Die Spannung zwischen eigenem Einsatz und göttlichem Wirken im christlichen Leben
Ja, wir haben uns gestern mit dem Verhalten des Christen auseinandergesetzt, insbesondere mit dem Zweiklang aus unserer eigenen Bemühung und Anstrengung einerseits und dem Wissen, dass Gott auf der anderen Seite eigentlich alles tut. Dieses Spannungsfeld durchzieht unser ganzes christliches Leben.
Das gilt nicht nur für den Bereich des Gottesdienstes oder dort, wo wir beten und uns missionarisch einsetzen. Es bezieht sich auf jeden anderen Lebensbereich. Zum Beispiel bei einem Schüler: Auf der einen Seite braucht es die Anstrengung, zu lernen und sich einzusetzen. Auf der anderen Seite wissen wir, dass wir ganz von Gott abhängig sind – dass er uns hilft, uns die Dinge gut zu merken, uns an die Prüfung erinnert und uns bewahrt, damit wir keinen Blackout bekommen. Viele Dinge hängen ganz von Gott ab.
Genauso ist es auch in der Ehe. Dort werden wir herausgefordert, uns anzustrengen, uns zu verändern, Liebe zu zeigen und vergebungsbereit zu sein. Gleichzeitig wissen wir alle, wie viel Gnade Gottes in der Ehe nötig ist. Gott geht uns nach, gibt uns Kraft und schenkt immer wieder einen Neuanfang. So brauchen wir beides: Auf der einen Seite sehen wir, was wir tun, und auf der anderen Seite realisieren wir, wer es ist, der da handelt.
Das war gestern ganz stark im Mittelpunkt. Außerdem wurden einige Details aus dem zweiten Kapitel des Philipperbriefes besprochen. Dort steht, dass wir ohne Murren und Zweifel Gott nachfolgen sollen. Ich habe versucht, das etwas zu deuten.
Dann gab es die Herausforderung, dass wir laut Paulus ohne Tadel sein sollen. Das betrifft, wie wir nach außen erscheinen und wie die Menschen uns wahrnehmen. Wir sollen lauter sein – das heißt unvermischt und rein im Innern. Wir sollen nicht heucheln oder falsche Kompromisse eingehen. Auch das wurde uns deutlich gemacht.
Paulus beschreibt die Gemeinde als ein „falsches Geschlecht“, also eine Welt, in der alles durcheinanderläuft und Menschen jeglicher Orientierung fehlen. In dieser Situation sollen wir Orientierung geben – durch das, was wir sagen und wie wir leben. Wir sollen Lichter sein.
Wodurch können wir Lichter sein? Paulus sagt, durch das Wort des Lebens. Das meint die Erfahrung, die wir mit Jesus Christus gemacht haben, der uns neues Leben schenkt. Außerdem durch die Verwurzelung in der Bibel – und zwar nicht nur in Worten, sondern auch im Denken, im Reden und in Taten. Auch das wurde uns vor Augen geführt.
Paulus weist darauf hin, dass es bis zum Extrem gehen kann: Er selbst sieht sich als ein Opfer in einem Gottesdienst für den Glauben. Er sagt, dass er sich darüber freut. Außerdem fordert er die Gemeinde auf, sich ebenfalls zu freuen, wenn sie für Gott als würdig erachtet wird, auch zu leiden.
Freut euch darüber, Licht in dieser Welt sein zu können! Freut euch darüber, dass Gott das, was ihr als Anstrengung einsetzt, segnet und seinen Teil dazu beiträgt!
Einblick in die Mitarbeiterschaft des Paulus: Timotheus und Ephrafruditus
Und jetzt, ab Vers 19 bis zum Ende des Kapitels, also Vers 19 bis 30, stellt uns Paulus zwei seiner engen Mitarbeiter vor.
Dabei können wir einiges lernen. Zum einen bekommen wir ein Bild von der Person vor Augen. Zum anderen können wir erkennen, wie ein motivierter Christ aussieht, der mit Paulus zusammenarbeitet.
Außerdem lernen wir, wie wir mit Mitarbeitern in der Gemeinde umgehen sollen, besonders dort, wo wir Verantwortung für sie tragen.
Ich lese zunächst den Text aus Philipper 2, Vers 19 bis 30, und gehe dann Vers für Vers darauf ein:
Ich hoffe aber im Herrn Jesus, dass ich Timotheus bald zu euch senden werde, damit ich auch erquickt werde, wenn ich erfahre, wie es um euch steht. Denn ich habe keinen, der so ganz meines Sinnes ist und so herzlich für euch sorgen wird. Denn sie suchen alle das Ihre, nicht das, was Jesus Christus ist.
Ihr aber wisst, dass er sich bewährt hat, denn wie ein Kind dem Vater hat er mir mit dem Evangelium gedient. Ihn hoffe ich zu sehen, sobald ich erfahren habe, wie es um mich steht. Ich vertraue aber im Herrn darauf, dass auch ich selbst bald kommen werde.
Ich habe es für nötig erachtet, den Bruder Epaphroditus zu euch zu senden, der mein Mitarbeiter und Mitstreiter ist und euer Abgesandter sowie Helfer in meiner Not. Denn er hat nach euch allen verlangt und war tief bekümmert, weil ihr gehört hattet, dass er krank geworden war. Und er war auch todkrank.
Aber Gott hat sich über ihn erbarmt, nicht allein über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht eine Traurigkeit zu der anderen hätte. Ich habe ihn nun umso eiliger gesandt, damit ihr ihn seht und wieder fröhlich werdet und auch ich weniger Traurigkeit habe.
So nehmt ihn nun im Herrn mit aller Freude auf und haltet solche Menschen in Ehre. Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tod so nahe gekommen, dass er sein Leben nicht geschont hat, um mir zu dienen an eurer Stadt.
Timotheus – Ein bewährter Mitarbeiter und geistlicher Sohn
Zunächst einmal ist Timotheus aus verschiedenen Stellen im Neuen Testament bekannt. Paulus hat ihm allein zwei Briefe geschrieben, um ihn in seiner Arbeit zu ermutigen, die er im Auftrag von Paulus durchführte. Hier lesen wir von Paulus' Plan, Timotheus nach Philippi zu schicken. Aus Sicht des Briefes ist das etwas, das noch in der Zukunft liegt und also noch nicht stattgefunden hat.
Paulus sagt: „Ich will das tun, damit ich erquickt werde, damit ich mich darüber freuen kann.“ Worüber freut er sich? Nicht darüber, dass er Timotheus los ist, sondern weil er merkt, dass die Gemeinde in Philippi ermutigt ist. Dann geht es ihm auch gleich besser. Das zeigt wieder die tiefe Verbundenheit, die Paulus mit der Gemeinde in Philippi hat. Er ist gerne bereit, auf Timotheus zu verzichten, obwohl er sehr an ihm hängt. Später wird deutlich, wie sehr. Paulus vergleicht die Beziehung zu Timotheus mit einer Vater-Kind-Beziehung. Timotheus ist wie sein Kind, er versteht alles genau und tut selbstlos seinen Dienst. Trotzdem ist Paulus bereit, ihn nach Philippi zu schicken, um dort die gute Nachricht zu überbringen.
Hier erfahren wir noch nicht genau, welche Nachricht das sein wird. Paulus sagt später, dass er selbst bald kommen wird. Daraus erkennen wir eine Hoffnung, dass Paulus möglicherweise bald frei wird oder zumindest darauf baut.
Wenn wir uns Timotheus näher anschauen, lesen wir in der Apostelgeschichte und den Timotheusbriefen einige Hinweise auf sein Leben. Er stammt höchstwahrscheinlich aus Derbe, möglicherweise auch aus Lystra. Seine Mutter heißt Eunike, und seine Großmutter Lois wird ebenfalls erwähnt. Mütterlicherseits ist er Jude, väterlicherseits Grieche. Das führt dazu, dass er nicht beschnitten ist. Als Paulus nach Philippi kommt (Apostelgeschichte 16), bescheidet er Timotheus. Später sagt Paulus, dass es das einzige Mal war, dass er dort jemanden beschnitten hat.
Im dritten Kapitel des Philipperbriefs sehen wir dann auch Spannungen, die offenbar in Philippi entstanden sind. Eine Gruppe von Leuten forderte, dass sich alle beschneiden lassen müssen, auch die Heidenchristen. Paulus befindet sich in einem Zwiespalt, was Timotheus betrifft, da dieser ja auch Jude ist. Als Zeichen „Ich gehöre zum heiligen Volk“ sollte er beschnitten werden – nicht, weil er Christ ist oder Jesus nachfolgt. Möglicherweise spielte das auch im späteren Missionsdienst eine Rolle, damit Juden nicht sagen konnten, Timotheus sei kein richtiger Jude, weil er das Gebot des Alten Testaments nicht erfüllt habe. So finden wir diese Beschneidung.
Im zweiten Timotheus 1,5 finden wir Hinweise darauf, dass Timotheus eine griechische Bildung hatte. Er hatte also von beidem etwas: Judentum und Griechentum. Im Judentum gilt bis heute als vollwertiger Jude, wer von einer jüdischen Mutter geboren wird. Der Vater spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Deshalb gilt Timotheus als voller Jude. Das ist ein weiterer Grund, warum Paulus die Beschneidung an ihm vollzog.
Paulus bezeichnet Timotheus geistlich als seinen Sohn im Herrn, zum Beispiel in 1. Korinther 4,17. In Philippi ist Timotheus schon bei Paulus (Apostelgeschichte 16). Zu dem Zeitpunkt, als dieser Brief geschrieben wurde, sind viele Jahre vergangen, in denen Timotheus mit Paulus zusammengearbeitet hat. Deshalb kann Paulus später von ihm sagen, dass er sich im Dienst bewährt hat.
In Apostelgeschichte 17 lesen wir, dass Timotheus mit Paulus nach Thessalonich zieht und dann nach Beröa. Dort entstehen die Thessalonicherbriefe, was auf eine enge Beziehung zu dieser Gemeinde hinweist. Auch hier ist Timotheus dabei. In Apostelgeschichte 18 und 19 lesen wir von gemeinsamen Besuchen in Korinth und Ephesus. Im Kolosserbrief 1 und Philipper 1,1 wird erwähnt, dass Timotheus Paulus in der Gefangenschaft in Rom begleitet.
An dieser Stelle im Brief lesen wir, dass Paulus Timotheus senden will. Das bedeutet, dass Timotheus zu diesem Zeitpunkt bei Paulus ist. Daraus wird eine langjährige, kontinuierliche und innige Beziehung und gemeinsame Arbeit deutlich.
Später wird Timotheus der persönliche Gesandte Paulus' nach Thessalonich. In 1. Thessalonicher 3,6 lesen wir, dass Paulus ihn mit einem Brief dorthin schickt. Er reist auch nach Korinth. In 1. Korinther 4,17 lesen wir, dass er mit einem Brief an die Korinther nach Korinth geht. Überall dort, wo Paulus nicht hingeht, schickt er jemanden, der ganz in seinem Sinn die Christen unterweist und vertrauenswürdig ist – das ist oft Timotheus.
Er reist auch nach Philippi, wie wir gelesen haben (Philipper 2,19), und später nach Kreta. In anderen Regionen ist er ebenfalls im Auftrag von Paulus unterwegs, wie wir in den ersten und zweiten Timotheusbriefen lesen. Timotheus ist bereit, sich ganz Paulus, beziehungsweise ganz Gott, unterzuordnen. Er sieht es als seinen Auftrag von Gott, von Paulus zu lernen und dessen Autorität zu akzeptieren.
Aus dieser Beziehung können wir zwei Dinge ableiten: Einerseits die innige Beziehung zwischen Paulus und Timotheus als jüngeren Mitarbeiter. Das fordert uns heraus, nicht als „self-made man“ in der Gemeinde zu agieren, sondern zu erkennen, dass wir unvollkommen sind und Ergänzung durch andere Mitarbeiter brauchen. Paulus wusste das, und Timotheus wusste, dass das Evangelium in die nächste Generation weitergegeben werden muss.
Es bringt nichts, wenn wir im Alter sagen: „In unserer Generation wurde das Evangelium noch richtig gepredigt, da war man noch ernsthaft im Glauben, aber die junge Generation schafft das sowieso nicht mehr.“ Wenn wir uns nicht bemühen, geht der christliche Glaube unter.
Wir müssen rechtzeitig daran denken, Menschen in den Dienst hineinzunehmen und vorzubereiten – so wie Paulus es mit Timotheus tat. Wie tun wir das am besten? Nicht, indem wir uns einfach zurückziehen und sagen: „Jetzt mach du mal.“ Sondern indem wir Menschen beobachten lassen, mitmachen lassen, ihnen kleine Aufgaben geben und sie anleiten. Wenn sie dann selbstständig arbeiten, begleiten wir sie weiterhin mit Ermutigung, wie Paulus das im ersten und zweiten Timotheusbrief beschreibt. Das ist eine Art geistliche Vaterschaft.
Diese geistliche Vaterschaft bezieht sich nicht nur auf die eigenen Kinder, von denen wir nicht wissen, ob sie Jesu Weg in der Gemeinde gehen werden. Sondern vor allem auch auf andere Personen, die Gott befähigt und beauftragt hat. Wir sollen sie begleiten.
In der Kirchengeschichte und auch heute sehen wir oft, wie schwer das fällt. Bei Generationswechseln in Gemeinden oder christlichen Werken geht es manchmal plötzlich „Knall auf Fall“ und es ist wenig vorbereitet. Das führt manchmal zu Problemen oder gar zum Zusammenbruch.
Manchmal läuft es erst gut, wenn der Vorgänger stirbt, weil er meint: „Wenn ich loslasse, bricht alles zusammen.“ Das kann auch bei gesegneten Männern Gottes so sein.
Ein Beispiel ist das Werk Krelingen, gegründet von Heinrich Kemmer, einem ehemaligen Pfarrer. Erst im Rentenalter baute er das Werk auf. Beeindruckend, was Gott dort tat. Doch eine Schwäche von Kemmer war, dass er nie Leute heranzog oder auf eine Ebene mit ihm nahm. Er misstraute allen. Bis kurz vor seinem Tod dachte er immer, niemand könne sein Werk gut weiterführen. Das führte nach seinem Tod zu einer Krise, weil niemand vorbereitet war, das Werk zu übernehmen.
Ein anderes Beispiel ist die staatsabhängige theologische Hochschule in Basel. Dort wäre die Schule fast untergegangen, weil Professor Kühling, der sehr gesegnet war, nie abgeben konnte und niemanden für den späteren Dienst vorbereitete. Nach seinem Tod stand die Schule kurz vor der Schließung.
Solche Beispiele zeigen, dass Menschen etwas aufbauen und gleichzeitig zerstören können, wenn sie vergessen, dass nicht sie das Wichtigste sind, sondern Gott. Es ist entscheidend, Leute an die Hand zu nehmen und für ihren Dienst vorzubereiten – so wie Paulus es mit Timotheus tat.
Paulus tut das über Jahre hinweg, mit „Learning by doing“. Timotheus kann Stück für Stück im Dienst wachsen, begleitet von Paulus.
Wir können daraus lernen, einer jüngeren Generation zuzutrauen, die nicht generell schlechter ist als unsere eigene. Sie ist einfach anders. Wenn wir heute auf die jüngere Generation schauen, sehen wir viele Stärken gegenüber der Generation, in der wir groß geworden sind. Natürlich haben sie auch Schwächen und Probleme und wissen noch nicht so viel wie wir. Sie haben aber noch Zeit, zu lernen.
Wenn sie andere Lieder singen oder andere Instrumente spielen, muss das nicht schlechter sein. Wir brauchen eine gewisse Weite und müssen uns immer wieder bewusst machen: In der Form gibt es Unterschiede, aber im Inhalt – in der Bindung an Jesus und den biblischen Wahrheiten – müssen wir dranbleiben und das an die Jüngeren weitergeben.
Sonst führen wir früher oder später zu aussterbenden Gemeinden. Irgendwann können wir nicht mehr oder fühlen uns überlastet, weil zu wenig Verantwortung abgegeben wird.
Dabei will ich nicht sagen, dass jeder alles tragen kann. Paulus überlegt genau, wen er fördert und wohin er investiert. Er nimmt sich viel Zeit und nimmt nicht irgendjemanden.
Als Nächstes charakterisiert Paulus Timotheus näher: „Ich habe keinen, der so ganz meines Sinnes ist, der so herzlich für euch sorgen wird.“ Hier hebt er ihn besonders hervor und begründet, warum er ihn sendet.
Das fällt bei Paulus an mehreren Stellen auf: Er spart nicht mit Lob für seine Mitarbeiter. Er macht niemanden schlecht. Wenn er sagt, dass einige für sich selbst predigen, nennt er keine Namen oder bezeichnet jemanden als schlechten Menschen. Wenn Paulus lobt, tut er das oft individuell.
Wenn er ermahnt, ist das anders. Zum Beispiel am Ende des Philipperbriefs, wo er zwei Frauen ermahnt, die sich gestritten haben. Aber grundsätzlich lobt Paulus stark. Das sollten wir vor Augen haben.
Menschen lernen nicht nur durch Ermahnung, sondern auch durch Lob und Förderung. Das muss zielgerichtet sein. Wenn jemand zum ersten Mal predigt und man nur sagt: „War ganz gut, danke“, hilft das wenig. Besser sind konkrete Rückmeldungen.
Wir haben das am Anfang des Philipperbriefs gesehen, wo Paulus der Gemeinde in Philippi konkret sagt, was sie gut macht. Dort, wo er Stärken nennt, kann er auch Schwächen benennen.
Diese Ausgewogenheit ist wichtig. Manche Gemeindebewegungen hatten damit Schwierigkeiten. Sie fürchten, dass zu viel Lob zu Stolz führt. Andere sagen, Gott tut alles, wir sind nur unnütze Knechte und sollen daher nichts sagen.
Das ist nicht Paulus' Haltung. Er sagt, alles kommt von Gott, aber er lobt die Menschen auch ausdrücklich. Er sagt, wie toll sie etwas gemacht haben – nicht nur privat, sondern auch öffentlich.
Manchmal lobt Paulus Gemeinden vor anderen, zum Beispiel ihre Freigebigkeit am Ende des zweiten Korintherbriefs. Hier lobt er Timotheus offen vor der Gemeinde in Philippi.
Das ist eine Herausforderung für uns. Ich musste das auch erst lernen.
Ich erinnere mich an eine Einsatzwoche mit Schülern an der Bibelschule Brake. Wir waren in Süddeutschland in einer Gemeinde. Die Arbeit lief eher schlecht als recht. Ich dachte oft, ich könnte das besser und mit weniger Aufwand machen. Aber ich vergaß, dass die Leute lernen müssen. Sie waren ja nicht fertig, deshalb waren sie an der Schule.
Ich wollte ihnen dann sagen, was sie besser machen müssen, und inhaltlich war das auch richtig. Ich habe sie nicht fertiggemacht, sondern nur auf Fehler hingewiesen. Doch eine Schülerin brach in Tränen aus und sagte, sie schaffe das nicht und sei schlecht.
Das zeigt, welche Reaktionen solche Rückmeldungen auslösen können. Das darf nicht unser Ziel sein.
Wenn wir mit Menschen zu tun haben, die noch lernen, müssen wir nicht nur Fehler benennen, sondern auch das Gute sehen und fördern. Jesus sagt, dass jeder Talente hat. Paulus sagt, jeder hat etwas in der Gemeinde beizutragen.
Das sollten wir anerkennen und gemeinsam daran Freude haben, was Gott in den Menschen wirkt.
Ich habe keinen, der so ganz meines Sinnes ist, der so herzlich für euch sorgen wird. Timotheus freut sich nicht nur über das, was ihn betrifft, sondern sorgt selbstlos für die Sache Gottes. Denn „sie suchen alle das Ihre, nicht das, was Christi Jesu ist.“
Die Herausforderung eigennütziger Mitarbeiter
Da stellt sich die Frage, ob hier nicht auch ein bisschen Frustration bei Paulus durchschlägt. Er ist nun schon jahrelang im Dienst für Gott tätig und begegnet immer wieder Menschen, die gar nicht an der Sache Jesu interessiert sind.
Wenn wir die Briefe durchgehen, die Paulus an Gemeinden schreibt – also an alle Gemeinden, zu denen er einen engeren Bezug hat, wie die Epheser, Philipper, Kolosser, Korinther und Galater – dann sehen wir, dass dort immer wieder Leute auftauchen, die versuchen, die Sache für sich zu beanspruchen, aus eigensüchtigen Motiven.
Im Korinth zum Beispiel sind es die sogenannten Superapostel, wie Paulus sie im 2. Korintherbrief nennt. Diese meinen, sie seien noch viel geisterfüllter als Paulus selbst und spielen mit den geistlichen Gaben. Sie prahlen damit, wie toll sie prophetisch reden, in Zungen reden oder heilen können. Das Ganze gerät aus dem Ruder, und Paulus muss das erst einmal korrigieren. Man merkt, dass es schief läuft.
Bei den Galatern sieht es anders aus. Dort kommen plötzlich Judenchristen, die sagen, Paulus habe das Evangelium nicht richtig verstanden. Sie verlangen, dass alle Gebote des Alten Testaments eingehalten werden – ganz genau, auch der Sabbat und andere Vorschriften. Paulus ist darüber vielleicht ein bisschen frustriert. Er stellt fest, dass es leider auch unter Christen viel gibt, was aus Eigensucht und Selbstverherrlichung geschieht. Deshalb sagt er, dass diese Menschen alle nur das ihre suchen und nicht das, was Jesu Christi ist.
Viele seiner Mitarbeiter, mit denen Paulus zusammengearbeitet hat, suchten in erster Linie ihre Stellung, ihren Einfluss oder finanzielle Vorteile. Paulus fordert ja gar nicht, dass sie sich für ihn persönlich einsetzen sollen, sondern kritisiert, dass sie nicht das suchen, was Jesu Christi ist. Er zeigt sich dabei relativ selbstlos: Es kommt ihm nicht darauf an, dass sie ihn loben oder sagen, Paulus sei toll und alle seien seiner Meinung. Vielmehr ist das Problem, dass sie nicht das verfolgen, was Jesus in ihrem Leben will, sondern ihre eigenen Interessen.
Andere Mitarbeiter haben nicht die Perspektive Jesu, nicht die Liebe und Selbstlosigkeit, die Paulus vorlebt. Er sagt auch: Letztlich ist es ihm egal, solange Jesus dadurch verherrlicht wird – das haben wir in Kapitel 1 gelesen. Trotzdem nennt er es hier noch einmal, und wenn er es anspricht, ist das natürlich eine Herausforderung. Einerseits ist es eine Herausforderung, in der Gemeinde damit zu rechnen, dass es so etwas geben kann. Andererseits fordert es uns auf, uns selbst zu überprüfen: Was ist unsere Motivation?
Vielleicht werden wir das nie vollkommen erkennen, denn wenn wir ehrlich sind, sind wir alle ein Stück weit egoistisch und auf uns selbst ausgerichtet. Aber wir können lernen, das unter Kontrolle zu bekommen und immer mehr Jesus und das, was er in unserem Leben bewirken will, in den Mittelpunkt zu stellen – und nicht uns selbst.
Paulus sagt dann: Ihr aber wisst, dass er sich bewährt hat – also Timotheus sich bewährt hat –, denn wie ein Kind dem Vater hat er mir mit dem Evangelium gedient. Hier spricht Paulus die Gemeinde in Philippi an, weil sie das selbst erfahren haben. In der Apostelgeschichte 16 lesen wir, dass Paulus mit Timotheus in Philippi war. Wahrscheinlich bekam Paulus auch immer wieder Nachrichten darüber, wie es Timotheus erging.
Paulus knüpft hier also an Bekanntes an: Ihr wisst Bescheid, ich schreibe euch nichts Neues, sondern betone es noch einmal. Timotheus hat sich wirklich bewährt. Daraus sehen wir auch ein Kriterium für die späteren Ältesten und Diakone, also die verantwortlichen Mitarbeiter in der Gemeinde. Menschen sollen nicht nur wegen ihrer Begabung Älteste oder Diakone werden, sondern weil sie sich bewährt haben.
Bewährung geschieht auf niedrigerer Ebene: Zuerst muss jemand Paulus helfen und später eigenständig tätig sein. Bei Ältesten bedeutet das, dass sie erst einmal ihrer Familie und dann der Gemeinde gut vorgestellt werden. Paulus betont auch noch einmal: Keine Neulinge! Wenn jemand jung ist, muss er gefördert werden, aber zu schnelle Übernahme von zu großer Verantwortung schadet meist der Person.
Das lesen wir hier auch heraus. Zuerst einige Jahre an zweiter Stelle, unter Beobachtung und Begleitung. Das ist auch ein wichtiger Tipp für die Jugendarbeit: Wenn ihr einen talentierten, geistlich gesinnten Jugendlichen habt, lasst ihn nicht allein in der Jugendarbeit. Das schadet ihm und der Jugend. Die Jugend braucht ältere, bewährte Mitarbeiter, die die jüngeren an die Hand nehmen.
Die älteren Mitarbeiter müssen nicht die „Coolen“ sein, die mit Jugendlichen Unsinn machen – das können die Jüngeren durchaus selbst. Aber es muss jemanden geben, der die geistliche Perspektive hat, diese Mitarbeiter anleitet, voranführt und begleitet – so ähnlich wie Paulus es hier beschreibt.
Wenn Leute sich bewährt haben, also im Dienst standen und begleitet wurden, können sie auch Selbstverantwortung übernehmen. Die Beziehung von Kind und Vater wird hier deutlich: Zusammen haben sie dem Evangelium gedient. Paulus nennt keine Hierarchie mehr. Sie sind gleichberechtigt. Nicht mehr „ich habe ihm gedient und er hat mir geholfen“, sondern „wir haben zusammen an einer Sache gearbeitet“.
Das sehen wir später auch bei Epaphras. Paulus legt wenig Wert auf Hierarchie, auf das „Ich bin der Chef und ihr müsst gehorchen“. Vor Gott sind alle auf einer Ebene. Das ist eine wichtige Sache in der Gemeinde: Auch diejenigen mit höherer Verantwortung sollten das nicht zu sehr herausstellen und nicht ständig darauf bestehen, dass andere sich unterordnen und gehorchen.
Sie sollten sich eher auf eine Ebene mit den anderen stellen. Natürlich gibt es Situationen, in denen Paulus seine Autorität in Anspruch nimmt. Aber gegenüber seinen Mitarbeitern stellt er sich auf eine Stufe. Das heißt nicht, dass es keine Autorität gibt, aber Paulus betont sie nicht und stellt sie nicht in den Vordergrund.
Dann sagt Paulus: Ich hoffe, ihn zu senden, sobald ich erfahren habe, wie es um mich steht. Das bedeutet, Timotheus ist noch nicht gesandt, sondern noch bei Paulus. Paulus erwartet, dass der Prozess bald zu Ende geht und er Timotheus schicken kann. Die Gemeinde in Philippi leidet mit und betet mit. Deshalb will Paulus ihnen möglichst bald Informationen geben.
Das ist auch eine Begründung für Rundbriefschreiben: Wenn ihr Leute habt, die für euch beten und Anteil nehmen, schreibt ihnen regelmäßig, wie es euch geht. Heute muss man keine Privatboten mehr schicken, das geht per E-Mail oder Post, aber in Verbindung bleiben ist wichtig.
Dort, wo ihr Menschen kennengelernt habt, mit denen ihr gut zurechtkommt, mit denen ihr vielleicht beten könnt, solltet ihr in Kontakt bleiben und Anteil an wichtigen Lebensfragen und Krisen nehmen – so wie Paulus hier in einer Krise ist.
Paulus sagt weiter: Ich vertraue aber dem Herrn darauf, dass auch ich selbst bald kommen werde. Er hat innerlich die Gewissheit, dass er nicht sterben wird, sondern diese Situation übersteht. Das ist mehr als eine Hoffnung, eine Gewissheit, die sich später auch bestätigt, wie wir in der Kirchengeschichte sehen, denn Paulus wird ja noch einmal freigelassen.
Ephrafruditus – Ein selbstloser Mitarbeiter und Helfer in der Not
Dann kommen wir in Vers 25 zum nächsten Mitarbeiter, mit dem Paulus hier zusammen ist, und das ist Ephrafruditus.
Vers 25: „Ich habe es aber für nötig angesehen, den Bruder Ephrafruditus zu euch zu senden, der mein Mitarbeiter und Mitstreiter ist und euer Abgesandter und Helfer in meiner Not.“
Offenbar war Ephrafruditus der Überbringer dieses Briefes. Deshalb wird er hier noch einmal genau vorgestellt. Paulus schreibt, dass sie ihn gut aufnehmen sollen. Das bedeutet wohl, dass Ephrafruditus zum Zeitpunkt des Briefschreibens noch nicht bei der Gemeinde angekommen war. Paulus schreibt also im Hinblick darauf, dass, wenn die Philipper den Brief lesen, Ephrafruditus bereits bei ihnen eingetroffen sein wird.
Paulus hat einen seiner Mitarbeiter losgeschickt, und das ist eben dieser Ephrafruditus. Er betont seine Entscheidung, ihn zu senden, was eine wichtige Rolle spielt. Wenn wir die Geschichte genauer betrachten, können wir daraus schließen, dass Ephrafruditus Abgesandter der Gemeinde in Philippi war. Er wurde von der Gemeinde ausgesandt, um Paulus zu dienen und ihm zu helfen.
Jetzt kehrt er zurück in die Heimatgemeinde. Da liegt die Versuchung nahe, dass die Gemeindemitglieder sagen könnten: „Was machst du eigentlich hier? Wir haben doch für dich gebetet, dich ausgestattet und losgeschickt. Du sollst doch bei Paulus sein.“ Deshalb betont Paulus hier: „Ich habe ihn geschickt.“ Später sehen wir auch, dass Ephrafruditus wohl wieder zurück zu Paulus wollte. Paulus stellt sich hinter ihn, trifft die Entscheidung und schützt seinen Mitarbeiter vor möglichen falschen Verdächtigungen.
Ephrafruditus war ein mutiger Mann. Auch wenn er nicht dauerhaft bei Paulus blieb wie Timotheus, hat er seine Heimat verlassen und ist ins Ausland gegangen. Rom war zwar Teil des Römischen Reiches, aber eine ganz andere kulturelle Umgebung. Philippi lag in Griechenland, Rom in Italien. Ephrafruditus war weit von seiner Heimat entfernt und bereit, das um des Evangeliums willen zu tun – seine Familie, seine Gemeinde, seinen Arbeitsplatz und Freundeskreis zu verlassen.
Darüber hinaus stand er hier in der Nähe eines möglichen Schwerverbrechers. Paulus war nicht wegen eines Diebstahls angeklagt, sondern es ging um Leben und Tod. Paulus sagt selbst, er könnte hingerichtet werden. Stellt euch vor, ihr geht zu jemandem, der offiziell als Schwerverbrecher verdächtigt wird – sagen wir, eines Mordes – und identifiziert euch mit ihm, indem ihr mit ihm wohnt und ihn unterstützt. Das wirft ein schlechtes Licht auf euch in der Öffentlichkeit.
Paulus wurde des Hochverrats angeklagt, was damals als sehr schlimm empfunden wurde. Ephrafruditus war bereit, sich dazu zu stellen. Er riskierte sogar, selbst als Anhänger dieses Aufrührers angeklagt und ins Gefängnis geworfen zu werden.
Man kann das mit der Situation von Petrus vergleichen, als Jesus festgenommen wurde. Petrus hatte Angst und wollte sich distanzieren, um keine Probleme zu bekommen. Ephrafruditus hingegen zeigte Mut und stellte sich zu Paulus, obwohl er in einer fremden Stadt war und Paulus aus Sicht der Welt ein verdächtiger Verbrecher war.
Die Philipper könnten ihn eventuell als Drückeberger ansehen, weil er nach einer gewissen Zeit des Dienstes wieder zurückgekehrt war. Die Beschreibung, die Paulus hier gibt – „Ich sende ihn zurück“ – nennt ihn Mitarbeiter, Mitstreiter, Abgesandter und Helfer.
In „meiner Not“ – hier verwendet Paulus vier verschiedene Titel für Ephrafruditus. Die ersten beiden, Mitarbeiter und Mitstreiter, drücken aus, was Paulus auch schon über Timotheus gesagt hat: Sie sind auf einer Stufe, kämpfen an einer Sache, gehören zusammen. Es gibt keine starke Hierarchie, sondern sie kämpfen gemeinsam für die Sache Jesu.
Die anderen beiden Begriffe sind noch interessanter. Paulus nennt ihn einen Abgesandten, das griechische Wort dafür ist Apostolos. Ursprünglich bezeichnete Apostolos jemanden, der als Bote von einer wichtigen Person losgeschickt wurde, um eine Botschaft zu überbringen. In der jungen christlichen Gemeinde wurde der Begriff jedoch zu einer Art Ehrentitel für die von Gott oder Jesus ausgewählten Verantwortlichen. Dazu zählen die Jünger, Paulus selbst, möglicherweise Barnabas und einige andere.
Paulus benutzt denselben Begriff für Ephrafruditus. Er lobt ihn und sagt, man solle ihn würdig aufnehmen für das, was er getan hat. Ephrafruditus wird mit derselben Bezeichnung geehrt, mit der Paulus sich selbst als Apostel, als Gesandter Jesu Christi, bezeichnet.
Darüber hinaus nennt Paulus ihn noch einen Helfer, das griechische Wort Leiturgos. Dieses Wort kennen wir von „Liturgie“ und stammt ursprünglich aus dem weltlichen Bereich. Es bezeichnete einflussreiche Personen, die öffentliche Aufgaben finanzierten – eine Art Mäzene oder Sponsor.
In den griechischen Stadtstaaten wurden viele öffentliche Aufgaben nicht durch Steuern, sondern durch private Mäzene bezahlt, die aus ihrer Privatschatulle beispielsweise Theateraufführungen oder Kriegszüge finanzierten. Leiturgos bedeutet also jemand, der seine Dienste kostenlos zum Wohl der Gemeinschaft anbietet, ohne persönlichen Gewinn, sondern aus selbstlosem Einsatz für eine größere Sache.
So beschreibt Paulus Ephrafruditus als einen selbstlosen Helfer, der für das Werk Jesu Christi tätig ist.
Weiter heißt es: „Er hat nach euch allen Verlangen und war tief bekümmert, weil ihr gehört hattet, dass er krank geworden war.“ Hier erfahren wir, was in der Zwischenzeit geschehen ist: Ephrafruditus ist angekommen und im Dienst für Paulus beziehungsweise für Jesus krank geworden.
Wir können uns fragen, ob es sich um ein geistliches Leiden oder einfach um eine private Krankheit handelt. Nehmen wir als Beispiel einen Missionar, der nach Afrika geht und dort eine schwere Grippe bekommt. Ist das Leiden um Jesu willen oder einfach eine gewöhnliche Krankheit? Paulus deutet es so, dass Ephrafruditus im Dienst für Jesus krank wurde.
Anfechtungen und geistliche Auseinandersetzungen sind nicht nur dann da, wenn jemand verfolgt wird, sondern auch in anderen Situationen. Wäre Ephrafruditus zu Hause geblieben, wäre er wahrscheinlich nicht krank geworden. Er war bereit zu gehen und wurde dabei krank.
In Vers 27 lesen wir, dass er sogar todkrank war. Dabei machte sich Ephrafruditus nicht einmal große Sorgen um sich selbst. Es steht nicht, dass er frustriert war und deshalb zurückwollte. Stattdessen war er so selbstlos, dass er sich mehr Sorgen machte, weil die Philipper von seiner Krankheit erfahren hatten.
Er wollte nicht, dass sie traurig sind, sondern dass sie sich freuen, wenn sie hören, dass er wieder gesund ist. Das zeigt, wie sehr Ephrafruditus aneinander dachte und Anteil nahm – eine Haltung, die Paulus hervorhebt.
Paulus zeigt hier eine innige Verbundenheit: Ephrafruditus war todkrank, doch Gott hat sich über ihn erbarmt – nicht nur über ihn, sondern auch über Paulus selbst, damit dieser nicht noch mehr Traurigkeit erleiden muss.
Paulus war traurig, weil er in Gefangenschaft war und nicht zu den Philippern kommen konnte. Er war traurig wegen der eigensüchtigen Leute in der Gemeinde. Und jetzt hätte er noch mehr Traurigkeit ertragen müssen, wenn er hätte berichten müssen, dass Ephrafruditus gestorben ist.
Interessant ist, dass Paulus hier nicht den Eindruck vermittelt, ein überheblicher Supercharismatiker zu sein, der glaubt, dass man im Dienst für Jesus nicht krank werden kann. Ephrafruditus wurde krank, sogar lebensbedrohlich, und es war ungewiss, ob er wieder gesund wird. Doch Gott hat sich erbarmt.
Dasselbe sehen wir später bei Timotheus, der unterwegs Magenprobleme hatte. Paulus zweifelt nicht an dessen Geistlichkeit, sondern sieht Krankheit als etwas, das ausgestanden werden muss. Gott greift immer wieder ein, aber Krankheit und Leid können Christen auch treffen.
Das sollte uns helfen, die richtige Perspektive im geistlichen Leben zu gewinnen. Christen zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie immer glücklich, gesund und wohlhabend sind. Wer mit einer solchen Vorstellung beginnt, wird früher oder später enttäuscht sein. Das verspricht uns die Bibel nicht.
Das zeigt sich auch im Leben des Paulus: Geistlich wird er angegriffen, aber auch auf menschlicher Ebene gibt es Leiden, wie Krankheiten bei Ephrafruditus oder Timotheus.
Gott ist bei uns und gibt uns Kraft, damit wir nicht fallen. So können wir mit Paulus sagen: „Alle Dinge dienen zum Besten denen, die Gott lieben.“ Gott kann auch scheinbar Negatives zum Guten wenden.
Paulus schreibt das bereits am Anfang des Briefes: Seine Gefangenschaft dient zur Ausbreitung des Evangeliums. Die Gemeinde wird dadurch mutiger zu predigen und fühlt sich gebraucht.
Vers 28: „Ich habe ihn nun umso eiliger zu euch gesandt, damit ihr ihn seht und wieder fröhlich werdet und ich weniger Traurigkeit habe.“
Hier zeigt sich erneut die innige Verbundenheit. Paulus betont seine Initiative. Es ist nicht so, dass Ephrafruditus aus eigener Lust oder wegen Frustration zurückgekehrt ist, sondern Paulus steht hinter dieser Entscheidung.
Die Gemeinde leidet mit und ist traurig, weil ihr Mitarbeiter weg ist. Das fordert uns heraus, wie sehr wir mit unseren Mitarbeitern, Ältesten, Kindermitarbeitern oder Missionaren mitfühlen. Wir sollten wissen, was sie beschäftigt, wie es ihnen geht, und echtes Mitleiden zeigen.
Paulus fordert die Philipper auf: „So nehmt ihn nun auf in dem Herrn mit aller Freude und haltet solche Menschen in Ehre.“ Ephrafruditus ist zurückgekehrt, hat sich bewährt. Nun sollen sie ihn ehren und mit Freude aufnehmen.
Das kann für manche schwer sein, denn manchmal denkt man, Ehre oder Lob sei nicht nötig, alles sei selbstverständlich. Paulus aber betont, dass solche Menschen geachtet und gelobt werden sollen.
Vers 30: „Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tode so nahe gekommen, da er sein Leben nicht geschont hat, um mir zu dienen an eurer Stadt.“
Hier sehen wir, dass Ephrafruditus sein Leben nicht geschont hat. Das erinnert an die Märtyrer der frühen Kirche. Auch heute gibt es Menschen, die ihr Leben im Dienst für Jesus riskieren.
Manche Schüler überlegen, in islamische Länder zu gehen, obwohl das gefährlich sein kann. Vor einigen Monaten sind dort mehrere Christen ums Leben gekommen, die sich für Jesus eingesetzt haben. Einer war ein ehemaliger Mitstudent der Staatsabhängigen Theologischen Hochschule.
Das zeigt, dass es heute noch Menschen gibt, die ihr Leben nicht an erste Stelle setzen. Für uns, die wir nicht in Lebensgefahr sind, kann das bedeuten, dass wir nicht zuerst auf unsere Bequemlichkeit achten, sondern bereit sind, uns für Jesus einzusetzen.
Jesus hat das vorgelebt. Am Anfang des Philipperbriefs lesen wir, dass er sich selbst erniedrigt hat, obwohl er Gott war. Ephrafruditus zeigt ebenfalls einen besonderen Einsatz für die Gemeinschaft.
Das griechische Wort, das Paulus hier benutzt, ist „Paraboloi-Estei“. Es stammt aus dem Glücksspiel und bedeutet, den höchsten Einsatz zu geben. Paulus fordert uns nicht auf, Glücksspiel zu betreiben, sondern will ausdrücken, dass Ephrafruditus bereit war, alles einzusetzen, ohne zu wissen, wie es ausgeht.
In der frühen Kirche gab es eine Gruppe von Christen, die man „die Tollkühnen“ nannte. Zum Beispiel während der Pest im Jahr 252 in Karthago, als alle flohen, blieben sie und pflegten die Kranken, auch wenn sie selbst starben.
Diese Christen setzten alles für ihre Sache ein. Junge Christen besuchten Gefangene und Leidende in Bergwerken, obwohl das ein großes Risiko war. Manche boten sich als Ersatz für andere an, um ihnen die Haft zu erleichtern.
Das zeigt eine selbstlose, fast unvernünftige Liebe, die für uns kaum nachvollziehbar ist. Sie war bereit, alles zu geben, selbst das Leben.
Die Bergwerksarbeit war oft härter als ein schneller Tod als Märtyrer. Das zeigt, wie tief die Hingabe dieser Christen war.
Ich möchte hier eigentlich abschließen, obwohl noch viel Spannendes in den folgenden Kapiteln kommt.
Ich hatte heute Morgen auch die nächsten Verse angeschaut: „Liebe Brüder, freut euch im Herrn, dass ich euch immer dasselbe schreibe. Vertriebst mich nicht und macht euch umso gewisser.“ Das steckt viel drin.
Neben der Freude erfahren wir, dass Paulus der Gemeinde wahrscheinlich noch weitere Briefe geschrieben hat. Er sagt, es schadet nichts, immer wieder zu ermahnen. Wahrscheinlich gab es noch einen zweiten und dritten Philipperbrief.
Wir wissen nicht genau, welche das sind. Paulus schrieb über etwa sechzehn Jahre viele Briefe, aber nur dreizehn sind überliefert. Zwischen dem ersten und zweiten Korintherbrief erwähnt er sogar einen Tränenbrief.
Vielleicht werden wir noch weitere Briefe finden, wenn wir in Israel graben. Meine persönliche Vermutung ist, dass Gott die wichtigen Briefe bewahrt hat, die dauerhaft für die Gemeinde wichtig sind.
Die apokryphen Evangelien, die viel später entstanden sind, haben damit nichts zu tun.
Paulus erwähnt nebenbei, dass er auch noch andere Briefe schrieb. Immer wieder schreibt er dasselbe. Das fand ich herausfordernd und denke, es ist auch für uns wichtig.
In der Gemeinde geht es nicht immer um neue Sensationen. Manchmal sind Christen genauso sensationshungrig wie die Welt. Immer das Neueste, alles andere wird vergessen.
Dabei ist das Neueste oft nicht das Wichtigste. Was wir wirklich brauchen, ist Kontinuität und Beständigkeit – das, was hält. Und das ist eben immer dasselbe.
Wenn ihr Ingenieure seid, könnt ihr nicht einfach neue Naturgesetze erfinden. Die sind immer dieselben.
Genauso ist es geistlich. Wir hören immer wieder, dass Jesus für uns gestorben ist und dass wir demütig sein sollen. Das sind die geistlichen Grundgesetze.
Deshalb sollten wir nicht immer nach neuen Sensationen oder Interpretationen suchen, sondern zuerst das nehmen, was die Bibel deutlich sagt.
Paulus sagt, es verdriest ihn nicht, immer wieder dasselbe zu sagen. Das ist eine Herausforderung für Gemeindemitarbeiter.
Wenn wir schon zehnmal gesagt haben, dass man in der Bibel lesen soll, und es wird trotzdem nicht getan, dann tun wir es eben ein elftes, zwölftes und noch öfter, ohne frustriert zu sein.
Die Grundlagen müssen immer wieder gelegt und motiviert werden. Paulus gibt uns damit auch etwas mit auf den Weg.
Danach warnt er noch vor den „Hunden“. Darauf gehe ich jetzt nicht mehr ein. Ich kann euch aber trösten: Paulus war nicht tierfeindlich, auch nicht gegen Hunde.
Diejenigen, die er „Hunde“ nennt, sind die Judaisten in Philippi, die zur Gesetzlichkeit aufforderten.
Aber das lassen wir jetzt. Im Zentrum heute stand der Teil des Briefes, den wir gelesen haben.
Umgang mit Mitarbeitern in der Gemeinde: Lob, Förderung und Verantwortung
Wie gehen wir mit Mitarbeitern um? Zunächst einmal werden Mitarbeiter bei ihm gelobt. Mitarbeiter, die Verantwortung tragen, sollen Menschen sein, die sich bewährt haben. Wir sind herausgefordert, jüngere Menschen in die Mitarbeit einzubeziehen. Dabei geht es nicht nur darum, ihnen einfach zu sagen: "Jetzt mach mal!", sondern sie zu begleiten, ihnen vorzumachen, wie es geht, und sie Stück für Stück hineinzuführen.
Dann, wie gesagt, ist dieses Lob ähnlich wie das eines Vaters zu seinem Kind. Es ist auch nicht wichtig, dass sie in allen Dingen unseren Sinn teilen. Mein Nachfolger oder der Jugendarbeiter muss nicht genauso denken wie ich. In den Dingen, die nicht biblisch sind, kann er sich anders kleiden, seinen Urlaub anders verbringen oder andere Bücher lesen. Ihr müsst nicht denken, er müsse eine Kopie von euch sein. Aber in den geistlichen Dingen, insbesondere im Evangelium, muss Einheit herrschen.
Dann sehen wir auch bei dem Epaphroditus, dass es eine Gleichstellung gibt: Einsatz des Lebens, Verzicht auf eigene Dinge und die Bereitschaft, selbst vor der Welt schlecht dazustehen, wie Epaphroditus, weil er sich mit Paulus identifiziert. Es kann sein, dass wir in unserem geistlichen Leben auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben – ganz normalen menschlichen Schwierigkeiten, die gar nicht besonders geistlich klingen, wie zum Beispiel Krankheit. Trotzdem sollen wir auf Gott vertrauen.
Eine enge Beziehung zu anderen Geschwistern brauchen wir, nicht nur in der Gemeinde, sondern auch darüber hinaus. Wir brauchen Gebet und Fürbitte. Wir müssen uns mitteilen, was uns am Herzen liegt, und sollten auch die Mitteilungen anderer aufnehmen, mit denen wir zu tun haben.
Wenn wir Menschen in der Gemeinde haben, die sich für Jesus Christus eingesetzt haben oder die wir in Ehren halten, dann steht hier auch: "Nehmt sie in Ehren auf!" Das heißt nicht: "Okay, das ist jetzt vorbei, du hast alles getan, es war ja sowieso nur für Gott." Nein, wir sollen sie weiterhin in Ehren halten.
Unser Leben nicht zu schonen bedeutet, dass ich bereit bin, auch Unannehmlichkeiten in meinem Leben in Kauf zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist John Wesley. Kennt ihr ihn? Er lebte im 18. Jahrhundert und erinnert mich an eine Missionsreise in Cornwall. Dort war er drei Wochen unterwegs. Dieser große Missionar und begnadete Redner schlief drei Wochen lang im Keller bei offenem Fenster. Die Leute gaben ihm nicht einmal ein Bett, sondern er legte seinen Kopf auf ein paar theologische Bücher, die er zum Predigen mitgebracht hatte.
Nach drei Wochen wurde sein Mitarbeiter langsam ungeduldig und sagte: "Was sollen wir hier eigentlich? Die Leute sind so unfreundlich, und ich will nach Hause." Doch Wesley antwortete: "Wir loben Gott darüber, dass bei mir noch eine Seite ganz heil ist. Ich habe bisher nur eine kaputtgeschrammt auf dem Boden." Das ist Wahnsinn, was für ein Mann das war!
Gott hat ihn sogar über achtzig Jahre alt werden lassen, obwohl man bei dieser Lebensweise auch früher sterben könnte. Während der Reise bekam er manchmal gar nichts zu essen und wurde zwischendurch zusammengeschlagen. Trotzdem freute er sich mit seinem Bruder, wenn sie spazieren gingen, um zum Predigtdienst zu gelangen. An einem Morgen entdeckten sie ein paar Brombeeren am Wegesrand. Wesley sagte: "Lasst uns Gott danken, der uns heute Morgen versorgt hat." Sie pflückten die Brombeeren und aßen sie.
Das erinnert mich an eine ähnliche Motivation wie bei Paulus: Ich gebe mein Leben im Alltag hin. Es geht nicht unbedingt darum, zu sterben, sondern um den Verzicht auf Bequemlichkeit und Vorteile – alles für Gott. Bei uns ist das wahrscheinlich nicht so radikal, eher etwas heruntergefahren. Aber es kann auch sein, dass Gott erwartet, dass wir einzelne Teile unseres Lebens bewusst für Jesus oder unseren Dienst mit ihm aufgeben.
Den Rest, den ich euch noch mitgeben möchte, auch wenn wir oft dasselbe sagen wie Paulus: Es gibt Grundgesetze, haltet an ihnen fest – für euch und für andere.
Ich bete noch: Vater im Himmel, vielen Dank für Paulus, für Timotheus und für Epaphroditus. Danke, dass du ihnen Kraft gegeben hast für ihren Einsatz und ihre Arbeit. Auch wenn wir ihren Alltag kaum kennen und wenig wissen, was genau sie gemacht haben, oder wie sie miteinander gesprochen haben – vielleicht würden wir gern einmal zuschauen, wie sie sich unterhalten haben – danken wir dir für die Nachrichten, die wir im Philipperbrief lesen.
Wir bitten dich, dass wir daraus lernen können. Dass du uns gebrauchen willst als deine Gesandten hier auf der Erde, als deine Mitarbeiter. Lass uns erkennen, an welchem Platz du uns stellen und gebrauchen willst. Gib uns Weisheit, neue Leute, besonders jüngere Menschen in unserer Umgebung, zu erkennen und in den Dienst einzubeziehen. Bereite sie vor, damit, wenn wir diese Erde einmal verlassen müssen, andere Menschen diese Arbeit weiterführen.
Gib Weisheit, besonders den Menschen in den Gemeindeleitungen, die unter uns sind oder in den Gemeinden, in denen wir leben, damit sie diese Aufgaben wahrnehmen. Wir bitten dich auch um eine positive Perspektive auf Menschen, die jünger oder anders sind. Zeige uns, wo wir sie unterstützen und loben können. Lass uns sie voranbringen, indem wir ihnen zeigen, was du schon in ihrem Leben bewirkt hast. Gib uns Weisheit und bewahre uns davor, nur auf die negativen Seiten zu schauen.
Ich bitte dich auch um Kraft, damit wir, wo wir uns einsetzen, unser Leben gering achten und nicht in erster Linie auf unsere eigenen Interessen schauen. Schenke uns Liebe zu unseren Geschwistern, damit wir auf sie achten und uns daran erinnern, für sie zu beten. Lass uns Unterstützung von anderen Christen erfahren.
Und ich bitte dich, dass du uns immer wieder an diese Wahrheiten hältst und sie lebendig machst. Sie sind zwar alt und viele von uns kennen sie seit Jahrzehnten, aber bewahre uns davor, in Tradition zu erstarren. Zeige uns immer wieder, dass es wirklich etwas ganz Besonderes ist.