Einführung in das Thema Feindesliebe
Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 211 von „Nächsten und Feinden“. Heute beschäftigen wir uns mit dem Thema Feindesliebe.
Matthäus 5,43-44: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“
Wenn man diesen Text oberflächlich liest, könnte man meinen, hier würde der Herr Jesus einen Gegensatz aufmachen zwischen dem Alten Testament mit einem Schwerpunkt auf Hass und dem Neuen Testament mit einem Schwerpunkt auf Liebe. Das ist jedoch nicht wahr.
Hier geht es nicht um Jesus gegen das mosaische Gesetz, sondern weiterhin um „Jesus gegen die falsche Auslegung der Gebote Gottes durch die Rabbiner seiner Zeit“. Wie wir bereits mehrfach gesehen haben, unterstützt der Text des Alten Testaments nicht die Auslegung der Rabbiner.
Ursprung und Bedeutung der Nächstenliebe
Aber fangen wir mit der Nächstenliebe an. Der erste Teil aus Matthäus Kapitel 5, Vers 43 stammt aus 3. Mose 19,18. Dort lesen wir: „Du sollst dich nicht rächen und den Kindern deines Volkes nichts nachtragen und sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.“
Ich hoffe, dass euch dieser Vers nicht überrascht. Liebe war schon immer Gottes Standard für das menschliche Miteinander. Nächstenliebe ist keine Erfindung Jesu im Neuen Testament. Sie ist Gottes grundsätzlicher Anspruch an zwischenmenschliche Beziehungen: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Die Frage ist: Wie kann ich dieses Gebot aushebeln? Eigentlich ist ja klar, was hier steht. Also, wie kann ich das Gebot aushebeln?
Die Antwort: Ich nehme den Begriff „mein Nächster“ als eine Kategorie. Daneben gibt es mindestens eine weitere Kategorie, nämlich die Kategorie „mein Feind“. Und dann entscheide ich mich dafür, dass das Gebot der Nächstenliebe für diese zweite Gruppe nicht gilt.
Versteht ihr, was passiert ist? Ich sage: Ja, 3. Mose 19,18 will ich halten, ich will meinen Nächsten lieben wie mich selbst, aber nicht jeder ist mein Nächster. Deshalb gibt es Leute, die ich so liebe wie mich selbst, und dann gibt es andere, zum Beispiel Zöllner, Huren, Samariter, römische Soldaten und so weiter. Für die gilt das natürlich nicht.
Im Kopf entsteht also eine Zweiklassengesellschaft: die Nächsten und die Feinde. Und mit beiden Gruppen darf ich ganz unterschiedlich umgehen.
Das steckt hinter Matthäus 5,43: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.“
Die Frage nach dem Nächsten und praktische Beispiele
Die Frage lautet: Wer ist mein Nächster? Dieses Thema werden wir uns noch genauer anschauen, wenn wir beim Gleichnis vom barmherzigen Samariter angekommen sind. Für heute möchte ich die Frage aus dem Alten Testament ableiten. Dabei nehme ich ein Gebot, das davon handelt, einem anderen zu helfen, und schaue mir an, für wen dieses Gebot gilt.
Im 5. Buch Mose, Kapitel 22, Vers 1, heißt es: „Du darfst nicht zusehen, wie das Rind deines Bruders oder sein Schaf umherirrt, und dich ihnen entziehen. Du sollst sie deinem Bruder unbedingt zurückbringen.“ Ein schönes Gebot, oder?
Ich denke, dass mit „Bruder“ hier nicht der familiäre Bruder gemeint ist, sondern ein Mitisraelit. Wenn ich also ein Rind finde, das mir nicht gehört, aber ich weiß, wem es gehört, soll ich es unbedingt zurückbringen. Nun die Frage: Gilt dieses Gebot, das ja an das Gebot erinnert, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, auch für Menschen, die ich nicht mag?
Im 2. Buch Mose, Kapitel 23, Vers 4, steht: „Wenn du das Rind deines Feindes oder seinen Esel umherirrend antriffst, sollst du sie ihm auf jeden Fall zurückbringen.“ Spannend, oder? Hier geht es um denselben Sachverhalt. Ich finde ein Rind, das mir nicht gehört, weiß aber, wem es gehört – nämlich meinem Feind – und soll es trotzdem unbedingt zurückbringen.
Fazit zur Nächstenliebe und Feindesliebe im Alten Testament
Fazit aus diesen beiden Geboten: Egal ob Bruder oder Feind – ich helfe. Anders ausgedrückt: Jeder Feind ist ein Bruder. Ich helfe und bringe das Rind zurück.
Es ist wichtig, dass wir das verstehen. Im mosaischen Gesetz gibt es kein Gebot, Feinde zu hassen. Es gibt zwar Gebote, dass andere Völker ausgerottet werden sollen, dazu habe ich einen eigenen Podcast gemacht.
In den Psalmen formuliert David ganz deutlich, dass er Menschen hasst, die gegen Gott sind. Auch Gott bringt seinen Hass gegen Gottlose und Gewalttäter zum Ausdruck. Es gibt also gerechtfertigten Zorn gegen einen bösen Menschen.
Aber Vorsicht: Nur weil ich einen Menschen für das, was er tut, ablehne – und zwar völlig zu Recht –, obwohl ich nicht naiv bin und Böses nicht einfach unter den Teppich kehre, heißt das noch nicht, dass ich das Recht habe, schlecht mit ihm umzugehen. Darf ich ihn in meinem Herzen zum Unmenschen machen? Nein, natürlich nicht.
Schon Hiob formuliert dies und beschreibt dabei sein gerechtes Verhalten.
Hiobs Haltung gegenüber Feinden als Vorbild
„Wenn ich mich freute über den Untergang meines Hassers und aufjauchzte, als Unglück ihn traf,
nie habe ich meinem Gaumen erlaubt zu sündigen, indem ich mit einem Fluch die Seele dessen forderte.“
Ich finde das ganz großartig. Für Hiob wäre Schadenfreude oder das Verfluchen seiner Feinde undenkbar. Hiob ist ein Gerechter, und wir können ihn als Vorbild nehmen.
Die Boshaftigkeit eines bösen Menschen ist kein Grund, ihm einen liebevollen Umgang zu verweigern. Dabei dürfen wir eine Sache nicht vergessen: Gott hasst den Sünder und liebt den Sünder gleichzeitig. Beides gehört bei Gott zusammen.
Die Heiligkeit Gottes ist bereit, einen Sünder zu richten und fordert Gerechtigkeit. Gleichzeitig ist die Liebe Gottes bereit, einen Sünder zu retten und ein Sühneopfer zu bringen.
Gott ist nicht naiv, und er ist nicht unbarmherzig. Ebenso sollen auch wir nicht naiv oder unbarmherzig sein.
Die Einheit von Nächsten und Feinden vor Gott
Deshalb ist die Einteilung in Nächste und Feinde auch so falsch. Vor Gott sind wir nämlich alle erst einmal Feinde. Es gibt keinen Menschen, der von sich aus ein Freund Gottes ist. Wir starten alle als Sünder, sind alle erst einmal verloren, stehen auf der falschen Seite und verdienen genau eines: die Hölle.
Aber jetzt kommt Gott und macht was? Er geht in Vorleistung. Er nimmt sich meiner Verlorenheit an.
Römer 5,8: Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist.
Und es ist genau diese Haltung, die Gott von denen fordert, die an ihn glauben. Er fordert Nächstenliebe für Feinde nicht erst im Neuen Testament. Schon in den Sprüchen lesen wir, ...
Praktische Aufforderung zur Feindesliebe
Sprüche 25,21-22: Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm Brot zu essen, und wenn er Durst hat, gib ihm Wasser zu trinken. Denn so häufst du glühende Kohlen auf sein Haupt, und der Herr wird es dir vergelten.
Mein Feind hat Hunger, ich gebe ihm zu essen; er hat Durst, ich gebe ihm zu trinken. Der letzte Teil ist mir besonders wichtig: Es heißt, der Herr wird es dir vergelten.
Wenn ich meinen Feind liebe – und das ist bestimmt nicht einfach –, wird Gott mich dafür belohnen. Er wird mich belohnen, weil meine Liebe zu meinen Feinden das widerspiegelt, was sich an Feindesliebe im Herzen Gottes findet.
Wie wir noch sehen werden, ist es immer richtig, genau so zu leben, wie Gott es uns vorgemacht hat.
Ausblick und Abschluss
Was könntest du jetzt tun? Du könntest das Gleichnis vom barmherzigen Samariter lesen, das im Lukas 10 zu finden ist. Dabei kannst du darüber nachdenken, wie Jesus den Begriff des Nächsten definiert.
Das war es für heute. Möchtest du mehr vom Podcast hören? Dann lies auch das Skript und lerne Bibelverse auswendig, die dich besonders ansprechen.
Der Herr segne dich. Erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
