Historischer und geografischer Hintergrund des Sees Tiberias
Johannes 21, Verse 1 bis 14, Seite 138 im Neuen Testament, Johannes 21.
Im Neuen Testament wird dieser See sonst immer Genezareth genannt. Die Juden hatten Schwierigkeiten, die Stadt Tiberias überhaupt zu erwähnen, weil sie nach einem römischen Kaiser benannt war. Für die Juden war Tiberias eine Heidengründung, eine unreine und unheilige Stadt.
Das ist der Grund, warum im Evangelium der See nur ganz selten Tiberias genannt wird.
Die Erscheinung Jesu am See und die Jüngerschaft
Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich in folgender Weise: Beieinander waren Simon Petrus, Thomas, der Zwilling genannt wird, Nathanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedeus und zwei weitere seiner Jünger.
Simon Petrus sprach zu ihnen: „Ich will fischen gehen.“ Sie antworteten ihm: „So wollen wir mit dir gehen.“ Sie gingen hinaus, stiegen in das Boot, und in jener Nacht fingen sie nichts.
Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer. Die Jünger erkannten jedoch nicht, dass es Jesus war. Jesus sprach zu ihnen: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Sie antworteten ihm: „Nein.“ Er sagte zu ihnen: „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr etwas finden.“
Da warfen sie das Netz aus und konnten es wegen der Menge der Fische nicht mehr ziehen. Der Jünger, den Jesus lieb hatte, sagte zu Petrus: „Es ist der Herr!“ Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtelte er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.
Die anderen Jünger kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer, darauf Fische und Brot.
Jesus sprach zu ihnen: „Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!“ Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land. Es war voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig an der Zahl. Obwohl es so viele waren, riss das Netz nicht.
Jesus sagte zu ihnen: „Kommt und haltet das Mahl!“ Niemand unter den Jüngern wagte ihn zu fragen: „Wer bist du?“, denn sie wussten, dass es der Herr war. Jesus kam, nahm das Brot und gab es ihnen, ebenso auch die Fische.
Dies war nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern erschienen ist, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Die Realität nach der Auferstehung: Alltag und Enttäuschung
Wie viele Tage die Auferstehung nun zurücklag, wissen Sie nicht genau. Aber der Alltag ist wieder eingekehrt, und damit kommen auch die Schwierigkeiten. Eigentlich ist alles wie vorher. Sie rudern auf dem See, sind müde, die Nacht war kalt, und am Ende ist nichts im Fischernetz.
Sie sind hungrig, diese Männer, und die Stimmung wird gereizt. Man geht sich an die Nerven und schreit sich an. Was hat sich eigentlich durch die Auferstehung Jesu verändert? Die Bibel ist ein nüchternes Buch, das weiß ich nicht. In unseren frommen Blättchen schreiben wir oft große Siegesgeschichten. Im Evangelium aber wird von großen Enttäuschungen berichtet.
Man erwartet, dass nach der Auferstehung Jesu große Feiern stattfinden und ohne Ende gejubelt wird. Doch nein, da lassen Jesus’ Jünger auch den Kopf hängen. Sie sind mutlos und frustriert – ein tolles Wort –, es war alles umsonst und es kommt nichts heraus.
Es ist auch nicht zu verstehen, warum Jesus seinen Jüngern nicht mehr Kraft gibt. Er hätte sie doch befähigen können, dass sie bloß am Rand des Sees stehen, und dann kämen die Fische gespritzt. Haben Sie nicht auch schon Christenbegegnungen erlebt, bei denen solche Geschichten erzählt wurden? „Wo ich hinkomme, gelingt alles, preis den Herrn!“ Bei den Jüngern Jesu war es nicht so.
Sie waren mutlos, enttäuscht, wollten gerne weiter, besser, größer – aber es gelang ihnen nicht. Sie waren die Alten, die Versager. Und so, wie es immer eine Qual war, dort seinem Beruf nachzugehen, am See Genezareth, so war es auch jetzt, nach der Auferstehung Jesu.
Wenn Sie wieder an Ihrem Arbeitsplatz sind, ist alles wie vorher. Ihre Mütter, Ihre Kinder sind noch genauso problematisch und schwierig wie zuvor, und Ihre Krankheit hat sich auch nicht verändert.
Enttäuschungen und Herausforderungen in der Urgemeinde
Und jetzt lesen Sie einmal weiter im Neuen Testament. Dort finden sich viele Geschichten von Enttäuschungen, doch es wird nicht viel darüber gesprochen. Schon bald in der Urgemeinde gab es furchtbaren Streit, Lügen und Betrug. Ein perfektes Gemeindeleben gibt es im Neuen Testament nicht.
Alle Briefe des Paulus wurden im Streit mit Irrlehrern geschrieben. Eine der wichtigsten Säulen in der Urgemeinde war Jakobus. Er starb im Gefängnis, und Gott hat ihn nicht befreit. Das Besondere daran war, dass es für die ersten Christen keine Enttäuschung war. Für uns ist das eine Enttäuschung, weil wir immer wieder mit größeren Dingen rechnen.
Paulus erlebte viel Ärger mit seinen Begleitern. Johannes Markus zum Beispiel riss gleich aus, als sie in der Provinz Asien anfangen wollten. Er floh heim zur Mutter, weil er Angst bekommen hatte. Auch von anderen Begleitern des Paulus lesen wir ähnliche Geschichten. Trophimus ließ sich krank nach Milet zurückbringen. Warum hat Paulus ihm nicht die Hände aufgelegt und ihn gesund gemacht? Weil es einfach nicht geklappt hat.
Und dann gab es die ständigen Gefangennahmen, bei denen Unrecht geschah. Mindestens zwei Jahre saß Paulus unschuldig im Gefängnis in Caesarea, während die Verantwortlichen den Prozess nur verschleppten. Glauben Sie, Paulus hätte nicht gebetet? Er betete immer wieder. Doch der Herr wollte es anders, und die Reise ging nach Rom.
Überhaupt erlebte Paulus oft, dass sich seine Reiseziele verschoben. Er wollte eigentlich an die Schwarzmeerküste reisen, um dort zu evangelisieren. Doch Gott legte ihm unüberbrückbare Hindernisse in den Weg.
Die Gegenwart Jesu in der Traurigkeit der Jünger
Darum ist es ganz normal, dass die Jünger Jesu auch nach Ostern erschöpft, mutlos und verzagt sind. Ihre Kraft ist am Ende, sie erleben eine Enttäuschung nach der anderen, und die Stimmung ist schlecht.
Dann steht plötzlich Jesus am Ufer. Das ist das Wunder. Doch sie erkennen ihn nicht. Warum erkennen sie ihn nicht? Will Jesus sich nicht zu erkennen geben? Ähnlich wie bei den Emmaus-Jüngern sind ihnen die Augen gehalten. War das Gottes Werk, oder lag es an ihrer Traurigkeit? Wir wissen, wie schwer es manchmal ist, überhaupt zuzuhören, wenn man in Schmerz und Traurigkeit gefangen ist. War es das? Wir wissen es nicht genau. Es gibt viele mögliche Gründe.
Ihre Augen waren gehalten. Sie sehen eine Gestalt, wissen aber nicht, dass es Jesus ist. Oder hat Jesus eine Methode, seine Gegenwart oft so zu verstecken, dass wir sie in den Alltäglichkeiten unseres Lebens nicht bemerken? Sie merken nicht einmal, dass sie schon nah am Ufer sind – nur zweihundert Ellen entfernt. Erst viel später wird ihnen das alles klar.
Man fragt sich, was mit dem Verstand dieser Jünger los war. Schließlich hielten sie sich immer für erfahrene Fachleute im Fischen. Doch selbst dieser Stolz zählt vor Jesus nicht mehr. Sie ahnen nicht, sie wissen nicht, dass Jesus mitten unter ihnen ist – verborgen und unerkannt in ihrer Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit.
Das ist die Osterfreude: Sie begleitet sie in ihre Traurigkeiten und Frustrationen hinein. Und es heißt, dass Jesus seinen Jüngern nachgeht. Keiner hat darum gebetet. Jesus ist von sich aus den Jüngern nachgegangen, weil er wusste, dass unser Glaube oft nur wie ein zitterndes, schwaches, glimmendes Feuer ist. Er entfacht das Feuer wieder neu, lässt es leuchten und brennen, und er geht diesen Jüngern nach.
Das ist der Grund, warum es unberechtigt ist, den Kopf hängen zu lassen, sich zu beklagen oder so zu tun, als ob Gott uns verlassen hätte. Wie sollte Gott seine Treue brechen können? Er kann es gar nicht. Es kann nur sein, dass wir es nicht erkennen und nicht wissen.
Jesu Gegenwart in den dunklen Momenten des Lebens
In den dunklen Augenblicken vor einer Operation, auf einer Intensivstation oder wenn eine schlimme Nachricht kommt, steht Jesus am Ufer – ganz still im Morgengrauen.
Er hat den Tod bekämpft, deshalb ist er am Kreuz gestorben. Er ist Mensch geworden, damit du nie mehr allein sein musst. Damit deine Angst bezwungen wird, deine Einsamkeit durchbrochen und deine Kraftlosigkeit besiegt ist.
Es bleibt in der Geschichte merkwürdig lang das Geheimnis, dass viele es nicht merken. Bei mir hat es oft noch viel länger gedauert als Stunden. Oft habe ich erst Jahre später erkannt, dass dort, wo ich dachte, es sei alles so dunkel, im Grunde schon alles von Jesus gelöst und geklärt war.
Ach, würden wir doch mehr damit rechnen, dass in unserer Finsternis und Dunkelheit die Erde auferstanden ist und ihr Licht leuchten lässt – den Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffenen Licht.
Schick uns diese Morgenzeit, deine Strahlen zu Gesicht. Leuchte hinein in diese Ausweglosigkeit, in diese Dunkelheit.
Jesus deckt die Armut seiner Jünger auf
Jesus steht plötzlich am Ufer und deckt die Armut seiner Leute auf. Ich weiß nicht, wie es ihnen zumut war. Ich vermute, sie hatten auch so einen Parka, der nass von der Nacht war. Immer wieder haben sie mit den Händen tief hineingefasst. Es war kalt, die Stimmung ohnehin schon schlecht, und dann hatten sie nichts zu essen.
Am Morgen, mit der schlechten Laune nach dem Misserfolg, fragt Jesus sie: „Habt ihr nichts zu essen?“ Es ist, als wollte Jesus noch eines draufsetzen. Das war doch die Wunde, und jetzt fasst Jesus noch einmal genau da hinein: „Habt ihr nichts zu essen?“ Das ärgert doch!
Jesus will die Armut seiner Leute aufdecken. Sie können auch bei sich erleben, dass Jesus immer wieder an die wunden Punkte hinfasst. Es ist doch schwer zu sagen: „Ich habe nichts erreicht.“ Fällt es Ihnen leicht, zu sagen: „Ich bin ein Versager“? Können Sie es leicht zugeben: „Ich habe nichts erreicht, es ist mir alles misslungen“?
Ach, wir sind ja so stolz bis in die Knochen, dass wir uns oft noch etwas vormachen vor den Menschen. Sie dürfen es machen, wie Sie wollen, aber vor Jesus ist das Armsein keine Schande. Ich bin so froh, dass uns ein Leben lang das Gefühl nie verlässt, dass wir sündige Menschen sind. Das ist gut so, denn dann drängen wir umso mehr zum Heiland.
Sonst würden wir vielleicht stolz uns zurückziehen und uns unsere Privatreligion zurechtlegen. Wir brauchen doch den Heiland. Und dann ist es gut, dass Jesus uns immer mehr das aufdeckt. Je älter Sie werden, desto mehr wird Jesus Ihnen zeigen, wie Sie ohne ihn nichts mehr machen können und wie Sie auf ihn angewiesen sind.
Die Unfähigkeit der Profis und die liebevolle Zuwendung Jesu
Darum hat Jesus die Fachmänner, die Profis, gefragt. Er zeigt damit, dass selbst Profis nichts können – nicht einmal in ihrem eigenen Fach. Sie können nicht einmal den Fischen kommandieren.
Doch wie liebevoll spricht Jesus! Das ist der Unterschied. Während unsere Kollegen vielleicht immer hämisch sind: „Ha ha ha, du kannst ja nichts, du bist ein Versager!“ So lachen Schulklassen, wenn ein Schüler seine Sache nicht kann und vom Lehrer erwischt wird. Die ganze Klasse lacht befreit über die Schwächen des anderen. Unsere Kinder müssen das oft durchmachen.
Derjenige, der am Reck nicht hochkommt, weil sein Körperbau vielleicht nicht so gelenkig ist, wird vom Gelächter der Kameraden begleitet – das ist Spottgelächter. Bei Jesus ist das ganz anders, wenn unsere Armut und unser Nichtkönnen aufgedeckt werden.
Kinder, ihr Lieben, hört doch auf die Stimme des Vaters, des himmlischen Vaters! Wussten Sie, dass Hochmut im Christentum etwas ganz Furchtbares ist? Im Glaubensleben ist Hochmut sehr schädlich. Er hat ganze Kirchen und Gemeinden vergiftet. Manche waren stolz auf das, was sie konnten, auf ihre Erfolgszahlen. Dabei hat es keinen Wert, wenn man dem Herrn gleichkommt, nur weil man etwas erreicht hat.
Deshalb zerfallen immer wieder alle stolzen Organisationen, so fromm sie auch sein mögen. Der Herr kann so nicht arbeiten. Es war immer das Prinzip unseres Herrn, mit Schwachen und Geringen zu arbeiten – mit Versagenden und Schuldigen.
Wie hat er seinen Jüngerkreis zusammengestellt? Was waren seine Apostel? Glauben Sie wirklich, dass das Reich Gottes heute durch Leute gebaut wird, die alles auf der Schulbank oder aus Büchern gelernt haben? Jesus kann heute nur mit Menschen arbeiten, die sagen: „Ich schaffe es nicht mehr, ich bin am Ende, aber ich rechne mit Jesus.“
Der Jungscharleiter, der sagt: „Ich werde mit diesem schwierigen Typen nicht fertig“, fängt an zu beten. Ich erzähle meinen Konfirmanden immer wieder, dass die schwierigsten Konfirmanden oft später die treuesten Jünger Jesu werden, wenn man am meisten für sie betet. Das ist kein Erfolg unserer Pädagogik, sondern ein Erfolg des Herrn.
Darum deckt der Herr immer wieder auf: „Habt ihr nichts zu essen?“
Das Wirken des Wortes Jesu und die Kraft des Glaubens
Es ist wirklich merkwürdig, wenn Jesus sagt: Werft das Netz aus, und plötzlich ist es voller Fische. Wo waren die Fische eigentlich vorher? Sie waren auch im See. Aber Jesus hat Mittel und Wege, allein in ihrem Leben das zu lösen, was sie nicht lösen können.
Wir haben hier die Fülle, seitdem der Heiland gekommen ist. Das wollen wir offen vor jedem aussprechen und sagen: So ist es, wir sind arme Leute, wir sind schwache Leute. Auch hier wollen wir als Gemeinde in der Spur Ludwig Hofackers bleiben. Dass ich schwach bin, wird er wissen; dass er stark ist, weiß auch ich.
Bei seiner Amtseinführung war Hofacker von großer körperlicher Schwachheit und innerer Verzweiflung über seinen zerbrechenden Leib erfüllt. Doch zugleich empfand er die Freude: Ich habe einen starken Heiland. Sein ganzes Leben war nur so geprägt, dass er von ihm reden wollte. Und genau das hat die Geister in Stuttgart gezogen, nichts anderes.
Im Reich Gottes hat es überhaupt noch nie etwas gegeben, wo Menschen sich gerühmt haben. Und nur so konnte etwas über die Zeit an Einfluss und Bedeutung gewinnen. Wie hat Gott seine großen Werke der Diakonie und Mission begonnen? Mit ganz schwachen Leuten. Wer sich rühmen will, der rühme sich des Herrn.
Ich kann es nicht mehr hören, wie in unseren frommen Kreisen heute das Wort immer von den professionellen Kräften die Runde macht. Glauben Sie denn wirklich, so könnte man Frucht für das Reich Gottes schaffen? Natürlich wollen wir uns mühen und mit größter Verantwortlichkeit alles bestens machen. Aber wir müssen auch dauernd unseren Mangel sehen. Wir merken immer wieder: Wir können arbeiten, wie wir wollen, es bleibt bruchstückhaft.
Doch wir haben einen großen und starken Herrn, der gebieten kann – nicht bloß über die Fische im See Tiberias, sondern auch über Geld, Menschen, Widerstände, Hindernisse, Gefahren und Krankheiten. Unter den Sendschreiben der Offenbarung steht bei der Gemeinde von Laodizea: Wir sind über den Trümmerhügel von Laodizea gelaufen. Du meinst, du seist reich. Ja, sie dachten, sie hätten eine tolle Werbeabteilung und anziehende Gottesdienste – wie das heute immer heißt. Aber dem ist nicht so.
Es lautet: Du weißt nicht, dass du arm, jämmerlich, blind und bloß bist. Wenn wir das glauben würden, würde bei uns etwas laufen, und wir hätten das gute Programm? Nein, wir brauchen einen Herrn, einen ganz starken Herrn. Und wir wollen nie vergessen, dass wir Angst haben, ob wir es überhaupt durchbringen und ob wir richtig Zeugnis geben können von dem Herrn.
Jesu Segen trotz menschlicher Schwäche
Jesus legt den Finger auf die Armut seines Volkes, doch am Ende will er seine Leute segnen. Was hat Jesus seinen Jüngern nach der Auferstehung eigentlich mitgegeben? Er war da, hat die Macht des Todes zerbrochen – was wollten sie mehr? Es gibt keine Dunkelheit mehr. Aber er hat seine Leute nie zu Supermenschen gemacht.
Heute redet man viel von Gaben. Warum hat Jesus seine Jünger nicht zu Übermenschen gemacht? Zu Menschen, die man im Gefängnis quälen kann, die sagen: „Tut nicht weh!“ Menschen, die nie seelische Tiefen erleben, nie verzweifelt sind und nie mit Anfechtungen kämpfen müssen. Warum hat Jesus das nicht getan?
In den Straßen unserer Diakoniestadt fahren Autos, und Krankenpflegekräfte arbeiten mit großer Kraft. Gott sei Lob und Dank! Aber unser Herr tut es nicht auf diese Weise. Es sind schwache Menschen, nicht besser als die vom Roten Kreuz. Doch der Herr, der dahintersteht, ist das Geheimnis in allem Dienst. Nie waren es die Menschen allein, es war immer der Herr.
Wie kommt dieses Bekenntnis plötzlich? Es ist der Herr! Johannes hat zuerst gewünscht: „Es ist der Herr!“ Hoffentlich ist heute, am Tag nach Ostern, der Herr da, tröstet sie, macht sie fröhlich, gibt ihnen Mut zum Zeugnis und schenkt ihnen Glauben – der Herr!
Was hat Jesus seinen Boten mitgegeben? Nur sein Wort? Komisch, keine besonderen Gaben. Sie sahen nicht schicker aus als die anderen. Paulus erzählt, sie kämen daher wie der Abschaum der Welt. Er selbst wäre gern ein Supermann gewesen, wie ein Preisboxer oder ein Karate-Jüngling. Aber er war es nicht. Er war ein ganz schwacher Mann, dessen Gestalt abstoßend war.
Doch sie hatten das Wort Jesu. Und was war das Wort? „Werft eure Netze aus!“ Sehr interessant: Die Worte Jesu sind voller Kraft und Power. „Meine Worte sind Geist und Leben“ – damit ist der Heilige Geist gemeint.
Wir haben die Kraft Gottes nur in seinem Wort, das so schlicht verkündet wird und doch ein ganzes Leben revolutioniert. Dieses Wort rettet verlorene Menschen und macht sie selig. Es wirkt nicht nur bei den Fischen im See Genezareth, sondern noch viel mehr im Herzen der Menschen.
Die Bedeutung der Wortverkündigung und der Gehorsam
Was hat dieses Wort Jesus schon bewirkt?
Man sieht den ganzen Krebsschaden in unserer Kirche daran, dass alle meinen, sie könnten das Wort Jesu verkürzen, verändern, umgestalten oder zeitgemäß machen. Nein, lasst doch das Wort einfach verkündigt sein! In diesem Wort sind Geist und Leben.
Hören Sie auf sein Wort und machen Sie es sich zur festen Gewohnheit, nach diesem Oster-Herr zu rufen: „Ich will hören“, so wie ein Jünger auf sein Wort hört. Dann haben Sie einen Weg, auf dem Sie sicher treten können – heute und an allen Tagen.
Das Wort weist den Weg auch durch die Finsternisse unserer Welt und durch die Ängste. Frau Gerhard sagt es so schön: Das Morgenlied spricht ja zu meinen Taten: „Hilf selbst das beste Raten.“ Natürlich weiß ich morgens oft nicht, wie alles werden soll. Aber ich bitte: Herr, jetzt kannst du mich führen wie einen blinden Gaul. Gib mir die Gabe, zu erkennen, wie du es willst.
Das ist ein Modell – das einzige Gemeindemodell, das mir gefällt: Menschen, die auf das Wort Gottes hören und sich vom Herrn leiten lassen. Ich weiß oft nicht, ob wir heute nicht zu sehr den Gottesdienst, die Lieder und neue Modelle formen. „Jetzt müssen wir das machen und jenes, und jetzt kommt das zum Gemeindewachstum.“
Lasst das Wort Gottes reichlich in eurer Mitte wohnen! Lasst das Wort in der Mitte sein! Der Herr wird euch Ideen geben, wie ihr es nett und charmant machen könnt, wie es fröhlich zugeht bei euch und wie ihr doch eine Ordnung findet. Weihe eure schwache Kraft dem Herrn, und dann werdet ihr erleben, wie er euch die Türen öffnet zu Menschen, an die ihr gar nicht gedacht habt.
Die missionarische Ausstrahlung ist nicht unsere Grafik und auch nicht unser flotter Text, den wir auf unsere Zettel drucken. Es ist der Herr, der vor uns vorangeht. So konnten diese Apostel wirken. Es ist der Herr, der auferstandene, mächtige Herr, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gehört.
„Gebrauche mich, Herr! Nimm meine Armut, meine Schwäche und meine Verlegenheit und mach du deinen Sieg daraus.“ Das macht der Herr: Er macht Schuldige gerecht, Ängstliche mutig, Verzagte brauchbar, Unbegabte geeignet. Ein Mose, der nicht reden konnte, verkündet das Wort Gottes.
Und wenn man dann erkennt, dass es der Herr ist – Sie wissen doch, wie das ist: Da ist er wirklich da. Ich habe ihn zuerst gar nicht erkannt. Am Ufer stand er. Es war Jesus. Ich habe ihn erst erkannt, weil sein Wort mich beschämt hat mit seiner durchschlagenden Wirkung.
Die Kraft Jesu gegen Traurigkeit und Verzweiflung
Weicht, ihr Trauergeister! Denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein!
Ich kann es doch nicht fertigbringen, einen Verzweifelten zu trösten. Meinen Sie, wir könnten einen Menschen von der Finsternis zum Licht bekehren? Ich habe gestern gesagt, wir können uns ja nicht einmal gegenseitig einfachste Dinge abgewöhnen. Viele Eheleute versuchen einander noch so einige Macken abzugewöhnen, doch es gelingt einfach nicht.
Der einzige, der Herzen bekehren kann – und das merkt man auch in der Erziehung, wie machtlos man ist – ist der auferstandene Herr Jesus Christus. Er hat Macht! Johann Hermann hat es schön in dem Lied vorhin gesagt: Wie tief auch Kreuz, Trübsal oder Pein, mein Heiland greift allmächtig drein.
„Reißt mich heraus mit seiner Hand, wer mich will halten wird zu Stand.“
Verschiedene Temperamente unter den Jüngern und ihre Einheit im Glauben
Hätten Sie einen Krankenbesuch bei dem Mann machen wollen, der unter schrecklichen Gichtschmerzen litt? Der Heiland hat ihn herausgerissen und zum großen Jubelsänger gemacht – er, der Heimatvertriebene, der in polnischen Lissa nur noch seine Heimat fand.
Petrus hat sich ins Wasser gestürzt und ist losgekrault. Es war sein Temperament. Johannes blieb im Boot und versorgte die Fische. Es gibt verschiedene Temperamente unter uns. Es ist auch schön, dass das so bleibt. Wir werden nicht alle gleich geformt.
Die Jünger Jesu sind ganz verschiedene Menschen. Doch was sie eint, ist das Hören auf den Herrn. Es ist der Herr, um den sie sich versammeln. Zur Einheit der Christen braucht es nicht mehr und hat es auch nie gebraucht, als wenn wir gemeinsam sagen: „Dem gehören wir und dem folgen wir.“
Und wenn wir in ganz verschiedenen Gruppen aufgeteilt sind, in unterschiedlichen Konfessionen, so ist es doch der Herr, dem wir dienen und dem wir gehören. Dort erleben sie, wie er ihnen den Tisch deckt. „Kommt, haltet das Mahl!“ – und sie dürfen noch erleben, wie Jesus sich selbst für sie hingibt, für dich in den Tod gegeben.
Wie gut, dass Jesus alle Tage bei uns ist – als der Schenkende, Wirkende, Aufrichtende und Mutmachende bis an der Welt Ende. Amen!