Einführung: Paulus und das Leiden im Leben der Christen
Wir wollten noch etwas ergänzen zu heute Morgen, bevor wir mit dem Thema von heute Abend anfangen. Wir haben über Paulus gesprochen, der sich Gedanken gemacht hat, warum sein Leben eigentlich so schwierig ist. Er folgt Gott nach, ist wirklich treu und bringt seinen Einsatz bis zum Äußersten. Trotzdem stößt er immer wieder auf extreme Schwierigkeiten in seinem Leben.
Er hat sich die Frage gestellt: Warum ist das so? Warum ist es gerade in meinem Leben so? Wir haben gesehen, dass er zu einer, ja, ein Stück weit doppelten Antwort gekommen ist.
Der erste Teil der Antwort war: Paulus, du leidest, weil Leiden für Christen normal ist. Und weil es ein ganz schlechtes Signal wäre für ganz normale Christen, die gerade erst zum Glauben gekommen sind oder ganz normal an ihrem Ort sind, ihrem Beruf nachgehen und in ihrer Familie leben. Wenn sie leiden und die, die vorne stehen, die irgendwie bekannt sind und von Gott gebraucht werden, nicht leiden, dann haben sie den Eindruck, dass Gott nur für die Wichtigen da ist. Sie denken: Ich bin ihnen nicht wichtig, ich werde vielleicht bestraft, weil ich so ungeistlich bin.
Aber wenn Paulus leidet, dann merken sie, es kann keine Strafe sein. Denn warum sollte Gott ihn bestrafen? Das hilft ihnen und rettet sie auch, zu sehen, dass alle Christen leiden – auch die Bekannten, auch die Begabten, auch die, die von Gott sehr gebraucht werden. Dass auch sie Anteil an diesem Leiden dieser Welt haben.
Das rettet sie vor mancher Verzweiflung, vor falschen Vorstellungen und vor manchen Fragestellungen, die so schnell im Kopf hochkommen, wenn man selbst leidet.
Der zweite Teil der Antwort war: Paulus, wenn du solche Situationen durchgemacht hast und in Gemeinden kommst und mit Menschen in Kontakt trittst, die in schwierigen Situationen sind, dann kannst du ihnen glaubwürdig etwas dazu sagen. Du bist nicht der Arzt, der die Krankheit nur kennt, sondern du bist der, der die Krankheit kennt, weil er sie durchgemacht hat. Und das ist ein Unterschied.
Das war die zweifache Antwort, auf die Paulus irgendwie gekommen ist – und die er durch den Heiligen Geist erhalten hat.
Vielleicht ist das eine gute Antwort für uns alle, wenn Leiden in unserem Leben sind: Gott will uns glaubwürdig machen, wenn wir Menschen beistehen und trösten wollen. Nicht in der Art von Trost, dass es schon irgendwie besser wird, sondern in der Art von Trost, dass wir wirklich an ihrer Seite stehen und mit ihnen teilen können, was wir erlebt haben.
Das ist ein sinnvoller Sinn des Leidens.
Rückblick auf den zweiten Korintherbrief: Paulus’ Lebenswirklichkeit und sein Dienst
Aber ich möchte mit euch in diesem Zusammenhang noch einmal ganz ans Ende dieses Briefes gehen. Viele Themen tauchen in diesem Brief immer wieder auf. Es gibt immer wieder gleiche Themen, und ihr habt es sicher bemerkt: Manche sind Wiederholungen, manche werden als Wiederholung dargestellt. Doch vieles ergänzt sich auch. In einigen grundlegenden Themen greift Paulus im zweiten Teil noch einmal darauf zurück, nachdem er sie im ersten Teil bereits behandelt hat.
Hier ist auch so ein Thema: Warum ist mein Leben so schwierig? Im ersten Teil ging es um ein ganz akutes Problem – um ganz akute Leiden, die Paulus durchmachen musste. Er befand sich offensichtlich in einer Extremsituation in Ephesus, in der Provinz Asia. Diese Extremsituation betraf seine Beziehung zu den Korinthern, die ihm Schlaf, Tränen und vieles mehr gekostet hat.
Im Zweiten Korintherbrief Kapitel zwölf schaut Paulus nun noch einmal ganz grundsätzlich auf sein Leben. Er betrachtet, wie sein Dienst von Anfang an aussah. Zuvor erwähnt er kurz, dass Gott ihm einen Blick in den Himmel gewährt hat, bevor er richtig durchgestartet ist und seinen Dienst für den Herrn als Missionar begann, Gemeinden aufzubauen, zum Beispiel in Antiochien, und Missionsreisen unternahm.
Paulus sagt, er sei in den dritten Himmel entrückt worden – nun ja, ich habe meine Theorie, was das bedeutet – und auch ins Totenreich, ins Paradies. Dort hat er Dinge gesehen und gehört, die sich ihm eingeprägt haben und die er nie mehr vergessen hat. Er wusste, was Menschen erwartet, wenn sie sich für das Evangelium entscheiden und annehmen.
Ich habe das schon einmal gesagt, vielleicht sogar letztes Jahr, ich weiß es nicht mehr genau: William Booth, der Leiter der Heilsarmee, hat einmal gesagt, er wünsche sich, dass jeder seiner Soldaten einen Tag in der Hölle verbringen kann. So würden sie mit mehr Einsatz evangelisieren. Wenn man Paulus liest, der einmal im Himmel war, könnte man meinen, er hätte sich gewünscht, dass jeder seiner Mitarbeiter einen Tag im Himmel verbringen kann. Damit sie wüssten, was die Menschen erwartet, denen sie das Evangelium sagen und die es annehmen.
Aber das ist nicht das Thema. Das Thema ist, was danach passiert. Paulus hatte nie wieder so ein Erlebnis. Er sagt, er kenne jemanden, der es erlebt hat – okay – und dann folgen ein paar Sätze. Man fragt sich, von wem er überhaupt spricht. Ein paar Sätze später wird jedoch klar, dass er von sich selbst spricht. Wenn man dann zurück zum Anfang des Kapitels schaut, denkt man: Da klingt es irgendwie so, als wäre es nicht er selbst. Beim Lesen ist das etwas verwirrend.
Ich weiß nicht, wer sich gut auf die Freizeit vorbereitet hat und den Zweiten Korintherbrief intensiv studiert hat, aber es ist ein bisschen verwirrend. Ich glaube, die Antwort ist einfach: Paulus sagt, dass dieses Erlebnis für ihn so lange in der Vergangenheit liegt und so gar nichts mit seiner Lebensrealität heute zu tun hat. Es ist, als wäre es eine andere Person gewesen, die das erlebt hat.
Der „Dorn im Fleisch“: Gottes Zweck im Leiden von Paulus
Aber was ist dann passiert? Paulus sagt in 2. Korinther 12,7: „Wegen des Übermaßes der Offenbarung, damit ich mich nicht überhebe“ – also, wir würden sagen, damit ich nicht abhebe – „wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, damit er mich mit Fäusten schlägt.“ Und jetzt wiederholt er das: „Damit ich mich nicht überhebe.“ Er nennt zweimal die Begründung, warum Gott ihm offensichtlich ein dauerhaftes Leiden in seinem Leben gegeben hat – durch seinen ganzen Dienst hindurch.
Er sagt, die erste Begründung sei, damit er nicht abhebt. Er hat so gewaltige Dinge gesehen. Gott gebraucht ihn in seinem Dienst in einem Maß, wie es kaum jemand anderem widerfährt. Im Laufe seines Lebens – ich meine, er hat nicht nur in den Himmel geschaut, nicht nur ins Paradies, wo er Dinge gesehen und gehört hat – er hat Gemeinden gegründet in der Türkei, in der Zentraltürkei, in der Westtürkei, in Nordgriechenland, in Südgriechenland, im heutigen Albanien und auf Kreta.
Es sind so viele Leute, die auf ihn hören. Aber letzten Endes, wenn er das alles mal wegstreicht und sich nur anschaut, was bis jetzt aus seinem Dienst herausgekommen ist... Vielleicht hat Gott Recht, dass er ihm besonderen Schmerz zufügt, damit er merkt, dass er noch irdisch ist, dass er noch zerbrechlich ist, dass er nicht unbegrenzt belastbar ist und Schwächen hat – damit er nicht abhebt.
Wir wissen überhaupt nicht, was dieser Dorn für das Fleisch war. Es gibt so viele Theorien. Wenn du zu einem Vers kommst und in Auslegungen 14 Theorien findest, dann weißt du, dass man es eigentlich nicht weiß. Es wurde wirklich alles Mögliche vorgeschlagen an körperlichem Leiden. Manche sagen, es war vielleicht kein körperliches Leiden, sondern diese innere Verzweiflung, wie ein Dorn, der immer wieder sticht – wo der Engel des Satans immer wieder zuschlägt. Aber vielleicht war es auch ein körperliches Leiden. Wir wissen es wirklich nicht.
Und ich glaube, das ist Absicht. Damit es nicht etwas Spezielles ist, mit dem sich nur diejenigen identifizieren können, die genau dasselbe haben, sondern damit Menschen mit verschiedenen Herausforderungen in ihrem Leben, die sie nicht loswerden – körperliche oder psychische – sich damit identifizieren können.
Paulus sagt: „Ich habe es, damit ich nicht abhebe.“ Es hilft ihm. Das ist seine zweite oder dritte Antwort auf die Frage, warum sein Leben oft so schwierig ist. Nicht nur in diesen absoluten Krisensituationen, wie am Anfang des 2. Korintherbriefs, sondern dauerhaft – über seinen ganzen Dienst für den Herrn hinweg – trägt er etwas mit sich herum, das ihn immer wieder quält.
Ich meine, so ein Dorn: Wenn du dir einen Dorn eingetreten hast und ihn nicht herausbekommst, dann ist es etwas, das einfach immer wieder Schmerzen verursacht. Vielleicht sind es Dauerschmerzen, aber vor allem spürst du bei jeder falschen Bewegung dieses Stechen. Es ist etwas, das immer wiederkehrt, immer wieder das Gleiche ist und Schmerzen verursacht.
Paulus sagt, es erinnert ihn daran, dass er ein schwacher Mensch ist und nicht grenzenlos belastbar.
Gottes Antwort auf Paulus’ Gebet und die Kraft in der Schwachheit
Und Paulus hat dafür gebetet. Er sagt, dass er dreimal sehr ernsthaft und konkret dafür gebetet hat, und die Antwort Gottes war Nein.
In 2. Korinther 12,8 heißt es: „Dreimal habe ich zum Herrn gebetet, dass er von mir ablassen möge. Doch er sagte zu mir: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung.“ Vielleicht ist das eine gute Übersetzung: „Meine Gnade genügt dir.“ Du musst nicht stark sein. Ich befähige dich, ich gebrauche dich. Ich erreiche mein Ziel auch mit schwachen Menschen. Ich kann Menschen mit Schwächen gebrauchen. Das ist doch beeindruckend, oder? Dass Gott gerade Menschen mit Schwächen gebrauchen kann.
Es ist erstaunlich zu sehen, dass Paulus nach diesem dreimaligen Nein, oder wie auch immer die endgültige Antwort genau aussah, nicht den Eindruck vermittelt, er hätte das für den Rest seines Lebens nur zähneknirschend akzeptiert. Stattdessen hat er die Situation umgedreht. Er hat es zu seinem Lebensmotto gemacht. Das, was er zuerst loswerden wollte, wurde zu seinem Lebensprinzip.
In 2. Korinther 12,9 sagt er: „Darum will ich mich am allermeisten meiner Schwachheiten rühmen.“ Er freut sich darüber, dass er schwach ist. In Vers 10 fährt er fort: „Darum freue ich mich in Schwachheiten, in Schmähungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten.“ In beiden Versen begründet er, warum er sich rühmt und warum er sich freut.
In Vers 9 heißt es: „Damit die Kraft Christi bei mir wohnt.“ Und in Vers 10: „Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ Ich glaube nicht, dass das nur eine philosophische Überlegung war, die er sich im Kopf zurechtgelegt hat. Ich denke, das ist eine ganz persönliche Erfahrung, die er gemacht hat.
Paulus war sicher oft in Situationen, in denen er sich überfordert fühlte. Vielleicht hatte er den Eindruck: „Boah, ich kann mich auf den anderen, mit dem ich gerade rede, nicht richtig einstellen.“ Oder er hatte das Gefühl, ihm fehlen die Worte, um genau diesen Menschen zu erreichen. Vielleicht stand er vor einer Gruppe und predigte, und irgendetwas stach in seinem Kopf oder Körper. Er dachte: „Ich bin heute nicht dynamisch. Ich weiß nicht, ob ich wirklich etwas zu sagen habe.“
Ich glaube, Paulus hat gemerkt, dass gerade in solchen Situationen oft die meiste Frucht entsteht. Das war seine Erfahrung. Und irgendwann sagte er: „Ich freue mich über meine Schwachheiten, weil ich den Eindruck habe, dass gerade dort, wo ich schwach bin, Gott besonders wirkt. Mehr als in Situationen, in denen ich mich stark fühle, in denen ich denke: ‚Heute habe ich tolle Argumente gehabt, heute war ich charismatisch und genial.‘“
Paulus gewann den Eindruck, dass Gott manchmal nicht möchte, dass sein Diener im Mittelpunkt steht. Wenn ein begabter Diener Gottes so genial ist, dass alle ihn bewundern, entsteht eine Gruppe, ein Hauskreis oder eine Gemeinde, die mehr zu ihm als zu Gott kommen. Wenn diese Person dann nicht mehr da ist, fällt alles wieder auseinander, weil die Leute nicht zu Gott gekommen sind, sondern zu ihm.
Paulus hat die Erfahrung gemacht, dass gerade dort, wo er schwach ist, Gott besonders wirken kann. Das hat ihn dazu gebracht, sich über seine Schwachheiten zu freuen. Denn er wollte, dass Gott wirkt. Er wollte nicht selbst im Mittelpunkt stehen. Er wollte, dass Gott sein Ziel erreicht.
Das war eine andere Antwort, die Paulus für die Frage fand, warum sein Leben sich so besonders schwierig anfühlte. An dieser Stelle in 2. Korinther 12 wird deutlich, dass Paulus sich seiner Abhängigkeit von Gott bewusst bleibt und nicht abhebt. Das hatte eine Wirkung auf ihn selbst, aber auch darauf, dass Gottes Reden und Handeln sichtbar bleibt. Es sollte deutlich werden, dass Gott dahintersteht, wenn Frucht entsteht.
Das wirkte sich auch auf seine Umgebung aus. Paulus war nicht immer der Eindruck, er hätte alles im Griff – und das war auch gut so.
Glaubwürdigkeit als zentrales Thema im zweiten Korintherbrief
Okay, das wollte ich noch zu dem Punkt ergänzen, den er im ersten Teil anspricht. Dort geht es speziell darum, dass er glaubwürdig ist, wenn er Menschen tröstet.
Es gab noch andere Antworten Gottes auf die Frage: Warum ist mein Leben so schwierig?
Gott kann wirken und möchte Menschen gebrauchen. Er gibt Menschen manchmal sehr geniale Gaben. Doch manchmal möchte Gott nicht von Menschen in den Schatten gestellt werden, die selbst genial begabt sind.
Das Thema des 2. Korintherbriefs hatte ich bereits erwähnt. Ein wesentliches Thema dieses Briefes ist Glaubwürdigkeit.
Beispiel aus der Freundschaftsevangelisation: Die Bedeutung von echter Beziehung
Ich möchte mit einer wahren Geschichte beginnen. Es war ein Mann – ich glaube, er lebt noch. Dieser Mann hat Erfahrungen mit Freundschaftsevangelisation gemacht. Das ist ja heutzutage sehr beliebt bei Christen.
Früher hat man evangelisiert, indem man beispielsweise ein Zelt aufgestellt und Leute zu Vorträgen mit spannenden Themen eingeladen hat. Irgendwann haben Christen die Erfahrung gemacht, dass kaum noch jemand zu diesen Veranstaltungen kommt – außer den Gläubigen selbst. So wurde eine Woche lang hauptsächlich unter den Gläubigen evangelisiert.
Später hat man festgestellt, dass diese Methode vielleicht nicht sehr effektiv ist. Deshalb wurden solche Veranstaltungen auch in Gemeinderäumen oder anderswo abgehalten. Die Tendenz ist heute, dass man solche Aktionen zwar machen kann, aber meist nur Menschen erreicht, die sich bereits vorbereitet haben und schon ein gewisses Interesse mitbringen.
Das meiste Evangelisationsgeschehen läuft heutzutage über persönliche Beziehungen. Letztlich geschieht es oft dadurch, dass man mit Menschen, die noch nicht gläubig sind, gemeinsam die Bibel liest – zum Beispiel in kleinen evangelistischen Hauskreisen. An diesem Punkt kommen viele Menschen zum Glauben oder werden so vorbereitet, dass sie sich dann bei einer Veranstaltung schließlich bekehren. Dieses Schlüsselerlebnis ist für viele der entscheidende Moment.
Das ist der Trend im evangelistischen Bereich unseres Jahrhunderts: Evangelisation über Beziehung oder, wie manche es nennen, Freundschaftsevangelisation.
Ich fange meine Geschichte jetzt nochmal an – das war die Vorbemerkung.
Der Mann, der erzählt hat, war selbst nicht gläubig und ist es auch heute noch nicht. Er berichtete, dass in seiner Nachbarschaft jemand hingezogen war – oder jemand bekehrt wurde, das weiß er nicht genau. Auf jeden Fall wurde dort jemand gläubig.
Dieser Gläubige baute eine Beziehung zu ihm auf. Aus der Sicht des nichtgläubigen Mannes entwickelte sich wirklich eine gute Beziehung, eine echte Freundschaft. Sie unternahmen viel zusammen, erzählte er.
Nach und nach sprach sein Freund öfter über seinen Glauben. Der Mann merkte, dass sein Freund ihm diesen Glauben näherbringen wollte. Weil ihm die Freundschaft und der andere wichtig waren, hörte er zu und setzte sich innerlich mit dem Thema auseinander.
Irgendwann signalisierte er jedoch relativ klar, dass ihm viel an der Freundschaft lag und dass er diese Beziehung wirklich genoss. Gleichzeitig machte er deutlich, dass er mit dem Glauben nichts anfangen konnte und daran eigentlich kein Interesse hatte.
Er sagte, als er das signalisiert hatte, zeigte der andere – der Christ – von einem Tag auf den anderen kein Interesse mehr an Treffen mit ihm. Die Beziehung verlief von heute auf morgen im Sand.
Der Mann merkte, dass sein Freund eigentlich gar kein Interesse an ihm als Person hatte. Für ihn war er nur ein Missionsobjekt. Als klar war, dass er kein Interesse am Glauben hatte, wandte sich der Freund jemand anderem zu.
Seine Freundschaft war eine Lüge. Deshalb sagte er: Ich möchte nie mehr etwas mit Christen zu tun haben.
Glaubwürdigkeit in Evangelisation und im Glaubensleben
Wie sind wir als Christen glaubwürdig? Dabei geht es nicht nur um Evangelisation. Das war nur ein Beispiel aus dem Bereich der Evangelisation. Wie gesagt, es ist kein erfundenes Beispiel, aber es betrifft auch unsere Glaubwürdigkeit gegenüber unseren Kindern und unseren gläubigen Freunden. Vielleicht möchten wir ihnen etwas vermitteln oder sie im Glauben weiterhelfen. Wann sind wir glaubwürdig?
Ich möchte mit euch noch einmal einige Gedanken teilen. Manche davon werden Wiederholungen sein, denn wir haben bereits viele Verse aus dem gesamten 2. Korintherbrief gelesen. Einige Themen werden wieder auftauchen, manches habe ich schon kurz angesprochen, und wir lesen es jetzt vielleicht noch einmal.
Ich lade euch ein, mit mir in 2. Korinther 1,12 einzusteigen. Dort betrachten wir die ersten Schritte, wie Paulus über seine persönliche Glaubwürdigkeit spricht. Wir sehen, wie ernst er das nimmt, wie er sogar ungewöhnliche Vorwürfe ernst nimmt und nach ernsthaften Antworten und Erklärungen sucht.
Paulus’ Lebensprinzip: Ehrlichkeit und Reinheit als Grundlage der Glaubwürdigkeit
Ich lese mal Vers 12 bis 14 aus dem 2. Korintherbrief, Kapitel 1.
Ich meine, ihr habt gesagt, man kann in christlichen Kreisen offensichtlich auf vieles stolz sein: auf super ausgefeilte Vorträge, auf gesellschaftliche Anerkennung, auf perfekte Organisation. Paulus schreibt, wir sind auf Folgendes stolz: Das ist das Zeugnis unseres Gewissens. Mit anderen Worten, zumindest soweit wir uns selbst beurteilen können – manchmal sind wir ja nicht ganz objektiv, wenn wir uns selbst beurteilen. Paulus ist vorsichtig und sagt: „Okay, das ist etwas, worauf ich stolz bin, zumindest was mein Gewissen betrifft. Ich habe den Eindruck, dass ich da wirklich ehrlich bin, wenn ich das jetzt schreibe.“
Wir haben Einfalt und Reinheit Gottes zu unserem Lebensprinzip gemacht. Frei übersetzt heißt das: Wir haben nicht in fleischlicher Weisheit gehandelt, sondern in der Gnade Gottes, in der Welt, ganz besonders aber bei euch. Denn wir schreiben euch nichts anderes, als was ihr lest und auch versteht. Ich hoffe aber, dass ihr es letztlich vollständig verstehen werdet, so wie ihr uns zumindest zum Teil verstanden habt. Wir sind euer Ruhm, so wie auch ihr der unsrige seid an dem Tag des Herrn Jesus.
Fangen wir mit dem einfachen Teil an. Paulus sagt, wir schreiben genau das, was ihr lest und was ihr auch versteht. Er sagt, wir schreiben „plain text“, also wir schreiben wirklich das, was wir meinen. Wenn ihr meinen Brief lest, den letzten, der so schwierig war, oder diesen, den ihr jetzt bekommt, und ihr habt beim ersten Lesen den Eindruck, ihr versteht den Abschnitt – das ist genau das, was ich meine. Es gibt keine zweite Ebene dahinter, keine versteckte Agenda oder Ziele, die ich euch unterschieben will. Ich schreibe euch einfach das, was ich meine. Davon könnt ihr ausgehen.
Das ist schon mal cool, denn das machen viele Leute nicht. Die versuchen, dir irgendetwas zu verkaufen. Sie schreiben etwas, damit du einen Eindruck bekommst, was sie meinen, und eigentlich meinen sie etwas ganz anderes. Ein typisches Beispiel sind Arbeitszeugnisse. Nur ein ganz naiver Mensch weiß inzwischen nicht, wie Arbeitszeugnisse funktionieren. Man kann es im Internet nachlesen. Diese Verschlüsselung ist total albern geworden.
Da steht zum Beispiel im Extrem: „Er hat sich stets bemüht, die in ihn gesetzten Anforderungen zu erfüllen.“ Als naiver Leser hast du den Eindruck, da schreibt jemand, der engagiert und fleißig ist, jemand, der sich wirklich immer bemüht. In Wirklichkeit ist gemeint: Er hat sich immer bemüht und hat es nie geschafft. Ein neuer Arbeitgeber soll wissen, dass er damit gerade die Bewerbung eines völlig unfähigen Mitarbeiters vor sich hat.
Und das ist das Gegenteil von dem, was Paulus macht. Man bekommt nicht einen falschen Eindruck. Er versucht nicht, mit seinen Formulierungen einen falschen Eindruck zu vermitteln. Er sagt: Genau so, wie ich es schreibe, so meine ich es. Ihr könnt euch darauf verlassen. Ich will euch nichts anderes verkaufen oder unterschieben.
Das ist schon mal schön, denn es macht uns auf Dauer glaubwürdig. Man könnte noch Beispiele aus dem Verkauf nehmen: Kleinanzeigen, bei denen jemand ein Auto verkaufen will und sagt, es sei kürzlich eine Inspektion durchgeführt worden. Du hast den Eindruck, eine Werkstatt hat alles überprüft, ein Ölwechsel wurde gemacht. In Wirklichkeit hat eine Werkstatt nur gesagt, die Reparaturen lohnen sich nicht mehr, und hat nichts gemacht. Es steht ja nur da, dass eine Inspektion durchgeführt wurde. Du vermittelst einen Eindruck, der mit der dahinterstehenden Realität nichts zu tun hat. Du versuchst bewusst, etwas vorzutäuschen.
Paulus sagt: So sind wir nicht. Wir haben euch nicht hintergangen, wir wollen euch nicht hintergehen. Wir wollen euch nicht mit Argumenten gewinnen, die nicht stimmen.
Manchmal hat man den Eindruck, Christen wollen etwas verkaufen. Manche Christen versprechen wirklich ein Leben ohne Sorgen. Dann hast du einen großen Helfer, und alles ist viel schöner. Manche versprechen sogar, dass du reich, glücklich und gesund wirst. Aber damit müssen wir uns jetzt nicht beschäftigen.
Manchmal vermitteln wir den Eindruck, dein Leben wird einfacher, wenn du Jesus hast. Aber sagen wir den Leuten, dass sie manche Probleme erst bekommen, weil sie Jesus haben? Dass sie in ihrer Familie und Gesellschaft anecken, weil sie Jesus haben? Dass sie in manchen Ländern verfolgt werden, weil sie Jesus haben?
Jesus selbst war so ehrlich mit den Leuten. Er hat gesagt, was er von ihnen erwartet, und was auf sie zukommt. Er hat Leute weggeschickt, die gesagt haben, sie würden ihm gerne nachfolgen und Jünger sein. Er hat gefragt: „Kannst du das tragen, was da auf dich zukommt?“ Er hat Menschen reinen Wein eingeschenkt.
Paulus sagt, das haben wir auch gemacht. Wir haben euch reinen Wein eingeschenkt. Wir haben euch gesagt und vermittelt, was wirklich auf euch zukommt.
Es ist doch so, oder? Ich kann kurzfristige Erfolge haben, Menschen kurzfristig beeinflussen und mit Versprechungen gewinnen, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Aber ich werde nicht dauerhaft glaubwürdig sein für sie. Ich werde sie nicht dauerhaft für Nachfolge gewinnen.
Er schreibt: Wir haben Einfalt und Reinheit Gottes zu unserem Lebensprinzip gemacht. Zwei Begriffe.
Beginnen wir mit Reinheit. Er sagt, wir hatten nie schlechte oder zweifelhafte Motive, sondern wir haben wirklich Reinheit zu unserem Dienst und Lebensprinzip gemacht. Wir wollten wirklich nicht euer Geld, auch wenn das immer wieder Leute unterstellt haben. Es ging uns nicht um Ansehen, indem wir viele Leute um uns sammeln. Es ging uns nicht darum, andere Menschen zu bestimmen und zu dirigieren.
Manche engagieren sich in der Gemeinde, weil sie bestimmen wollen und eine Strategie im Kopf haben, was sie geistlich erreichen wollen. Sie schieben andere Menschen wie Schachfiguren herum, um ihre Ziele und Konzepte zu verwirklichen. Paulus sagt: Wir hatten keine schlechten Motive. Wir haben wirklich Reinheit Gottes zu unserem Lebensprinzip gemacht. Wir wollten Gottes Ziele verwirklichen, nicht unsere eigenen. Wir haben nicht unseren Vorteil gesucht und wollten nicht unsere Ziele durchsetzen.
Das zweite, was er sagt, ist: Wir haben Einfalt zu unserem Prinzip gemacht. Ich glaube, das heißt in diesem Zusammenhang: Vielleicht haben wir keine schlechten Motive, vielleicht haben wir gute Motive. Und haben den Eindruck, für gute Motive darf man auch zweifelhafte Methoden verwenden. Wisst ihr, was ich meine?
Du bist mitten in der Diskussion über einen Gottesbeweis. Du fragst dich, was dafür spricht, dass es wirklich Gott gibt. Im Laufe der Diskussion beginnst du, Argumente zu verwenden, an die du selbst nicht glaubst, von denen du aber glaubst, dass sie für den anderen eindrucksvoll sind und die er nicht hundertprozentig überprüfen kann.
Du hast ein gutes Motiv: Du möchtest ihn von Gott überzeugen. Aber eigentlich bist du so sehr darauf bedacht, die Diskussion zu gewinnen. Ich glaube, wie Paulus sagt, haben wir das nicht gemacht. Wir haben nur Dinge gelehrt und euch beigebracht, an die wir selbst hundertprozentig geglaubt haben. Nicht nur an die Ziele, sondern auch an unsere Argumente und Methoden. Wir waren wirklich einfältig vor Gott und rein vor Gott. Wir wollten euch nichts verkaufen.
Ende von Vers 12: Wir haben nicht in fleischlicher Weisheit gehandelt. Und genau das wäre eben alles, was ich gerade als Negativbeispiele aufgezählt habe. Fleischliche Weisheit ist das, womit man auf dieser Welt zum Ziel kommt, womit man etwas verkauft.
Paulus sagt: Aber wir haben genau das nicht verwendet, weil wir euch nichts verkaufen wollten. Nicht mal den Himmel, sondern wir wollten euch wirklich einfach die Botschaft Gottes bringen. Wir haben nicht in fleischlicher Weisheit gehandelt, sondern in der Gnade Gottes.
Denn eigentlich heißt das: Menschlich gesehen ist das, was wir gemacht haben – so ehrlich mit euch zu sein, so transparent zu sein, und das zu einem frühen Zeitpunkt –, eigentlich dumm. So verkauft man seinen Glauben und seine Religion nicht. Dass ihr trotzdem gläubig geworden seid, lag nicht an unseren Argumenten, sondern an der Gnade Gottes.
Wir haben keine menschlichen Methoden verwendet, sondern gehofft, dass Gott in seiner Gnade wirkt. Letzten Endes ist das die einzige Möglichkeit, Menschen langfristig zu gewinnen, wenn man ehrlich ist. Wenn man rein in seinen Motiven ist, werden Menschen dich früher oder später durchschauen – vor allem deine eigenen Kinder.
Und wie viele Kinder aus christlichen Familien sagen als Erwachsene: „Ich wollte schon als Jugendlicher nichts mehr mit dem Glauben zu tun haben, weil das, was meine Eltern gelehrt und gelebt haben, einfach nicht deckungsgleich war.“ Wir haben das schon als Kinder durchschaut.
Um glaubwürdig zu sein, müssen wir ehrlich sein. Paulus hat gesagt, das haben wir zu unserem Lebensmotto gemacht: ehrlich zu sein.
Natürlich wird Liebe dem anderen nicht immer alles direkt und im ersten Gespräch an den Kopf werfen. Manches muss man schon sanft einführen. Paulus hat, wenn er in Korinth evangelistische Gespräche geführt hat, wahrscheinlich nicht im ersten Gespräch gesagt, dass ein Mann, der sich zu Gott bekehrt, seine homosexuelle Beziehung nicht fortführen kann. Das wird nicht Thema des ersten Gesprächs gewesen sein.
Aber er hat darauf geachtet, dass die Menschen rechtzeitig vor einer möglichen Bekehrung erfahren, was der Preis für sie persönlich ist. Nicht am Tag davor, aber rechtzeitig. Er hat mit Leuten sicher darüber gesprochen, dass Gott Sex nur in der Ehe möchte. Auch das war wahrscheinlich kein Thema des ersten Gesprächs, aber auch nicht bis ganz zum Schluss aufgeschoben.
Ihr habt erlebt, dass eine Frau sich bekehrt hat und erst nach ihrer Bekehrung bewusst erfahren hat, dass sie nicht einfach eine Beziehung zu irgendeinem Mann anfangen kann. Das hatte ihr vorher offensichtlich niemand so deutlich gesagt, und sie war nicht lange dabei. Denn das war ein Preis, den sie gar nicht bezahlen wollte.
Liebe haut Leuten nicht im ersten Gespräch alles um die Ohren. Aber Liebe sorgt dafür, dass sie die entscheidenden Knackpunkte rechtzeitig erfahren. Es ist wichtig, dass wir ehrlich sind. Vor allem ist es wichtig, dass wir gute Motive haben.
Paulus’ wiederholte Betonung von Reinheit und Glaubwürdigkeit
Paulus kommt auf dieses letzte Thema noch mehrmals in seinem Brief zurück. Ich habe bereits gesagt, dass er viele Dinge wiederholt. Wir werden es noch einmal lesen, aber ganz kurz: In Kapitel 2, Vers 17 sagt er, und betont hier das Wort „wir“ tatsächlich im Originaltext: „Denn wir verfälschen nicht, wie viele andere, das Wort Gottes, sondern aus Reinheit, sondern aus Gott, vor Gott reden wir in Christus.“
Hier ist wieder das Wort „Reinheit“ wichtig. Er sagt, viele sind unterwegs und verfälschen das Wort Gottes, um Anhänger zu finden. Wir aber machen das nicht. Wir wollen keine Anhänger gewinnen, sondern Wahrheit lernen. Wir reden aus Gott und sagen den Leuten das, was Gott ihnen sagen will. Dabei sprechen wir vor Gott. Wir sind uns sehr bewusst, dass Gott bei jedem Gespräch zuschaut und in unsere Gedanken und Motive hineinschaut.
Wir führen unsere Gespräche mit Gläubigen und Ungläubigen ganz bewusst vor den Augen Gottes, der alles durchschaut. Das ist unser Lebensmodell und das, was unseren Dienst kennzeichnet.
Noch einmal in Kapitel 4, Vers 2 sagt Paulus: „Sondern wir haben von den verborgenen Dingen der Scham Abstand genommen.“ Was heißt das? Er meint, wir haben uns von allem distanziert, wofür wir uns schämen müssten, wenn es irgendwann herauskommt. Das sind die verborgenen Dinge der Scham – Dinge, die in dieser Phase der Beziehung oder in dieser Predigt noch verborgen sind, aber irgendwann ans Licht kommen.
Sobald sie ans Licht kommen, müssten wir uns schämen, weil wir solche Methoden angewandt oder solche Motive gehabt hätten. Paulus sagt, davon haben wir uns distanziert. Solche Dinge haben wir nicht verwendet. Wir haben uns überlegt: „Das, was ich tue, das, was ich sage – müsste ich mich irgendwann dafür schämen, wenn jemand herausfindet, was dahintersteckt?“ Wenn wir diese Frage mit Ja beantworten mussten, haben wir es nicht getan.
Wir handeln nicht mit List und verfälschen das Wort Gottes nicht – das hatte Paulus ja bereits wiederholt. Stattdessen arbeiten wir durch die Offenbarung der Wahrheit. Selbst jeder Beurteilung durch Menschen empfehlen wir uns vor Gott. Wir sind offen für jede Prüfung. Wir stehen vor Gott und empfehlen uns jedem Menschen. Ihr könnt uns oft prüfen.
Wir sind ehrlich und haben keine unreinen, egoistischen Motive. Das gehört zu unserem Lebensstil und zu unseren Dienstprinzipien. Paulus wiederholt das immer wieder in diesem Brief, weil ihm Glaubwürdigkeit so wichtig ist.
Paulus’ Wunsch nach vollständigem Verständnis und gegenseitigem Stolz
Zurück zu Kapitel 1, Vers 13. Wir haben gelesen, und ich hoffe, dass ihr es letztlich vollständig verstehen werdet, so wie ihr uns zumindest teilweise verstanden habt. Ihr habt uns schon zum Teil verstanden und die Botschaft teilweise erfasst.
Ich hoffe, dass ihr uns irgendwann vollständig versteht und die Botschaft erkennt: dass wir wirklich Vorbilder für euch sind. Diese Botschaft ist nicht nur beeindruckend, sondern auch wichtig. Ich wünsche mir, dass ihr irgendwann vollständig versteht, dass wir euer Ruhm sind, so wie auch ihr der unsrige seid am Tag unseres Herrn Jesus Christus.
Wisst ihr, was ich mir wünsche? sagt Paulus. Ich wünsche mir, dass ihr irgendwann im Himmel ankommt und sagt: „Wisst ihr was? Ich bin durch Paulus gerettet worden.“ Oder: „Unsere Gemeinde ist von Paulus gegründet worden.“ Und dass ihr das nicht sagt, weil Paulus ein Apostel ist oder weil er ein großer Name in der Kirchengeschichte ist, sondern weil ihr sagt: „Ich bin so stolz darauf, denn das war wirklich ein ehrlicher Mensch, der keine egoistischen Motive hatte. Ich bin so froh, dass ich durch so einen Menschen gläubig geworden bin und dass unsere Gemeinde durch so einen Menschen gegründet wurde.“
Das wünsche ich mir: dass ihr darauf stolz seid, von so einem Menschen zum Herrn gebracht worden zu sein. Und ja, natürlich, sagt Paulus, wünschen wir uns auch, dass wir dann auf euch stolz sein können.
Paulus’ Umgang mit Vorwürfen zur Unzuverlässigkeit
Na ja, wir hatten schon diese ganzen Reisepläne, die er mehrmals geändert hat. Den Geschwistern wurde gesagt, der Mann ist einfach unzuverlässig.
„Guck mal, ihr meint, er hält nicht einmal seine Versprechungen, wann er kommt, in welcher Reihenfolge oder wohin er fährt. Wie könnt ihr so einem Mann vertrauen, der schon in solchen Kleinigkeiten so unzuverlässig ist?“
Wisst ihr, was ich mit so einem Argument gemacht hätte? Ich hätte gesagt, das ist so albern, da verschwende ich keinen Satz drauf. Aber was macht Paulus? Er schreibt einen ganzen Abschnitt darüber. Warum? Weil es eigentlich wichtig ist, zuverlässig zu sein. Weil er sagt, das gehört zur Glaubwürdigkeit dazu, zuverlässig zu sein.
Ich meine, wir leben heute wie in einer Generation – ich weiß nicht, wie das bei euch ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, ich rede mit Leuten, die Sachen organisieren, manchmal organisiere ich sogar selbst etwas. Man hat den Eindruck, dass eine Generation groß geworden ist mit einem Smartphone in der Hand, die sich immer frühestens im letzten Moment verbindlich zu irgendetwas anmeldet. Denn es könnte ja immer noch sein, dass etwas noch Attraktiveres kommt, was sie verpassen würden, weil sie sich schon bei der Freizeit angemeldet haben.
Ich weiß nicht, ob es für euch irgendetwas Attraktiveres gibt als diese Freizeit, aber ganz theoretisch machen viele Organisatoren, auch im christlichen Bereich, die Erfahrung, dass es keine Verbindlichkeit gibt, dass es keine Zuverlässigkeit gibt. Denn es könnte immer sein, dass es noch etwas Besseres gibt.
Paulus sagt, das werfen die Leute uns vor: dass wir so sind, dass wir gesagt haben, wir kommen zu euch. Dann hat sich irgendeine Tür aufgetan in Troas oder Mazedonien, und dann haben sie gesagt: „Nein, das ist doch noch besser.“ Und dann haben sie uns einfach hängen lassen, weil sie so wichtig sind, dass wir uns nach innen richten müssen und sie sich nicht nach ihren Versprechen richten müssen.
Paulus sagt: Ich möchte nicht, dass irgendjemand denkt, dass wir wirklich so sind. Eigentlich ist Zuverlässigkeit, sagt Paulus, mir total wichtig. Es gibt Gründe, warum ich in dem Fall so gehandelt habe, und ich möchte, dass ihr diese Gründe versteht. Ich möchte, dass ihr transparent seid mit diesen Gründen bei euch.
Weil ich nicht möchte, dass dieser Vorwurf so unkommentiert im Raum stehen bleibt. Ich lese diese ganzen Stellen jetzt nicht vor, weil es spät ist.
Dann sagt er noch: Sie sagen von uns, dass bei uns das Ja Ja und das Nein Nein ist. Und das ist nicht nur eine Anfrage an Zuverlässigkeit, sondern auch an Treue. Wahrscheinlich hat das etwas mit Eheversprechen zu tun.
Ich sage sehr enthusiastisch: Ja, ja, ich will zu dir stehen mein ganzes Leben lang. Und zwei Jahre später sage ich: Nein, nein, mit dir will ich kein gemeinsames Leben mehr führen von heute an.
Paulus sagt, sie unterstellen uns, dass wir so sind, dass wir uns in euch investieren eine Weile, und dann funktioniert ihr nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Dann lassen wir euch irgendwie fallen.
Paulus sagt: So sind wir nicht, weil wir sind von Gott geprägt, wir sind von Jesus geprägt. Jesus ist zuverlässig, und Jesus ist das Ja und das Amen, schreibt Paulus in diesem Zusammenhang. Und wir sind seine Diener.
Und was das Schlimmste wäre, sagt Paulus, ist der Gedanke, wenn wir untreu sind, dann ist der, für den wir unterwegs sind, wahrscheinlich genauso.
Ihr könnt von uns denken, was ihr wollt, aber ihr dürft niemals, niemals die Zuverlässigkeit und die Treue dort in Frage stellen. Das ist mir total wichtig. Wenn ihr zu der Entscheidung kommt, wir sind wirklich schräg, meine Meinung bleibt dabei. Aber zieht daraus keinen Rückschluss auf unseren Herrn.
Paulus’ Liebe als Grundlage seiner Glaubwürdigkeit
Und wir merken, wie Paulus um das Thema Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit kämpft. Er betont: Wir sind ehrlich, wir haben keine falschen Motive, wir sind eigentlich nicht unzuverlässig, vor allem sind wir nicht untreu. Wir stehen zu euch und lassen euch nicht fallen. Dieses Anliegen wiederholt er immer wieder in diesem Zusammenhang.
Paulus sagt in 2. Korinther 1,23: „Ich überrufe Gott zum Zeugen an auf meine Seele.“ Er schwört, dass er, um euch zu schonen, noch nicht nach Korinth gekommen ist. Es war wirklich nicht seine Unzuverlässigkeit, es war keine Untreue. Diese Dinge sind ihm total wichtig – es wart ihr. Er dachte, es wäre schädlich für euch und eure Beziehung zum Herrn und zu ihm, wenn er jetzt käme. Deshalb hat er es zugesagt und dann nicht gemacht, um euch zu schonen. Er hat es aus Liebe getan.
Dass Liebe aber manchmal den Eindruck erweckt, man sei vielleicht nicht vertrauenswürdig, ist ein weiterer Punkt, den Paulus anspricht. In Vers 4 sagt er: „Denn aus viel Erdrangsel und Herzensangst schrieb ich euch mit vielen Tränen, nicht damit ihr traurig gemacht werdet, sondern dass ihr die Liebe erkennt, die ich überströmend zu euch habe.“
Das ist der letzte Punkt, den er in diesem Abschnitt anführt und den wir schon oft in diesem Brief gesehen haben: Glaubwürdigkeit entsteht, wenn deutlich wird, dass uns etwas an dem anderen liegt. Es gibt nichts, was so glaubwürdig macht – in unserem Dienst an Ungläubigen oder Gläubigen – wie die klare Erkenntnis, dass der andere uns wichtig ist. Dass er für uns nicht nur ein Missionsobjekt ist, nicht eine Schachfigur, die wir umsetzen, um unsere Strategie zu erreichen, sondern dass er uns wirklich wichtig ist.
Nichts, auch nicht all die anderen Dinge, die Paulus vorher genannt hat, macht uns so glaubwürdig wie diese ehrliche Zuwendung. Darum sollten wir das sehr ernst nehmen.
Wie werden wir glaubwürdig? Durch Ehrlichkeit, ja. Durch Zuverlässigkeit, ja. Aber vor allem durch unsere ehrliche Haltung zum anderen, unsere dauerhafte Haltung zu dem, dem wir dienen wollen, dem wir helfen wollen, einen guten Weg zu gehen.
Wenn wir unsere Geschwister lieben – liebst du deine Geschwister? – dann kannst du ihnen auch ab und zu etwas Kritisches sagen. Vorausgesetzt, sie merken, dass du sie liebst und es nicht aus Rechthaberei tust, sondern aus Liebe.
Lieben wir unsere ungläubigen Freunde, unsere noch nicht gläubigen Freunde wirklich, erhöht das die Chance, wenn auch keine Garantie, dass sie sich für das Evangelium öffnen.
Manchmal kann Liebe sogar unsere Zuverlässigkeit einschränken, wie hier bei Paulus. Im Alten Testament gibt es ein herausragendes Beispiel, wie Liebe die Ehrlichkeit eingeschränkt hat: Jemand wollte David schonen, als sein Sohn umgekommen war. Er lief als Bote, um David die Botschaft zu bringen – er kannte einen schnelleren Weg als den offiziellen, neutralen Boten. Doch er sagte David nicht die ganze Wahrheit, weil er ihn liebte und sein Herz auf die ganze Wahrheit vorbereiten wollte, die David eine halbe Stunde später erfahren sollte.
Manchmal schränkt Liebe also Zuverlässigkeit und sogar Ehrlichkeit ein. Aber letzten Endes macht wirkliches Interesse, wirkliche Liebe uns glaubwürdig.
Paulus’ Liebe als Motivation für seinen Dienst
Letzter Vers, noch einmal aus dem Ende, also aus dem zweiten Teil des zweiten Korintherbriefs. Dort wurde diskutiert, warum Paulus kein Geld genommen hat. Paulus sagt in 2. Korinther 11,11 die Frage: Warum habe ich so gehandelt?
Weil ich euch nicht liebe? Gott weiß es. Er konnte ganz im Herzen vor Gott, der alles durchschaut, sagen, dass er die Menschen wirklich liebt. Und das macht ihn so glaubwürdig.
Überlege dir: Wenn du mit dem Evangelium unterwegs bist, liebst du diese Menschen wirklich? Oder erfüllst du nur deine religiöse Pflicht? Ist es das, was meine Geschwister oder meine Gemeinde von mir erwartet?
Lasst uns darum beten, dass wir Menschen wirklich lieben und für sie glaubwürdig werden – egal ob es Gläubige oder Ungläubige sind.
