Einführung und Überblick über die Zwölf Kleinen Propheten
Ich merke hier immer wieder, wie sehr man von den Gebeten der Geschwister abhängig ist. Es ist auch ein Anliegen, dass der Herr uns in diesen zwei, drei Tagen Gnade schenkt, einen ziemlich anspruchsvollen Teil des Wortes Gottes zu lesen und durchzuarbeiten.
Das wird jetzt keine klassische Predigt, also bitte erwarten Sie das nicht. Es wird mehr eine Textarbeit im Seminarstil sein. Natürlich dürfen auch Fragen gestellt werden, und man versucht dann, wenn möglich, darauf zu antworten.
Ich habe euch die Gliederung verteilt. Wir haben noch zu wenige Kopien, deshalb müssen wir noch mehr Kopien anfertigen, damit jeder ein Blatt bekommt.
Wir werden es so machen, dass ich zuerst ein paar allgemeine Dinge über die zwölf Propheten, die sogenannten „kleinen Propheten“, sage. Im hebräischen Kanon der Bibel ist ihre Anordnung wie folgt: Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja, Haggai, Sacharja und Maleachi.
Ich habe einmal festgestellt, als ich diese kleinen Propheten miteinander verglichen habe, dass der Erste und der Letzte einiges gemeinsam haben. Hosea und Maleachi sprechen sehr viel von der Liebe Gottes. Übrigens: Schwarz steht hier für Juda, und Rot für Israel. Das stimmt nicht ganz. Doch, es war so, dass auch Micha in Israel, im Nordreich, geweissagt hat. Ich war mir nicht mehr sicher, ob Micha im Nordreich geweissagt hat. Tatsächlich war das so.
Micha war ein Zeitgenosse von Jesaja, und das hat mich ein wenig stutzig gemacht, weil Jesaja im Süden wirkte und Micha im Norden. Die roten Markierungen stehen also für das Nordreich, die schwarzen für das Südreich. Dabei sind auch die nachexilischen Propheten dabei, Maleachi, Haggai und Sacharja, die erst nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft im sechsten Jahrhundert vor Christus geweissagt haben.
Die Ersten und die Letzten haben also einiges gemeinsam. Dann gibt es Paare: Joel und Amos gehören zusammen und haben viel gemeinsam. Auch Haggai und Sacharja bilden ein Paar. Obadja und Zephanja haben ebenfalls viel gemeinsam, vor allem in Bezug auf den „Tag des Herrn“.
Jona und Habakuk sprechen beide stark über die Barmherzigkeit Gottes, über das Erbarmen des Herrn. Micha und Nahum haben ebenfalls einiges gemeinsam. Darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen. Wir wollen uns vor allem dem Buch Joel zuwenden.
Historischer Kontext und Datierung des Buches Joel
Man ist sich nicht ganz sicher, wann Joel geweissagt hat. Die meisten Ausleger entscheiden sich jedoch für eine Frühdatierung, das heißt ins neunte Jahrhundert vor Christus, etwa 830 oder 840 vor Christus. Diese Meinung vertrete auch ich.
Manche meinen, er habe sehr spät geweissagt, doch es gibt viele Argumente dagegen. Ein Grund, warum ich Joel zu den früheren Propheten zähle, ist die Anordnung im Kanon: Joel steht direkt neben Amos, der ebenfalls ein früher Prophet war. Zudem zitiert Amos Joel. Das Ende von Joel und der Anfang von Amos sind eng miteinander verbunden.
So heißt es im Joel: „Der Herr brüllt vom Zion her und lässt aus Jerusalem seine Stimme erschallen“ (Joel 4,16). Amos greift diesen Satz ganz am Anfang seiner Prophetie auf: „Der Herr brüllt vom Zion her und lässt aus Jerusalem seine Stimme erschallen“ (Amos 1,2). Das ist genau derselbe Satz im Hebräischen.
Offensichtlich zitiert Amos Joel und nicht umgekehrt. Bei Joel steht dieser Satz mitten in einem Bericht über den Tag des Herrn, während Amos gerade mit diesem Vers beginnt. Jedenfalls weissagte Joel vor Amos.
Joel lebte auch vor Jesaja, denn Jesaja zitiert ihn in Jesaja 13,6. Dort heißt es: „Heult, denn nahe ist der Tag des Herrn, er kommt wie eine Verwüstung vom Allmächtigen.“ Das ist ein Vers aus Joel 1,15, der in Jesaja 13,6 zitiert wird.
Die Feinde, um die es im Buch Joel geht, sind die Phönizier, die Philister, die Griechen und die Sabeer. Auffällig ist, dass nicht die Assyrer und Babylonier genannt werden. Diese waren frühe Feinde, also im neunten Jahrhundert, nicht im sechsten oder siebten Jahrhundert. Die Assyrer waren im siebten und achten Jahrhundert die Feinde, die Babylonier im sechsten und siebten Jahrhundert. Das spricht ebenfalls für eine frühe Abfassung.
Interessant ist auch, dass kein König im Buch Joel erwähnt wird. Stattdessen werden die Priester hervorgehoben und angesprochen, der König kommt nicht vor. Das könnte daran liegen, dass es eine Zeit gab, in der Joas regierte, aber er war ein Kind und herrschte nicht selbst. Stattdessen regierte der Hohepriester Jojada, der Joas versteckt hatte.
Es könnte also sein, dass die Weissagung genau in diese Zeit fällt. Das sind einige Argumente, die für mich für eine frühe Datierung des Buches Joel sprechen.
Einführung in das Buch Joel und erste Lesung
Wir lesen Vers 1: Das Wort Jachwes, das an Joel, den Sohn Betuels, geschah. Das Wort Jachwes geschah, ereignete sich, es kam an Joel. Joel heißt der, dem Yahweh Gott ist, also der, dessen Gott Yahweh ist. Das ist ein bekannter Name und kommt mehrfach in der Bibel vor.
Lesen wir zuerst einige Verse, bevor wir tiefer einsteigen. Wir werden uns besonders mit Kapitel 3 beschäftigen, das uns länger beschäftigen wird, sowie mit Kapitel 4 morgen. Denn dort geht es um den Tag des Herrn.
Überhaupt ist das Thema „Tag des Herrn“ in diesen Propheten wichtig. Fünfmal kommt dieser Ausdruck „Tag des Herrn“ vor. Ich denke, hier muss einiges geklärt werden, was eigentlich der Tag des Herrn ist. Unter Christen gibt es viele verschiedene Meinungen dazu, und Joel gibt uns dabei große Hilfe.
Lesen wir zuerst Vers 2: Hört dies, ihr Ältesten, und nehmt es zu Ohren, alle Bewohner des Landes! Ob es in euren Tagen geschehen ist oder in den Tagen eurer Väter, erzählt euren Kindern davon, und eure Kinder ihren Kindern, und ihre Kinder der folgenden Generation.
Was der Nager übriggelassen hatte, fraß die Heuschrecke, und was die Heuschrecke übriggelassen hat, fraß der Abfresser, und was der Abfresser übriggelassen hat, fraß der Vertilger.
Es geht hier um eine Heuschreckenplage, die zu jener Zeit in Israel war. Solche Plagen gab es öfter, aber diese Plage war besonders, weil sie auf den Tag des Herrn hinwies. Diese schreckliche Plage wird hier mit dem großen Tag des Herrn verbunden.
Es gibt einen Aufruf zur Buße, und tatsächlich zeigt sich, dass dieser Aufruf zur Buße fruchtet. Joel spricht dann über den Segen, den der Herr aufgrund der Buße bringen wird. Dabei spricht er sehr viel von der Endzeit, besonders in Kapitel 3 und Kapitel 4.
Die Heuschreckenplage als Symbol für Gericht und Aufrufe zur Buße
Warum diese Heuschreckenplage als so ein furchtbares Gericht dargestellt wird und warum sie als ein Tag des Herrn, also als Gerichtstag des Herrn, bezeichnet wird, wollen wir uns jetzt etwas genauer ansehen.
Die Verse 1 bis 4 bilden sozusagen die Einleitung. Wir haben gerade die Verse 2 bis 4 gelesen. Ab Vers 5 bis 7 folgen nun Aufrufe. Eigentlich richten sich die Aufrufe von Vers 5 bis 14 an verschiedene Bevölkerungsgruppen.
Vers 5 bis 7 sprechen die Trinker an: „Wachet auf, ihr Trunkenen oder Angetrunkenen, und weint und heult, all ihr Weintrinker, über den Most! Denn er ist weggenommen von eurem Munde, denn ein Volk ist über mein Land heraufgezogen, mächtig und ohne Zahl. Seine Zähne sind Löwenzähne, und es hat das Gebiss einer Löwin. Es hat meinen Weinstock zur schaurigen Öde gemacht und meinen Feigenbaum zerknickt. Es hat ihn vollständig abgeschält und hingeworfen, seine Ranken sind weiß geworden.“
Die, die gerne Wein trinken, sollen weinen, weil es keinen Wein mehr gibt. Das ist hier die Aussage. Die Heuschrecke hat die Ernte zerstört – und zwar in großer Zahl, also viele, viele Heuschrecken. Hier werden sie grässlich beschrieben: Die Zähne sind wie Löwenzähne, und das Gebiss wie das einer Löwin. Das bedeutet eine furchtbare Bedrohung für das Volk. Auch der Feigenbaum ist zerknickt, also verdorrt, weil die Heuschrecken ihn gefressen und abgeschält haben.
Die Verse 8 bis 10 richten sich an eine ungenannte Adresse. Es steht nicht da, an wen hier gesprochen wird: „Wehklage wie eine Jungfrau, die wegen des Gatten ihrer Jugend mit Sacktuch umgürtet ist. Speisopfer und Trankopfer sind weggenommen vom Haus Jachwes.“
Speisopfer deshalb, weil das Korn, also die Weizenernte, vernichtet ist. Die Trankopfer sind weggenommen, weil die Weinernte zerstört wurde. Somit kann nichts mehr im Hause des Herrn dargebracht werden.
„Es trauern die Priester, die Diener Jachwes. Das Feld ist verwüstet, es trauert der Erdboden, denn das Korn ist verwüstet, der Most ist vertrocknet, verwelkt ist das Öl.“
Diese drei – das Korn (also der Weizen), der Most (der Wein) und das Öl (von den Olivenbäumen) – sind verwüstet, vertrocknet und verwelkt. Der Prophet spricht hier sehr poetisch. Im Hebräischen ist das natürlich viel stärker als im Deutschen, aber auch im Deutschen fällt auf, dass er immer in Dreiergruppen spricht. Er erwähnt immer wieder drei Dinge, später auch einmal vier, aber sonst sind es meist Dreiergruppen. Das fällt hier besonders auf: Korn, Most und Öl zum Beispiel.
Die Wehklage in Vers 8 lautet: „Wehklage wie eine Jungfrau, die wegen des Gatten ihrer Jugend mit Sacktuch umgürtet ist.“ Israel soll hier klagen wie eine Braut, deren Verlobter gestorben ist. So soll Israel in Trauer liegen. Das ist eine Anspielung auf die Ehe zwischen dem Herrn und seinem Volk Israel. Der Herr ist der Verlobte aus der Jugendzeit Israels, und Israel ist die Ehefrau Gottes. Israel hat ihren geliebten Herrn verloren.
Offensichtlich gab es Sünden, und dieses Gericht, das hier gekommen ist, ist ein Gericht wegen der Sünden Israels.
Wir lesen weiter, Verse 11 und 12: „Seid beschämt, ihr Ackerbauern! Jetzt richtet er sich an die Weinbauern und an die Ackerbauern: Seid beschämt, ihr Ackerbauern! Heult, ihr Winzer oder ihr Weinbauern, über den Weizen und über die Gerste! Denn die Ernte des Feldes ist zugrunde gegangen, der Weinstock ist verdorrt, der Feigenbaum verwelkt, Granatbaum und Palme und Apfelbaum – alle Bäume des Feldes sind verdorrt. Ja, verdorrt ist die Freude von den Menschenkindern.“
Hier haben wir wieder eine Dreiergruppe, und auch die Sätze sind in Dreiersätzen aufgebaut. Vers 12 besteht aus drei Sätzen: „Der Weinstock ist verdorrt und der Feigenbaum verwelkt“ ist der erste Satz. „Granatbaum, Palmen und Apfelbaum, alle Bäume des Feldes sind verdorrt“ ist der zweite Satz. „Ja, verdorrt ist die Freude von den Menschenkindern“ ist der dritte Satz.
Man wird es immer wieder merken: solche Dreiergruppen.
Hier richtet sich der Prophet an die Bauern. Sie sollen beschämt sein, sollen heulen und weinen, weil die ganze Ernte verloren ist.
Und an die Priester, Verse 13 und 14: „Umgürtet euch und wehklagt, ihr Priester! Heult, ihr Diener des Altars! Kommt, übernachtet in Sacktuch, ihr Diener meines Gottes! Denn Speisopfer und Trankopfer sind dem Hause eures Gottes entzogen.“
Die Priester als Erste müssen jetzt sehen, dass der Gottesdienst nicht mehr so ausgeführt werden kann wie sonst im Tempel. Es gibt kein Speisopfer mehr und kein Trankopfer mehr.
„Heiligt ein Fasten, ruft eine Festversammlung aus!“ Das heißt, sie sollen die Gemeinde zusammenrufen. Einen Fasttag aussondern – „heiligen“ bedeutet hier „aussondern“. Es soll ein Fasttag ausgerufen werden.
Es gab ja nur einen Fasttag im Jahr unter den Israeliten, das war der Versöhnungstag. Aber jetzt sollten sie einen zusätzlichen Fasttag einlegen und beten.
„Versammelt die Ältesten, alle Bewohner des Landes, zum Haus Jachwes, eures Gottes, und ruft zu Jachwe!“
Jetzt ist der Aufruf an das Volk, zu Gott zu beten. Oft braucht es lange und große Krisen, bis das Volk Gottes anfängt zu beten und zu rufen.
Verbindung von Heuschreckenplage und dem Tag des Herrn
In den Versen 15 bis 20 spricht er über den Tag des Herrn und verbindet dieses Gericht mit der Heuschreckenplage. Diese Verbindung ist typisch für die Prophetie im Alten Testament. Dort gibt es immer wieder Gerichtszeiten, die historische Ereignisse betreffen, und diese werden im Licht der Endzeit betrachtet.
Ein bekanntes Beispiel ist das Bild von Bergen, bei dem man die Täler dazwischen nicht sieht. Wenn man etwa in die Schweiz blickt, sieht man eine Berggruppe, aber die Täler dazwischen bleiben verborgen. Man nimmt an, dass alles zusammengehört, doch bei genauerem Hinsehen erkennt man die Zwischenräume. Ähnlich sieht der Prophet hier ein Gericht, das er mit dem letzten großen Tag des Herrn zusammenblendet. Er verkürzt dabei die Zeit praktisch, indem er diese Ereignisse miteinander verbindet.
„Ach, welch ein Tag! Denn nahe ist der Tag Jachwes.“ Er sieht, dass dieser große Gerichtstag Gottes nah ist. Der Endzeittag Gottes ist ein Tag des Gerichts und zugleich ein Tag des Heils für Israel.
Auch im Buch Amos wird von diesem Tag des Herrn gesprochen. Amos sagt nicht, dass dieser Tag hell sein wird, sondern er beschreibt ihn als einen dunklen Tag, einen Gerichtstag (Amos 5). An diesem Tag wird Gott alles stürzen, was sich gegen ihn richtet.
Ein Ausleger, Keil, schreibt dazu: „Alles Wirken Gottes in der Gegenwart ist ein fortwährendes Gericht, das am Ende mit einem großen Gerichtsakt abschließen wird.“ So sieht auch Joel diese beiden Gerichtstage zusammengefasst.
Joel sieht in der Heuschreckenplage den endzeitlichen Tag des Herrn kommen. Es handelt sich um eine für die biblische Prophetie typische Zusammenblendung von einer gegenwärtigen Katastrophe mit dem endzeitlichen Gerichtstag. Dabei wird die zeitliche Komponente verkürzt oder ganz außer Acht gelassen.
Joel verkündet nicht verschiedene Gerichte, die Gott im Lauf der Zeit über Israel und die Völker bringt. Vielmehr verkündet er das Gericht über Juda und die Völker als eine Gesamtheit. Er nennt dieses Gericht den Tag des Herrn, ohne die einzelnen Momente, in denen sich dieses Gericht historisch verwirklicht, näher zu erläutern oder auch nur anzudeuten – so der Kommentator Keil in seinem Kommentar.
Es handelt sich also um eine Zusammenblendung von Gegenwärtigem und Zukünftigem. Das Gericht der Heuschrecken ist für ihn eine Ankündigung: „Jetzt gleich kommt der Tag des Herrn, jetzt gleich kommt das Endgericht.“ Hier heißt es, der Tag Jachwes sei nahe, und er komme wie eine Verwüstung vom Allmächtigen.
Diesen Ausdruck greift Jesaja in Kapitel 13, Vers 6 auf. Fünfmal kommt der Ausdruck „Tag des Herrn“ in diesem Buch vor:
- Kapitel 1, Vers 15
- Kapitel 2, Vers 1: „Es kommt der Tag des Herrn, ja, er ist nahe, ein Tag der Finsternis und der Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und des Wetterdunkels.“
- Kapitel 2, Vers 11: „Der Herr lässt vor seiner Heeresmacht seine Stimme erschallen, denn sein Heerlager ist sehr groß, denn der Vollstrecker seines Wortes ist mächtig. Groß ist der Tag Jachwes und sehr furchtbar, und wer kann ihn ertragen?“
- Kapitel 3, Vers 4: „Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag Jachwes kommt, der große und furchtbare.“
- Kapitel 4, Vers 14: „Groß ist ihre Bosheit, Scharen über Scharen im Tal der Entscheidung, denn nahe ist der Tag Jachwes im Tal der Entscheidung. Die Sonne und der Mond verfinstern sich, und die Sterne verlieren ihren Glanz, und der Herr brüllt vom Zion her.“
Mehrfach heißt es außerdem „An jenem Tag“, „an jenem Tag“ usw. Der Ausdruck „Tag Jachwes“ kommt also öfter vor. Er findet sich auch bei anderen Propheten.
Weitere alttestamentliche Bezüge zum Tag des Herrn
Ich möchte jetzt einen Blick darauf werfen. Ich denke, ich habe hier eine Folie. Ich muss suchen, wo ich diese habe. Ah, die habe ich nicht hier. Nein, sie ist nicht hier. Dann vielleicht woanders. 1 und 2.
Und plötzlich wird zu seinem Tempel kommen Yahweh, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr begehrt. Siehe, er kommt. Wer aber kann den Tag seines Kommens ertragen, und wer wird bei seinem Erscheinen bestehen?
Hier heißt es nicht „Tag des Herrn“, sondern nur „der Tag seines Kommens“, also der Tag des Kommens Yahwehs. Wer kann den Tag ertragen, also ein Gerichtstag?
Oder hier in Maleachi 3, Vers 16: Da ist von dem Gedenkbuch die Rede, das geschrieben wurde. Und Vers 17: „Und sie werden mir“, sagt Yahweh der Heere, „zum Eigentum sein, nämlich diese Menschen, an dem Tag, den ich machen werde. Ich werde sie verschonen, die Gläubigen, wie ein Mann seinen Sohn verschont, der ihm dient. Und ihr werdet wieder den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Ehrfurchtslosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient. Denn siehe, der Tag kommt, brennend wie ein Ofen. Und alle Übermütigen und alle Täter der Ehrfurchtslosigkeit werden zu Stoppeln werden, und der kommende Tag wird sie verbrennen. Aber euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung in ihren Flügeln.“
Oder dieser Text aus Amos 5: Amos 5, Vers 18: „Wehe denen, die den Tag Jachwes herbeiwünschen! Wozu soll euch denn der Tag Jachwes sein? Er wird Finsternis sein und nicht Licht.“ Weiter heißt es: „Wird denn nicht der Tag Jachwes Finsternis sein und nicht Licht, und Dunkelheit und Nichtglanz?“
Kapitel 8, Vers 9: „Und es wird geschehen an jenem Tag“, sagt der Herr Jachwe, „da werde ich die Sonne untergehen lassen am Mittag und Finsternis über die Erde bringen am lichten Tag. Ich werde eure Feste in Trauer verwandeln und alle eure Gesänge in Klagelieder. Ich werde auf alle Lenden Sacktuch legen und auf jedes Haupt eine Glatze bringen. Ich werde es machen wie die Trauer um den einzigen Sohn, und das Ende davon wie einen bitteren Tag.“ Also wird es ein Gerichtstag werden.
Hesekiel 30, Vers 2: „Wehe der Tag, denn nahe ist der Tag, ja, der Tag Jachwes ist nahe. Ein Tag des Gewölks, Gerichtszeit der Völker wird er sein.“
Oder in Obadja, Vers 15: „Denn der Tag Jachwes ist nahe über alle Völker. Wie du getan hast, Edom, wird dir getan werden. Dein Tun wird auf dein Haupt zurückkehren.“
Oder Jeremia 30, Vers 5 heißt es: „Eine Stimme des Schreckens haben wir gehört, da ist Furcht und kein Frieden. Fragt doch und seht, ob ein Mann gebiert! Warum sehe ich die Hände eines jeden Mannes auf seinen Lenden, einer Gebärenden gleich, und jedes Angesicht in Blässe verwandelt? Wehe denn! Groß ist jener Tag ohnegleichen, und es ist eine Zeit der Bedrängnis für Jakob. Doch er wird aus ihr gerettet werden. Denn es wird geschehen an jenem Tag“, ist der Ausspruch Jachwes der Heere, „dass sich sein Joch von deinem Hals zerbrechen und deine Fesseln zerreißen werden. Fremde sollen ihm nicht mehr Dienst tun, sondern sie werden Jachwe, ihrem Gott, dienen und ihrem König David, den ich ihnen erwecken werde.“
Da spricht er von einer großen Bedrängniszeit.
In Joel haben wir diese Verse gerade gelesen.
Der Tag des Herrn im Neuen Testament
Im Neuen Testament kommt der Ausdruck „Tag des Herrn“ ebenfalls vor, wenn ich hier schon vorwegnehmen darf. Der Tag des Herrn wird auch bezeichnet als der Tag des Herrn Jesus, der Tag unseres Herrn Jesus Christus, der Tag Christi Jesu, der Tag Christi, der Tag des Menschensohnes, der große Tag des Gerichts, der große Tag seines Zorns, der Tag des Zorns oder einfach nur „der Tag“ beziehungsweise „jener Tag“.
Diese Bezeichnungen beziehen sich auf jenen einen Tag, an dem der Herr mit Macht und Herrlichkeit kommen wird. Der Ausdruck wird aus dem Alten Testament übernommen und auf den Herrn Jesus übertragen. Der Tag Jachwes wird so zum Tag des Herrn Jesus.
Zum Wortstudium: Der Tag des Herrn ist der Tag, an dem der Herr kommt oder an dem der Herr eingreift. Gott tritt auf den Plan. Man könnte sagen, es ist der Tag X – der Tag, an dem die große Abrechnung stattfindet.
Es heißt, dass dieser Tag wie ein Dieb in der Nacht kommt, zum Beispiel im 1. Thessalonicher 5,3. Dort wird das Verderben plötzlich über die Ungläubigen kommen.
Dasselbe ist aber auch der Tag, der die Gläubigen nicht wie ein Dieb überfallen wird. In 1. Thessalonicher 5,4 heißt es: „Ihr seid nicht in der Dunkelheit, so dass euch der Tag wie ein Dieb überfallen würde.“ Die Gläubigen werden also nicht von diesem Tag überrascht.
Das war jetzt zwar ein kleiner Exkurs, aber er hilft uns, einen Begriff von diesem Tag des Herrn zu bekommen. Das brauchen wir jetzt nicht weiter vertiefen.
Gut, dann zurück zu unserer Gliederung.
Vertiefung: Kapitel 1, Vers 15 und die Heuschreckenplage als Gericht
Wir sind in Kapitel 1, Vers 15.
„Ach, welch ein Tag, denn nahe ist der Tag Jachwes! Und er kommt wie eine Verwüstung von dem Allmächtigen. Ist nicht das Brot vor unseren Augen weggenommen, Freude und Frohlocken vom Haus unseres Gottes?“
Ihr merkt wieder Brot, Freude, Frohlocken – wieder diese Dreiergruppe. Die Samenkörner sind unter ihren Scheunen vermodert, die Vorratshäuser verödet, die Scheunen zerfallen, denn das Korn ist verdorrt.
Wie stöhnt das Vieh! Die Rinderherden sind bestürzt, weil sie keine Weide haben. Auch die Kleinviehherden büßen.
Hier immer wieder Dreiergruppen: zuerst über die Freude, dann über die leeren Scheunen und schließlich über das Vieh.
Vers 19: „Zu dir, Yahweh, rufe ich. Ein Feuer hat die Weideplätze der Steppe verzehrt, und eine Flamme alle Bäume des Feldes versenkt. Auch das wild lebende Getier des Feldes schreit lechzend zu dir. Vertrocknet sind die Wasserbäche, und ein Feuer hat die Weideplätze der Steppe verzehrt.“
Diese schreckliche Plage ist offensichtlich. Doch man merkt schon, dass mehr dahintersteckt. Das ist nicht nur eine Plage.
Hinter der Plage sieht er ein Eingreifen Gottes – ein ganz schreckliches Eingreifen Gottes zur Züchtigung seines Volkes, zum Gericht über sein Volk.
Deshalb sagt er hier: Der Tag des Herrn ist nahe, das Eingreifen Gottes ist nah, und es kommt ein schreckliches Gericht.
Kapitel 2: Beschreibung des Tages Jachwes und die Heuschreckeninvasion
In Kapitel 2, in den ersten elf Versen, finden wir eine Beschreibung des Tages Yahwehs. Es handelt sich um eine genauere Darstellung dieses Tages, bei der weiterhin von der Heuschreckeninvasion die Rede ist.
Gleichzeitig wird deutlich, dass diese Darstellung mit der Endzeit verknüpft wird. Es ist, als ob zwei Ebenen miteinander verschmolzen werden: Die Heuschreckenplage wird überlagert mit dem endzeitlichen Tag des Herrn.
Nun spricht der Text von diesem Gericht. Lesen wir es uns genauer an. Im Hebräischen ist der Text in Strophen gegliedert, was eine poetische Struktur darstellt. Diese lässt sich im Deutschen nur schwer nachahmen.
Die erste Strophe umfasst die Verse eins bis drei.
Erste Strophe: Die Furchtbarkeit dieses Tages (Verse 1-3)
Die Furchtbarkeit dieses Tages – also eine allgemeine Aussage, ein Aufruf zum Lärmblasen – stößt ins Horn in Zion. Zion ist übrigens der Berg in Jerusalem, der Tempelberg. Er steht oft für die ganze Stadt, manchmal für ganz Jerusalem, manchmal für ganz Judäa oder ganz Israel. Manchmal steht Zion auch für das Volk, also für alle.
Hier bedeutet „stößt ins Horn in Zion“ wahrscheinlich „im Lande“, in der Umgebung von Jerusalem, im ganzen Land Judäa. Es heißt also: Stößt ins Horn und blast Lärm auf meinem heiligen Berg! Alle Bewohner des Landes sollen beben, denn der Tag Jachwes kommt, und er ist nahe.
Es ist ein Tag der Finsternis und der Dunkelheit, ein Tag des Gewölks und der Wolkennacht. Wie die Morgendämmerung ist er ausgebreitet über die Berge – ein großes und mächtiges Volk, wie seinesgleichen von Ewigkeit her nicht gewesen ist.
Jetzt beschreibt der Text diese Heuschreckenplage im Bild eines Volkes, das heraufzieht, ein feindliches Volk, und zwar so groß, wie es noch nie eins gab. „Wie seinesgleichen von Ewigkeit her nicht gewesen ist und nach ihm nicht mehr sein wird bis in die Jahre der Geschlechter und Geschlechter“, das heißt, bis in alle Ewigkeit wird es nie mehr so ein schreckliches Gericht geben, so eine große Plage.
Vor diesem Volk her, in Vers 3, verzerrt das Feuer, und hinter ihm lodert die Flamme. Vor ihm ist das Land wie der Garten Eden, also wie das Paradies, und hinter ihm eine öde Wüste, ohne enttrollte Läster übrigzulassen.
Das Paradies wird also verwandelt in eine Wüste, ähnlich wie Sodom und Gomorra. Das war auch die Gegend, wo Lot sagte, es sei so schön wie der Garten Eden, und deshalb wollte er dorthin. Doch dann hat Gott es in eine Wüste verwandelt.
Die zweite Strophe umfasst die Verse 4 bis 6.
Zweite Strophe: Aussehen und Entsetzen der Heuschrecken (Verse 4-6)
Es geht hier um das Aussehen, das Auftreten und das Entsetzen der Völker vor diesen Heuschrecken, vor diesem grässlichen Heuschreckenvolk. Das Aussehen dieses Heuschreckenvolks wird mit dem von Pferden verglichen. Die Heuschrecken werden also mit Reitpferden gleichgesetzt, so rennen sie.
Ein ähnliches Bild findet sich auch in Offenbarung Kapitel 9, wo dieses Motiv erneut aufgegriffen wird. Wie Reitpferde rennen sie, wie Wagengerassel hüpfen sie auf den Gipfeln der Berge. Ihr Geräusch wird mit dem Prasseln einer Feuerflamme verglichen, die die Stoppeln verzehrt.
Sie sind wie ein mächtiges Volk, das zum Kampf gerüstet ist. Das heißt, wie Pferde, wie ein Kriegsvolk, das zum Kampf bereitsteht, beschreibt der Text hier diese Heuschrecken. Unter ihnen knistert es wie eine Flamme, kein Hindernis hält sie auf. Sie kommen und fressen alles nieder. Weder Mauern noch Fenster noch irgendetwas anderes hält stand.
Vor ihnen zittern die Völker, alle Gesichter erblassen. In der nächsten Strophe geht es weiter.
Dritte Strophe: Unwiderstehliches Vorrücken (Verse 7-11)
Wie sie unwiderstehlich vordringen, Vers 7 bis 11
Sie rennen wie Helden, wie Kriegsleute, ersteigen die Mauer. Jeder zieht auf seinem Weg, also jeder stracks vor sich hin, und ihre Pfade wechseln sie nicht. Sie sind unbeirrt, kommen heran und fressen alles gerade vor sich auf.
Vers 8
Keiner drängt den anderen. Sie ziehen jeder einzeln auf seiner Bahn und stürzen zwischen den Waffen hindurch, ohne sich zu verwunden. Sie fressen alles durch, die Waffen können ihnen gar nichts anhaben.
Sie laufen in der Stadt umher, rennen auf die Mauer, steigen in die Häuser. Durch die Fenster dringen sie ein wie Diebe. Vor ihnen erbebt die Erde, erzittert der Himmel. Sonne und Mond verfinstern sich, und die Sterne verhalten ihren Glanz.
Es wird ganz dunkel vor lauter Heuschrecken in der Luft. Sie dringen überall hinein. In der Nacht ist die Dunkelheit besonders dicht, denn die Sterne scheinen nicht und der Mond nicht, weil die Luft voller Heuschrecken ist. Am Tag ist die Sonne verdunkelt, weil die Luft voller Heuschrecken ist.
Aber interessant ist doch diese Ausdrucksweise, denn später wird vom Tag des Herrn gesagt, dass dieser ein Tag der Finsternis und des Wolkendunkels ist. Er spricht hier nicht nur von einer damaligen Heuschreckenplage, sondern hat mehr im Sinn. Er verbindet zwei Dinge: die Heuschreckenplage und den großen Tag des Herrn. Das wird noch deutlicher werden.
Vers 10
Vor ihnen erbebt die Erde, erzittert der Himmel. Sogar der Himmel zittert vor den Heuschrecken. Was sind das für Heuschrecken? Hier sieht man, dass er schon von einem großen Beben am Tag Gottes spricht. Sonne und Mond verfinstern sich, und die Sterne verhalten ihren Glanz, weil der Herr im Gericht kommt. Deshalb zittert alles.
Vers 11
Yahweh lässt vor seiner Heeresmacht seine Stimme erschallen. Gott führt dieses Heer an, er ist der Feldherr dieses Heuschreckenheeres. Sein Heerlager ist sehr groß, und der Verstrecker seines Wortes ist mächtig. Die Verstrecker sind diese Gerichtsheuschrecken, sie sind die Vollstrecker des Gerichtswortes Gottes.
Denn groß ist der Tag Jachwes und sehr furchtgebietend. Wer kann ihn ertragen? Die Antwort ist: Niemand. Niemand kann den Tag des Herrn ertragen, außer denen, die sich von dem Herrn retten lassen. Davon werden wir später in Kapitel 3 sprechen.
Dieses zerstörende Kriegsvolk von Heuschrecken ist die Gerichtsrute in der Hand des Herrn, um das Volk zu züchtigen. Himmel und Erde geraten in Erschütterungen, und der Herr selbst als Feldherr geht vor ihnen her.
Vers 12 bis Vers 17
Jetzt folgt ein Aufruf zur Umkehr. Aber vielleicht machen wir hier erst einmal eine Pause.