Begrüßung und erste Eindrücke beim Mitternachtsruf
So, hallo wieder zusammen! Schön, bei euch zu sein. Danke für das Lied, den schönen Text und die schöne Stimme.
Ich bin ja das erste Mal hier beim Mitternachtsruf. Ich muss ehrlich sagen, ich habe vorher überhaupt nichts davon gewusst. Ich hatte schon einmal etwas davon gehört, aber eigentlich keine genaue Vorstellung.
Es ist schön, hier zu sein, gerade auch im Pflegeheim, wo ich am Abend gegessen habe. Es gefällt mir immer, wenn Dienste gelebte Nächstenliebe praktizieren. Besonders hier, mit Menschen, die ins Alter gekommen sind, zu beten, zu singen und zu pflegen – das ist eigentlich Christsein.
Da hat er mit der Käthe drüben gesprochen, die betet, während ich predige. Dann macht sie etwas, das wichtiger ist als ich. Bonhoeffer hat einmal gesagt: Es ist wichtiger, mit Gott über Menschen zu reden, als mit Menschen über Gott zu reden.
Dieses wichtige Prinzip, mit Gott über Menschen zu reden, ist eigentlich die wichtigste Tätigkeit, die wir tun können.
Was hier auch speziell ist: Oft, wo ich hinkomme, sagen sie, du kannst über alles predigen, aber nicht länger als zwanzig Minuten. Hier wurde gesagt, das sei nicht so genau. Man kann auch eine Stunde predigen, das sei eher selten. So lange mache ich es zwar nicht, aber...
Wesentliche Werte im Glauben: Barmherzigkeit und Liebe
Und was mir allgemein auffällt, wenn man so herumkommt: Es ist ein großes Vorrecht, viele Dinge sehen zu können. Früher war ich sehr beeindruckt, wenn Männer intellektuell fähig waren und ihre Theologie gut erklären konnten. Das hat mich sehr beeindruckt.
Das ist immer noch eine gute Sache, und ich schätze das sehr. Aber was mich heute beeindruckt, ist ein Mann, der barmherzig ist. Nicht jemand, der alles weiß oder seine Theologie perfekt beisammen hat. Gott wird dich nie nach deiner Theologie fragen. Er wird dich nur fragen, ob du geliebt hast – sonst gar nichts.
Alles andere ist Peripherie, das ist Nebensache. Darüber kann man reden. Vorherbestimmung, freier Wille – ja, das ist ganz interessant, aber ausschlaggebend ist es nicht. Es gibt wesentlich wichtigere Dinge. Man redet darüber, das ist interessant. Wenn man da verschiedene Meinungen hat, ist das durchaus nett. Dann hat man etwas zu reden, und es wird nicht langweilig.
Wir Christen reden ja sehr viel über Liebe, und das ist auch richtig so. Denn Gott ist Liebe. Es ist überraschend, sowohl für Gläubige als auch für Ungläubige, dass die Bibel sagt: Gott ist Liebe und sonst gar nichts.
Aber andererseits lesen wir in der Bibel immer wieder, dass wir Gott fürchten sollen. Darum habe ich auch das Thema für heute Abend bekommen: Müssen wir Gott fürchten? Das ist nicht, weil wir uns danach sehnen oder weil wir das wollen. Aber die Bibel spricht sehr viel über Gottesfurcht.
Jetzt stellt sich die Frage: Was bedeutet das? Wie versteht man das? Warum müssen wir Gott fürchten, wenn er doch gnädig ist, wie wir gestern Abend gehört haben? Es scheint ein Widerspruch zu sein.
Das Paradox der Gottesfurcht verstehen
Dieses Paradox, das sich aus dem Widerspruch ergibt, löst sich, wenn man das biblische Verständnis von Furcht etwas näher betrachtet. Genau das möchte ich heute Abend tun.
Unter Theologen gibt es eine Methode, um die Bedeutung eines Begriffs zu klären. Dieses Prinzip nennt man das Gesetz der ersten Erwähnung. Es hilft nicht immer, aber manchmal ist es sehr nützlich. Das bedeutet, wenn man zum Beispiel wissen will, was Anbetung bedeutet, schaut man in der Bibel nach, wo dieses Wort zum ersten Mal vorkommt – im Alten oder Neuen Testament. Das kann eine Hilfe sein, um den Begriff richtig zu definieren.
Macht man dasselbe bei Gottesfurcht oder „Gott fürchten“, so findet man die erste Erwähnung in der Geschichte Abrahams, im Buch Genesis 22. Dort wird Abraham aufgefordert, seinen Sohn Isaak zu opfern. Als Abraham tatsächlich bereit ist, dies zu tun, lesen wir in Genesis 22,12: „Der Engel des Herrn rief: Tu dem Jungen nichts, denn nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest.“ Hier begegnet uns die erste Erwähnung von Gottesfurcht.
Im Neuen Testament lernen wir im Hebräerbrief 11, dass Abraham darauf vertraute, dass Gott treu ist. Sollte er Isaak wirklich opfern müssen, so würde Gott ihn wieder von den Toten auferwecken; das sei Gottes Problem. Was bedeutet das also in Bezug auf Gottesfurcht bei Abraham? Abraham hatte keine Angst vor Gott. Vielmehr vertraute er Gott bedingungslos.
Wenn wir Abraham betrachten, was heißt es dann, dass er Gott fürchtete? Es bedeutet, dass er Gott absolut vertraute. Auch in unserem Sprachgebrauch – ich glaube, das gilt auch hier in der Schweiz – sagt man oft von einem Mann oder einer Frau, die mit Gott lebt, die Liebe und Barmherzigkeit zeigt: „Das ist ein gottesfürchtiger Mann“ oder „eine gottesfürchtige Frau“. Zwar ist dieser Ausdruck etwas altmodisch geworden, aber er wird immer noch verwendet.
Wenn ich also über jemanden sage, „Das ist ein gottesfürchtiger Mann“, meine ich nicht, dass er sich täglich vor Gott fürchtet oder Angst vor Gott hat. Nein, damit ist gemeint, dass dieser Mann oder diese Frau Gott vertraut. Das ist ein gottesfürchtiger Mann.
Schon an dieser Stelle sehen wir, dass Gottesfurcht wenig mit Angst zu tun hat, sondern eher mit Ehrfurcht und Vertrauen in die Größe Gottes. Ich möchte nun schrittweise diese Sichtweise von der Bibel her genauer erarbeiten.
Gründe für die Gottesfurcht
1. Gottesfurcht ist mit Verheißungen verbunden
Da ist nun erstens A, groß A: "Warum sollen wir Gott fürchten?"
Und da habe ich drei Unterpunkte, ja, ich glaube, es sind drei, stimmt.
Punkt Nummer eins: Warum sollen wir Gott fürchten?
Erstens, weil die Furcht Gottes immer mit Verheißungen verbunden ist. Ich lese euch ein paar vor:
Psalm 103, Vers 13: Da lesen wir, wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt: "So erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten." Möchtest du, dass Gott sich dir so erbarmt, wie ein Vater sich über ein Kind erbarmt, dann fürchte Gott.
Psalm 111, Vers 10: "Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang." Willst du Weisheit, dann fürchte Gott.
Sprüche 10, Vers 27: "Die Furcht des Herrn vermehrt die Lebenstage." Das heißt, willst du gesünder leben, dann fürchte Gott.
Sprüche 14, Vers 26: "In der Furcht des Herrn liegt ein starkes Vertrauen. Auch seine Kinder haben eine Zuflucht." Möchtest du, dass deine Kinder einmal Gott vertrauen, dann fürchte Gott.
Also, erstens: Warum sollen wir Gott fürchten? Weil es immer mit Verheißungen verbunden ist.
2. Unsere biblischen Vorfahren fürchteten Gott
Zweiter Grund: Warum sollen wir Gott fürchten? Weil unsere biblischen Vorfahren Gott gefürchtet haben.
Nur ein paar Beispiele: Als Mose vor dem brennenden Dornbusch stand, fürchtete er sich, Gott anzuschauen. (2. Mose 3,6)
Im Jesaja 6,5 lesen wir, dass Jesaja eine Vision von Gott auf dem Thron hatte. Er erschrak und sagte: „Wehe mir, ich bin verloren.“
Im Daniel 10 zitterte Daniel bei der Erscheinung Gottes, als er eine Vision von Gott hatte.
Als Jesus dem Petrus zum ersten Mal begegnete, sagte Petrus: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch.“
Wenn Jesus Dämonen austrieb, wie reagierten die Leute? Sie fürchteten sich vor so einer Macht.
Im Apostelgeschichte 9,31 lesen wir: „Die ersten Christengemeinden wandelten in der Furcht des Herrn.“
Und als der geliebte Jünger Johannes Jesus offenbart sah, fiel er zu seinen Füßen wie tot (Offenbarung 1).
Es gibt also eine gewisse Furcht, eine Ehrfurcht, bei Menschen, die Gott gesehen haben, wie er ist. Im Angesicht Gottes erkannten sie ihre eigene Fehlerhaftigkeit, und eine Furcht vor dem heiligen Gott entstand.
Das ist der zweite Grund, warum wir Gott fürchten sollen: Unsere Vorfahren haben ihn gefürchtet.
3. Gottesfurcht ist ein Gebot Gottes
Dritter Grund, warum wir Gott fürchten sollen: Es ist ein Gebot Gottes.
Im Prediger 12,13, dem letzten Vers dieses Buches, steht: „Das Endergebnis des ganzen Buches ist, Gott zu fürchten.“ Im 1. Petrus 2,17 im Neuen Testament lesen wir: „Fürchtet Gott.“ In der Offenbarung 14 heißt es: „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre.“ Jedes Gebot Gottes dient immer zu unserem Besten. Wenn wir die Gebote Gottes missachten, schaden wir uns selbst. Früher habe ich das nicht so verstanden, aber im Alter habe ich es besser begriffen.
In unserem Universum gibt es einige absolute Gesetzmäßigkeiten, die immer gelten. Wir können nicht darüber hinausgehen. Zum Beispiel gibt es mathematische Gesetze: Zwei und zwei ist immer vier. Du kannst darauf bestehen, dass zwei und zwei fünf sind, es bleibt trotzdem vier. Und in der Schule wirst du nicht gut abschneiden, wenn du auf fünf beharrst.
Es gibt auch physikalische Gesetze, die immer funktionieren, zum Beispiel das Gesetz der Schwerkraft. Wenn du es ignorieren willst und sagst: „Für mich gilt das nicht“, dann hast du ein Problem. Wenn du vom Hausdach oben stehst und sagst: „Die Schwerkraft existiert für mich nicht“, weil dir das nicht gefällt, und du springst herunter, dann wird die Schwerkraft dich trotzdem übernehmen.
Dazu habe ich einen Unfallbericht gelesen, den ich euch vorlesen möchte. Es ist ein Bericht eines Maurers, der der Krankenkasse erklären musste, warum sie so viel bezahlen musste:
„Sehr geehrte Damen und Herren, wie bereits unter Paragraph drei beschrieben, ist die Unfallursache auf unzureichende Planung zurückzuführen. In Sektion 4 des Unfallberichts möchte ich Ihnen nun die von Ihnen geforderten Informationen über den Unfallhergang berichten.
Ich bin Maurer von Beruf. Am Unfalltag arbeitete ich allein im zweiten Stock eines Gebäudes. Nach Beendigung der Arbeit blieben mir einige Ziegel übrig, welche, wie wir im Nachhinein feststellten, etwas mehr als 150 Kilogramm wogen. Anstatt sie über die Treppen hinunterzutragen, entschied ich mich, sie auf dem Seilzug auf einer Palette hinunterzulassen.
Nachdem ich das Seil auf Erdgeschosshöhe fixierte, lud ich die Ziegel auf die Palette, welche auf der Höhe vom sechsten Stockwerk am anderen Seilende befestigt war. Danach löste ich das Seil im Erdgeschoss und, damit die Ziegel nicht zu schnell herunterkamen, hielt ich das Ende des anderen Seiles mit meinen Händen.
In Sektion sieben des Unfallberichts ersehen Sie, dass ich fünfundsechzig Kilogramm wiege. Als mich das Seil dann so plötzlich nach oben riss, war ich so schockiert, dass ich vergaß, das Seil loszulassen. Ich muss nicht dazusagen, dass ich nun mit hoher Geschwindigkeit an der Mauer des Gebäudes nach oben unterwegs war.
Etwa in der Höhe des dritten Stockwerks traf ich auf die Ziegelpalette, die nun mit gleich hoher Geschwindigkeit nach unten unterwegs war. Dieses Aufeinandertreffen erklärt die Schädelfraktur und das gebrochene Schlüsselbein, wie es in Sektion 2 des Berichtes zu lesen ist.
Nach diesem Aufeinandertreffen, welches mich nur kurz verlangsamte, ging es wieder mit hoher Geschwindigkeit in Richtung sechster Stock. Meine Finger waren inzwischen am Seil verkrampft. Im sechsten Stock angekommen war ich wieder voll bei Bewusstsein und hielt das Seil fest, obwohl ich Schmerz verspürte.
Etwa zur selben Zeit schlug die Ziegelpalette auf Erdgeschosshöhe auf den Boden auf, und die Ziegel durchbrachen den Palettenboden. Nachdem nun das Gewicht der Ziegel nicht mehr vorhanden war, wog die Aufhängung am anderen Seilende nur noch zehn Kilo. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich fünfundsechzig Kilogramm wiege.
Wie Sie sich vorstellen können, ging es nun mit hoher Geschwindigkeit wieder nach unten. Etwa in der Höhe des dritten Stockwerks traf ich auf die Palettenaufhängung, die aus Gusseisen gefertigt war. Das erklärt die zwei zertrümmerten Fersen, den Blasenriss und die herausgerissenen Zähne.
Dieser Zusammenstoß war auch das Ende meiner Glücksträhne. Mit meinen Händen immer noch am Seil fuhr ich mit hoher Geschwindigkeit weiter nach unten und landete auf dem Ziegelhaufen. Das erklärt die zwei gebrochenen Wirbel.
Es tut mir leid, Ihnen berichten zu müssen, dass ich, auf dem Ziegel liegend, mein Bewusstsein verlor und das Seil losließ. So sah ich nur noch kurz, wie die Palettenaufhängung aus Gusseisen mit hoher Geschwindigkeit von oben auf mich zukam. Das erklärt die zwei zertrümmerten Oberschenkel.
Ich hoffe, Ihnen damit eine ausreichende Erklärung des Unfallhergangs und der damit verbundenen Verletzungen gegeben zu haben.
Mit herzlichen Grüßen, Herr Mike Baschbeweyer.“
Das ist eine witzige Geschichte, aber die Moral davon ist: Es gibt physikalische Gesetze in unserem Universum, die immer funktionieren.
Seht ihr, eine gesunde Angst vor der Schwerkraft ist nicht lähmend, sondern bewahrt mein Leben. Meine Angst, im Gebirge 1000 Meter abzustürzen, bewahrt mein Leben. Meine Angst, mit 200 km/h aus der Kurve zu fahren, weil ich zu schnell bin, bewahrt mein Leben. Das heißt, eine gesunde Angst ist nicht lähmend, sondern lebensbewahrend.
Die Frage ist nun: Gibt es auch absolute moralische Gesetze in unserem Universum, die festgelegt sind und immer funktionieren? Nicht Gesetze, die Menschen erfunden haben, um andere zu unterdrücken, sondern Gesetze, die eigentlich jeder weiß?
Die Bibel sagt im Römer 2,14: „Denn wenn die Heiden, die kein Gesetz haben, von Natur aus dem Gesetz entsprechend handeln, so sind diese, die kein Gesetz haben, sich selbst ein Gesetz. Sie beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihrem Herzen geschrieben ist, in dem ihr Gewissen Zeugnis gibt, und ihre Gedanken sich entweder anklagen oder auch entschuldigen.“
Das heißt, der Mensch hat ein Gewissen, mit dem er auch moralisch weiß, was Recht und Unrecht ist. In unserer heutigen westlichen, aufgeklärten Welt versuchen wir allerdings, moralische Gesetze wegzuerklären oder zu ignorieren. Wir reden nicht mehr von moralischen Gesetzen, sondern von moralischen Werten. Wir reden nicht mehr von Wahrheit, sondern von Ansichten.
Ich glaube, wenn wir diese absoluten moralischen Werte missachten, werden wir uns über kurz oder lang selbst Schaden zufügen. Das Gesetz der Schwerkraft wegzuerklären, weil es mir nicht passt, macht mich nicht frei vom Gesetz der Schwerkraft. Und die Furcht Gottes mit seinen Gesetzen einfach wegzuerklären, macht uns nicht frei vom Schaden, der dadurch entsteht.
Was geschieht, wenn Menschen keine Gottesfurcht mehr haben? Das kann man jeden Tag bei uns beobachten: Jede moralische Werte zerbröckeln. Wir haben eine extreme Werteverschiebung.
Als Beispiel: Heute ist es leichter, ein ungeborenes Kind zu töten, als einen Baum zu fällen. Wenn du ein Kind abtreiben willst, braucht dich niemand mehr zu fragen. Aber ich habe vor ein paar Jahren einen Baum bei uns umschneiden müssen. Da kamen sechs Leute von der Gemeinde, vom Naturschutz und vom Bürgermeister, um zu genehmigen, ob der Baum umgeschnitten werden darf. Das brauchst du nicht, wenn du Leben tötest. Da geht es von alleine. Das heißt Werteverschiebung.
Dass Politiker heute ihre Position missbrauchen, wird nicht nur befürchtet, sondern erwartet. Das ist schon normal. Das ist eine Werteverschiebung.
Oder das Gebot: „Du sollst nicht stehlen.“ Ja, den Nachbarn sollst du nicht beklauen, weil du dann ein Problem hast. Aber Steuern zu bezahlen, wenn du das wirklich tust, dann bist du ja dumm. Wichtig ist nur, dass du dich nicht erwischen lässt. Ob du es tust oder nicht, ist nicht ausschlaggebend.
Vor ein paar Jahren hatte ich ein anderes Auto. In der Werkstatt haben sie mich gefragt, wie ich zufrieden bin, und gesagt: „Eigentlich gut, ein bisschen mehr PS könnte er haben.“ Dann sagte der Mechaniker: „Kein Problem, wir können den Computer neu bespielen, kostet bar hundert Euro, dann hast du vierzig PS mehr.“ Da habe ich gesagt: „Ja, aber das ist ja nicht ganz legal.“ „Das weiß zwar keiner, das ist völlig egal.“ Aber ich kann es nicht tun, weil Gott es ja weiß. Es weiß zwar keiner, aber Gott weiß es.
Seht ihr, heute ist es nicht wichtig, ob du ehrlich bist oder nicht. Wichtig ist nur, dass du dich nicht erwischen lässt. Das ist eine Werteverschiebung.
Oder das Gebot: „Du sollst die älteren Menschen ehren.“ Das wird heute gar nicht mehr gelehrt. Schuld sind nicht die Kinder, sondern die Eltern, weil die keinen Respekt lehren. Die lachen über Autorität.
Oder in der Bibel steht: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten.“ Bei uns gibt es eine Werbung, die heißt: „Geiz ist geil.“ Das nennt man Werteverschiebung.
Wenn du zum Beispiel als junger Mensch sagst, dass du deine Jungfräulichkeit bis zur Hochzeitsnacht bewahren möchtest, um dich deinem einen Partner zu schenken, den du liebst und mit dem du dein Leben teilst, dann wirst du heute ausgelacht.
Diese Werteverschiebung beziehungsweise Wertlosigkeit wird heute teilweise als Freiheit angepriesen: „Du darfst tun, was du willst, du bist frei.“ Allerdings, und das gilt bei fast jedem Punkt, den ich erwähnt habe, ist das, wenn man genauer hinsieht, eine Pseudofreiheit.
Ein Mann, Professor Dr. Ulrich Giesekus, Psychologe und Seelsorger aus Deutschland, der schon öfter bei uns in Schladming gepredigt hat, sagte in einem Vortrag, dass er als Seelsorger ein neues Klientel hat: Gesunde, junge Männer zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Jahren kommen verzweifelt zu ihm. Wisst ihr warum? Sie haben keine Lust mehr auf Sex.
Das sind junge, gesunde Männer, zwanzig, zweiundzwanzig Jahre alt. Warum? Weil sie sich schon mit vierzehn und fünfzehn Jahren die härtesten Pornos im Internet angeschaut haben. Sie haben alles gesehen, es gibt nichts mehr. Langweilig.
Das heißt, es wird als Freiheit verkauft, aber das Ergebnis ist Sklaverei.
Wenn wir Gott kennen und Ehrfurcht vor ihm und seinem Wort haben, dann wissen wir: Sex ist etwas Schönes, Heiliges und Einzigartiges. Es wird für zwei Menschen gemacht.
Ich muss auch sagen, es ist heute gerade für junge Leute in unserer Gesellschaft nicht einfach, Christ zu sein, weil wir extrem zwischen zwei Wertesystemen stehen. Einerseits wissen wir um die Gültigkeit und den Segen dessen, was Gott sagt, andererseits werden wir täglich mit dem Wertesystem einer mehr oder weniger gottlosen Welt konfrontiert.
Der Grund, warum moralische Werte auch unter Christen heute abbröckeln, liegt ganz klar auf der Hand: Wir haben keine Furcht vor Gott.
Der natürliche Mensch, ein Atheist, hat natürlich keine Furcht vor Gott. Warum auch? Für ihn existiert Gott gar nicht. Der natürliche Mensch hat keine Furcht vor Gott.
Darum gibt es einen schönen Vers, Psalm 34,12: „Kommt, ihr Söhne, hört mir zu, die Furcht des Herrn will ich euch lehren.“ Das heißt, die Furcht des Herrn muss gelehrt werden, weil wir sie nicht automatisch haben. Sie ist kein Besitztum des natürlichen Menschen.
Jetzt komme ich zum zweiten Überthema: Die ernsthafte Seite der Gottesfurcht. Danach rede ich über die tröstliche Seite der Gottesfurcht.
Was ist die ernsthafte Seite der Gottesfurcht? Dazu habe ich zwei Punkte, damit du nicht durcheinanderkommst.
Erstens: Gott ist nicht nur Retter, Gott ist auch Richter. Im Glaubensbekenntnis sagen wir jeden Sonntag: Jesus sitzt zur Rechten Gottes und wird von dort kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Das ist im Glaubensbekenntnis verankert, aus gutem Grund.
Sowohl das Alte als auch das Neue Testament unterscheiden zwischen Geretteten und Verlorenen, zwischen Menschen, die in Gemeinschaft mit Gott leben und sterben, und Menschen, die außerhalb der Gemeinschaft mit Gott leben und sterben. Es gibt ganz klar einen doppelten Gerichtsausgang.
Wenn man das verleugnet, muss man die Bibel ziemlich verbiegen.
Galater 6,7 sagt Paulus: „Was der Mensch sät, das wird er auch ernten.“ Im Hebräer 9,27 steht: „Es ist dem Menschen gegeben, einmal zu sterben, danach aber das Gericht.“ Das heißt, die Bibel lehrt keine Reinkarnation. Jeder Mensch wird sich verantworten müssen für die Dinge, die er getan hat, mit dem, was ihm anvertraut wurde. Und Gott wird hundertprozentig gerecht richten.
Das Buch der Offenbarung, eines meiner Lieblingsbücher, unterrichte ich immer in unserer Bibelschule. Dort geht es teilweise ziemlich wild zu. Aber wisst ihr, was Johannes immer wieder sagt? Die Engel Gottes sagen: Gottes Gericht ist gerecht.
Wenn wir Gott am Gerichtstag erleben, wird keiner von uns sagen: „Das ist aber nicht ganz fair.“ Nie. Er ist hundertprozentig gerecht und viel mehr als barmherzig.
In einer Zeitschrift habe ich mal gelesen, dass in früheren Generationen Menschen Angst vor der Hölle und dem Gericht hatten. Heute haben Pfarrer und Prediger Angst, über Hölle und Gericht zu reden. Das stimmt hundertprozentig, zumindest in unserer Gesellschaft.
Ein anderer Theologe hat einmal gesagt: „Wer nicht an Satan und sein dämonisches Wirken glaubt, kann das Treiben dieser Welt nie verstehen.“
Vor kurzem sagte mir ein Bibelschüler aus Ghana: „Wir in Afrika sprechen ganz klar und offen über Gottes Gericht und Verdammnis. Das wird hier in Europa nicht mehr gepredigt. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ihr keine Furcht mehr vor Gott habt.“
Es kann sein, dass er Recht hat.
Andererseits müssen wir uns bewusst sein, dass es gute Gründe gibt, warum heute über Gericht, Hölle und Verdammnis in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht mehr so gepredigt wird wie früher. Das hat nicht nur schlechte, sondern auch gute Seiten.
Wisst ihr warum? Früher hat man mit Predigten über Feuer, Hölle und Gericht Menschen Angst gemacht und kontrolliert. Das nennt man Religion. Von den Hexenverbrennungen, die ein Wahnsinn waren, bis zu vielen anderen Dingen, bei denen Menschen durch Angst getrieben, kontrolliert und unterjocht wurden.
Mit Predigten, die eine falsche Furcht vor Gott lehren, hat man Menschen manipuliert und Angst gemacht. Leider gibt es das heute noch.
In unserer Bibelschule, wo wir Kurz-Bibelschulen von zwei bis drei Monaten haben, mit vielen verschiedenen Konfessionen, höre ich immer wieder, dass jemand sagt: „In unserer Gemeinde wurde uns gesagt, wenn wir keinen Rock tragen oder keine Kopfbedeckung, dann kommen wir in die Hölle.“ Das wird heute noch gepredigt. Das ist Wahnsinn.
Davon müssen wir Abstand nehmen.
Weil mit Angstreligion so viel Unheil angerichtet wurde und wird, haben sich manche Theologen gänzlich davon distanziert. Ich kann das gut nachvollziehen, aber nicht ganz gutheißen.
Denn diese Angstpredigten bewirken religiöse Neurosen, und diese Christen werden nicht gesünder, sondern krank. Du kannst durch Religion krank werden, und davon gibt es nicht wenige.
Das ist natürlich ein Argument der modernen Atheisten, dass Religion krank macht, und das ist ein berechtigtes Argument. Da, wo Religion gepredigt wird, bin ich voll hinter diesen Atheisten.
Aber darum müssen wir als Christen wieder lernen, in der rechten Weise über die Furcht Gottes zu reden.
Das Problem ist: Wenn wir gar nicht darüber reden, wissen die Menschen nicht, was sie damit anfangen sollen. Dann wird darüber geschwiegen, und wo es in der Bibel steht, lesen wir einfach drüber hinweg oder bekommen Angst.
Darum Punkt zwei: Wir müssen uns vor Gott, dem Richter, fürchten.
Ein Gott, der gleichgültig gegenüber Sünde, Ungerechtigkeit und Gemeinheit wäre, wäre kein Gott, zumindest kein gerechter Gott. Ein Gott, der einfach zuschaut, wenn Frauen vergewaltigt oder Kinder umgebracht werden und das keine Konsequenzen hat, wäre keine Gott, sondern eine lächerliche Figur.
Gott wird richten. Ich bin nicht Gott, aber Gott wird richten.
Psalm 7,12 sagt: „Gott ist ein gerechter Richter und ein strafender Gott jeden Tag.“ In Offenbarung 14,7 lesen wir: „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen.“
Ein paar Worte zum Zorn Gottes: In der Bibel sieht man deutlich, dass Gott zornig ist über Sünde. Jesus sagt in Johannes 3,36: „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“
Paulus schreibt in Römer 1,18: „Denn es wird offenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen.“
Heißt das, Gott ist ein Gott des Zorns? Gott ist Liebe und sonst nichts, aber Liebe beinhaltet Zorn. Wäre Gott nicht zornig über Sünde, dann wäre er kein liebender Gott, sondern ein gleichgültiger Gott.
Heißt das nun, dass wir Angst vor dem Zorn Gottes haben müssen? Ich möchte euch das mit einem Beispiel erklären.
Ich habe drei Kinder, die sind jetzt schon groß. Als meine Tochter Lisa etwa acht Jahre alt war, hatte sie eine Anwandlung: Sie lief von unserem Garten, wir wohnen am Land, viel Wald drumherum, auf die Straße und wieder zurück. Dort ist eine Sackgasse, aber Autos fahren vorbei, teilweise ziemlich schnell.
Ich sah das und bekam fast einen Herzinfarkt. Ich sagte zu ihr: „Lisa, du darfst da nie mehr rauslaufen, ohne zu schauen, ob ein Auto kommt. Du bist tot.“ Drei Stunden später sah ich zufällig, dass sie es wieder tat.
Ich war zornig, nahm sie und sagte: „Wenn du das noch einmal tust, dann gibt es aber etwas. Du bist tot, wenn du das noch ein paarmal machst. Da sind gerade Autos vorbeigefahren, die dich nicht sehen.“
War ich lieblos in meinem Zorn? Nein, es war meine Liebe zu Lisa, die mich zornig machte.
Angenommen, sie hätte nach meiner Ermahnung jeden Tag weitergemacht, dann wäre mein Zorn über ihr geblieben. Ich wäre immer wieder zornig geworden.
Angenommen, das Schlimmste passiert: Ein Auto fährt sie an und sie stirbt. Wodurch ist sie dann gestorben? Wegen meines Zorns oder wegen ihres Ungehorsams? Natürlich wegen ihres Ungehorsams.
Nicht mein Zorn ist schuld an ihrem Tod. Mein Zorn war motiviert aus Liebe. Ihr Ungehorsam war der Grund für ihren Tod.
Wenn wir lesen, dass der Zorn Gottes über uns bleibt, ist es deshalb, weil Gott in seiner Liebe nicht will, dass ein einziger verloren geht. Darum ist er zornig, wenn wir ständig „rauslaufen“. Aber nicht der Zorn Gottes tötet uns, sondern unser Ungehorsam.
Das ist ganz klar verankert.
Dann noch ein paar Worte zum Gericht Gottes: Gott ist der Richter der ganzen Welt. Das ist glasklar in der Bibel verankert. Es gibt Gerichte, es gibt einen Jüngsten Tag.
Stellt euch jetzt den barmherzigsten und gerechtesten menschlichen Richter vor, den es gibt. Es ist eine Gerichtsverhandlung. Dieser Richter sitzt vor euch.
Da ist ein Mann angeklagt, er sei ein Kinderschänder. Dafür bekommt er fünfzehn Jahre Haft.
Die Frage ist: Wessen Schuld ist es, dass dieser Verbrecher seine gerechte Strafe bekommt? Ist es die Gerechtigkeit des Richters? Nein, es ist sein eigenes Vergehen, das ihn ins Gefängnis bringt.
Nicht der Richter ist das Problem, sondern das Vergehen.
Wir werden von Gott gerichtet. Jede Ungerechtigkeit wird aufgedeckt. Aber nicht Gottes Gerechtigkeit ist schuld daran, dass ich verurteilt werde, sondern meine Ungerechtigkeit.
Nicht Gottes Zorn ist schuld daran, dass ich verurteilt werde, sondern er ist Ausdruck seiner Abneigung gegen Sünde.
Ein Satz, der mir sehr gefällt und den ein Freund von mir einmal zitiert hat: „Gott ist zornig, aber er ist niemals wütend. Gott ist zornig über Sünde, aber er schlägt nie wütend um sich, weil er seine Beherrschung verliert. Denn Gott ist Liebe.“
Übrigens sagt die Bibel kein einziges Mal „Gott ist Zorn“. Das liest du nie in der Bibel. Du liest auch nicht „Gott ist Gericht“. Nein, Gott ist Liebe.
Aber als liebender Gott ist er zornig, und als liebender Gott wird er richten.
Wenn wir über den Charakter Gottes nachdenken und darüber, ob wir Gott fürchten oder nicht, müssen wir eines wissen: Wir müssen immer mit Jesus Christus beginnen, wenn wir über Gott nachdenken.
Wisst ihr, was wir nie tun dürfen? Ich habe das leider selbst teilweise getan und erlebe es oft: Wir nehmen fünf Verse aus dem Alten Testament oder auch aus dem Neuen Testament und gehen über Jesus hinweg und sagen: „So ist Gott.“ Das ist falsche Hermeneutik.
Ich drücke es so aus: Wenn du wissen willst, wie Gott ist, dann musst du die ganze Bibel immer durch die Brille von Jesus lesen. Sonst hast du einen falschen Gott. Dann hast du ein Bild von Gott, aber nicht den Gott, der sich in Christus offenbart hat.
Wenn wir auf Jesus schauen, lernen wir, warum Jesus sagt: „Liebet eure Feinde.“ Wisst ihr warum? Weil er seine Feinde liebt.
Gott würde nie etwas von dir verlangen, was er selbst nicht tut.
Jesus sagt in Lukas 6,35, dass Gott gütig ist gegen die Undankbaren und die Bösen. Hast du das gewusst? Ich wusste immer, dass Gott gütig ist gegen die Dankbaren und die Netten. Gott ist gütig gegen die Undankbaren und die Bösen.
Wir müssen den Charakter Gottes immer durch die Brille von Jesus betrachten. Sonst haben wir ein falsches Gottesbild.
Nun die Frage: Was bewirkt die Gottesfurcht in mir? Es ist eigentlich eine logische Folge.
Angesichts einer solchen Liebe, dass Gott das, was mich verurteilt, auf sich genommen hat, stellvertretend für mich, dass er für meine Sünden gestorben ist, angesichts dieser Liebe und Hingabe bekomme ich Ehrfurcht vor einem solchen Gott.
Es gibt ein Lied, das heißt „Was für ein Gott! Das ist meine Antwort.“ Es entsteht Ehrfurcht in mir, Ehrfurcht vor dem Schöpfer, Ehrfurcht vor dem Retter.
Über so einen Gott, der das für uns getan hat, kann ich nicht respektlos reden. So einen Gott kann ich nur anbeten, so einen Gott kann ich nur lieben und fürchten.
Ich fürchte mich um jene Menschen, die diesen Gott willentlich und wissentlich ablehnen. Aber das ist nicht Angst vor Gott, sondern Trauer darüber, dass ihre Herzen so hart sind.
Dann noch ein Punkt: Ich nenne es die tröstliche Seite der Gottesfurcht.
Wie viel Zeit habe ich noch? Fünf Minuten? Fünf bis zehn, okay. Länger mache ich auf keinen Fall, das hält ja kein Mensch aus.
Ich habe zwei Vorteile: Ich muss stehen und reden, da kann man nicht schlafen. Ihr müsst sitzen und zuhören, das ist extrem schwierig, aber ihr seid ja freiwillig gekommen, ist euer Problem.
Eine tröstliche Seite noch: Gott fürchten heißt Gott lieben.
Meine Frau Hannelore liebt die Narnia-Geschichten von C.S. Lewis. Kennt ihr die Narnia-Geschichten? Es sind sechs oder sieben Bände.
Darin wird beschrieben, wie das Mädchen Jill eine Beziehung aufbaut zu einem Löwen namens Aslan. Der Löwe ist ein Abbild von Jesus.
Es ist eine zärtliche, liebevolle Beziehung, aber dennoch lernt Jill, den Löwen zu fürchten, obwohl sie ihn wahnsinnig liebt.
Als sie ihm das erste Mal begegnet, sitzt der riesige Löwe an einem Fluss. Sie hat großen Durst.
Ich lese euch das vor, weil es mir so gefällt:
„‚Hast du Durst?‘ fragt der Löwe. ‚Ich bin schon fast verdurstet‘, antwortet Jill. ‚Dann trink‘, sagt der Löwe.
‚Darf ich? Kann ich denn wirklich? Und würde es dir etwas ausmachen, wenn du weggehst, während ich trinke?‘ fragte Jill ängstlich.
Der Löwe antwortete auf diese Frage mit einem kurzen Blick und einem tiefen Knurren.
Als Jill seine regungslose, riesige Gestalt betrachtete, begriff sie, dass sie genauso gut den Berg hätte bitten können, zur Seite zu treten und ihr Platz zu machen.
Gleichzeitig bringt das Rauschen des klaren Wassers das durstige Mädchen fast um den Verstand.
‚Würdest du mir versprechen, dass du mir nichts tust?‘ fragt Jill.
‚Ich verspreche nie etwas‘, sagt der Löwe.
Jills Durst ist so groß, dass sie ohne es zu bemerken einen Schritt nähergekommen ist.
‚Frisst du kleine Mädchen?‘ fragt sie.
‚Ich verschlinge Mädchen, Jungen, Männer, Könige, Kaiser, Städte und Reiche‘, sagt der Löwe.
Und es klingt nicht nach Prahlerei oder als ob es ihm leidtut oder als ob er verärgert wäre, er sagt es einfach.
‚Ich traue mich nicht, zu dir zu kommen und zu trinken‘, sagt Jill.
‚Dann verdurstest du‘, entgegnet der Löwe.
‚Meine Güte‘, seufzt Jill und kommt noch einen Schritt näher.
‚Dann muss ich wahrscheinlich gehen und einen anderen Fluss suchen‘.
‚Es gibt keinen anderen Fluss‘, sagt der Löwe.“
In der Geschichte drängt das Mädchen sich schließlich zum Löwen und steht zwischen seinen mächtigen Pranken. Es entsteht eine ganz tiefe Liebesbeziehung.
Die Geschichte gefällt mir, denn so sollten wir uns Jesus nähern: Mit Ehrfurcht vor seiner Größe und tief inniger Liebe wegen seiner Barmherzigkeit.
Etwas, das mir sehr geholfen hat, biblisch zu verstehen, wenn man über Furcht redet: Wahre Gottesfurcht treibt dich niemals von Gott weg, sondern immer zu Gott hin.
Psalm 31,20 möchte ich euch vorlesen. Dort steht: „Wie groß ist deine Güte, die du bereithältst für die, die dich fürchten, die du denen erweist, die sich bei dir bergen.“
Das heißt, Gott fürchten und sich bei ihm bergen ist dasselbe. Wenn du dich vor Gott fürchtest, wirst du zu Gott hingehen, nicht von ihm weg.
Das liest man in den Psalmen immer wieder auf ähnliche Weise.
Übrigens ist es im Deutschen schön, dass wir zwei Worte haben: Angst und Furcht.
Angst hat man vor etwas Furchtbarem und man läuft davon. Furcht hat man vor jemand Wunderbarem und man läuft zu ihm hin. Das ist der Unterschied.
Eines meiner Lieblingslieder ist „Amazing Grace“ von John Newton, der 1748 in Seenot geriet und zum Glauben an Jesus Christus kam. Er hat früher mit Sklaven gehandelt.
Dort heißt es: „Amazing Grace, how sweet the sound that saved a wretch like me, I once was lost but now I'm found, was blind but now I see.“
Die dritte Strophe gefällt mir besonders: „It was grace that taught my heart to fear, and grace my fears relieved.“
Es war die Gnade, die meinem Herzen Furcht einflößte, und es war die Gnade, die all meine Ängste weggenommen hat. Beides stimmt.
Gnade lehrt uns beides: Gott zu fürchten und Gott zu lieben.
Darum beschreibt Johannes es so gewaltig im 1. Johannes 4,17: „Hierin ist die Liebe bei uns vollendet worden, dass wir Freimütigkeit haben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, sind auch wir in dieser Welt.“
Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht hat mit Strafe zu tun. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.
Das heißt, die Furcht Gottes ist nichts Furchtbares, sondern etwas, das uns zu Gott hinführt und Ehrfurcht in uns bewirkt.
Nun muss ich schauen, weil ich noch viel Arbeit habe.
Zum Schluss möchte ich noch sagen: Wie kann man Gottesfurcht lernen?
Erstens: Die Furcht Gottes kommt von Gott. In Jeremia 32,39 lesen wir: „Und ich werde ihnen einen einheitlichen Sinn geben, damit sie mich alle fürchten.“
Es ist eine Offenbarung, ein Geschenk, wenn wir lernen, Gott recht zu fürchten.
Der natürliche Mensch hat keine Furcht vor Gott. Es ist uns nicht angeboren, sondern etwas, das wir lernen dürfen.
Zweitens: Um Gott fürchten zu lernen, ist es für mich ganz entscheidend, in die Schöpfung zu gehen, in die Berge, und die Schöpfung Gottes mit offenen Augen zu betrachten.
Wenn ich mir bewusst werde, wie viele Sterne es gibt, wie Abraham es schon tat, und die Galaxien, deren immense Ausdehnung wir heute kennen, wenn ich mir einen Sonnenuntergang anschaue, die Augen eines kleinen Kindes oder einen verschneiten Wintertag, dann bewirkt das etwas in mir.
Ich bekomme Ehrfurcht vor diesem Schöpfer.
Die Schöpfung Gottes lehrt uns, Gott in rechter Weise zu fürchten.
Etwas, das für mich eigentlich das Wesentlichste ist: Komm zum Kreuz, schau auf das Kreuz und denke daran, dass Christus dort all das für dich getragen hat, was dich von Gott getrennt hat, dass er es auf sich genommen hat.
Wir haben verschiedene Beziehungen. Es gibt oberflächliche Beziehungen, zum Beispiel mit deinem Nachbarn, dem du jeden Tag „Guten Morgen“ sagst. Diese Beziehungen sind okay, sie müssen nicht tiefer sein.
Dann gibt es Leute, mit denen du dich öfter triffst, Arbeitskollegen, Verwandte, Freunde. Dort ist die Beziehung schon etwas tiefer, man redet mal über Urlaub oder das Wetter.
Eine ziemlich tiefe Liebe ist, wenn du zu einem Menschen „Ja“ sagst und dein ganzes Leben mit ihm teilst. Das ist ein großer Schritt.
Aber weißt du, was die größte Liebe ist? Wenn jemand sein Leben für dich gibt. Das ist die äußerste Liebe.
Jesus hat gesagt: „Niemand hat größere Liebe als der, der sein Leben gibt für seine Freunde.“
Wenn ich das sehe, bekomme ich Ehrfurcht vor dieser Liebe, nicht Angst vor einem brutalen Gott.
Zum Schluss noch etwas, das auch hilft, um Gott in rechter Weise zu fürchten: Gott anzubeten, in der Anbetung, sei es beim Singen, bei einem Spaziergang oder wenn du alleine Gottes Wort liest und ihn anbetest.
Ich möchte mit Psalm 34,12 schließen: „Kommt, ihr Söhne und Töchter, hört mir zu, die Furcht des Herrn will ich euch lehren.“
Und ich möchte noch beten und diesen Gott anbeten:
Lieber Vater, es ist ein so gewaltiges Geschenk, dass du zu uns gekommen bist in deinem Sohn und dich selbst uns offenbart hast in deiner Liebe.
Danke, Herr, dass du die Welt, den Kosmos, so geliebt hast, dass du deinen Sohn gabst, damit wir alle, die wir daran glauben, gerettet werden können.
Herr, ich danke dir auch, dass du ein gerechter und barmherziger Richter bist, der nicht einfach darüber hinwegsehen wird, sondern alles zurechtrücken wird.
Es wird alles Recht werden vor dir und vor den Menschen. Dafür danke ich dir.
Ich danke dir, dass wir dich als diesen Gott lieben und fürchten lernen, in Ehrfurcht vor dir stehen und dich anbeten können.
Danke, dass wir dich kennen dürfen, den allein wahren Gott, der nicht gekommen ist, um Angst zu machen, sondern um uns zu erlösen.
Dafür danke ich dir.
So segne uns, Herr, ich bete, Vater, dass wir die falschen Gottesbilder, die wir angehäuft haben, ablegen können und in Christus den wahren Gott entdecken.
Es gibt nichts in Gott, das nicht wie Christus wäre.
Danke, Herr, dass wir Gott kennenlernen dürfen, weil du dich offenbart hast.
So segne uns, Vater, mach uns zum Segen für viele andere Menschen.
Segne die Leute hier im Pflegeheim, segne die Mitarbeiter, schenke ihnen Freude, Kraft und Liebe für ihren Dienst.
Danke, Vater, für jeden Einzelnen und danke, dass du mit uns gehst im Leben und im Sterben.
Amen.
Gibt es absolute moralische Gesetze?
Die Frage lautet nun: Gibt es absolute moralische Gesetze in unserem Universum, die festgelegt sind und immer gelten? Nicht Gesetze, die Menschen erfunden haben, um andere zu unterdrücken, sondern solche, die eigentlich jeder kennt.
Die Bibel spricht dazu im Römerbrief Kapitel 2, Vers 14. Dort schreibt der Apostel Paulus: „Denn wenn die Heiden, die kein Gesetz haben, von Natur aus dem Gesetz entsprechend handeln, so sind diese, die kein Gesetz haben, sich selbst ein Gesetz. Sie beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihrem Herzen geschrieben ist, indem ihr Gewissen Zeugnis gibt und ihre Gedanken sich entweder anklagen oder auch entschuldigen.“
Das bedeutet, der Mensch besitzt ein Gewissen, mit dem er moralisch unterscheiden kann, was Recht und Unrecht ist.
In unserer heutigen westlichen, aufgeklärten Welt wird jedoch oft versucht, moralische Gesetze wegzuerklären oder zu ignorieren. Wir sprechen nicht mehr von moralischen Gesetzen, sondern von moralischen Werten. Wir reden nicht mehr von Wahrheit, sondern von Ansichten.
Ich glaube, wenn wir diese absoluten moralischen Werte missachten, werden wir uns früher oder später selbst Schaden zufügen. Das Gesetz der Schwerkraft zu leugnen, nur weil es einem nicht passt, befreit einen nicht von den Folgen der Schwerkraft. Ebenso macht uns die Furcht vor Gott und seinen Gesetzen nicht frei von den Schäden, die entstehen, wenn wir sie ignorieren.
Werteverschiebung in der Gesellschaft
Was geschieht, wenn Menschen keine Gottesfurcht mehr haben? Das kann man jeden Tag bei uns beobachten: Jede moralische Werte zerbröckeln. Wir erleben eine extreme Werteverschiebung.
Zum Beispiel ist es heute leichter, ein ungeborenes Kind zu töten, als einen Baum zu fällen. Wenn jemand ein Kind abtreiben will, muss er niemanden mehr fragen. Vor ein paar Jahren musste ich bei uns einen Baum umschneiden lassen. Da kamen sechs Leute aus der Gemeinde, vom Naturschutzamt und sogar der Bürgermeister, um zu genehmigen, ob der Baum umgeschnitten werden darf. Das braucht man nicht, wenn man Leben tötet. Da geht das von alleine. Das ist eine klare Werteverschiebung.
Dass Politiker heute ihre Position missbrauchen, wird nicht nur befürchtet, sondern erwartet. Das ist schon normal geworden. Auch das zeigt eine Werteverschiebung.
Oder das Gebot „Du sollst nicht stehlen“: Den Nachbarn sollst du nicht beklauen, weil du dann Probleme bekommst. Aber Steuern bezahlen – wenn du das wirklich tust, bist du ja dumm. Wichtig ist nur, dass du dich nicht erwischen lässt. Ob du es tust oder nicht, ist nicht ausschlaggebend.
Vor ein paar Jahren hatte ich ein anderes Auto. In der Werkstatt fragte man mich, wie ich zufrieden sei, und meinte, eigentlich sei alles gut, aber ein bisschen mehr PS könnte er haben. Der Mechaniker sagte: „Kein Problem, wir können den Computer neu bespielen, das kostet bar hundert Euro, dann hast du vierzig PS mehr.“ Ich antwortete: „Ja, aber das ist nicht ganz legal.“ Er meinte: „Das weiß keiner, das ist völlig egal.“ Ich sagte: „Ich kann es nicht tun, weil Gott es ja weiß.“ Zwar weiß es keiner, aber Gott weiß es.
Heute ist es nicht wichtig, ob du ehrlich bist oder nicht. Wichtig ist nur, dass du dich nicht erwischen lässt. Das ist eine Werteverschiebung.
Oder das Gebot, die älteren Menschen zu ehren: Das wird heute gar nicht mehr gelehrt. Schuld daran sind nicht die Kinder, sondern die Eltern, weil sie keinen Respekt vermitteln. Sie lachen über Autorität. In der Bibel liest man: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten ...“ und so weiter.
Bei uns gibt es eine Werbung mit dem Spruch „Geiz ist geil“ – das nennt man Werteverschiebung.
Wenn du als junger Mensch sagst, dass du deine Jungfräulichkeit bis zur Hochzeitsnacht bewahren möchtest, um dich deinem einen Partner zu schenken, den du liebst und mit dem du dein Leben teilst, wirst du heute ausgelacht.
Diese Werteverschiebung beziehungsweise Wertlosigkeit wird heute oft als Freiheit angepriesen: „Du kannst tun, was du willst, du bist frei.“ Allerdings, und das gilt bei fast jedem Punkt, den ich erwähnt habe, ist das, wenn man genauer hinsieht, eine Pseudofreiheit.
Psychologische Folgen der Werteverschiebung
Ein Mann namens Professor Doktor Ulrich Giesekus, der bei uns in Schladming schon öfter gepredigt hat, ist Psychologe und Seelsorger. Er kommt aus Deutschland und ist ein sehr erfahrener Seelsorger. Ich schätze auch seine Bücher sehr und kann sie nur empfehlen.
Beim letzten Vortrag sagte er, dass er als Seelsorger ein neues Klientel hat. Es sind gesunde, junge Männer zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Jahren, die verzweifelt zu ihm kommen. Wisst ihr, warum? Sie haben ein großes Problem: Sie haben keine Lust mehr auf Sex. Es handelt sich um junge, gesunde Männer im Alter von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren.
Warum ist das so? Weil sie sich schon mit vierzehn oder fünfzehn Jahren die härtesten Pornos aus dem Internet angesehen haben. Sie haben alles gesehen, es gibt nichts mehr, was sie noch reizt. Für sie ist das langweilig geworden. Das wird als Freiheit verkauft, aber wisst ihr, was das Ergebnis ist? Sklaverei.
Wenn wir Gott kennen und Ehrfurcht vor ihm und seinem Wort haben, dann wissen wir, dass Sex etwas Schönes, Heiliges und Einzigartiges ist. Es ist etwas, das für zwei Menschen gemacht ist.
Ich muss auch sagen, dass es heute gerade für junge Leute in unserer Gesellschaft nicht einfach ist, Christ zu sein. Wir stehen extrem zwischen zwei Wertesystemen. Einerseits wissen wir um die Gültigkeit und den Segen dessen, was Gott sagt. Andererseits werden wir täglich mit dem Wertesystem einer mehr oder weniger gottlosen Welt konfrontiert.
Der Grund, warum moralische Werte auch unter Christen heute abbröckeln, liegt ganz klar auf der Hand. Wisst ihr, woran das liegt? Wir haben keine Furcht vor Gott.
Der natürliche Mensch, also ein Atheist, hat natürlich keine Furcht vor Gott. Warum sollte er auch? Für ihn existiert Gott gar nicht. Der natürliche Mensch hat keine Furcht vor Gott. Darum gibt es einen schönen Vers, Psalm 34, Vers 12, in dem der Psalmist sagt: "Kommt, ihr Söhne, hört mir zu! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren." Das heißt, die Furcht des Herrn muss gelehrt werden, weil wir sie nicht automatisch haben. Sie ist kein Besitz des natürlichen Menschen.
Die ernsthafte Seite der Gottesfurcht
Und nun komme ich zum zweiten Überthema: die ernsthafte Seite der Gottesfurcht. Danach werde ich über die tröstliche Seite der Gottesfurcht sprechen.
Was ist die ernsthafte Seite der Gottesfurcht? Dazu habe ich wieder zwei Punkte, glaube ich. Damit du nicht durcheinanderkommst, sind es ungefähr, ja, ein paar Punkte.
1. Gott ist nicht nur Retter, sondern auch Richter
Die ernsthafte Seite der Gottesfurcht
Erstens: Gott ist nicht nur Retter, sondern auch Richter. Im Glaubensbekenntnis sagen wir jeden Sonntag, dass Jesus zur Rechten Gottes sitzt. Von dort wird er kommen, um die Lebenden und die Toten zu richten. Das ist aus gutem Grund sogar im Glaubensbekenntnis verankert.
Sowohl das Alte als auch das Neue Testament unterscheiden klar zwischen Geretteten und Verlorenen, zwischen Menschen, die in Gemeinschaft mit Gott leben und sterben, und solchen, die außerhalb dieser Gemeinschaft leben und sterben. Es gibt eindeutig einen doppelten Gerichtsausgang. Wer das verleugnet, muss die Bibel ziemlich verbiegen.
Paulus sagt in Galater 6,7: „Was der Mensch sät, das wird er auch ernten.“ Im Hebräerbrief 9,27 heißt es: „Es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht.“ Das bedeutet, die Bibel lehrt keine Reinkarnation. Jeder Mensch stirbt nur einmal und wird sich danach verantworten müssen für das, was er getan hat und für das, was ihm anvertraut wurde.
Gott wird hundertprozentig gerecht richten. Das Buch der Offenbarung – ich weiß nicht, ob ihr es kennt – ist eines meiner Lieblingsbücher. Ich unterrichte es immer in unserer Bibelschule. Dort geht es teilweise ziemlich wild zu. Es ist faszinierend in vielerlei Hinsicht. Aber wisst ihr, was Johannes immer wieder betont? Dass das Gericht Gottes gerecht ist.
Wenn wir Gott am Gerichtstag erleben, wird keiner von uns sagen: „Das ist aber nicht ganz fair.“ Nein, er ist hundertprozentig gerecht. Und nicht nur das: Er ist viel mehr als barmherzig.
In einer Zeitschrift habe ich einmal gelesen, dass Menschen in früheren Generationen Angst vor der Hölle und vor dem Gericht hatten. Heute haben Pfarrer und Prediger Angst, über Hölle und Gericht zu reden. Das stimmt hundertprozentig, zumindest in unserer Gesellschaft.
Ein anderer Theologe hat einmal treffend gesagt: „Wer nicht an Satan und sein dämonisches Wirken glaubt, kann das Treiben dieser Welt nie verstehen.“ Vor kurzem sagte mir ein Bibelschüler aus Ghana, Afrika: „Wir in Afrika sprechen ganz klar und offen über Gottes Gericht und auch über Verdammnis. Das wird hier in Europa nicht mehr gepredigt.“ Dann fügte er hinzu: „Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ihr keine Furcht mehr vor Gott habt.“ Es kann sein, dass er Recht hat.
2. Umgang mit der Furcht vor Gericht und Hölle
Andererseits müssen wir uns bewusst machen, dass es gute Gründe gibt, warum heute in einer aufgeklärten Gesellschaft nicht mehr so häufig über Gericht, Hölle und Verdammnis gepredigt wird wie früher. Das hat nicht nur negative, sondern auch positive Seiten.
Wisst ihr, warum das so ist? Früher hat man mit Predigten über Feuer, Hölle und Gericht Menschen Angst eingejagt und sie kontrolliert. Das nennt man Religion. Denken wir an die Hexenverbrennungen – das war der Wahnsinn schlechthin – und viele andere Ereignisse, bei denen Menschen durch Angst getrieben, kontrolliert und unterjocht wurden. Mit Predigten, die eine falsche Furcht vor Gott schürten, wurden Menschen manipuliert und eingeschüchtert. Leider gibt es das auch heute noch.
In unserer Bibelschule, in der wir Kurz-Bibelschulen von zwei bis drei Monaten anbieten, treffen viele verschiedene Konfessionen aufeinander. Sicherlich sind bei jeder Schulung mindestens zehn verschiedene Konfessionen vertreten. Immer wieder komme ich mit Teilnehmern ins Gespräch, die berichten, dass in ihrer Gemeinde gesagt wird, wenn man keinen Rock trägt oder keine Kopfbedeckung aufsetzt, dann kommt man in die Hölle. Solche Dinge werden heute noch gepredigt. Das ist ein Wahnsinn, von dem man Abstand nehmen muss.
Weil durch Angstreligion so viel Unheil angerichtet wurde und wird, haben sich manche Theologen ganz davon distanziert. Das kann ich gut nachvollziehen, auch wenn ich es nicht vollständig bejahen kann. Denn diese Angstpredigten führen zu religiösen Neurosen. Die betroffenen Christen werden dadurch nicht gesünder, sondern krank. Religion kann krank machen, und davon gibt es nicht wenige Fälle.
Dieses Argument der modernen Atheisten, dass Religion krank macht, ist deshalb berechtigt. Dort, wo Religion auf diese Weise gepredigt wird, stehe ich voll hinter diesen Atheisten. Dennoch müssen wir als Christen wieder lernen, auf die richtige Weise über die Furcht Gottes zu sprechen.
Das Problem ist: Wenn wir gar nicht darüber reden, wissen die Menschen nicht, was sie damit anfangen sollen. Dann wird geschwiegen, und dort, wo es in der Bibel steht, lesen wir einfach darüber hinweg oder vergessen es. Manchmal bekommen die Menschen auch Angst.
Darum müssen wir uns vor Gott, dem Richter, fürchten. Ein Gott, der gegenüber Sünde, Ungerechtigkeit und Gemeinheit gleichgültig wäre, wäre kein Gott – zumindest kein gerechter Gott. Ein Gott, der einfach zuschaut, wenn Frauen vergewaltigt oder Kinder umgebracht werden, ohne dass das Konsequenzen hat, wäre keine göttliche, sondern eine lächerliche Figur.
Gott wird richten. Ich bin nicht Gott, aber Gott wird richten, und er wird es tun. In Psalm 7,12 lesen wir: „Gott ist ein gerechter Richter und ein strafender Gott jeden Tag.“ In Offenbarung 14,7 heißt es: „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen.“
Der Zorn Gottes im biblischen Kontext
Ein paar Worte über den Zorn Gottes. In der Bibel ist deutlich zu erkennen, dass Gott zornig ist über Sünde. Jesus hat zum Beispiel in Johannes 3,36 gesagt: Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht gehorcht, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.
Paulus schreibt in Römer 1,18: Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen.
Was bedeutet das? Ist Gott ein Gott des Zorns? Nun, Gott ist Liebe und sonst gar nichts, aber Liebe beinhaltet Zorn. Wäre Gott nicht zornig über die Sünde, dann wäre er kein liebender Gott, sondern ein gleichgültiger Gott.
Heißt das nun, dass wir Angst haben müssen vor dem Zorn Gottes? Ich möchte das mit einem Beispiel erklären.
Ich habe drei Kinder, die schon groß sind. Luke ist 21, 20 und 16 Jahre alt. Aber die Lisa, die ist jetzt 19 oder 20, so ungefähr. Als sie noch klein war, vielleicht acht Jahre alt – da kann ich mich nicht mehr genau erinnern – hatte sie eine Anwandlung. Sie lief von unserem Garten, wir wohnen auf dem Land, bei uns ist viel Wald, und wir haben eine Hecke vor dem Haus. Dort ist eine Sackgasse, aber es fahren Autos vorbei, teilweise ziemlich schnell. An der Hecke gibt es einen Auslass, wo ein Auto hineinfahren kann.
Lisa ist einfach rausgelaufen auf die Straße und wieder zurück. Das hat ihr Spaß gemacht. Ich habe das gesehen und fast einen Herzinfarkt bekommen, weil die Autos teilweise ziemlich schnell vorbeifahren. Ich habe ihr genau gesagt: Lisa, du darfst da nie mehr rauslaufen, ohne zu schauen, ob ein Auto kommt. Du bist sonst tot.
Ich habe ihr gesagt, dass sie das nie mehr tun soll. Drei Stunden später schaute ich zufällig wieder hin, und sie machte dasselbe. Ich bin hingegangen, war zornig und habe sie genommen. Ich sagte: Lisa, wenn du das noch einmal tust, dann gibt es Konsequenzen. Du bist tot, wenn du das nur ein paarmal machst. Gerade sind Autos vorbeigefahren, die dich nicht sehen können.
Jetzt ist die Frage: War ich lieblos in meinem Zorn? Die Antwort ist nein. In diesem Fall war es meine Liebe zu Lisa, die mich zornig werden ließ.
Nehmen wir als Beispiel an, sie hat dann aufgehört – Gott sei Dank, zumindest habe ich es nicht mehr gesehen. Angenommen, Lisa wäre nach meiner Ermahnung jeden Tag weiterhin rausgelaufen. Dann wäre mein Zorn über ihr Verhalten geblieben. Ich wäre immer wieder zornig geworden.
Nehmen wir an, das Schlimmste passiert: Ein Auto kommt, fährt sie an, und sie stirbt. Wodurch ist sie dann gestorben? Wegen meines Zorns oder wegen ihres Ungehorsams? Natürlich wegen ihres Ungehorsams. Nicht mein Zorn ist schuld an ihrem Tod. Mein Zorn war motiviert aus Liebe. Ihr Ungehorsam war der Grund für ihren Tod.
Seht ihr, wenn wir lesen, dass der Zorn Gottes über uns bleibt, dann ist das deshalb so, weil Gott in seiner Liebe nicht will, dass ein einziger verloren geht. Darum ist er zornig, wenn wir ständig „rauslaufen“.
Aber nicht der Zorn Gottes tötet uns, sondern unser Ungehorsam tötet uns. Das ist ganz klar verankert.
Das Gericht Gottes und seine Gerechtigkeit
Dann noch ein paar Worte über das Gericht Gottes. Wir lesen in der Bibel, dass Gott der Richter der ganzen Welt ist. Das ist glasklar in der Bibel verankert. Es gibt Gerichte, es gibt einen jüngsten Tag.
Jetzt möchte ich, dass ihr euch den barmherzigsten und gerechtesten menschlichen Richter vorstellt, den es gibt. Es ist eine Gerichtsverhandlung, und dieser barmherzige und gerechte Richter sitzt vorne in der Verhandlung. Da ist ein Mann, der angeklagt wird, weil er ein Kindesschinder ist und Kinder geschändet hat. Dafür bekommt er von diesem Richter fünfzehn Jahre Haft ausgesprochen.
Jetzt ist die Frage: Wessen Schuld ist es, dass dieser Verbrecher seine gerechte Strafe bekommt? Ist es die Gerechtigkeit des Richters, die ihn ins Gefängnis bringt? Die Antwort ist nein. Es ist sein eigenes Vergehen, das ihn ins Gefängnis bringt. Nicht der Richter ist das Problem, sondern sein Vergehen, die Sünde ist das Problem, nicht der Richter.
Ja, der Richter wird das Urteil sprechen, natürlich. Aber nicht der Richter ist das Problem, sondern die Übertretung. Und wir werden von Gott gerichtet. Jede Ungerechtigkeit wird aufgedeckt. Aber nicht Gottes Gerechtigkeit ist daran schuld, dass ich verurteilt werde, sondern meine Ungerechtigkeit ist schuld daran. Nicht Gottes Zorn ist schuld daran, dass ich verurteilt werde, sondern er ist nur Ausdruck seiner Abneigung gegen die Sünde.
Deshalb gibt es einen Satz, der mir sehr gut gefällt. Ein Freund von mir hat ihn mal zitiert: „Gott ist zornig, aber er ist niemals wütend. Gott ist zornig über Sünde, aber er schlägt nie wütend um sich, weil er seine Beherrschung verliert. Denn Gott ist Liebe.“
Übrigens sagt die Bibel kein einziges Mal „Gott ist Zorn“. Das liest du nie in der Bibel. Du liest auch nicht „Gott ist Gericht“. Nein, Gott ist Liebe. Aber als liebender Gott ist er zornig, und als liebender Gott wird er richten.
Wenn wir über den Charakter Gottes nachdenken, darüber, ob wir Gott fürchten oder nicht, muss uns eins bewusst sein: Wir müssen immer mit Jesus Christus beginnen, wenn wir über Gott nachdenken.
Wisst ihr, was wir nie tun dürfen? Ich habe das leider selbst zum Teil getan und erlebe es heute oft wieder: Wir nehmen fünf Verse aus dem Alten Testament oder auch einige aus dem Neuen Testament, gehen über Jesus hinweg und sagen dann: So ist Gott. Das ist falsche Hermeneutik.
Ich drücke es so aus: Wenn du wissen willst, wie Gott ist, dann musst du die ganze Bibel immer durch die Linse, die Brille von Jesus lesen. Sonst hast du einen falschen Gott. Dann hast du ein Bild von Gott, aber nicht den Gott, der sich offenbart hat in Christus.
Wenn wir auf Jesus schauen, lernen wir, warum Jesus sagt: „Liebt eure Feinde.“ Wisst ihr warum? Weil er seine Feinde liebt. Gott würde nie etwas von dir verlangen, was er selbst nicht tut.
Jesus sagt in Lukas 6,35, dass Gott gütig ist gegen die Undankbaren und die Bösen. Hast du das gewusst? Ich wusste immer, dass Gott gütig ist gegen die Dankbaren und die Netten. Aber Gott ist gütig gegen die Undankbaren und die Bösen.
Das heißt, wir müssen auf den Charakter Gottes immer mit der Brille von Jesus schauen, sonst haben wir ein falsches Gottesbild.
Wirkung der Gottesfurcht im Leben
Nun stellt sich die Frage, was die Gottesfurcht in mir bewirkt. Es ist eigentlich eine logische Folgerung: Angesichts einer solchen Liebe, dass Gott das, was mich verurteilt, stellvertretend für mich auf sich genommen hat – er ist für meine Sünden gestorben –, entsteht Ehrfurcht vor einem solchen Gott.
Da gibt es ein Lied, das heißt „Was für ein Gott! Das ist meine Antwort.“ In mir wächst Ehrfurcht, Ehrfurcht vor dem Schöpfer und Ehrfurcht vor dem Retter. Über einen Gott, der so viel für uns getan hat, kann ich nicht respektlos reden. So einen Gott kann ich nur anbeten, so einen Gott kann ich nur lieben und fürchten.
Und fürchten tue ich mich um jene Menschen, die diesen Gott willentlich und wissentlich ablehnen. Doch diese Furcht ist keine Angst vor Gott, sondern Trauer darüber, dass ihre Herzen so hart sind.
Die tröstliche Seite der Gottesfurcht
Dann noch ein Punkt, den ich die tröstliche Seite der Gottesfurcht nenne.
Warte, wie lange habe ich noch? Fünf Minuten? Fünf bis zehn, okay. Länger mache ich auf keinen Fall, denn das hält ja kein Mensch aus. Ich habe ja zwei Vorteile: Ich muss stehen und reden, da kann man nicht schlafen. Ihr müsst sitzen und zuhören, das ist extrem schwierig. Aber ihr seid ja selbst gekommen, das ist euer Problem.
Eine tröstliche Seite noch: Gott fürchten heißt Gott lieben.
Meine Frau, die Hannelore, liebt die Narnier-Geschichten von C.S. Lewis. Kennt ihr die Narnier-Geschichten? Es sind sechs oder sieben Bände. In einem davon, das „Der silberne Sessel“ heißt, wird beschrieben, wie das Mädchen Jill eine Beziehung zu einem Löwen aufbaut. Der Löwe ist ein Abbild von Jesus und heißt Aslan.
Die Beziehung zwischen Jill und Aslan ist ganz zärtlich und liebevoll. Dennoch lernt Jill, diesen Löwen zu fürchten, obwohl sie ihn wahnsinnig liebt. Als sie ihm das erste Mal an einem Fluss begegnet, hat sie riesigen Durst, und da sitzt dieser riesige Löwe.
Ich lese euch das vor, weil es mir so gut gefällt:
„Hast du Durst?“, fragt der Löwe.
„Ich bin schon fast verdurstet“, antwortet Jill.
„Dann trink“, sagt der Löwe.
„Darf ich? Kann ich denn wirklich? Und würde es dir etwas ausmachen, wenn du weggehst, während ich trinke?“, fragte Jill ängstlich.
Der Löwe antwortete auf diese Frage mit einem kurzen Blick und einem tiefen Knurren. Als Jill seine regungslose, riesige Gestalt betrachtete, begriff sie, dass sie genauso gut den Berg hätte bitten können, zur Seite zu gehen und ihr Platz zu machen.
Gleichzeitig bringt das Plätschern des klaren Wassers das durstige Mädchen fast um den Verstand.
„Würdest du mir versprechen, dass du mir nichts tust?“, fragt Jill, „wenn ich komme.“
„Ich verspreche nie etwas“, sagt der Löwe.
Jills Durst ist so groß, dass sie ohne es zu bemerken einen Schritt nähergekommen ist.
„Frisst du kleine Mädchen?“, fragt sie ihn.
„Ich verschlinge Mädchen, Jungen, Männer, Könige, Kaiser, Städte und Reiche“, sagt der Löwe. Und es klingt nicht nach Prahlerei, als ob es ihm leidtäte oder er verärgert wäre. Er sagt es einfach.
„Ich traue mich nicht, zu dir zu kommen und zu trinken“, sagt Jill.
„Dann verdurstest du“, entgegnet der Löwe.
„Meine Güte“, seufzt Jill und kommt noch einen Schritt näher, „dann muss ich wahrscheinlich gehen und einen anderen Fluss suchen.“
Der Löwe sagt: „Es gibt keinen anderen Fluss.“
In der Geschichte drängt das Mädchen dann und geht zum Löwen. Sie steht zwischen seinen mächtigen Pranken, und es entsteht eine ganz tiefe Liebesbeziehung.
Die Geschichte gefällt mir, denn so sollten wir uns Jesus nähern: mit Ehrfurcht vor seiner Größe und zugleich mit einer tief innigen Liebe wegen seiner Barmherzigkeit.
Etwas, das mir sehr geholfen hat, biblisch zu verstehen, wenn man über Furcht redet: Wahre Gottesfurcht treibt dich niemals von Gott weg, sondern immer zu Gott hin.
Psalm 31,20 möchte ich euch vorlesen. Dort gibt es interessante Verbindungen, die ich in den Psalmen entdeckt habe:
„Wie groß ist deine Güte, die du bereithältst für die, die dich fürchten, die du denen erweist, die sich bei dir bergen.“
Das heißt, Gott fürchten und sich bei ihm bergen ist dasselbe. Wenn du dich vor Gott fürchtest, wirst du zu Gott hingehen, nicht von ihm weggehen. Das liest man in den Psalmen immer wieder ähnlich.
Übrigens ist es im Deutschen schön, dass wir zwei Worte haben: Angst und Furcht. Angst hat man vor etwas Furchtbarem, und man läuft davon. Furcht hat man vor jemand Wunderbarem, und man läuft zu ihm hin. Das ist der Unterschied.
Eines meiner Lieblingslieder ist „Amazing Grace“ – „Wunderbare Gnade“ von John Newton, der 1748 in Seenot kam und zum Glauben an Jesus Christus fand. Früher handelte er mit Sklaven.
Da schreibt er:
„Amazing grace, how sweet the sound
That saved a wretch like me.
I once was lost but now am found,
Was blind but now I see.“
Die dritte Strophe gefällt mir besonders:
„It was grace that taught my heart to fear,
And grace my fears relieved.“
Es war die Gnade, die meinem Herzen Furcht einflößte, und es war die Gnade, die all meine Ängste weggenommen hat. Beides stimmt.
Gnade lehrt uns beides: Gott zu fürchten und Gott zu lieben.
Darum beschreibt Johannes es so gewaltig im 1. Johannes 4,17:
„Hierin ist die Liebe bei uns vollendet worden, dass wir Freimütigkeit haben am Tag des Gerichts. Warum? Denn wie er ist, sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht hat es mit Strafe zu tun. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.“
Das heißt: Die Furcht Gottes ist nichts Furchtbares, sondern etwas, das uns zu Gott hinführt und Ehrfurcht in uns bewirkt.
Wie kann man Gottesfurcht lernen?
Jetzt muss ich schauen, weil ich noch so viel Arbeit habe. Zum Schluss möchte ich noch sagen: Wie kann man Gottes Furcht lernen?
Zum Ersten: Die Furcht Gottes kommt von Gott. In Jeremia 32,39 lesen wir: „Und ich werde ihnen einen Sinn geben, damit sie mich alle fürchten.“ Es ist eine Offenbarung, ein Geschenk, wenn wir lernen, Gott recht zu fürchten. Der natürliche Mensch hat keine Furcht vor Gott. Es ist uns nicht angeboren, sondern etwas, das wir lernen dürfen.
Zweitens: Um Gott fürchten zu lernen, ist es für mich ganz entscheidend, in die Schöpfung zu gehen. Für mich sind das die Berge, wo ich die Schöpfung Gottes mit offenen Augen betrachten kann. Wenn ich mir bewusst werde, wie viele Sterne es gibt – so wie Abraham es schon getan hat – und wenn ich die Galaxien betrachte, wissen wir heute von der immensen Ausdehnung der uns bekannten Galaxien. Es ist enorm.
Wenn ich mir einen Sonnenuntergang anschaue, die Augen eines kleinen Kindes oder an einem verschneiten Wintertag mit dem Schlitten herunterfahre, bewirkt das etwas in mir. Ich bekomme Ehrfurcht vor diesem Schöpfer. Das heißt, die Schöpfung Gottes lehrt uns, Gott in rechter Weise zu fürchten.
Etwas, das für mich eigentlich das Wesentlichste ist: Komm zum Kreuz, schau aufs Kreuz und denke daran, dass dort Christus all das für dich getragen hat, was dich von Gott getrennt hat. Er hat es auf sich genommen.
Seht ihr, wir haben verschiedene Beziehungen. Es gibt oberflächliche Beziehungen, zum Beispiel mit deinem Nachbarn. Du gehst aus dem Haus und sagst jeden Tag: „Guten Morgen, lieber Nachbar.“ Das ist schön, und diese Beziehungen sind okay. Sie müssen nicht tiefer sein. Wir haben verschiedene Ebenen.
Dann gibt es Leute, mit denen du dich öfter triffst, Arbeitskollegen, Verwandte, Freunde – da ist die Beziehung schon etwas tiefer. Man redet mal über Urlaub, über schönes Wetter oder auch nicht. Das ist auch okay.
Eine ziemlich tiefe Liebe ist, wenn du zu einem Menschen „Ja“ sagst und mit ihm dein ganzes Leben teilst. Das ist schon ein Riesenschritt.
Aber weißt du, was die größte Liebe ist? Wenn jemand sein Leben für dich gibt. Das ist die äußerste Liebe. Jesus hat gesagt: „Niemand hat größere Liebe als der, der sein Leben gibt für seine Freunde.“
Wenn ich mir das anschaue, bekomme ich Ehrfurcht vor dieser Liebe – nicht Angst vor einem brutalen Gott.
Und noch etwas, das auch eine Hilfe ist, um Gott rechterweise fürchten zu lernen: Gott anzubeten. In der Anbetung, ob das im Singen geschieht, ob bei einem Spaziergang oder wenn du alleine mit Gott sein Wort liest und ihn anbetest.
Ich möchte schließen mit dem Psalmwort aus Psalm 34,12: „Kommt, ihr Söhne und Töchter, hört mir zu, die Furcht des Herrn will ich euch lehren.“
Ich möchte noch beten und diesen Gott anbeten:
Lieber Vater, es ist ein so gewaltiges Geschenk, dass du zu uns gekommen bist in deinem Sohn und dass du dich selbst uns offenbart hast in deiner Liebe. Danke, Herr, dass du die Welt, den Kosmos so geliebt hast, dass du deinen Sohn gabst, damit wir alle, die wir daran glauben, gerettet werden können.
Herr, ich danke dir auch, dass du ein gerechter und barmherziger Richter bist, dass du nicht einfach darüber hinwegsehen wirst, sondern alles zurechtrücken wirst. Es wird alles Recht werden vor dir und vor den Menschen. Dafür danke ich dir.
Ich danke dir, dass wir dich als diesen Gott lieben und fürchten lernen, in Ehrfurcht vor einem solchen Gott stehen und dich anbeten können. Danke, dass wir dich kennen dürfen, den allein wahren Gott, der nicht gekommen ist, um Angst zu machen, sondern um uns zu erlösen.
Dafür danke ich dir.
So segne uns, Herr. Ich bete, Vater, dass wir die falschen Gottesbilder, die wir angehäuft haben, ablegen können und in Christus den wahren Gott entdecken. Es gibt nichts in Gott, das nicht wie Christus wäre. Danke, Herr, dass wir Gott kennenlernen dürfen, weil du dich offenbart hast.
So segne uns, Vater. Mach uns zum Segen für viele andere Menschen. Segne die Leute hier im Pflegeheim, segne die Mitarbeiter und schenke ihnen Freude, Kraft und Liebe für ihren Dienst.
Danke, Vater, für jeden Einzelnen und danke, dass du mit uns gehst im Leben und im Sterben. Amen.
