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Der Mahnbrief für Ephesus

24.10.1989Offenbarung 2,1-7

Einleitung: Stille Werte und Gebet zum Beginn

Wir wollen stille Werte und beten.

Vater, wir danken dir für die strahlende, warme Sonne dieses Tages. Herr, möge sie uns daran erinnern, dass es ein noch helleres, strahlenderes und wärmeres Licht gibt – den Morgenglanz der Ewigkeit, in dem du selbst wiederkommen wirst.

Gib uns Augen, die diesen Schein erkennen können, und Herzen, die dieses Licht aufnehmen. Lass es hell werden, damit all unser Dunkel, das wir mitgebracht haben, von dem Glanz deiner Herrlichkeit überstrahlt wird.

Gib uns jetzt noch einmal wache Sinne, Herr. Nimm alle Müdigkeit von uns und erfüll uns mit deinem Heiligen Geist. Amen.

Einführung in die Offenbarung und die sieben Sendschreiben

Wir haben gesagt, dass die Offenbarung eigentlich in drei Teile eingeteilt ist: in ganz einfache Teile, nämlich was ist, was kommt und was sein wird.

Wir befinden uns jetzt im zweiten Teil des ersten Teils, also im Abschnitt „was ist“, und kommen nun zu den sogenannten sieben Sendschreiben. Wir werden nicht alle sieben betrachten, sondern heute drei davon.

Beginnen wollen wir mit dem Mahnbrief für Ephesus. Dieser steht in Offenbarung Kapitel 2, Verse 1 bis 7. Ich lese ihn jetzt vor:

„Dem Engel der Gemeinde in Ephesus schreibe: Das sagt der, der die sieben Sterne in seiner rechten Hand hält und mitten unter den sieben goldenen Leuchtern wandelt: Ich kenne deine Werke, deine Mühsal und deine Geduld. Ich weiß, dass du die Bösen nicht erträgst und dass du die geprüft hast, die sagen, sie seien Apostel und es nicht sind, und hast sie als Lügner befunden. Du hast Geduld und hast um meines Namens willen die Last getragen und bist nicht müde geworden.

Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. Wenn du das nicht tust, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter von seiner Stätte wegstoßen, wenn du nicht Buße tust.

Doch das hast du für dich, dass du die Werke der Nikolaiten hasst, die auch ich hasse. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist der Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem will ich geben, von dem Baum des Lebens zu essen, der im Paradies Gottes ist.“

Die Bedeutung der Sendschreiben als Generalvisitation

Kondolationsschreiben, Amtsschreiben, Privatschreiben – das können wir aber Cent schreiben. Was sind Cent schreiben? Ich habe es einmal so erklärt und will es noch einmal so erklären.

Ich hatte einen Lehrer. In der Schule wissen die Lehrer ja oft nicht, wie sie ein Leben lang ein Leben prägen können. Dieser Lehrer aber war für mich ein Ausbund an Geduld. Er kannte weder Stecken noch Tatzen noch Arrest, was damals keineswegs selbstverständlich war. Er war unser Lieblingslehrer.

Durch nichts war er aus der Ruhe zu bringen, außer einmal. Daran erinnere ich mich gut: Es hieß nämlich, der Schulrat kommt. Da hätten Sie diesen Mann sehen sollen! Plötzlich wurden Hefte kontrolliert, manche neu geschrieben, Schülerzeichnungen an den Wänden befestigt. Ein Lied wurde eingeübt – es tat furchtbar weh, aber zum Vorsingen, wenn der Schulrat kommt.

Uns wurde eingebläut, dass man dann alles können müsse. Ich hatte schon Angst. Alle Unterlassungssünden standen noch einmal vor meiner Schülerseele. Was, wenn der mich nach dem Einmaleins fragt, wo ich in „Räuber und Gendarmen“ viel besser bin? Oder wenn er etwas von der Heimatkunde wissen will, wo ich mich nur beim Fußball auskenne?

Der Schulrat kommt – die Visitation ist eine Beunruhigung des Schüler- und Lehrergewissens. Sie können das etwa auch beim Pfarrer beobachten. Der Stiftspfarrer ist in der seltenen Lage, dass er eigentlich nie visitiert wird. Bei ihm sitzt nämlich im Kirchengemeinderat der Prälat. Ich habe ständige Visitation, und was ständig ist, macht auch nicht mehr Angst, nicht wahr?

Aber sonst können Sie es sehen, wenn es heißt: „Der Dekan kommt zur Visitation!“ Plötzlich wird das Pfarramtskästchen nachgerechnet, alles in Schwung gebracht. Man bittet beim Gottesdienst den Kirchenchor auf die Empore. Was wäre denn, wenn der auf einmal Mängel feststellt und die ganze Laufbahn bis zum Oberkirchenrat oder Bischof dahin wäre? Visitation ist Beunruhigung des Pfarrers gewesen.

Wenn also schon die Meldung „Der Schulrat kommt“ oder „Der Dekan kommt“ solche Unruhe bei uns auslösen kann, wie viel mehr müsste eigentlich dieser Ausruf, „Der Herr kommt“, bei uns eine Unruhe auslösen? Nicht wahr? Hier, wenn der Herr kommt, dann geht es nicht um Einmaleins und nicht um Heimatkunde. Dann geht es nicht um Pfarramtskästchen oder irgendwelche Kirchenbücher.

Dann schaut er uns nicht nur auf die Finger, sondern er schaut uns ins Herz. Und es wird kein Wort auf meiner Zunge sein, das er nicht kennt. „Der Herr kommt“ ist Beunruhigung des Christengewissens. Und in den Siebzehntschreiten geht es um nichts anderes als um die Visitation unseres Gottes.

Sennschreiben sind geradezu die Generalvisitation unseres Herrn. Das sind die Sennschreiben. Und die Sennschreiben selbst sind genauer die Visitationsberichte. Nach jeder Visitation wird ein Bericht angefertigt, und dieser Bericht kommt gewöhnlich zu den Akten.

Sennschreiben sind keine Geheimschreiben, die ad acta gelegt werden. Sie gehen geradezu an die Öffentlichkeit, sie werden an die große Glocke gehängt. Alle sollen wissen, was los ist. Also keine Geheimschreiben, sondern das Gegenteil – Sennschreiben, die jeder lesen kann und jeder lesen soll.

Sie sind die Generalvisitation unseres Herrn, darum geht es hier.

Die sieben Sendschreiben und ihre Bedeutung

Und wenn man fragt, warum gerade die Zahl sieben gewählt wurde, so haben wir bereits gesagt, dass die Zahl sieben immer etwas mit Vollkommenheit zu tun hat. Dennoch nimmt man an, dass man über die Offenbarung eigentlich zu wenig weiß. Ich freue mich darauf, den Herrn selbst zu fragen und eine Antwort zu erhalten – über das, was hier steht und was über viele Jahrhunderte immer wieder nachgefragt, aber nicht erklärt worden ist.

Was hier vorliegt, sind nur Annäherungen an Texte, die so groß und gewaltig sind, dass wir sie letztlich nicht vollständig begreifen können. Man nimmt entweder an, dass diese sieben Städte, an die die Briefe geschickt wurden, an der großen Poststraße lagen. Das hat man herausgefunden. Damals gab es die erste Post, die Kaiser Augustus eingeführt hatte, und diese Post ging an diese Städte. Das war eine Möglichkeit.

Andere sagen, dass es sich um die Städte handelt, die allein den Ehrentitel Metropolis führten. Vielleicht waren das die Städte, an die die Briefe gerichtet waren. Die dritte Erklärung erscheint mir am einleuchtendsten: Die Städte sind solche, in denen Johannes selbst evangelisiert und Gemeinden gegründet hat. In Ephesus war er beispielsweise drei Jahre lang tätig. Wahrscheinlich waren es also die Städte, die er genau kannte.

All diese sieben Städte lagen in Kleinasien. Diese Provinz war die edelste, geliebteste und gebildetste des gesamten Römischen Reiches. Sie war das geistige Zentrum dieses riesigen Imperiums und beherbergte die geistige Elite des Römischen Reiches. So wie Baden-Württemberg heute zur technischen Elite der Bundesrepublik Deutschland gehört, so war Kleinasien damals für das Römische Reich von großer Bedeutung.

Man kann sich vorstellen, dass Kleinasien für den strategischen Scharfblick dieses Mannes, dieses Johannes, der Ausgangspunkt seiner Tätigkeit war. Von dort aus startete er seine Arbeit.

Eindrücke von Ephesus heute und die Bedeutung des Engels der Gemeinde

Wer heute nach Ephesus reist – einige von Ihnen waren ganz bestimmt schon dort, wenn ich richtig informiert bin – der findet heute, im Ruhestand, eine Stadt namens Selçuk vor. Wer in diese Gegend kommt, ist erschüttert, denn von der einstigen Stadt mit 250.000 Einwohnern sind nur noch einige Trümmer übrig geblieben. Es gibt keine Spur mehr von dem, was diese Stadt einst war: ein Knotenpunkt des Weltenverkehrs zwischen Morgenland und Abendland.

Hier befand sich der Amtssitz des römischen Konsuls. Kein Wunder, dass Augustus diese Stadt viermal besuchte – das war ganz gewaltig. Heute ist alles in Trümmern: das große Augusteum, das erste Heiligtum des Kaiserkultes, und der weltberühmte Tempel der Artemis, eines der sieben Weltwunder der Antike.

Der Artemis-Tempel wurde von einer kolossalen Diana-Figur überragt, die sieben Ehren in der Hand hielt. Das ist interessant. Die Leute schrien damals, wie im Apostelgeschichte berichtet wird: „Groß ist die Diana der Epheser!“ Damals gab es schon die großen Demonstrationen. Die Menschen riefen immer wieder: „Groß ist die Diana der Epheser!“ Dagegen stand nur ein kleines Häuflein Christen, die sangen oder beteten: „Groß ist unser Gott der Welt.“

Sehen Sie: Dort, wo Menschen gegen den großen Strom und im Lärm der Welt dieses Lied singen – „Groß ist der Herr der Welt“ –, dort ist Gemeinde. Dort wächst Gemeinde, und dort wird Gemeinde auch bleiben.

Noch etwas: Hier steht etwas vom Engel von Ephesus, vom Engel der Gemeinde. Man hat sich gefragt: Was ist das eigentlich? Manche haben den Engel als Boten verstanden, weil der Engel immer wieder als Bote vorkommt. Sie meinten, das sei damals eine Bezeichnung für den Synagogenvorsteher gewesen. Heute würde man sagen, das wäre der Ausdruck für den Pfarrer.

Mit dieser Auslegung kann ich mich nur bedingt anfreunden. Pfarrer sind keine Engel, und Synagogenvorsteher waren es sicher auch nicht. Mit dem Engel ist sicher etwas ganz anderes gemeint. In der ganzen Offenbarung werden die Engel als Himmelsboten verstanden, die im Gottesthronsaal stehen.

Jede Gemeinde – und das war nicht nur eine Vorstellung, sondern, so meine ich, das Wissen des Johannes – hatte einen Repräsentanten im Himmel. Vielleicht haben Sie vorgestern auch die Meldung gelesen, dass ein großer schwäbischer Konzern, dessen Namen wir hier nicht nennen wollen, einen Repräsentanten in Bonn ernannt hat, einen ehemaligen Politiker. Jede große Firma oder Institution hat einen Repräsentanten in Bonn.

Johannes war der Ansicht – er hatte eine Erscheinung –, dass jede Gemeinde Jesu eine Direktverbindung zu Gott hat, nämlich einen Repräsentanten im Thronsaal Gottes.

Liebe Freunde, das ist ein mir unwahrscheinlich tröstlicher Gedanke. Wenn wir hier zusammenkommen, sind wir nicht nur verbunden mit der Stiftsgemeinde, deren Kirche drüben steht und deren Büro in der Verragestraße liegt. Wir sind nicht nur verbunden mit einer Gesamtkirchengemeinde, die sich aus vielen Gemeinden zusammensetzt – 55 Pfarren und einer großen Zentrale in der Gymnasiumstraße 36.

Wenn wir hier zusammenkommen, gehören wir nicht nur zur Prälatur Stuttgart, einem weiten Ballungszentrum mit vielen Gemeinden. Wir gehören nicht nur zur Landeskirche Württemberg, obwohl wir froh sein können – ich meine, wenn man auch andere Landeskirchen kennt –, zu dieser Kirche gehören zu können.

Wir gehören nicht nur zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), zu einer Ökumene, einer weltweiten Versammlung von Christen. Liebe Freunde, wenn wir hier zusammenkommen, sind wir direkt verbunden mit dem Thronsaal Gottes. Dann gehören wir direkt zu dem Herrn.

Johannes sagt: Auch die Stiftsgemeinde, auch die Bibelstunde – wir haben einen Repräsentanten im Thronsaal Gottes. Und das, was hier als Anliegen formuliert wird, und das, was wir als gemeinsame Bitte vortragen, das geht nicht nur hinaus bis in den Schlosshof oder auf den Schlossplatz. Das geht hinauf bis vor Gottes Thron.

So ist es. Das ist der Engel der Gemeinde von Ephesus, das ist der Engel der Gemeinde von Stifts und um die Hofacker, das ist der Engel der Gemeinden in dieser Welt. So direkt sind wir mit diesem Herrn verbunden.

Der Absender des Briefes und seine königliche Autorität

Liebe Freunde, der Absender wird hier noch einmal bezeichnet: Er ist der, der die sieben Sterne in seiner rechten Hand hält. Nun verstehen Sie, was ich vorhin gesagt habe.

Der Diana in Ephesus, der irdischen Macht, tritt die Macht des himmlischen Herrn gegenüber. Darum diese kraftvollen, bewegten Worte. Hier ist der königliche Herrschaftsanspruch klar bezeugt: „Das sagt der Herr, so spricht der Herr.“

Die Menschen kannten dies. So begannen damals alle Erlasse von oben, die Verordnungen des Kaisers. Auch die sieben Sterne und Leuchter sind zeremoniell aus dem Hof entnommen.

Hier wird klar: Jetzt kommt kein Dekan, kein Oberkirchenrat und kein Prälat, nicht einmal der Bischof. Der himmlische Imperator, Jesus selbst, kommt und spricht. Das ist die Gewichtigkeit des Schreibens, die nicht deutlicher und gewichtiger unterschrieben werden könnte.

Aufbau des Visitationsberichts: Lob, Tadel und Aufforderung

Alles klar gegliedert in diesem Visitationsbericht.

Ich möchte Ihnen kurz die drei Teile zeigen. Das Schreiben beginnt mit dem Abschnitt „Das ist zu loben“. Danach folgt „Das ist zu tadeln“. Und zum Schluss kommt „Das ist zu tun“.

Diese Gliederung entspricht im Grunde der heutigen Art, Visitationsschreiben zu verfassen. Besonders schön ist, dass es mit dem Abschnitt „Das ist zu loben“ beginnt.

Die Bedeutung des Lobes als erster Schritt

Loben steht an erster Stelle. Wir haben das heute weitgehend verlernt: Eltern bei ihren Kindern, Lehrer bei ihren Schülern, Menschen, die Untergebene haben. Wo ist das noch zu finden? Loben steht an erster Stelle – nicht Kritik, nicht das Herummäkeln und nicht das Herabsetzen. Heute ist es oft das Zersetzen und Verletzen, das an erster Stelle steht.

Hier beginnt es mit dem Lob. Gott ist nicht jemand, dem man es nie recht machen könnte. Wir kennen Menschen, denen man es nie recht machen kann. Gott ist nicht so. Er sagt: „Ich weiß, ich weiß.“ Schon diese zwei Worte genügen, um jemanden aufzunehmen, mit nach Hause zu nehmen und ruhig schlafen zu lassen. Er sagt: „Ich weiß.“

Es gibt so viele Menschen, die ihren Weg alleine gehen – selbst wenn sie zu zweit oder in Familien leben. Sie sagen: Eigentlich weiß niemand, wie es in mir aussieht. Eigentlich weiß niemand, wie es mir geht. Eigentlich sieht niemand in mich hinein. Tatsächlich sieht kein Mensch hinein. Das ist eine Not.

Aber er sagt: „Ich weiß.“ Gott weiß, wie es in uns aussieht. Und wenn er es weiß, dann wird es gut sein, Freunde. „Ich weiß“, sagt er. Er kennt die verborgene Treue, er kennt die Fürbitte und den Kampf. Er weiß das, was andere Menschen nicht wissen können. In jedem Streit taucht dieses „Ich weiß“ auf.

Philipp Friedrich Hiller, der schwäbische Liederdichter, sagt: „Herr, diese Offenbarung drückt du mir zur Bewahrung beständig in den Sinn, auf dass ich das nur sehe, ich gehe oder stehe, wie ich vor deinen Augen bin.“ Er sieht es, und darauf kommt es an. Wie es die anderen sehen und was die anderen sehen, ist nicht so wichtig. Er weiß.

„Ich weiß deine Werke und deine Arbeit und deine Geduld.“ Damit ist ein Dreifaches ausgesprochen.

Lob für die missionarische Gemeinde Ephesus

Einmal ist es zu loben, dass die Absicht besteht, das Evangelium in die Welt hinauszutragen. Das gehört zu den Werken. Ephesus war eine missionarische Gemeinde.

Interessant ist, dass Ephesus keinen missionarischen Kongress in Manila brauchte, auch keinen missionarischen Kongress im nächsten Jahr auf dem Kielesberg in Stuttgart. Für Ephesus waren solche Anstöße nicht nötig, denn Ephesus war von sich aus missionarisch. Die Gemeinde saß nicht nur zusammen, sondern sie ging auch hinaus und lud andere ein. Das ist zu loben.

Wenn jemand sagt: „Ich habe einen Glauben“, so werde ich ihm das nie bestreiten. Aber manchmal scheint es mir, als würde man sagen: „Ich habe einen Glauben“, und dieser ist eingesperrt, wie in einer Gefängniszelle. Der Glaube macht dann die eigene Person zum Götzen.

Es kommt nicht darauf an, ob ich einen Glauben habe, sondern die Frage ist, ob ich meinen Glauben weitergeben kann. Wenn jemand sagt: „Ja, ich bin eben nicht so, ich kann das nicht“, dann habe ich heute Abend einen guten, ganz konkreten Vorschlag, wie wir auch zu einer missionarischen, ephesienischen Gemeinde werden könnten.

Vielleicht haben Sie heute Abend draußen schon ein Plakat gesehen. Es sind drei Abende mit Johannes Hansen in der Stiftskirche in der letzten Novemberwoche: Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Johannes Hansen ist Pastor in Witten. Wir haben drei Themen gewählt:

  1. Wie werde ich mit dem Tod fertig?
  2. Wie werde ich mit dem Leben fertig?
  3. Wie werde ich mit mir selbst fertig?

Wir haben nur ein paar Plakate drucken lassen, aber eigentlich geht es uns um etwas ganz anderes. Wir wollen, dass Einzelne auch unter uns und in anderen Gemeinden solch ein Kärtchen mitnehmen, das wir ihnen nachher anbieten.

Das Kärtchen ist nicht groß, sondern ganz klein. Es enthält Fragen nach Leben und Tod. Man öffnet das kleine Kärtchen und trägt links oben den Namen der Person mit der Hand ein, die man einladen möchte. Zum Beispiel: „Liebe Frau Kechele“. Darunter schreibt man: „Ihr lieber Nachbar“ mit der Hand.

Dieses persönlich gestaltete Kärtchen nimmt man dann, läutet bei der Person und sagt: „Frau Kechele, ich möchte Ihnen heute einmal eine Einladung persönlich überreichen.“

Sehen Sie, das ist eine missionarische Gemeinde. So kann man anfangen. Nehmen Sie doch heute einmal zwei Kärtchen mit, überwinden Sie sich und denken Sie daran, wen Sie einladen könnten. Es gibt so viele Menschen, die mit ihrem Leben, mit dem Tod und dem Sterben nicht fertig werden. Das wäre es.

Sehen Sie, so hat man es in Ephesus gemacht – nicht mit großen Theorien, sondern mit einfachen Worten: Komm du auch einmal mit!

Lob für die Bereitschaft zum Leiden und die prüfende Gemeinde

Es ist lobenswert, dass das Evangelium in die Welt hinausgetragen wird. Ebenso ist die klare Erkenntnis zu loben, dass Mission oft mit Leiden verbunden ist. Manche glauben immer noch, dass Jesus eine große Zukunft in dieser Welt bevorsteht. Auch Petrus dachte so. Doch als Jesus sagte: „Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem“, brach Petrus zusammen und rief: „Herr, das geschehe doch nicht!“ Er wollte einen Festzug sehen, keinen Leidenszug. Er wollte keinem Todeskandidaten folgen, sondern einem Lebensbringer.

Jesus aber sagt: „Wer nicht sein Kreuz trägt, der kann nicht mein Jünger sein.“ Sehen Sie, heute Abend sind wir eine Versammlung von Kreuzträgern. Uns ist das Kreuz aufgeladen und aufgepackt. Manchmal fragen wir uns: „Wenn ich Christ wäre, müsste doch alles weg sein, und ich frei und froh wie ein Vogel sein, der davonfliegt.“ Nein, das führt ins Leiden hinein. Wer sein Kreuz trägt, das ist zu loben, Freunde, nicht zu zerren, sondern zu tragen. Das ist zu loben. Ephesus trug sein Kreuz.

Drittens ist es zu loben, dass es eine prüfende Gemeinde war, die Durchsicht hatte. 1. Johannes 4 sagt: „Prüft alles, prüft die Geister.“ Sehen Sie, das ist bis heute so. Wir haben nicht nur eine äußere Front in unserem Leben, sondern auch eine innere. Es gibt nicht nur böse Geister außen, sondern auch Trauergeister in uns selbst. Sie sind mittendrin. Darauf kommt es immer wieder an: Wo gehöre ich eigentlich dazu? Ein prüfender Blick ist notwendig.

Damals wie heute werden die Nikolaiten extra genannt. Niemand weiß bis heute, wer sie eigentlich waren. Viele Ausleger, denen ich vertraue, sagen: Die Nikolaiten, vor denen hier gewarnt wird, waren Menschen, die Christen wurden, aber den Versuchungen einer modernen Großstadt nicht widerstehen konnten. Sie waren angetan von den Lehren Jesu, atmeten aber gleichzeitig die Luft der Stadt – ihre Toleranz, Liberalität, Weltförmigkeit und den Menschenkult.

Beides wollten sie verbinden. Das machen wir oft auch, wie die Schwaben und Hegelianer. Im Grunde sind wir alle kleine Nachfolger des großen Hegel, der immer alles verbinden wollte. Wir wollen Jesus selbstverständlich. Die Nikolaiten wollten damals Jesus und die Diana, beides zusammen. Sie wollten Christus und Augustus, Spiritualität und Liberalität. Sie wollten gläubig sein und gleichzeitig weltförmig. Kurz gesagt: Sie wollten Gott und die Welt.

Wer will das nicht? Das sind die Schwierigkeiten. Man will fromm sein, aber auch ganz in dieser Welt stehen. Man will die Früchte des Glaubens genießen und gleichzeitig die Schönheiten dieser Welt ernten – einfach alles. Gott und die Welt, damit man alles mitbekommt.

Heute heißt das vielleicht so: Das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ gilt selbstverständlich, aber Abtreibung müsse erlaubt sein. Oder das sechste Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ gilt, aber alternative Lebensformen werden akzeptiert, wenn es nicht anders geht – alles zusammen.

Das ist die Krebsgeschwulst am Leibe Christi. Hier ist der Irrgeist am Werk. Die prüfende Gemeinde erkannte das, und wir müssen es auch erkennen. Wir dürfen nicht verbinden, was nicht zusammengeht. Im Christentum heißt es nicht „und und und“, sondern „entweder oder“ – eine prüfende Gemeinde.

Lob für die diakonische Gemeinde und die Hilfe für Schwache

Es ist lobenswert, dass die Umsicht besteht, Schwache, Kranke und Alte in der Gemeinde als hilfebedürftig anzuerkennen. Ephesus war nicht nur eine missionarische Gemeinde, sondern auch eine diakonische. Dort lebten Menschen wie Tabea, die beteten: „Lass mich nicht in mir selbst bleiben.“

Mich bedrückt heute besonders, dass wir immer wieder vom Pflegenotstand hören. Es hat mich betroffen gemacht zu sehen, wie in einem Krankenhaus Betten geschlossen wurden, weil keine Schwestern mehr da sind. Ein schwerer Beruf, in der Tat.

Es ist aber auch so, wie mir letzte Woche jemand in Vullingen sagte: „Wissen Sie, wir haben als Gemeinden überhaupt keine Verbindung mehr zum Bruderhaus in Reutlingen, zu Maria Berg oder nach Stetten.“ Das sind eigene Werke, ohne dass sie uns wirklich berühren.

Ihr Freunde, damals haben die Menschen die Bösen nicht ertragen, aber sie haben die Schwachen mitgetragen. Das wäre eine missionarische Gemeinde, die nicht auch diakonisch wäre.

Doch nun zum Zweiten, was zu tadeln ist. Das war das Erste, was zu loben war. Nun aber gibt es nur ein einziges zu tadeln, Freunde: die Aufsicht auf Jesus. Sie sahen vieles – die Heiden, die Irrlehrer, die Kranken –, aber sie sahen nicht mehr Jesus allein. Über allem verloren sie immer wieder die Aufsicht.

Das persönliche Verhältnis zu Jesus stimmte nicht mehr. Und wenn dies nicht in Ordnung ist, verfällt die Gemeinde. Dann stürzt sie in geistliche Narkose und stirbt ab. Luther hat immer wieder an das Schicksal dieser Gemeinden erinnert und gefragt: Sollte das das Schicksal der Christenheit im Mutterland der Reformation sein? Soll von Stuttgart auch nur ein paar Steine übrigbleiben, über denen vielleicht einmal die Fahne des Halbmondes weht?

Alles entscheidet sich an unserem persönlichen Verhältnis zu Jesus. Manche meinen, die Kirche und ihre Strukturen müssten reformiert werden, damit sie ins Jahr 2000 hineinpasst. Aber alles entscheidet sich am persönlichen Verhältnis zu Jesus.

Manche meinen, die Kirche müsse sich auf die Armen und die Seite der Armen schlagen und die Swabo in Südafrika unterstützen. Doch auch hier entscheidet sich alles am persönlichen Verhältnis zu Christus. Manche meinen, die Tagesordnung der Welt müsse unser Programm sein.

Manchmal scheint mir die Kirche wie eine Riesentube zu sein: Auf jedes Problem dieser Welt wird der „kirchliche Senf“ gedrückt. Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Alles hängt daran, wie unser persönliches Verhältnis zu Jesus ist.

Dieser Herr will eben nicht nur unser Gebet, nicht nur unsere Frömmigkeit, nicht nur unseren Werktag oder Sonntag. Er will unsere erste Liebe. Das meint einmal die Reihenfolge: Es soll keine Gewohnheitsliebe werden, so wie in einer Ehe nach dreißig Jahren. Man erinnert sich, wie schön es früher gewesen ist, aber heute ist nichts mehr von diesem Brennen zu spüren.

Es ist aber auch die Rangfolge. Wenn ich seine erste Liebe bin, kann er für mich nicht die zweite oder dritte Wahl sein. Wie wäre es damals bei der Verlobung gewesen, wenn ich die erste Liebe gefunden hätte, er für mich aber nur die vierte Wahl gewesen wäre? Dann wäre es nichts geworden.

Wenn ich erste Liebe von Gott bin und Sie sind Gottes erste Liebe – lassen Sie sich das heute Abend noch einmal sagen: Sie sind Gottes erste Liebe. Dann will er bei Ihnen nicht an sechster, siebter oder achter Stelle stehen. Er liebt Sie als Ersten, lieben Sie ihn auch als Ersten.

Alles andere ist dann Nummer zwei und Nummer drei. Denken Sie an das, was Ihnen lieb ist: Ihre Familie, Ihre Kinder, Ihr Geld, Ihr Haus. Und dann hören Sie noch einmal: „Nichts soll mir werten, nichts soll mir werten, Liebe auf Erden, als du der liebste Jesus meinst.“

Alles entscheidet sich an unserer ersten Liebe zu Gott. Erste Liebe meint das erste Gebet am Morgen, den ersten Buchstaben, den ich lese – nicht nur in der Zeitung, sondern in der Bibel –, den ersten Gedanken.

Ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässt – das ist zu tadeln.

Drittens: Das ist zu tun. Was ist denn zu tun? Kurz gesagt: Die Einsicht, dass Buße nötig ist. Buße heißt im Griechischen „Denke um“. Hier zeigt sich immer wieder: Die griechische Sprache ist wie ein Konfektionsanzug, den auch andere tragen können. Diese griechischen Worthülsen können auch andere Sinninhalte haben.

Das griechische Wort für Buße tun heißt eigentlich „umdenken“. Es wurde auch in anderen Philosophien und Theologien benutzt: Umdenken.

Die hebräische Sprache ist hingegen ein Maßanzug, der nur für das passt. Im Hebräischen heißt Buße nicht einfach umdenken. Es ist nicht nur eine Sache des Kopfes, sondern des ganzen Menschen. Es heißt nämlich „Kehre um“, „umkehren“, das heißt Buße tun.

Es wäre schön an diesem Abend, wenn wir jetzt nicht nur heimkehren, sondern umkehrend zur ersten Liebe sagen: „Doch, das ist mir wichtig, aber dieser Herr ist mir jetzt noch wichtiger und noch größer. Dem will ich wieder ganz gehören.“

Das ist zu tun: Umkehrend heimkehren zu diesem Herrn.

Ein Postskriptum ist angefügt: Ohren auf! Wer nicht hören will, muss fühlen. Gott ruft nicht ewig. Augen auf! Am Schluss stehen die Augen auf: Das Paradies, der Himmel steht euch offen. Wer jetzt umkehrt, kehrt in den Himmel ein. Es lohnt sich. Wer hier ermüden will, der schaue auf das Ziel: das ist Freude. Ohren und Augen auf – haben Sie die richtige Sicht. Amen.

Lieber Herr, wenn du unser Leben durchleuchtest, vertrauen wir darauf, dass du alles weißt, aber auch das vergibst, was nicht so ist, wie es sein soll. Du weißt, wo unser Herz immer wieder hängt, wohin unsere erste Liebe zieht und wo wir mit uns selbst beschäftigt sind.

Herr, setze du neue Maßstäbe. Gib uns die Kraft, das beiseitezuschieben, was uns so bedrängt und was uns so ganz, Herr, hineinnimmt in einen Geist, der nicht von dir ist. Mach uns offen und frei für dich.

Schenk uns, Herr, diese neue unendliche Liebe zu dir, in der wir geborgen sein dürfen mit unseren Schwachheiten, unseren Zweifeln und auch unseren Krankheiten.

Wir bitten dich, Herr, für die, die leiden, und auch für unsere Krankenhäuser, Anstalten, für Schwestern und Ärzte, die diesen diakonischen Dienst tun.

Wir bitten dich jetzt für unseren Nachhauseweg: Geh du mit und sei bei uns bis zum großen Tag deiner Wiederkehr. Er segne uns und behüte uns.

Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden. Amen.

Aufforderung zur Umkehr und Buße

Aber drittens, was ist denn zu tun? Kurz gesagt: Die Einsicht, dass Buße notwendig ist. Buße heißt im Griechischen "Denke um". Hier zeigt sich immer wieder: Die griechische Sprache ist wie ein Konfektionsanzug, den auch andere tragen können. Diese griechischen Worthülsen können verschiedene Sinninhalte haben. Das griechische Wort für Buße bedeutet eigentlich "Denke um" oder "umdenken". Es wurde auch in anderen Philosophien und Theologien verwendet.

Umdenken meint mehr. Die hebräische Sprache ist ein Maßanzug, der nur für das eine passt. Im Hebräischen heißt Buße nicht einfach umdenken. Es ist keine Sache des Kopfes, sondern des ganzen Menschen. Es bedeutet nämlich "Kehre um", "umkehren" – das heißt Buße tun.

Es wäre schön an diesem Abend, wenn wir jetzt nicht nur heimkehren, sondern umkehrend zur ersten Liebe zurückkehren und sagen: Doch, das ist mir wichtig, aber dieser Herr ist mir jetzt noch wichtiger und noch größer. Dem will ich wieder ganz gehören. Das ist zu tun: umkehrend heimkehren zu diesem Herrn.

Ein Postskriptum ist angefügt: Ohren auf! Wer nicht hören will, muss fühlen. Gott ruft nicht ewig. Und Augen auf! Am Schluss stehen die Augen offen: Das Paradies, der Himmel steht euch offen. Wer jetzt umkehrt, kehrt in den Himmel ein. Es lohnt sich. Wer hier ermüden will, der schaue auf das Ziel – das ist Freude. Ohren und Augen auf! Haben Sie die richtige Sicht? Amen.

Lieber Herr, wenn du unser Leben durchleuchtest, dann vertrauen wir darauf, dass du alles weißt, aber auch das vergibst, was so nicht ist, wie es sein soll. Du weißt ja, wo unser Herz immer wieder hängt, wohin unsere erste Liebe zieht und wo wir mit uns selbst beschäftigt sind.

Herr, setze du neue Maßstäbe. Gib uns, das zur Seite zu schieben, was uns so bedrängt und was uns so ganz, Herr, hinein nimmt in einen Geist, der nicht von dir ist. Mach uns offen und frei für dich. Schenk uns, Herr, diese neue unendliche Liebe zu dir, in der wir geborgen sein dürfen – mit unseren Schwachheiten, mit unseren Zweifeln, auch unseren Krankheiten.

Wir bitten dich, Herr, für die, die leiden. Wir bitten dich auch für unsere Krankenhäuser, Anstalten, für Schwestern und Ärzte, die diesen diakonischen Dienst tun. Wir bitten dich jetzt für unseren Nachhauseweg: Geh du mit und sei bei uns bis zum großen Tag deiner Wiederkehr. Er segne uns und behüte uns.

Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden. Amen.

Schlussgebet und Segenswunsch

Lieber Herr, wenn du unser Leben durchleuchtest, vertrauen wir darauf, dass du alles weißt. Gleichzeitig bitten wir dich, das zu vergeben, was nicht so ist, wie es sein soll.

Du weißt, wo unser Herz immer wieder hängen bleibt, wohin unsere erste Liebe zieht und wo wir mit uns selbst beschäftigt sind. Herr, setze du neue Maßstäbe. Gib uns die Kraft, das beiseitezuschieben, was uns bedrängt und uns ganz in einen Geist hineinnimmt, der nicht von dir ist.

Mach uns offen und frei für dich. Schenk uns, Herr, diese neue, unendliche Liebe zu dir, in der wir geborgen sein dürfen – mit unseren Schwachheiten, mit unseren Zweifeln und auch mit unseren Krankheiten.

Wir bitten dich, Herr, für die, die leiden. Wir bitten dich auch für unsere Krankenhäuser und Anstalten, für die Schwestern und Ärzte, die diesen diakonischen Dienst tun.

Jetzt bitten wir dich für unseren Nachhauseweg: Geh du mit uns und sei bei uns bis zum großen Tag deiner Wiederkehr. Er segne uns und behüte uns.

Herr, lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden. Amen.