Einführung und Überblick über Endzeitmodelle
Herzlich willkommen bei der Christusgemeinde Emmending! Wenn ihr jetzt „Amen“ zu diesem Gebet gesagt habt, dass die Endzeit wichtiger ist als das Deutschland-Fußballspiel, dann weiß ich, dass wir heute gerne überziehen dürfen. Nein, ich versuche, mich zu zügeln. Auch ich habe Interesse an diesem Spiel; es ist nicht so, dass mir das völlig egal wäre.
Also, Endzeitmodelle im Überblick: Wir werden uns heute das Modell des Postmillennialismus anschauen. Vorab widmen wir uns aber noch zwei Nachfragen, die du zum Amillennialismus von letzter Woche gestellt hast. Ich hoffe, ich habe noch niemanden abgehängt.
Bevor wir das machen und uns Fragen und Modelle anschauen, lesen wir gemeinsam Offenbarung 20, Verse 1 bis 10. Diese Verse sind zentral, wenn es um die Frage des Millenniums geht: Was geschieht im Millennium? Was geschieht nicht im Millennium? So können wir eine Einordnung bekommen, was wann wie passiert und wie das jeweilige Modell diese Phase des Millenniums erklärt. Wer möchte mal lesen?
Ja, das war der Text aus Offenbarung 20.
Hier habt ihr einen Überblick über vier große Endzeitmodelle, die viele Vertreter gefunden haben. Es gibt natürlich auch mehr Modelle. Auch innerhalb der einzelnen Modelle gibt es noch Schattierungen oder Unterkategorien, sage ich mal. Weil das Thema sehr komplex ist, gibt es in Detailfragen auch Unterschiede unter den jeweiligen Vertretern.
Wir haben uns letzte Woche mit dem Amillennialismus beschäftigt. Dabei geht es darum, dass „A“ für „nicht“ steht: Nicht Millennium im Sinne von einem irdischen, tausendjährigen Reich hier auf Erden, in dem Jesus leibhaftig regiert. Stattdessen ist es ein geistliches Reich, das Jesus jetzt schon regiert. Wir sind jetzt schon in diesem Millennium angekommen.
Heute werden wir uns den Postmillennialismus anschauen. Die Details werden wir uns noch ansehen, aber die große Aussage ist, wie es auch dort im Kleinen steht: Christus kommt nach dem Millennium wieder. Wir werden uns das gleich alles anschauen.
Bevor wir weitergehen, möchte ich die zwei Fragen beantworten, die zum Amillennialismus gestellt wurden.
Klärung von Fragen zum Amillennialismus
In Offenbarung 20,4 heißt es: „Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und das Gericht wurde ihnen übergeben. Und ich sah die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthauptet worden waren, und die das Tier und sein Bild nicht angebetet hatten und das Malzeichen nicht an ihre Stirn und an ihre Hand angenommen hatten. Und sie wurden lebendig und herrschten mit dem Christus tausend Jahre.“
Aus amillennialistischer Sicht findet dies gerade jetzt statt. Die Menschen, die in Christus verstorben sind, regieren gegenwärtig mit ihm. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Die Seelen der Enthaupteten zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder das Tier noch sein Bild angebetet noch das Malzeichen angenommen haben.
Welches Malzeichen hat denn ein im Jahr 15, im Jahr 876 oder im Jahr 1280 Enthaupteter nicht angenommen? Was ist dieses Malzeichen überhaupt, das man annehmen kann? Diese Frage führt zu einer großen Debatte unter Christen. Es wird diskutiert, ob man es bereits angenommen hat und wann man das Zeichen erkennen kann, das man annehmen oder ablehnen sollte.
Wenn im Amillennialismus dieses Malzeichen schon seit Jesu Rückkehr in den Himmel und seiner Inthronisation gilt, dann müssen die Verstorbenen seit dieser Zeit irgendwie mit diesem Malzeichen konfrontiert gewesen sein. Es ist also nicht etwas, das erst zukünftig kommt, sondern zu jeder Zeit aktiv ist.
Was ist dann das Malzeichen im Jahr 15, 100, 200, 500 oder 2021?
Ein Amillennialist würde darauf antworten. Sam Storms schreibt dazu Folgendes:
Wenn wir lesen, dass der falsche Prophet bewirkt, dass jeder, der kein Christ ist, das Malzeichen des Tieres auf seine Stirn geschrieben bekommt, sollen wir dies als Zeichen verstehen, dass sie zum Tier gehören und ihm treu sind. Dieses Malzeichen auf ihrer Stirn oder auf ihrer rechten Hand ist einfach Satans Art, das Siegel Gottes zu imitieren, das auf der Stirn Gottes Volk ist.
Wenn du den Namen von Jesus und Gott dem Vater auf deiner Stirn stehen hast, bedeutet das einfach, dass du ihnen gehörst, also Vater und Sohn, dass du dem Herrn, dem Allmächtigen, treu bist. Aber wenn du den Namen des Tieres auf deiner Stirn stehen hast, bedeutet das, dass du ihm gehörst und dem Antichristen treu bist.
So scheint es ganz klar, dass dieses Malzeichen des Tieres auf seinen Anhängern das dämonische Gegenstück und die Parodie des Siegels ist, das auf der Stirn des Volkes Gottes gelegt wird. In der Offenbarung gibt es nicht nur das Malzeichen auf der Stirn der Gottlosen, sondern ebenso das Zeichen auf der Stirn der Kinder Gottes.
Diesen Kontrast erläutert er unter Berufung auf den sehr bekannten amerikanischen Neutestamentler Gregory Beale. Das Siegel und der göttliche Name bedeuten für das gläubige Eigentum Gottes geistlichen Schutz. Das Malzeichen und der satanische Name hingegen kennzeichnen diejenigen, die dem Teufel gehören und der Verdammnis anheimfallen werden.
Da das Siegel oder der Name auf den Gläubigen offensichtlich unsichtbar ist, da es ein Symbol für die innewohnende Gegenwart des Heiligen Geistes ist, scheint es sicher, dass das Malzeichen des Tieres ebenfalls eine symbolische Art und Weise ist, die Treue seiner Anhänger und sein Eigentum an ihnen zu beschreiben.
Wenn du dich fragst, warum das Siegel des Volkes Gottes und das Malzeichen der Nichtchristen auf der Stirn eines jeden angebracht sind, könnte es sein, dass die Stirn auf die ideologische Verpflichtung, also gedanklich, und die Hand auf die praktische Umsetzung dieser Verpflichtung hinweist.
Was bedeutet das?
Der Amillennialist sagt nicht, dass du irgendwann, in Tausenden von Jahren, einen Chip bekommst, auf den du aufpassen musst, dass er nicht in deine rechte Hand oder auf deine Stirn kommt, weil das das Malzeichen sei. Das Zeichen der Versiegelung ist immer etwas Geistliches.
So sind wir Kinder Gottes mit dem Heiligen Geist versiegelt, ohne dass du wirklich einen Namen tätowiert oder ähnlich auf der Stirn bekommst. Du wirst nicht irgendwann ein 666-Tattoo irgendwo bekommen.
Vielmehr versiegelt der Geist Gottes jemanden und zeigt: Das ist mein Eigentum, das gehört zu mir, diese Person ist mir treu. Genau das Gleiche tut Satan mit seinen Dämonen, indem sie andere versiegeln und in ihre Gefolgschaft bringen.
Offenbarung möchte gar nicht darauf hinaus, dass irgendwann ein ominöses Zeichen kommt, und wir uns die ganze Zeit fragen müssen: Habe ich es verpasst? Ist es jetzt das Zeichen?
Früher gab es Diskussionen, ob die Girokarte das Zeichen sei. Kennt jemand diese Diskussion noch? Das ist eine sehr alte Debatte. Oder ob es das Handy sei oder eine Corona-Impfung.
Aus Sicht des Amillennialisten lautet die Antwort: Entspannt euch! Es geht darum, ob du Gott treu bist oder nicht.
In der Regel, wenn du deine Bibel kennst und in der Nachfolge lebst, weißt du, ob du Gott treu bist oder nicht. Das zeigt sich nicht an irgendwelchen Zeichen, die du an deinem Körper trägst, sondern an geistlicher Loyalität.
Deshalb kann ein Amillennialist sagen, dass es schon zu jeder Zeit um die Loyalität ging. Man konnte sehr schnell sehen, ob jemand das Malzeichen Christi oder das Malzeichen des Tieres hatte.
Das ist die Antwort darauf, welche Art von Zeichen ein Enthaupteter damals aufnehmen konnte: dasselbe, das auch wir heute tragen, nämlich das Siegel des Heiligen Geistes. Und eben nicht dem System dieser Welt zu folgen und den Idealen Satans, sondern weg von Gott.
Wir werden jetzt nicht im Detail darüber sprechen. Vielleicht schauen wir in anderen Modellen noch einmal, was das dort bedeutet. Aber ich möchte an dieser Stelle einfach eine Antwort geben, bevor wir schnell in den Postmillennialismus wechseln.
Interpretation von Jesaja 11 im Amillennialismus
Bevor wir damit weitermachen, möchte ich zunächst auf die zweite Frage eingehen: Wo wird Jesaja 11 eingeordnet? Ihr könnt schon mal die Bibel aufschlagen. Wo oder wann sehen wir im Amillennialismus zum Beispiel Jesaja 11,6 in der Realität?
Jesaja 11 ist in einigen Bibeln überschrieben mit „Das endzeitliche Friedensreich“. Es ist eine klassische Passage, wenn es um das Thema Millennium, tausendjähriges Reich, Endzeit, neuer Himmel und neue Erde geht. Wo kommt das darin vor?
Wir haben ja gesagt, dass das Millennium im Amillennialismus schon jetzt herrscht. Wir befinden uns bereits im Millennium. Nun wurde die Frage gestellt: Wenn das so ist, wo ist dann Jesaja 11,6 zu verorten?
Ich möchte einmal schnell die Verse 1 bis 10 lesen. Hört mal hin:
„Und ein Spross wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und Furcht des Herrn. Er wird seinen Wohlgefallen haben an der Furcht des Herrn.
Wir wissen, denke ich, schon, um wen es hier geht: Es ist eine Prophezeiung auf Christus. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, und nicht zurechtweisen nach dem, was seine Ohren hören. Er wird die Geringen in Gerechtigkeit richten und die Elenden des Landes in Geradheit zurechtweisen.
Er wird den Gewalttätigen schlagen mit dem Stab seines Mundes und mit dem Hauch seiner Lippen den Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird der Schurz seiner Hüften sein und Treue der Schurz seiner Lenden.
Der Wolf wird beim Lamm weilen und der Leopard beim Böckchen lagern. Das Kalb, der Junglöwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Junge wird sie treiben. Kuh und Bärin werden miteinander weiden, ihre Jungen werden zusammen lagern, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.
Der Säugling wird spielen am Loch der Viper, und das entwöhnte Kind wird seine Hand ausstrecken nach der Höhle der Otter. Man wird nichts Böses tun noch verderblich handeln auf meinem ganzen heiligen Berg, denn das Land wird voll von der Erkenntnis des Herrn sein, wie Wasser, das das Meer bedeckt.
An jenem Tag wird es geschehen: Der Wurzelspross Isais, der als Feldzeichen der Völker dasteht, nach ihm werden die Nationen fragen, und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein.“
In den Versen 6 bis 9 wird eine sehr starke Friedensordnung beschrieben. Tiere, die eigentlich feindlich gesinnt sind, ruhen plötzlich friedlich miteinander.
Jetzt stellt sich die Frage: Wenn das Millennium jetzt schon ist, wann geschieht dann für den Amillennialisten diese Friedensordnung? Wann liegen die Tiere so friedlich beieinander, ohne dass Gefahr von ihnen ausgeht?
Was ist die Antwort eines Amillennialisten?
Jesaja 11 beschreibt keinen Zustand zu irdischen Zeiten. Für den Amillennialisten ist Jesaja 11 eine Beschreibung der neuen Erde und des neuen Himmels, zumindest die Verse 6 bis 9. Es geht nicht um einen Zustand, den wir hier irgendwann wiederfinden werden, sondern erst wenn Christus wiederkommt. Dann wird er einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, und die Ewigkeit beginnt.
Dort herrscht dann Jesaja 11,6 bis 9.
Für den Amillennialisten sind das finale Beschreibungen. Sie halten nicht einfach nur tausend Jahre und enden dann wieder. Vielmehr handelt es sich um eine Superlative, eine Rückführung in die Verhältnisse des Garten Edens.
Dieses Motiv finden wir auch in der Offenbarung: Bilder aus dem Garten Eden tauchen dort in der Ewigkeit wieder auf.
Der Amillennialist sagt, Vers 6 bis 9 zeigt: Ja, Jesus kommt, der Auserwählte, der Sohn Gottes, der Christus. Dann wird ein Sprung in dieser Prophezeiung gemacht, und es wird ein Ausblick in die Ewigkeit gegeben. Das ist sozusagen die Konsequenz dessen, was dieser Christus bringen wird: totaler Frieden.
Aber dieser Frieden ist nicht hier auf Erden zu sehen, sondern eine Rückführung in den Garten Eden, in unsere ursprüngliche Bestimmung.
Der Amillennialist legt großen Wert darauf, dass es hier um die Ewigkeit geht und nicht um ein zwischengeschaltetes Friedensreich auf Erden.
Denn er kennt auch Jesaja 65. Diese Passage müssen wir lesen, um zu verstehen, wie der Amillennialist zu seiner Ansicht kommt.
In Jesaja 65, ab Vers 17, gibt es eine neue Prophezeiung. Sie ist in einigen Bibeln mit „Neuer Himmel, neue Erde“ überschrieben.
Vers 17 beginnt folgendermaßen: „Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und an das Frühere wird man nicht mehr denken, und es wird nicht mehr in den Sinn kommen.“
Hier ist ein ganz klarer Schnitt. Es geht nicht um ein zwischengeschaltetes Reich, sondern um etwas wirklich Neues und Anhaltendes für alle.
Schaut nun, wie in Vers 25 die Beschreibung dieser neuen Ära und der ewigen Ära endet:
„Wolf und Lamm werden zusammenweiden, und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Die Schlange wird Staub als Nahrung haben. Man wird nichts Böses und nichts Schlechtes tun auf meinem ganzen heiligen Berg“, spricht der Herr.
Mir als Amillennialist kommt das bekannt vor, nämlich aus dem elften Kapitel von Jesaja.
Viele Dispensationalisten und Premillennialisten denken, dass es irgendwann ein irdisches Reich geben wird, in dem Löwe und Lamm beieinander liegen.
Nein, nein, nein! Das gleiche Buch benutzt die gleichen Vokabeln – aber im Kontext von neuem Himmel und neuer Erde.
Darum sagt der Amillennialist zu Jesaja 11: Ja, wir lesen, wie Jesus kommt und sehen eine Vorausschau, was in der Ewigkeit passieren wird. Gedeckt wird das durch Jesaja 65.
In Vers 10 von Jesaja 11 sehen wir, dass Jesaja eine Rückschau macht:
„An jenem Tag wird es geschehen: Der Wurzelspross Isais, der als Feldzeichen der Völker dasteht, nach ihm werden die Nationen fragen, und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein.“
Er wird die Nationen anziehen.
Hier springt Jesaja von der Zeit, in der Christus kommt, zu dem endgültigen Effekt seines Kommens. Das ist der mitgültige Effekt.
Dann geht er wieder zurück und fragt: Was wird Christus bieten? Er wird erreichen, dass die Nationen zu ihm kommen.
Der Amillennialist würde sagen: Vers 10 findet jetzt statt. Die Nationen kommen jetzt, wir kommen jetzt gerade zu Christus.
Aber die Verse 6 bis 9 werden erst in der Ewigkeit stattfinden.
Einführung in den Postmillennialismus
Gut, wir kommen nun zum Postmillennialismus. Der Amillennialismus ist ad acta gelegt und interessiert uns jetzt erst einmal nicht weiter.
Jetzt kommen wir zu einem neuen Modell. Ich habe euch der Einfachheit halber einen Überblick an acht Punkten zusammengestellt. Diesen findet ihr später auch im Internet.
Was sind die Kernanliegen des Postmillennialismus? Die Kirche und das Evangelium wachsen zunehmend in allen Lebensbereichen der Gesellschaft. Die Kirche und das Evangelium nehmen nicht ab, sondern wachsen kontinuierlich, ohne Ende, in jedem Lebensbereich. Ich bin jetzt Postmillennialist, nicht mehr Amillennialist.
Wir erwarten eine Bekehrung Israels, die weltweit eine erfolgreiche Mission in Gang bringen und eine große Durchschlagskraft entwickeln wird. Dadurch wird hier auf Erden ein tausendjähriges Reich installiert, ein Millennium, das mit der Bekehrung Israels beginnt.
Achtung: Christus ist noch nicht wiedergekommen. Christus regiert vom Himmel aus über dieses Millennium, das wir durch unsere Missionskraft erarbeitet haben.
Dritter Punkt: Das Millennium wird lange Zeit bestehen und durch Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand geprägt sein. Das ist für einige vielleicht schon näher als der Amillennialismus, der für manche zu kläglich wirkt, weil er das Millennium schon jetzt ansiedelt.
Viertens: Vor Christi Wiederkunft gibt es eine intensive Verfolgung und einen großen Abfall. Am Ende des Millenniums kommt Christus leibhaftig wieder.
Jetzt ist vieles deckungsgleich mit dem Amillennialismus: Wiederkunft Christi und Entrückung fallen zusammen und passieren im selben Augenblick.
Siebtens: Gläubige und Ungläubige werden gleichzeitig auferstehen zum Jüngsten Gericht. Neue Himmel und neue Erde werden geschaffen, und die Ewigkeit beginnt.
Viele dieser Punkte teilen wir mit dem Amillennialismus, wie man in dieser Grafik sieht. Es gibt starke Parallelen. Nur das Verständnis des Gemeindezeitalters und des Millenniums unterscheidet sich zwischen Amillennialisten und Postmillennialisten stark.
Der Amillennialist sagt, wir sind jetzt schon im Millennium. Der Postmillennialist sagt: Nein, wir sind im Gemeindezeitalter, aber das Millennium kommt noch. Es wird geistlicher Natur sein, denn Jesus ist noch nicht leibhaftig hier. Es wird aber viel erstklassiger sein als das, was der Amillennialist jetzt schon als Königreich Jesu akzeptiert.
Ein wichtiger Punkt: Postmillennialismus heißt „nach dem Millennium“. Wann kommt Christus? Er kommt nach dem Millennium, also an der Stelle, wo Christus dann auf dem Thron sitzt. Das Millennium wird eine lange Zeit dauern.
Diese Epoche hier, die ich gelb markiert habe und die wir in unserem Text als tausend Jahre gelesen haben, wird von Postmillennialisten unterschiedlich interpretiert. Einige sagen, es wird tatsächlich tausend Jahre dauern; andere sehen es als Bild für eine lange Zeit.
Beim Amillennialismus gibt es keine Diskussion darüber, dass es symbolisch gemeint ist, nicht literarisch. Bei den Postmillennialisten ist man sich da nicht ganz einig.
Das tausendjährige Reich ist ein herrliches, goldenes Zeitalter. Geistlicher und materieller Segen, Gerechtigkeit und Frieden kennzeichnen diese Zeit. Dabei immer im Hinterkopf behalten: Christus ist noch nicht auf der Erde.
Der Beginn des Millenniums ist unter den Postmillennialisten nicht einheitlich. Wann beginnt es? Einige meinen, ähnlich wie die Amillennialisten, dass das Millennium schon startet und die Welt allmählich mit dem Evangelium erobert wird. Die Juden werden sich allmählich bekehren.
Andere denken, dass das Gemeindezeitalter, wie in dieser Grafik dargestellt, in das Millennium mündet. Das ist auch meine subjektive Wahrnehmung der Mehrheit. Das Millennium beginnt mit der Bekehrung Israels.
Die Postmillennialisten haben eine sehr starke Erwartung, dass in Israel etwas geschieht, dass Israel gewonnen wird. Postmillennialismus ohne die Bekehrung Israels funktioniert nicht. Es ist kein Postmillennialismus ohne diese Erwartung.
Die Postmillennialisten warten darauf, dass Christus in Israel erkannt wird. Dann werden wir geistlichen und materiellen Segen ohne Ende auf dem ganzen Planeten erleben. Christus bleibt aber noch im Himmel und wartet noch eine Weile, also diese tausend Jahre – lassen wir es literarisch tausend Jahre nennen.
Die Amillennialisten sind da vorsichtiger. Viele sagen, Israel interessiert uns nicht so sehr, weil der erste Bund vergangen ist. Jetzt ist etwas Neues gestartet. Nicht mehr das Blut ist wichtig, sondern der Glaube. Das hatten wir uns letztes Mal angeschaut.
Die Erwartungshaltung bei den Postmillennialisten ist wesentlich stärker. Bei den Amillennialisten gibt es aber auch Tendenzen zu sagen, dass das, was wir in der jüngsten Geschichte erleben, interessant ist und vielleicht tatsächlich eine endzeitliche Bedeutung hat.
Beachtet: Auch wenn die Postmillennialisten einen sehr starken Fokus auf die Bekehrung Israels legen, gilt für sie ebenso wie für die Amillennialisten: Die Gemeinde ist das neue Israel.
Wir haben vier große, populäre Modelle. Drei von vieren gehen davon aus, dass die Gemeinde das neue Israel ist. Nur ein einziges Modell, der Dispensationalismus, den wir in der vierten Einheit sehen werden, ist historisch sehr jung im Vergleich zu den anderen. Er ist das einzige Modell, das davon ausgeht, dass Israel ein eigenes Volk ist, im Gegensatz zur Gemeinde.
Alle anderen drei Modelle sagen, dass die Gemeinde, als sie sich etabliert hat, aus Israeliten und Juden bestand. Die Mission ging zuerst zu den Juden und dann zu den Heiden. Es gibt keine Trennung.
Auch für die Postmillennialisten, die einen starken Fokus auf die Bekehrung Israels legen – das haben sie gemeinsam mit den Prämillennialisten –, gilt weiterhin, dass die Gemeinde das neue Israel ist. Es gibt keine Trennung zwischen diesen zwei Völkern. In Christus ist alles eins geworden.
Falls ihr letztes Mal gedacht habt, die „bösen“ Amillennialisten würden die Gemeinde als neues Israel bezeichnen, so teilen das drei von vier Modellen.
Die weltweite Christianisierung als zentrales Anliegen des Postmillennialismus
Die Bekehrung Israels wird einen massiven Effekt auf die Weltmissionierung haben. An diesem Punkt komme ich zu einem wichtigen Thema, das ich bei mir als „weltweite Christianisierung“ überschrieben habe. Dies ist eigentlich das Allerwichtigste, um den Postmillennialismus zu verstehen: eine weltweite Christianisierung.
Im Vergleich dazu ist der Dispensationalismus von seiner Erwartungshaltung und seinem Weltbild her eher ein pessimistisches Endzeitmodell. Es geht alles eher in Richtung Niedergang, alles wird kleiner, und der Fokus liegt stärker auf dem Abfall.
Den Amillennialismus habe ich zuletzt beschrieben. Er bezeichnet sich selbst als realistisch. Amillennialisten sind optimistisch, wenn sie über das Reich Gottes und seine Wirkung im Hier und Jetzt nachdenken. Gleichzeitig sind sie aber keine Romantiker. Sie sind sehr pessimistisch, wenn sie über das Reich dieser Welt und die Entwicklung der Welt sprechen. Der Amillennialist sagt, dass sowohl das Gute als auch das Böse stark sein werden – beides gleichzeitig wird intensiver.
Ich persönlich bin als Amillennialist sowohl Optimist als auch Pessimist zugleich. Der Dispensationalist hingegen ist grundsätzlich pessimistisch: In der Welt geht es bergab, auch in der Kirche wird die Liebe kalt. Diese ganze Entwicklung ist eher schwierig – ihr wisst, was ich meine. Der Postmillennialist kann damit überhaupt nichts anfangen. Er wird als „elendiger Langweiler“ bezeichnet, weil er durch und durch optimistisch ist. Nicht nur für das Reich Gottes, wie die Amillennialisten, sondern auch für die Welt.
Wir haben einen optimistischen Blick auf den Weltlauf. Bevor Christus wiederkommt, werden wir ein Florieren christlicher Werte und des christlichen Glaubens auf der ganzen Welt erleben. Wir werden weltweit Fortschritte sehen – geistlich, moralisch und auch technisch.
Dabei wird nicht differenziert, dass es nur eine geistliche Wirklichkeit gibt, die Gott interessiert. Vielmehr hat Gott jede Facette unseres irdischen Lebens erdacht. Er möchte jede Ebene segnen. Deshalb wird es auf jeder Ebene im Weltlauf eine positive Entwicklung geben.
Dieses Modell des Postmillennialismus floriert als Theorie unter Christen und in Gemeinden vor allem dann, wenn gewisse gesellschaftliche Umstände dies begünstigen. Man denkt: „Ja, wenn ich das so sehe, dann kann der Postmillennialismus wirklich Recht haben.“ Denn es gibt durchaus positive Entwicklungen in unserer Welt. Es liegt nicht alles in Schutt und Asche, sondern es gibt auch Fortschritte.
Was könnte man sich vorstellen? Welche Ereignisse oder positiven Entwicklungen sieht der Postmillennialist als Beleg dafür, dass es besser wird?
Ein Beispiel ist der Zerfall der UdSSR, also die Überwindung ungerechter politischer Regime. Plötzlich entsteht eine Befreiung ganzer Völker. Demokratie hält Einzug, Menschenrechte werden eingeführt. Für den Postmillennialisten ist das ein klares Zeichen, dass sich die Geschichte nicht verschlechtert, sondern verbessert.
Ein weiteres Beispiel ist das Ende von Kriegen. Wenn Kriege beendet werden und eine Ära des Friedens beginnt, erhält der Postmillennialismus automatisch Auftrieb. Man fühlt sich bestätigt, dass es besser wird.
Auch die Zeit der Industrialisierung spielt eine Rolle. Besonders die Machbarkeit durch technische Möglichkeiten erleichtert den Arbeitsprozess für den Menschen. Unsere Kreativität, die wir an den Tag legen, kommt nicht von ungefähr – sie kommt von Gott. Diese Entwicklung bringt Segen für die Welt.
Die Überwindung von Krankheiten ist ein weiteres Beispiel. Überlege, wie viele Menschen früher an harmlosen Krankheiten gestorben sind. Wir danken dem Herrn für die gute Medizin und unsere Ärzte. Das sehen wir als Segen Gottes. Und dieser Segen wird nicht weniger, sondern unsere Forschung bringt immer mehr Fortschritte und Segen.
Auch Impfstoffe sind aus postmillennialistischer Sicht ein Segen für diese Welt.
Die Gesetzgebung in der westlichen Welt ist ein weiterer Punkt. Wir sind dankbar, in diesen Breitengraden zu leben. Natürlich ist nicht alles perfekt, aber ein großer Teil der Zehn Gebote hat Einzug in die Wertemaßstäbe der westlichen Welt gehalten. Diese ist nicht klein und hat großen Einfluss auf andere Nationen.
Das sind alles Punkte, die für den Postmillennialismus sehr relevant sind.
Auch Erweckungszeiten spielen eine Rolle: Ganze Landstriche, Städte und Länder sind zum Glauben gekommen. Man spricht nicht umsonst vom christlichen Abendland. Ein Postmillennialist würde vielleicht sagen: „Frag mich nicht so genau.“ Aber er sieht, dass es Zeiten gibt, in denen ganze Landstriche und Länder dem christlichen Glauben zugetan sind, die christlichen Werte akzeptieren und den daraus resultierenden Segen erleben.
Und dieser Segen wird sich immer weiter ausbreiten.
Herausforderungen und Kritik am Postmillennialismus
Welche Umstände können jemanden vom Postmillennialismus abschrecken und eher zum Dispensationalismus führen, der eine eher pessimistische Sicht hat? Welche Ereignisse könnten dazu führen?
In der Geschichte hat sich gezeigt, dass immer dann, wenn es ethisch bergab geht – man denke an Abtreibung, die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, Hiroshima oder Weltwirtschaftskrisen – sich theologisch ein Wandel vollzieht. In solchen Zeiten nehmen Menschen oft Abstand vom Postmillennialismus. Sie sagen: „Wenn ich das sehe, werden die Dinge nicht besser. Ich sehe gravierende Mängel, sogar unter uns. Dinge, die man sich früher gar nicht vorstellen konnte, sind möglich geworden.“
Warum ist es wichtig, das zu hören? Unsere Umwelt und wie wir die Dinge wahrnehmen, beeinflussen unsere Beurteilung von Endzeittheorien viel stärker, als wir manchmal denken. Wenn dein Leben auf der Sonnenseite verläuft und du vielleicht sogar eine Erweckung erlebt hast, wenn du positive Entwicklungen gesehen hast, neigst du eher dazu zu sagen: „Es wird immer besser.“
Erlebst du hingegen gerade Verfolgung, wie zum Beispiel die Christenverfolgung in Nordkorea, dann würdest du sagen: „Postmillennialismus hätten wir gerne, aber wir erleben gerade nicht viel davon.“ In solchen Situationen ist der Horizont der Wahrnehmung oft sehr eng, und man sieht vor allem Krise. Menschen in solchen Umständen werden sich vielleicht nicht als Postmillennialisten sehen.
Postmillennialisten unterscheiden sich untereinander in Detailfragen, aber sie sind sich einig, dass sich die Herrschaft Gottes über den ganzen Planeten ausdehnen wird. Das kommt nicht von ungefähr, sondern beruht auf Habakuk 2,14: „Die Erde wird erfüllt sein von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, wie Wasser den Meeresgrund bedeckt.“
Der Postmillennialist sieht darin eine Verheißung für hier und jetzt. Es ist Gottes Plan, diese Welt komplett mit seiner Herrlichkeit zu umspannen. Deshalb haben wir einen mächtigen Auftrag: von dieser Herrlichkeit Zeugnis zu geben. Es geht nicht nur darum zu hoffen, dass diese Botschaft angenommen wird, sondern Gott hat dieses Ziel fest im Blick. Zu dieser weltumspannenden Herrlichkeit wird er kommen.
Das Reich Gottes wird sich während des Gemeindezeitalters durch die Evangeliumspredigt ausbreiten. Durch die Verkündigung von Jesus Christus wird das geschehen. Dieses Modell ist keineswegs neu. Es ist das Modell, das meiner Wahrnehmung nach gerade in den Freikirchen am populärsten wird.
Auch unter den Kirchenvätern war die Idee des Postmillennialismus nicht fremd: der Triumph des Evangeliums weltweit, bevor Jesus wiederkommt. Viele Missionare hatten diese Vorstellung. Ein Beispiel ist Jonathan Edwards, ein bedeutender Missionar, der in Nordamerika, insbesondere in New England, stark wirkte und eine große Erweckungsbewegung anführte. Viele dieser Menschen waren Postmillennialisten, die Gottes Wirken intensiv erlebt haben und davon ausgingen, dass das Evangelium in diesem Zeitlauf durch das Wirken der Gemeinde siegen muss.
Für Postmillennialisten ist es zentral, dass die Auswirkungen des Evangeliums nicht nur das Individuum betreffen – „du und dein Jesus“ –, sondern auch ganze Nationen christlich werden. Der Missionsbefehl aus Matthäus 28,19 lautet: „Geht hin in alle Welt, macht alle Menschen zu Jüngern, macht alle Völker zu Jüngern.“ Ein postmillennialistischer Christ würde sagen: Jesus möchte ganze Nationen für sich gewinnen, eine ganze Nation begeistern. Nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Völker und Kulturen werden verändert. Es ist eine Veränderung der gesamten weltweiten Zivilisation.
Die Hoffnung des Postmillennialismus ist, dass es einen Zeitpunkt geben wird, an dem die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung christianisiert sein wird. Christliche Prinzipien werden keine Ausnahme mehr sein, mal hier, mal dort oder in einzelnen Landstrichen, sondern die Regel. Die Gemeinde wird einen enormen Einfluss auf das Leben der Menschen haben. Sie wird kein kümmerliches Dasein führen, wie es manchmal heute der Fall ist, sondern eine zentrale und entscheidende Rolle spielen.
Das bedeutet für Postmillennialisten nicht, dass es keine Sünde mehr geben wird oder jeder Mensch bekehrt ist. Aber die Mehrheit wird sich zu Jesus stellen und gerne in dem Segen leben, der von Jesu Friedensordnung ausgeht. Die Postmillennialisten glauben, dass die Wirksamkeit Satans begrenzt ist – ähnlich wie im Amillennialismus – und dass die Kirche den Einflussbereich Satans immer mehr einschränkt. Das ist Jesu Mission im Hier und Jetzt. Das Böse wird nicht völlig ausgelöscht, aber auf ein Minimum reduziert.
Es ist eine sehr starke Hoffnung im Hier und Jetzt. Der Amillennialist würde sagen: „Alles, was du dir für die Welt erhoffst, ist nicht realistisch. Dort, wo Gottes Reich floriert, werden wir Großes erleben, aber das, was du dir für die Welt erhoffst, erhoffen wir nur für die neue Welt und die neue Erde, nicht hier.“
Der Postmillennialist ist damit nicht einverstanden. Er kämmt seine Bibel und sieht, dass es nicht nur ein Wunschkonzert ist, Postmillennialist zu sein. Leute wie Jonathan Edwards waren keine Kindergartentheologen, sondern bibelfundierte Männer, die zum Postmillennialismus kamen.
Welche Kernpassagen sind für sie wichtig? Zum Beispiel Epheser 1,20-23: „Die hat er in Christus wirksam werden lassen, indem er ihn aus den Toten auferweckt und zu seiner Rechten in der Himmelswelt gesetzt hat, hoch über jede Gewalt, Macht, Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der nicht nur in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen genannt werden wird. Alles hat er seinen Fuß unterworfen und ihn als Haupt über alles der Gemeinde gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt.“
Wir sind jetzt schon in die Regentschaft Christi hineingenommen. Wir sind nicht dazu berufen, ein kleines Häuflein zu sein, sondern mit Christus zu regieren – auf dieser Erde, in dem Millennium, das Gott schaffen wird. Dort sollen wir mitregieren.
In Philipper 1,6 schreibt Paulus: „Ich bin ebenso in guter Zuversicht, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Christi Jesu.“ Der Postmillennialist sagt: Schau nicht nur individuell auf dein eigenes Seelenheil. Paulus spricht hier vom Kollektiv. Es geht nicht nur um dich und deinen Jesus, sondern um die Nation. Jesus möchte die ganze Welt mit seiner Herrlichkeit umspannen. Was Christus angefangen hat, wird er komplett vollenden bis auf den Tag Christi Jesu.
Dieser Tag wird kommen, das werden wir erleben. Aber die Vollendung wird vorher geschehen. Wir wirken, er hat etwas angefangen, und durch unseren Missionseinsatz wird es zur Vollendung kommen. Dann wird der Tag Christi kommen.
Wir sind im Gemeindezeitalter und arbeiten auf das Millennium hin, um die Vollendung zu erleben. Erst danach wird Christus wiederkommen – so sieht es der Postmillennialismus.
Matthäus 6,10 sagt: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auch auf Erden.“ Wenn Jesus nicht wollte, dass das komplett auch geschieht, würde er es uns nicht beten lassen. Postmillennialisten glauben, dass genau das, was Jesus uns sagt, auch geschehen wird. Nicht nur eine Möglichkeit, sondern mit Sicherheit.
Matthäus 28,18: „Und Jesus trat zu ihnen, redete mit ihnen und sprach: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.“ Diese Macht, die er im Himmel hat, soll sich auch auf Erden manifestieren. Jesu Macht zeigt sich in der Beauftragung zur Weltevangelisation: „Geht hin!“
Ihr sollt die Welt umkrempeln und die Erde in Besitz nehmen – gemeinsam mit Jesus. Er möchte die ganze Erde mit seiner Herrlichkeit erfüllen. Alle Völker sollen gesegnet werden und unter Gottes Herrschaft kommen.
In 1. Korinther 15,25 heißt es: „Denn er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.“ Für Postmillennialisten ist das glasklar. Das muss geschehen. Nicht, dass die Feinde stärker werden, sondern dass die Gemeinde Jesu Christi wächst.
Der Postmillennialist sagt: Schau nicht nur auf deinen kleinen Horizont, sondern weltweit, wie sich die Gemeinde Jesu ausbreitet. Hier und heute geschehen Erweckungen auf der Erde, auch wenn nicht gerade in deinem Ort. Jesus wird seine Mission vollenden, bis jeder Feind unter seine Füße gelegt ist.
Bei diesem ganzen Unterfangen der Mission, des Einsatzes der Jünger Jesu, hat Jesus versprochen: „Die Pforten der Hölle werden euch nicht überwinden.“ Sie haben keine Chance. Auch wenn sie rebellieren, werden wir siegreich sein.
Der Sieg, den Jesus Christus am Kreuz errungen hat, ist für Postmillennialisten Lebenselixier und Luft zum Atmen. Sie gehen nicht von einem kümmerlichen halben Sieg aus oder einem technischen K.o., sondern von einem fulminanten Sieg, der erlebt wird.
Postmillennialisten sagen, dass sich die Herrschaft Jesu zwingend überall auf positive Weise auswirken wird.
Gegenargumente und biblische Belege im Postmillennialismus
Der Einwand, der an dieser Stelle häufig kommt, lautet: Ja, Jesus ist mächtig, er hat Macht im Himmel und auf Erden, aber eine vollumfängliche Machtausübung ist hier doch gar nicht gesagt. Die Kritiker würden sagen: Ja, Jesus sendet uns in die Mission, ihm ist alle Macht gegeben, aber er sagt damit doch nicht, dass er wirklich in jeden Lebensbereich hineindringen möchte – zumindest nicht in der gleichen Art und Weise. Nein, in der Gemeinde wird es erlebbar sein, aber nicht da draußen.
Darauf entgegnet natürlich der Postmillennialist mit einer seiner Lieblingspassagen, und zwar aus Matthäus 13, Verse 31-33. Diese Passage gehört zu den zentralen Texten, wenn es um das Anliegen des Postmillennialismus geht. Es wird dort deutlich, dass das Reich Gottes einen wachsenden Einfluss haben und die gesamte Welt durchdringen sowie umgestalten wird.
Es heißt: Ein anderes Gleichnis legte Jesus ihnen vor und sprach: Das Reich der Himmel gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte. Es ist zwar kleiner als alle Arten von Samen, doch wenn es gewachsen ist, so ist es größer als die Kräuter und wird ein Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten. Die Vögel des Himmels sind ein Bild für die Nationen, die kommen werden und bei Jesus Unterschlupf finden in seinem Reich.
Noch viel wichtiger ist ein anderes Gleichnis, das er zu ihnen spricht: Das Reich der Himmel gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war. Die Betonung liegt darauf, dass es ganz durchsäuert ist – nicht nur ein Drittel, eine Hälfte oder ein Achtel. Es geht um das Ganze.
So arbeitet das Reich der Himmel, und das ist mit Jesus Christus gekommen. Wir werden dieses Millennium erleben, in dem die ganze Welt christianisiert ist. Einzelne sind noch böse unterwegs, aber das ist absolutes Minimum. Die Welt ist komplett durchsäuert von den Wirkungen des Reiches Gottes.
Darauf gibt es einen Einwand, den auch ein Amillennialist vorbringen würde: Die optimistische Sicht auf die Ausbreitung des Reiches Gottes und seinen Einfluss in der Welt ist zwar richtig, aber darin eine vollständige Christianisierung der Welt zu sehen, entbehrt jeglicher biblischer Grundlage. Denn Jesus fragt selbst kritisch nach: Wird er Glauben finden, wenn er wiederkommt? Er sagt: Wird der Menschensohn Glauben finden, wenn er wiederkommt? Damit stellt er ein Fragezeichen hinter die Vorstellung einer großen Aktion. Er warnt davor, dass viele nicht glauben werden.
Das ist dann die Frage an die Postmillennialisten: Ihr sagt, alle werden glauben, aber Jesus ist nicht so optimistisch wie ihr. Da antwortet der Postmillennialist, dass in Offenbarung 20, Vers 7, davon gesprochen wird, dass es noch einmal einen großen Abfall geben wird – einen großen Abfall vom Glauben. Der Satan wird noch einmal losgelassen und viele Nationen verführen.
Die Postmillennialisten sagen dazu: Ja, ganz genau. Diese kurze Periode des großen Abfalls wird dafür sorgen, dass Jesus Recht behalten wird. Wird der Glauben finden? Ja, wir glauben an eine Christianisierung der ganzen Welt, bevor Christus wiederkommt. Aber wir glauben auch daran, dass es diesen großen Abfall geben wird.
Der Amillennialist entgegnet, dass solche Konversationen zwar schriftlich geführt werden, aber die Zeit des Abfalls doch viel zu kurz ist, um so viele Menschen abfallen zu lassen. Der Postmillennialist hält dagegen: Nein, das ist nicht zu kurz. Satan ist dann sehr effektiv. In kurzer Zeit wird er viele verführen.
Dann kann der Postmillennialist ganz selbstbewusst sagen: Mein System ist sauber, bei mir läuft alles. Ich habe jeden Textbaustein berücksichtigt, ich habe den Abfall mit eingerechnet und so weiter. Aber ich bin überzeugt, dass die Wirkungszeit der Kirche hier und jetzt, in meiner Lebenszeit, glorreich sein wird und nicht jämmerlich.
Gesellschaftliche Transformation als postmillennialistisches Ziel
Ich habe vorhin gesagt, dass der Postmillennialismus die neutestamentliche Theorie ist, die aus meiner Sicht gerade am stärksten floriert oder Auftrieb hat. Für viele Postmillennialisten ist der Begriff der Transformation oder der Gesellschaftstransformation ein sehr, sehr wichtiger Begriff. Alle Lebensbereiche müssen aufgrund biblischer Prinzipien transformiert werden.
Das ist ein großer Begriff in der theologischen Debatte. Doch Postmillennialisten reicht es nicht, wenn nur eine Gemeindetransformation oder Gemeindeveränderung stattfindet. Die Veränderung muss sich auch in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen zeigen.
Dieses Denken „Wir sind Gemeinde und da draußen ist die Welt“ ist für den Postmillennialisten abgelehnt. Die krasse Differenzierung „Wir machen unser Ding und die machen ihr Ding“ gibt es nicht. Wir sind Salz und Licht, gefälligst. Wir sollen so wie Jesus inkarnieren, uns nicht zu schade sein, dort hineingehen, Licht und Salzkraft auszustreuen und davon ausgehen, dass das Licht die Finsternis besiegen wird.
Ja, Jesus sagt, wir sind nicht von der Welt, aber wir sind in der Welt. Nicht die Welt ist da draußen und hier ist die Gemeinde, hier ist heilig. Nein, das Heilige muss aus den Gemeindemauern heraus und in politische Strukturen, gesellschaftliche, kulturelle und Kunststrukturen gegossen werden. Überall, wo der Mensch aktiv ist, muss Christus durchleuchten.
Das ist für den Postmillennialisten das Credo. Denn die allgemeine Orientierung an den Geboten Gottes bringt den Menschen Segen, oder? Bringt die Orientierung an den Geboten Gottes Segen für eine Nation? Ich denke schon, ich hoffe schon.
Ich weiß nicht, ob ihr das auch so seht, wenn unsere Politiker eine Debatte über eine ethische Fragestellung führen, ob ihr denkt: „Mir ist eigentlich egal, was da rauskommt.“ Nein, wir haben die Hoffnung. Wir beten nicht nur dafür, dass christliche Positionen stark gemacht werden. Wir hatten eben gerade das heiße Thema der Abtreibung. Wir beten, dass unsere Politiker anders geführt und gelenkt werden. Herr, lenke ihren Sinn. Gib Christen in der Politik eine Stimme.
Dann würde der Postmillennialist sagen: Ganz genau, wir beten beide genau dasselbe. Aber ich glaube nicht nur, dass es so vielleicht wird. Es muss so werden. Es ist Gottes Wille, dass das geschieht. Deswegen wollen wir in allen ethischen Fragestellungen, in der ganzen Frage der Lebensführung sehen, dass Gottes Gebote und Gottes Maßstäbe Einzug halten.
Darum ist für eine postmillennialistische Gemeinde gesellschaftspolitisches Engagement keine Option oder Frage, sondern höchste Pflicht. Höchste Pflicht, sich mit den Institutionen zu verbinden, mit Behörden, mit Bürgermeistern, mit Politikern ins Gespräch zu kommen, um dort Einfluss zu gewinnen.
Wenn dann so pessimistische Christen sagen: „Das ist Welt, das ist nicht Gemeinde“, sagen sie: Du hast die Mission Jesu nicht verstanden. Es geht nicht um dich, es geht um die gesamte Welt, um die gesamte Nation, um den gesamten Landkreis Emmendingen – für Jesus und nicht nur für euch Christen.
Vielleicht kennt ihr noch die Diskussion von früher: Darf ein Christ sich politisch engagieren? Wer kennt noch die Frage: Darf ein Christ Politiker werden? Einige kennen das. Da würde der Postmillennialist müde lächeln und fragen: Ist das dein Ernst? Du willst die wichtigen Themen anderen überlassen und dich mit dem Fundament, das Jesus dir gegeben hat, raushalten? Ja, wir dürfen uns ja nicht beschmutzen? Hallo, weißt du eigentlich, wer wir sind? Dass wir mit Christus regieren? Hast du Hoffnung, dass Gott uns gebrauchen kann?
Ein Postmillennialist fragt das nicht. Möglichst viele Christen in entscheidenden Positionen, möglichst dort. Ja, das sollten wir. Wir sollten, weil Jesus etwas vorhat, weil Jesus diese Welt liebt und weil Jesus diese Menschen erreichen möchte.
Und das wird er nicht einfach nur in unserem Kirchengebäude tun. Sondern auf allen Ebenen wird es sich ausbreiten.
Kritik am Postmillennialismus und Abgrenzung zu Humanismus
Die mögliche Kritik, die an dieser Stelle an den Postmillennialisten geübt wird, lautet, dass er sich von einer weltlich diesseitigen Agenda bestimmen lässt. Plötzlich tut man Dinge, bei denen man sich fragen kann: Ist das noch christlicher Auftrag, oder ist das nicht einfach nur eine Agenda, die die Welt einem vorsetzt? Versucht man nur, ein bisschen mitzuspielen, um Akzeptanz zu bekommen?
Postmillennialisten laufen daher Gefahr, eine reine Diesseitssicht einzunehmen und in Aktivismus zu verfallen. Welcher Aktivismus fällt euch da zum Beispiel ein? Flüchtlingshilfe, Klimaveränderungen – genau, all diese Fragestellungen des Humanismus. Ist der Postmillennialismus eigentlich eine humanistische Bewegung? Wird er einfach nur zu einer Bewegung von christlichen Weltverbesserern? Dann reden wir die ganze Zeit nur über CO2, darüber, wie viele Flüchtlinge man aufgenommen hat, und darüber, wie man diese Welt zu einem besseren Ort macht. Kennt ihr das? Darum geht es einfach: Diese Welt zu einem besseren Ort machen.
Daraus ergibt sich schnell die Kritik: Ist das dann nicht eigentlich nur Humanismus, was die Postmillennialisten machen? Das ist auch das Fazit, das ich hier anbringen möchte. Postmillennialisten werden sich das niemals gefallen lassen. Ein richtiger Postmillennialist ist nicht mit Vertretern humanistischer oder streng liberaler Theologie zu vergleichen.
Diese haben oft ähnliche Ziele, also sozialer Friede, Erhaltung der Schöpfung, Flüchtlingshilfe und so weiter. Aber die liberale Theologie ist darauf fokussiert, sich menschlich anzustrengen, um diese Welt zu verändern. Und das ist genau der Punkt. Postmillennialisten sagen: Wir brauchen kulturellen, wirtschaftlichen, technischen und politischen Fortschritt. Aber das ist das Ergebnis geistlicher Erneuerung und der Wirkung des Heiligen Geistes.
Es ist nicht einfach etwas Menschlich Produziertes, bei dem man sich nur bemüht, Weltverbesserer zu spielen. Ich habe es ja letztes Mal so abfällig gesagt: Die Amillennialisten sagen, die Postmillennialisten arbeiten am Millennium, aber wir genießen es. Ihr arbeitet und macht, und es liegt in eurer Kraft, dass das Millennium irgendwie in Gang gesetzt wird.
Die Postmillennialisten würden sagen: Du verstehst uns falsch. Wir machen nicht einfach etwas Menschlich Getriebenes, um einen Effekt zu erzielen. Sondern allein durch die Kraft des Heiligen Geistes werden wir Einfluss gewinnen, damit auch das Evangelium Platz findet in all diesen Fragestellungen. Denn sozialer Friede, Erhaltung der Schöpfung und auch die Hilfe für die Armen und Verwaisten sind Gott ein Anliegen.
Durch die Kraft des Heiligen Geistes können wir dort Einfluss gewinnen, das Evangelium verkünden und Gottes Reich blühen sehen. Irgendwann werden wir dann sehen, dass das goldene Zeitalter des Millenniums für tausend Jahre anbricht. Aber erst danach wird Jesus wiederkommen: Auferstehung der Toten, Jüngstes Gericht, neuer Himmel, neue Erde, Ewigkeit.
Gibt es dazu noch eine oder zwei Rückfragen? Im Endzeitkalender eines Postmillennialisten ist das nicht die Entrückung, auch nicht die Wiederkunft, sondern die Bekehrung Israels und auch weltweite Erweckungsbewegungen. Erst nach dem Millennium kommt dann im Prinzip – so sieht man das hier – dieser Bereich, dieser Pfeil nach oben: Wir werden entrückt, Christus kommt wieder. Das ist nicht die Erwartungshaltung, bitte.
Die meisten Postmillennialisten, so wie ich sie beobachte, gehen davon aus, dass das Millennium noch kommt. Viele rechnen mit der Bekehrung Israels. Es gibt aber auch Postmillennialisten, die sagen, das sei ein schleichender Prozess. Wir werden irgendwann einfach alles eingenommen haben.
Aber viele gehen davon aus: Nein, es wird sozusagen einen richtigen Wandel geben, bei dem jeder merkt, dass in Israel etwas passiert, Christus Herr in Israel ist und damit die Welt gewonnen wird. Gibt es noch Fragen?
Nicht zu verwechseln mit Liberalkirchen, die kein Evangelium mehr predigen. Wisst ihr, was ich meine? Hauptsache, einfach nur irgendwie Gesellschaft, blablabla. Der Postmillennialist ist nicht so. Er predigt das Evangelium, er glaubt an die Inspiration der Schrift, daran, dass Jesus Christus gestorben ist, auferstanden, alles, alles das.
Aber dort, wo ein besonders politisches Engagement von Kirchen zu sehen ist, da sind oft postmillennialistische Tendenzen zu erkennen. Viele wissen auch nicht, dass sie Postmillennialisten sind. Die wenigsten wissen, dass sie das sind, weil sie nie darin unterwiesen worden sind.
Aber das sind diese Tendenzen: Es wird besser, wir werden siegreich sein. Dort, wo der Sieg im Fokus steht – auch in charismatischen Szenen ist der Postmillennialismus stark vertreten. Und da sehe ich das Postmillennialistische nicht als gesamtes Modell, aber Gedankengänge werden übernommen.
Okay, bevor wir jetzt weitermachen...
