Persönliche Vorstellung und geistlicher Hintergrund
Soll schon an sein. Also, ich möchte euch alle herzlich begrüßen. Ich heiße Kumpels und komme aus der Schweiz. Ich soll mich kurz vorstellen. Ich bin Österreicher, lebe aber schon seit 16 Jahren in der Schweiz. Meine Frau ist Schweizerin, jetzt haben wir es doppelt gut. Meine Stimme ist nicht laut, wie ihr gemerkt habt. Jetzt ist es hoffentlich besser.
Ja, was soll ich erzählen? Ich komme aus einer recht erwecklichen Arbeit in Österreich. Das war vor wie vielen Jahren? Vor über 30 Jahren hat der Herr ein Werk begonnen – es ist schon fast 40 Jahre her –, in Österreich durch einen Schweizer Missionar. In Österreich sind 95 Prozent Katholiken, und ich war natürlich auch ein Katholik.
Dort habe ich ein bisschen was über die Bibel erfahren. Das war schon so. Wir hatten auch Religionsunterricht im Katholizismus, aber wir haben eigentlich recht wenig erfahren. Vor allem haben wir auch viele falsche Dinge im Katholizismus gelernt.
Jedenfalls hat der Herr dort in Österreich ein Werk begonnen. Heute sind wir im Salzburgerland, dort, wo wir gewohnt haben. Etwa 25 Gemeinden sind entstanden, allerdings kleinere Gemeinden, nicht so groß, wie es bei euch vielleicht bekannt ist. Das sind so zwischen zwanzig und hundertfünfzig Leute. Aber hundertfünfzig Leute sind schon eine große Gemeinde.
Ich bin dort zum Glauben gekommen. Ja, vielleicht soll ich das kurz berichten. Ich war in einer Internatsschule, damals sechzehn, siebzehn Jahre alt. Ich hatte mich schon ein bisschen für alles Mögliche interessiert, natürlich auch für Gott, aber auch für Parapsychologie, Yoga und alles Mögliche, was ein junger Mensch sich halt interessieren könnte.
Im Internat war ein Freund mit mir, der hieß Klaus. Er hat mich mal eingeladen, zu einem Schülerbibelkreis mitzukommen. Einige Schüler wollten gemeinsam anfangen, die Bibel zu lesen. Ich war damals in der sechsten oder siebten Klasse, ich glaube siebte Klasse. Das heißt, die zwölfte ist das bei euch, oder die siebte? Nein, die elfte Klasse. Die anderen waren in der zwölften Klasse.
Und das waren so eben einige, vielleicht fünf, sechs Leute. Wir kamen dahin, sie waren in ihrem Zimmer und sagten, sie wollten jetzt mit einem Bibelkreis beginnen. Einer von ihnen war protestantisch, die anderen waren katholisch. Oder nein, stimmt auch nicht, einige waren protestantisch, aber wirklich wiedergeboren war vielleicht nur einer.
Jedenfalls begannen sie an diesem Abend und schlugen den Jakobusbrief auf. Einer sagte, sie wollten gerne mal den Jakobusbrief lesen. Dann sagte man: „Gut, dann lesen wir ihn.“ Und wir begannen zu lesen, so reihum, jeder ein paar Verse, bis wir fertig waren mit dem Jakobusbrief.
Das war interessant, denn ich hatte den Jakobusbrief noch nie gelesen. Als Katholik liest man nicht viel in der Bibel. Als wir dann fertig waren, so langsam alles durchgelesen hatten – das dauerte etwas mehr als eine halbe Stunde –, war es ganz still im Zimmer. Dann sagte einer von ihnen: „Das war jetzt gewaltig!“
Dann sagten sie: „Ja, wir wollen diesen Brief jetzt noch mal lesen, aber jetzt langsamer und darüber diskutieren.“ Das sollte aber erst an späteren Abenden sein. Das war meine erste Bekanntschaft mit so einem Kreis von Jugendlichen, die einfach die Bibel lesen wollen.
Erste Begegnungen mit dem Evangelium und Bibelkreis-Erfahrungen
Ich bin später zu einem Jugendtag gegangen. Es war ein Jugendtreffen in Salzburg, in der Stadt. Wir wohnten etwa eine Stunde entfernt von Salzburg.
Bei diesem Jugendtreffen habe ich das Evangelium zum ersten Mal recht klar gehört. Es war eine große Evangelisation. Danach begann ich, gemeinsam mit meinem Freund die Bibel zu lesen. Wir waren im Internat, das heißt, wir standen dort eine halbe Stunde früher auf als die anderen Schüler der Internatsschule. Gemeinsam lasen wir die Bibel. Außerdem trafen wir uns einmal in der Woche abends zum Bibellesen. Dabei diskutierten wir über die Bibel, was für mich wirklich interessant war.
So machte ich Bekanntschaft mit der Bibel, wie ich sie vorher noch nicht gemacht hatte. Wir beide hatten wenig Ahnung. Heute weiß ich, dass weder er noch ich zu diesem Zeitpunkt wiedergeboren waren. Aber wir wollten die Bibel lesen, und es war eine schöne Zeit.
Mehr und mehr begann ich, Bekanntschaft mit der Bibel zu machen. In diesem Bibelkreis formierte sich ein Kreis, zu dem immer mehr Menschen dazukamen. Es wurde ein Schülerbibelkreis mit etwa 15 bis fast 20 Leuten. Manchmal gesellte sich ein protestantischer Pfarrer oder besser gesagt ein Vikar, also ein werdender Pfarrer, dazu. Er half uns ein wenig. Er war wiedergeboren, machte zwar einige Kompromisse mit der Kirche, aber ich glaube, er war wirklich wiedergeboren.
So kam ich in eine innere Not. Ganz klar hatten wir das Evangelium noch nicht in vollem Umfang gehört, aber es war schon so deutlich, dass ich wusste: Ich habe Sünden in meinem Leben und muss sie loswerden. Als Katholik tut man das, indem man die Sünden einem Priester beichtet. Man geht in einen Beichtstuhl, eine dunkle Kammer, in der der Priester vor einem sitzt. Man kniet vor ihm, und dazwischen ist ein Gitter. Dann bekennt man dem Priester seine Sünden.
Ich wusste, dass ich mal zu so einer katholischen Beichte gehen sollte, denn meine Sünden drückten mich sehr. Aber irgendwie hatte ich nicht den Mut. Außerdem war ich nicht ganz überzeugt, ob mir der Priester wirklich helfen kann. Jedenfalls bin ich nicht gegangen.
Einer der Leute im Bibelkreis war ein Lehrer, damals 26 Jahre alt. Für mich als Siebzehnjährigen war das schon ein alter Mann, jemand, der viel weiser und reifer war als ich. Ich dachte, mit ihm würde ich reden und ihm meine Sünden beichten, so wie es die Katholiken sich vorstellen. Aber den Mut, mit ihm zu sprechen, brachte ich einfach nicht auf. Er war wirklich ein feiner Kerl, ein gläubiger Lehrer, der später auch die Führung in der Runde übernahm.
So sammelte ich mehr und mehr Erfahrungen, doch ich trug weiterhin die Last meiner Sünden mit mir herum. Den Mut, mit ihm über meine Sünden zu sprechen, hatte ich nicht. Das ging eine Zeit lang, mehrere Monate lang.
Begegnung mit einem Missionar und geistlicher Aufbruch
Einmal kam ein Missionar zu uns in den Bibelkreis. Es war ein Schweizer Missionar, der in Österreich die Arbeit begonnen hatte, die heute eine recht blühende Arbeit ist. Irgendjemand hatte ihn zu unserem Bibelkreis eingeladen. Er dachte, wir seien sowieso alle gläubig. Doch das war nicht der Fall: Nur drei oder vier von uns waren gläubig, die restlichen fünfzehn nicht.
Der Missionar, der übrigens Walter Mauerhofer hieß – vielleicht hat jemand den Namen Mauerhofer schon einmal gehört, denn das ist eine ganze Sippe in der Schweiz –, erzählte von seinem Herrn und wie dieser ihm so deutlich den Weg gewiesen hatte, als Missionar nach Österreich zu gehen. Als ich das hörte, habe ich das nie mehr vergessen. Ich dachte mir, so etwas muss ich mir näher anschauen und ich wollte mit diesem Mann mehr Kontakt haben.
Daraufhin schrieb ich ihm einen Brief und teilte ihm mit, dass ich interessiert sei, mit ihm irgendwie zu arbeiten. Er hatte nämlich gesagt, wenn jemand von den jungen Leuten ihm in seiner Missionsarbeit helfen wolle, solle er zu ihm kommen oder ihm schreiben. Er antwortete sehr schnell und freute sich sehr. Er sagte: „Wunderbar, dann kommt zu uns, wir machen eine Zeltmission.“ Diese fand in Zell am See statt.
Das fand ich interessant, denn ich wohnte in Zell am See. Meine Eltern lebten dort, und ich war im Internat in Saalfelden, das etwa zwanzig Kilometer entfernt ist. Ich sagte ihm zu, in den Ferien für ein paar Wochen zu kommen und ihm bei der Missionsarbeit zu helfen. Sie hatten ein Zelt aufgebaut, ein Missionszelt, das ungefähr 400 Meter von unserem Haus entfernt war – also praktisch vor der Tür.
Dort half ich bei der Missionsarbeit mit, doch ich war selbst noch nicht sicher in Bezug auf meine Sünden. Ich hatte immer noch keine klare Heilsgewissheit. Dann fragte er mich: „Thomas, wann bist du eigentlich zum Glauben gekommen?“ Das war das erste Mal, dass ich das Wort „bekehrt“ hörte. Andere Wörter kannte ich, aber „bekehrt“ war neu für mich.
Ich wusste nicht recht, was ich antworten sollte. Ich redete irgendwie herum. In dieser Woche bekam ich von ihm das Buch „Jesus unser Schicksal“ oder es lag auf dem Büchertisch, und ich begann es zu lesen. Kennt ihr das Buch „Jesus unser Schicksal“ von Wilhelm Busch? Es ist recht bekannt. Beim Lesen bekam ich eine heiße Gewissheit. Der Herr Jesus Christus wurde mir groß vor Augen gemalt. Das berührte mich tief.
Dann entwickelte sich ein großer Hunger, Jesus Christus besser kennenzulernen und die Bibel intensiver zu lesen. Ich begann viel in der Bibel zu lesen. Um das Ganze kurz zu machen: Es entstand eine Zusammenarbeit mit diesem Missionar. Nach dem Abschluss meiner Schule konnte ich ein ganzes Jahr lang bei ihm sein und mithelfen.
So begann eigentlich mein geistliches Leben. Für mich war das geistliche Leben schon in der Wiege vorhanden, verbunden mit dem Anliegen, dem Herrn zu dienen. Als ich mich bekehrte, war ich in den Ferien zwischen der siebten und achten Klasse – also zwischen der elften und zwölften Klasse, was in Österreich die letzte Klasse vor dem Abitur ist.
Ich dachte damals schon, ich würde das Abitur nicht mehr fertig machen, sondern dem Herrn Jesus dienen. So begeistert war ich. Zum Glück habe ich die Schule doch noch abgeschlossen. Nach der Schule wollte ich vollzeitlich in den Dienst des Herrn treten und ihm einfach dienen. Doch der Herr ließ mich noch warten.
Es vergingen etwa zwanzig Jahre, bis ich dann tatsächlich vollzeitlich in den Dienst eintrat. Vollzeitlich bedeutet, dass der Herr mich so führte, dass mein Dienst hauptsächlich darin besteht, christliche Arbeit zu tun. Seit 1997 arbeite ich mit Professor Herbert Janssen zusammen. Wir sind auch in der Übersetzungsarbeit tätig, haben das Neue Testament neu übersetzt sowie die Psalmen und die Sprüche.
Seit 1995 wohnen wir in der Schweiz. Meine Frau ist Schweizerin, das habe ich schon erzählt. Wir haben vier Kinder: Die Älteste ist 23, der Jüngste zwölf. Wir haben alle adoptiert – zwei aus dem Osten, aus Rumänien, einen aus der Schweiz und eine aus Österreich. So viel wollte ich erzählen.
Aktueller Dienst und Einführung in den Johannesbrief
Genug geredet. Nun ist es so, dass ich meinen Dienst tue und dabei sehr viel schriftliche Arbeit erledige. Außerdem bin ich unterwegs in der Verkündigung.
Ich bin zweimal im Jahr im Osten, in der Ukraine, in Moldawien, Rumänien und Ungarn. Ansonsten bin ich in verschiedenen Gemeinden unterwegs. Wir haben auch eine kleine Gruppe in Hohen Tengen an der Schweizer Grenze. Das ist zwar noch Deutschland, aber wir selbst wohnen in der Schweiz, in der Nähe von Winterthur bei Zürich.
So viel erst einmal dazu!
Wir wollen uns in diesen Tagen, oder wie ich gehört habe, ihr wollt in diesen Tagen den Johannesbrief ansehen. Heute wollen wir uns ein wenig mit diesem Johannesbrief vertraut machen.
Der Johannesbrief ist ja ein ganzes Buch. Ich habe den Johannesbrief hier vor mir. Er ist recht kurz, nicht viel. Man kann ihn in etwa zehn Minuten durchlesen, oder? Gute zehn Minuten. Wenn man ihn öfter liest, dann geht es schneller.
Ich weiß nicht, wie oft ich den Johannesbrief in letzter Zeit gelesen habe. Aber als ich erfahren habe, dass wir uns mit dem Johannesbrief beschäftigen sollen, dachte ich: Ich habe mich noch nie so intensiv mit dem Johannesbrief befasst. Ich habe ihn noch nie systematisch durchgelehrt. Aber ich habe ihn dann studiert, gelesen, darüber nachgedacht, sozusagen gegessen und getrunken, geträumt und hoffentlich auch angefangen, ihn zu leben.
Es hat mir sehr große Freude gemacht. Das ist oft so mit dem Wort Gottes: Wenn wir uns anfangen, näher mit einem Brief zu befassen, dann erlebt man das oft so, dass es irgendwann Feuer fängt. Das heißt, irgendwann beginnt das Ganze lebendig zu werden. Man hält es kaum aus, es kribbelt in den Fingern.
Am Morgen wacht man auf und denkt sofort an den Johannesbrief, weil man sich irgendwie mit ihm beschäftigt. Die Gedanken drehen sich nur um diesen Brief. Das habe ich früher auch oft erlebt: Wenn wir viel in der Bibel arbeiten und nachdenken, dann wächst in uns eine große Freude für das Wort Gottes und ein großer Hunger danach.
Also zum Johannesbrief: Wer möchte, kann den Text, den ich vorlese, später noch einmal anschauen. Ich habe ihn hier auf Blättern. Er ist vielleicht ein bisschen anders als in der Schlachter-, Luther- oder Elberfelder Übersetzung, die ihr habt, oder in einer anderen Übersetzung. Wer will, kann sich da bedienen.
Ich habe ihn für diejenigen, die gute Augen haben, klein gedruckt, und für solche wie mich, die schlechte Augen haben, groß gedruckt. Außerdem habe ich eine Gliederung vorbereitet, an der ihr euch ebenfalls orientieren könnt. So fällt es leichter, dem Vortrag zu folgen.
Jetzt habe ich euch noch zwei Blätter ausgeteilt. Das sind Tabellen, auf die ich gleich noch eingehen werde. Aber das lassen wir noch ein bisschen warten.
Annäherung an den Johannesbrief: Inhalt und Struktur
Wenn man ein Buch liest oder sich einem Buch nähert, muss man sich zunächst einfach damit vertraut machen. Das heißt, man sollte es ein paarmal durchlesen und sich Gedanken darüber machen, wie das Buch überhaupt entstanden ist und warum gerade dieses Buch – ich sage jetzt bewusst Buch, obwohl es ein Brief ist – in der Bibel enthalten ist.
Wenn man so etwas liest, möchte ich hier auch gleich eine kleine Anleitung geben, wie man an ein Bibelbuch herangeht. Man macht Beobachtungen, oder? Man liest den Brief und macht Beobachtungen.
Johannes ist sowieso ein besonderer Charakter in der Bibel. Wenn man die Johannesschriften liest, merkt man, dass er anders ist als die anderen. Die Offenbarung des Johannes ist uns allen bekannt. Sie steht ganz hinten in der Bibel und gilt als das schwerste Buch der Bibel. Dass sie ganz hinten steht, ist kein Zufall. Aber auch der Johannesbrief ist ein anspruchsvoller Brief. Und das Johannesevangelium ist schwieriger als die anderen drei Evangelien.
Es ist nicht nur schwieriger, sondern auch ganz besonders. Das Evangelium ist besonders, und auch dieser Brief ist etwas Besonderes. Man merkt, dass Johannes eine sehr einfache Sprache verwendet, ganz einfache Sprache. Doch die Wahrheiten, die er ausdrückt, sind sehr tief und grundlegend.
Johannes stellt in allen seinen Schriften den Herrn Jesus in den Mittelpunkt. In allen Schriften, im Johannesevangelium zum Beispiel, lesen wir am Ende, in Kapitel 20, Vers 31, dass diese Dinge geschrieben sind, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen. Das ist ein gewaltiger Satz.
Das Johannesevangelium ist anders als die anderen Evangelien. Es will uns Jesus so vor Augen malen, dass wir an den Namen des Herrn Jesus glauben und durch diesen Namen Leben haben. Der Name steht ja für die Person. Wenn Johannes vom Namen Jesus spricht, meint er die Person, die dahintersteht. Und Leben hast du in der Person Jesu Christi! Johannes möchte, dass seine Leser fest überzeugt werden, dass man im Namen Jesus Leben hat.
Im Brief ist es dasselbe Thema. Das Thema des Johannesevangeliums ist der Sohn Gottes, und das Thema des Johannesbriefes ebenfalls der Sohn Gottes. Wenn man so einen Brief liest, wie wir es jetzt tun, stellt man fest, dass das Thema vorne und hinten angegeben wird. Das ist üblich, oder? Wenn du ein Buch liest, findest du das Inhaltsverzeichnis entweder vorne oder hinten. Bei einem Haus steckt der Schlüssel an der Tür oder liegt in der Nähe der Tür. Wenn es zwei Türen gibt, liegt vielleicht hinten noch ein Schlüssel.
Hier haben wir einen Schlüssel zu diesem Brief: einen vorne und einen hinten. Der Erste Johannesbrief beginnt so: „Das von Anfang war, das haben wir gehört, mit unseren Augen gesehen, angeschaut und mit unseren Händen betastet.“ Es betrifft das Wort des Lebens, und davon schreibt er. Es betrifft das Wort des Lebens, also schreibt er davon.
In Vers 2 fährt er fort: „Das Leben wurde geoffenbart, und wir haben es gesehen, bezeugen und berichten euch das ewige Leben.“ Eigentlich heißt es: „Und wir geben euch in Form einer Botschaft das ewige Leben weiter, das beim Vater war und uns geoffenbart wurde.“
Was wir hier herauslesen können, ohne jetzt die ganzen Verse zu zerpflücken, ist Folgendes: Johannes’ Anliegen ist es, vom Wort des Lebens zu sprechen und zu schreiben. Dieses Leben wurde geoffenbart, vorher war es beim Vater, und dann wurde es offenbart. „Wir haben es gesehen“, sagt Johannes, „wir haben es gehört, und wir geben es euch in Form einer Botschaft weiter.“
Am Ende des Briefes lesen wir auch davon. Am Ende des Briefes, in Kapitel 5, Vers 20, steht: „Wir wissen, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns einen Sinn gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen kennen. Und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“
Schon interessant: Er schreibt vorne, dass Jesus das ewige Leben ist. Er sagt, das ist sein Thema. Und ganz hinten sagt er, Gott hat uns einen Sinn gegeben, einen sechsten Sinn, damit wir den Wahrhaftigen erkennen. Und wir sind in dem Wahrhaftigen Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.
Das ist das Thema. Ein schöneres Thema gibt es eigentlich nicht, oder? Ein schöneres Thema als Jesus Christus, den Sohn Gottes. Das zieht sich durch den gesamten Brief. Es geht um den Sohn Gottes.
Ganz am Anfang habe ich gelesen, in Vers 2: „Das Leben wurde geoffenbart.“ Dann noch einmal: „Das ewige Leben, das beim Vater war und uns geoffenbart wurde.“ Ein zweites Mal lesen wir das in Kapitel 3, Vers 5: „Ihr wisst, dass er geoffenbart wurde, damit er unsere Sünden wegnehme.“
Und dann wiederholt es sich in Vers 8: „Der Teufel – wer Sünde tut – ist aus dem Teufel, weil der Teufel von Anfang an sündigt. Hierzu wurde der Sohn Gottes geoffenbart, damit er die Werke des Teufels auflöse.“
Hier ist die zweite Stelle, wo von der Offenbarung Jesu Christi die Rede ist: Er wurde geoffenbart. Das dritte Mal lesen wir das in Kapitel 4, Vers 9: „In diesem wurde die Liebe Gottes unter uns geoffenbart, dass Gott seinen einzig geborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben können.“
Das wollen wir uns jetzt einmal merken: Am Anfang wurde das Leben geoffenbart, Jesus Christus. Dann in der Mitte, Kapitel 3, Vers 5 und Vers 8, wurde der Sohn Gottes geoffenbart, damit er unsere Sünden wegnehme und die Werke des Teufels zerstöre. Und dann in Kapitel 4, Vers 9, wurde die Liebe Gottes unter uns geoffenbart, indem Gott seinen einzigen Sohn in die Welt sandte, damit wir durch ihn leben.
Es fällt auf: Dreimal wird vom Sohn Gottes gesprochen, von der Offenbarung des Sohnes Gottes.
Dann lesen wir dreimal von Problemen, und zwar ein ganz besonderes Problem. Johannes spricht von der Welt, und das tut er ebenfalls dreimal an drei spezifischen Stellen. Er spricht sehr oft von der Welt, aber an drei Stellen häuft es sich und es werden drei Aussagen über die Welt gemacht.
Die erste Aussage über die Welt ist am Ende des ersten Teils, in der Mitte von Kapitel 2, Vers 17: „Die Welt vergeht und ihre Lust. Wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.“ Das ist eine zentrale Aussage über die Welt. Er spricht noch mehr über die Welt an dieser Stelle, aber das ist der Kernpunkt.
Dann, in Kapitel 3, Vers 13, gibt es eine weitere zentrale Aussage über die Welt: „Seid nicht erstaunt, liebe Brüder, wenn die Welt euch hasst.“
Das erste, was wir gelesen haben, war also: Die Welt vergeht. In diesem Zusammenhang sagt er, wir sollen die Welt nicht lieben, weil sie vergeht. Aber dann sagt er in Kapitel 3, Vers 13, dass die Welt uns hasst. Man soll ja nicht etwas lieben, das einen hasst. Das kann gefährlich sein, jemanden zu lieben, der einen nicht liebt. Fragt Samson – er hat eine Frau geliebt, die ihn eigentlich nicht liebte, sondern ihn ausgeliefert hat. Es ist gefährlich, jemanden zu lieben, der einen nicht liebt.
Das ist die zweite Aussage über die Welt.
Jetzt die dritte Aussage über die Welt, am Ende des Buches, Kapitel 5, Vers 19: Johannes sagt: „Wir wissen, dass wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt im Bösen.“ Habt ihr das? Die ganze Welt liegt im Bösen.
Wir haben also drei Sätze: Die Welt vergeht, die Welt hasst euch, und die Welt liegt im Bösen. Luther sagt: Die Welt liegt im Argen, im Satan. Dort ist ihr Wesen zu Hause.
Und immer wieder, dreimal in diesem Zusammenhang, spricht Johannes auch vom Überwinden der Welt.
In Kapitel 2, wo er von der Welt spricht, sagt er zu den jungen Männern in Vers 14: „Ich habe euch junge Männer geschrieben, weil ihr stark seid, und das Wort Gottes in euch bleibt und ihr den Bösen überwunden habt.“
Weiter unten, in Kapitel 4, Vers 4, spricht er auch von der Welt. Dort gibt es Geister in der Welt, die unterwegs sind – böse Geister. Und da gibt es einen Geist des Antichristen, der in der Welt ist. In Vers 3 heißt es, er ist jetzt schon in der Welt. Aber ihr seid aus Gott, Kinder, und habt sie überwunden, weil der, der in euch ist, größer ist als der, der in der Welt ist.
Es geht also um das Überwinden dieses Geistes, der in der Welt ist.
Am Schluss des Briefes, nicht ganz am Ende, aber in Kapitel 5, Vers 4, spricht Johannes noch einmal davon, dass wir die Welt überwinden sollen beziehungsweise macht er klar, wer die Welt überwindet. Er sagt in Vers 4: „Alles, was aus Gott geboren wurde, überwindet die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube.“
Wer überwindet die Welt, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?
Ich möchte nur zeigen, dass Johannes sehr schematisch denkt. Es ist wahrscheinlich eine der schwierigsten Aufgaben, den Johannesbrief zu gliedern, aber es ist nicht unmöglich, denn Johannes ist kein Chaot. Johannes war ein einfacher Mensch, ein Fischer, aber eines wusste er ganz genau: Man muss die Fische sortieren, die Netze flicken und in Ordnung halten.
Als er den Herrn Jesus kennenlernte, hat er gerade Netze geflickt. Johannes war also ein Mensch der Ordnung.
Manche Ausleger meinen, Johannes rede immer wieder dasselbe und sei ganz durcheinander. Das stimmt nicht. Es gibt ein Schema.
Wir haben jetzt schon etwas festgestellt: Er redet davon, dass Jesus Christus geoffenbart wurde – am Anfang, in der Mitte und am Schluss. Gegen Ende des ersten Teils redet er davon, dass die Welt da ist und überwunden werden muss. Im zweiten Teil spricht er von der Welt, die überwunden werden muss, und vom Geist in der Welt. Zum Schluss zeigt er uns, dass unser Glaube die Welt überwindet.
Johannes hat also einen klaren Gedankengang. Er ist sehr weise in dem, was er schreibt, und vom Heiligen Geist geleitet. Der Heilige Geist ist ein Geist der Ordnung. Deshalb finden wir ganz sicher eine Ordnung in diesem Brief.
Zentrale Aussagen über Gott im Johannesbrief
Ich möchte euch noch ein bisschen in den Brief einführen. Wir tasten uns langsam an den Brief heran, oder? Dreimal lesen wir in dem Brief eine ganz zentrale Aussage über Gott – und zentraler geht es nicht mehr.
Die erste Aussage über Gott können wir gemeinsam entdecken. Wo steht sie? Schaut nicht auf das Blatt oder die Tabelle, die ihr habt, sondern einfach mal in die Bibel hinein. Was ist die erste Aussage? Später heißt es, dass Gott Liebe ist, aber am Anfang steht etwas anderes: Gott ist Licht! Gott ist Licht! Das ist Johannes sehr wichtig, und um dieses Thema dreht sich der erste Teil seines Briefes. Es geht darum, dass Gott Licht ist. Wir lassen das erst einmal so stehen und erklären es später. Jetzt wollen wir nur beobachten: Gott ist Licht!
Dann wird noch etwas über Gott gesagt, das hat schon jemand von euch erwähnt: Gott ist Liebe. Das steht in Kapitel 4, Vers 8, sogar zweimal, in Vers 8 und in Vers 16. Also: Kapitel 1, Vers 5 heißt es „Gott ist Licht“, Kapitel 4, Vers 8 und 16 heißt es „Gott ist Liebe“. Das sind ganz zentrale Aussagen.
Das Wesen Gottes hat man sozusagen zwei Pole – ähnlich wie die Erde zwei Pole hat, Nordpol und Südpol. Gott hätte auch fünf Pole machen können, aber er hat zwei gemacht. Im Wesen Gottes gibt es auch zwei Pole: die eine Seite sagt uns, Gott ist Licht, die andere Seite sagt uns, Gott ist Liebe. Das sind zwei charakteristische Wesenszüge Gottes.
Wenn wir Gott kennenlernen wollen – und Johannes will, dass seine Leser Gott kennenlernen – dann müssen wir grundlegende Dinge über Gott feststellen. Johannes spricht davon: Gott ist Licht, das heißt, er ist heilig. In ihm ist keine Dunkelheit, keine Sünde, nichts Böses. Er ist immer gut, er ist Licht. In seinem Wesen gibt es keinen Flecken, keine dunklen Stellen.
Die andere Seite ist: Gott ist Liebe. Güte, Freundlichkeit, das Angenehme. Er nimmt uns an, ein Gott, der sich um seine Geschöpfe kümmert. Dieses Thema bewegt den Apostel Johannes sehr. 48 Mal spricht er von Liebe in dem Brief. Stellt euch das mal vor: 48 Mal spricht er von Liebe – in keinem anderen Buch der Bibel wird so oft von Liebe gesprochen wie in diesem Brief. Und er ist so kurz.
Also: Gott ist Liebe und Gott ist Licht. Nun haben wir zwei Aussagen über Gott. Es gibt noch eine dritte, die nicht ganz so offensichtlich ist wie die anderen beiden, aber sehr deutlich. Sie steht in der Mitte des Buches, in Kapitel 1, Vers 29: „Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, dann wisst, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus Gott geboren ist.“ Kapitel 2, Vers 29 sagt Ähnliches: „Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, dann nehmt zur Kenntnis, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus Gott geboren ist.“ Gott ist gerecht.
„Gott ist gerecht“ – das steht hier einfach so. Der erste Teil des Briefes handelt davon, dass Gott Licht ist, der zweite davon, dass Gott gerecht ist, und der dritte davon, dass Gott Liebe ist.
Was heißt eigentlich gerecht? Da müssen wir umdenken. In unserem Denken ist gerecht oft so gemeint: Der eine bekommt zwei Äpfel und der andere drei Äpfel – das ist ungerecht, also eine ungerechte Verteilung. Oder der eine kann viel und der andere nichts – das ist ungerecht, sagen wir. Das ist eine Art von Gerechtigkeit, nämlich eine gerechte Verteilung.
Aber in der Bibel ist das Wort gerecht weiter gefasst. Es heißt „richtig“ in jeder Art und Hinsicht. Richtig bedeutet: Er hat immer Recht, er ist so, wie man sein soll, das ist das Gerechte, das Richtige – so, wie es in den Augen Gottes richtig ist. Gott hat einen Maßstab, an dem er alles misst, und dieser Maßstab ist er selbst. Er ist gerecht. Sein Wesen ist ohne Fehler, fehlerlos.
Wir haben also diese drei Aussagen über Gott. Wenn wir uns diese drei Aussagen ansehen und die Verse rundherum lesen, merken wir auch das jeweilige Thema in jedem Teil.
Nehmen wir das Erste: Kapitel 1, Vers 5: „Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch berichten: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Dunkelheit.“ Wenn wir sagen, wir haben Gemeinschaft mit ihm und wandeln in der Dunkelheit, dann lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander. Und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde.
Das sind die zentralen Verse im ersten Teil, nämlich die Verse 5, 6 und 7. Gott ist Licht, und weil Gott Licht ist, sollen wir nicht in der Finsternis wandeln, sondern im Licht. Wenn wir das tun, haben wir Gemeinschaft miteinander. Dieser erste Teil beschäftigt sich mit diesem Thema bis Kapitel 2, Vers 28.
In Kapitel 2, Vers 28 gibt es sozusagen einen Schnitt, und dann kommt eine neue zentrale Aussage. Der zweite zentrale Satz im Johannesbrief steht in Kapitel 2, Vers 29: „Wenn ihr wisst, dass er gerecht ist, so nehmt zur Kenntnis, dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus ihm geboren ist.“ Wer die Gerechtigkeit tut, ist aus Gott geboren. Gott ist gerecht, und jeder, der so ist wie er, ist wiedergeboren – so einfach.
Johannes liebt es, solche Sätze zu formulieren, klare Aussagen. Er spricht nicht von Ausnahmen oder Grauzonen, sondern ganz klar von einer Seite und der anderen. Er möchte es einfach so hinstellen: So ist es.
Im ersten Kapitel und bis Kapitel 2, Vers 28 geht es darum, dass die Gläubigen im Licht wandeln sollen. Das zieht sich durch den Abschnitt, wie ich noch zeigen werde.
Ab Kapitel 2, Vers 29 geht es darum, dass die Gläubigen gerecht leben sollen, gerecht handeln sollen, die Gerechtigkeit tun sollen. Man kann daran erkennen, wer gläubig ist und wer nicht, wer ein Kind Gottes ist und wer ein Kind Satans ist. Man erkennt es daran, ob jemand die Gerechtigkeit tut oder nicht.
Das Gegenteil von Gerechtigkeit ist Sünde, wie es in Kapitel 3 ausführlich beschrieben wird. Dort spricht Johannes viel über das Tun der Sünde. Satan tut die Sünde, und jeder, der aus Satan ist, tut die Sünde. Der Gläubige tut sie nicht.
Johannes spricht hier schwarz-weiß, nicht von Stolpern oder Sündefällen. Das ist nicht das Thema. Er will das Charakteristikum herausarbeiten: Gläubige führen ein gerechtes Leben, die anderen führen ein Leben der Sünde. Das geht bis Kapitel 4, Vers 6.
Dann beginnt in Kapitel 4, Vers 7 etwas Neues: „Geliebte, lasst uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott. Jeder, der liebt, ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, kennt Gott nicht, denn Gott ist Liebe.“
In diesem Brief wird die Liebe Gottes unter uns offenbart: Gott hat seinen einzig geborenen Sohn in die Welt gesandt, damit wir durch ihn leben. Die Liebe besteht nicht darin, dass wir Gott liebten, sondern dass er uns liebte und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden sandte.
Ab Kapitel 4, Vers 7 stellt Johannes ganz deutlich heraus, dass die Quelle unserer Liebe Gott ist. Das hatte er bis dahin noch nicht gesagt. Er sprach immer vom Lieben und vom Gebotehalten, aber neu ist hier, dass die Quelle unserer Liebe Gott ist – und zwar die Liebe, die Gott zu uns hat und in Jesus Christus offenbart hat.
Weil Gott liebt, hat er den Sohn gesandt. Darum ist es auch wichtig, dass wir richtig über den Sohn Gottes denken. Deshalb spricht Johannes in diesem Abschnitt noch viel über den Sohn Gottes.
Ich möchte nur zeigen, dass man deutlich erkennen kann, dass es drei große Abschnitte im Johannesbrief gibt. Das dürfen wir uns merken:
Der erste Teil geht bis Kapitel 2, Vers 28.
Der zweite Teil reicht von Kapitel 2, Vers 29 bis Kapitel 4, Vers 6.
Der dritte Teil umfasst den Rest, von Kapitel 4, Vers 7 bis zum Schluss.
Anlass und Hintergrund des Johannesbriefes
Und jetzt kommt noch etwas sehr Wichtiges. Der Brief, den Johannes geschrieben hat, entstand nicht einfach so, weil er sich überlegt hat: „Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich könnte ja mal den Geschwistern dort in Asien oder wo sie leben einen Brief über Jesus Christus schreiben.“ Das war nicht der Grund, warum er sich hingesetzt und einen Brief über Jesus Christus verfasst hat.
Vielmehr gab es einen ganz wichtigen Anlass für das Schreiben dieses Briefes. Der Anlass war, dass die Geschwister, an die dieser Brief gerichtet ist, in großer Gefahr lebten. Irrlehrer waren in dieser Gegend aufgetaucht. Man vermutet, dass dies in Asien war, also in Kleinasien, dem Gebiet der heutigen Türkei. Dort wirkte Johannes am Ende seines Lebens vor allem. Er war ja auch auf Patmos, einer Insel im türkischen Ägäischen Meer, die ebenfalls zu Kleinasien gehört. Auch in Ephesus war er tätig – das schreiben andere Kirchenväter –, und dort wirkte er lange Zeit bis zum Ende seines Lebens.
Johannes wurde übrigens ein alter Mann. Wie alt genau, wissen wir nicht, aber man sagt, er habe die ersten Jahre des Kaisers Trajan erlebt. Trajan regierte etwa von 98 nach Christus bis in die ersten Jahre des 2. Jahrhunderts. Wenn Johannes die ersten Jahre von Kaiser Trajan erlebt hat, dann bedeutet das, dass er vielleicht sogar das Jahrhundertwechseljahr 100 erlebt hat. Wenn Trajan 98 Kaiser wurde und Johannes die ersten Jahre seiner Herrschaft noch erlebte, dann könnte Johannes also das Jahrhundert erlebt haben.
War Johannes also wirklich so alt? Wenn er recht jung war, als er dem Herrn Jesus begegnete – vielleicht etwa zwanzig Jahre alt, als Jesus ungefähr dreißig war – dann wäre er zum Zeitpunkt des Briefes um die neunzig Jahre alt gewesen. Auch das Evangelium des Johannes soll er recht spät geschrieben haben.
Der Anlass für den Brief war also, dass in diesen Gemeinden Irrlehrer aufgetreten waren, die eine falsche Lehre über Christus verbreiteten. Man spricht von einer falschen Christologie. Das, was sie verkündeten, war heilsentscheidend falsch. Wer diese Lehre glaubte, verlor das Heil. Die Sache war sehr ernst, und Johannes behandelt dieses Thema im Brief ausführlich.
Diese Irrlehrer glaubten offensichtlich nicht, dass Jesus der Christus ist. Das heißt: Sie glaubten nicht, dass der Jesus von Nazareth derselbe ist wie der Messias, den Gott gesandt hat. Diese Lehre nennt man eine frühgnostische Lehre, manche sprechen auch vom Doketismus.
Ein bekannter Irrlehrer war Cerinthus. Er lehrte, dass Maria und Joseph ein Kind namens Jesus hatten – einen normalen, aber klugen Menschen. Dieser Jesus wurde von Johannes dem Täufer getauft. Als er sich taufen ließ, kam der himmlische Christus, ein Geist, auf ihn und blieb bei Jesus bis zur Kreuzigung. Kurz vor der Kreuzigung verschwand dieser Christus wieder in die Ewigkeit. Jesus starb also, aber der himmlische Christus war ein anderer, von dem Jesus getrennt war.
Cerinthus glaubte, dass Christus ein geschaffener Geist sei, ein Engelwesen, ähnlich dem, was die Zeugen Jehovas heute glauben. Er leugnete, dass Jesus der Messias sei, und glaubte an zwei verschiedene Personen: einen Geist namens Christus und einen Menschen namens Jesus. Christus nahm nur scheinbar einen Leib an, nämlich den von Jesus, und verließ ihn kurz vor der Kreuzigung wieder.
Diese Lehre ist eine klare Irrlehre. Aus der Kirchengeschichte wissen wir von Eusebius und Irenaeus, die davon berichten. Ich habe das Zitat in meinem Computer gespeichert und kann es euch später vorlesen. Wichtig ist, dass diese Irrlehre damals sehr gefährlich war und sich später noch weiter ausbreitete.
Wenn wir den Brief lesen, merken wir, dass Johannes zuerst ethische und moralische Themen behandelt. Kennt ihr den Unterschied zwischen Ethik und Dogmatik? Vielleicht nicht, deshalb eine kurze Erklärung: Ethik oder Moral beschäftigt sich damit, wie der Mensch leben soll – also das Tun. Dogmatik hingegen behandelt die Glaubenslehren, also was man glauben soll.
Johannes wechselt in seinem Brief zwischen Ethik und Dogmatik ab. Er beginnt mit Ethik in Kapitel 1 und schließt diesen Teil mit Dogmatik in Kapitel 2 ab. Danach folgt in Kapitel 3 wieder Ethik, und am Anfang von Kapitel 4 Dogmatik. In Kapitel 4, Vers 7, kommt wieder Ethik, und der Brief endet in Kapitel 5 mit Dogmatik. Man kann den Brief in drei Teile gliedern, wobei jeder Teil mit einer christologischen Dogmatik endet – also einer Lehre über Christus.
Um es noch einmal klar zu sagen: Der ethische Teil reicht von Kapitel 1 bis ungefähr Kapitel 2, Vers 11. Dort geht es um das moralische Leben. Ab Vers 12 und vor allem ab Vers 18 spricht Johannes von Dogmatik. Er warnt vor Irrlehrern.
In Kapitel 2, Vers 18, heißt es: „Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind jetzt viele Antichristen gekommen.“ Vers 22: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Dieser ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht.“
Hier geht es um Dogmatik, um Christologie, also die Lehre über Christus. In Kapitel 2, Vers 29, kehrt Johannes zur Ethik zurück und erklärt, wie man die Kinder Gottes von den Kindern Satans unterscheiden kann.
Dann in Kapitel 4, Vers 1, folgt wieder Dogmatik: „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgegangen. Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, ist aus Gott. Jeder Geist, der Jesus Christus nicht bekennt, ist nicht aus Gott.“
Das ist klar Dogmatik, Christologie, die Lehre über Christus. In Kapitel 4, Vers 3 heißt es: „Dieser ist der Geist des Antichristen, von welchem ihr gehört habt, dass er kommt, und er ist jetzt schon in der Welt.“ So kann man den Geist der Wahrheit vom Geist der Irrlehre unterscheiden.
Im dritten Teil beginnt Johannes wieder mit Ethik, also wie man leben soll, zum Beispiel Bruderliebe. Dann folgt in Kapitel 5 wieder Dogmatik.
Kapitel 5, Vers 1: „Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren.“ Vers 5: „Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist? Dieser ist es, der durch Wasser und Blut gekommen ist, Jesus Christus, nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut.“ Das ist Dogmatik.
Vers 10: „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich. Wer Gott nicht glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht, weil er nicht an das Zeugnis geglaubt hat, das Gott über seinen Sohn abgelegt hat.“
Vers 11: „Das ist das Zeugnis: Gott hat uns ewiges Leben gegeben, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht.“
Johannes schreibt all das, damit die Gläubigen wissen, dass sie ewiges Leben haben und an den Namen des Sohnes Gottes glauben.
Zum Schluss, in Vers 20, heißt es: „Wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“
Auch das ist Dogmatik, die Lehre über Christus.
So sehen wir, dass der Johannesbrief in drei Teilen jeweils mit Ethik beginnt und mit Dogmatik über Christus endet. Man könnte meinen, Johannes sei chaotisch. Doch das Gegenteil ist der Fall. Er weiß genau, was er schreibt und wann er was schreibt.
Der Brief ist äußerst wichtig.
Ziel und Zweck des Johannesbriefes
Jetzt habe ich auf einmal ziemlich viel geredet. Es sind Fragen übrig geblieben. Aber merkt ihr, warum wir uns dem Brief so vorsichtig nähern? Man liest ihn durch, liest ihn nochmals durch und immer wieder. Mit der Zeit entdeckt man einige Dinge. Vielleicht kann man auch von dem lernen, was ein anderer entdeckt hat: „Ah ja, genau das, ja klar.“ Dann geht das Licht auf. Gott zeigt uns die Schönheit des Wortes Gottes und offenbart uns, worum es in diesem Brief eigentlich geht.
Es geht im ganzen Brief um den Sohn Gottes. Wenn wir den Sohn Gottes besser kennenlernen wollen, dann müssen wir den Johannesbrief lesen – und natürlich auch das Johannes-Evangelium.
Fragen sind dazu da, gestellt zu werden. Werden die Grenzen für Ethik und Dogmatik geschärft? Beides. Johannes spricht zuerst über Ethik und dann über Dogmatik. Beides ist ihm wichtig. Es ist ihm wichtig, wie gelebt wird, und ebenso, was man glaubt. Beides ist ihm gleich wichtig.
Das ist bei uns ja auch so, oder? Wir können nicht sagen: „Viel wichtiger ist, was wir glauben, und wie wir leben, ist nicht wichtig.“ Stimmt das? Johannes würde protestieren. Wir können auch nicht sagen: „Wichtig ist, dass du gut lebst, aber die Dogmatik ist nicht wichtig.“ Oh, Johannes würde protestieren. Wie? Das geht nicht.
Ethik und Dogmatik gehören zusammen. Das ist Leben und Lehre – das gehört zusammen. Wenn das nicht zusammen ist, dann haben wir große Probleme im eigenen Leben und im Zeugnis. Wir laufen Gefahr. Johannes wird uns in diesem Brief sagen, dass wenn das auseinanderklafft, wir in Gefahr sind.
Hier sind Irrlehrer unterwegs, die eine falsche Lehre über Christus verkündet haben. Diese Irrlehrer haben sich auf den Glauben der Christen ausgewirkt, an die Johannes hier schreibt. Deshalb merkt er, wie wichtig das ist. Er weiß, es geht um vieles.
Warum genau? Aber was sagt der Brief darüber aus, warum Johannes diesen Brief schreibt? Es gibt einige Aussagen in diesem Brief, die uns zeigen, warum er ihn schreibt. Zum Beispiel finden wir eine Aussage am Anfang und eine andere am Ende. Das kennen wir bereits von Johannes.
Am Anfang steht eine Aussage, warum er diesen Brief schreibt oder mit welchem Ziel. In Vers 3 heißt es: „Was wir gesehen und gehört haben, berichten wir euch, geben wir euch in Form von Botschaft weiter.“ Hier haben wir eine Aussage, warum er den Brief geschrieben hat. Warum gibt er diese Sache in Form von Botschaft schriftlich weiter? Damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt.
Johannes möchte, dass die Christen, an die er schreibt, mit ihm und den anderen Aposteln beziehungsweise mit den anderen Christen Gemeinschaft haben. Die anderen Apostel sind wahrscheinlich schon gestorben, aber die Gemeinschaft soll bestehen.
Aber wie kann man mit anderen Christen Gemeinschaft haben? Lesen wir weiter. „Und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“
Das heißt, das Anliegen von Johannes ist nicht nur, dass die Christen mit ihm Gemeinschaft haben. Nein, das Anliegen ist, dass diese Christen dadurch, dass sie Gemeinschaft mit dem Vater und mit dem Sohn haben, auch mit Johannes Gemeinschaft haben und er mit ihnen.
Es geht in diesem Brief darum, dass die Christen, an die er schreibt, Gemeinschaft mit dem Vater und mit dem Sohn haben. In Vers 4 sagt er noch etwas: „Und dieses schreiben wir euch, damit unsere Freude voll sei.“ Es geht um unsere aller Freude, nicht nur um die Freude von Johannes, sondern auch um die Freude der Leser.
Das schreibt er, damit wir uns alle freuen und unsere Freude voll sei. Freude ist sehr wichtig. Freude ist das Ziel der Wege Gottes. Ein Mann Gottes hat einmal gesagt: „Freude ist das Ziel der Wege Gottes mit den Menschen.“ Gott möchte, dass wir uns freuen. Er selbst ist ein fröhlicher, ein glückseliger Gott, und er möchte, dass seine Geschöpfe Freude haben.
Wenn wir aber sündigen und in Sünde leben, was passiert dann? Freuen wir uns dann? Wir wissen, wie es uns geht, wenn wir in Sünde leben. Aber Gott will, dass wir Gemeinschaft haben mit ihm und mit dem Sohn und dadurch Freude erfahren. Johannes möchte das auch. Das ist ein Ziel, warum er den Brief schreibt.
Ein weiteres Ziel lesen wir am Schluss, in Kapitel 5, Vers 13: „Dieses habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt und damit ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt.“
Ich weiß nicht, wie dieser Vers bei euch steht, aber bei mir steht er so: „Dieses habe ich euch geschrieben, die ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt und damit ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt.“ Also bei mir steht das zweimal: „an den Namen des Sohnes Gottes glaubt.“ Steht das bei euch auch so? Bei Schlachter und Luther steht es sicher so, sogar bei Luther, dem alten Luther.
Johannes hat das an die Leute geschrieben, die schon glauben, damit sie weiterhin glauben und Heilsgewissheit haben. Damit sie wissen, dass sie ewiges Leben haben.
Denn was passiert, wenn eine falsche Lehre in die Gemeinde kommt? Was geschieht, wenn in einer Gruppe von Christen jemand aufsteht – oder es vielleicht gar nicht offen tut –, sondern von hinten heraus eine neue Lehre bringt, eine falsche Lehre über Jesus Christus? Was passiert?
Dann werden die Leute unsicher. Sie sind sich ihres Heils nicht mehr sicher. Sie wissen nicht mehr aus noch ein. Es gibt große Probleme. Und das war die Situation der Christen, an die Johannes hier schreibt. Sie hatten große Probleme. Einige waren sich ihres Heils nicht mehr sicher. Sie wussten nicht, ob sie ewiges Leben haben.
Johannes schreibt, damit die, die an den Namen des Sohnes Gottes glauben, wissen, dass sie ewiges Leben haben. Nicht nur, dass sie an Jesus glauben – Achtung! Nicht nur an Jesus als Menschen, sondern an den Menschen Jesus, der gleichzeitig der Sohn Gottes ist. Sehr wichtig!
Er betont hier, dass es der Sohn Gottes ist, an den sie glauben müssen. Wenn man diesem Jesus sein Vertrauen schenkt, erhält man Heilsgewissheit. Das schreibt er uns hier.
Diese Dinge schreibt Johannes also mit dem Ziel, dass wir Heilsgewissheit haben und nicht sündigen.
In Kapitel 2, Vers 1 heißt es: „Dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt.“
Es gibt also eine Gefahr. Die Zeit ist um, aber vielleicht noch ein Gedanke für das, was man bei euch als Nachtbonbon bezeichnet. Wie nennt ihr das, was man noch kurz vor dem Schlafengehen isst? Ein Nachtbonbon? Also als Nachtbonbon – aber dann Zähneputzen nicht vergessen.
Bei diesem Nachtbonbon braucht ihr nicht Zähneputzen. Für die Nacht: Überlegt euch mal, wie oft in diesem Brief das Wort „bleiben“ oder „in ihm bleiben“ vorkommt. Schaut das mal nach, unterstreicht es. Lest den Brief schnell durch, vielleicht in zehn Minuten, und markiert immer das Wort „bleiben“ und „in ihm“.
Dann werdet ihr einiges merken. Schaut euch die Verse an, wo das steht. Das war’s für heute, alles andere bis morgen.
Dann schließen wir hier und machen noch eine Gebetsgemeinschaft. Vielleicht können einige von uns beten, und ich mache den Abschluss.
Amen.
Gebet zum Abschluss
Diese Zeit, in der du dein Wort schenkst und uns diesen Brief in deinem Wort hinterlassen hast, ist ein großes Gut. Es ist wunderbar, dass wir studieren und daraus lernen können.
Ja, Vater, ich bitte nicht nur darum, dass du uns rettest, sondern auch, dass du uns segnest. Amen. Jesus, es bleibt dabei, dass du der Sohn Gottes bist. Du hast verheißen, dass wir durch dich das ewige Leben haben dürfen.
Herr, danke, dass du ein Ziel mit uns hast. Du willst uns zu vollkommener Freude führen. Du möchtest, dass wir Gemeinschaft mit dir haben und auch mit anderen Geschwistern durch dich verbunden sind. Herr, du willst, dass wir an dich glauben. Ja, tu das in uns, Amen!
Wir danken dir auch für die Zeit, die du uns schenkst. Herr, wir brauchen dein Licht und bitten dich, dass du uns das Verständnis für die Schriften öffnest – so wie du es bei den Emmaus-Jüngern getan hast. Auch heute brauchen wir das von dir, denn ohne dich bleibt alles verschlossen.
Danke, dass du uns die Schrift gegeben hast. Wir dürfen uns freuen auf dein Wort, wie jemand, der große Schätze sammelt, wie jemand, der ausgeht, um kostbare Dinge zu finden und Beute zu machen.
Danke, Herr, dass du uns dieses herrliche Wort Gottes gegeben hast, besonders diesen Brief, der so tief geht. Er stammt von einem Bruder, der alt geworden ist und lange in enger Gemeinschaft mit dir auf dieser Erde gelebt hat.
Danke, Herr, für den Apostel Johannes und für das, was du durch ihn uns hinterlassen hast. Segne unsere Nacht, unser Denken und unsere Reden, damit sie dir wohlgefällig sind, Herr. Amen!