule, stinkende, veraltete Früchte, die schon ranzig geworden sind. Man kann es auch für faule Fische verwenden. Es ist also ein Wort, bei dem sich die Magensäfte so ein wenig zusammenziehen. Das ist ausgesprochen schlecht bekömmlich, was faul ist.
Paulus sagt: So soll euer Geschwätz nicht sein. Er schreibt das zu Christen. Böse Worte, gemeine Worte, hinterhältige, verletzende, faules Geschwätz – oberflächlich, nichtsnutzig, unsauber, schmutzige Witze, dummes Gequatsche und Getratsche – was immer wir hier einführen wollen, fällt alles unter diese Kategorie faules Geschwätz. Paulus sagt: Du, du, du, Gottes Kind, das ist nicht egal, wie du redest, das hat Folgen, die wir oft gar nicht übersehen.
Deswegen redet die Bibel ausgesprochen drastisch von der zerstörerischen Macht unserer Zunge. Bruder Wienekamp hat den Text aus Jakobus 3 ja vorhin vorgelesen. Ich empfehle sehr, den noch einmal zur Lektüre zuhause, wo es um die Macht der Zunge geht. Jakobus 3, Vers 5: So ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an; ein kleines Feuer kann einen ganzen Wald anzünden. Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. Sie befleckt den ganzen Leib und zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet.
Macht haben unsere Worte. In Sprüche 18, Vers 21 heißt es: Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt (Sprüche 18,21). Ich werde heute noch einige Bibelverse zitieren, die Sie sich natürlich nicht alle jetzt von der Predigt her merken können, aber ich empfehle sehr, sie sich selbst zu notieren und dann zuhause nochmal nachzulesen.
Sprüche 18,21: Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt. Weil das so ist, weil Worte und einzelne Wörter so erheblich sind, sagt Jesus, dass wir dafür Rechenschaft ablegen müssen vor ihm. Matthäus 12, Vers 36: Die Menschen müssen Rechenschaft geben am Tag des Gerichts von jedem unnützen Wort, das sie geredet haben (Matthäus 12,36).
Ich muss an dieses alte Kinderlied denken: „Pass auf, kleiner Mund, was du sprichst, denn der Vater im Himmel schaut herab auf dich. Pass auf, Großmaul, was du sprichst.“ Dann haben die Psychologen gesagt: Ach, der kleine Kerl wird ja bedroht, wenn man sagt, pass auf. Aber man könnte ja auch sagen: Pass auf, Großmaul, was du sprichst. Und man könnte vielleicht noch deutlicher sagen: Pass auf, Großmaul, was du sprichst! Denn der Vater im Himmel sieht das. Wir werden Rechenschaft abzulegen haben für unsere Worte.
Was reden wir nicht alles, wenn der Tag lang ist! Oft sagt man: Der redet sich um Kopf und Kragen. Und meint: Wie steht er vor Menschen da mit dem, was er redet? Aber Paulus sagt: Es ist viel wichtiger, wie wir vor Gott dastehen mit dem, was wir reden. Der redet sich um Kopf und Kragen.
Deshalb gibt die Bibel uns den Rat, dass wir schnell sein sollen zum Hören und langsam zum Reden. Das heißt nicht, dass wir alle jetzt in dem Tempo reden sollen wie die meisten Schweizer, sondern dass wir gut nachdenken sollen, was wir reden. Jeder von uns hat ja sein eigenes Temperament: Der eine redet von Natur aus ein bisschen langsamer, der andere von Natur aus ein bisschen schneller. Aber darum geht es nicht, sondern darum, dass wir bewusst mit unseren Worten umgehen.
Jakobus 1, Vers 19: Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn. Kontrolliere deine Worte, denk gut darüber nach. Das gilt nun in erster Linie für den Inhalt unserer Worte, aber auch in zweiter Linie für die Form. Denn die Form unseres Redens hat langfristig wieder Auswirkungen auf den Inhalt, auf die Art, wie wir denken. Das hängt ganz eng zusammen mit den Worten, die wir gebrauchen.
Es ist doch einleuchtend: Wenn etwa ein Jugendlicher ständig mit schmutzigen Redeweisen und sogenannten Kraftausdrücken spricht – man sollte besser sagen Drecksausdrücken, denn kräftig sind die ja sprachlich gesehen eigentlich nicht – wenn er mit solchen Drecksausdrücken aufwächst, dann hat das in der Regel Einfluss auf die Art und Weise, wie er denkt, wie er an bestimmte Themen herangeht, wie viel Respekt und Ehrfurcht er bestimmten Dingen oder Personen entgegenbringt.
Unser Denken wird beeinflusst durch die Art unseres Redens. Zugleich gilt auch das andere: An der Art, wie wir reden, enthüllen wir manches davon, wie wir denken. Deine Sprache verrät dich.
Ja, wenn etwa unsere Bundesjustizministerin, die von Zeugen berichtet und bis heute nicht glaubwürdig demontiert wurde, in einer Diskussion um das Antidiskriminierungsgesetz folgendes gesagt haben soll in einer Sitzung: „Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, also dass die Kirchen nur solche Leute anstellen müssen, die auch ihr Bekenntnis teilen, was ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist – das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, so soll Frau Zypries gesagt haben, geht mir am A... vorbei.“ Dann sagt das mehr aus über Frau Zypries als eine ganze Parteitagsrede.
Als das Ganze dann ruchbar wurde, hat sie diese Worte nicht etwa entsetzt zurückgewiesen, nach dem Motto: „Also unmöglich, so etwas kann ich nicht gesagt haben“, sondern sie hat nur verlautbaren lassen, sie könne sich nicht mehr daran erinnern. Ein sehr viel schwächeres Dementi gibt es nicht. Deine Sprache verrät dich.
Natürlich, wenn ein Jugendlicher mitten in Berlin-Kreuzberg aufwächst, so in der entsprechenden Gang vielleicht, dann kann er erst mal kaum anders als so zu sprechen, wie die da auch sprechen. Aber wo wir können, da sollen wir helfen, dass andere auch zu einer sauberen Sprache finden, weil das eben auf das Denken zurückschlägt. Wir denken mit den Wörtern und Begriffen, die uns zur Verfügung stehen.
Darum haben wir auch in der aktuellen Bekenntniskirche, die dann am Eingang kostenlos ausliegen wird, auf das Problem der sogenannten Volksbibel hingewiesen. Vielleicht haben Sie schon davon gehört: die Volksbibel (V O L X Bibel). Das ist eine extrem freie Übertragung der Bibel, die sich teilweise ganz bewusst auf die Gossensprache bedient. Die Herausgeber sagen: Na ja, das kann doch nicht schaden, so erreichen wir die Gosse.
Aber die Frage ist: Womit erreichen wir die Gosse? Haben wir überhaupt den Inhalt noch bei uns, wenn wir sie erreicht haben? Es ist ausgesprochen fraglich, ob Menschen, die dort leben, wirklich von dieser Anpassung angesprochen werden.
Ich lese Ihnen nur mal einige Beispiele vor. Da heißt es zum Beispiel in einer Übersetzung der Bergpredigt: „Gut drauf kommen die Leute, die abgehen, wenn Gott sein Ding durchzieht.“ Oder: „Wenn ihr verachtet werdet oder es Gerüchte über euch gibt wegen mir, dann könnt ihr darüber froh sein, feiert und habt keine Angst, denn nach dem Leben werdet ihr dafür ganz fett absahnen.“
Das Vaterunser wird zu Beginn so übersetzt: „He, unser Papa da oben, du allein sollst du auf dieser Welt ganz groß rauskommen, du sollst hier das Sagen haben und verzeih uns die Sachen, wo wir mal wieder Mist gebaut haben.“
Oder Matthäus 11, wo Jesus seinen Vater anspricht: „Yes, Daddy, du hast Bock, dass es so passiert ist, wie es passiert ist und nicht anders. Mein Papa hat mir den Joystick für diese Welt in die Hand gegeben.“
Oder es gibt Übersetzungen über das Verhalten Jesu, wo es heißt, Jesus sei sichtlich genervt gewesen oder super genervt oder Jesus rastete plötzlich total aus. Johannes 11,38: „Jetzt wurde Jesus erst richtig sauer und dann brüllte er Lazarus: ‚Jetzt komm raus!‘“ Und so weiter und so weiter.
Wir können uns ja auch nicht auf Luther berufen, der gesagt hat, man sollte den Leuten aufs Maul schauen. Wenn Sie bedenken, wie drastisch Luther geredet hat, etwa in seinen Tischreden – man könnte auch nette Zitate bringen – dann sehen Sie trotzdem, mit welcher Ehrfurcht er gerade die Bibel übersetzt hat. Weil er Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott hatte, der hinter der Bibel steht.
Es hilft auch missionarisch nichts, wenn wir durch die Art einer Übersetzung den Inhalt und das Wesen Gottes so verfälschen, dass jede Ehrfurcht vor ihm damit zerstört wird. Unsere Worte und Wörter sind ausgesprochen wichtig, und wer so über Gott redet, dass er den Respekt vor ihm untergräbt, der öffnet den Weg zu Gott nicht, sondern verbaut ihn.
Okay, aber während wir zu Recht auf diesen Missbrauch von Worten hinweisen, wissen wir zugleich, wie sehr wir selbst gefährdet sind – nur an anderer Stelle eben. Wir sind gefährdet, dass auch aus unserem Mund in Form und Inhalt faules Geschwätz herauskommt.
Jetzt ist die große Frage: Was können wir dagegen tun? Die Lösung der Bibel ist nicht, dass sie sagt: Sag möglichst gar nichts. Am besten einen Schlachter vor den Mund kleben und nie wieder etwas sagen nach dem Motto: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das ist nicht das Motto der Liebe.
Auch Schweigen kann zur Sünde werden. Es gibt böses Schweigen, beleidigtes Schweigen, sich zurückziehendes Schweigen, verantwortungsloses Schweigen. Es gibt auch ein Schweigen aus Faulheit, weil man bestimmte Dinge nicht klären will. Also Schweigen ist nicht die Lösung.
Paulus sagt uns, was die Lösung ist: Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist. So steht es hier. Also wir sollen das Richtige sagen. Normalbenzin muss raus, richtiger Diesel muss rein.
Woran können wir uns da orientieren? Auch das sagt Paulus hier sehr konkret. Was ist denn nun gut? Da bringt er zwei Bestimmungen: Was erbaut und was notwendig ist. Was heißt das? Wir sollen also reden, was erbaut, was gut ist zur Erbauung. Im Griechischen steht das Wort für Gemeindebau. Das ist hochinteressant. Es ist das gleiche Wort, das die Bibel auch für Gemeindebau verwendet.
Wir sollen das reden, was die Gemeinde aufbaut und den einzelnen Mitchristen aufbaut. Wir sollen das reden, was konstruktiv ist, was den anderen geistlich voranbringt. Wir sollen Worte gebrauchen, die ermutigen, wir sollen mit unserer Rede den anderen trösten. Wir sollen dort, wo es nötig ist, ihn auch in der richtigen Weise korrigieren und auf Schuld ansprechen – aber das alles in einer aufbauenden Art und Weise.
Sprüche 25, Vers 12: „Ein Weiser, der mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein goldenes Halsband.“ Sprüche 12, Vers 18: „Wer unvorsichtig herausfährt mit Worten, der sticht wie ein Schwert, aber die Zunge der Weisen bringt Heilung.“ Bringt unsere Zunge Heilung? Wir sollen reden, was gut ist, das heißt, was aufbaut.
Dann das zweite Kennzeichen unserer Rede: Paulus sagt, was erbaut und was notwendig ist. Man könnte auch übersetzen: wo es Not tut. Das heißt, wir sollen so reden, dass damit Not gewendet, abgewendet wird. Es steckt noch dieser Gedanke drin: wo es Not tut, also zur rechten Zeit.
Da, wo es Not tut, wo es gebraucht wird, wann es gebraucht wird, wo es am Platz ist. Sprüche 25, Vers 11: „Ein Wort geredet zur rechten Zeit ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen.“ Ein Wort geredet zur rechten Zeit.
Liebe Mitchristen, wenn wir so reden wollen, dann können wir natürlich auch in bestimmten Situationen nicht einfach drauflosreden, wie uns der Schnabel gewachsen ist. So genial sind wir in der Regel nicht, dass wir automatisch den richtigen Ton und das richtige Wort treffen. Dann ist es wichtig, dass ich mich in den anderen einzufühlen versuche, dass ich versuche, wie kann das jetzt verstehen, dass ich auch versuche, die Situation des anderen im Licht Gottes zu sehen und zu verstehen.
Was notwendig ist, sollen wir sagen, zur rechten Zeit, wo es Not wendet. Manchmal muss man gerade auch unangenehme Dinge dem anderen sagen, um die Situation zu klären, aber in der richtigen Haltung und bitte da, wo es Not tut.
Wir wollen es lernen, dass wir nicht unnötige Dinge sagen, Dinge, die verletzen, entmutigen, enttäuschen oder einfach irritieren, nur weil wir nicht darüber nachgedacht haben, nur weil wir gedankenlos irgendwas dahergeredet haben. Das fällt dann wirklich unter die Kategorie faules Geschwätz, und das ist Sünde.
Sprüche 15, Vers 23: „Es ist einem Mann eine Freude, wenn er richtig antwortet, und wie wohl tut ein Wort zur rechten Zeit.“ Wir haben doch alle schon erlebt, wie wohl tut ein Wort zur rechten Zeit. Es kann oft ganz kurz sein.
Alles zusammengefasst wird noch einmal in Jesaja 50, Vers 4: Da heißt es von dem Knecht Gottes, der ja eine Vorschattung auf Christus ist: „Gott hat mir eine Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden zu reden zur rechten Zeit.“ Das wird von Jesus schon vorausschauend gesagt: Gott hat mir eine Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden zu reden zur rechten Zeit.
So sollen wir also reden: aufbauend und angemessen, was Not tut zur rechten Zeit. Dann werden unsere Worte, sagt Paulus, einem ganz bestimmten Ziel dienen. So endet Vers 29: „Was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“
Das ist großartig. Diesem Ziel sollen unsere Worte dienen, damit es Segen bringe, wörtlich kann man auch sagen: Gnade bringe, also von Gott her dem Hörenden etwas bringen. Segen kann nur Gott geben. Das ist das wichtigste Ziel, mit dem wir unsere Worte auf die Reise schicken sollen. Sie sollen ein Instrument sein, durch das Gott heilsam an den Zuhörern wirkt.
Also: Wir sollen reden, was Gutes, es soll aufbauend und notwendig sein, in dem Sinne zur rechten Zeit, das, was notwendig ist, damit es ein Instrument wird, durch das Gott gnädig und heilsam an unserem Gegenüber wirkt. Das sollen unsere Worte sein.
Nun kann man sagen: Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Ja, warum übertrieben? Auch im Alltag. Oft hilft doch schon ein freundliches Wort an der Kasse beim Einkaufen, wenn vielleicht die Kassiererin den ganzen Morgen nur angeknurrt worden ist. Wenn Sie dann hingehen und ein freundliches Dankeschön sagen und die Dame mal freundlich anlächeln, dann kann das auch ein Segen sein. Das ist noch kein missionarisches Gespräch, aber Gott kann durch Ihre Freundlichkeit, durch Ihr gutes Wort dieser Frau helfen. Vielleicht ergibt sich ja dann später auch mal die Möglichkeit, weiterzureden.
Oder in einer Diskussion in der Schule ein hilfreicher Kommentar zum aktuellen politischen Geschehen, ein rechtes Wort, das hilft, das politische Geschehen richtig einzuordnen. Auch das kann Segen sein, den Gott an unserem Gegenüber wirkt, wenn plötzlich jemand anfängt, über Zusammenhänge nachzudenken, vielleicht sogar ein Lehrer, über die er vorher nicht nachgedacht hat, oder ein Mitschüler.
Ein gutes Wort, dass Gott dadurch dem anderen hilft. Oder eine liebevolle Ermahnung vor dem Weg zur Schule. Sie kann vor Verletzung bewahren, sie kann auch die Schüler noch einmal ermutigen, zu wissen, sie stehen hinter mir zu Hause, und jetzt kann ich richtig losziehen in der Schule. Es kann so viel bewirkt werden.
Die Frage ist oft gar nicht, was wir im Einzelnen sagen, sondern mit welcher Haltung wir es sagen und mit welchen Augen wir die Menschen sehen, mit denen wir es zu tun haben. Beten wir doch öfter für sie. Wenn wir mit der Kassiererin gesprochen haben, können wir doch, wenn wir rausgehen aus dem Laden, noch still zu Gott ein Gebet schicken und sagen: Herr, segne diese Frau, hilf ihr, lass sie auch von dir etwas erfahren, hilf ihr durch diesen Tag hindurch.
Das soll unsere zweite Natur werden: zu verstehen, dass wir unsere Worte so gebrauchen, dass es dem Angesprochenen zum Segen werden kann. Wir sind natürlich sehr unterschiedlich von unserer Wesensprägung her, wir haben alle ein etwas anderes Temperament, und das wird sich bei jedem formal dann etwas anders auswirken. Aber das soll die Grundausrichtung unserer Worte sein.
Ich habe neulich von einer alten Dame in Berlin gelesen, die sagte: Ich habe eigentlich überhaupt nichts mit Hunden am Hut, ich fürchte mich eher vor ihnen, aber immer, wenn mir ein Hundebesitzer mit einem Hund an der Leine entgegenkommt, lächle ich den Hund an. Da frage ich: Warum lächeln Sie denn den Hund an? Sie sagte: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn ich den Hund anlächle, ich ein freundliches Lächeln von dem Hundehalter zurückbekomme und manchmal sogar ein freundliches Wort.
Verstehen Sie, das ist so entlarvend, wie sehr Menschen sich sehnen und hungrig sind, oft einfach nur nach einem freundlichen, aufbauenden Wort. So sollen wir unsere Worte gebrauchen.
Interessant, dass das Wort für Segen, „dass es Segen bringe“, auch mit Freundlichkeit übersetzt werden kann. In Kolosser 4, Vers 6 sagt Paulus: Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie einem jeden antworten sollt.
Wenn Gott an den Menschen wirken soll, soll eure Rede auch freundlich sein und mit Salz gewürzt. Wenn unsere Worte zum Segen sein sollen, dann werden sie auch von echter Freundlichkeit, von echter Zuwendung geprägt sein. Das hat nichts zu tun mit katzenfreundlich, schleimerisch, gekünstelt oder anbiedernd, sondern diese Freundlichkeit ist aufrichtig, kernig, mit Salz gewirkt, wahrhaftig. Wir reden mit dem anderen mit der Absicht, ihm und ihr zu helfen.
So wichtig sind unsere Worte: Unsere Worte innerhalb unserer Ehen, innerhalb unserer Familien, unsere Worte gegenüber unseren Kindern, unsere Worte, die wir in der Gemeinde miteinander sprechen, und unsere Worte, die wir auch nach außen hin reden.
Deshalb fügt Paulus dieses besondere Ausrufezeichen hinzu: „Und betrübt nicht den Heiligen Geist, mit dem ihr versiegelt seid auf den Tag eurer Erlösung.“ Denn durch falsches, schlechtes, faules, zerstörendes Reden kann so viel Schaden angerichtet werden: Schaden in Ehen, Schaden in Familien, Schaden in Schulklassen, Schaden in Gemeinden, Schaden in der Nachbarschaft.
Es wird so viel Schaden angerichtet, und letztlich wird der Ehre Christi damit geschadet, wenn wir als Christen faule Worte reden. Lassen Sie uns daran arbeiten: Ich an meinen Worten, jeder von uns an seinen, dass wir immer mehr von diesen zerstörenden Reden wegkommen und zum aufbauenden Reden hin.
Dazu steht im Psalm 141, Vers 3 ein starkes Gebet: „Herr, behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen.“ Herr, behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen.
Damit wir reden, was gut ist, was aufbaut, was Not tut. Ja, Jesus hat gesagt, wie wir da hinkommen. Es ist eigentlich ganz einfach. In Matthäus 12, Vers 34 hat Jesus gesagt: „Wes das Herz voll ist, das geht der Mund über.“ Das ist das Geheimnis.
Unser Herz muss richtig gefüttert werden, denn aus dem Herzen kommen letztlich die Worte, die wir gebrauchen. Unser Herz muss richtig gefüttert werden. Da sind wir dann wieder bei Jesaja 50, Vers 4: „Gott, der Herr, hat mir eine Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden.“ Und dann kommt die Voraussetzung: „Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören.“
Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Wenn ich höre, wie Jünger hören auf den Herrn und auf sein Wort, dann gibt er mir eine Zunge, mit der ich die Müden trösten kann zur rechten Zeit.
Das ist das Entscheidende: Dass wir auf den Herrn hören, dass wir uns füllen lassen von seiner Wahrheit, dass wir uns stärken und prägen lassen von seinem Wort. Dann wird er unser Herz so prägen, dass das, was herauskommt, wirklich das rechte Wort zur rechten Zeit in der rechten Haltung ist, dass es den Müden auch aufrichten kann.
Wir werden sicherlich immer wieder entsetzt sein über falsche und schlimme Worte, die wir auch produzieren. Dann werden wir wieder um Vergebung bitten dürfen und die falschen Worte wieder rausschmeißen und den Herrn bitten, dass er uns mit guten Worten füllt.
Was für eine Veränderung, liebe Gemeinde, was für eine Veränderung kann das bewirken, wenn wir diese wenigen Verse hier wirklich zu Herzen nehmen, jeder von uns, und wenn wir immer wieder wegkommen vom zerstörenden Reden und immer wieder hinkommen zum aufbauenden Reden.
Dann kommt Paulus mit seiner Aufzählung ziemlich zügig zum Schluss. Die Verse 31 und 32 sind wie eine Zusammenfassung dieser vier Treibstoffwechsel, die Paulus vorher beschrieben hat: von der Lüge zur Wahrheit, vom ungezügelten Zorn zum gezügelten Zorn, vom Stehlen zum Spenden, vom zerstörenden Reden zum aufbauenden Reden.
Dann bündelt Paulus das alles zum Schluss, wenn Sie so wollen, in einem fünften Treibstoffwechsel, einem Generaltreibstoffwechsel, zu dem er uns am Ende auch ermutigt.
Fünftens: Von natürlichen Lastern zu übernatürlichen Tugenden. Das ist die Zusammenfassung: von natürlichen Lastern, die raus sollen, zu übernatürlichen Tugenden, die rein sollen.
Lesen wir diese beiden letzten Verse: „Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch, samt aller Bosheit.“ Das soll raus. Und was soll rein? „Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“
Sechs ganz natürliche Laster zählt Paulus auf, gewissermaßen Restbestände des alten Lebens, auch im Leben von Christen. Wenn man diese sechs Begriffe studiert, dann merkt man, die Ausleger tun sich etwas schwer damit, sie so exakt gegeneinander abzugrenzen. Aber es kommt mir auf das Gesamtbild an, das diese sechs Begriffe vor uns erstehen lassen.
Da ist einmal die Rede von Bitterkeit. Was Bitterkeit ist? Bitterkeit entsteht, wenn sich jemand verletzt fühlt, wenn jemand enttäuscht ist, wenn er vielleicht bittere Erfahrungen gemacht hat. Wenn diese Bitterkeit anfängt, in unserem Herzen zu nisten, dann wird man nachtragend, auch in der Regel irgendwann unpersönlich, gemischt mit beleidigt sein.
Wenn die Bitterkeit weiter um sich greift, dann wird man passiv, man bemüht sich auch nicht mehr darum, die Situation irgendwie zu verbessern. Es lohnt sich ja doch nicht, es bringt gar nichts, war ja schon wieder Mist. Und man frisst das immer weiter in sich rein. Das ist Bitterkeit.
Bitterkeit produziert zynische und unzufriedene Menschen, undankbare Menschen, die so eine nörgelnde Grundstimmung mit sich herumtragen als Ausfluss ihrer Bitterkeit. So wird der, der bitter wird, immer mehr fixiert auf die eigene Situation, immer mehr verkrümmt in sich und seine Beschwerden und sein Beleidigtsein.
Die Reformatoren haben das genannt den Homo incurvatus in se – also der Mensch, der in sich selbst so verkrampft und verkrallt ist, dass er da nicht mehr herauskommt.
Wenn wir das kennen, dann ist es wichtig, dass wir den Herrn bitten. Ich kann mir denken, dass immer mal wieder so eine Phase, je nach Veranlagung, auch kommt, wo so etwas wie Bitterkeit nach uns greifen will. Dann ist es wichtig, dass wir dem Herrn Jesus Christus sagen: Diese Haltung ist schuld, diese Haltung ist schuld vor Gott.
Oft ist es so, dass, wer bitter geworden ist, alle möglichen anderen Leute beschuldigt, manche vielleicht sogar zu Recht. Vielleicht ist ihm wirklich Unrecht getan worden an bestimmten Punkten. Aber wer aus Unrecht, das ihm widerfährt, Bitterkeit im eigenen Herzen werden lässt und diese immer weiter kultiviert, der wird schuldig vor dem Herrn.
Es ist so dringend nötig, dass das Normalbenzin rauskommt und der geistliche Diesel der Versöhnung und Erneuerung hinein.
Menschen, die bitter werden, brauchen Vergebung.
Dann der zweite Begriff: Grimm. Grimm ist mehr eine aggressive Ablehnung. Grimm äußert sich oft auch in ungezügelten Zornausbrüchen.
Dann kommt das Wort selbst: Zorn. Damit ist jetzt natürlich der ungerechte Zorn gemeint. Zorn kann auch eine tiefe innere Ablehnung bezeichnen. Grimm ist mehr dieses aggressive Dagegengehen, und Zorn ist das, was ganz tief im letzten Winkel des Herzens steckt, eine tief sitzende innere Feindseligkeit und Ablehnung.
Der vierte Begriff ist Geschrei. Da kommt das Böse so richtig zum Ausbruch, dass man jemanden anschreit, ihn lauthals fertig macht, dass wir die Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle verlieren.
Sprüche 25, Vers 28: „Ein Mann, der seinen Zorn nicht zurückhalten kann, gilt – für Frauen aber auch – als eine offene Stadt ohne Mauern.“ Das ist einer, der seinen Zorn nicht zurückhalten kann – Geschrei, Verlust der Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle.
Der fünfte Begriff, den Paulus verwendet, ist Lästerung. Hier steht im Griechischen der Begriff Blasphemia und meint zunächst und in den meisten Fällen die Blasphemie gegen Gott, Gotteslästerung. Aber hier ist es gegen Menschen gerichtet.
Blasphemie heißt, dass ich schlecht über den anderen rede, dass ich über ihn herziehe, möglicherweise hinter seinem Rücken. Das kann auch mit ganz höflichen Worten geschehen, die ihn so ganz höflich in ein Zwielicht setzen. Wer mit Worten jonglieren kann, der kriegt das durchaus hin, dass er das Ansehen beschädigt, die Reputation beschädigt, den Respekt, den andere vor dem haben, möglicherweise beschädigt.
Blasphemie, schlechtes Reden über andere, kann manchmal in einem ganz feinen Gewand geschehen. Manfred Siebald hat dazu ein großartiges Lied geschrieben. Er sagt: „Ich rede gern über andere Leute, und dann fährt er fort, so als könnten Sie es hören: Ich sage nicht gerne, was ich Ihnen nicht auch selber sagen kann, und kann sich einer aus der Ferne gegen Hohn und Spott nicht wehren, will ich an seiner Stelle stehen und fange für ihn zu sprechen an.“
Das wäre etwas, wenn wir das beherzigen würden.
„Ich rede gern über andere Leute, wenn sie nicht da sind, so als könnten sie es hören. Ich sage nicht gerne, was ich ihnen nicht auch selber sagen kann. Und kann sich einer aus der Ferne gegen Hohn und Spott nicht wehren, will ich an seiner Stelle stehen und fange für ihn zu sprechen an.“
Wissen Sie, wenn Sie schlecht über einen anderen reden und Ihr Gegenüber fängt dann gleich an, mit einzustimmen, dann werden Sie sich in der Regel sagen: Hoppla, wenn ich nicht da bin und ein anderer spricht so über mich, wie wird er dann reagieren?
Und umgekehrt: Wenn Sie zum Guten reden, wenn Sie versuchen, Verständnis für die Situation zu wecken, dann wird der Betreffende wissen: Okay, wenn an anderer Stelle über mich hergezogen wird, dann wird er für mich auch Partei ergreifen.
Es geht nicht darum, dass wir Dinge bemänteln, verdrehen oder verschieben, dass wir den Dingen nicht ins Auge sehen, sondern um die Haltung, in der wir miteinander und übereinander reden.
Das letzte und sechste Wort: Alle Bosheit, sagt Paulus. Das heißt, dass ich anderen mit Missgunst begegne, dass ich ihnen Böses wünsche, dass ich sage: Ach, der müsste mal so richtig das und das erfahren.
Sechs natürliche Laster, die Paulus aufzählt: Bitterkeit, Grimm, Zorn, Geschrei, Lästerung, Bosheit.
All diesen sechs Lastern ist eines gemeinsam. Das hat ein Kommentator sehr schön beschrieben. Er hat gesagt: Das Verbindende in dieser Aufzählung ist die Gesamthaltung, wo das eigene Ich im Vordergrund aller Lebensäußerungen steht, wo man auf seine Rechte pocht, wo man auf sich selbst pocht.
Wehe dem, der irgendwie durch sein Verhalten meine Rechte antastet! Dieses Ich-Wesen geht bis in die tiefsten Tiefen des Menschen hinein. Das ist diese Ichigkeit, die in diesen sechs Grundhaltungen zum Ausdruck kommt.
Davon will der Herr uns immer wieder befreien.
Diese Sünden gibt es zwischen Menschen, sogar zwischen Christen. Sie zerstören Gemeinschaft, lähmen Gemeinde, beschmutzen unser Zeugnis gegenüber der Welt und verunehren unseren Herrn.
Darum will der Herr uns helfen, dass diese Dinge herauskommen aus unserem Herzen. Statt dieser sechs natürlichen Laster sollen drei übernatürliche Tugenden an ihre Stelle treten.
Das ist das letzte: „Seid aber untereinander freundlich und herzlich.“ Eigentlich steht da „gütig“. Das griechische Wort für gütig heißt Christos, und das klingt ganz ähnlich wie das Wort für Christus. Christos ist christlich, und Christos ist gütig.
Man nimmt an, dass wahrscheinlich die Christen bewusst dieses Wort aufgenommen haben aus der griechischen Sprache, weil sie gesagt haben: Einem, der zu Christos gehört, passt es, dass er Christos ist, dass er gütig ist und so wie Gott gütig ist.
So wie Jesus von seinem Vater im Himmel gesagt hat, dass er gütig ist, sogar gegen die Undankbaren und Bösen (Lukas 6,35). Gott ist sogar gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
Das heißt nicht, dass er einfach über ihre Sünde hinwegzieht, das heißt nicht, dass er nicht zugleich der Heilige ist, aber es heißt, dass Gott sogar denen, die er richten muss, wenn sie nicht noch zu ihm umkehren, mit einer gewissen Freundlichkeit und Güte begegnet, dass er über ihnen die Sonne scheinen lässt.
Er ist gütig, und diese Güte, die unseren Herrn prägt, soll auch unser Leben prägen.
Im Wort „gütig“ steckt auch, dass ich auf die Not des anderen eingehe. Das Wort „gütig“ ist verwandt mit dem Wort für Not, für Mangel, für Bedarf.
Einer, der gütig ist, sieht den Mangel, die Not, den Bedarf bei seinem Gegenüber und versucht, darauf einzugehen.
In der Art und Weise, wie wir uns dem anderen zuwenden, statt der Ichigkeit, die nur fordert und erwartet, tritt hier diese übernatürliche Tugend der Güte, die Gott in uns wachsen lassen muss, die er uns schenken muss.
Dann das zweite Kennzeichen: „Seid herzlich.“ Herzlich kann man auch übersetzen mit gutherzig. Hier ist gemeint: empfindsam, einfühlsam, teilnahmsvoll.
Das heißt, dass ich nicht einfach cool an dem anderen vorbeigehe oder seine Not gar nicht erst an mich heranlasse, sondern dass ich mitleidig, einfühlsam, mitfühlend und mitleidsvoll ihm begegne.
Das ist hier gemeint, nicht so eine geheuchelte Psychobetroffenheit, sondern eine aufrichtige Anteilnahme, die aus dem Herzen kommen muss.
Natürlich sind wir auch in der Art, wie wir kommunizieren, sehr unterschiedlich. Mancher kann diese Teilnahme und Anteilnahme sehr schnell rüberbringen, ein anderer fühlt das im Herzen genauso und meint es vielleicht noch viel ernster, und man spürt es ihm nur nicht gleich so ab.
Es kommt auf das Herz an, es kommt auf die Art an, wie wir dem anderen wirklich begegnen. Dann kann Gott schon dafür sorgen, dass es richtig rüberkommt.
Paulus sagt, das ist eine übernatürliche Tugend, die bei euch wachsen soll: dass ihr gutherzig seid, teilnahmsvoll, empfindsam, einfühlsam, mitfühlend, mitleidsvoll.
Das wiederum bedeutet, dass ich vom anderen her zu denken lerne, dass ich lerne, seine Situation zu sehen.
Oft begegne ich dem anderen ja ohne es zu wollen ganz lieblos. Zumindest empfindet er es so, weil ich einfach voraussetze: Na, der muss das schon verstehen, wie ich das sage, und weil ich mir nicht die Mühe mache, zu versuchen, mit seinen Augen die Situation zu sehen.
Wir sind so ich-bezogen, so selbstbezogen.
Paulus sagt, Gott will das in uns wachsen lassen, dass wir freundlich und gütig werden, dass wir herzlich, gutherzig, mitleidsvoll Anteil nehmen.
Dann die dritte übernatürliche Tugend: „Und vergebt einer dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“ Dass wir nicht alte Rechnungen aufbewahren, dass wir nicht nur auf die Situation warten, wo wir jemandem nochmal etwas präsentieren können, worüber wir uns schon vor drei Wochen geärgert haben.
Wie viel hat der Herr uns vergeben! Wie viel vergibt er uns jeden Tag aufs Neue! Paulus sagt, das soll euch prägen: dass ihr vergebungsbereit seid, dass ihr herzlich und teilnahmsvoll seid, freundlich, freundlich und gütig.
Liebe Gemeinde, was für eine Perspektive stellt Paulus uns hier in diesen Versen vor Augen! Eigentlich stellt Jesus uns diese Perspektive vor Augen.
Entscheidend ist dieser Vers 30: Betrübt nicht den Heiligen Geist, betrübt nicht den Herrn.
Es geht, ich sage es noch einmal, nicht um eine allgemeine Sittlichkeit, nicht um eine gewisse Hebung der Moral, nicht einfach nur um gutes Benehmen. Das ist ja für sich auch schon ganz schön, da ist man auch schon dankbar.
Aber darum geht es nicht. Es geht um unser Verhältnis zu unserem Herrn. Es geht darum, dass wir ihm von Herzen mit Hingabe nachfolgen.
Darum richtet Paulus unseren Blick hier nach vorn, auf den Herrn selbst, und er sagt: Freut euch doch daran, freut euch, dass Jesus euch dieses neue Leben geschenkt hat, und nehmt als Gemeinde die praktische Herausforderung an, die damit verbunden ist.
So wird dieser herausfordernde Bibelabschnitt zu einer großen Verheißung: Wir dürfen in Wahrheit miteinander leben. Wir müssen nicht Sklaven unseres ungezügelten Zorns bleiben.
Wir können einander freigiebig unter die Arme greifen, uns helfen und beschenken. Wir dürfen uns gegenseitig aufbauen mit den Worten, die wir reden, so dass es Segen bringt von Gott her.
Dabei wachsen wir, obwohl wir noch alte Sünder sind, in einen Lebensstil hinein, der zwar immer noch mit diesen natürlichen Lastern zu kämpfen hat, der aber dennoch von übernatürlichen Tugenden mehr und mehr geprägt wird.
Das ist Gottes Perspektive für uns, wirklich für uns.
Von den ersten Christen haben die Zeitgenossen gesagt: Wie haben sie einander so lieb!
Die ersten Christen waren bestimmt genau solche schwierigen Charakterköpfe wie wir. Wir hatten bestimmt die gleichen mitmenschlichen Probleme wie wir auch, das war kein bisschen anders.
Aber sie haben echte Veränderung erfahren, weil sie dem Herrn gefolgt sind. Genau das will der Herr auch uns schenken, wenn wir ihn darum bitten.
Ach, wie haben sie einander so lieb – nicht einfach auf einer Gefühlsebene, dass sie sich von Natur aus wahnsinnig sympathisch finden, sondern von dieser Hingabe, die der Herr gibt, dass wir bereit sind, einander zu dienen.
Deshalb soll das unser Gebet werden, unser Gebet heute und auch in der Woche, die vor uns liegt.
Wir wollen dieses Lied von Herzen singen, das Sie auf Ihrem Zettel finden: „Ich will streben nach dem Leben, wo ich selig bin.“
Damit ist nicht gemeint so ein menschliches Streben, so ein christlicher Leistungssport, wir müssen immer besser und besser werden.
Sondern es ist die Bitte an Jesus, dass er uns ans Ziel bringt.
Da heißt es in Vers 3: Jesus richte mein Gesicht nur auf jenes Ziel. „Lenk die Schritte, stärk die Tritte, wenn ich Schwachheit fühle, passiert ja noch oft. Lock die Welt, so sprich mir zu, schmäht sie mich, so tröste du. Deine Gnade führ gerade mich aus ihrem Spiel, aus den Verstrickungen der Welt, aus dem Denken dieser Welt, aus diesen falschen Strickmustern und Lebensgewohnheiten dieser Welt.“
Da muss er uns herausführen, dass sie nicht mehr mit uns spielen können, diese alten Muster und Bindungen.
Dann heißt es am Ende: „Du musst ziehen, mein Bemühen ist zu mangelhaft.“ Das merken wir ja gerade, wenn wir diese Herausforderung hier wieder lesen, wie viel es noch bei mir fehlt.
„Mein Bemühen ist zu mangelhaft, wo es fehle, spürt die Seele, aber du hast Kraft, weil dein Wort das Leben bringt und dein Geist das Herz durchdringt.“
Dann wird der Blick auf die Zukunft gerichtet. Dort wird es tönen bei dem Krönen, wenn wir mal im Himmel sind.
Gott ist es, der es schafft. Das ist die große Perspektive: Gott ist es, der es schafft, er kommt zum Ziel – auch mit uns.
Amen.
Das Prinzip des richtigen Redens: Was soll raus und was soll rein?
Und dabei stoßen wir wieder auf dieses „Raus-rein-Prinzip“: vom zerstörenden Reden zum aufbauenden Leben. Zuerst müssen wir fragen: Was soll raus?
Paulus nimmt wie immer kein Blatt vor den Mund. In Vers 29 heißt es: „Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen.“ An diesem Vers sehen Sie schon den Segen einer Predigtreihe. Kein Pastor würde es wagen, diesen Vers einfach eigenständig als Predigttext auszuwählen. Da würden bestimmt alle in der Gemeinde denken: Warum sucht er gerade diesen Predigttext aus? Hat er sich über jemanden geärgert? Hat er irgendwo jemanden gepöbelt? Gibt es irgendeinen Anlass für diesen aggressiven Predigttext?
Das ist der große Segen einer Predigtreihe. Sie zwingt den Predigenden und die Gemeinde, vor jedem biblischen Vers Halt zu machen. Wir können uns nicht einfach irgendwelche Punkte herauspicken oder brisante Stellen elegant umgehen. Die Predigtreihe zwingt uns, Gottes Argumentation zu folgen. So wie Gott in seinem Wort Schritt für Schritt die Dinge entfaltet, sind wir in einem guten Maße gezwungen, darüber nachzudenken und dem nachzugehen.
Heute haben wir also diesen Vers 29 vor uns, wo es heißt: „Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen.“ Was ist faules Geschwätz? Das Wort, das hier steht, wird oft für faule, stinkende, veraltete Früchte verwendet, die schon ranzig geworden sind. Man kann es auch für faule Fische benutzen. Es ist also ein Wort, bei dem sich die Magensäfte zusammenziehen. Faul ist ausgesprochen schlecht bekömmlich.
Paulus sagt: So soll euer Geschwätz nicht sein – und er schreibt das zu Christen. Böse Worte, gemeine Worte, hinterhältige, verletzende, faules Geschwätz, oberflächlich, nichtsnutzig, unsauber, schmutzige Witze, dummes Gequatsche und Getratsche – was immer wir hier einführen wollen, fällt alles unter die Kategorie „faules Geschwätz“. Paulus sagt: Du, du, du Gottes Kind, es ist nicht egal, wie du redest. Das hat Folgen, die wir oft gar nicht übersehen.
Deshalb redet die Bibel ausgesprochen drastisch von der zerstörerischen Macht unserer Zunge. Bruder Wienekamp hat den Text aus Jakobus 3 ja vorhin vorgelesen. Ich empfehle sehr, ihn noch einmal zuhause zu lesen, denn dort geht es um die Macht der Zunge.
Jakobus 3,5: „So ist auch die Zunge ein kleines Glied und richtet große Dinge an; ein kleines Feuer kann einen ganzen Wald anzünden.“ Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. Sie befleckt den ganzen Leib, zündet die ganze Welt an und ist selbst von der Hölle entzündet. Unsere Worte haben Macht.
In Sprüche 18,21 heißt es: „Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt.“ Ich werde heute noch einige Bibelverse zitieren. Diese können Sie sich natürlich nicht alle merken. Aber ich empfehle sehr, sie sich selbst zu notieren und zuhause noch einmal nachzulesen.
Weil Worte und einzelne Wörter so erheblich sind, sagt Jesus, dass wir dafür Rechenschaft ablegen müssen. Matthäus 12,36: „Die Menschen müssen Rechenschaft geben am Tag des Gerichts von jedem unnützen Wort, das sie geredet haben.“
Ich muss an dieses alte Kinderlied denken: „Pass auf, kleiner Mund, was du sprichst, denn der Vater im Himmel schaut herab auf dich. Pass auf, Großmaul, was du sprichst.“ Psychologen sagen, man könnte das als Drohung sehen. Aber man könnte auch sagen: Pass auf, großer Mund, was du sprichst. Oder noch deutlicher: Pass auf, Großmaul, was du sprichst. Denn der Vater im Himmel sieht das. Wir werden Rechenschaft ablegen müssen für unsere Worte.
Was reden wir nicht alles, wenn der Tag lang ist? Oft sagt man: „Der redet sich um Kopf und Kragen.“ Man meint damit, wie jemand vor Menschen dasteht mit dem, was er redet. Paulus sagt aber: Es ist viel wichtiger, wie wir vor Gott dastehen mit dem, was wir reden. Der redet sich um Kopf und Kragen.
Deshalb gibt die Bibel uns den Rat, schnell zum Hören und langsam zum Reden zu sein. Das heißt nicht, dass wir alle im Tempo der meisten Schweizer reden sollen, sondern dass wir gut nachdenken, was wir sagen. Jeder von uns hat sein eigenes Temperament: Der eine redet von Natur aus langsamer, der andere schneller. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, bewusst mit unseren Worten umzugehen.
Jakobus 1,19: „Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.“ Kontrolliere deine Worte, denke gut darüber nach.
Das gilt in erster Linie für den Inhalt unserer Worte. Aber auch in zweiter Linie für die Form, denn die Form unseres Redens hat langfristig Auswirkungen auf den Inhalt und die Art, wie wir denken. Das hängt ganz eng mit den Worten zusammen, die wir benutzen.
Es ist einleuchtend: Wenn ein Jugendlicher ständig mit schmutzigen Redeweisen und sogenannten Kraftausdrücken spricht – oder besser gesagt Drecksausdrücken, denn kräftig sind sie sprachlich gesehen nicht – dann hat das in der Regel Einfluss auf seine Denkweise. Wie er an bestimmte Themen herangeht, wie viel Respekt und Ehrfurcht er bestimmten Dingen oder Personen entgegenbringt.
Unser Denken wird beeinflusst durch die Art unseres Redens. Zugleich gilt auch das Gegenteil: An der Art, wie wir reden, enthüllen wir manches davon, wie wir denken. Deine Sprache verrät dich.
Wenn etwa unsere Bundesjustizministerin in einer Diskussion um das Antidiskriminierungsgesetz gesagt haben soll: „Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, also dass die Kirchen nur solche Leute anstellen müssen, die auch ihr Bekenntnis teilen, was ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, so soll Frau Zypries gesagt haben, geht mir am A... vorbei“, dann sagt das mehr über Frau Zypries aus als eine ganze Parteitagsrede.
Als das Ganze bekannt wurde, hat sie diese Worte nicht entsetzt zurückgewiesen, etwa mit den Worten: „Also unmöglich, so etwas kann ich nicht gesagt haben.“ Stattdessen ließ sie nur verlauten, sie könne sich nicht mehr daran erinnern. Ein sehr schwaches Dementi.
Deine Sprache verrät dich.
Natürlich kann ein Jugendlicher, der mitten in Berlin-Kreuzberg in einer entsprechenden Gang aufwächst, kaum anders sprechen als die dortigen Menschen. Aber wo wir können, sollen wir helfen, dass andere zu einer sauberen Sprache finden. Denn das schlägt auf das Denken zurück. Wir denken mit den Wörtern und Begriffen, die uns zur Verfügung stehen.
Darum haben wir auch in der aktuellen bekennenden Kirche, die am Eingang kostenlos ausliegen wird, auf das Problem der sogenannten Volksbibel hingewiesen. Vielleicht haben Sie schon davon gehört: die VOLX-Bibel.
Das ist eine extrem freie Übertragung der Bibel, die sich teilweise ganz bewusst der Gossensprache bedient. Die Herausgeber sagen: „Na ja, das kann doch nicht schaden, so erreichen wir die Gosse.“ Aber die Frage ist: Womit erreichen wir die Gosse? Und haben wir überhaupt den Inhalt noch bei uns, wenn wir sie erreicht haben?
Es ist ausgesprochen fraglich, ob Menschen, die dort leben, wirklich von dieser Anpassung angesprochen werden.
Ich lese Ihnen einige Beispiele vor: In einer Übersetzung der Bergpredigt heißt es: „Gut drauf kommen die Leute, die abgehen, wenn Gott sein Ding durchzieht.“ Oder: „Wenn ihr verachtet werdet oder es euch gelingt oder mal ein Gerücht über euch verbreitet wegen mir, dann könnt ihr darüber froh sein, feiert und habt keine Angst, denn nach dem Leben werdet ihr dafür ganz fett absahnen.“
Das Vaterunser wird zu Beginn so übersetzt: „He, unser Papa da oben, du allein sollst auf dieser Welt ganz groß rauskommen, du sollst hier das Sagen haben und verzeih uns die Sachen, wo wir mal wieder Mist gebaut haben.“
Oder Matthäus 11, wo Jesus seinen Vater anspricht: „Yes, Daddy, du hast Bock, dass es so passiert ist, wie es passiert ist und nicht anders. Mein Papa hat mir den Joystick für diese Welt in die Hand gegeben.“
Oder es gibt Übersetzungen über das Verhalten Jesu, wo es heißt: Jesus sei sichtlich genervt gewesen, super genervt oder Jesus rastete plötzlich total aus. Johannes 11,38: „Jetzt wurde Jesus erst richtig sauer und dann brüllte er: Lazarus, jetzt komm raus!“ Und so weiter.
Wir können uns nicht auf Luther berufen, der gesagt hat, man solle den Leuten aufs Maul schauen. Wenn Sie bedenken, wie drastisch Luther geredet hat, etwa in seinen Tischreden, dann sehen Sie trotzdem, mit welcher Ehrfurcht er gerade die Bibel übersetzt hat.
Weil er Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott hatte, der hinter der Bibel steht.
Es hilft auch missionarisch nichts, wenn wir durch die Art einer Übersetzung den Inhalt und das Wesen Gottes so verfälschen, dass jede Ehrfurcht vor ihm zerstört wird.
Unsere Worte und Wörter sind ausgesprochen wichtig. Wer so über Gott redet, dass er den Respekt vor ihm untergräbt, der öffnet den Weg zu Gott nicht, sondern verbaut ihn.
Die Gefahr des falschen Redens und der Weg zum aufbauenden Wort
Okay, aber während wir zu Recht auf den Missbrauch von Worten hinweisen, wissen wir zugleich, wie sehr wir selbst gefährdet sind – nur an anderer Stelle eben. Wir sind gefährdet, dass auch aus unserem Mund in Form und Inhalt volles Geschwätz herauskommt. Und jetzt ist die große Frage: Was können wir dagegen tun?
Die Lösung der Bibel ist nicht, dass sie sagt: Sag möglichst gar nichts. So am besten einen Schlachter vor den Mund kleben und nie wieder etwas sagen. Nach dem Motto „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ – das ist nicht das Motto der Liebe. Auch Schweigen kann zur Sünde werden. Es gibt böses Schweigen, beleidigtes Schweigen, sich zurückziehendes Schweigen, verantwortungsloses Schweigen. Es gibt auch ein Schweigen aus Faulheit, weil man bestimmte Dinge nicht klären will.
Also Schweigen ist nicht die Lösung. Paulus sagt uns, was die Lösung ist: „Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Munde gehen, sondern redet, was gut ist.“ So steht es hier. Wir sollen das Richtige sagen. Normalbenzin muss raus, richtiger Diesel muss rein.
Woran können wir uns da orientieren? Auch das sagt Paulus hier sehr konkret. Was ist denn nun gut? Da bringt er zwei Bestimmungen: Was erbaut und was notwendig ist. Was heißt das? Wir sollen also reden, was erbaut, was gut ist zur Erbauung. Im Griechischen steht hier das Wort für Gemeindebau. Das ist hochinteressant. Es ist dasselbe Wort, das die Bibel auch für Gemeindebau verwendet.
Wir sollen das reden, was die Gemeinde aufbaut und den einzelnen Mitchristen stärkt. Also wir sollen das reden, was konstruktiv ist, was den anderen geistlich voranbringt. Wir sollen Worte gebrauchen, die ermutigen. Wir sollen mit unserer Rede den anderen trösten. Wir sollen dort, wo es nötig ist, ihn auch in der richtigen Weise korrigieren und auf Schuld ansprechen – aber das alles in einer aufbauenden Art und Weise.
Sprüche 25,12: „Ein Weiser, der mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein goldenes Halsband.“
Sprüche 12,18: „Wer unvorsichtig herausfährt mit Worten, der sticht wie ein Schwert, aber die Zunge der Weisen bringt Heilung.“ Bringt unsere Zunge Heilung?
Wir sollen reden, was gut ist, das heißt, was aufbaut. Und dann das zweite Kennzeichen unserer Rede: Paulus sagt, was erbaut und was notwendig ist. Man könnte auch übersetzen: wo es Not tut. Das heißt, wir sollen so reden, dass damit Not gewendet oder abgewendet wird. Und darin steckt noch der Gedanke, dass es zur rechten Zeit geschehen soll – da, wo es Not tut, wo es gebraucht wird, wann es gebraucht wird, wo es am Platz ist.
Sprüche 25,11: „Ein Wort geredet zur rechten Zeit ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen.“ Ein Wort geredet zur rechten Zeit.
Und liebe Mitchristen, wenn wir so reden wollen, dann können wir natürlich auch in bestimmten Situationen nicht einfach drauflosreden, wie uns der Schnabel gewachsen ist. So genial sind wir in der Regel nicht, dass wir automatisch den richtigen Ton und das richtige Wort treffen. Dann ist es wichtig, dass ich mich in den anderen einzufühlen versuche. Ich versuche zu verstehen, wie das jetzt aufgenommen wird, dass ich auch versuche, die Situation des anderen im Licht Gottes zu sehen und zu verstehen.
Was notwendig ist, sollen wir sagen, zur rechten Zeit, wo es Not wendet. Manchmal muss man dann gerade auch unangenehme Dinge dem anderen sagen, um die Situation zu klären – aber in der richtigen Haltung und bitte da, wo es Not tut.
Wir wollen es lernen, dass wir nicht unnötige Dinge sagen: Dinge, die verletzen, entmutigen, enttäuschen oder den anderen einfach irritieren – nur weil wir nicht darüber nachgedacht haben, nur weil wir gedankenlos irgendwas dahergeredet haben. Das fällt dann wirklich unter die Kategorie faules Geschwätz, und das ist Sünde.
Sprüche 15,23: „Es ist einem Mann eine Freude, wenn er richtig antwortet, und wie wohl tut ein Wort zur rechten Zeit.“ Haben wir doch alle schon erlebt, wie wohl ein Wort zur rechten Zeit tut. Es kann oft ganz kurz sein.
Alles zusammengefasst wird noch einmal in Jesaja 50,4: Da heißt es von dem Knecht Gottes, der ja eine Vorschattung auf Christus ist: „Gott hat mir eine Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden zu reden zur rechten Zeit.“ Das wird von Jesus schon vorausschauend gesagt: Gott hat mir eine Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden zu reden zur rechten Zeit.
So sollen wir also reden: aufbauend und angemessen, was Not tut, zur rechten Zeit. Und dann werden unsere Worte, sagt Paulus, einem ganz bestimmten Ziel dienen. So endet dann Vers 29: „Was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“
Das ist doch großartig! Diesem Ziel sollen unsere Worte dienen, damit es Segen bringe – wörtlich kann man auch sagen: Gnade bringe, also von Gott her dem Hörenden etwas bringt. Segen kann nur Gott geben. Und das ist das wichtigste Ziel, mit dem wir unsere Worte gewissermaßen auf die Reise schicken sollen.
Sie sollen ein Instrument sein, durch das Gott heilsam an den Zuhörern wirkt. Also: Wir sollen reden, was gut ist, es soll aufbauend sein und notwendig, im Sinne von zur rechten Zeit, das, was notwendig ist, damit es ein Instrument wird, durch das Gott gnädig und heilsam an unserem Gegenüber wirkt. Das sollen unsere Worte sein.
Die praktische Bedeutung und der Einfluss unserer Worte im Alltag
Und nun kann man sagen: Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Ja, warum übertrieben? Auch im Alltag zeigt sich das.
Oft hilft doch schon ein freundliches Wort an der Kasse beim Einkaufen. Vielleicht wurde die Kassiererin den ganzen Morgen nur angeknurrt. Wenn Sie dann hingehen und ein freundliches Dankeschön sagen und die Dame freundlich anlächeln, kann das ein Segen sein. Das ist noch kein missionarisches Gespräch. Aber Gott kann durch Ihre Freundlichkeit, durch Ihr gutes Wort dieser Frau helfen. Vielleicht ergibt sich ja später auch mal die Möglichkeit, weiterzureden.
Oder in einer Diskussion in der Schule: Ein hilfreicher Kommentar zum aktuellen politischen Geschehen, ein treffendes Wort, das hilft, das politische Geschehen richtig einzuordnen. Auch das kann ein Segen sein, den Gott an unserem Gegenüber wirkt. Wenn plötzlich jemand anfängt, über Zusammenhänge nachzudenken – vielleicht sogar ein Lehrer oder ein Mitschüler –, über die er vorher nicht nachgedacht hat.
Ein gutes Wort kann Gott dadurch dem anderen helfen. Auch eine liebevolle Ermahnung vor dem Weg zur Schule kann viel bewirken. Sie kann vor Verletzungen bewahren und die Schüler ermutigen. Sie wissen dann, dass sie zu Hause Rückhalt haben und können gestärkt in die Schule gehen. Es kann so viel bewirkt werden.
Die Frage ist oft gar nicht, was wir im Einzelnen sagen, sondern mit welcher Haltung wir es sagen und mit welchen Augen wir die Menschen sehen, mit denen wir zu tun haben. Beten wir doch öfter für sie. Wenn wir mit der Kassiererin gesprochen haben, können wir doch, wenn wir aus dem Laden gehen, noch still zu Gott beten und sagen: Herr, segne diese Frau, hilf ihr, lass sie auch von dir etwas erfahren, hilf ihr durch diesen Tag hindurch.
Das soll unsere zweite Natur werden: zu verstehen, dass wir unsere Worte so gebrauchen, dass sie dem Angesprochenen zum Segen werden können. Wir sind natürlich sehr unterschiedlich von unserer Wesensprägung her. Wir haben alle ein etwas anderes Temperament, und das wird sich bei jedem formal etwas anders auswirken. Aber das soll die Grundausrichtung unserer Worte sein.
Ich habe neulich von einer alten Dame in Berlin gelesen, die sagte: „Ich habe eigentlich überhaupt nichts mit Hunden am Hut, ich fürchte mich eher vor ihnen. Aber immer, wenn mir ein Hundebesitzer mit einem Hund an der Leine entgegenkommt, lächle ich den Hund an.“ Da fragte ich: „Warum lächeln Sie denn den Hund an?“ Sie antwortete: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich, wenn ich den Hund anlächle, ein freundliches Lächeln vom Hundehalter zurückbekomme und manchmal sogar ein freundliches Wort.“
Verstehen Sie, das ist so entlarvend, wie sehr Menschen sich sehnen und oft einfach nur nach einem freundlichen, aufbauenden Wort hungrig sind. So sollen wir unsere Worte gebrauchen.
Interessant ist, dass das Wort für Segen, dass es Segen bringe, auch mit Freundlichkeit übersetzt werden kann. In Kolosser 4,6 sagt Paulus: „Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, damit ihr wisst, wie einem jeden zu antworten ist.“
Wenn Gott an den Menschen wirken soll, soll eure Rede freundlich sein. Sie soll mit Salz gewürzt sein, damit ihr wisst, wie ihr jedem antworten sollt. Das heißt, wenn unsere Worte zum Segen sein sollen, dann werden sie von echter Freundlichkeit und echter Zuwendung geprägt sein.
Das hat nichts zu tun mit katzenfreundlich, schleimerisch, gekünstelt oder anbiedernd. Diese Freundlichkeit ist aufrichtig, kernig, mit Salz gewirkt und wahrhaftig. Wir reden mit dem anderen mit der Absicht, ihm oder ihr zu helfen.
So wichtig sind unsere Worte: innerhalb unserer Ehen, innerhalb unserer Familien, gegenüber unseren Kindern, in der Gemeinde und auch nach außen hin.
Deshalb fügt Paulus ein besonderes Ausrufezeichen hinzu: „Betrübt nicht den Heiligen Geist, mit dem ihr versiegelt seid auf den Tag der Erlösung.“ Durch falsches, schlechtes, faules oder zerstörendes Reden kann so viel Schaden angerichtet werden. Schaden in Ehen, in Familien, in Schulklassen, in Gemeinden und in der Nachbarschaft.
Es wird so viel Schaden angerichtet, und letztlich wird damit auch der Ehre Christi geschadet, wenn wir als Christen faule Worte reden.
Lassen Sie uns daran arbeiten – ich an meinen Worten, jeder von uns an seinen –, dass wir immer mehr von diesen zerstörenden Reden wegkommen und zum aufbauenden Reden hinwachsen.
Dazu steht im Psalm 141,3 ein starkes Gebet: „Herr, behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen.“ Dieses Gebet sollten wir vielleicht öfter sprechen: Herr, behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen.
Die Quelle für gutes Reden: Ein gefülltes Herz und ein hörendes Ohr
Und damit wir reden, was gut ist, was aufbaut und was Not tut – ja, Jesus hat gesagt, wie wir dahin kommen. Es ist eigentlich ganz einfach.
In Matthäus 12,34 hat Jesus gesagt: „Wes das Herz voll ist, das geht der Mund über.“ Das ist das Geheimnis. Unser Herz muss richtig gefüttert werden, denn aus dem Herzen kommen letztlich die Worte, die wir gebrauchen.
Unser Herz muss richtig gefüttert werden. Und da sind wir dann wieder bei Jesaja 50,4: „Gott, der Herr, hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden.“
Dann kommt die Voraussetzung: „Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören.“ Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören.
Wenn ich höre, wie Jünger hören – auf den Herrn und auf sein Wort – dann gibt er mir eine Zunge, mit der ich die Müden trösten kann zur rechten Zeit.
Das ist das Entscheidende: dass wir hören auf den Herrn, dass wir uns füllen lassen von seiner Wahrheit, dass wir uns stärken und prägen lassen von seinem Wort.
Dann wird er unser Herz so prägen, dass das, was herauskommt, wirklich das rechte Wort zur rechten Zeit in der rechten Haltung ist. So kann es den Müden auch aufrichten.
Wir werden sicherlich immer wieder entsetzt sein über falsche und schlimme Worte, die wir auch produzieren. Dann dürfen wir wieder um Vergebung bitten, die falschen Worte wieder rausschmeißen und den Herrn bitten, dass er uns mit guten Worten füllt.
Der abschließende Überblick: Von natürlichen Lastern zu übernatürlichen Tugenden
Was für eine Veränderung, liebe Gemeinde! Was für eine Veränderung kann es bewirken, wenn wir diese wenigen Verse hier wirklich zu Herzen nehmen – jeder von uns. Wenn wir immer wieder wegkommen vom zerstörenden Reden und stattdessen zum aufbauenden Reden kommen.
Paulus kommt mit seiner Aufzählung ziemlich zügig zum Schluss. Die Verse 31 und 32 sind wie eine Zusammenfassung dieser vier „Treibstoffwechsel“, die Paulus vorher beschrieben hat: von der Lüge zur Wahrheit, vom ungezügelten Zorn zum gezügelten Zorn, vom Stehlen zum Spenden, vom zerstörenden Reden zum aufbauenden Reden.
Dann bündelt Paulus das alles zum Schluss, wenn Sie so wollen, in einem fünften Treibstoffwechsel – einem Generaltreibstoffwechsel, zu dem er uns am Ende auch ermutigt. Fünftens: Von natürlichen Lastern zu übernatürlichen Tugenden. Das ist die Zusammenfassung: von natürlichen Lastern, die raus sollen, zu übernatürlichen Tugenden, die rein sollen.
Lesen wir diese beiden letzten Verse: „Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch, samt aller Bosheit.“ Das soll raus. Und was soll rein? „Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem anderen, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“
Die sechs natürlichen Laster und ihre Auswirkungen
Sechs ganz natürliche Laster zählt Paulus auf, gewissermaßen als Restbestände des alten Lebens, die auch im Leben von Christen vorkommen können. Wenn man diese sechs Begriffe studiert, merkt man, dass sich die Ausleger etwas schwer tun, sie exakt voneinander abzugrenzen. Entscheidend ist jedoch das Gesamtbild, das diese sechs Begriffe vor uns entstehen lassen.
Da ist zunächst die Rede von Bitterkeit. Bitterkeit entsteht, wenn sich jemand verletzt fühlt, enttäuscht ist oder bittere Erfahrungen gemacht hat. Wenn diese Bitterkeit anfängt, in unserem Herzen zu nisten, wird man nachtragend und in der Regel irgendwann unpersönlich, gemischt mit Beleidigtsein. Wenn die Bitterkeit weiter um sich greift, wird man passiv und bemüht sich nicht mehr darum, die Situation zu verbessern. Man denkt: Es lohnt sich ja doch nicht, es bringt nichts, es war ja schon wieder Mist. Man frisst das alles immer weiter in sich hinein – das ist Bitterkeit.
Bitterkeit produziert zynische und unzufriedene Menschen, undankbare Menschen, die eine nörgelnde Grundstimmung mit sich herumtragen als Ausfluss ihrer Bitterkeit. So wird der, der bitter wird, immer mehr fixiert auf die eigene Situation, immer mehr verkrümmt in sich, seine Beschwerden und sein Beleidigtsein. Die Reformatoren haben das den Homo incurvatus in se genannt – den Menschen, der so verkrampft und verkrallt in sich selbst ist, dass er nicht mehr herauskommt.
Wenn wir das kennen, ist es wichtig, den Herrn zu bitten. Ich kann mir vorstellen, dass immer mal wieder so eine Phase kommt, in der je nach Veranlagung etwas wie Bitterkeit nach uns greifen will. Dann ist es wichtig, dass wir dem Herrn Jesus Christus sagen, dass diese Haltung vor Gott schuldhaft ist. Oft ist es so, dass jemand, der bitter geworden ist, alle möglichen anderen Leute beschuldigt. Manche vielleicht sogar zu Recht – vielleicht ist ihm wirklich Unrecht getan worden. Aber wer aus Unrecht, das ihm widerfährt, Bitterkeit im eigenen Herzen werden lässt und diese immer weiter kultiviert, der wird schuldig vor dem Herrn.
Es ist dringend nötig, dass das „Normalbenzin“ rauskommt und der geistliche Diesel der Versöhnung und Erneuerung hinein. Menschen, die bitter werden, brauchen Vergebung.
Der zweite Begriff, den Paulus nennt, ist Grimm. Grimm ist mehr eine aggressive Ablehnung. Grimm äußert sich oft in ungezügelten Zornausbrüchen.
Das dritte Wort ist Zorn. Damit ist natürlich der ungerechte Zorn gemeint. Zorn kann auch eine tiefe innere Ablehnung bezeichnen. Grimm ist mehr das aggressive Dagegengehen, während Zorn das ist, was ganz tief im letzten Winkel des Herzens sitzt: eine tiefsitzende innere Feindseligkeit und Ablehnung.
Der vierte Begriff ist Geschrei. Hier kommt das Böse richtig zum Ausbruch. Man schreit jemanden an, macht ihn lauthals fertig und verliert die Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle. Sprüche 25,28 sagt: „Ein Mann, der seinen Zorn nicht zurückhalten kann, ist wie eine offene Stadt ohne Mauern.“ Das ist ein Mensch, der seinen Zorn nicht zurückhalten kann – ein Bild für den Verlust von Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle.
Das fünfte Wort, das Paulus verwendet, ist Lästerung. Im Griechischen steht hier der Begriff Blasphemia. Er meint zunächst und in den meisten Fällen die Blasphemie gegen Gott, also Gotteslästerung. Hier ist es jedoch gegen Menschen gerichtet.
Blasphemia bedeutet, schlecht über andere zu reden, über sie herzuziehen, möglicherweise hinter ihrem Rücken. Das kann auch mit ganz höflichen Worten geschehen, die jemanden in ein Zwielicht setzen. Wer mit Worten jonglieren kann, schafft es durchaus, das Ansehen, die Reputation und den Respekt, den andere vor einer Person haben, zu beschädigen.
Blasphemia heißt also, Schlechtes von anderen zu reden, manchmal sogar in einem ganz feinen Gewand. Manfred Siebald hat dazu ein großartiges Lied geschrieben. Er sagt darin: „Ich rede gern über andere Leute, und dann so, als könnten sie es hören. Ich sage nicht gerne, was ich ihnen nicht auch selber sagen kann. Und kann sich einer aus der Ferne gegen Hohn und Spott nicht wehren, will ich an seiner Stelle stehen und fange für ihn zu sprechen an.“ Das wäre etwas, wenn wir das beherzigen würden.
Wenn Sie schlecht über einen anderen reden und Ihr Gegenüber fängt gleich an, mit einzustimmen, werden Sie sich in der Regel sagen: „Hoppla, wenn ich nicht da bin und ein anderer spricht so über mich, wie wird er dann reagieren?“ Umgekehrt gilt: Wenn Sie zum Guten reden und versuchen, Verständnis für die Situation zu wecken, wird der Betreffende wissen: „Okay, wenn an anderer Stelle über mich schlecht geredet wird, wird er für mich auch Partei ergreifen.“
Es geht nicht darum, Dinge zu bemänteln, zu verdrehen oder zu verschieben, sodass wir ihnen nicht ins Auge sehen. Es geht um die Haltung, in der wir miteinander und übereinander reden.
Das letzte und sechste Wort ist alle Bosheit, sagt Paulus. Das heißt, dass ich anderen mit Missgunst begegne, ihnen Böses wünsche und denke: „Ach, der müsste mal so richtig das und das erfahren.“
Sechs natürliche Laster also, die Paulus aufzählt: Bitterkeit, Grimm, Zorn, Geschrei, Lästerung, Bosheit.
All diesen sechs Lastern ist eines gemeinsam. Ein Kommentator hat das sehr schön beschrieben: Das Verbindende in dieser Aufzählung ist die Gesamthaltung, in der das eigene Ich im Vordergrund aller Lebensäußerungen steht. Man pocht auf seine Rechte und auf sich selbst. Wehe dem, der durch sein Verhalten meine Rechte antastet!
Dieses Ichwesen reicht bis in die tiefsten Tiefen des Menschen hinein. Es ist diese Ichigkeit, die in diesen sechs Grundhaltungen zum Ausdruck kommt. Und davon will der Herr uns immer wieder befreien.
Diese Sünden gibt es zwischen Menschen, sogar zwischen Christen. Sie zerstören Gemeinschaft, lähmen die Gemeinde, beschmutzen unser Zeugnis gegenüber der Welt und verunehren unseren Herrn.
Darum will der Herr uns helfen, dass diese Dinge aus unserem Herzen herauskommen.
Die drei übernatürlichen Tugenden als Gegenbild
Und statt dieser sechs natürlichen Laster sollen drei übernatürliche Tugenden an ihre Stelle treten. Das ist das letzte: „Seid aber untereinander freundlich, gütig.“ Dort steht eigentlich „gütig“. Das griechische Wort für „gütig“ heißt Christos und klingt ganz ähnlich wie das Wort für Christus.
Christos ist „christlich“ und Christos ist „gütig“. Man nimmt an, dass die Christen dieses Wort bewusst aus der griechischen Sprache aufgenommen haben. Sie sagten sich: Wer zu Christos gehört, der passt auch zu dem Wort Christos, also gütig zu sein – so wie Gott gütig ist.
Jesus hat von seinem Vater im Himmel gesagt, dass er gütig ist, sogar gegen die Undankbaren und Bösen (Lukas 6,35). Gott ist also sogar gütig gegenüber den Undankbaren und Bösen. Das bedeutet nicht, dass er einfach über ihre Sünde hinwegschaut. Es heißt auch nicht, dass er nicht zugleich heilig ist. Aber es bedeutet, dass Gott sogar denen, die er zurechtweisen muss, wenn sie nicht zu ihm umkehren, mit einer gewissen Freundlichkeit und Güte begegnet. Er lässt über ihnen die Sonne scheinen, zum Beispiel.
Er ist gütig, und diese Güte, die unseren Herrn prägt, soll auch unser Leben prägen. Im Wort „gütig“ steckt auch, dass ich auf die Not des anderen eingehe. Das Wort „gütig“ ist verwandt mit dem Wort für Not, Mangel oder Bedarf. Wer gütig ist, sieht den Mangel beim Gegenüber, die Not, den Bedarf, wo der andere Hilfe braucht. Er versucht, darauf einzugehen, so wie wir uns dem anderen zuwenden.
Statt der Ichbezogenheit, die nur fordert und erwartet, tritt hier die übernatürliche Tugend der Güte, die Gott in uns wachsen lassen und uns schenken muss.
Das zweite Kennzeichen ist: „Seid herzlich.“ Herzlich kann man auch mit „gutherzig“ übersetzen. Hier ist gemeint: empfindsam, einfühlsam, teilnahmsvoll. Das bedeutet, dass ich nicht einfach cool am anderen vorbeigehe oder seine Not gar nicht erst an mich heranlasse. Stattdessen begegne ich ihm mitleidig, einfühlsam und mitfühlend.
Damit ist nicht eine geheuchelte Psychobetroffenheit gemeint, sondern eine aufrichtige Anteilnahme, die aus dem Herzen kommen muss. Natürlich sind wir auch in der Art, wie wir kommunizieren, sehr unterschiedlich. Manche können diese Teilnahme und Anteilnahme sehr schnell ausdrücken. Andere fühlen es im Herzen genauso und meinen es vielleicht noch ernster, aber man spürt es ihnen nicht sofort an.
Es kommt auf das Herz an, auf die Art, wie wir dem anderen wirklich begegnen. Dann kann Gott dafür sorgen, dass es am Ende auch richtig rüberkommt. Paulus sagt, dass diese übernatürliche Tugend bei euch wachsen soll, damit ihr gutherzig, teilnahmsvoll, empfindsam, einfühlsam, mitfühlend und mitleidsvoll werdet.
Das bedeutet wiederum, dass ich vom anderen her zu denken lerne, dass ich seine Situation sehe. Oft begegne ich dem anderen ja, ohne es zu wollen, ganz lieblos. Zumindest empfindet er es so, weil ich einfach voraussetze: „Na, der muss das schon verstehen, wie ich das sage.“ Ich mache mir nicht die Mühe, zu versuchen, mit seinen Augen die Situation zu sehen.
Wir sind so ichbezogen, so selbstbezogen. Paulus sagt, Gott will in uns wachsen lassen, dass wir freundlich und gütig werden, dass wir herzlich, gutherzig und mitleidsvoll Anteil nehmen.
Dann die dritte übernatürliche Tugend: „Vergebt einer dem anderen, wie Christus uns vergeben hat.“ Das bedeutet, dass wir keine alten Rechnungen aufbewahren. Wir sollen nicht auf eine Gelegenheit warten, jemandem etwas vorzuhalten, worüber wir uns schon vor drei Wochen geärgert haben.
Wie viel hat der Herr uns vergeben, wie viel vergibt er uns jeden Tag aufs Neue! Paulus sagt, das soll euch prägen: dass ihr vergebungsbereit seid, dass ihr herzlich und teilnahmsvoll seid, freundlich, freundlich und gütig.
Die Perspektive Gottes und die Verheißung des neuen Lebens
Liebe Gemeinde, was für eine Perspektive stellt Paulus uns hier in diesen Versen vor Augen? Eigentlich stellt Jesus uns diese Perspektive vor Augen. Entscheidend ist Vers 30: „Betrübt nicht den Heiligen Geist, betrübt nicht den Herrn.“
Es geht, ich sage es noch einmal, nicht um eine allgemeine Sittlichkeit. Es geht nicht um eine gewisse Hebung der Moral und auch nicht einfach nur um gutes Benehmen. Das ist ja für sich genommen schon schön, da kann man auch dankbar sein. Aber darum geht es nicht. Es geht um unser Verhältnis zu unserem Herrn.
Es geht darum, dass wir ihm von Herzen mit Hingabe nachfolgen. Darum geht es. Paulus richtet hier unseren Blick nach vorn, auf den Herrn selbst. Er sagt: Freut euch doch daran! Freut euch, dass Jesus euch dieses neue Leben geschenkt hat. Nehmt als Gemeinde die praktische Herausforderung an, die damit verbunden ist.
So wird am Ende dieses herausfordernden Bibelabschnitts eine große Verheißung sichtbar. Wir dürfen in Wahrheit miteinander leben. Wir müssen nicht Sklaven unseres ungezügelten Zorns bleiben. Wir können einander freigiebig unter die Arme greifen, uns helfen und beschenken.
Wir dürfen uns gegenseitig aufbauen mit den Worten, die wir sprechen, sodass es Segen bringt von Gott her. Dabei wachsen wir, obwohl wir noch alte Sünder sind, in einen Lebensstil hinein, der zwar immer noch mit diesen natürlichen Lastern zu kämpfen hat, der aber dennoch von übernatürlichen Tugenden mehr und mehr geprägt wird.
Das ist Gottes Perspektive für uns – wirklich für uns. Von den ersten Christen haben die Zeitgenossen gesagt: „Wie haben sie einander so lieb!“ Die ersten Christen waren bestimmt genau solche schwierigen Charakterköpfe wie wir. Sie hatten bestimmt die gleichen mitmenschlichen Probleme wie wir. Das war kein bisschen anders.
Aber sie haben echte Veränderung erfahren, weil sie dem Herrn gefolgt sind. Genau das will der Herr auch uns schenken, wenn wir ihn darum bitten. „Ach, wie haben sie einander so lieb!“ Nicht einfach auf einer Gefühlsebene, weil sie sich von Natur aus wahnsinnig sympathisch finden, sondern aus dieser Hingabe, die der Herr gibt. Dass wir bereit sind, einander zu dienen.
Deshalb soll das unser Gebet werden, unser Gebet heute und auch in der Woche, die vor uns liegt. Wir wollen dieses Lied dann von Herzen singen, das Sie auf Ihrem Zettel finden: „Ich will streben nach dem Leben, wo ich selig bin.“
Damit ist nicht gemeint so ein menschliches Streben, so ein christlicher Leistungssport, bei dem wir immer besser und besser werden müssen. Es ist die Bitte an Jesus, dass er uns ans Ziel bringt.
Da heißt es dann in Vers 3: „Jesus, richte mein Gesicht nur auf jenes Ziel. Lenk die Schritte, stärk die Tritte, wenn ich Schwachheit fühle.“ Das passiert ja noch oft.
„Lock die Welt, so sprich mir zu, schmäht sie mich, so tröste du.“ Deine Gnade führe gerade mich aus ihrem Spiel, aus den Verstrickungen der Welt, aus dem Denken dieser Welt, aus diesen falschen Strickmustern und Lebensgewohnheiten dieser Welt.
Da muss er uns herausführen, damit diese alten Muster und Bindungen nicht mehr mit uns spielen können.
Am Ende heißt es: „Du musst ziehen, mein Bemühen ist zu mangelhaft.“ Das merken wir ja gerade, wenn wir diese Herausforderung hier wieder lesen, wie viel es noch bei mir fehlt. Mein Bemühen ist zu mangelhaft. Wo es fehlt, spürt die Seele, aber du hast Kraft.
Weil dein Wort das Leben bringt und dein Geist das Herz durchdringt. Dann wird der Blick auf die Zukunft gerichtet. Dort wird es tönen beim Krönen, wenn wir einmal im Himmel sind.
Gott ist es, der es schafft. Das ist die große Perspektive: Gott ist es, der es schafft. Er kommt zum Ziel – auch mit uns.
Amen.
