Die Erfahrung von Enttäuschung und menschlicher Täuschung
Meine Seele ist still zu Gott, der mir hilft. Denn er ist mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, sodass ich gewiss nicht fallen werde.
Wie lange stellt ihr euch alle gegen ihn? Wollt ihr ihn morgen wie eine hängende Wand und eine riesige Mauer stürzen? Sie denken nur daran, wie sie ihn stürzen können. Sie haben Gefallen am Lügen; mit dem Mund segnen sie, aber im Herzen fluchen sie.
Seid nur stille zu Gott, meine Seele! Er ist meine Hoffnung, mein Fels, meine Hilfe und mein Schutz, sodass ich nicht fallen werde. Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre, der Fels meiner Stärke. Meine Zuversicht ist bei Gott.
Hofft auf ihn allezeit, liebe Leute! Schüttet euer Herz vor ihm aus. Gott ist unsere Zuversicht. Aber Menschen sind ja nichts Großes. Auch große Leute täuschen; sie wiegen weniger als nichts.
Verlasst euch nicht auf Gewalt und setzt nicht auf Raub. Verlasst euch nicht auf eitle Hoffnung. Fällt euch Reichtum zu, so hängt euer Herz nicht daran.
Eins hat Gott geredet, ein Zweifaches habe ich gehört. Das war offenbar eine in Israel immer wieder häufige Redewendung, wie man gerne Gottes Worte zitiert hat. Dieses eine Wort Gottes hat zwei Seiten: Gott allein ist mächtig, und der Herr ist gnädig, denn du vergisst jeden, wie er es verdient hat.
Gib uns auch diesen Glauben, Herr Armin.
Die bittere Realität menschlicher Beziehungen
Jetzt würde ich sie am liebsten heute hier reden lassen und erzählen lassen, was sie mit Menschen alles schon erlebt haben. Es ist ja so erschreckend, wenn jemand praktisch erzählt, welche bitteren Erfahrungen er mit Menschen gemacht hat.
Wenn ich all solche Dinge erzählt bekomme, muss ich mit dem Kopf schütteln. Das lässt sich gar nicht erklären, warum Menschen so gemein sind. Man darf gar nicht mehr sagen „hundsgemein“, denn ein Hund kann gar nicht so gemein sein, wie ein Mensch gemein sein kann. Das ist oft so raffiniert und tückisch gemacht, wie es Tiere gar nicht können.
Der Mensch scheint manchmal seine ganze Intelligenz einzusetzen, um andere zu schädigen und irrezuführen. Dabei kann er sich verstellen. Man fragt sich ja: Ist dem anderen überhaupt bewusst, was er tut? Ob das böser Wille ist? Vielleicht merkt das nicht einmal derjenige selbst.
Ich wollte also am liebsten sie jetzt erzählen lassen, ihre bedrückenden Erfahrungen, die sie mit Menschen gemacht haben, die uns getäuscht und uns heimtückisch nachgestellt haben. Und das wollen wir offen sagen: Das können auch fromme Menschen sein und gewesen sein.
Das ist ja oft eine Wunde, die bei vielen Menschen den Weg zu Gott blockiert. Und das steht hier auch bei David: „Da segnen sie mit dem Mund, aber mit dem Herzen fluchen sie.“ So gemein können sie täuschen, so irreführend sein.
Und da wird man bitter, und diese Bitterkeit verändert unseren ganzen Charakter, unser ganzes Wesen. Wir werden hart, isolieren uns von anderen Menschen und finden nicht mehr den Zugang zur Gemeinschaft.
Wie viele leben darum verbittert! Und heute, wo die Psychologen so viel nachgraben, wird uns ja vorgehalten, wie tief das in der Kindheit schon verwurzelt sein kann.
Und das werden viele auch jetzt im Gottesdienst sein. Mit denen will ich auch reden: Die Sachen mit dem übermächtigen Vaterbild, die Mutter, die mich gedrückt hat und die dann so ungerecht war, und die Geschwister, alle ganz anders genannt, und ich musste die alten Kleider tragen.
Mir hat sie damals kein Recht gegeben, die Schulnote, die man durchlitten hat. Und seitdem ist alles in der Verbitterung und im Abwehr nun fest verkrampft.
Die Notwendigkeit, sich von Enttäuschungen zu lösen
Jetzt muss ich Ihnen etwas sagen: Sie müssen sich vorher auf dem Stuhl festhalten und auf der Bank, sonst fällt sie um. Sie müssen das erleben. Wenn Sie das nie erleben, können Sie Menschen nicht wirklich glauben.
Sie müssen das erleben, sonst lösen Sie sich nie von Menschen. Kinder machen das so, dass sie sich an andere anhängen. Aber wir müssen ein sehr klares Bild vom Menschen haben. Und da können Sie in der Bibel lesen, wo Sie wollen: Die Bibel redet so hart und klar von Menschen.
Was ist der Mensch mit seinem trotzigen Herzen, mit seiner verzagten Art, die nicht anpacken will? Es ist niederschmetternd, enttäuschend. Die Bibel entzaubert den Menschen so weit, dass zumindest Verehrung und Verklärung nicht mehr möglich sind. Es bleibt nichts mehr übrig, nicht einmal Glauben kann man mehr haben, wenn man einander zu sehr ehrt.
Das ist so gefährlich: Wenn wir das, was uns andere als Lob ins Gesicht sagen, zu hoch nehmen, verbaut uns das den Weg zum Glauben. Darum sind Vertrauen auf Menschen und Vertrauen auf Gott Gegensätze.
Überraschend ist: Nur wenn wir uns vom Vertrauen auf Menschen lösen, können wir unser Vertrauen richtig auf Gott setzen. Darum gehören die Wunden Ihres Lebens zum Glaubensleben dazu. Sie müssen bewältigt werden, Sie müssen damit im Glauben fertig werden.
Wenn Sie die Bibel noch einmal daraufhin ansehen, was sie vom Menschen sagt, wird der Mensch in seiner Größe und seinem Zauber ganz schlicht gesehen. All seine Not, seine Untreue, seine heimtückische und falsche Art – und die Frommen doch am allermeisten.
Das steht doch drin, und jedes Wort trifft uns. Wir müssen uns dem unterstellen. Wir sollten auch nicht überrascht sein, wo wir doch im Jahrhundert nach Auschwitz und Stalingrad leben.
Gerade als Christen sollten wir heute wieder freimütig sagen, dass kein Raum bleiben kann für Menschenverehrung, Menschenvergötzung oder Menschenverherrlichung – nach Stalin, Hitler und so vielen Grausamkeiten unseres Jahrhunderts.
Die Realität von Verfolgung und Lügen
Was hat denn „Darf ich persönlich“ erlebt? Wir sehen dahinter Ereignisse, die uns ja aus anderen Büchern im Leben „Darf ich“ sehr deutlich beschrieben sind. Sie stellen mir nach und wollen mich stürzen. Sie denken nur daran, wie sie mich zu Fall bringen können. Sie wollen mich aus dem Weg räumen. Es gefällt ihnen, es macht ihnen Spaß zu lügen, ohne rot zu werden.
Alles steht im Sand drin. Mit dem Mund des Segens sehen sie mit dem Herzen fluchen sie. Ich will wieder ein wenig meine Gedanken ordnen, damit wir sie besser behalten können.
Das Erste: Je mehr sie enttäuscht sind von Menschen, desto besser. Heute, in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts und am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, hat sich ja wieder eine große Menschenverehrung um sich gegriffen.
Was steckt denn heute dahinter, wenn junge Menschen sagen: „Kaum sind sie konfirmiert, ich brauche das alles nicht mehr.“ Ganz einfach: Sie sind so überzeugt von ihren Gaben. „Jetzt packe ich mein Leben an, jetzt lebe ich. Ich brauche doch niemanden.“
Dass selbst Christen sich nicht mehr beugen unter die Autorität und Größe Gottes, dass man von der Mündigkeit des Christseins in dem Sinn redet, wo man selbst bestimmen will und die Gebote Gottes nach seinem Gutdünken ändert, wo man selbst die Bibel nach seinem Maß zurechtschneiden kann.
Junge Menschen erzählen wieder, wie sie in der Schule das alles gehabt haben. „Jesus ist nicht angesagt.“ Sie wissen es ja im Vollgefühl ihrer eigenen Anbetung vor sich selbst, ihres Glaubens an sich.
Heute, wo man von den Leistungen und Errungenschaften unserer Zeit spricht: Jahrzehntelang hat man die technischen Erfolge vergöttert. Ich würde dich überraschen, dass man in diese moderne Krise hineingerutscht ist und dann meint, das liegt irgendwo an Systemen oder an irgendwelchen Entwicklungen.
Der Mensch ist doch das alte Problem. Die Bibel hat immer den Finger daraufgelegt. Warum hat denn Jesus sich immer darauf konzentriert, zu Menschen zu reden und nicht gegen Systeme zu kämpfen oder gegen Strukturen? Da liegt es doch nicht. Im Menschen liegt das Problem.
Die Notwendigkeit bitterer Erfahrungen und das Vertrauen auf Gott
Wir kommen uns heute schon wie Außenseiter vor, wenn wir immer wieder den Punkt darauf legen. Dann bleibt nichts anderes übrig, als dass man eben durch Enttäuschungen klug werden muss. Man muss ganz bittere Erfahrungen machen.
Wie lange noch? Wie lange noch wird man in unserer Generation das Heil von Revolutionen, von neuen Menschen suchen? Ein langer Brief von Fest, okay Venture, in dem er schreibt: Unter Obote ist es noch viel, viel schlimmer als unter den Terminen im November. Also ein Pärchen heißt es: noch viel, viel schlimmer als unter der Chancenherrschaft und seiner Geheimpolizei.
Aber dass man die Menschen immer noch so verehrt und vergöttert, das sind das einige Helle, die durchblicken und die wissen, erfahren und begreifen, was der Mensch ist. Und sie können es nur erleben an ihrem eigenen Leben, an sich selbst. Indem sie sagen: Ich sehe das an mir, das ist zum Schämen, dass der Mensch seine Größe hat vom Ebenbild Gottes und in der Praxis, in der Wirklichkeit, ein so erbärmliches, niedriges Geschöpf ist.
Ich habe Ihnen vorher von der Zeit des Absolutismus erzählt. Und das ist mir immer so, wenn ich am alten Schloss vorübergehe und dann die ganze Zeit des Eberhard Ludwigs, Karl Alexander, der Herzöge von Württemberg, mir wieder ins Bewusstsein kommt.
Da haben sie ja die Leute, die man als Petition verleumdet und beschimpft hat, fertiggebracht. Selbst im Stand der Hofprediger dort unten vor dem Fürsten, der sich absolut setzte als die Größe schlechthin, hat man am Sonntag das Lied singen lassen: Fürsten sind Menschen vom Weibe geboren und sinken wieder in das Grab. Ihre Anschläge sind auch verloren.
Was haben sie singen lassen? Das war eine Erschütterung. Die wurden ja ausgewechselt, einer rum, der andere, weil das die Mächtigen der Zeit gar nicht ertragen haben.
Jetzt wundern sie sich, dass sie Widerspruch kriegen, wenn heute das Evangelium verkündigt wird. Wir müssen das unseren Menschen heute sagen, den Jungen besonders, die noch in diesem Glauben stehen, als ob sie das alles machen könnten und ob sie die Probleme lösen könnten.
Aber immer noch dieses trügerische Wort Weltveränderung umgeht. Was ändern sie eigentlich in der Welt?
Darf ich hat an anderer Stelle gesagt, als es um Strafe ging, was die schlimmste Strafe ist? Da darf ich sagen: schlimmer als eine Pest, die viele in seinem Volk in Haft hat. Schlimmer als eine große Hungersnot ist, wenn man Menschen ausgeliefert ist. Das hat David noch gewusst.
Das Vertrauen auf Gott als Fels und Schutz
Ich erinnere mich noch an die Tage, als wir oben auf dem Killesberg den Kirchentag hatten, im Jahr 1960. Dort haben Journalisten ganz feinfühlig gespürt und gefragt: „Ist denn kein Wissen mehr da, wo man die Demokratie vergötzt und meint, die Befreiung könne durch den Menschen erfolgen?“
Man weiß nichts mehr davon, schrieb ein deutscher Journalist, der den meisten Menschen misstraute. Er verwies darauf, dass die Väter der amerikanischen Verfassung, als sie das demokratische System installierten, wussten, dass der Mensch ein gefährliches Exemplar dieser Schöpfung ist. Macht könne man nur mit Macht balancieren. Da fehlt jeder Optimismus, als ob alles von allein laufen würde.
Woher kommt dieser trügerische Gedanke? Dieses Erbe der Evolution, als ob sich alles am Ende zum Guten, zum Paradiesischen entwickeln müsse? David hat seine Lebenserfahrungen mit Menschen ganz konkret gemacht, und darüber möchte ich heute Morgen sprechen: über Ihre Nöte, die Sie mit Menschen haben.
Dann sagt er: „Ich will nur still sein zu Gott; beim Menschen erwarte ich nichts mehr, aber bei Gott will ich still sein.“ Was ist das? Es ist ein Wort aus bitteren Erfahrungen. Ein anderes Wort, das ich hier einsetzen könnte, ist das hebräische Wort aus dem Urtext, das bedeutet: „Ich will ergeben sein, so wie einer, der die Waffen streckt.“ Ich will mich vor Gott hinstellen und sagen: „Jetzt kannst du über mein Leben verfügen.“
Genau wie bei uns war es auch bei David so, dass er lange Zeit sein Leben selbst in die eigene Regie nehmen wollte. Erst durch die bitteren Erfahrungen mit Menschen wurde er dahin geführt, still vor Gott zu sein und alles nur noch in Gottes Hand zu legen.
Im Volk Gottes in Israel gab es eine große Versuchung: immer wieder auf Menschen zu bauen. Natürlich betet man dann, aber man kann Gott vergessen und alles zurückstellen. Der Prophet Jesaja hat damals eine große Warnung ausgesprochen: Wenn ihr dauernd losherum schaut, bei euch Hilfe widerfährt, dass sich die Zustände und Verhältnisse ändern? Nein, da wird es nicht herkommen.
Verlasst euch nicht auf Ägypten, verlasst euch nicht auf die Rus, verlasst euch nicht auf die Stärke von Menschen! Wenn ihr still bleibt, wenn ihr umkehrt und still bleibt, könnte euch geholfen werden.
Aus Ihren Lebenskrisen mit schwierigen Menschen heraus will ich Ihnen heute Morgen wieder sagen: Jetzt können Sie nur noch vor Gott stehen und sagen: „Herr, ich weiß nicht mehr weiter, aber ich will still sein vor dir. Ich will warten, bis du mir meine Nöte löst – meine Berufsprobleme, mein Eheproblem oder mein Familienproblem, wo ich verzweifle mit meinem Kind, wenn ich nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll.“
Wenn Menschen, mit denen Sie zusammen sind, Ihnen auf die Nerven fallen, legen Sie still hin. Wann das noch so weit geht wie bei David, dass man von Lügen umgeben ist, die man gar nicht mehr entwirren kann, wenn die Nachrede einen verfolgt, die doch gar nicht stimmt – dann schlägt das Stille sein zu Gott etwas Großes an.
David spricht davon, dass Gott einer Sicherheit im Felsen gleich ist. Wenn ich vor dir stehe, ist das wie eine Flucht in den Felsen. In Psalm 7,7 heißt es: „In die Felsenkluft fliehe ich; du bist meine Hilfe.“ Wo ich keinen Ausweg mehr sehe, bist du mein Schutz. Wo sie über mich herfallen, bin ich plötzlich geborgen, weil ich vor dir still stehen kann.
Ich habe einen Grund unter den Füßen, dass ich nicht mehr umkippe. Unter meinen Beinen ist das Fest, ich wackele nicht mehr. Ich bin immer mit zitternden Füßen da, gerade da, wo Menschen gegen meine Ehre angehen, wo sie lügen. Gott vertritt mich.
Sie müssen wissen, wie Gott zu Ihnen steht, gerade dann, wenn Menschen Sie böse hintergehen. Wenn Sie ruhig sein können und sagen: „Ich weiß, Jesus hat mir vergeben, Jesus ist mein Herr.“ Ganz ruhig sein. Ich lege das ihm hin. Er wird es zu Ende führen.
Das schützt Sie nicht, wenn Sie das nur so allgemein in Ihren Gedanken haben. Wie immer bei diesem Teil müssen wir darauf hinweisen: Wenn draußen ein schönes Auto steht, nützt es mir nichts, herumzulaufen und es anzuschauen. Wenn ich sage: „Das ist mein Auto“ oder „Mein Haus“, dann ist das etwas anderes.
Hier heißt es: „Gott ist mein Heil und meine Ehre.“ Was können die Menschen tun, wenn Gott für Sie streitet? Wenn Gott Ihr Teil ist, Ihr Heil, Ihre Ehre? Dann ist das gut, wenn Sie enttäuscht sind von Menschen und Ihr ganzes Vertrauen auf ihn setzen können.
Das Ausgießen des Herzens vor Gott
Das Zweite: Jetzt muss man die Not einfach kurz vor die Füße werfen. Das ist so schön bildhaft gesprochen. Ich habe im Gemeindeblatt ja schon ein wenig von Martin Luther zitiert. Großartigerweise hat er in seiner Psalmenauslegung gesagt, wie man das machen soll.
Das Schütten – das Schütten ist so ein großer Ausdruck. Jetzt müsste man einen Eimer haben und so richtig einen ganzen Eimer einmal umkippen, sodass das ganze Wasser hinausläuft. „Schüttet euer Herz vor ihm aus“ – das war Luther in der Psalmenauslegung so wichtig. Dass wir nicht nur kleine Stückchen machen oder kleine Portionen und meinen, wir dürften Gott gar nicht bemühen.
Dieses Schütten will uns ermuntern, alles ihm hinzulegen. Aus einem wichtigen Grund ist dieses Bild auch für uns so bedeutsam: Schüttet alles aus, was im Herzen drin ist. Die Erfahrungen mit bösen, heimtückischen Menschlichkeiten, die uns Not machen, das macht uns gerne bitter. Auch sie sind nicht so stark. Und das treibt uns in die Menschenverachtung.
Ehe man sich versieht, redet man so über Menschen. Und so redet die Bibel nie. Sie findet hier kein böses Wort über den Menschen. Denn auch David weiß, dass Menschen noch von der Gnade Gottes gehalten sind. Über jeden Menschen, der über diese Welt geht – egal, ob das ein Massenmörder ist oder ein furchtbarer Diktator, an dessen Händen tausendfaches Menschenblut klebt.
Solange hier noch Menschen auf dieser Erde leben, stehen sie noch unter der Möglichkeit, Gottes Gnade anzunehmen. Die Tür ist offen. Niemals darf man zur Menschenverachtung oder zum Zynismus kommen. Das ist so schlimm, wenn man sich Panzer gegen die Gefühle baut, weil sie uns verletzen. Sondern man soll für seine Feinde beten können. Das hat Jesus ja gemeint.
Darum schüttet ihr euer Herz vor Gott aus – euer Herz mit all seinen Empfindungen und Verwundungen. Und wenn Menschen euch weh tun, dann macht es ganz praktisch so, dass ihr auch Gott klar macht und Gott in Not schildert, dass ihr so verletzbar seid.
Das ist ja auch nicht gut: Unsere Wehleidigkeit und Empfindlichkeit, die immer wieder ans Licht kommt, ist doch Sünde. Sie ist nicht gottgefällig, dass wir uns selbst so wichtig nehmen. Oft ist es auch ein Grund, weil wir die Ehre nicht bei Gott suchen, sondern so viel vom Urteil der Menschen halten.
Darum muss das heraus: Schüttet das Herz vor ihm aus – auch eure Bitterkeit gegen Menschen.
Die Befreiung von Bitterkeit und das Vertrauen in Gottes Gnade
Ich möchte jetzt konkret weitermachen und zu denen sprechen, die jahrelang in Traurigkeit leben, weil sie nicht einmal die Verwundungen ihres Elternhauses überwunden haben. Sie sind nie darüber hinweggekommen, was ihnen früher an Unrecht widerfahren ist, und verharren immer noch in Bitterkeit. Legt diese Bitterkeit hier nieder, vor dem Kreuz Jesu. Schüttet auch eure Bitterkeit aus, denn sie wird nicht besser, nur weil andere sie verursacht haben.
Alle Bitterkeit und aller Hass, den wir haben, ist nicht recht. Legt sie nieder, und er vergibt. Schüttet euer Herz vor ihm aus. Liebe Leute, macht das! Gott ist unsere Zuversicht.
Dann geht es weiter mit ganz klaren Aussagen, dass wir uns nicht blenden lassen sollen. So sind Menschen – auch die großen Leute, die einen Namen haben. Verlasst euch nicht auf sie. Auch fromme Menschen enttäuschen. Sie werden euch enttäuschen, solange ihr in dieser Welt lebt. Verlasst euch stattdessen auf Gott.
Hängt von ganzem Herzen an Gott und seid in ihm geborgen. Noch ein letztes, das ich anhängen möchte: Glauben wir, dass wir zuversichtlich sein können – nicht nur optimistisch. Oft sind es große Ideologien oder Leitsätze, die uns optimistisch machen wollen. Man vertraut auf seine Rezepte und sagt: So wird es gehen, und dann wird die Welt glücklich sein. Doch das erfüllt sich nicht mehr.
Fischen wissen ganz klar Bescheid über das Übel in der Welt, über Menschenelend, Traurigkeit und Enttäuschung. Trotzdem gehen sie ihren Weg zuversichtlich, weil sie wissen, dass Gott in dieser Welt noch Großes vorhat.
„Hängt euer Herz nicht an Menschen“, rät uns David. Wisst aber, dass Gott mächtig und gnädig ist. Das ist das Zweifache, das ihm so wichtig wurde: Gott kann keinen Menschen verändern, auch in dieser Welt nicht.
Das schönste Wort, das wir sagen können, ist das Wort, das Menschenherzen bekehren kann. Der eine Sohn, der umgedreht wurde, kann Menschen verändern, indem er das Herz an ihnen verändert. Indem er selbst in ihnen Wohnung nimmt.
Mir ist vorhin noch eingefallen, wie August Hermann Francke 1717 auf einer Reise in Stuttgart war. Auch am Hof, an diesem gottlosen Hof, an dem damals das Narrentreiben eingeführt wurde. Was hat August Hermann Francke gesagt? Er ging nur zum Hofprediger, der über die Größe des Menschen und die Schönheit des Sternenhimmels predigte und die Probleme der Zeit ansprach. Francke sagte zu diesem Mann, und das ging ihm durch Mark und Bein: „Du bist ein stummer Hund.“ Das war ein Zitat aus Jeremia.
Das traf den Prediger so sehr, dass er am Sonntag das Unrecht und die Ungerechtigkeit am Hof anprangerte und die Menschenvergötterung brandmarkte. Er predigte das Evangelium Jesu.
Ich wünsche mir für uns, dass wir in einer Zeit voller Enttäuschungen und schwieriger Menschen nicht stehen bleiben, sondern wissen, dass Gott in dieser Welt, die von den ersten Menschen als gefallen bezeichnet wurde, noch einmal in Jesus eine Erlösung geschaffen hat.
Das Evangelium ist ohne diese Mitte nichts mehr wert. Dort, wo Menschen bekehrt und umgekehrt werden, wo sie zu Gott kommen – nicht nur im Vertrauen, sondern im Gehorsam –, wo sie im Glauben ihr Leben ihm übergeben, da wird etwas Neues geboren.
Darf ich sagen: Menschen sind oft unzuverlässig, sie täuschen. Sie wiegen weniger als nichts. Auch ihre Worte sind wie lauer Wind – heißt es in einem Lied, das wir so gerne singen, ein Lied unserer Tage.
Menschen sind es, aber wir glauben an Jesus. Er schafft Persönlichkeiten, die das Salz der Erde sind.
Damit wollen wir schließen: Wir wollen Menschen werden, die von Jesus umgewandelt werden. Die täglich sagen: „Ja, wenn ich die Bosheiten der Leute sehe, erinnert mich das an mein eigenes böses Wesen. Mache du aus mir etwas ganz Neues!“
Wir wollen kein Stück mehr mitmachen bei Menschenverkürzung und Verherrlichung. Sagen wir das heute wieder. Das ist eine Botschaft, bei der Menschen aufhorchen.
Wir sind nichts. Wir brauchen keine großen Lobesworte, auch nicht in unseren Gräbern. Aber es gibt etwas, das uns nicht loslässt: Dass man auf ihn bauen darf, auch als sündiger, fehlsamer Mensch. Dass man auf ihn vertrauen kann und dass er so gnädig ist, sich zu uns zu stellen, dass er unsere Hilfe und unser Schutz sein will.
Dann will ich Großes für ihn wirken. Dann will ich mein Leben nutzen und noch viel mit Gott wagen. In dieser Verbindung mit ihm gibt es für mich große Aufgaben, in die ich mich senden lassen kann.
Ich will unseren jungen Menschen immer wieder zurufen: Nehmt euer Leben als Chance! Gott beauftragt euch zu vielen großen, wichtigen Dingen. Er sendet euch, weil er euer Schutz, eure Hilfe und eure Stärke sein will.
Dann bleibt es nicht beim erbärmlichen Menschen. Dann brauchen wir nicht schlecht von Menschen reden, sondern können sagen: Hier können wir Großes wagen, Hoffnung weitergeben in unserer Zeit voller Resignation und Enttäuschung. Denn Neues ist möglich mit dem Gott, der lebt, mit dem Gott, der bei uns ist.
Worauf können wir trauen? Auf uns? Auf unser Tun? Nein. Aber wir trauen auf den Herrn, der bei uns ist und der sich ganz uns geben will.
Armin