Fortsetzung und Ausblick der Geschichte
In der letzten Woche haben wir uns das zweite Kapitel angeschaut. Dieses Kapitel endet mit Vers 23, in dem es heißt: Ruth hielt sich bei den Mägden des Boas auf, um Ähren aufzusammeln, bis die Gerstenernte und die Weizenernte beendet waren. Danach blieb sie zuhause bei ihrer Schwiegermutter.
Gottes Wort sagt uns also, dass eine junge Frau bei ihrer kinderlosen Schwiegermutter bleibt. Das ist nicht nur eine einfache Information, die jeder kennt, der die ersten zwei Kapitel gelesen hat. Vielmehr möchte uns Gottes Wort etwas damit sagen: Eine junge Frau bleibt bei ihrer kinderlosen Schwiegermutter.
Im letzten Vers von Kapitel zwei steckt noch mehr. Er soll den Leser neugierig machen und dazu anregen, nicht aufzuhören, denn die Geschichte ist noch nicht vorbei. Es gibt noch mehr zu entdecken. Was das genau ist, sehen wir in Kapitel drei, das wir in der Lesung gehört haben. Ich werde den Text jetzt nicht noch einmal komplett vorlesen.
In Kapitel drei finden wir besonders die Interaktion zwischen Ruth und Boas – Mann und Frau. Aber es handelt sich bei dieser Geschichte zwischen Ruth und Boas nicht um einen weiteren Liebesroman von dem Bestsellerautor Nicholas Sparks. Ich denke, einige Damen kennen diesen Herrn, der ein Händchen dafür hat, für Frauen interessante Liebesromane zu schreiben.
Kapitel drei im Alten Testament, im Buch Ruth, hat jedoch einen ganz anderen Hintergrund. Es ist nicht einfach ein Liebesroman, in dem sich zwei Gleichaltrige treffen, sich verlieben, sich sympathisch finden, zusammenkommen und am Ende alles nett ist.
Die heilige Unruhe und der Weg zur Lösung
In Kapitel drei begegnen wir Naomi, der Schwiegermutter, sowie Ruth, ihrer Schwiegertochter, und Boas, einem angesehenen und reichen Mann.
Was wir in diesem Kapitel sehen, ist keine gewöhnliche Begebenheit. Es zeigt, wie diese Personen zusammenkommen und miteinander ins Gespräch kommen. Dabei entsteht eine besondere Unruhe, die man als eine heilige Unruhe bezeichnen kann.
Gemeinsam erkennen alle Beteiligten einen Hoffnungsschimmer. Es gibt Hoffnung für ihr Leben, für jede einzelne Person. Alle drei interagieren miteinander, um eine Lösung zu finden.
Dabei wird deutlich, dass die angestrebte Lösung nicht so einfach zu erreichen ist, wie man es sich vielleicht wünschen würde. Auf dem Weg zur Lösung erkennen Naomi, Ruth und Boas, dass der Weg zum Ziel steinig ist. Es gibt Hindernisse, und unerwartete Schwierigkeiten treten auf.
Es scheint, als würde der Plan, den sie sich gemacht haben, zunichtegemacht, als würde er zerbrechen. Deshalb wird gemeinsam um Lösungen gerungen, um wieder in ein geordnetes Leben zurückzufinden, in dem Segen erfahrbar wird.
Im wahrsten Sinne des Wortes geht es darum, zur Ruhe zu kommen. Dieses Thema zieht sich immer wieder durch das Buch Ruth: das Ankommen und das Finden von Ruhe.
Naomis veränderte Haltung und der Ruf zur Fürsorge
In Vers 1 lesen wir im Kapitel 3: Naomi sagte zu Ruth, ihrer Schwiegertochter: „Meine Tochter, sollte ich dir nicht einen Ruheplatz suchen, damit es dir gut geht?“
Es ist eine sehr interessante Rede von Naomi. Es ist das zweite Mal im Buch, dass sie von sich aus das Gespräch beginnt. Beim ersten Mal, als sie mit Ruth sprach, war sie noch ganz anders eingestellt. Auch damals ging es um Ruhe. Doch sie sagte: „Geh weg von mir und finde Ruhe in deinem Heimatland, im gottlosen Moab. Möge dich Jahwe, der Gott Israels, in Moab segnen.“
Das erscheint paradox. In Naomi hat sich etwas verändert, das wird in diesen Sätzen deutlich. Es geht nicht mehr darum, dass Ruth weggehen soll und Ruhe finden soll. Stattdessen hat sich die Dynamik komplett gewandelt. Naomi fragt nun: „Sollte ich mich nicht um dich kümmern? Sollte ich nicht jetzt etwas für dich tun?“
Für uns mag es selbstverständlich sein, dass Eltern sich um ihre Kinder kümmern. Doch wenn man Noomis Geschichte betrachtet, vor allem ihr Seelenleben und ihr emotionales Erleben, ist es ein großer Schritt, dass sie endlich aus ihrer Isolation und ihrem Selbstmitleid heraustritt. Sie geht auf Ruth zu und sagt, dass sie gerne etwas für sie tun möchte. Sie will, dass Ruth Ruhe findet, und zwar wirklich Ruhe.
Zum ersten Mal, so wie es in Ruth 1,9 heißt, wünscht Naomi ihren Schwiegertöchtern, dass sie Ruhe finden, jede in dem Haus ihres Mannes, in ihrem zukünftigen Zuhause in Moab. Nun verweist Naomi auf den wahren Ruheplatz. Sie hat einen klaren Blick dafür, wo man wirklich Ruhe finden kann. Es ist nicht irgendwo, sondern dort, wo Gott wohnt, wo Gott präsent ist und wo Gott einen Weg begonnen hat.
Naomi tritt nicht erneut zurück und sagt: „Lasst uns irgendwo Glück oder Ruhe finden.“ Stattdessen schlägt sie vor: „Lasst uns schauen, wo Gott uns schon begonnen hat zu segnen. Vielleicht hält er dort noch mehr für uns bereit.“
Die Überwindung von Bitterkeit und Isolation
Viele Menschen erleben zu Beginn einen Segen von Gott und merken, dass Gott plötzlich in ihr Leben tritt. Doch oft scheitern sie beim zweiten Schritt, weil sie denken: „Ach, das schafft Gott nicht, das kriegt er nicht hin, ich muss es selbst probieren.“
Naomi ist weise geworden und hat gelernt, dass ihre Schwiegertochter wirklich ankommt und sich ausruhen kann. Was hat sich in Naomi verändert? Warum war sie im Kapitel davor noch so hart zu ihrer Schwiegertochter, und jetzt ist sie so herzlich?
In der letzten Woche haben wir gehört, wie Ruth zu Naomi gegangen ist und ihr gesagt hat: „Weißt du was? Du hast hier sozusagen nur gesessen und nichts für unseren Lebensunterhalt getan. Aber ich habe so viel bekommen, und ich behalte das nicht nur für mich, sondern ich teile es mit dir.“
Naomi erlebt Gottes Liebe und Gnade durch Ruth. Ruth wird zu einem Kanal für die Gnade Gottes, und Naomi erfährt diese Gnade. Dadurch bekommt sie einen neuen Blick auf Gott. In Kapitel zwei sagt sie: „Gott hat seine Gnade nicht entzogen den Lebenden.“
Plötzlich spricht sie von einer Mehrzahl: Ruth, du und ich, nicht mehr ich allein, isoliert. Sie erkennt, dass Gott gnädig zu ihr und zu ihnen allen ist. Ihre Augen öffnen sich, ihre Bitterkeit verschwindet, sie tritt aus der Isolation heraus und geht auf ihren Nächsten zu.
Das ist im Prinzip der Unterschied zwischen Bitterkeit und Nichtbitterkeit: Bitterkeit isoliert. Wenn wir uns von der Bitterkeit abwenden, dann werden nicht nur wir selbst wieder ein fröhliches Herz haben, sondern auch andere werden erleben, dass wir eine neue Beziehung zu ihnen aufbauen.
In Hebräer 12,15, einem Vers, den viele schon kennen, heißt es: „Achtet darauf, dass nicht irgendeine Wurzel der Bitterkeit aufsprosst und euch zur Last wird und durch sie viele verunreinigt werden.“ Es geht also nicht nur um dich, sondern auch um andere.
Eine andere Übersetzung sagt: „Lasst nicht zu, dass aus einer bitteren Wurzel eine Giftpflanze hervorwächst, die Unheil anrichtet, sonst wird am Ende noch die ganze Gemeinschaft in Mitleidenschaft gezogen.“ Bitterkeit wirkt wie ein schwarzes Loch, das andere mit hinunterzieht.
Wenn man das erkennt und merkt: „Ich bin zu Unrecht bitter, Gott ist nicht gegen mich, Gott möchte mich weiterhin segnen“, dann ist es unsere Aufgabe – wie bei Naomi – von dieser Bitterkeit umzukehren und neue Wege zu gehen. Es geht nicht darum, andere herunterzuziehen.
Man wird merken, wenn man wirklich umkehrt und vor Gott erkennt: „Ich habe etwas Falsches über dich gedacht, ich dachte, du willst es immer schlecht mit mir“, dann verändert sich das Leben. Eine innere Herzenswandlung findet statt. Man erlebt eine Verwandlung in sich.
Dann wird man merken: Ich bin anders zu Gott, ich habe eine offene Kommunikation mit ihm und auch zu meinen Mitmenschen. Es gibt einen Satz: „Wenn du umkehrst, dann zeig auch die echten Früchte deiner Umkehr.“ Wahre Umkehr wird sich zeigen und einen Effekt haben.
Das sehen wir bei Naomi. Sie beginnt, Menschen zu lieben und ihnen zu dienen. Und beachtet, dass Ruth in ihrer Situation längst hätte sagen können: „Ich habe kein Interesse, ich habe keine Lust mehr auf dich.“ Sie hätte Naomi auf den Mond schießen können.
Aber Ruth bleibt hartnäckig. Ich nenne das eine göttliche Hartnäckigkeit. Sie akzeptiert nicht, dass Naomi in ihrer Isolation und Bitterkeit sitzen bleibt. Stattdessen bleibt sie liebevoll hartnäckig.
Gottes Wort und die liebevolle Hartnäckigkeit gegenüber Naomi
Und diese Hartnäckigkeit wird nicht nur durch Ruth dargestellt, durch ihr Handeln, sondern auch durch den Bibeltext selbst. Könnt ihr euch erinnern? Naomi sagt: „Er nennt mich nicht mehr Naomi, sondern Mara, nennt mich die Bittere.“
Was macht der Bibeltext, nachdem sie das über sich sagt? Es ist oft in der Bibel so, dass Menschen durch Erlebnisse neue Namen bekommen, die ihre Lebenssituation beschreiben. Von da an werden sie so genannt. Abraham hieß früher Abram. Diese kleine Namensänderung bringt eine Sinnveränderung mit sich, und von da an wird er Abraham genannt. Petrus wurde früher Simon genannt, jetzt wird er immer Petrus genannt – und so weiter und so fort. Es gibt unzählige Beispiele.
Naomi sagt: „Ich heiße jetzt Mara.“ Doch die Bibel erwähnt sie nicht einmal mit dem Namen Mara. Es ist, als ob Gottes Wort sich gegen unser Aufbegehren, gegen unser negatives Reden über uns selbst stellt. Es sagt: „Ich akzeptiere nicht, dass du so über dich sprichst. Auch wenn du sagst, du bist bitter, du sollst nicht bitter sein.“
Wir lesen den Text die ganze Zeit so, dass sie in der Bitterkeit sitzt. Es ist Naomi. Dann spricht sie plötzlich in ihrer Bitterkeit – die Bibel sagt: „Naomi spricht.“ Das ist, als ob Gott in seinem Wort zeigt: „Ich sehe schon das Ende, ich sehe das Ziel, ich sehe, was ich mit dir machen möchte, auch wenn du noch in deinem Tiefpunkt bist.“
Wir kennen das oft: Wir haben bestimmte Definitionen über uns selbst, legen uns eine Selbstverurteilung auf – manchmal selbst, manchmal auch andere. „Ach, du bist immer so und so.“ Das wird wie eine Selbstfestlegung, eine Art Gefängnis. Wir definieren uns nur über dieses Gefängnis.
Wenn Gott mir eine charakterliche Sünde in meinem Leben zeigt, darf ich nicht den Fehler machen, wenn ich von dieser Sünde abkehren möchte, dass ich in den Wochen und Monaten danach, wenn ich Besserung erfahre und Gnade Gottes erlebe, immer noch mit mir herumtrage: „Ich bin so und so und so und so.“ Nein, das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Gottes Wort begegnet Naomi schon in dem Neuen, das noch nicht sichtbar ist, aber jetzt wird.
Wir erleben bei Ruth eine Hartnäckigkeit gegenüber Naomi. Und wir erleben bei Gottes Wort gegenüber Naomi eine Hartnäckigkeit – eine liebevolle Hartnäckigkeit. Was sagt uns das? Wir sollen hartnäckig sein!
Wenn uns Leute blöd kommen, aufgrund ihrer eigenen Bitterkeit, und uns runterziehen wollen, dann lieben wir sie und sind gut zu ihnen. Wir lassen uns vom Bösen nicht überwinden, sondern überwinden das Böse mit Gutem. Das ist das, was Ruth tut. Das ist das, was Gottes Wort literarisch über Naomi tut. Sie überwindet. Gottes Wort überwindet die Bitterkeit.
Naomi kehrt schließlich zu ihrer alten Identität zurück. Naomi bedeutet „Lieblichkeit“. Sie kehrt zurück zu ihrer wahren Identität – und das ist das, was Gott mit uns tun möchte. Er möchte uns in unsere wahre Identität führen.
Der Plan zur Annäherung an Boas
In den Versen zwei bis vier heißt es: „Und nun ist Boas, mit dessen Mägden du zusammen warst, unser Verwandter. Siehe, heute Abend wälzt er auf der Tenne die Gerste.“ Daraufhin sagt Naomi zu Ruth: „Bade dich, salbe dich und lege deine besten Kleider an!“
Man könnte sagen, Naomi fordert Ruth auf: „Komm, mach etwas aus dir! Es ist nicht schlimm, wenn du attraktiv aussiehst. Du musst nicht abstoßend wirken. Nimm ein bisschen Parfüm, wenn es sein muss, schmink dich und geh zu ihm. Du sollst Eindruck machen.“ Gleichzeitig warnt sie Ruth, dass sie sich von Boas nicht bemerken lassen soll, bis er mit Essen und Trinken fertig ist.
Weiter heißt es: „Wenn er sich hinlegt, merke dir die Stelle, wo er sich hinlegt. Geh hin, decke sein Fußende auf und leg dich dort hin.“ Naomi möchte, dass Ruth jetzt aktiv wird. Boas scheint Interesse an ihr zu haben, aber es muss jetzt in der Beziehung weitergehen.
Ich finde es spannend, denn eigentlich ist das Männerbild im Alten Testament sehr stark geprägt. Männer sollen vorangehen und oft auch diejenigen sein, die fragen: „Frau, willst du mich heiraten?“ Doch hier zeigt sich eine kleine Ironie im Text. Männer haben es manchmal schwer zu verstehen, was jetzt dran ist. Die Frauen schmieden Pläne und überlegen, wie sie Boas auf die Sprünge helfen können, damit er weiß, was zu tun ist.
Manche werden schmunzeln oder nicken, weil sie wissen, was ich meine: Männer brauchen manchmal lange, um etwas zu verstehen und endlich zu handeln. Hier sehen wir, dass Frauen im Alten Testament den Männern helfen, um weiterzukommen.
Man könnte sagen, das ist doch rein menschliches Verhalten, oder? Schließlich sprechen wir hier über Gottes Wort. Sollte Naomi da nicht sagen: „Komm, jetzt beten wir und fasten wir“? Das wäre doch die fromme Antwort, die wir erwarten würden.
Stattdessen sagt sie: „Mach dich schick, zieh etwas richtig Gutes an und du sollst gut duften.“ Ist das die fromme Antwort, die wir erwarten? Man könnte meinen, das ist rein menschlich gedacht. Könnte man.
Wenn wir uns jedoch die Situation und die Konstellation zwischen den beiden anschauen, sehen wir, dass Naomi etwas forciert, was aus menschlicher Sicht unmöglich ist. Selbst mit diesen Mitteln wirkt es unmöglich.
Boas ist älter als Ruth. Er ist ein angesehener Mann, während Ruth aus Moab stammt. Die Moabiterinnen galten im Alten Testament als bekannt für sexuelle Zügellosigkeit und Götzendienst. Gleichzeitig ist Boas ein gottesfürchtiger Mann, wie wir in der letzten Woche gesehen haben.
Diese Dinge passen auf den ersten Blick nicht zusammen. Es gibt große Vorurteile gegenüber Ruth, die einfach im Raum stehen. Wie sollen diese Gegensätze zusammenkommen?
Ein normales Kennenlerngespräch, wie wir es kennen, ist hier auch nicht möglich. Ruth kann nicht einfach aufs Feld gehen und zu Boas sagen: „Junge, wir müssen reden, lass mal Eis essen.“ Das ist in dieser Kultur nicht einfach, vor allem nicht in der sozialen Stellung, in der sich Ruth gerade befindet.
Das ist für uns schwer zu verstehen, weil wir denken: „Frauen sind doch selbstbestimmt und gehen einfach auf Männer zu und sagen, was Sache ist.“ Ja, aber es funktioniert dort anders.
Deshalb macht sich Naomi einen Plan. Vielleicht ist er ein bisschen menschlich. Aber ich denke, der Text möchte Naomi dafür loben, dass sie das Unmögliche forciert und darauf vertraut, dass Gott das Unmögliche möglich machen kann.
Wir sollen nicht nur in unseren Kategorien denken und gleich sagen: „Ach Ruth, bis hierhin war es ganz gut, Gott hat dich versorgt, aber jetzt sollten wir Schluss machen. Wir sollten Gott nicht überstrapazieren.“
Naomi sagt: „Gott kann mehr tun.“ Und dann nutzt sie eben diese Methoden, wie auch immer.
Manche denken vielleicht, das sei ein unreines Vorgehen. In der Nacht kommt eine Frau zu einem Mann und soll bei ihm liegen. Der Text macht jedoch deutlich, dass es hier nicht darum ging, zu flirten oder etwas zu tun, wie man es heute vielleicht machen würde, wenn man nachts zu jemandem geht, um mit ihm zu sprechen.
Naomi sagt ganz klar: Beziehe ihn nicht mit ein, sondern leg dich an seine Füße. Dort sollst du sein und dann hören, was er sagt.
Ruths mutiges Handeln und die Begegnung mit Boas
Wir sehen im weiteren Verlauf des Textes, auch im nächsten Kapitel – das werden wir bei der nächsten Predigt hören –, dass erst ab Kapitel 4, Vers 13, als sie unter Zeugen geheiratet haben, es heißt: Boas ging zu Ruth hinein und sie interagierten miteinander.
In den Versen 5 und 6 sagt Ruth zu Naomi: „Alles, was du sagst, will ich tun.“ Sie ging zur Tenne hinab und tat nach allem, was ihre Schwiegermutter ihr befohlen hatte.
Ruth hat eine Menge zu verlieren. Vielleicht kennt ihr das auch aus euren jüngeren Jahren: Man überwindet sich, traut sich zu sagen, „Ich habe dich gern, ich will etwas von dir.“ Und man weiß, entweder es klappt, oder man geht ganz schlecht aus der Sache heraus.
In ihrer Situation – ich habe es eben schon erzählt, wegen ihres sozialen Standes – ging es nicht nur um eine persönliche innere Blamage. Es ging um viel, viel mehr. Sie musste sehr, sehr viel riskieren, um diesen Schritt zu tun.
Es ist spannend, dass sie in Naomi die Veränderung sieht. Sie erkennt, dass Naomi Gott zugewandt ist und diesem Plan vertraut. Und auch das wagt etwas Unmögliches: Eine Frau fragt den Mann, eine Jüngere den Älteren, eine Feldarbeiterin den Feldbesitzer. Hier wird alles auf den Kopf gestellt, was zu damaliger Zeit eine Unmöglichkeit war.
Wir sehen, dass Ruth alles tut, was Naomi gesagt hat. Aber sie geht noch einen Schritt weiter, über das hinaus, was Naomi ihr geraten hat.
In den Versen 7 bis 9 heißt es: „Als Boas nun gegessen und getrunken hatte und sein Herz fröhlich wurde, kam er, um sich am Ende des Getreidehaufens hinzulegen. Da kam sie leise, deckte sein Fußende auf und legte sich hin. Und es geschah um Mitternacht: Der Mann erwachte, beugte sich vor und sah, dass eine Frau an sein Fußende gelegt hatte. Er fragte: ‚Wer bist du?‘ Sie antwortete: ‚Ich bin Ruth, deine Magd. Breite den Saum deines Gewandes über deine Magd aus, denn du bist Löser.‘“
Warum das Fußende? Wenn das Fußende aufgedeckt wird, wird es irgendwann kalt. So simpel ist das. Man merkt, dass es kalt wird, wacht auf und fragt sich, warum es plötzlich so kalt ist.
Ich finde Ruth total interessant. Sie überlässt nichts dem Zufall. Sie ist sehr konkret, hat eine klare Ansage und lässt nichts vage.
Für uns klingt das vielleicht bildlich, wenn jemand sagen würde: „Breite den Saum deines Gewandes über mich aus.“ Aber die Ausbreitung des Gewandes eines Mannes über eine Frau war damals so etwas wie ein Verlobungsakt. Es war vergleichbar damit, wenn ich zu meiner Angetrauten gehe und ihr den Ring reiche, den sie ansteckt. Ein sehr konkreter Schritt in der Antike.
Dann sagt sie zu ihm: „Du bist Löser!“ Das ist ein Begriff, der immer wieder im Buch auftaucht, auch schon letzte Woche. Ich hatte ihn damals nicht erklärt.
Wenn man das liest und die Kultur nicht kennt, fragt man sich: Was ist das überhaupt, ein Löser?
Jemanden zu lösen bedeutet, ihn zu befreien, loszukaufen, zu retten, zu erlösen. Das Gesetz in Israel verpflichtete Familienmitglieder, einen in Not geratenen Verwandten aus seinen schlechten Umständen zu befreien, ihn zu lösen.
Wenn zum Beispiel dein Bruder versklavt wurde, war es deine Pflicht als Bruder oder als nächststehender Verwandter, ihn freizukaufen, zu lösen und aus seiner misslichen Lage zu erretten.
Das Alte Testament wollte nicht, dass jemand einsam, allein oder isoliert bleibt, sondern dass jedem geholfen wird. Das war mosaisches Gesetz im Alten Testament: ein sehr starker Gemeinschaftssinn, der sicherstellen sollte, dass niemand verloren geht und die Familie ihrer Verantwortung gerecht wird.
Jetzt kommt Ruth zu Boas und sagt nicht einfach „Hör auf das, was er sagt.“ Sie sagt: „Du bist Löser. Wir beide, du und ich. Du bist die Person, die mich aus meiner Situation erretten soll – nicht nur mich, sondern auch Naomi.“
Boas wird aktiv und erkennt Ruths Charakter
Und dann passiert etwas Spannendes, was ich sehr interessant finde: Ab da redet Ruth nicht mehr. Jetzt wird Boas aktiv. Er bekommt ein wenig Unterstützung, sodass er einen Gedanken nach dem anderen fassen kann. Er spricht, macht Pläne und versorgt sie mit Gerste. Man merkt, dass der Mann plötzlich aktiv geworden ist – endlich schläft er nicht mehr. Ruth zieht sich sozusagen zurück, hört einfach zu und schweigt.
Das finde ich super. Das sind weise Frauen, die ihren Männern helfen, die Führung zu übernehmen. Ruth nimmt ihm quasi die Hand. Wahrscheinlich hat Boas, als er seinen Freunden davon erzählt hat, gesagt: „Boah, ich war so aktiv, was ich für Ideen hatte, das glaubst du gar nicht.“ Und Ruth kann schweigen und die Situation still genießen.
In Vers 10 und 11 heißt es: „Da sagte er: Gesegnet seist du von dem Herrn, meine Tochter! Du hast deine letzte Treue schöner erwiesen als die erste, indem du nicht den jungen Männern nachgelaufen bist, sei es armen oder reichen. Und nun, meine Tochter, fürchte dich nicht, alles, was du sagst, werde ich für dich tun.“
Das Volk erkennt alles. Am Tor, ich sage mal dort, wo die Gemeinde zusammenkommt – sozusagen der Dorfplatz, heute würden wir sagen bei Facebook – sehen alle, dass du eine tüchtige Frau bist. Man könnte sagen: „Boah, das ist ein ganz schöner Pascha. Ich sehe, sie ist fleißig. Die könnte meinen Haushalt schmeissen. Das ist eine richtig gute Hausfrau.“ Lianglich-Bels, das ist gut für mich.
Aber ich glaube, man würde dem Text und auch der Herzenseinstellung von Boas Unrecht tun, wenn man das so einfach sieht. Er sieht in dieser Frau nicht einfach nur ein fleißiges Ding, das er benutzen und gebrauchen kann. Unser Text zeigt: „Gesegnet seist du.“ Man kann das Hebräische auch so übersetzen: „Gesegnet bist du.“ Er sieht, dass sie gesegnet ist, und zwar von niemand anderem als Jahwe, dem Gott Israels.
Er sagt: Wenn ich dich sehe, dann sehe ich, dass Gottes Hand in deinem Leben wirkt. Dass Gott lebendig ist in deinem Leben, dass Gott nicht fern ist. Ich sehe, dass du eine gesegnete Frau von Gott bist. Das ist das Erste, was er zu sagen weiß – nicht: „Oh, du riechst gut“ oder „Was für Kleider hast du eigentlich an?“, sondern: „Ich sehe, dass du eine gottesfürchtige Frau bist.“ Das beschreibt er dann mit dem Wort „tüchtig“.
Da denken wir natürlich zuerst: Okay, sie kann malochen, ja, sie kann arbeiten. Aber dieses Wort „tüchtig“ möchte uns eigentlich noch mehr sagen. Er sieht in ihr nicht nur eine Arbeitswillige, sondern eine Frau, die Gottes Weisheit in der Praxis umsetzt.
Die tüchtige Frau als Vorbild
Und jetzt schauen wir uns ein paar Verse aus dem Buch Sprüche an, dem Weisheitsbuch schlechthin. Das letzte Kapitel beschreibt die tüchtige Frau. In Sprüche 31,10 heißt es: „Eine tüchtige Frau, wer findet sie? Weit über Korallen geht ihr Wert.“
In Vers 29 steht: „Viele Töchter haben sich als tüchtig erwiesen, du aber übertriffst sie alle.“ Und in Vers 31 heißt es: „Gebt ihr von der Frucht ihrer Hände, also das, was sie gewirkt hat, gebt ihr davon.“
An den Toren, sozusagen auf dem Dorfplatz, wo man darüber spricht, sollen ihre Werke sie rühmen. Ruth ist eine Sprüche 31-Frau in Aktion.
Wenn wir jetzt die hebräische Bibel in unserer Hand hätten – die Bücher sind dort nämlich etwas anders geordnet – wäre das sehr interessant. Du liest das Buch Sprüche, blätterst, blätterst, bis du zu Sprüche 31 kommst. Dort liest du von der tüchtigen Frau, deren Wert weit über Korallen geht. Man soll sie an den Toren rühmen, sie soll bekannt sein für ihre Tüchtigkeit und dafür, dass sie Gottes Wort befolgt.
Wenn du dann weiterblätterst in der hebräischen Bibel, welches Buch folgt dann? Ruth. Plötzlich lernst du Ruth kennen. Du liest Kapitel 3 und hörst, wie Boaz sagt: „Du bist gesegnet vom Herrn, du bist eine tüchtige Frau.“
Ruths guter Ruf kommt nicht durch ihre Äußerlichkeit, sondern durch ihr Herz, durch ihre innere Einstellung. Auch wenn uns die Medien oft etwas anderes berichten: Schönheit ohne Charakter ist nutzlos.
In Sprüche 31,30 heißt es: „Trügerisch ist Anmut und nichtig die Schönheit, also vergänglich. Eine Frau aber, die den Herrn fürchtet, die soll man rühmen.“
Ich weiß nicht, ob ihr das schon mal erlebt habt – vielleicht habe ich das schon einmal erzählt: Immer wenn ich Frauen kennenlerne, die äußerlich attraktiv sind, und ich mit ihnen ins Gespräch komme, wird ihr Inneres durch ihre Worte immer deutlicher. Wenn diese Frauen dann einen schlechten Charakter zeigen, verändert sich mein Blick auf sie enorm. Obwohl sie objektiv betrachtet hübsch sind, finde ich sie nicht mehr attraktiv, wenn ich ihr Herz kennenlerne.
Das Innere ist lauter als das Äußere. Ganz im Gegenteil: Wenn Personen – und das gilt nicht nur für Frauen, sondern grundsätzlich für Menschen – äußerlich vielleicht nicht so der Wurf sind, für mich ist das ja immer sehr subjektiv, und ihr Herz rein und gut ist, dann verändert sich auch mein Blick auf das Gesamterscheinungsbild. Die Person wirkt ansehnlich.
Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht oder ob ihr das auch schon erlebt habt: Schönheit ohne Charakter ist nutzlos.
Der unerwartete Bruch und die Geduld Boas'
Und wir nähern uns sozusagen dem Ziel, und plötzlich befinden wir uns in Vers zwölf und dreiundzwanzig. Nun sagt Boas: Es ist wirklich so, dass ich der Löser bin, dass ich derjenige bin, der dich aus deiner Misere als naher Verwandter herausholt, errettet und erlöst. Doch es gibt da auch noch einen Löser, der näher mit dir verwandt ist als ich.
Hier erlebt die Geschichte einen Bruch. Hier geht etwas kurz unter – ein Schockmoment, ein Schockelement. Wir kennen die Geschichte, und deswegen macht uns das jetzt nicht wirklich wild. Aber hier ist eine Frau, die gerade alles in die Waagschale wirft, die gerade alles investiert, die gerade alles riskiert – alles oder nichts. Und auf einmal kommt diese Botschaft: Ja, ich bin dein Löser, aber es gibt jemanden, der hat das erste Recht, dich zu befreien und dich zu erlösen aus deiner Misere und dann auch die Verantwortung für dich zu übernehmen.
Das war für Ruth keine einfache Geschichte, die sie da gerade gehört hat, aber sie bleibt ruhig. Boas sagt: Bleib heute Nacht hier, und es soll am Morgen geschehen. Wenn er dich lösen will, gut, so mag er dich lösen. Wenn er aber keine Lust hat, dich zu lösen, dann löse ich dich, so wahr der Herr lebt.
Da sieht man die Aktivität dieses Mannes. Bleib liegen bis zum Morgen. Das Unerwartete kommt, der Stein auf dem Weg ist da, man kommt ins Stolpern. Was tut man jetzt? Wie geht man damit um? Resigniert man und sagt: Siehst du, ich habe es doch gleich gesagt, das funktioniert nicht? Sehen wir nicht an den Steinen, die uns in den Weg gelegt werden, dass das Ziel unerreichbar ist? Es ist nicht möglich, es ist unmöglich.
Wird Gott seine Fürsorge aufheben? Wird Gott aufhören, für seine Kinder zu sorgen? Wir schütteln natürlich alle den Kopf, weil wir die fromme Antwort wissen. Aber in unserem Herzen fragen wir uns das manchmal: Hat Gott aufgehört, für mich zu sorgen? Sieht er nicht meine Not, sieht er nicht mein Elend? Sieht er nicht, dass ich gerade mit ganzem Glauben nach vorne gehe? Wo ist Gott jetzt in dieser Situation?
Philipper 4,19 sagt: Mein Gott aber wird alles, wessen ihr bedürft, erfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus. Gott möchte nicht, dass wir in der Not sind. Und wir sollen nicht sagen, die Menschen in der Bibel hatten keine Not. Wir sehen, dass hier eine Not aufkommt, die vielleicht größer ist als die Not, die wir manchmal in unserem Alltag erleben.
Gott sieht das, Gott schläft nicht, Gott ist nicht ruhig. Und Boas resigniert auch nicht deswegen und sagt: Ach, das hat doch alles keinen Sinn, das funktioniert nicht. Was ich an Boas liebe, ist, dass er das Problem benennt. Er spricht es klar an und wird nicht schwach wegen unerwarteter Schwierigkeiten.
Boas lässt sich nicht überwinden. Er wird aktiv, er will zum Überwinder werden im Namen Gottes. Und voller Zuversicht macht er ein Versprechen: Ich werde es tun, so wahr der Herr lebt. Er gibt ihr jetzt ein Geschenk mit – sechs Maß Gerste, also eine riesige Menge Nahrung. Er sagt zu ihr: Geh nach Hause.
Das ist eine klare Absicht, denn der Löser soll ja auch versorgen. Er sagt: Ich möchte, dass du, wenn du nach Hause gehst und deine Schwiegermutter siehst, nicht mit leeren Händen zurückkommst. Nicht so nach dem Motto: Na ja, wenn’s klappt, dann machen wir das. Nein, Boas ist zuversichtlich, obwohl gerade ein Problem aufkommt.
Geduld und das Aushalten des Unvollendeten
Boas überwindet
Wie oft lassen wir uns von Situationen überwältigen und werden missmutig? Doch Boas’ Geschenk zeigt noch viel mehr. Es beweist nicht nur, dass er nicht vor Problemen zurückschreckt und mutig ist, sondern auch, dass er bereit ist, das Unvollendete auszuhalten.
Es ist kein Zufall, dass er sechs Maß Gerste gibt. Die Zahl sieben hat im Hebräischen eine wichtige symbolische Bedeutung und steht für Vollkommenheit. Wenn wir uns daran erinnern, dass das Buch Ruth voller Hinweise auf Ruhe ist – der siebte Tag ist ein Ruhetag, an dem man endlich zur Ruhe kommen kann – und Boas ihr sechs Maß Gerste gibt, dann sagt er damit: Wir sind auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel.
Das ist auch das, was Naomi ganz zum Schluss sagen wird: Bleib ruhig und warte auf den nächsten Tag. Er wird nicht ruhen, bis er es zu Ende geführt hat. Sie versteht die Symbolik sofort: Wir sind noch nicht in der endgültigen Ruhe angekommen, wir sind noch unterwegs.
Boas ist ziemlich gelassen, obwohl er aktiv ist. Er ist geduldig. Er hätte auch sagen können: „Weißt du was, ich setze dich jetzt durch, ich schaffe Fakten, ich überhole Gott von links und rechts, damit ich sagen kann: Ups, sie bekommt ein Kind von mir.“ Doch Boas bleibt in der unvollendeten Situation geduldig und ruhig.
Soviel der Herr lebt, er geht davon aus, dass Gott souverän und lebendig ist. Damit ist er für uns ein Beispiel: nicht nur das Unmögliche anzupacken und Schwierigkeiten zu überwinden, sondern auch in unfertigen Situationen auszuharren und auszuhalten.
Dieser Aspekt fällt uns oft so schwer. Wir sehnen uns danach: Wann ist endlich morgen? Doch auch sie kennen das und halten es aus. „Ich muss zum Ende kommen.“ Naomi sagt in Vers 18: „Bleib zuhause, meine Tochter, bis du erkennst, wie die Sache ausgeht, denn der Mann wird nicht ruhen, es sei denn, er hat die Sache heute zu Ende geführt.“
Die Verwandlung Naomis und die neue Hoffnung
Woher kommt auf einmal diese Verwandlung bei dieser Frau? Sie sagt nämlich nicht mehr, wie am Anfang des Buches, „Komm, wir suchen das Glück woanders, wenn es nicht sofort funktioniert.“
Plötzlich stimmt sie dem Unvollendeten zu und hält es aus. Das ist eine Naomi, wie wir sie bislang noch nicht kennengelernt haben. Woher kommt diese Veränderung?
Ihre Frage, die sie in Vers 15 an Ruth stellt, lautet: „Sie kommt in der Nacht oder in der Morgendämmerung, kommt Ruth nach Hause und sagt: Wie steht es mit dir, meine Tochter?“ Wörtlich steht da etwas anderes. Wörtlich heißt es: „Wer bist du, meine Tochter?“
„Wer bist du, meine Tochter?“ passt für uns irgendwie nicht in den Text. Deshalb wird es oft mit „Wie steht es um dich?“ übersetzt. Es ist legitim, es so zu übersetzen. Wörtlich heißt es aber „Wer bist du?“
Es ist nicht so, dass sie Ruth nicht erkannt hätte, sonst hätte sie sie nicht „meine Tochter“ genannt. Also baut sie da Beziehung auf. „Wer bist du, meine Tochter?“ drückt einfach ein Entsetzen aus, eine positive Erschütterung im Herzen.
Sie sieht Ruth kommen mit sechs Maß Gerste. Meine Interpretation des Textes ist, dass Naomi sich fragt: „Was bist du für eine Person? Was bist du für ein Mensch? Was hat Gott mit dir vor? Du bist eine olle Morbiderin – wer, wer zum Geier bist du, meine Tochter?“
Sie wird konfrontiert mit der Treue Ruths, mit dem Glauben Ruths. „Wer um Himmels Willen bist du, Ruth?“
Und sie kommt zu ihr nach Hause und sagt: „Der Mann hat mir gesagt, ich soll nicht mit leeren Händen zu dir zurückkommen.“
Was hat Naomi noch einmal zu den Frauen gesagt, als sie zurück nach Israel gekommen ist? „Voll bin ich ausgegangen, und leer komme ich hier zurück.“
Und Boas sagt zu Ruth: „Geh zu ihnen, du sollst nicht mit leeren Händen zurückkommen.“
Es ist gleichzeitig eine Botschaft auf symbolischer Ebene für Naomi, wo sie merkt: Die Leerheit hat ein Ende. Es ist eine heilsame Botschaft.
„Wer bist du, dass du nicht mit leeren Händen, so wie ich, zurückkommst, sondern mit vollen Händen? Dass du dich wieder neu Gottes Gnade erahnen darfst, einen neuen Hoffnungsschimmer sehen darfst?“
Dass dieser Mann wirklich auf uns zugeht, dass er uns wirklich erlösen und erretten möchte aus unserer miserablen Situation.
„Meine Hände sollen nicht mehr länger leer bleiben.“
„Wer bist du, meine Tochter?“
Der Blick auf Gottes Wirken und die Verheißung des Segens
Wir werden in Kapitel vier sehen – und das ist das Letzte, was ich dazu sage –, dass es hier um mehr geht als nur um eine bloße Heiratsgeschichte.
Gott, obwohl er in diesem Kapitel kein Wort spricht, ist in Bewegung, um zu segnen. Er will in dieses Leben hineintreten und möchte Glauben und Vertrauen belohnen. Gott möchte segnen und hat vor, mit dieser Familie Geschichte in Israel zu schreiben. Durch sie möchte Gott zu einem Segen für andere werden.
In Kapitel vier werden wir noch sehen, was das bedeutet. Dieses Kapitel zeigt uns große Wahrheiten über den, der kommen sollte. So unscheinbar, wie diese ganze Geschichte passiert – irgendwo in der Dunkelheit, in dieser gleichen Unscheinbarkeit –, bevor die Wunder geschehen, kommt auch Christus zur Welt. Er kommt in der Nichtigkeit, im Unscheinbaren.
Genau wie diese Akteure vertraut Jesus einem menschlich nichtlogischen Plan, dem Plan seines Vaters, und er geht darauf ein. Jesus lässt sich von Hindernissen nicht überwinden. Vielmehr ist es Jesus Christus, der noch viel mehr überwindet als diese Akteure: Er überwindet Teufel, Sünde und Tod. Er schreckt vor Hindernissen nicht zurück.
Auch Jesus hat zu Lebzeiten Unvollendetes ausgehalten, bis zu dem Zeitpunkt, als er am Kreuz sprach: „Es ist vollbracht.“ Bis dahin hält er diese unglaubliche Spannung aus.
Und zu guter Letzt – und wir haben viel zu wenig Zeit, um uns noch weiter in diesem Text zu vertiefen – ist Jesus Christus der wahre Erlöser, der uns aus der Misere herausholt und uns zu Kindern Gottes macht. Dieser Text weist über sich hinaus auf eine größere Wahrheit, die wir in Christus finden.
Darum feiern wir auch jetzt nicht Ruth, nicht Boas und auch nicht Naomi – auch wenn sie tolle Menschen sind. Wir feiern Jesus, weil er das in einer viel, viel größeren Dimension erfüllt hat, was diese drei im Ansatz getan haben. Amen.
