Einführung und Psalmtext
Wir schlagen heute den Psalm 34 auf, und ich möchte diesen Psalm „Die Chance der Niederlage“ nennen. Zunächst lese ich den Psalm. Er besteht aus 23 Versen, oder wenn man den ersten Vers als Überschrift oder Einleitung nimmt, sind es 22 Verse – je nachdem, wie die Bibel, die ihr vor euch habt, die Verse zählt.
Ich lese den Psalm von David, als er sich vor Abimelech wahnsinnig stellte, und dieser ihn wegtrieb, sodass er fortging:
„Den Herrn will ich preisen alle Zeit, beständig soll sein Lob in meinem Mund sein.
In dem Herrn soll sich rühmen meine Seele, hören werden es die Sanfmütigen und sich freuen.
Erhebt den Herrn mit mir, lasst uns miteinander erhöhen seinen Namen.
Ich suchte den Herrn, und er antwortete mir, und aus allen meinen Ängsten rettete er mich.
Sie blickten auf ihn und strahlten, und ihr Angesicht wird nicht beschämt.
Dieser Elende rief, und der Herr hörte, und aus all seinen Bedrängnissen rettete er ihn.
Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und er befreit sie.
Schmecket und seht, dass der Herr gütig ist; glücklich der Mann, der sich bei ihm birgt.
Fürchtet den Herrn, ihr seine Heiligen, denn keinen Mangel haben die, die ihn fürchten.
Junglöwen darben und hungern, aber die, die den Herrn suchen, entbehren kein Gut.
Kommt, ihr Söhne, hört mir zu, die Furcht des Herrn will ich euch lehren.
Wer ist der Mann, der Lust zum Leben hat, der seine Tage liebt, um Gutes zu sehen?
Bewahre deine Zunge vor Bösen und deine Lippen vor betrügerischer Rede.
Lass ab vom Bösen und tue Gutes, suche Frieden und jage ihm nach.
Die Augen des Herrn sind gerichtet auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien.
Denen, die Böses tun, steht das Angesicht des Herrn entgegen, um ihre Erwähnung von der Erde zu tilgen.
Sie schreien, und der Herr hört; aus allen ihren Bedrängnissen rettet er sie.
Nah ist der Herr denen, die zerbrochenen Herzens sind, und die zerschlagenen Geistes sind, rettet er.
Vielfältig ist das Unglück des Gerechten, aber aus all dem rettet ihn der Herr.
Er bewahrt alle seine Gebeine, nicht eines von ihnen wird zerbrochen.
Den Gottlosen wird die Bosheit töten, und die, die den Gerechten hassen, werden es büßen.
Der Herr erlöst die Seele seiner Knechte, und alle, die sich bei ihm bergen, müssen nicht büßen.“
Hintergrund und Entstehung des Psalms
Wir haben in der Überschrift gelesen, dass dieser Psalm von David ist. Zudem wird angegeben, was die Ursache dieses Psalms ist.
Vielleicht noch etwas, das man aus der Übersetzung des Psalms nicht direkt erkennen kann: Auch dieser Psalm ist ein alphabetischer Psalm. Das bedeutet, jeder Vers, jede Zeile beginnt mit einem neuen Buchstaben des hebräischen Alphabets. In der Übersetzung ist das natürlich nicht so ersichtlich.
Aus dieser Tatsache wird deutlich, dass David sich sehr große Mühe gegeben hat, einen solchen Psalm zu schreiben. Er beschreibt auch, warum er diesen Psalm verfasst hat – das haben wir ja gelesen. Er möchte seine Erfahrungen, insbesondere seine Niederlagen, mit anderen teilen, damit sie daraus lernen können.
Es wurde einmal gesagt, dass es viele Fehler und Fehltritte gibt, die man machen kann. Man muss jedoch nicht alle wiederholen, die schon einmal gemacht wurden. David – und das beeindruckt uns an seiner Persönlichkeit – schreibt auch seine Niederlagen auf. Er verschweigt sie nicht. Und...
Die biblische Situation hinter dem Psalm
Wir schlagen einmal bei dieser Begebenheit auf, aus der David im Nachhinein diesen Psalm geschrieben hat. Es handelt sich um 1. Samuel 21,11.
Die Vorgeschichte ist folgende: David war am Hofe Sauls angestellt. Er sollte Musik machen, damit es Saul besser ging – sozusagen eine Musiktherapie. Saul war oft depressiv und von bösen Geistern geplagt. Wenn David vor ihm spielte, fand Saul Erleichterung.
Doch die Situation wurde zunehmend gefährlich. Saul erkannte, dass David von Gott ausersehen war, sein Nachfolger zu werden. Saul wollte jedoch, dass sein Sohn Jonathan König werden würde. David hatte sich mit Jonathan getroffen, doch dann musste David fliehen.
Zuerst suchte er den Ort der Bundeslade auf, zu den Priestern, und dann floh er weiter. In 1. Samuel 21,11 lesen wir: „Und David machte sich auf und floh an diesem Tag vor Saul und kam zu Achisch, dem König von Gad.“
Achisch war ein Philisterkönig, also ein Feind Israels. Er herrschte in dem Gebiet, das heute dem Gazastreifen entspricht. Das wäre so, als würde heute ein Israeli in den Gazastreifen zu den Palästinensern fliehen. David fühlte sich von Saul verfolgt und dachte, am sichersten sei er beim Feind. Dort würde Saul nicht nach ihm suchen.
Nun lesen wir, was David dort widerfährt: Die Knechte Achischs sagten zu ihm: „Ist das nicht David, der König des Landes?“ Sie hatten also bereits mitbekommen, dass David offenbar einmal König werden würde. Sie fragten: „Haben Sie nicht von ihm bei den Reigentänzen gesungen: Saul hat seine Tausende erschlagen, David aber seine Zehntausende?“
David nahm diese Worte zu Herzen und fürchtete sich sehr vor Achisch, dem König von Gatt. Deshalb stellte er sich vor den Augen der Knechte wahnsinnig und tobte unter ihren Händen. Er kritzelte an die Flügel des Tores und ließ seinen Speichel in seinen Bart fließen.
Daraufhin sagte Achisch zu seinen Knechten: „Seht, ihr seht, dass der Mann wahnsinnig ist. Warum bringt ihr ihn zu mir? Fehlt es mir nicht an Wahnsinnigen, dass ihr diesen hierhergebracht habt, damit er bei mir tobt? Sollte der in mein Haus kommen?“
David ging daraufhin von dort weg und entkam in die Höhle Adulam.
Davids prekäre Lage und seine Reaktion
Wir merken, dass David sich in einer sehr prekären Situation befindet. Er hatte gedacht: „Ich fliehe zum Feind, da bin ich sicher.“ Doch er hatte nicht bedacht, dass er den größten Feind bereits besiegt hatte – Goliath. Das hatten die Philister nicht vergessen. Außerdem hatten sie gehört, welche Siegeslieder die Israeliten anschließend gesungen hatten: „Saul hat Tausende geschlagen, David Zehntausende.“
Sie hatten also mitbekommen, dass David höchstwahrscheinlich der Nachfolger Sauls werden würde. Das war eine sehr große und politische Angelegenheit. David flieht zu den Feinden, doch plötzlich bekommt er Angst, weil er merkt, dass sie nicht vergessen haben, dass er Goliath besiegt hat. Das Erste, was sie tun würden, ist ihn umzubringen.
Jetzt sitzt David zwischen allen Stühlen. Bei Saul ist er geflohen, weil Saul ihm nach dem Leben trachtete. Und jetzt ist er bei den Philistern, und auch hier trachten sie ihm nach dem Leben. Wie soll er da nur herauskommen?
Wir merken, dass David offenbar nicht betet und sagt: „Herr, hilf!“ Stattdessen greift er zu einem Trick: Er stellt sich verrückt. Offensichtlich gelingt ihm das sehr gut und täuschend. Der König von Gath sagt: „Der Mann ist wahnsinnig, so einen kann ich nicht gebrauchen. Schickt ihn weg.“
David könnte nun sagen: „Hey, ihr seid doch schlau gewesen, oder? Ich war in einer brenzligen Situation, und durch diesen Trick habe ich mein Leben gerettet.“
Er flieht dann in die Höhle Adulam. Diese Höhle lag im Süden Israels, im Negev, einem Wüstengebiet, und dort gab es mehrere Höhlen. Im nächsten Abschnitt wird erwähnt, dass viele zu ihm kommen, auch aus seiner Verwandtschaft. Insgesamt dauert diese Flucht etwa zehn Jahre.
Reflexion über Davids Verhalten und Gottes Eingreifen
Es ist eigenartig, dass David eigentlich nicht hätte sagen können: „Hey, ich bin klug gewesen. Ich habe den anderen täuschend echt vorgemacht, dass ich blöd bin, und sie haben mir geglaubt.“
Heute sind manche Leute so und denken, durch ihre eigene Raffinesse könnten sie sich aus jeder Situation retten. Manche verbinden das sogar mit einem christlichen Anspruch und sagen: „Gott hat uns ja einen Verstand gegeben. Diesen Verstand tarne ich jetzt, als ob ich blöd wäre.“
Und es hat David geholfen. Eigentlich könnte er daraus sagen: „Also, liebe Leute, macht es auch so.“
Es ist interessant, dass er im Nachhinein offensichtlich diesen Psalm schreibt, in dem etwas völlig anderes deutlich wird. Aus dieser Situation hat David etwas gelernt. Er bildet sich nicht auf seine schauspielerischen Fähigkeiten etwas ein, sondern sieht, dass Gott ihn gerettet hat.
Er sagt hier nicht: „Mein Trick hat mich gerettet, ich habe prima geschauspielert“, sondern er lobt Gott. Das ist sozusagen die Überschrift.
Ich möchte nun eine Gliederung machen:
Erst das Vorwort in Vers 1, die Überschrift praktisch in Vers 2 bis 4, dann kommt Vers 5 bis 6 mit der konkreten Situation, die er schildert. Vers 7 bis 8 beschreibt das Erleben der Hilfe Gottes, Verse 9 bis 12 zeigen, dass andere aus seinen Fehlern lernen sollen. Verse 13 bis 15 enthalten Folgerungen aus dem Erlebten, die Verse 16 bis 20 geben Erkenntnisse über Gottes Wesen, und die letzten drei Verse enthalten Erkenntnisse aus Gottes Handeln für die Zukunft.
Selbstverschuldete Not und Gottes gnädige Hilfe
Schauen wir uns das also an. Wir hatten gesehen, dass im Vorwacht eine Erklärung gegeben wird. Außerdem haben wir das aus 1. Samuel 21 gelesen. Das heißt, die Situation, in die er gekommen ist, ist selbst verschuldet.
Solche Situationen kennen wir sicher auch aus unserem Leben. Oft geraten wir durch eigene Dummheit oder weil wir zu kurz gedacht haben, in brenzlige Situationen. Solche Fälle werden uns auch manchmal in der Bibel beschrieben. Denkt zum Beispiel an die Geschichte von Abraham.
Kurz nachdem Abraham in das Land eingezogen ist, das Gott ihm gezeigt hatte, zieht er mit all seinem Hab und Gut und seiner Familie nach Ägypten. Auch hier denkt Abraham nicht darüber nach und spricht nicht vorher mit Gott darüber. So gerät er in eine äußerst schwierige Lage.
Kurz vor Ägypten fragt er sich: „Was mache ich mit meiner Frau?“ Dann lässt er sich den Ehering von seiner Frau geben und sagt, sie sei seine Schwester. Das war nicht gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Sie war seine Halbschwester. Sie hatten denselben Vater, aber nicht dieselbe Mutter. Also konnte Abraham damals sagen: „Nein, ich habe nicht gelogen, ich habe nur nicht alles gesagt.“ Und wenn die anderen dadurch auf eine falsche Fährte geraten, sind sie selbst schuld. Er muss ja nicht alles sagen, was er weiß.
Wir merken, Abraham trickst genauso wie hier David. Und er gerät in eine Situation, damals in Ägypten, die äußerst brenzlig wird. Die Hofbeamten des Pharao holen Sarah als Heiratskandidatin an den Hof des Pharao.
Ich weiß nicht, was Abraham damals gedacht hat. Wenn Gott nicht eingegriffen hätte, wäre ziemlich alles schiefgegangen. Dann wäre auch die Verheißung schiefgegangen, dass aus dem Samen Abrahams Jesus kommen würde. Dann säßen wir heute nicht hier, oder?
Manchmal haben unsere falschen Schlussfolgerungen fatale Wirkungen. David gerät in eine Situation, die er selbst herbeigeführt hat. Zu spät merkt er, dass er zu kurz gedacht hat.
Wir haben gesehen, dass David aus dieser Situation etwas lernt. Er ist nicht stolz auf seine Schauspielerei, sondern sagt als Überschrift: „Den Herrn will ich preisen allezeit, beständig soll sein Lob in meinem Mund sein. In dem Herrn soll sich rühmen meine Seele, hören werden es die Sanftmütigen und sich freuen. Erhebt den Herrn mit mir, lasst uns miteinander erhöhen seinen Namen.“
Das ist sozusagen das Resultat. Das findet man häufig bei den Psalmen, dass in der Überschrift oder im ersten Vers das Resultat des Psalms steht. Sozusagen wie bei einer Zeitung: Bevor der Grautext beginnt, steht eine kurze Überschrift, die zusammenfasst, worum es im Artikel geht.
Meistens lese ich bei der Zeitung nur diese Überschrift und nicht den ganzen Artikel. Hier wird auch deutlich, was David in diesem Psalm ausdrücken will. Es steht in der Überschrift.
Es ist das Ergebnis seines Erlebten, und er zeigt, dass er einfach Gott loben und preisen muss für das, was er getan hat.
Davids Gebet und Gottes Antwort in der Not
Und dann schildert er die Situation in den Versen 5 bis 6: "Ich suchte den Herrn, und er antwortete mir, und aus allen meinen Ängsten rettete er mich."
Das deutet darauf hin, dass er vielleicht doch in dieser Situation, als er dort in Gad ist und die Knechte des Königs erkennen, wer er ist, plötzlich Angst bekommt und im Stillen betet. Er sagt es so: "Ich suchte den Herrn, und er antwortete mir." Ich denke, daraus kann man nur entnehmen, dass er hier im Stillen gebetet hat.
Vielleicht kennt ihr das auch: Man ist in einer Situation, in der man sich nicht zum Gebet zurückziehen kann, sondern im Stillen betet und zum Herrn fleht. Fast kann man annehmen, dass Gott ihm dann die Idee gegeben hätte: Stell dich blöd. Natürlich hätte er ihn auch anders retten können.
Diese Situation, in die er hier kommt, führt dazu, dass er seine Hilfe bei Gott sucht und zu Gott zurückfindet. Er merkt: Ich war auf einem Weg. Stellt euch vor, der König von Gad hätte gesagt: Das ist gut, den Mann kann ich gebrauchen. Er hat sich bei seinem König stinkend gemacht. Das ist ein prächtiger Kämpfer, der meinen stärksten Kämpfer besiegt hat. Wenn ich den gebrauche, der ist jetzt in meiner Hand.
Was hätte das gegeben? Das hätte dem Bürgerkrieg Vorschub geleistet, oder? Er hätte gegen Saul kämpfen müssen unter der Fahne des Königs von Gad. Und merken wir, in was für eine Zwickmühle er hier kommt. Offensichtlich begreift er erst in dieser Situation, worum es geht, und er schildert es so: "Ich suchte den Herrn, er antwortete mir, und aus allen meinen Ängsten rettete er mich."
"Sie blickten auf ihn und strahlten, und ihr Angesicht wird nicht beschämt. Dieser Elende rief, und der Herr hörte, und aus all seinen Bedrängnissen rettete er ihn." So gnädig ist Gott.
Gott hätte ja sagen können: David, du bist dumm gewesen. Du hast dich selbst in diese Situation gebracht, also löffel die Suppe aus. Dasselbe hätte er damals bei Abraham machen können: Abraham, du bist dumm gewesen, und jetzt sieh zu.
Vielleicht kennst du solche Situationen aus deinem Leben, in denen du gemerkt hast: Ich habe falsch gehandelt. Das war kurzsichtig, was ich getan habe. Du warst in einer Situation und hast zu Gott geschrien.
Gott ist nicht so, dass er sagt: Okay, die Schuld hast du selbst zu verantworten, also sieh zu, das geht mich nichts an. Wir dürfen diesen gleichen gnädigen Gott erleben, den David erlebt hat.
Und das ist die Frage immer: Wo suche ich meine Hilfe? In Not, selbstverschuldeter Not.
Wir dürfen von David lernen: Auch wenn wir wissen, dass das, was wir getan haben, selbstverschuldet ist, das nicht von Gott herbeigeführt wurde, sondern wir selbst Schuld daran sind, dürfen wir trotzdem zu Gott rufen.
Gottes Schutz und Gegenwart in der Not
Und er beschreibt das Erleben der Hilfe Gottes in den Versen sieben und acht. Vers 7 haben wir bereits gelesen: „Dieser Elende rief, und der Herr hörte, und aus allen seinen Bedrängnissen rettete er ihn.“
Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten, und er befreit sie. David schildert das so: In solch einer Situation fühlt er sich wahrscheinlich zunächst völlig allein und verlassen. Dann heißt es: „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten.“ Man kann sich das bildlich vorstellen, wie der Engel Gottes ihn umgibt.
Das Neue Testament sagt, dass wir Gläubigen in Christus sind. Das ist genauso – unser Herr ist um uns herum. Ich möchte das damit vergleichen, dass Jesus in diesem Fall wie eine Ritterrüstung ist, in der wir uns befinden.
Der Engel des Herrn ist im Alten Testament häufig das Symbol für den Herrn Jesus des Neuen Testaments, also die Sichtbarwerdung Gottes. David beschreibt es so: „Der Engel des Herrn lagert sich um die her, die ihn fürchten.“ David erlebt hier etwas, was wir aus dem Neuen Testament kennen: dass wir in Christus sind, dass wir in ihm geborgen sind.
Das darf uns Mut machen. Ich bin dankbar für solche Verse, die uns zeigen, dass Gott hört und dass wir in dem Herrn Jesus sind, dass er uns umgibt. So weiß ich sicher: Er ist da. Er ist nicht nur bei mir, sondern er ist um mich herum, wie eine Schutzhülle.
Die Weitergabe von Erfahrungen und Warnungen
Und das nächste, was er erlebt, ist in den Versen neun bis zwölf zu finden. Die Folgerung daraus ist, dass er möchte, dass andere aus seinen Fehlern lernen.
Wir haben das hier gelesen, Verse neun bis zwölf:
„Schmeckt und seht, dass der Herr gütig ist. Glücklich der Mann, der sich bei ihm birgt. Fürchtet den Herrn, ihr seine Heiligen, denn keinen Mangel haben die, die ihn fürchten. Junglöwen darben und hungern, aber die, die den Herrn suchen, entbehren kein Gut. Kommt, ihr Söhne, hört mir zu, die Furcht des Herrn will ich euch lehren.“
David sagt damit praktisch: Erzähle dein Erlebtes weiter, erzähle auch deine Fehler. Oft sagen Christen in unseren Gemeinden, dass in den Predigten so wenig über die Fehler der Prediger gesprochen wird. David ist anders. Er schildert auch seine Fehler.
Manchmal ist es sehr hilfreich, wenn wir hören, dass ein anderer dieselben Erfahrungen gemacht hat. Und wenn er aus seinen Fehlern das weitergibt, was er daraus gelernt hat. David schildert offen, was er in seinem Leben verkehrt gemacht hat. Gleichzeitig gibt er Zeugnis von der Größe, der Barmherzigkeit und der Gnade Gottes.
Praktische Konsequenzen und Lebensregeln
In den nächsten Versen folgert er daraus, was wir aus dem Erlebten sehen können. Die Verse 13 bis 15 lauten: Wer ist der Mann, der Lust zum Leben hat und seine Tage liebt, um Gutes zu sehen? Bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor betrügerischen Reden. Lass ab vom Bösen und tue Gutes, suche Frieden und jage ihm nach.
Hier gesteht er ein, dass er falsch gehandelt hat. Er sagt: Bewahre deine Zunge vor Bösem. Damit meint er, dass er seine Zunge benutzt hat, um Unsinn zu reden. Er hat sich wahnsinnig gestellt und die Spucke herauslaufen lassen, als ob er verrückt wäre. Deshalb sagt er, man solle die Zunge und die Lippen bewahren.
Er zeigt also auf, was er falsch gemacht hat, und zieht daraus die Folgerung. Er gibt Regeln, weil er erkannt hat, dass er in dieser selbstverschuldeten Situation nicht danach gehandelt hat. Er hat seine Zunge nicht vor Bösem bewahrt und auch seine Lippen nicht.
Gleichzeitig gibt er einen guten Rat: Du brauchst keine Notlüge, sondern sollst die Wahrheit sagen. Das ist oft schon schwierig. Wie oft denkt man, man müsse eine Notlüge benutzen, um sich aus einer Situation zu retten? Davids Verhalten war im Grunde eine Notlüge. Indem er sich wahnsinnig stellte, täuschte er vor, nicht richtig im Kopf zu sein. Das war eine Lüge.
David sagt jedoch, wir sollen wahr bleiben, vom Bösen ablassen und Gutes tun. Nun könnte man fragen: Wie hätte er sich in solch einer Situation verhalten können? Vielleicht denken manche so. Ich möchte nicht darüber urteilen, wie zum Beispiel in Verfolgungszeiten, etwa im Dritten Reich, manche Christen zu Notlügen griffen, um ihr Leben zu retten.
Doch hier wird deutlich: David macht klar, dass man bei der Wahrheit bleiben kann. Oder es ist leichter, zu schweigen und keine Antwort zu geben. Ich denke an manche Situationen in den vergangenen Jahren, als die Grenzen zum Osten noch geschlossen waren und es Brüder gab, denen es auf dem Herzen lag, Bibeln zu schmuggeln.
Dann stand man an der Grenze und wurde gefragt: Haben Sie etwas zu verzollen? Wie reagiert man dann? Sagt man: Ich habe Bibeln an Bord? Ich weiß von Brüdern, die solche Touren gemacht haben und dann gesagt haben: Schauen Sie doch selber nach. Sie haben nicht gesagt, dass sie Bibeln dabei haben, sondern die Grenzer aufgefordert, selbst nachzusehen.
Immer wieder haben sie erlebt, dass die Grenzer plötzlich blind für die Bibeln waren und sie ohne Lügen durchkamen. Ich erinnere mich an eine Situation vor einigen Jahren, als wir Lebensmitteltransporte nach Polen machten. Die Brüder, die diese Transporte begleiteten, hatten in den gleichen Kisten in gleicher Größe Bibeln verpackt und mit hineingelegt.
An der Grenze zu Polen mussten sie den Lkw leer räumen. Die Grenzer fragten: Ist da überall Lebensmittel drin? Die Brüder antworteten: Schauen Sie bitte selber nach. Dann setzte sich ein Grenzer auf ein Paket und sagte: Öffnen Sie das, öffnen Sie das, öffnen Sie das. Er saß auf dem Paket mit den Bibeln.
In einem anderen Fall war es ähnlich interessant. Die Grenzer öffneten ein Paket und fanden Bibeln. Sie sagten, es sei verboten, Literatur einzuführen. Der Bruder antwortete spontan: Das ist keine Literatur, das sind Bibeln, die Heilige Schrift. Es entstand eine heftige Diskussion unter den Beamten, ob die Heilige Schrift Literatur sei oder nicht.
Sie kamen zu keinem Ergebnis und ließen die Bibeln passieren. Gott hat Mittel und Wege, auch ohne dass man lügen muss. David sagt, es hätte sicherlich eine Möglichkeit gegeben. Ich weiß nicht wie genau. Vielleicht hätte er gebetet: Gott, schlag die Leute mit Blindheit. Das hat es ja auch in der Geschichte Israels gegeben.
Gott hat viele Mittel und Wege. Ich muss nicht lügen. David fordert uns auf: Lernt aus meinem falschen Verhalten.
Erkenntnisse über Gottes Wesen
In den Versen 16 bis 20 schildert David seine Erkenntnisse über Gottes Wesen. Diese Einsichten hat er in der jeweiligen Situation gewonnen.
Er sagt: „Die Augen des Herrn sind gerichtet auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Schreien.“ Offensichtlich hat David in dieser Lage innerlich geschrien. Er hat nicht laut geschrien, aber er ist überzeugt, dass Gott es gehört hat. Gott hat ihn gesehen.
Im Gegensatz dazu steht in Vers 17: „Den Bösen aber steht das Angesicht des Herrn entgegen, um ihre Erwähnung von der Erde zu tilgen.“ Die Gerechten schreien, und der Herr hört sie. Aus all ihren Bedrängnissen rettet er sie.
Der Herr ist nah bei denen, die zerbrochenen Herzens sind, und die zerschlagenen Geistes sind, rettet er. Im Gegensatz dazu steht der nächste halbe Satz, der das Gegenteil beschreibt: „Vielfältig ist das Unglück der Gerechten, aber aus dem allen rettet ihn der Herr.“
David erkennt also, dass Gott auch in Situationen da ist, die er selbst verschuldet hat. Gott ist immer präsent, und auf ihn kann er sich verlassen.
Solche Psalmen machen deutlich, was David in seinen falschen Wegen gelernt hat: Die Augen und Ohren des Herrn sind immer da. Er hört, er sieht, er schläft nicht. Er ist stets gegenwärtig.
Prophetische Hinweise und Zukunftshoffnung
Die letzten Verse zeigen Erkenntnisse aus Gottes Handeln für die Zukunft.
Er bewahrt alle seine Gebeine; nicht eines von ihnen wird zerbrochen. Den Gottlosen wird die Bosheit zum Verhängnis, und die, die die Gerechten hassen, werden dafür büßen. Der Herr erlöst die Seele seiner Knechte, und alle, die sich bei ihm bergen, müssen nicht büßen.
Zwischen diesen Versen fällt ein Vers auf, der zwar von David in seiner Situation geschrieben wurde, in diesem Lied aber plötzlich prophetisch wirkt. Er bewahrt alle seine Gemeinen; nicht eines von ihnen wird zerbrochen.
Es ist leicht zu erkennen, wer hier prophetisch gemeint ist. Ob David diese Erfahrung selbst gemacht hat, ist unklar. Ebenso, ob ihm bewusst war, dass er hier eine Prophetie über den Herrn Jesus ausspricht.
Für uns, die wir die Geschichte des Herrn Jesus kennen, ist es jedoch offensichtlich: Gott gebraucht solche Aussprüche, die viele Jahre zuvor gemacht wurden, um auf den Herrn Jesus hinzuweisen. Von ihm wurde kein Bein zerbrochen, im Gegensatz zu den anderen, die an den Kreuzen hingen.
David spricht also etwas aus, ohne sich vielleicht selbst bewusst zu sein, dass es prophetisch ist.
Schlusswort und Ermutigung
Und wir können heute, die wir dahinterstehen, erkennen, dass das auf den Herrn Jesus zutrifft.
Ich möchte mit diesem Merksatz enden: Der Herr erlöst die Seele seiner Knechte, und alle, die sich bei ihm bergen, müssen nicht büßen. David hat es erlebt, wir dürfen es erleben, du darfst es erleben.
Dass wir wirklich in Situationen, selbst in solchen, die wir selbst verschuldet haben, unsere Zuflucht und unsere Hilfe beim Herrn suchen. Amen.
