Freude im Leiden und das Geheimnis Christi
Ich lese den Predigttext aus dem Kolosserbrief, Kapitel 1, die Verse 24-29.
Da schreibt der Apostel Paulus: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch, was noch aussteht von den Bedrängnissen des Christus für seinen Leib. Das ist die Gemeinde.“
„Ihr Diener bin ich geworden, nach der Verwaltung Gottes, die mir im Blick auf euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden – das Geheimnis, das von den Weltzeiten und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen geoffenbart worden ist.“
„Ihnen wollte Gott zu erkennen geben, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Nationen sei, und das ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“
„Und ihn verkündigen wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen in aller Weisheit lehren, um jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen, worum ich mich auch bemühe und kämpfend ringe gemäß seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt, in Kraft.“
Begegnung mit der Gemeinde von Kolossä und die Bedeutung des Wortes Gottes
Wir wollen, soweit es uns möglich ist, uns zum Gebet erheben.
Bei einer Reise zu den Städten der ersten Christen in der Türkei haben wir auch Kolossä besucht. Interessanterweise wussten nicht einmal die Einheimischen genau, wo die Stadt lag. Denn diese Stadt ist nicht mehr aufgebaut; es ist heute nur noch ein großer Hügel, ein Trümmerfeld.
Das ist besonders interessant, wenn man an diese Städte denkt, weil sie in der frühen Christenheit eine so große Bedeutung hatten. Ich freue mich, dass wir heute in ihrer Gemeinde sein dürfen. Für uns ist das immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis, wenn man aus der Provinz in die Hauptstadt, in die Metropole, kommt.
Das Wunderbarste aber ist das Wort Gottes, das damals eine sehr große Bedeutung für die Gemeinde in Kolossä hatte. Auch wenn der Lauf der Zeit darüber hinweggeweht ist, war es für die Menschen damals von großer Wichtigkeit.
Das Leiden in der heutigen Zeit und die Herausforderung, es zu tragen
Wenn ich Sie jetzt fragen würde: Wie geht es Ihnen? Dann würden Sie vielleicht sagen: Ach, das ist eigentlich eine dumme Floskel. Er interessiert sich doch gar nicht wirklich für mich.
Oder liegt es daran, dass wir sagen, wir haben ja gar keine Zeit, um uns richtig auszutauschen? Um darüber zu sprechen, was uns wirklich bewegt und was jeder von uns zu tragen hat?
Oft ist es nur wie das Anstechen eines Fasses – die vielen Dinge, die uns belasten und beschweren, brechen hervor. Es ist erschütternd: In unserer Zeit des Wohlstands hat jeder eine große Menge an Leiden zu tragen.
Da gibt es schwierige, auseinanderbrechende Ehen, Probleme mit den Kindern, mit Nachbarn, Geschäftsschwierigkeiten und Mobbing. Es ist nicht nur das Problem der sozialen Medien, dass dort böse Dinge ausgetauscht werden. Vielmehr erleben wir auch im direkten Umfeld, wie Menschen verleumdet werden können.
Das Schlimme ist: Diese Dinge stehen oft jahrelang im Raum, ohne dass man sie korrigieren kann. Und dann kommen die schweren Krankheitsleiden hinzu. Unsere Ärzte können nur begrenzt helfen.
Dazu kommen die Einsamkeit, die ertragen wird, Unrecht und Gewalt. Was kann man dagegen tun? Man muss es stilltragen. Man kann es verdrängen. Man versucht zu vergessen.
Aber mit dem Leiden fertig zu werden – da gibt es keine einfache Lösung.
Die christliche Perspektive auf das Leiden
Meine asiatischen Freunde sagen immer, das sei der blinde Fleck bei uns im Westen: das Leiden. Ihr verdrängt es und erkennt nicht, dass es zu eurem Leben gehört.
Doch was der Apostel Paulus dazu sagt, ist so ungeheuer! So einmalig, so irrsinnig. Er sagt: „Ich freue mich meiner Leiden.“ Keiner von uns kann sich wirklich über Leiden freuen. Und doch hat Paulus recht. Christen haben den einzigen Weg in unserer modernen Welt, das Leiden zu überwinden. Denn Christus, Jesus Christus, ist der Einzige, der das Leiden überwunden hat.
Das Kreuz ist das Siegeszeichen über das Leiden, über Todesangst, über Schmerzen und über alle Schrecken dieser Welt. Das Große daran ist – und Paulus hat dieses Thema immer wieder aufgegriffen – dass er überhaupt nur so vom Leiden gesprochen hat. Er sagt: „Ich freue mich meiner Leiden“, weil in seinem Leben nur dadurch der Blick auf Jesus Christus richtig frei wird und er ihn erkennen kann.
Wir würden heute mit unserer modernen Sprache sagen: Das Leiden wird ausgehebelt durch den Blick auf Christus. Aber wir wissen ja, wie schwer das ist, wenn wir mit Menschen zusammen sind, die große Schmerzen haben, die in ihrem Leben viele Niederlagen erlebt haben. Menschen, die ihren Job verloren haben, die nicht mehr wissen, wie es weitergeht, die Enttäuschungen erleben.
Paulus’ eigenes Leiden und die Kraft in der Schwäche
Darum ist es so gut, dass wir noch einmal darüber nachdenken. Bei Paulus war es körperliches Leiden in einer ganz extremen Weise. Er spricht heute Morgen bei der Gebetsgemeinschaft davon; das Wort wurde zufällig gelesen – ganz toll.
Er sagt: Bei mir sind es in meinem Fleisch nicht bloß kleine Spreisel, die mich quälen, sondern ein Pfahl im Fleisch, ein großer Rammbock, der meine Gesundheit so foltert und quält. Ich bin dankbar dafür, dass ich diesen Pfahl im Fleisch habe, weil dadurch sichtbar wird, dass ich nicht kräftig bin. Ich bin nicht stark und habe auch nicht den Mut, das alles zu überwinden.
Es ist ja immer wieder bei Christen die große Gefahr – und das erwähnt Paulus in diesem Abschnitt im 1. Korinther 12 –, dass ich mich überhebe. Das ist wie bei einem Gewichtheber, der ein Gewicht heben will, das er einfach nicht schafft, weil es zu schwer für ihn ist. Paulus sagt, die Gefahr für Christen ist, dass sie sich überheben und den Mund zu voll nehmen.
Gerade im Leiden wird das sichtbar: Ich bin doch gar nicht stark, ich bin schwach. Aber ich habe einen wunderbaren, starken Herrn Jesus. Er ist derjenige, der mir in der Not beisteht und den ich erlebe und erfahre.
Und der Herr sagt: Lass dir genug sein, dass ich dir gnädig bin. Meine Kraft vollendet sich in deiner Schwäche. Christus will in deiner Schwäche ganz wunderbar wirken.
Die Realität von Leid und der Trost in der Nähe Jesu
Nun muss ich Ihnen sagen, dass es auch bei Paulus Momente gab, in denen er im Gefängnis von Philippi lag. Er erhielt Peitschenschläge mit schrecklichen Folterinstrumenten, sodass sein ganzer Rücken wund war.
Das war eine Stunde der Qual, des Seufzens und des Schreiens. Wir wollen ganz ehrlich sein: Solche Situationen gibt es, weil unsere Nerven versagen und wir das alles nicht durchhalten können – die Last, die uns auferlegt wird, ist schwer.
Was Menschen einander antun können, ist so unheimlich. Das, was Menschen im Leben anderen antun, kann so furchtbar sein, dass man damit nicht fertig wird.
Und dann geschieht es um Mitternacht, dass Paulus plötzlich den Blick wieder frei hatte auf seinen Herrn. Er beginnt, Loblieder zu singen – mitten in dieser dunklen Zelle, in die er eingesperrt war, zusammen mit seinem Begleiter.
Das wünsche ich Ihnen auch. Paulus schreibt einmal: „Ich war bei euch mit Furcht und Zittern.“
Die Kraft der Schwachen und das Zeugnis der Demut
Wir haben alle die Eigenart, Prediger zu bewundern, die als strahlende Männer auftreten und großen Erfolg haben. Tausende von Zuhörern sitzen bei ihnen. In unserer modernen Gesellschaft gilt das als Zeichen des Erfolgs.
Jesus hat in seiner Gemeinde jedoch ganz anders gehandelt. Er wirkte am meisten durch schwache Menschen, die oft mit Furcht und Zittern Zeugnis von Jesus ablegten. Solche Menschen haben auch Sie in Ihrem Leben getroffen.
Ein Beispiel ist Blaise Pascal, einer der genialsten Denker und Mathematiker. Er litt unter rasenden Schmerzen, verkündete aber dennoch tiefe Weisheiten. Eine berühmte Familie ist die Familie Hahn im Baltikum, eine Pastorenfamilie. Wilhelm Hahn wurde württembergischer Kultusminister, und sein Großvater Traugott Hahn war ein großer Evangelist und Prediger.
Traugott Hahn traf auf der Straße ein Gemeindeglied und sagte: „Ich war gerade bei Ihrer Frau Lalla. Sie konnte vor Schmerzen kaum sprechen, aber das, was sie gesagt hat, war mehr wert als hundert Predigten von Ihnen.“
Das ist ein Geheimnis Gottes: Es geht nicht um menschliche Größe, Ehre oder Stolz. Wir sollen uns nicht überheben oder ein Bild entwerfen, bei dem andere enttäuscht werden müssen.
Paulus sagt: „Das ist nötig, wir müssen die Schwäche unseres Körpers erleben, damit Christus in uns Gestalt gewinnt.“
Christus in uns – die innere Erneuerung trotz äußerer Schwäche
Das ist ja ein ganz wunderbares Wort: Christus will in uns wohnen. Er will in unserem Herzen wohnen, er will von uns aufgenommen sein.
In einem Brief schreibt er auch an die Korinther: „Auch wenn der äußere Mensch verdirbt“ – das erleben wir ja. Die Älteren werden, das Gehör lässt nach, die Sinne schwinden, die Kraft nimmt ab. Man braucht immer mehr Schlaf, Schmerzen treten auf, die Nerven reagieren nicht mehr richtig, man wird unsicher beim Gehen. Der äußere Mensch verdirbt.
Aber der innere Mensch wird von Tag zu Tag erneuert. Ist es wirklich so, dass Christus anfängt, in einem sterblichen Menschen sein Werk zu tun?
In diesen Tagen denken wir viel an die verfolgten Christen, denn die letzten 40 Jahre meines Lebens standen in enger Verbindung mit ihnen. Zuletzt war ich auch im Werk der Hilfsaktion Märtyrerkirche tätig.
Ich möchte Ihnen immer sagen: Das größte Missverständnis ist, wenn man betet, die verfolgten Christen sollten bald Rechtfreiheit bekommen.
Die Kraft der verfolgten Christen und das Geheimnis des Glaubens
Die russischen Christen, die Deutschen aus Russland, geben offen zu, dass sie oft zurückblicken auf die Zeiten der Verfolgung. Damals waren die Fronten noch klar, und es war deutlich, wo ein Christ stand.
Sie müssen nicht darum beten, dass die Christen Freiheit erhalten. Freiheit ist oft ein Trugwort. Gehen Sie einmal durch Berlin: Freiheit kann auch ein Höllenwort sein, wenn Menschen in Abgründe stürzen, die sie zerstören.
Auch Liebe kann zum Höllenwort werden, wenn man nicht weiß, dass Begriffe wie Freiheit und Liebe allein in Christus ihre wahre Bedeutung haben. Nur von dort aus können sie mein Leben prägen. Die russischen Christen kehren nicht zu den verfolgten Gemeinden zurück, sondern erleben Gottes Krafterweisungen, die sie sich kaum vorstellen können.
In diesen bedrängten Situationen spüren sie die Nähe von Jesus Christus so mächtig, dass die Gemeinden dort trotz der Verfolgung unglaublich wachsen. Bei uns sieht das anders aus. Hier herrscht Schwindsucht in den verfolgten Gemeinden.
Ist das Christuszeugnis so groß, trotz aller Drohungen? Man glaubt kaum, dass das kommunistische System in Osteuropa gerade diese einfachen, gläubigen Kreise überwunden hat. Es waren einfache Gemeindeglieder, oft Frauen mit Kopftüchern, die durch das Wort Gottes und das Gebet siegreich blieben – in einem System, das sie ausrotten wollte.
Als Chruschtschow höhnte, er werde in wenigen Jahren den letzten Christen im Fernsehen vorführen, geschah ausgerechnet in seiner Ära, in der schlimmsten Zeit der Verfolgung, das größte Aufbrechen der Christen in der Sowjetunion. Das bleibt ein Geheimnis.
Die Kraft Christi in der Schwäche und das Gebet des Paulus
Wenn die Kraft von Christus kommt und nicht von uns, dann kann man dafür nur beten. Das sagt auch Paulus in seinen Briefen: „Ich beuge meine Knie.“
Er macht sich dabei ganz klein, weil er selbst nicht viel kann, aber Christus kann das. Ich darf Ihnen dieses Geheimnis verraten: Auch wenn Sie in großen Nöten, Verzweiflung und Ohnmacht sind, dürfen Sie erfahren, dass Jesus Ihnen eine Kraft gibt, die alles Irdische übersteigt.
Diese Kraft schenkt einen besonderen Blick und Geborgenheit. Ach, was habe ich da erleben dürfen – auf Intensivstationen, bei offenen Gräbern, bei Kinderbeerdigungen. Einen Trost, der alles Verstehen übersteigt, wo plötzlich der Vorhang aufreißt und man in die ewige Welt hineinschauen kann, in der Gegenwart von Jesus Christus steht.
Die Auferstehungskraft von Jesus ist das Neue, eine ganz neue Kraft, die mein Leben erfüllen will. Über sie habe ich vorher nie verfügt, und sie macht mich stark.
Zeugnisse des Glaubens in Leid und Verfolgung
So unglaublich es auch gewesen sein mag: Bei den Märtyrern der Hugenottenverfolgung, bei den vielen Tausenden, züngelten die Flammen, und sie sangen die Psalmen. Verstehen Sie das?
Die Verfolger gaben erst Ruhe, als sie den Opfern vor dem Anzünden des Scheiterhaufens die Zunge herausrissen, damit sie nicht mehr singen konnten. Diese Kraft ist eine Gabe, die Christus gibt.
Corrie ten Boom, die im KZ sehr schwer gelitten hat und aus dieser Zeit Wunderbares über die Siege Jesu auf diesen schweren Wegen erzählt, hat ihren Vater gefragt, wie es einmal sein würde, wenn sie in so eine Situation käme.
Darauf sagte ihr Vater: Wenn du eine Reise machst, kaufst du das Ticket nicht viele Wochen im Voraus. Du kaufst es erst, wenn die Reise losgeht. So wird der Herr dir die Kraft geben. Du brauchst dich nicht zu sorgen, wie alles werden wird und wie die Reise ausgeht.
Der Herr wird seine Zusagen erfüllen und bei dir sein.
Die Bedeutung von Leiden im christlichen Leben
Jetzt muss ich kurz unterbrechen. Wenn Christen niemals krank würden, immer geschäftlichen Erfolg hätten, stets nette Nachbarn hätten und keine Probleme im Leben hätten, dann bräuchte man sich keine Sorgen zu machen. Dann gäbe es auch genug Christen in Berlin, wenn Wohlstand damit verbunden wäre.
Aber Gott hat es so eingerichtet, dass er ganz bewusst besondere Lasten auf Christen legt. Paulus sagt, das ist das Zeugnis der Christen in dieser Wohlstandswelt. Schon in der römischen Kultur war es das Höchste, frei von allen Nöten und Problemen zu sein.
Man hat ja das Leiden auch gekannt. Ein griechischer Philosoph sagte, am besten sei es, nie geboren zu werden, weil das Leben in dieser Welt voller Leiden ist. Doch die Christen haben in dieser römischen Welt des Friedens, in der Zeit des Kaisers Augustus kein Krieg mehr herrschte, die Überwindung des Leidens erfahren. Sie haben das Leiden durchlitten.
Alle Apostel und die ersten Christen wurden in den Arenen gefangen, wo die Löwen auf sie gehetzt wurden. Wie oft war Paulus unschuldig in Haft und wie sehr hatte er gelitten – auch unter falschen Brüdern. Das ist das Schlimmste, wenn Christen nur scheinheilig sind und ihm Leid zufügen.
Er wurde verspottet und verhöhnt. Paulus, der Gelehrte, stand auf dem Areopag, und die Philosophen spotteten über ihn. Sie sagten: „Was will dieser Lotterbube sagen? Das ist doch kein rechter Mann.“
Die Botschaft vom Kreuz und die Herausforderung der Welt
Die Botschaft vom Kreuz ruft oft den Spott der Welt hervor. Man sollte nicht glauben, dass die Klugheit der Welt die Kreuzesbotschaft des Evangeliums erfassen kann. Diese Botschaft führt zu Ablehnung und Spott. Heute will jeder sein Leben auch vor Gott selbst gestalten. Viele meinen, sie brauchen keinen Heiland.
Warum soll man von Schuld sprechen? „Ich bin doch gut!“, sagen sie. „Ich mache doch alles richtig, ehrlich, auch wenn ich Fehler habe.“ Sie meinen, keinen Todesüberwinder zu brauchen, und das Blut von Jesus lehnen sie ab, weil es sie ekelt. Solche Sprüche hört man oft.
Paulus sagt deshalb: Es ist ein Geheimnis. Nicht ein Geheimnis, das man nicht ergründen kann, sondern eines, das in der Christenheit meist verschwiegen wird. Auch heute herrscht bei vielen Christen der Gedanke, dass nur Sonny Boys, starke Prediger oder erfolgreiche Menschen wirklich Glauben haben.
Man glaubt, wenn man betet, habe man keine Schmerzen mehr, und dann laufe alles wie von selbst. Doch viele stehen daneben und fragen: „Warum ist das bei mir nicht so?“ Ich habe viele Menschen betreut, die von solchen Großversammlungen kamen und sagten: „Ich glaube offenbar nicht richtig, sonst wäre ich nicht so krank, sonst hätte ich nicht diese Probleme.“
Meine Enkel machen mir große Sorgen. Sie gehen böse Wege, und obwohl ich viel gebetet habe, habe ich nichts erlebt.
Das Geheimnis der Schwäche und die Kraft Christi
Darum ist es ganz schlimm, wenn dieses Geheimnis, das Paulus so nennt, weil es dem natürlichen Verstand nicht zugänglich ist, ein Geheimnis bleibt. Er sagt, er will darüber reden. Es ist an den Rand gedrängt, weil die Vernunft es nicht begreifen kann. Die meisten Leute wissen gar nichts davon. Doch das erste Zerbrechen unserer Kraft ist es, Christus erkennen zu können. Dass er die Mitte unseres Lebens sein will, dass er den Mangel ausfüllt, wenn wir nicht mehr weiterwissen, dass wir alles in seine Hand legen dürfen und ihm vertrauen – das ist wunderbar.
Meine Frau und mich hat es immer dazu bewegt, in der Geschichte der Entstehung unserer großen Glaubenslieder zu forschen. Wissen Sie, diese großen Glaubenslieder – ich finde, das ist das Größte, was wir neben der Bibel haben. Da waren Menschen in unvorstellbarer Not. Skriver, ein Prediger in Magdeburg und in Stendal, hat elf Kinder beerdigt, eigene Kinder. Und dann dient das Lied „Der lieben Sonne Licht und Pracht“ dazu, sich der Gnade Gottes anzuvertrauen und geborgen zu sein.
Ein Mädchen, Tochter eines Holzhändlers, hatte einen schweren Unfall und behielt ein Hüftleiden zurück. Sie war ein Krüppel, doch sie fand einen jungen Mann, der sie heiraten wollte. Am Tag vor der Hochzeit ertrank sie. Später dichtete sie das Lied „Solang mein Jesus lebt und seine Kraft mich hebt“. Darin heißt es: „Muss Furcht und Sorge von mir fliehen, mein Herz in Liebe klingen.“ Das Einzige, was das Leiden dieser Welt und auch in deinem Leben aufheben kann, ist der lebendige Christus.
Paulus sagt, dass es nicht bloß irgendein Gedanke ist, der dich trösten soll. So darf man es verstehen, dass manche Gedanken eine Ahnung von den Worten von Jesus geben. „Das gibt mir neue Kraft.“ Er will in dir wohnen. Christus will in dir wohnen – Christus in euch.
Die lebensverändernde Kraft des Glaubens
Die ganze Freude des Evangeliums erlebe ich erst, wenn ich Jesus als meinen Herrn annehme und sage: Herr, ich kann mein Leben nicht mehr allein steuern. Ich werde mit dem Leben einfach nicht fertig. Du musst in meinem Leben wirken und an mir handeln können.
Solche Augenblicke gibt es immer wieder. Ich hoffe, dass man das jeden Tag schon am Morgen so betet: Herr, ich kann keinen Schritt ohne dich gehen. „Ohne mich könnt ihr nichts tun“, hat Jesus gesagt. Ohne ihn geht nichts.
Das Bild vom Weinstock hat Jesus seinen Jüngern groß gemacht: „Ich in euch und ihr in mir“ – eine unglaubliche Verbundenheit. Diese Verbundenheit ist mit irdischen Gemeinschaften überhaupt nicht zu vergleichen. Jesus wählt nur ein Bild, um zu zeigen, wie er mit dem himmlischen Vater verbunden ist. So will er auch in deinem Leben wirken – in deiner Ohnmacht und Schwäche.
Jetzt hast du ein schönes Lied, das seine allmächtige Stärke in der Ohnmacht zeigt: mächtige Kraft in Schwachen.
Die Geschichte der Missionsbewegungen als Zeugnis der Schwäche und Kraft
Ich habe ein Buch über die Missionsbewegungen geschrieben. Wenn man einfach einmal darüber forscht, wie das damals war, erkennt man, dass diejenigen, die hinausgezogen sind, das letzte Aufgebot der Christenheit waren. Die Kirchen standen der Mission meist ablehnend gegenüber, und Freunde hatte die Mission selten.
Es waren oft die Schwächsten der Schwachen, die hinausgingen. In England gab es einen jungen, hochbegabten Studenten namens Henry Martin. Er wurde nur 31 Jahre alt. Er ging nach Indien und war der erste Bote von Jesus Christus dort.
Henry Martin war von dem Elend, das er vorfand, tief erschüttert. Die schreckliche Armut, die Prostitution in den Tempeln und das allgemeine Leid lasteten schwer auf ihm. Er war so genial, dass er das Neue Testament in Hindi, Persisch und Arabisch übersetzte.
Auf seiner Rückreise sehnte er sich nach einem lieben Menschen, einer Jugendfreundin in England, die er gern geheiratet hätte. Doch diese Hoffnung zerbrach. In Tokat, in der Türkei, erkrankte er und kehrte dort ein. Mit nur 31 Jahren starb er.
In seinem Tagebuch schrieb er noch nieder: Wann wird diese Zeit der Ewigkeit weichen? Wann werden der neue Himmel und die neue Erde erscheinen, wo Gerechtigkeit wohnt? Dort wird nichts Unreines hineinkommen, nichts von der Bosheit, die Menschen schlechter gemacht hat als wilde Tiere, und nichts von der Verkommenheit, die das Leiden des Sterbens nur vergrößert.
Die Bedeutung des Wirkens Christi in unserem Leben
Wird da jemals etwas zu hören sein? Henri Martin war der große Mann, der die Evangelisierung Asens eingeleitet hat, weil Jesus in seiner großen Kraft gewirkt hat. Die Boten sind gestorben. Es ist entscheidend, dass wir immer mehr Christus erkennen – die Kraft seiner Auferstehung –, damit er in unserem Leben richtig wirken kann.
Das ist eine ganz wichtige Botschaft, die wir gerade in unseren Tagen an die Menschen weitergeben müssen, die um uns herum leben. Heute gibt es viele blöde Sprüche. Unser Ministerpräsident Teufel hat einst gesagt: „Wir können alles außer Hochdeutsch.“ Hoffentlich haben Sie trotzdem noch etwas verstanden.
Aber wir können alles, wir sind die Macher! Wenn das Klima einmal extrem wird, kriegen wir das auch in Ordnung. Wir machen alles. Wir können verhindern, dass Menschen sterben, wir werden die Gesundheit verbessern und den Auspuff reduzieren. In Berlin sind wir schon voraus: Bei uns dürfen sie nicht mehr Auto fahren, wenn sie einen Diesel haben. Der Mensch kann alles.
Die befreiende Botschaft der Schwäche und die Warnung vor Überheblichkeit
Es ist eine befreiende Botschaft, dass wir offen über unsere Schwachheit sprechen dürfen. Prediger des Evangeliums und Zeugen von Jesus brauchen sich niemals aufzuspielen. Das Aufplustern ist sogar das Gefährlichste, weil wir uns dadurch etwas vormachen. Wir sind doch gar nicht stark.
Hier gab es einen großen preußischen Offizier, Kurt von Knobelsdorf, der sagte: Wenn man Jesus aus meinem Leben herausnimmt, bleibt nur noch ein bisschen Dreck übrig – übrigens am Platz der Luftballons. Er war ein mutiger Mann, der die Not des Alkoholismus erkannte, weil er selbst darunter litt. Deshalb gründete er das Blaue Kreuz.
Der damalige Kaiser forderte ihn bei einem Bankett heraus: „Ich trinke auf Kurt von Knobelsdorf“, und er müsse erwidern. Kurt von Knobelsdorf antwortete: „Majestät, Sie wissen, wie ich Ihnen diene. Aber ich rühre keinen Tropfen Alkohol an, so schwach bin ich.“ Daraufhin folgte das Gelächter der Offiziere: „Ein schwacher Mann!“
Doch das Wunder unseres Lebens ist, was Jesus Christus aus uns macht. Das Größte, was er uns gibt, ist, dass er den Weg zu Gott frei macht und uns mit dem lebendigen Gott versöhnt. Das ist das größte Problem dieser Welt.
Es ist erschütternd, dass man das heute kaum noch erkennt. Größere Probleme als die Klimakatastrophe, Atomstrahlung und Kriege sind der Zorn Gottes, der über der Welt liegt und über dem Leben von Menschen, die sich stolz dünken.
Die Notwendigkeit der Versöhnung mit Gott und das Wirken Christi in uns
Darum ist es so wichtig, dass Christus mich verschönern will, dass er in meinem Leben einkehren und wirken will. Deshalb brauchen wir keine Aufputschmittel oder große Erlebnisse, die uns nur kurzfristig hochpushen. Vielmehr müssen wir das erleben, was Christus uns gibt, um stark zu sein und gebraucht zu werden.
Wenn man das in der Christenheit verfolgt, sieht man, wo Gott gewirkt hat. Zum Beispiel hier in Berlin, als die Salzburger Flüchtlinge ankamen. Sie hatten im Winter ihre großen Höfe verlassen und brachten nichts mit außer dem Wort Gottes.
Was hat das in Ostpreußen bewirkt? Oder bei den Hugenotten am Gendarmenmarkt? Die Hugenotten brachten das Leben mit Christus, auch wenn sie in dieser Welt viel verloren haben.
Zeugnisse aus der Missionsgeschichte und die Kraft Gottes
Ich kann es noch einmal deutlich machen an einem Bild aus der Missionsgeschichte: Die deutsche Indianer-Pioniermission war eine kleine, schwache Gründung mit dem Ziel, das Evangelium auch den Indianern zu bringen.
Wie wurde diese Mission in der Christenheit verspottet? Anthropologen sagten: „Lasst sie doch in ihrem Heidentum, in ihrem Aberglauben, ihrer schwarzen Magie, die sind doch glücklich.“
In den ersten Jahren, als die deutsche Indianer-Pioniermission gegründet wurde, stürzte ein Missionsflugzeug ab, und alle sieben Insassen kamen ums Leben. Die Nachricht erreichte Lonsingen auf der Schwäbischen Alb, gerade bei der Gebetsgemeinschaft.
Seien Sie nicht verwundert, was Gott an Schwerem zulassen kann. Aber wenn man betrachtet, was Gott durch dieses Werk gewirkt hat, wird von Anfang an klar: Er macht es nicht allein mit allen technischen Mitteln. Und das ist das Große.
Die Grenzen menschlicher Macht und die Erneuerung durch Jesus Christus
Wir müssen das sagen: In einer Zeit, in der der Mensch meint, er könne alles, können wir eigentlich gar nichts. Allein Jesus macht uns innerlich stark. Er erneuert unser Herz und befreit uns von Süchten und Begierden.
Er will in der Stille meines Ichs regieren. Er möchte Liebe schenken und Gutes wirken. Was alles geschehen kann, wenn er wirkt! Das ist so bewegend.
Ich war lange in der Arbeit mit Gefangenen tätig. Wenn man erlebt, wie ein Mensch nach zehn oder zwanzig Jahren Jesus annimmt, dann sieht man, was an Heil und Leben plötzlich geschehen kann. Für Gott gibt es kein Unmögliches, wenn er in einem Herzen wirken darf.
Selige sind nur die, die demütig sind und erkennen, was ihnen fehlt. Die arm sind vor Gott und sagen: „Herr, ich brauche dich allezeit. Ohne dich kann ich gar nichts machen.“
Die Frage nach der persönlichen Beziehung zu Christus
Und da bleibt nur die Frage: Ist er bei dir? Ist er dein Herr? Kann er in deinem Leben wirken, dich erfüllen und umgeben?
Ist die Verbindung da? Hörst du sein Wort? Redest du mit ihm im Gebet, so wie es die verfolgten Christen heute erleben? Die Gemeinde wächst in Nordkorea, in Kasachstan, in Tadschikistan, in Laos und Kambodscha.
Im Iran ist es unglaublich. Man spricht sogar von mehr als einer Million Menschen, die das Evangelium angenommen haben. Im Iran, unter Khomeini, ist das eine bemerkenswerte Zahl.
In China konnte man es kaum glauben: Man sprach von 130 Millionen Christen, obwohl dort gar keine Religionsfreiheit herrscht.
Wenn Jesus größer ist als unsere Möglichkeiten, dann ist das das Geheimnis seines Christenlebens. Er will eine größere Gemeinde schaffen und Wohnung in uns machen.
Das Vermächtnis von Paul Gerhardt und die Kraft des Glaubens in schweren Zeiten
Ich möchte abschließend noch einmal auf etwas hinweisen, das mir in Berlin besonders wichtig ist: die Nikolaikirche und Paul Gerhardt. Niemand konnte es so ausdrücken wie Paul Gerhardt.
Er hat viel Schweres erlebt: nur 13 Jahre Ehe mit seiner Elisabeth, den Tod der Kinder und zahlreiche Probleme, auch mit einer Regierung, die ihn in Glaubensangelegenheiten beherrschen wollte. Das war für ihn der Grund, warum er sein Amt niedergelegt hat.
In Glaubensdingen darf mich keine weltliche Macht beherrschen – weder ein großer Kurfürst noch der Zorn eines Fürsten soll mir eine Hinderung sein. Das können Sie in all seinen Liedern wunderbar sehen, nachsingen und erleben. Er selbst hat gesagt: „Ein in Satan siebengesichteter und bewährter Theologe.“ Er wusste, dass ihm niemand diesen Christus rauben kann, weil Christus ihn ergriffen hat und weil er von Christus gehalten wurde.
In seinem Lied heißt es: „Ich sollte meinem Gott nichts singen, das weiß ich, und lasse mir’s nicht aus dem Sinne gehen. Christenkreuz hat seine Masse und muss endlich stille stehen. Wenn der Winter ausgeschneit, tritt der schöne Sommer ein.“ So wird auch nach der Pein, wer’s erwarten kann, erfreut. Alles Ding hat seine Zeit. Gottes Liebe in Ewigkeit – nicht erst in der Ewigkeit, sondern schon heute schenkt er uns Erquickungen, die andere ungläubige Menschen gar nicht annehmen.
Er führt uns in die Freude, auch wenn er Lasten auf unseren Rücken legt und wir Schwäche zu tragen haben.
Die unerschütterliche Hoffnung in Christus
Warum sollte ich mich denn grämen? Habe ich doch Christus noch? Wer will mir ihn nehmen? Wer will mir den Himmel rauben, den mir der Sohn Gottes im Glauben beigelegt hat?
Und dann, wie Paulus sagt: „Den verkündigen wir und ermahnen alle Menschen, lehren alle Menschen in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen in Christus vollkommen machen“ – nicht vollkommen aus eigener Kraft, sondern durch Christus vollkommen.
Wir haben alles in ihm, und das wollen wir allen sagen und verkündigen: Du wirst nicht in den Gütern der Welt deine Befriedigung und dein Glück finden, sondern nur in Christus. Es gibt in dieser Welt nichts Größeres, als ihn zu haben.
Schlussgebet und Bitte um Kraft und Schutz
Und ich will schließen mit diesem Vers: Kann uns doch kein Tod nicht töten, sondern reißt unseren Geist aus vieltausend Nöten, schließt das Tor der bitteren Leiden und macht Bahn, da man kann gehen zu Himmelsfreuden.
Wir wollen beten.
Du, unser Herr Jesus Christus, du hast das erduldet, was Menschen an Verleumdung und Spott wider dich ertragen haben: die Erfolglosigkeit, den Frust und auch die ganzen Schmerzen, auch die Todesqualen sowie die Einsamkeit und Verlassenheit.
Wir danken dir, dass du den Sieg errungen hast am Ostermorgen und dass deine Auferstehungskraft in unserem zerbrechlichen Leben wirken will, Herr. Wir wollen viel mehr mit dir rechnen.
Wir bitten dich, dass das jetzt auch die erfahren, die nicht unter uns sein können, weil sie krank liegen und alt sind. Aber dass wir alle das auch erfahren im Blick auf die Probleme, dass wir sie überwinden können, unter die Füße kriegen und wissen: Du lässt es zu, und du gibst uns die Kraft, und es wird uns zum Segen werden.
Nichts kann uns zerstören, weil du uns die Kraft gibst zum Siegen. Ganz herzlichen Dank!
Wir wollen auch dafür bitten für die bedrängten und verfolgten Christen, dass du sie stark machst, dass sie in Liebe ihren Feinden das sagen können, dass sie auch geliebt sind von dir. Du kannst das schenken, dass noch viele der Verfolger, auch der islamistischen Terroristen, dich erkennen.
Herr, wir sind auch bedrückt, wie Furchtbares geschehen kann dort in Neuseeland. Es ist so viel Furchtbares, Irregeleitetes.
Wir möchten dich bitten, dass du deinen Christen Kraft gibst zum Aushalten, auch zum Ertragen alles Bösen. Dass sie nicht in Bitterkeit reagieren, sich nicht auflehnen und nicht in eigener Kraft antworten, sondern siegen denen, die ihnen fluchen.
Wir bitten dich in einer Welt des Leidens und des Jammers, dass du wieder deine Christenheit erwachsen lässt zum Zeugnis deiner Liebe, in aller Demut und Schwäche, aber in dem großen Zeugnis deiner Siegeskraft.
Wir danken dir, dass du in unserem Leben wohnen willst und dass du in unserem Herzen Wohnung machst. Wir bitten dich: Reinige uns, heilige uns, nimm uns in Dienst.
Auch im Blick auf die Aufgaben, die uns gestellt sind in unserer Umgebung, in unserer Familie, auch in unseren Berufen und wo du uns hingestellt hast, dass du mächtig in uns wirken kannst durch deinen Heiligen Geist.
Amen.
