
Herr Präsident, meine lieben Geschwister und Gäste hier in der Gemeinde! Es freut mich sehr, heute Morgen Gemeinschaft mit euch haben zu können. Manche von euch kenne ich ja schon. Das habe ich heute Morgen erst so richtig entdeckt. Als ich auf den einen oder anderen zugegangen bin oder die Person auf mich zugegangen ist, habe ich gemerkt: Ah, da sind ja alte Bekannte aus diesem oder jenem Zusammenhang.
Ich wohne nicht direkt hier um die Ecke, deshalb bin ich auch nicht so häufig bei euch. Mein Wohnort ist Detmold. Ich bin Lehrer an der Bibelschule in Brake und außerdem Leiter des Bibelbundes.
Was noch viel wichtiger ist: Seit meinem 14. Lebensjahr kenne ich Jesus Christus. Ich lebe mit ihm und führe mein Leben mit ihm. Die Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe, wurden wesentlich davon beeinflusst, dass ich mit Jesus lebe.
Das ist auch der Grund, warum ich heute Morgen hier bin. Und ich vermute, das ist auch der Grund, warum die meisten von euch heute Morgen hier sind. Dafür möchte ich euch nur gratulieren.
Wenn wir heute mit Menschen sprechen würden, vielleicht aus eurer Nachbarschaft oder allgemein in Deutschland eine Umfrage machen würden, dann würden die meisten wahrscheinlich sagen: Na ja, der Sonntagmorgen ist doch zum Ausschlafen da, oder vielleicht zum Frühschoppen, einen schönen Ausflug zu machen oder auf der Terrasse zu sitzen.
All das wäre gar nicht böse. Aber ich glaube, es ist allemal wesentlich besser, heute Morgen hierher gekommen zu sein. Ich hoffe für euch und gehe davon aus, dass ihr das nicht nur aus Tradition tut. Traditionen können durchaus gut sein. Ich habe gar nichts gegen Tradition.
Aber ich hoffe, dass noch mehr die Motivation dahinter steht: Ja, ich komme hier zusammen, weil ich dort Geschwister treffe, weil ich etwas aus dem Wort Gottes höre, weil Gott mir etwas mitzugeben hat für den heutigen Tag und auch für die nächste Woche.
Dazu möchte ich ein kleines bisschen beitragen.
Wir wollen heute Morgen in der Bibel lesen, beziehungsweise ich möchte mit euch in der Bibel lesen. Ob ihr das wollt, ist dann eine andere Sache, aber ich hoffe es doch.
Für diejenigen unter euch, die eifrige Bibelleser sind, ist es natürlich vollkommen klar: Es gibt ein Altes Testament und ein Neues Testament. Wer nicht so häufig in der Bibel liest, ist sich nicht immer sicher, wie das genau aufgebaut ist.
Im Neuen Testament gibt es zunächst vier Evangelien. Diese bieten vier verschiedene Perspektiven auf das Leben Jesu. Dieses Leben wird zum großen Teil von den Begleitern Jesu selbst oder von deren Schülern aufgeschrieben.
Dann gibt es ein außergewöhnliches Buch im Neuen Testament, nämlich die Apostelgeschichte. Dabei geht es nicht so sehr um das Leben Jesu, sondern um die Entstehung der christlichen Gemeinde, der ersten christlichen Gemeinde.
Im ersten Teil der Apostelgeschichte steht Petrus im Zentrum. In der ganzen Bibel steht natürlich Jesus im Mittelpunkt, das ist klar. Jesus wird jedoch nicht so häufig wörtlich erwähnt. Wenn wir in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte lesen, taucht immer wieder Petrus auf.
Petrus hält die Pfingstpredigt, sitzt im Gefängnis und tauft in Caesarea die ersten Heiden. Dort entsteht die erste heidenchristliche Gemeinde.
Nach einigen Kapiteln wechselt plötzlich die Perspektive. Zunächst wird uns Saulus vorgestellt, der später als Paulus bekannt wird. Der zweite Teil der Apostelgeschichte widmet sich stärker dem Wirken Gottes durch Paulus. Paulus ist auf seinen Missionsreisen unterwegs.
Das Leben von Paulus und auch von Petrus endet nicht in der Apostelgeschichte. Am Ende der Apostelgeschichte lesen wir nichts vom Tod des Petrus und auch nichts vom Tod des Paulus. Die Apostelgeschichte endet mit der Gefangenschaft des Paulus in Rom.
Wie diese Gefangenschaft ausgeht, erfahren wir teilweise in den sogenannten Gefangenschaftsbriefen. Das sind Briefe, die Paulus geschrieben hat, während er monatelang in Rom im Gefängnis saß und auf sein Urteil wartete.
Die Kirchengeschichte berichtet, dass Paulus nach dem Ende der Apostelgeschichte noch einmal freigelassen wurde. Danach besuchte er erneut die Gemeinden in Kleinasien und unternahm eine Reise nach Spanien.
Das erscheint uns manchmal ungewöhnlich, wenn wir die Reisen des Paulus lesen. Denn dort wird hauptsächlich von Kleinasien und Achaia berichtet, jedoch nicht von Spanien. Viele Menschen verbinden heute mit Spanien eher Urlaub.
Wer jedoch aufmerksam liest, dem fällt auf, dass Paulus im Römerbrief zweimal erwähnt, dass er vorhat, nach Spanien zu gehen, um dort zu missionieren. Am Anfang des Römerbriefs schreibt Paulus an die Römer: „Ich sehne mich schon lange danach, zu euch nach Rom zu kommen und von dort weiter nach Spanien zu ziehen, um auch dort das Evangelium zu verkündigen.“ Dies setzt die Missionsstrategie des Paulus konsequent fort.
Schauen wir uns das genauer an: Paulus setzt um, was Jesus vorhergesagt hat. Er predigt das Evangelium in Jerusalem, Judäa und Samaria bis ans Ende der Welt. Seine ersten Missionsreisen führen vor allem nach Kleinasien, dem heutigen Gebiet der Türkei. Das ist von Israel aus gesehen das nächstgelegene Land, zumindest im Norden.
Anschließend zieht Paulus weiter nach Griechenland, also etwas weiter westlich. Im Römerbrief schreibt er dann: „Und dann will ich zu euch nach Rom kommen.“ Will er also noch weiter nach Westen? Von Italien aus wäre Spanien die nächste Etappe.
Genau das hat Paulus nach der Überlieferung der Kirchengeschichte auch getan. Während der neronischen Verfolgung wurde er erneut gefangen genommen und schließlich in Rom hingerichtet.
Dieser große Bogen schließt somit an das an, was über die Apostelgeschichte hinausgeht. Wir erkennen, dass die Geschichte noch weiterging. Auch Timotheus und Titus, die in der Apostelgeschichte erwähnt werden, lebten noch weiter.
Ich möchte euch nun einen abschließenden Abschnitt vorlesen und euch einladen, dort mitzulesen. Es handelt sich um einen längeren Abschnitt, und zwar um eine in sich geschlossene Teilgeschichte. Es ist fast der letzte Abschnitt, den wir in der Apostelgeschichte finden, nämlich Apostelgeschichte 27.
Dieser Abschnitt beschreibt, wie Paulus nach Italien, genauer gesagt nach Rom, kommt. Dort wollte er ja ursprünglich hin, wie er im Römerbrief geschrieben hat. Allerdings kommt er auf einem ganz anderen Weg dorthin, als er es geplant hatte. Als Paulus den Römerbrief schrieb, plante er, eine weitere Missionsreise zu machen und als freier Prediger nach Rom zu kommen. Nun aber kommt er als Gefangener nach Rom. Dennoch lässt er sich dadurch nicht unterkriegen.
In den vorherigen Kapiteln lesen wir vom Leiden des Paulus. Nach Abschluss seiner letzten Missionsreise kommt er nach Jerusalem, um dort im Tempel anzubeten. Zuvor hatte er Gott ein Versprechen gegeben, dass er in den Tempel gehen und dort beten wolle. Dort trifft er Christen. Wir lesen in der Apostelgeschichte, dass er vorher Halt macht. Er ist in Akko, das in der Bibel Ptolemais genannt wird – das ist das heutige Akko. Dann zieht er weiter nach Caesarea.
Vermutlich trifft er dort auch wieder Cornelius, der in der Gemeinde war. Außerdem begegnet er Philippus und den Töchtern des Philippus, die dort prophezeien. Auch Agabus erscheint, der prophezeit und sagt, wem dieser Gürtel gehört, der wird gefangen genommen werden. Trotzdem lässt sich Paulus nicht von seinem Weg abhalten.
Ich weiß nicht, wie ihr mit so einer Prophezeiung umgehen würdet, wenn man euch sagte: „Wenn du jetzt in diese Stadt gehst und dir gehört dieser Gürtel, wirst du gefangen genommen.“ Paulus hätte auch sagen können: „Dann gehe ich eben nicht nach Jerusalem, dann werde ich auch nicht gefangen.“ Aber Paulus wusste, dass es so kommen würde.
Vermutlich war diese Prophezeiung nicht dazu gedacht, Paulus davon abzuhalten. Wenn Agabus wirklich ein Prophet Gottes war – und das scheint so zu sein – dann hätte er Paulus auch mitteilen können, er solle nicht nach Jerusalem gehen. Das wäre eine klare Anweisung gewesen. Stattdessen wurde vorausgesagt, dass es so passieren wird.
Paulus wusste, dass es keine Katastrophe, sondern eine neue Aufgabe ist, die auf ihn zukommt. So hat er es auch betrachtet.
Als wir dann lesen, dass die Juden in Jerusalem ihn umbringen wollen, wird ein Komplott geschmiedet. Sie sagen: „Wenn er von den Römern festgenommen wird, lasst uns ihn ausliefern, damit wir ihn befragen können.“ In Wirklichkeit hatten sie vor, ihn mit einer Truppe umzubringen. Das wird bekannt, und deshalb wird Paulus von Jerusalem nach Caesarea gebracht. Dort sitzt er jahrelang im Gefängnis.
Wir lesen, dass die römischen Prokuratoren Felix und Festus keinen Prozess gegen Paulus führen wollen. Eigentlich hätte Paulus ein Recht auf einen Prozess gehabt und auch auf Freispruch, denn die Vorwürfe gegen ihn waren erfunden und stimmten nicht.
Warum wurde der Prozess nicht durchgeführt? Weil die Prokuratoren auf Bestechung hofften. Beide waren korrupt. Sie dachten, Paulus habe einen großen Freundeskreis, der zahlen würde – vielleicht zehntausend Euro –, und dann ließen sie Paulus frei.
Paulus ließ sich darauf nicht ein. Er wollte nicht durch Korruption oder Bestechung freikommen. Deshalb saß er jahrelang in Caesarea im Gefängnis. Während dieser Zeit predigte er dem jüdischen König, der ihn besuchte, und auch immer wieder den römischen Prokuratoren.
Irgendwann sagt Paulus: „Ich bin Römer und habe das Recht, vor den Kaiser gebracht zu werden.“ Das ist der Ausgangspunkt der weiteren Geschichte.
Der Prokurator kann nicht anders, als zu entscheiden, dass Paulus als römischer Staatsbürger nach Rom geschickt wird. Das kaiserliche Gericht befand sich damals an der Stelle, wo heute das Forum Romanum liegt. Wenn man heute als Tourist dorthin geht, sieht man noch die Hallen.
Vor diesem kaiserlichen Gericht hat Paulus das Recht auf einen Prozess. Wenn also gesagt wird, er soll vor den Kaiser gebracht werden, bedeutet das nicht, dass der Kaiser sich persönlich mit jedem Anliegen befasst hat, sondern dass Paulus vor das kaiserliche Gericht kommt, das der Kaiser eingesetzt hat.
Auf dem Weg nach Rom passieren noch einige Dinge. Davon berichten uns die letzten Kapitel der Apostelgeschichte, die die Vorgeschichte zu Apostelgeschichte Kapitel 27 bilden.
Als beschlossen worden war, dass wir nach Italien abfahren sollten, übergaben sie Paulus und einige andere Gefangene einem Hauptmann namens Iulius von der kaiserlichen Schar.
Nachdem wir ein Schiff aus der Adria in Mytimum bestiegen hatten, das die Häfen von Asia anlaufen sollte, reisten wir ab in Begleitung eines Aristarchus, eines Mazedoniers aus Thessalonich. Am nächsten Tag liefen wir in Sidon ein. Julius zeigte sich freundlich gegenüber Paulus und erlaubte ihm, zu seinen Freunden zu gehen und ihre Pflege zu genießen.
Von dort fuhren wir ab und segelten unter Zypern entlang, weil die Winde uns entgegen waren. Nachdem wir das Meer bei Zilizien und Pamphilien durchsegelt hatten, kamen wir nach Myra in Lützien. Dort fand der Hauptmann ein Schiff aus Alexandria, das nach Italien segelte, und brachte uns auf dasselbe.
Da wir aber während vieler Tage eine langsame Fahrt hatten und nur mit Mühe in die Nähe von Knidos kamen, weil die Winde uns nicht ließen, segelten wir unter Kreta hindurch gen Salomone. Indem wir mühsam der Küste entlangfuhren, kamen wir an einen Ort, die Schönen Häfen genannt, in dessen Nähe die Stadt La Sea lag.
Da schon geraume Zeit verflossen war und die Schifffahrt gefährlich wurde, weil auch das Fasten bereits vorüber war, warnte Paulus und sprach zu ihnen: „Ihr Männer, ich sehe, dass diese Schiffsreise mit Schädigung und großem Verlust verbunden sein wird, nicht nur für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unser Leben.“
Doch der Hauptmann glaubte dem Steuermann und dem Schiffahrzehren mehr als dem, was Paulus sagte. Da der Hafen ungeeignet war zum Überwintern, gab die Mehrzahl den Rat, auch von dort abzufahren, um, wenn möglich, nach Phoenix zu gelangen, einem Hafen von Kreta, der gegen Südwest und Nordwest offen liegt, und dort zu überwintern.
Da nun ein schwacher Südwind wehte, meinten sie, ihre Absicht erreicht zu haben, lichteten die Anker und segelten nahe bei der Küste von Kreta entlang. Aber nicht lange danach fegte ein Wirbelwind von der Insel her, Eurozydon genannt, und da das Schiff mit fortgerissen wurde und dem Wind nicht widerstehen konnte, gaben wir es preis und ließen uns treiben.
Als wir an einer kleinen Insel, Klauda genannt, vorbeifuhren, konnten wir kaum das Beiboot meistern. Als sie es heraufgezogen hatten, trafen sie Schutzmaßnahmen, indem sie das Schiff untergürteten, weil sie fürchteten, in die Surte verschlagen zu werden. Sie zogen die Segel ein und ließen uns so treiben.
Da wir nun von dem Sturm heftig umhergetrieben wurden, warfen sie am folgenden Tag einen Teil der Ladung über Bord. Am dritten Tag warfen wir mit eigener Hand das Schiffsgerät hinaus. Während mehrerer Tage waren weder Sonne noch Sterne sichtbar, und ein heftiger Sturm hielt an. Schließlich verschwanden alle Hoffnungen, dass wir gerettet werden könnten.
Da man lange ohne Nahrung geblieben war, stand Paulus in der Mitte auf und sprach: „Ihr Männer, man hätte mir zwar gehorchen und nicht von Kreta abfahren sollen, um sich so die Schädigung und den Verlust zu ersparen. Doch jetzt mahne ich euch, guten Mutes zu sein, denn keiner von euch hier wird das Leben verlieren, nur das Schiff wird untergehen.“
In jener Nacht trat zu ihm nämlich ein Engel Gottes, dem er angehörte und dem er auch diente, und sprach: „Fürchte dich nicht, Paulus! Du musst vor den Kaiser treten, und siehe, Gott hat dir alle geschenkt, die mit dir auf diesem Schiff sind. Darum seid guten Mutes, ihr Männer, denn ich vertraue Gott, dass es so gehen wird, wie es mir gesagt worden ist. Doch wir müssen auf eine Insel verschlagen werden.“
Als die vierzehnte Nacht kam, seitdem wir auf dem Adriatischen Meer umhergetrieben wurden, vermuteten die Schiffsleute um Mitternacht, dass sie sich einem Land näherten. Sie ließen das Senkblei hinunter und maßen zwanzig Faden. Als sie ein wenig weiter gefahren waren und es wieder hinunterließen, maßen sie fünfzehn Faden.
Da sie fürchteten, auf Klippen zu stoßen, warfen sie vom Heck des Schiffes vier Anker aus und wünschten, dass es Tag werde. Als die Schiffsleute aus dem Schiff zu entfliehen suchten und das Boot ins Meer hinabließen unter dem Vorwand, sie wollten vom Buganker auswerfen, sprach Paulus zu dem Hauptmann und zu den Soldaten: „Wenn diese nicht im Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden.“
Da schnitten die Kriegsknechte die Taue des Bootes ab und ließen es hinunterfallen. Als es Tag werden wollte, ermahnte Paulus alle, Speise zu sich zu nehmen, und sprach: „Es ist heute der vierzehnte Tag, dass ihr von ängstlicher Erwartung ohne Nahrung geblieben seid und nichts zu euch genommen habt. Darum ermahne ich euch, Speise zu euch zu nehmen, denn das dient zu eurer Rettung, und keinem von euch wird ein Haar vom Haupt fallen.“
Nachdem er das gesagt hatte, nahm er Brot, dankte vor allen, brach es und fing an zu essen. Da wurden alle guten Mutes und nahmen ebenfalls Speise zu sich. Wir aber waren auf dem Schiff insgesamt zweihundertsechsundfünfzig Seelen. Nachdem sie sich mit der Speise gesättigt hatten, erleichterten sie das Schiff, indem sie das Getreide ins Meer warfen.
Als es Tag wurde, erkannten sie das Land nicht, bemerkten aber eine Bucht mit einem flachen Ufer und beschlossen, das Schiff nach Möglichkeit dorthin treiben zu lassen. So schnitten sie die Anker ab und ließen sie ins Meer. Sie lösten zugleich die Haltetau der Steuerruder, hissten das Vordersegel vor den Wind und hielten auf das Ufer zu.
Als sie aber an eine Sandbank gerieten, liefen sie mit dem Schiff auf, und das Vorderschiff blieb unweglich stecken. Das Hinterteil aber zerbrach durch die Gewalt der Wellen. Die Soldaten fassten den Plan, die Gefangenen zu töten, damit keiner schwimmend entfliehen könne.
Doch der Hauptmann, der Paulus retten wollte, verhinderte ihr Vorhaben und befahl, dass wer schwimmen könne, sich zuerst ins Meer werfen solle, um an Land zu kommen. Die übrigen sollten teils auf Brettern, teils auf Schiffstrümmern schwimmen. So geschah es, dass alle ans Land gerettet wurden.
Als sie gerettet waren, erfuhren sie, dass die Insel Melite hieß. Die Einwohner zeigten uns ungewöhnliche Freundlichkeit, zündeten ein Feuer an und holten uns alle herbei wegen des anhaltenden Regens und der Kälte.
Als Paulus einen Haufen Reis zusammenraffte und auf das Feuer legte, kam infolge der Hitze ein Otter heraus und biss ihn in die Hand. Als die Einwohner das Tier in seiner Hand hängen sahen, sprachen sie zueinander: „Gewiss ist dieser Mensch ein Mörder. Er hat sich zwar aus dem Meer gerettet, doch die Sache lässt es nicht zu, dass er lebt.“
Er jedoch schleuderte das Tier ins Feuer, und ihm widerfuhr nichts Schlimmes. Sie aber warteten, dass er anschwellen und plötzlich tot niederfallen würde. Als sie lange warteten und sahen, dass ihm nichts Ungewöhnliches geschah, änderten sie ihre Meinung und sagten, er sei ein Gott.
In der Umgebung jenes Ortes hatte der Vornehmste der Insel, der Publius hieß, ein Landgut. Er nahm uns auf und beherbergte uns drei Tage lang freundlich. Es begab sich aber, dass der Vater des Publius am Fieber und in der Ruhe krank lag.
Paulus ging zu ihm hinein, betete, legte ihm die Hände auf und machte ihn gesund. Nachdem dies geschehen war, kamen auch die übrigen Kranken auf der Insel herbei und ließen sich heilen. Diese erwiesen uns viel Ehre und gaben uns bei der Abfahrt noch alles Nötige mit.
Soweit also der Abschluss dieser Fahrt übers Meer. Im nächsten Kapitel lesen wir dann, dass wir noch den kleinen Rest von der Insel Melite nach Rom zurücklegen.
Zunächst einmal klingt das, was wir lesen, nach einer spannenden Geschichte – ein Sturm auf dem Meer, ein Seebruch. Würde das in einem Film vorkommen, zum Beispiel in einem Hollywood-Film mit viel Action, würden viele das sicher gerne sehen. Meine Frau mag solche dramatischen Filme nicht; sie sagt, sie schläft danach immer schlecht und träumt die ganze Nacht vom Seebruch. Für sie wäre das also nichts. Andere hingegen verkraften das gut und schlafen danach sogar gut. Ich persönlich würde sagen: lieber im Film als in der Realität.
Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal in einem Sturm auf einem Schiff gewesen seid. Hier handelt es sich nicht um einen großen Ozeandampfer oder ein Kreuzfahrtschiff mit drei- oder viertausend Leuten an Bord. Wenn dort ein stärkerer Wind aufkommt, merkt man das kaum. Es gibt Stabilisatoren, die dafür sorgen, dass keinem der Gäste übel wird. Der Ausgleich ist sehr effektiv, und es muss schon ein heftiger Sturm sein, damit es spürbar wird.
Hier haben wir ein Schiff, auf dem Paul unterwegs war. Er schreibt, dass 276 Leute an Bord waren. Für die damalige Zeit war das schon ein größeres Schiff, aber aus heutiger Sicht eine kleine Nussschale. Ich selbst bin bisher immer vor Stürmen auf See bewahrt geblieben. Das einzige Mal, als ich einem Sturm etwas näher kam, war auf der Überfahrt nach Helgoland auf der Nordsee. Dort sollten wir in ein kleines Boot umsteigen, um überzusetzen. Einige wollten das Schiff nicht verlassen, manche bereuten überhaupt, auf das Schiff gegangen zu sein. Als der Seegang immer heftiger wurde, stellte ich mich ungefähr in die Mitte des Schiffs, so nach vorne, weil das Schwanken dort nicht ganz so stark war.
Viele Leute hatten sich übergeben, aber es bestand nie wirklich die Gefahr, dass das Schiff unterging. Die Besatzung fand das alles noch locker, während wir als Landratten schon Probleme hatten. Und ich muss sagen, das genügte mir. Soweit es mich betrifft, muss ich das nicht unbedingt noch einmal erleben, wie Paulus es erlebt hat.
Bei Paulus lesen wir ganz nebenbei, dass sie 14 Tage lang keine Sonne, keine Sterne, keinen Mond und kein Land gesehen haben. 14 Tage lang. Er sagt, den Leuten war so übel, dass sie so lange nichts gegessen hatten. Wir fragen uns, warum das so war. Viele wissen es: Wenn es richtig übel ist, bei starkem Seegang, haben die Leute nicht nur Angst, weil sie denken, sie könnten sterben. Viele sind seekrank, das heißt, sobald sie etwas essen, kommt es wieder heraus. Und das ist nicht nur für einen Tag so.
Wenn wir das lesen, vermute ich, dass viele dieser Leute tagelang nicht geschlafen haben. Viele litten unter Todesangst, weil sie genau wussten, dass die größte Wahrscheinlichkeit war, in diesem Sturm zu sterben. Damals gab es keine Seenotrettung, keinen Helikopter, der hätte kommen können, und auch kein Funkgerät. Irgendwann hätte man nur die angespülten Planken eines weiteren Schiffes am Ufer gefunden. Deshalb glaube ich, dass das für Paulus und seine Begleiter keine angenehme Erfahrung war.
Der Verfasser dieses Berichts war selbst dabei. Er schreibt immer wieder, „wenn ihr darauf achtet, haben wir das und das erlebt.“ Das war Lukas, der Arzt und Verfasser des Lukasevangeliums, der Paulus auf vielen Reisen begleitete. Er war auch auf diesem Schiff dabei. Was wir hier lesen, ist also kein Bericht aus zweiter oder dritter Hand, sondern von jemandem, der mit an Bord war. Der genauso übel wurde, genauso Angst hatte, das Ende seines Lebens zu sehen, und der dann genauso froh war zu merken, dass Gott sie gerettet hat.
Die Geschichte wird uns nach und nach beschrieben. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, Paulus tritt an manchen Stellen ein wenig besserwisserisch auf. Er ist als Gefangener an Bord und sagt dem Hauptmann, dass es besser sei, in diesem Hafen zu überwintern, weil es nicht gut sei, weiterzufahren. Das ist mutig, denn er ist ja nicht der Chef. Später sagt er dann: „Na ja, ich habe euch doch gleich gesagt, dass es schlecht ausgeht, wenn wir hier wegfahren.“ Das klingt ein bisschen besserwisserisch, aber gleich danach fügt er hinzu, dass Gott gnädig ist und nichts passieren wird. Da zeigt er dann wieder Verständnis.
Warum ist das so? Ich habe von Seeleuten gehört, dass es im Mittelmeer und auch in anderen Meeren bestimmte Jahreszeiten gibt, in denen auffällig viele Stürme auftreten. Im östlichen Mittelmeer ist das besonders im Herbst der Fall. Es gibt Herbststürme. Wir kennen das auch aus der Karibik, wo große Wirbelstürme ganze Regionen überschwemmen können, etwa New Orleans. Es gibt also zu bestimmten Zeiten auffällig viele Stürme.
Deshalb wurde auch gesagt, sie sollten in Zypern bleiben und dort überwintern. Im Winter ist es dort nicht gut, weiterzufahren. Sie hatten offensichtlich mehr Zeit, mussten nicht in zwei Tagen in Italien sein, sondern konnten ein paar Monate bleiben, um ihr Leben zu retten. Es war klar, dass man solche weiten Reisen im Mittelmeer im Herbst möglichst vermeiden sollte.
Genau das passiert auch. Wir lesen, dass dieser Wirbelwind, der als Phänomen auftrat, sogar einen Namen hatte: Eurozyklon. Es war offenbar ein Sturm, der häufiger auftrat, ähnlich wie wir es im Pazifik mit Taifunen kennen. Es gibt verschiedene Gebiete und Sturmart, die dort häufig vorkommen, so auch hier.
Dann werden wir noch mit einigen Details zum Schiff vertraut gemacht. Was für ein Schiff war das, mit dem Paulus unterwegs war? Es war kein Passagierschiff, denn solche gab es damals kaum. Gegen Ende der Geschichte lesen wir, dass sie Getreide über Bord warfen. Das Schiff war Teil einer Flotte, die Italien, das Kernland des Römischen Reichs, mit Getreide aus Ägypten versorgte. Nordafrika war fruchtbar, in weiten Teilen fruchtbarer als Italien. Deshalb gab es regelmäßige Routen, die von Ägypten Getreide nach Rom brachten.
Wir merken also, dass es sich um ein Getreideschiff handelte, ein relativ großes Schiff, das nebenbei auch einige Passagiere mitnehmen konnte. Die Hauptladung war jedoch Getreide.
Wir lesen Stück für Stück, wie sich die Lage verschärft. Sie fahren los, der Sturm wird immer heftiger. Dann heißt es, sie konnten das Beiboot nicht meistern. Was bedeutet das? Das Schiff schwankt so heftig, dass das Beiboot, das zur Rettung eingesetzt wird, in Gefahr ist, von Bord gespült zu werden.
Dann lesen wir, dass sie das Schiff untergürten. Was ist das? Schiffe wurden damals aus Holzplanken gebaut. Bei starkem Rütteln konnten diese auseinanderfallen, und dann ging das Schiff unter. Um das zu verhindern, nahm man einen Gurt, den ein Matrose unter dem Kiel durchschwamm. So wurde das ganze Schiff mit einem Gurt festgeschnürt, damit der Sturm die Planken nicht auseinanderreißen konnte.
Als Nächstes lesen wir, dass sie Sachen über Bord warfen. Warum? Wenn das Schiff zu tief im Wasser liegt, schlagen Wellen leichter über. Wenn das Schiff innen voll Wasser ist, geht die Ladung, also das Getreide, kaputt, und das Schiff sinkt, was den Tod aller an Bord bedeutet. Deshalb warfen sie Teile der Ladung über Bord. Am Ende warfen sie sogar Schiffsgerät, wie Hobel und Sägen, über Bord.
Die Säge wurde gerefft, also festgebunden. Wenn die Säge aufrecht stünde, würde der Sturm den Mast umbiegen und abbrechen. Hier wird sehr genau beschrieben, wie Seeleute damals bei einem Sturm vorgingen.
Das steht im Gegensatz zu manchen bibelkritischen Theologen, die behaupten, solche Berichte seien Erfindungen späterer Jahrzehnte. Nein, wenn wir das lesen, merken wir, dass hier genau so geschrieben wird, wie Stürme damals abliefen – bis ins Detail. Der Verfasser kannte sich aus und hätte das gar nicht so detailliert schreiben müssen.
Dann geht es weiter, bis sie schließlich die Insel Melite erreichen. Vor zwei, drei Jahren habe ich ein ganzes Buch gelesen, das sich nur mit der Frage beschäftigte: Was ist diese Insel Melite? Das Ergebnis kann ich euch gleich sagen, dann könnt ihr euch das Buch sparen: Man weiß es nicht genau. Es wurden verschiedene Thesen diskutiert, eine besagt, dass Melite mit Malta gemeint sein könnte. Malta liegt aber eigentlich zu weit weg, das passt nicht so recht. Es gibt noch andere Inseln, die diskutiert werden.
Wir wissen es einfach nicht genau. Das liegt nicht daran, dass die Bibel falsch ist, sondern daran, dass im Laufe von zweitausend Jahren manche Städte, Orte, Inseln und Länder ihre Namen verändert haben. Das ist einfach so. Köln hieß vor zweitausend Jahren nicht Köln, sondern Kolonia, Basel hieß Basilea, und so gab es viele andere Namen. Manche Städte gab es damals noch gar nicht. Deshalb können wir heute nicht immer genau sagen, wo eine bestimmte Insel lag.
Wir wissen aber, dass die Insel bewohnt war, denn es waren Menschen dort. Sie lag irgendwo im Mittelmeer in der Nähe von Italien. Das merken wir daran, dass sie danach nur noch eine kurze Schifffahrt bis nach Rom hatten. Die Insel muss also in der Nähe gelegen haben.
Die Reisenden selbst konnten die Insel erst zuordnen, als sie dort gelandet waren. Vorher hatten sie 14 Tage lang keine Sterne gesehen und konnten nicht navigieren. Es gab ja kein GPS, sondern sie navigierten mithilfe der Sterne. Weil sie diese nicht sehen konnten, wussten sie nicht, wo sie waren.
Wir können also nicht hundertprozentig sagen, wo die Insel Melite lag. Aber wir wissen, dass es eine bewohnte Insel im Mittelmeer nahe Italien war. Danach war die Fahrt nach Rom nur noch kurz, denn der Sturm war vorbei.
Wenn wir diese Geschichte näher betrachten, insbesondere das, was geistlich und im Leben des Paulus geschieht, fällt mir zunächst auf, dass Paulus allein in diesen anderthalb Kapiteln mindestens dreimal in Lebensgefahr gerät. Dreimal habe ich gezählt.
Zuerst ist da die Lebensgefahr durch den Sturm. Alle an Bord haben fürchterliche Angst, unterzugehen und zu sterben – auch Paulus. Er sagt sogar, manche hätten schon den Mut aufgegeben, einschließlich ihm selbst, bis er dann eine Erscheinung erhält, die ihn tröstet. Er weiß nun: Gott wird ihn retten. Das bedeutet hier eine starke Todesangst, das Gefühl, unterzugehen. Wer schon einmal einen solchen Sturm auf See erlebt hat, abgeschnitten von jeglicher Kommunikation, kann gut nachvollziehen, wie leicht man die Hoffnung verliert. Die Angst vor dem Tod ist hier absolut gerechtfertigt.
Dann erscheint Paulus in einer Vision die Botschaft: „Du wirst gerettet werden, du sollst vor den Kaiser geführt werden.“ Was ich dabei erstaunlich finde, ist, dass Paulus diesem Versprechen sofort vertraut. Er hätte auch denken können: „Das ist wahrscheinlich nur ein Wunschtraum.“ Denn manchmal wünscht man sich in Todesangst ja einfach nur, gerettet zu werden. Es gibt Menschen, die meinen, Gottes Stimme zu hören, doch am Ende stellt sich das oft als persönlicher Wunschtraum heraus oder als Ausflucht aus Bequemlichkeit oder Faulheit.
Ich erinnere mich an einen Bibelschüler, der meinte, er müsse vor dem Examen nicht lernen, weil Gott ihm gesagt habe, dass Gott die Seinen auch im Schlaf bewahre – so wie es in der Bibel steht. Er vertrat diese Ansicht so lange, bis er durchfiel. Er war fest davon überzeugt, dass es eine Zusage Gottes sei. Wenn man nur fest genug glauben würde, würde Gott einem das doch in Erinnerung rufen. Aber hier muss man sagen: Nein, das war nicht die Stimme Gottes, sondern eher die Stimme der eigenen Bequemlichkeit.
Bei Paulus war das anders. Er tritt realistisch auf und sagt: Gott hat mir das gesagt, und ich vertraue darauf, obwohl nicht absehbar war, wie das Ganze ausgeht.
Das zweite Mal, als sein Leben in Gefahr ist, ist bei einem Schiffbruch. Die Soldaten wollen die Gefangenen töten, damit keiner entkommen kann. Das war durchaus realistisch: Jeder römische Soldat musste mit seinem Leben haften, wenn ein Gefangener entkam. Deshalb sagten sie: „Besser bringen wir sie um, dann wissen wir, wo sie geblieben sind.“ Doch durch Gottes Eingreifen wird das Herz des Hauptmanns erweicht, und er befiehlt, die Gefangenen nicht zu töten. So wird Paulus das Leben gerettet.
Das dritte Mal ist, als Paulus, obwohl er selbst erschöpft ist, noch Feuerholz sammelt und dabei von einer giftigen Schlange gebissen wird. Die Leute auf Melite beobachten, wie seine Hand anschwillt und er fast tot umfällt. Sie vermuten sogar, er müsse ein Mörder sein und werde nun von Gott gerichtet. Doch Gott verherrlicht sich, indem er Paulus am Leben erhält. Die Folge ist, dass viele Leute denken, Paulus sei ein Gott, was er jedoch korrigiert – ähnlich wie in Lystra, wo er ebenfalls fast als Gott verehrt wurde.
Nach dem Gebet des Paulus wird der Vater des Publius gesund, was zeigt, dass Gott auch heilend eingreift. Insgesamt sehen wir also dreimal, wie Paulus dem Tod nahekommt, aber dreimal rettet Gott ihn.
Ich muss sagen, auf diese Aufregung könnte ich gut verzichten. Weder brauche ich einen Schlangenbiss, noch Soldaten, die mir das Leben nehmen wollen, noch einen Schiffbruch. Aber auf der anderen Seite zeigt uns dieses Ereignis, dass Gott auch seine eigenen Leute nicht immer bewahrt und dass das Leben jedes gottgefälligen Menschen nicht immer glattläuft.
Man könnte ja sagen, die bösen Römer hätten das verdient. Aber wen beißt die Schlange? Nicht die Soldaten, die Paulus umbringen wollten, sondern Paulus selbst. Das wäre doch eine Predigt wert: Die, die Christen angreifen, werden sofort bestraft. Doch das passiert nicht. Die Soldaten bleiben unversehrt, Paulus aber wird gebissen, und Gott lässt das zu.
Es gibt heute christliche Kreise, die versprechen, dass alles immer glatt läuft, wenn man Christ ist: Wohlstand, Gesundheit, Erfolg. Finden wir das als Gottes Versprechen in der Bibel? Nein. Finden wir das in der Realität der Menschen, die Gott nachfolgen? Auch nicht. Oft haben die, die Jesus nachfolgen, mehr Probleme als vorher.
Paulus war vor seiner Bekehrung ein anerkanntes Mitglied der pharisäischen Gemeinde Jerusalems, gefeierter Schüler des Gamaliel. Als Christ hingegen versucht man dauernd, ihm das Leben zu nehmen. Im 2. Korintherbrief beschreibt Paulus das und sagt, es sei keine falsche Entwicklung und kein Zeichen mangelnden Glaubens, sondern er ist sogar froh, für Jesus leiden zu dürfen.
Ich selbst kann sagen, dass auch ich manches Leiden erfahren habe, auf das ich gerne verzichtet hätte. Zum Beispiel falsche Brüder, sektiererische Gruppen oder ein dreiviertel Jahr Krebs im Krankenhaus, ohne zu wissen, ob ich lebend herauskomme. Dabei wusste ich nicht, ob es eine Strafe Gottes ist. Manchmal erfahren wir nie den Grund.
Paulus erfährt auch nicht, warum er im Sturm fast umgekommen ist, warum die Soldaten ihn töten wollten oder warum ihn die Schlange gebissen hat. Es wurde von Gott zugelassen. So kann es auch uns passieren, dass Gott Schweres in unser Leben lässt.
Die entscheidende Frage ist nicht immer „Warum?“. Wir dürfen sie im Gebet stellen, und manchmal gibt Gott eine Antwort. Ich habe oft gebetet, ob ich irgendwo falsch liege, aber keine Antwort erhalten. Das hat Paulus hier auch nicht erfahren. Gott ist Gott und hat das Recht, uns solche Dinge zuzumuten.
Vielleicht ist eher die Frage, wie wir uns im Leiden richtig verhalten. Das macht Paulus vorbildlich: Er verzweifelt nicht, weint nicht auf dem Schiff und sagt nicht, Gott habe ihn verlassen. Stattdessen hält er mitten im Sturm an seinem Vertrauen auf Gott fest. Wenn Gott ihm versprochen hat, dass er nach Rom kommen wird, dann wird das geschehen, obwohl äußerlich nichts dafür spricht.
Paulus fängt an, Gott zu danken und zu essen, während der Sturm noch tobt und niemand das Ufer sieht. Dieses Vertrauen wünsche ich mir auch – ein praktisches, nicht nur intellektuelles Vertrauen ins Wort Gottes.
Viele Christen zweifeln in Krisenzeiten. Das verstehe ich gut. Aber Paulus ist ein Vorbild: Wenn Gott etwas versprochen hat, dann hält er es auch, selbst wenn Himmel und Erde vergehen.
Nach solchen Erlebnissen werden die Menschen auf dem Schiff die Geschichte sicher ihren Enkeln erzählt haben: „Als dein Großvater jung war, wäre ich fast gestorben, aber da war ein Mann, der von Gott wusste.“ Solche Erfahrungen bleiben im Gedächtnis, anders als eine ruhige, sonnige Fahrt.
Vielleicht wollte Gott Paulus einfach die Chance geben, sein Vertrauen auf ihn zu zeigen, auch wenn es schwer ist. Und nach dem Schlangenbiss, als Paulus nicht umfällt, wissen die Menschen: Dieser Mann muss von Gott sein. Deshalb hören sie ihm besser zu.
Wäre Paulus in Depressionen versunken, hätte er wie jeder andere reagiert. Aber er geht souverän mit dem Leiden um. Vielleicht ist genau das Gottes Grund, wenn er uns Leiden zumutet: dass wir die Nähe zu ihm suchen und andere sehen, wie wir damit umgehen.
Eine ältere Frau aus einer Gemeinde erzählte einmal: „Danke, dass ich im Krankenhaus war.“ Sie hatte neben einer anderen Frau gelegen, die nichts von Jesus wusste. Die ganze Woche konnte sie ihr vom Glauben erzählen. Das ist eine interessante Perspektive: Nicht nur zu beten, schnell aus dem Krankenhaus zu kommen, sondern zu sehen, dass Gott einen Grund hat – vielleicht, um anderen Menschen zu begegnen.
Ich sehne mich nicht nach Leiden, und die meisten von euch sicher auch nicht. Aber es hilft, zu sehen, was Gott dadurch erreichen kann. Wenn du leidest, darfst du Gott bitten, das Leiden zu nehmen, aber bleib nicht stehen. Frag auch: Wie kann ich mich im Leiden richtig verhalten? Wie kann ich dadurch verherrlicht werden, damit andere aufmerksam werden?
Manchmal wirkt das viel intensiver als ständige Gesundheit und Glück. Dann sagen viele: „Wenn ich so gesund und glücklich wäre, wäre ich auch Christ.“ Aber oft ist es anders.
Paulus ist ein Beispiel: Er sammelt sogar noch Holz für die Leute, die ihn umbringen wollten. Das hätte er nicht tun müssen. Und dafür wird er bestraft. Das kennt ihr vielleicht auch: Man macht das Richtige, der Kollege nicht, und statt Anerkennung bekommt man Ärger. Davon sind Christen nicht generell geschützt.
Paulus gibt den Menschen Mut: „Esst jetzt, bald werden wir gerettet.“ Dabei hat er ein festes Vertrauen auf Gottes Versprechen. Ich zweifle manchmal, wenn ich etwas in der Bibel lese und denke: „Gilt das auch für mich?“ Paulus aber hält daran fest, als sähe er das Ergebnis schon.
Wenn Gott sagt: „Ich bin bei dir“, dann gilt das, auch wenn es lange schlecht läuft. Manche Christen zweifeln dann, was verständlich ist. Aber Paulus zeigt uns: Halte an Gottes Versprechen fest. Himmel und Erde werden vergehen, aber Gottes Worte nicht. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Das ist eine Herausforderung für uns alle.
Eine Herausforderung, die wir aus dem Text mitnehmen können, ist folgende: Manchmal erleben wir, dass wir in einer Welt leben, in der wir scheinbar ohnmächtig den Mächten dieser Welt ausgeliefert sind. Das können Naturgewalten sein, wie Unwetter oder Krankheit. Es kann aber auch staatliche Willkür sein.
Paulus ist hier der staatlichen Willkür ausgesetzt. Er sitzt ohne Schuld seit Jahren im Gefängnis. Er hätte jetzt auch einfach meutern können und sagen: „Ihr gemeinen Typen, ihr seid so hinterlistig und böse, ihr unterdrückt uns arme Christen.“ Und er hätte Recht damit gehabt. Paulus wurde verfolgt und saß unangenehmerweise im Gefängnis.
Er hätte auch sagen können: „Die Soldaten, die mich heil nach Rom bringen wollen, überlegen, wie sie mich umbringen können.“ Das ist auch nicht nett, auch staatliche Willkür.
Doch Paulus macht das, was er die ganze Zeit hier nicht tut: Er fängt nicht an, dauernd nur über den Kaiser zu schimpfen. „Ist der Kaiser blöd, Kaiser weg, neuer Kaiser her“ – das tut er nicht. Er schmiedet auch keine Revolutionspläne oder legt sich Waffen zurecht, um die Soldaten zu überwältigen und freizukommen. Das tut er ebenfalls nicht.
Stattdessen ergibt er sich ein Stück weit in die Ungerechtigkeit des Staates, weil er weiß, dass diese von Gott begrenzt ist. Der Staat kann nur das tun, was Gott zulässt.
Manchmal erlebe ich heute Christen in einer Welt, die auch in Deutschland immer antichristlicher wird. Ich hoffe, dass euch das auch auffällt. Wir leben in einem Staat, der sich immer stärker gegen christliche Positionen stellt. Wir sind nicht in einem Staat, wie manche Politiker sagen, der neutral ist. Nein, neutral ist der Staat schon lange nicht mehr, sondern er ist gegen christliche Positionen.
Unser Bundesgesundheitsminister Spahn arbeitet gerade unter anderem an einem Gesetz zum Verbot von Konversionstherapien. Anfang des Jahres habe ich mich mehrfach öffentlich dazu geäußert und wurde dafür sehr heftig angegriffen.
Dieses Verbot der Konversionstherapien betrifft euch alle. Wenn dieses Gesetz, wie geplant, im Herbst verabschiedet wird, bedeutet das: Wenn ein Homosexueller zu dir kommt und darum bittet, ihm zu helfen, das zu überwinden – und du hilfst ihm durch Gebet oder auf andere Weise –, dann wirst du straffällig und kannst ein Bußgeld dafür bekommen.
Das heißt, hier gibt es eine Kriminalisierung christlicher Seelsorge – und das vom Staat aus.
Wenn ich solche Dinge höre, ärgert mich das. Gleichzeitig frage ich mich: Was ist da los? Oder wenn ich mit Religionslehrern spreche, die selbst häufig nicht gläubig sind und den Schülern nicht das Vertrauen in das Wort Gottes vermitteln, sondern eher Zweifel daran säen, dann komme ich auch an eine Krise.
Oder wenn ich weiß, wie Erzieherinnen und Erzieher heute in Gender-Themen eingeführt werden und diese gegenüber den Kindern vertreten müssen, dann ist das eine weitere Krise.
Früher war das schon eine Krise, und manchmal muss ich selbst aufpassen – und ihr vielleicht auch –, dass wir nicht in einen Strudel geraten, in dem wir sagen: „Ah, alles ist so schlimm, alles geht den Bach runter, warum nur?“
Vielmehr sollten wir eher den Blick haben wie Paulus und sagen: Gott steht über allem. Egal, was passiert, Gott kann selbst das benutzen. Er kann sogar einen gottlosen Staat gebrauchen, um seine Interessen durchzusetzen.
Wie das funktioniert, wissen wir nicht immer und müssen es auch nicht immer wissen. Aber unsere Aufgabe ist es nicht, eine politische Revolution vom Zaun zu brechen. Das hat Paulus auch nicht getan – weder in eigener Sache noch in fremder Sache.
Unsere Aufgabe ist es, wie Paulus deutlich sagt: Betet für die Obrigkeit, damit wir in aller Stille und Ruhe ein genügsames, frommes Leben führen können. Das ist unser Auftrag.
Wir leben in einer Welt, die gottlos ist. Was erwarten wir denn, wenn die Menschen nicht bekehrt sind? Manche Christen erwarten seltsamerweise, dass sich Ungläubige christlich verhalten. Dabei haben wir das größere Problem, dass sich viele Christen heute ungläubig verhalten.
Manche haben sehr gemault, als die Ehe für alle eingeführt wurde. Dabei haben sie gar nicht bemerkt, dass diese Eheform in vielen christlichen Kreisen schon lange praktiziert wird.
Wie ist es denn heute? Sind sich alle Christen einig, dass Scheidung tabu ist oder Wiederheirat verboten? Leider lange nicht mehr.
Das heißt, wir erwarten, dass die Heiden christlich leben, schaffen es aber selbst nicht, in der christlichen Gemeinde nach christlichen Maßstäben zu leben.
Wenn wir uns aufregen und kämpfen, sollten wir darum kämpfen und Gott bitten: „Gib mir die Kraft, nach deinen Maßstäben zu handeln.“
Wenn wir das als Christen tun, werden unsere Nachbarn das sehen. Das wird für sie herausfordernd sein – nicht ein staatliches Gesetz, das sie mit Druck zwingt, etwas zu tun, sondern die Tatsache, dass wir mit Gott Dinge tun können, zu denen sie selbst nicht in der Lage sind, die sie sich aber wünschen.
Die meisten Partnerschaften, die kaputtgehen, wünschen sich eine dauerhafte, harmonische und gute Partnerschaft. Hier liegt die viel größere Herausforderung: Das zu leben und ein Vorbild zu sein.
Genauso hat Paulus es hier gemacht. Er hat nicht lange mit dem Hauptmann diskutiert, warum er ungerecht eingesperrt ist. Er hat es nicht mal versucht zu fliehen, obwohl er hätte fliehen können.
Er hätte sagen können: „Ich bin ungerecht im Gefängnis, ich fliehe jetzt.“ Oder er hätte Gott bitten können, dass alle untergehen und nur er ins Rettungsboot steigt und ans Ufer kommt.
Das macht er aber nicht. Stattdessen setzt er sich sogar dafür ein, dass alle gerettet werden. Er gibt den Leuten sogar noch Tipps, wie sie essen sollen, damit sie stark werden – selbst denen, die ihn angegriffen und verfolgt haben. Später am Feuer hilft er ihnen ebenfalls.
Lasst uns mit dieser Perspektive in eine ungläubige Welt gehen. Wir leben in einer ungläubigen Welt. Darüber sollten wir keine Illusionen haben.
Wir leben in einer Welt, die Christen nicht neutral, sondern kritisch gegenübersteht – und immer kritischer wird. Das sollten wir nicht einfach übergehen.
Unsere Reaktion sollte jedoch nicht sein, eine politische Revolution anzuzetteln oder beleidigt in der Ecke zu stehen. Auch sollten wir nicht nur sagen: „Gott, lass die Welt untergehen, bald ist Ende.“
Stattdessen sollten wir darauf vertrauen, dass Gott alles in der Hand hat. Wenn er will, lenkt er die Herzen der Gesetzgeber, Politiker, Beamten und anderer Menschen in seine Richtung.
Dieses Vertrauen hatte Paulus, auch wenn er es nicht in jeder Phase dieses Ereignisses sehen konnte.
Das ist eine tolle Perspektive, die wir mit in die nächste Woche nehmen können. Ich kann garantieren, dass es auch in der nächsten Woche wieder frustrierende Meldungen und Nachrichten geben wird, bei denen wir denken: „Boah, schon wieder so ein Blödsinn, schon wieder so etwas Schlimmes.“
Lasst euch davon nicht runterziehen, sondern schaut darauf: Jesus ist größer. Gott ist der, der diese Entscheidungen in der Hand hat.
Das waren nun drei Punkte, die ich euch heute und für die kommenden Tage mit auf den Weg geben möchte. Ich hoffe, ihr behaltet sie im Gedächtnis.
Gott kann uns schwere Dinge zumuten. Er hat die Kompetenz dazu, und er tut es auch. Er befreit uns nicht aus jeder schwierigen Situation. Aber er ist gerade in diesen Situationen bei uns und lässt uns nicht allein. Deshalb fragt nicht zuerst immer: „Wann geht das zu Ende?“ und versucht es zu erzwingen. Wir dürfen beten, dass das Leiden vorbei ist, und manchmal greift Gott tatsächlich ein. Aber nicht immer. Sucht vielmehr danach, wie ihr in der Situation, auch wenn es euch schlecht geht, ein Hinweis auf Jesus sein könnt. Wie kann Gott das benutzen, damit ihr im Glauben stabiler werdet oder andere auf ihn aufmerksam werden? So kann eine andere Perspektive auf schwierige Lebenssituationen entstehen.
Der zweite Punkt ist: Vertraut dem Wort Gottes, auch wenn ihr die Konsequenzen der Versprechen noch nicht seht. Paulus vertraute dem, was Gott ihm versprochen hatte, obwohl er es noch nicht gesehen hatte. Wenn wir in der Bibel lesen, erkennen wir, dass es nicht nur theologische Sätze sind, die wir im Kopf haben. Sondern wir können tatsächlich anders damit umgehen, wenn wir älter werden. Wir können in einer gewissen Ruhe dem Tod entgegensehen.
Beim Ungläubigen darf man ja nicht einmal von „Alter“ sprechen; da gibt es nur „die Älteren“. Aber die Alten gibt es nicht, auch wenn sie neunzig Jahre alt sind. Und von Tod will man gar nicht sprechen. Selbst dem Neunzigjährigen wird noch gratuliert: „Du könntest auch hundert werden!“ Nach dem Hundertjährigen wird es dann hundertzehn. Realistisch ist: Nein, du wirst bald sterben. Als Christ ist das jedoch nicht so schlimm, wenn wir wirklich an die Bibel glauben. Das bedeutet, hier kann ein Unterschied sein. Wie sehr vertraue ich dem Wort Gottes? Wofür lebe ich eigentlich?
Ich denke, wir sollten uns immer wieder gegenseitig ermutigen, an den Aussagen Gottes festzuhalten – nicht nur als theologischen Leersatz, sondern als Realität, die in unserem Leben gilt. Auch wenn es manchmal schwerfällt und man vielleicht denkt: „Könnte ich doch endlich mal meinen Partner wechseln!“ Manche Christen träumen davon, weil ihre Frau sie nervt. Da denke ich: Wenn ich nicht Christ wäre, könnte ich mir vielleicht endlich mal eine neue Variante aussuchen, vielleicht klappt die besser.
Aber wir sollten sehen: Gott hat dir versprochen, dass dein Ehepartner – aus männlicher Sicht die Frau – eine Gabe Gottes ist. Im ersten Korintherbrief steht sogar, dass der Ehepartner ein Charisma Gottes ist. Wusstet ihr, dass ihr, wenn ihr verheiratet seid, Charismatiker seid? Dort steht, die Ehepartner sind ein Charisma Gottes. Wenn ich meinen Partner als solchen sehe, kann ich sagen: Okay, manchmal sind die Charismata auch etwas nervig, aber sie sind ein Gnadengeschenk Gottes.
Ich glaube, ich darf das sagen: Einige sind ja noch länger verheiratet als ich. Bei uns sind es jetzt 32 Jahre. Manchmal hat meine Frau mich genervt, manchmal habe ich meine Frau genervt – vielleicht geht es auch umgekehrt so. Aber wir haben immer gemerkt, dass Gott uns zusammenführt. Ich vertraue darauf, dass Gott eine Perspektive für die Ehe gibt, selbst wenn es schwierig läuft.
Vertraut den Aussagen Gottes auch in eurem Leben, selbst wenn ihr das Ergebnis noch nicht seht. Gott wird sich dazu stellen, aber er möchte auch, dass wir ihm vertrauen.
Der dritte Punkt, den ich genannt habe: Bleibt nicht im Jammern stecken, sondern seht über der gottlosen Welt das Handeln Gottes. Seht tiefer, erkennt, dass Gott zu seinem Ziel kommt, egal was in der Welt geschieht. Lest so die Zeitung und hört die Nachrichten – nicht nur mit Blick auf das Schlimme, was passiert. Seht Gott, der dahinter steht und alles gebrauchen kann, damit er verherrlicht wird.
Ich bete an dieser Stelle gern noch mit euch, und ihr dürft dazu aufstehen.
Herr Jesus Christus, vielen Dank, dass du uns dein Wort gegeben hast. Danke, dass du auf der Erde gelebt hast und wir durch deine Jünger im Neuen Testament sehen können, wie richtiges Christsein aussehen kann.
Danke für die Zeit, die wir uns heute Morgen hier nehmen können. Gib du jedem meiner Geschwister und den Gästen, die hier sind, etwas mit, das für ihre Herausforderungen in der nächsten Woche wichtig ist. Lass dem einen deutlich werden, dass du da bist, trotz des Leidens. Lass dem anderen erkennen, dass du trotz einer gottlosen Welt die Regierung in der Hand behältst.
Lass dem anderen neue Zuversicht und Gewissheit schöpfen bei den Versprechungen und Zusagen, die du gemacht hast, auch wenn sie nicht immer sichtbar sind.
Amen, Amen!