Einleitung: Vertrauen auf Gottes Liebe und Führung
Ist Gott für uns, wer kann dann noch gegen uns sein? Er hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben. Wie sollte er uns in Jesus nun nicht alles schenken?
Wir wollen mit einem Lob- und Danklied beginnen, mit dem Lied 233. Wir singen die ersten drei Verse und den fünften Vers.
Anschließend wollen wir beten.
Herr Jesus Christus, wir wollen Dich anbeten und uns freuen, wie wunderbar Du uns bis zum heutigen Tag durchgebracht und geführt hast. Wir haben alle Dir vielmals zu danken. Du hast uns auch in den letzten Tagen wunderbar geführt und hindurchgeholfen durch viele Schwierigkeiten. Wir haben Dein Wort gehört, und Du hast uns getröstet und aufgerichtet.
Aber wir sind heute zusammengekommen, weil wir eine neue Stärkung unseres Glaubens brauchen. Wir wollen miteinander Dein Leiden und Sterben bedenken. Du gibst uns Deine große Liebe und machst uns dieses Wunder Deiner Liebe recht groß, sodass es die Traurigen fröhlich macht, die Verzweifelten voll Zuversicht und Hoffnung, die Fragenden und Sagenden gewiss.
Du möchtest heute uns ganz neu Dein Heil zeigen. Gib uns das richtige Verständnis und das Hören auf Dein Wort.
Wir wollen Dir jetzt in der Stille all das sagen, was uns bedrückt und bekümmert.
Wir beten in der Stille.
Du, Herr, bist nahe allen, die Dich anrufen, allen, die Dich mit Ernst anrufen. Amen!
Unser Chor singt nun eine Motette von Heinrich Schütz: „Herr, auf dich traue ich.“
Das Wort vom Kreuz als Zentrum des Evangeliums
Wir lesen aus dem Ersten Korintherbrief, Kapitel 1, wie Paulus den Mittelpunkt des Evangeliums beschreibt: das Wort vom Kreuz (1. Korinther 1,18-25).
Für den Apostel war es genauso schwierig wie für uns. Doch er widerstand der Versuchung, dem Evangelium einen neuen Inhalt und Sinn zu geben, nur um es bei den Menschen besser unterzubringen und ihr Verständnis zu gewinnen.
Er sagt, ein normaler Mensch versteht gar nicht, wie der sterbende Leichnam Jesu Hoffnung für uns sein soll. Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit für die, die verloren gehen. Uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft.
Denn es steht geschrieben: „Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen. Wo sind die Klugen, wo sind die Schriftgelehrten, wo sind die Weisen dieser Welt?“
Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben.
Die Juden fordern Zeichen, also Wunder, sichtbare Beweise der Macht. Die Griechen, das sind die Menschen der römischen Antike, fordern Weisheit, nach Philosophie.
Wir aber predigen den gekreuzigten Christus – den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit. Denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gotteskraft und Gottesweisheit.
Denn die Torheit Gottes ist weiser als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker als die Menschen sind.
Wir singen nun „Weicht, ihr Berge, fallt, ihr Hügel“, 511, die Verse 1 bis 3 und den fünften letzten.
Die Ankündigung der Verherrlichung Jesu
Wir fahren fort in der Passionsgeschichte nach dem Johannesevangelium, Johannes 12,20-26.
Die Ankündigung der Verherrlichung: Sie müssen wissen, dass das ungewöhnliche Wort „Verherrlichung“ im Griechischen eigentlich die Ehre, den Ruhm, die Größe und die Wirkungsweise Jesu meint. Da dies aber nicht gut zum Gekreuzigten passt, hat man das Wort „verherrlichen“ gewählt, also „groß machen“. Ursprünglich bedeutet das Wort „doxa“ Ruhm, Pracht und Größe – so kommt Jesus groß heraus. Nicht als Wundertäter, sondern als Sterbender und Leidender am Kreuz.
Es waren einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um auf dem Fest anzubeten. Sie traten zu Philippus, der aus Bethsaida in Galiläa stammte, und baten ihn: „Herr, wir wollten Jesus gerne sehen.“ Philippus ging daraufhin zu Andreas und sagte es ihm. Philippus und Andreas berichteten es Jesus.
Jesus antwortete ihnen und sprach: „Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn – jetzt würden wir sagen: groß herauskommt, prachtvoll dasteht, oder hier heißt es: verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch…“ Das ist immer diese besondere Betonung Jesu mit dem zweimaligen „Amen, Amen“, was so viel heißt wie „wahrlich“ – vorangestellt, wenn Jesus uns eine ganz besonders wichtige Sache mitteilen will.
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren. Wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach. Und wo ich bin, da soll auch mein Diener sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“
Ja, du musst uns dieses Wort erklären, wir bitten dich darum. Amen.
Der Lebenskampf und die Kraft des Sterbens
Wahrscheinlich haben alle von Ihnen Anteil an dem schweren Lebenskampf. Wenn ich daran denke, wie viele von Ihnen bis weit in die Nacht hinein arbeiten müssen, sehe ich, dass Sie über das erlaubte Maß hinaus belastet und gefordert sind. Sie haben schwere Spannungen auszuhalten und befinden sich in schwierigen Situationen.
Sie haben Spannungen mit komplizierten Menschen, und es ist gar nicht leicht, sich da durchzusetzen und zu behaupten. Sie müssen Niederschläge und Rückschläge ertragen und schaffen es oft nicht, mit dem, was Sie wollen, durchzudringen. Es ist ein Kampf im Leben, besonders im Berufsleben.
Man wünscht sich dabei oft ganz andere Kraft und ein stärkeres Durchsetzungsvermögen. Man denkt: „Ach, dass ich mich mehr behaupten könnte!“ Wie wird es morgen wieder sein? Wenn Sie mittendrin stehen, haben Sie dann überhaupt die gesundheitliche Kraft für das, was auf Sie zukommt? Halten Sie das noch lange durch?
Darwin hat etwas Richtiges entdeckt, als er sagte, in dieser Welt herrsche ein Kampf ums Überleben. Aber es ist ein grausamer Kampf. Und wenn Darwin dann sagt, nur die Besten überleben, ist das ein schwacher Trost. Denn irgendwann wird man selbst vielleicht auf die Seite geschoben und hält diesen Kampf nicht mehr durch.
Man muss mit aller Kraft und Macht kämpfen. Wenn wir uns heute zum Gottesdienst versammeln, wünscht man sich natürlich, dass Jesus uns ein wenig mehr für diesen Kampf mitgibt. Dass er uns ein bisschen stärker macht, ein bisschen aufpäppelt, Mut zuspricht und uns stabiler macht, damit wir mehr leisten können.
Mir geht das oft so, wenn ich sonntags im Gottesdienst bin oder in meiner stillen Zeit mit Gott rede. Dann sage ich: „Herr, hilf mir doch! Ich stecke in so vielen Schwierigkeiten. Ich brauche deine Hilfe, ich schaffe das allein nicht mehr. Du musst mir helfen.“
Das erinnert mich immer wieder an die Pflanzen im Dschungel. Dort wachsen die großen Bäume, die Schlingpflanzen und viele andere Gewächse. Jeder drängt zum Licht. Die eine Pflanze drückt die andere zur Seite, jeder will vorne sein und möglichst viel vom Licht erhaschen.
Wie kann man sich da behaupten? Das ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. Wir müssen doch auch etwas vom Leben abbekommen, unser Teil holen. Wir müssen kämpfen, um es zu bekommen.
Gibt uns unser Herr heute eine richtige Stärkung für diesen Kampf? Was gibt uns Jesus? Er hilft uns nicht zum Wachsen nach oben, sondern zum Wachsen nach unten. Und er mutet uns das Sterben zu, das Schwachwerden.
Wachsen nach unten: Die Botschaft der Griechen und die Sendung Jesu
Jetzt schön der Reihe nach. Also mein erster Punkt: Wachsen nach unten – das mutet uns Jesus zu, so bietet er es uns an.
Es waren Griechen aus Fest gekommen nach Jerusalem. Was waren das für Leute? Leute aus der römischen Antike. Wir wissen gar nicht genau, woher sie kamen. Festpilger, die offenbar im Vorhof der Heiden – so hieß er – mitbeten durften. Sie durften nicht zum Gottesvolk. Sie hatten eine Sehnsucht, mehr von dem Gott Israels zu erleben und kennenzulernen.
Nur müssen Sie sich die Griechen der Antike richtig vorstellen. Die waren in der Schule erzogen und hatten viel gehört von den Göttern im Olymp. Sie wussten von Zeus und Apollo und all den anderen Großen. Das Kennzeichen der griechischen Antike und der ganzen Philosophie des Griechentums war ja, dass der Mensch ganz groß geachtet wurde.
Ich habe ja auch die Ehre gehabt, ein humanistisches Gymnasium zu besuchen, und es wurde in meine Bildung hineingelegt, das griechische Denken, Griechisch zu lernen, griechische Philosophen in der Ursprache zu lesen. Das spielt eine große Rolle bis heute, denn die Griechen haben verstanden, den Menschen herauszustellen – mit seinem Können, mit seiner Schönheit.
Sie sehen das ja noch an den Figuren, die wir etwa im Park aufgestellt haben. Das Kriegertum hat die Schönheit des Menschen betont, und der Mensch war überhaupt der Mittelpunkt des gesamten Denkens mit seinem Schaffen.
Am eindrucksvollsten hat es vielleicht dann der römische Kaiser Augustus verwirklicht, wenn er sagte: Ich bin Gott auf Erden. In dem Kaiser von Rom bündelt sich die ganze Größe der Entfaltung eines Menschen. Das war ein leuchtendes Ziel: So müsste man leben, so müsste man werden – groß, einflussreich, mächtig.
Überhaupt, der Gedanke, dass alle Länder der Welt erobert werden, war ja dahinter gesteckt. Wo große Menschen sind, müssen sie auch ihren Einfluss über die Welt ausbreiten. Sie müssen kämpfen und ringen. Bis heute steckt das in uns drin: Wir wollen groß sein und wirken.
Und diese Griechen waren interessiert, Jesus zu sehen. Wir wollten Jesus gerne sehen. Wir sprachen so am letzten Sonntag davon, wie viele Menschen dort etwas ahnen von Jesus. Sie hatten von ihm gehört, vielleicht waren einige Worte, die ihnen erzählt wurden, ihnen so unter die Haut gefahren, dass sie mehr von Jesus kennenlernen wollten.
Sie fragen nun bescheiden den Philippus, und er fragt den Andreas: Können wir sie zu Jesus führen? Warum zögern sie so?
Ja, da wird ganz historisch exakt festgehalten, dass Jesus seine Sendung bis zu seiner Kreuzigung nur für die Juden verstand, für das erwählte Volk Israel. Er wollte nicht zu den Heiden. Erst durch die bekehrten Juden soll das Evangelium zu den Weltvölkern getragen werden.
Deshalb sind die Jünger unschlüssig: Dürfen sie diese Heiden nun zu Jesus führen? Aber sie dachten, das ist doch eine große Gelegenheit, wenn sich plötzlich die Tür in die Heidenwelt öffnet, in die Antike. Wir müssen doch Jesus darauf aufmerksam machen. Vielleicht benutzt Jesus die Gelegenheit.
Stellen Sie sich mal vor, wenn Jesus das benutzt hätte und diesen Griechen nur einen Eindruck seiner Weisheit gegeben hätte – dass Sokrates und Plato abgefallen wären. Das hätte ja Jesus gekonnt.
Jesus, du könntest doch den Griechen ein Wunder geben, vielleicht ein Heilungswunder, dass sie nach Hause gehen und im Mundesvoll sagen: Wir haben das Größte gesehen, was kein Kaiser in Rom kann. Jesus, mach doch jetzt was! Mach doch was, dass die Leute den Atem anhalten, die müssen doch fasziniert sein. Tu das Wunder, tu doch etwas!
Es erinnert ja an die Versuchungsstunde damals, als der Versucher zu Jesus trat und sagte: Spring von der Zinne des Tempels herunter oder mach was ganz Großes! Die Menschen werden in Scharen dir zulaufen, die werden dir zujubeln.
Und Jesus versteht seine Jünger und sagt: Ja, jetzt ist die Stunde da. Jetzt werde ich groß herauskommen, jetzt muss ich verherrlicht werden, jetzt muss mein Ruhm ganz groß werden. Ich will zeigen vor der Welt, worin die Macht und Größe Jesu liegt.
Und dann sagt er: Amen, Amen, das Weizenkorn verfault in der Furche, und der Menschensohn wird sterben.
Die Jünger werden enttäuscht gewesen sein. Jesus soll laufen, dir doch die Leute weg! Du kannst doch nicht mit dieser Botschaft kommen! Du musst ihnen doch etwas geben, was sie fasziniert, was sie begeistert. Du kannst doch nicht solch eine Mitteilung machen.
Und jetzt wird uns erst bewusst, dass es Absicht Jesu ist, dass er bis heute keinen anderen Punkt der Offenbarung haben will, wo er geehrt und groß sein will als sein Sterben am Kreuz für die Welt.
Und es ist der Mittelpunkt der Offenbarung. Wenn Sie es nicht verstehen, dann sind Sie noch nicht bis zur Tiefe des Glaubens vorgedrungen.
Vielleicht besteht Ihr Glaube wirklich nur aus einem Wunsch: Jesus, hilf mir, dass ich gesund werde. Jesus, hilf mir, dass ich Erfolg habe. Jesus, hilf mir, dass ich möglichst lange lebe.
Da spielt Jesus nicht mit. Wundern Sie sich nicht.
Und wenn es immer wieder welche gibt, die das Christentum in solch einer Zerrform bringen und so darstellen und verfälschen, dann macht Jesus nicht mit.
Die Stunde ist da, wo er groß wird, wo er offenlegt, um was es ihm geht.
Es geht Jesus um Weltherrschaft. Es geht Jesus darum, sein Reich über die Welt aufzurichten – aber nur über ein Mittel, indem er ganz, ganz klein wird.
Jesus macht nicht mit in dem Kampf der Ideologien, in dem Streit der Weltanschauungen, in dem großen Prahlen der Macht.
Die Größe des Reiches Gottes in der Schwachheit Jesu
Überlegen Sie einmal, wie Sie selbst Jesus in Ihrem Leben erfahren haben. Vielleicht hat er Ihnen zuerst die Augen geöffnet durch einige kleine Aufmerksamkeiten und Wunder, die Sie erlebt haben. Danach führt er Sie weiter zur Mitte der Offenbarung.
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Menschensohn ist wie ein Weizenkorn, das in die Erde fällt. Schwach und unansehnlich – wer ist schon Jesus in den Augen der Menschen? Wer achtet heute noch auf ihn? Viele gehen achtlos an ihm vorüber.
Doch was Jesus tut, ist Folgendes: Er nimmt die Menschenexistenz an. Dieses Weizenkorn, das verfault, das ist doch mein irdisches Leben. Wie lange lebe ich denn? Was ist das im Flug der Jahrtausende? Ich bin doch solch ein verfaulendes Weizenkorn. Was wird in hundert Jahren aus mir sein? Wer spricht dann noch von mir unter Milliarden Menschen?
Und selbst wenn ich versuche, in meinem Leben einen leuchtenden Glanz hervorzubringen, was kann ich schon leisten und bewirken? Vergänglich ist es. Das ist das Schicksal des Lebens: Das Weizenkorn verfault in der Furche.
Ich bin doch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit all meiner Fehlbarkeit und meinen Versäumnissen. Und Jesus nimmt meine Weizenkorn-Existenz an. Er nimmt sie auf sich, leidet sie und duldet sie. Das ist ihm das Allerwichtigste. Er will in meine Tiefe herabsteigen und an meiner menschlichen Existenz teilhaben.
Wir sollten die Sache Jesu etwas mutiger darstellen und stärker zum Leuchten bringen. Jesus sagt: Die Größe des Reiches Gottes und der Herrschaft Jesu liegt darin, dass er ganz schwach und ganz unansehnlich wird. Dass dies ganz verborgen bleibt vor den Augen der Welt.
Die klugen und gescheiten Professoren sagen: „Damit beschäftigen wir uns gar nicht.“ Und die anderen, die immer nur etwas erfahren und beweisen wollen, wenden sich ab und wollen nichts von ihm wissen.
So will Jesus nach unten wachsen und klein werden.
Das Wunder des Weizenkorns: Verfall und neues Leben
Jetzt muss ich über das große Jesuswunder sprechen. Es geht ja weiter. Das Weizenkorn fällt nicht nur in die Erde, und Jesus stirbt, sondern das ist ein ganz herrlicher Naturprozess. In dem Augenblick, in dem das Weizenkorn dort unten verfault, wächst der Halm, der Frucht trägt. Jesus sagt: Seht doch, dass in meinem Sterben etwas ganz Großes geschieht.
Das ahnen die weltweisen Philosophen nicht, und die, die immer die Wunder suchen, erkennen das gar nicht. Es sieht so verborgen aus, so armselig. Wie ist das denn? Wie kennen sie denn die Gemeinde Jesu? Ist es nicht oft so, dass sie sagen: Ach, das ist so ein kleiner Hauskreis, und da passiert auch nicht viel. Das sind nicht die Zehntausende, von denen ehrfurchtsvoll gesprochen wird. Es sieht ganz kümmerlich und armselig aus. Oft meint man ja, die Sache Gottes sei am Ende, sie sterbe ab.
Und dann kann Gott plötzlich auf Erstehung wirken. Durch all die Jahrhunderte hindurch ist das das Geheimnis Jesu, wie er Gemeinde baut. Er fängt so an, dass er Menschen herausholt und ihnen Leben schenkt. Wenn sie das erleben, schafft er plötzlich neues Leben.
Vor zwei Tagen traf ich Charles Colson. Er war einer der einflussreichsten Berater von Nixon im Weißen Haus. Er war an den Schalthebeln der Macht. Als einer der Hauptverantwortlichen für den Watergate-Skandal kam er ins Gefängnis. Dort, als erfahrener amerikanischer Politikmanager, begegnete er im Bibelwort Jesus und verstand es zum ersten Mal.
Wenn Charles Colson heute darüber erzählt, sagt er, er meint, dass das Evangelium nur die Inhaftierten in den Gefängnissen wirklich verstehen. Er sagt: Wisst ihr eigentlich, dass in Deutschland niemand in den Gefängnissen – außer ein paar Seelsorgern – wirklich evangelisiert? Die Menschen dort sind so offen.
Er erzählte auch von Indien, wo die dortige Religion den Schuldigen sowieso keine Chance mehr einräumt. Dort sagt man, sie müssen in ihrem nächsten Leben ihre Schuld abzahlen und büßen. Wenn wir hineingehen und ihnen sagen: Dort, wo du gescheitert bist, wirkt Jesus Neues, und er macht das Leben neu – das ist doch Evangelium.
Vielleicht sind wir alle schon viel zu sehr besessen vom Erfolg und von unserer Meinung, dass wir durch unser eigenes Können das Heil schaffen. Deshalb begreifen wir gar nicht mehr, was Evangelium ist.
Es ist immer wieder ergreifend, wenn man das hört, wie bei Frank Förster, der als Drogentransporteur in Malaysia diesen Christen begegnet ist. Er, der in Erwartung des Todes war, hörte von Jesus: Jesus macht dein Leben neu.
Das einzige Pfand, das Jesus gibt, ist dies: Menschen, die ganz unten sind, erleben, dass er ihr Leben verändert und sie neu macht. Das hat Charles Colson so gepackt, dass er ein ganz demütiger und bescheidener Mann wurde. Er geht durch die Welt und evangelisiert für gescheiterte und gefallene Menschen. Er will weitergeben, dass Wunder geschehen, dass das Weizenkorn, das in die Erde fällt, viel Frucht bringt. Da kann so viel daraus werden.
Jetzt darf ich Ihnen heute auch so sagen: Wissen Sie, dass Ihr Leben neu werden kann, wenn Sie einmal begreifen: Jesus macht Ihr Leben neu.
Ich habe die Einleitung vorhin gewählt von Ihrem Lebenskampf und Ihren Berufsnöten, weil ich denke, Sie sind mit Gott im Streit. Warum? Warum gibt Gott Ihnen nicht mehr Erfolg? Warum lässt Gott Sie in einer Prüfung stranden? Warum scheitern Sie? Warum bleibt Ihnen Erfolg versagt? Warum werden Sie nicht gesund? Warum gibt Gott Ihnen nicht mehr Kraft?
Weil Gott Ihnen zeigen will, dass er als der ohnmächtige Jesus allein Gotteskraft hat. Erst wenn Sie zu ihm kommen und sagen: Herr, in meiner Schwäche, in meiner Krankheit, in meiner Ohnmacht will ich dir nachfolgen und dir dienen. Du kannst Großes daraus machen. Ich vertraue dir und blicke auf dich.
Jesus will den Schrott Ihres Lebens neu machen. Das Wunder geschieht – das Wunder.
Das lohnende Leben: Nachfolge und Selbstverleugnung
Ich muss noch über das lohnende Leben sprechen. Jesus sah die große Gefahr auch bei seinen Jüngern, dass sie ihr Leben entfalten wollen. Heute sagt man in einem modernen Wort, sie wollen sich selbst verwirklichen.
Wissen Sie, dass das, was Jesus sagt, genau dem widerspricht, was wir mit Selbstverwirklichung meinen? Wenn ich mich selbst verwirkliche, mit meinem Recht auf mein Leben und meine Wünsche, werde ich Jesus nie verstehen. Jesus spricht davon, dass man sein Leben hassen soll.
Nun, Sie müssen sich nicht hassen, ganz gewiss nicht mit den Gaben, die Gott Ihnen geschenkt hat. Sie dürfen auch für Ihr Leben sorgen. Aber Sie wissen ganz genau, wo es in Ihrem Leben diesen sündigen Eigenwillen gibt, der sich empor schwingt und sich gegen Gott stellt.
Herr, ich darf das von dir fordern – wie oft spielt sich das ab in unseren Krankheitszeiten, wenn wir mit Gott ringen und sagen: Herr, du darfst das nicht, warum nicht? Warum darf das Weizenkorn bei uns im Leben nicht sterben? Wir müssen sterben? Wollen Sie es denn nicht festhalten, dass Gott auch in Ihrer Kraftlosigkeit wirkt?
Es war für uns alle tief eindrücklich, wie wir und unsere Mitarbeiter bei den christlichen Fachkräften einen ausgesandten Menschen begleiten durften. Er war viele Jahre hier im Gottesdienst und entschloss sich erst nach seinem Berufsleben als Ingenieur, noch Medizin zu studieren, um dem Herrn in der Mission zu dienen.
Als alle Examen fertig waren, passierte der Autounfall. Er liegt im Maisfeld bei Karlsruhe, ist querschnittsgelähmt und dient heute mit Krücken in Kamerun – in aller Schwachheit. Denn es kommt nicht auf unsere Kraft an, sondern auf die Gotteskraft, die im verworfenen Jesus wirkt. Gott wirkt immer anders, als wir rechnen und denken.
Gott kann durch die Krisen Ihres Lebens wirken. Gott kann durch Ihre Krankheit Sie mehr segnen als in zwanzig Jahren Gesundheit. Rechnen Sie doch nicht immer so mit Gott: Wer sein Leben nicht hergibt – für was denn? Für Jesus hergeben.
Schreiben Sie über die Krisen Ihres Lebens: Für Jesus will ich leben und durchstehen. Herr, in deinem Namen trage ich es. Für dich will ich es erleben, und ich will deine Gotteskraft erfahren in all den Nöten, durch die ich gehe.
Und das müsste ich Ihnen doch erzählen. Sie kennen doch all die Gestalten. Ganz bekannt ist die Großmutter vom Kultusminister Hahn, diese Lalla Hahn, die viele Jahre ihres Lebens im Rollstuhl war. Ihr Mann war ein bekannter Evangelist.
Einmal kam ein Mann und traf diesen Pastor Hahn in Riga. Er sagte: „Ich komme gerade von Ihrer Frau. Sie konnte kaum reden vor Schmerzen. Aber das war mehr wert als hundert Predigten von Ihnen.“ Das wirkt Jesus in der Verborgenheit.
Wenn das Geheimnis des Weizenkorns gilt – ich war so dankbar, als wir bei unserer Missionskonferenz Sibi Samuel aus dem Slum von Eudelida hatten. Er sagte: „Das habt ihr in Europa noch nie verstanden. Für euch ist Jesus immer eine Garantie zum Erfolg. Aber Jesus kann nur nach der Art des Weizenkorns euch segnen. Wenn er euer Leben verliert, wird er es erhalten.“
Wenn es so aussieht, als ob alles in Ihrem Leben danebengeht und Sie es vor Jesus neu empfangen, dann bekommen Sie es. Es wird die letzte Versuchung der Christenheit in der Weltgeschichte sein, dass die Welt die Christen einlädt und sagt: „Kommt, ihr dürft eure Macht zeigen, ihr dürft mithelfen, eine neue Welt aufzubauen. Nur eins dürft ihr nicht mehr: Es braucht ihn gar nicht mehr, er muss nicht mehr vom gekreuzigten Jesus reden.“
Wir sind dabei, die Welt zu verbessern und neu zu machen. Ihr dürft sie noch fromm verklären, ihr dürft Gottesdienste halten. Dann wird die kleine Gemeinde der Bekenner des Gekreuzigten vielleicht oft nur noch verfolgt zusammenkommen können. So etwas steht in der Offenbarung drin.
Aber es wird die Gemeinde sein, wo Jesus sein Reich baut als der Weltherrscher, wo Jesus mächtig wirkt. Wir sehen es auch so, dass es eine Versuchung für uns sein kann, wenn wir immer Zeichen und Wunder fordern.
Das größte Zeichen Jesu ist, dass er Schwache und Unedle wie uns erwählt hat, durch fehlbare Menschen sein Reich baut – nicht nur in der verfolgten Gemeinde, die schwach und armselig ist, sondern auch bei uns.
Dann gehen wir zurück in unsere Berufskrisen und Lebensängste und wollen uns neu Jesus ausliefern. Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. Wo ich bin, da soll mein Diener auch sein – so endet das Wort Jesu.
Passen Sie auf, dass Sie nicht sich selbst leben, sondern dass alles, was Sie tun, Sie für Jesus tun. Dieses Sterben geschieht ja auch darin, dass wir uns täglich bewusst werden, wie unvollkommen und ungeeignet wir sind. Unser Leben ist voll von Mängeln und Sünde.
Herr, ich will mit dir gekreuzigt sein. Ich will in deinen Tod hineingegeben werden. Es macht gar nichts aus, wenn du meine Ehre zu Schanden werden lässt. Es macht gar nichts aus – wie Paulus sagt –, wenn ich durch böse Gerüchte gehe. Es ist gar nicht schlimm.
Nur möchte ich, dass du, Jesus, als der Gekreuzigte viel Frucht wirkst durch mich zum ewigen Leben. Amen!
Schlusslied und Gebet: Dienst und Zeugnis im Alltag
Nun singen wir noch das Lied, das aus dem roten Liedheft stammt: Die Sach ist dein, Herr Jesu Christ. Dieses Lied war das Lied der großen Missionsbewegung des letzten Jahrhunderts.
Dort steht vom Weizenkorn, das in die Erde fällt. Dort sind die Missionare hinausgezogen und oft schon nach wenigen Monaten am Fieber zugrunde gegangen.
Im roten Liedheft ist es die Nummer 113. Wer kein Liedheft hat, kann auch im Gesangbuch nachschlagen, dort ist es unter der Nummer 479 zu finden. Allerdings fehlt im Gesangbuch immer die letzte Zeile im Vers.
Du, gekreuzigter Jesus, du Herr der Leiden, wir verstehen nicht, warum du allen Glanz ablegst und in diese Tiefe hinabsteigst, um dort deine Siege zu erringen. Wir verstehen auch nicht, warum du gerade uns erwählt hast – Menschen, mit denen du doch keinen Staat machen kannst, wo doch unser Leben immer wieder so ein schlechter Geruch für dich ist und wir so wenig von deiner Größe darstellen und ausstrahlen.
Dennoch sind wir dir so dankbar, dass wir Weizenkorn sein dürfen, für dich, das Frucht bringt. Davon wollen wir von dir lernen.
Du weißt, wie schwer es uns fällt, herzugeben und loszulassen, unser Ich zu verleugnen. Wir wollen das mehr und mehr einüben, auch immer wieder im Kampf mit unserer eigenen Fehlsamkeit und Schuld. So merken wir, wie wir, solange wir leben, schwache Menschen sind und du das Neue allein schaffen kannst.
Jetzt lass doch auch aus all den Diensten unseres Lebens Frucht geschehen. Wir wollen es tun für dich und dir dienen – auch wenn wir zurückgehen in unsere Häuser und Familien, an unsere Arbeitsplätze oder auch in unsere Einsamkeit.
Wir wollen dort, wo wir sind, dir dienen. Wir wollen uns ganz in die Aufgaben einbringen und es nur aus Treue und Liebe zu dir tun, wie alltäglich die Dinge auch sein mögen – die jungen Leute in der Schule oder in der Universität oder wo immer wir stehen.
Gebrauche uns dort, damit du viel Frucht wirken kannst, auch durch unser Reden, durch unser Handeln, durch unser Lieben und durch unser Schweigen. Was du von uns forderst, wollen wir tun. Und wir wollen Zeugnis geben auch dort, wo du Schweres auferlegst. Wir wissen, dass es Frucht trägt für dich.
Wir wollen jetzt auch bitten für die, die in die Tiefe geführt sind und die in Lebenskrisen stecken, für die Kranken und Alten in unserer Gemeinde, dass du ihnen dieses Geheimnis deines Wirkens großmachst.
Das Sieg über unser Leben steht auch da, wo wir schwach sind, und du berufst uns zum neuen Leben. Heute kannst du auch dort wirken, wo wir keine Kraft mehr haben. Segne uns dazu und deine Gemeinde in aller Welt!
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Einladung zu den Passionsbibeltagen und Unterstützung der Gemeinde
Nehmen Sie bitte noch einmal Platz. Ich möchte Ihnen jetzt etwas ganz Wichtiges mitteilen. Vielleicht ist Ihnen inzwischen deutlich geworden, wie wenig wir oft das, was uns Jesus mit seinem Sterben schenkt, tatsächlich in unser Leben umsetzen können. Und genau dort liegt doch die ganze Kraft des Kreuzes – die Gotteskraft des Kreuzes.
Wir haben dieses Jahr zum ersten Mal etwas gewagt: diese Bibeltage in der Passionswoche. Ich habe große Angst, ob das bei Ihnen ankommt. Ich weiß, das ist schwierig, aber ich habe lange darüber nachgedacht und mich mit anderen beraten, ob es besser wäre, die Veranstaltung abends oder auf andere Weise zu machen. Wir dachten, am schönsten wäre es, die Passionswoche dafür zu nutzen. Es ist ja besonders praktisch, dass noch keine Schulferien sind.
Von drei bis etwa halb acht Uhr wollen wir uns Zeit nehmen, um große Bibelstellen auszulegen. Wir wollen uns noch einmal zeigen lassen, was es bedeutet, wenn Walter Glach vom Gottesknecht nach Jesaja 53 spricht. Da möchte ich noch einmal lauschen und lernen. Oder wenn Kurt Hennig uns die Wahrheiten des Evangeliums groß macht.
Ich möchte Sie bitten, sich diese Passionsbibeltage fest vorzumerken. Sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber, damit Sie freibekommen und dabei sein können. Wir wollen das dann mit den Passionsandachten abschließen. Das steht auf dem Notizensettel, den Sie brauchen. Ich möchte Sie heute noch einmal ganz dringend dazu einladen, weil wir nicht wissen, wann man so etwas wieder machen kann und weil es wichtig ist zur Zurüstung unseres Glaubens.
Es ist zu wenig, wenn man nur so dem Gefühl nach Christ ist oder ein bisschen dem Spaß nach – „Ich habe Lust dazu“. Das ist zu wenig. Wir brauchen heute wieder gründliche Lehre und Unterweisung. Es ist auch einfach eine Not, dass uns oft das klare Wissen um die biblischen Grundtatbestände abhandengekommen ist. Das ist auch ein Teil der Verwirrung in der Gemeinde Jesu.
Deshalb brauchen wir klare Lehrunterweisung. Den Notizensettel sollten Sie unbedingt mitnehmen, das ist der gelbe, da steht alles Wichtige drin – über unsere Veranstaltungen.
Unser Opfer heute ist für die Familie Kümmel, nicht für Sie, sondern für ihre Arbeit. Die Kinder waren ja viel in unserer Gemeinde, die Kümmels waren oft hier im Gottesdienst. Sie haben die Blaukreuzarbeit geleitet – das ist die Arbeit mit Suchtabhängigen, vor allem Alkoholkranken.
Es ist eine ganz große Not, die sich heute zunehmend ausbreitet. Viele wagen nicht, darüber zu reden. Wir sind sehr froh, dass wir in unserer Gemeinde auch ein Telefon eingerichtet haben, eine Anlaufstelle, wo man sich hinwenden kann. Dort hilft einer, der selbst lange gebunden war, und bringt die Menschen in die Gemeinschaft von anderen. Dort sucht man unter dem Wort Gottes, wie man Befreiung bekommt.
Was uns beeindruckt, ist das, was die Kümmels tun: den Hort der Hoffnung in Bayern, wo Drogenabhängige und suchtkranke Menschen, vor allem Alkoholabhängige, hingeführt werden zur Befreiung in Jesus. Diese Arbeit ist so wichtig zu unterstützen, weil dort keine Staatsgelder zur Verfügung stehen.
Es ist teuer, wenn man heute solch ein Werk der Liebe unterhalten muss. Die Kümmels haben uns übernommen, als das Werk tief verschuldet war. Hier ist es wichtig, dass wir helfen – auch heute durch unsere Gaben, durch unsere Opfer und durch unsere Fürbitte.
Nun wollen wir um den Segen Gottes bitten: Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
