Guten Morgen! Du sperrst jetzt die Sonne weg, aber wir sind dankbar, dass sich der Wetterbericht tatsächlich an die Vorgaben Gottes hält.
Als ich heute Morgen aufstand, habe ich an euch gedacht. Ich habe noch einmal gebetet – aber das werdet ihr auch getan haben, oder?
Bevor ich anfange, noch ein kurzer Werbespot: Die, die am Wochenende da waren, wissen, wie das geht. Einmal das, was wir im vergangenen Jahr durchgenommen haben – das habt ihr wahrscheinlich alle und habt auch weiter daran gearbeitet.
Wer das noch einmal durchlesen möchte: „Gesunde Gemeinden wachsen“. Ein anderes Thema ist, wie Jesus Menschen begegnet. Von dem Sohn Gottes können wir Seelsorge lernen.
Jesus als Vorbild der Seelsorge
Heute spricht man viel über Seelsorge, und viele Christen suchen Hilfe bei Therapeuten. Dennoch glaube ich, dass der beste Therapeut Jesus selbst war. Von ihm kann man viel lernen.
In diesem Buch beschreibe ich bekannte Geschichten aus den Evangelien, die euch alle vertraut sind. Sicherlich wurde darüber auch schon gepredigt, aber ich betrachte sie aus einer anderen Perspektive. Meistens liest man diese Geschichten und vergleicht sich mit den Kranken, die Jesus geheilt hat. Man freut sich darüber und hofft, dass der Herr Jesus auch uns alle gesund macht – was er jedoch nicht immer tut.
In meinem Buch liegt der Fokus mehr auf dem Blickwinkel auf den Herrn Jesus, denn ich bin der Meinung, dass die Hauptperson Jesus ist und nicht wir. Es ist faszinierend, wie Jesus individuell auf die Menschen eingegangen ist. Er hat sie nicht nach einem festen Schema behandelt.
Beispielsweise die Blinden, denen er begegnet ist: Er heilte sie nicht immer nach demselben Muster, wie etwa Spucke auf die Erde, Berührung des Teichs oder Salbung der Augen und dann die Aufforderung, sich zu waschen. Das hat er nur einmal so gemacht. Stattdessen handelte er immer wieder anders.
Auch bei den Aussätzigen war es unterschiedlich. Den einen heilte er auf Distanz und sagte ihm, er solle zum Priester gehen. Den anderen fasste er direkt an. Man fragt sich: Warum? Warum behandelt er die Menschen unterschiedlich?
Oder nehmen wir Maria am Grab: Jesus sagt zu ihr, sie solle ihn nicht anfassen. Doch nur wenige Minuten später dürfen andere Frauen ihn berühren. Warum, Jesus? Diese Fragen sind spannend, wenn man den Herrn Jesus genau beobachtet.
Vielleicht kennt ihr auch die Geschichte von dem Gehörlosen auf der Ostseite des Sees Genezareth. Heute sagt man nicht mehr "taubstumm", sondern "gehörlos". Die Volksmengen wissen schon, wie Jesus ihn heilen soll: "Leg ihm die Hände auf!" Doch Jesus handelt nicht auf Kommando.
Er nimmt den Gehörlosen beiseite, macht keine Show daraus – anders als amerikanische Heilungsprediger. Er nimmt ihn ganz für sich allein und tut etwas Merkwürdiges.
Als Erstes steckt er dem Gehörlosen die Finger in die Ohren. Hat dir das schon mal jemand gemacht? Du selbst vielleicht, aber selbst der Ohrenarzt benutzt dafür Instrumente. Jesus aber steckt einfach seine Finger in die Ohren. Da denkt man: "Herr Jesus, iih, unhygienisch!"
Doch das ist noch nicht alles: Er nimmt Spucke von seiner eigenen Zunge und berührt damit die Zunge des Gehörlosen. Da denkt man: "Herr Jesus, das machen wir nicht nach!"
Ich frage mich: Warum tut Jesus das? Das verrate ich euch jetzt nicht – sonst braucht ihr das Buch ja nicht mehr zu lesen.
Okay, das war der Werbeblock.
Staffelübergabe in der Gemeinde
Und jetzt kommen wir zum Thema Staffelübergabe. Am Wochenende waren ja nicht alle da, aber ich sehe keinen Schaf, der nicht anwesend war und deshalb eine schriftliche Entschuldigung einreichen müsste. Die Staffelübergabe – da ist sie.
Auch eine Gemeinde ist so etwas wie eine Staffelübergabe. Wir haben uns gestern und vorgestern darüber Gedanken gemacht, wie in einer Gemeinde die Staffel von einer Generation zur nächsten übergeben werden kann. Vor allem geht es darum, wie die Mitarbeiter in den einzelnen Kreisen und auch die Verantwortlichen im ältesten Kreis die Staffel weitergeben können.
Wie kann das geschehen, ohne dass es knirscht? Ich muss sagen, ich komme aus einer Brüdergemeinde und habe manche knirschenden Übergaben erlebt, auch in der eigenen Gemeinde. Wenn ich zurückdenke, war eine solche Staffelübergabe vor 18 Jahren bei uns in der Gemeinde – und das hat heftig geknirscht. Ich wünsche das keiner Gemeinde. Damals sind 40 Geschwister weggegangen. Das war schon heftig.
Ich war Hausmeister. Wir waren damals 165 Geschwister, und als dann innerhalb eines halben Jahres 40 gegangen sind, habe ich ein paar Stuhlreihen rausgenommen, damit es nicht ganz so auffiel. Das war wirklich heftig. Und ich wünsche das keiner Gemeinde.
Im Nachhinein muss ich sagen: Wahrscheinlich haben wir es auch einfach falsch gemacht. Aus all diesen Erfahrungen möchte ich gelernt haben und das weitergeben, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Ich komme durch viele Gemeinden, und nur in seltenen Fällen geschieht ein Generationenwechsel, eine Staffelübergabe, ohne dass es knirscht oder Konflikte entstehen.
Die Frage ist: Was muss man tun, damit das nicht passiert? Ich habe euch am Freitagabend von einer Gemeinde erzählt, die auf den kommenden Herrn wartet und vorher keine Staffelübergabe machen will. Ich weiß nicht, ob der Herr Jesus so viel Geduld noch hat. Vielleicht erhört er ihr Gebet, dass er vorherkommt. Aber die Frage ist tatsächlich: Wie kann das geschehen?
Ich habe euch gesagt, eigentlich ist das kein Sonntagsthema, aber ich glaube schon, dass es wichtig ist, wie wir mit Konflikten umgehen. Ich habe extra nicht zwei Brüder aus der Mitte genommen. So etwas wünsche ich keiner Gemeinde.
Ich bin in einer Generation groß geworden, die Jugendarbeit macht. In bestimmten Jahren war das die sogenannte 68er-Generation, die in der Jugendstunde war. Die konnten über alles streiten. Wir haben einen der überörtlich tätigen Brüder zu uns in der Jugendstunde eingeladen. Er ist völlig frustriert nach Hause gegangen und hat gesagt: „Zu euch komme ich nie mehr.“ Damals hat er gesagt: „Eberach, ich gebe euch nur noch fünf Jahre in der Gemeinde, dann ist eure Gemeinde kaputt.“ Da ist bei mir so ein bisschen Trotz entstanden. Er hat gesagt, das passiert nicht. Und es ist auch nicht passiert.
Ich bin dankbar, dass die Brüder, mit denen ich damals in der Jugendstunde gekämpft habe, heute unsere Ältesten sind. Das ist echt eine Gnade.
Wie schlimm ist es, wenn ich von einer Gemeinde höre, die vor ein paar Jahren im ältesten Kreis einen Generationenwechsel vollzogen hat, und ich dachte, es scheint zu funktionieren. Aber drei Jahre später schreiben die ehemaligen Ältesten einen bitterbösen Brief – nicht nur an die eigenen Geschwister, sondern an alle umliegenden Gemeinden –, was die nächste Generation alles falsch macht.
Ich habe gedacht: Das ist schrecklich, oder? Da geht eine Gemeinde kaputt. Wir müssen überlegen, an welchen Punkten es sich lohnt zu kämpfen und an welchen Punkten wir durchaus Veränderungen in Kauf nehmen dürfen.
Grundlagen und Veränderungen in der Gemeinde
Ich habe am Wochenende bereits gesagt, dass die Gemeinde des Neuen Testaments die Gemeinde des Herrn Jesus ist. Sie gehört ihm, denn er hat sie gegründet. In seinem Wort hat er einiges festgehalten. Zum Beispiel schreibt Paulus an Timotheus, damit man weiß, wie man sich im Hause Gottes verhalten soll.
Es gibt Grundlagen, die für neutestamentliche Gemeinden nicht verhandelbar sind. Das ist jedoch nicht in allen evangelikalen Kreisen so. Viele evangelikale Gemeinden sind demokratisch aufgebaut, oft vereinsmäßig, und dort wird demokratisch gewählt. Es gibt dann eine Gemeindeversammlung, die entscheidet. Aber wer sagt, ob die Mehrheit auch geistlich ist?
Die Frage ist tatsächlich: Wie kann man Dinge in einer Gemeinde verändern? Ich habe mit Wohlwollen wahrgenommen, dass ihr hier auch einige Veränderungen habt, die früher nicht üblich waren. Viele von den Eltern sind vielleicht in Brüdergemeinden groß geworden, wo vieles anders war.
Zum Beispiel gab es in Brüdergemeinden früher keine Predigtsitzordnung. Man saß nach Männchen und Weibchen getrennt. Die Brüder saßen sich gegenüber, damit man wusste, was der andere sagte. Die Schwestern hatten einen kritischen Beobachtungsposten und konnten kontrollieren, ob die Brüder sich richtig verhielten.
Natürlich gibt es Veränderungen. In meiner Jugend hätte es auch nicht gegeben, dass hier jemand auf dem Cajon sitzt. Dieses Instrument finde ich fantastisch, weil man dabei wenigstens einen Sitzplatz hat. Hättet ihr euch vorstellen können, dass vor 50 Jahren jemand Querflöte spielt? Das ist doch großartig!
Ich kenne eine Gemeinde, die sich nicht Brüdergemeinde nennt, aber es ist eine. Dort bringen viele Geschwister sonntags morgens beim Brotbrechen ihre Instrumente mit. Sie sitzen im Raum und es wird geflötet, mit Ziehharmonika, Cajon oder Bongo gespielt. Alle bringen ihre Instrumente mit – super, echt super!
Das Wichtige dabei ist, und das haben wir auch unseren Leuten gesagt: Wir haben Musikteams. Es geht nicht darum, dass ihr euch produziert. Es geht nicht um euch, sondern um den Herrn. Ihr seid dafür da, den Gesang anzuregen. Wir gehen nicht in ein Konzert – das kann man extra machen. Musik dient auch in der Bibel zur Unterstützung des Gesangs. So sind die Psalmen ja auch aufgebaut, als Begleitung des Gesangs.
Ich glaube, das ist wichtig zu verstehen. Ich erinnere mich an unseren sogenannten JWD – das heißt nicht nur „ganz weit draußen“, sondern „Jesus will dich“. Das ist der Jugendgottesdienst bei unserer Gefährdetenhilfe. Dort haben wir auch Musikinstrumente dabei.
Eines Abends kam ich dorthin, und drei Jugendliche kamen auf mich zu und sagten: „Keine Angst, keine Angst!“ Ich fragte: „Worum geht es?“ Sie antworteten: „Wir haben Schlagzeug.“ Ich sagte: „Ich habe keine Angst vor Schlagzeug. Ich setze mich einfach daneben.“ Bis dahin wusste ich ehrlich gesagt nicht, dass man ein Schlagzeug piano spielen kann. Das hatte ich noch nie gehört. Sonst sitzen ja die jungen Kerle am Schlagzeug und zeigen, was sie können, und man muss Ohrstöpsel tragen.
Ich sagte ihnen: „Das könnt ihr zu Hause machen, aber im Gottesdienst muss das Schlagzeug den Gesang unterstützen.“ Wir hatten einen Musiker, der das Schlagzeug wirklich leise spielte. Das war super. Die Konsequenz war: Als er in eine andere Gemeinde zog, haben wir das Schlagzeug wieder herausgenommen, weil niemand anderes das konnte.
Ich glaube, es gibt Lösungen.
Konfliktpotenziale in Gemeinden
Ich möchte an dieser Stelle einige mögliche Streit- und Spannungspunkte in Gemeinden ansprechen. Biblische Beispiele zur Konfliktbewältigung wollen wir uns ebenfalls ansehen. Danach beschäftigen wir uns mit den Themen demütige Rechtgläubigkeit, Frieden halten und meinem Traum.
Zunächst einmal betrachten wir mögliche Streit- und Spannungspunkte. Ich hatte bereits einige Beispiele nebenbei erwähnt. Zum Beispiel das unterschiedliche Musikempfinden: Welches Liederbuch nimmt man? Es ist fast genauso entscheidend, welche Bibelübersetzung gelesen wird. Manche sagen, die Bibel sei das Schwert und das Liederbuch das Taschenmesser. Ich glaube jedoch, dass es anders ist.
Wir müssen immer wieder sehen, wofür die Lieder da sind, die wir singen. Sie dienen dazu, Gott zu ehren und zu loben. Viele Lieder in unseren Liederbüchern sind auch Gebete. Deshalb sollte man Lieder nach ihrem Inhalt singen, oder?
Ich war einmal in einer Gemeinde, in der vorne eine Band spielte. Damit es nicht zu laut wurde, hatten sie sogar eine Plastikscheibe vor sich. Die Musiker versteckten sich dahinter. Dann wurde ein Lied vorgeschlagen, bei dem es um Stille ging. Ich dachte nur: Hilfe, von Stille war nichts zu merken. So etwas funktioniert einfach nicht.
Genauso war es in einer anderen Gemeinde, wo Lied 155 vorgeschlagen wurde. Das haben wir eben auch gesungen. Es heißt: „Freudig preisen wir Herr Jesus.“ Das war das Eingangslied, und ich dachte, ich sei auf einer Beerdigung. Selten kritisiere ich den Gesang, aber hier habe ich etwas gesagt. Ich fragte die Geschwister: Habt ihr überhaupt mitbekommen, was ihr gesungen habt? „Freudig preisen wir Herr Jesus“ – ihr müsstet das Lied umdichten in „Lahm singen wir dem Herrn Jesus“. Jetzt singen wir es noch einmal, aber richtig freudig, mit Schwung, oder? Sekundenschnell.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns Gedanken machen, was wir singen – völlig unabhängig von unserem Musikempfinden. Ich selbst habe ein anderes Musikempfinden als die junge Generation. Ich liebe zum Beispiel Barockmusik, Johann Sebastian Bach. Aber das kann man nicht in der Gemeinde singen.
Es gibt einen Unterschied zwischen meinem Empfinden und dem vieler Geschwister. In der Bibel, in der Offenbarung, lesen wir, dass wir im Himmel auch singen. Wie werden die Melodien im Himmel sein? Dort steht, wir singen ein altes Lied, das ist das Lied Moses, also Psalm 90. Ich weiß nicht, wie die Melodie von Psalm 90 war. Wenn ich daran denke, wie die Israeliten gesungen haben, ist das schon gewöhnungsbedürftig.
Außerdem steht dort, dass wir ein neues Lied singen. Ich frage mich: Herr Jesus, wie wird die Melodie sein? Ich glaube, Jesus hat ein viel weiteres Musikempfinden als wir. Ich stelle mir vor: Heute ist Sonntag, überall auf der Welt kommen Gläubige zusammen, um den Herrn zu loben und zu preisen. Wenn man bei der Datumsgrenze in Japan ankommt – habt ihr schon einmal Japaner singen hören? Da wird die Milch sauer! Ich hoffe, es ist kein Japaner dabei, aber das ist schon heftig.
Das geht dann durch die ganze Welt. Wisst ihr, wie in Burundi gesungen wird, in Afrika? Ich glaube, du würdest sogar im Rollstuhl aufspringen. Oder wer war schon einmal in Südamerika? Dort würden wir sagen: „Das gehört sich doch nicht.“ Merken wir etwas? Wir sind geprägt durch unser Musikempfinden und unsere Gewohnheiten.
Offensichtlich hört Jesus das Lob Gottes von Sonntag früh bis Sonntag abends über die ganze Welt. Ich glaube nicht, dass er sagt: „Hey, ihr da, ihr müsst noch ein bisschen üben.“ Deshalb bin ich gespannt, wie das neue Lied im Himmel sein wird. Ob dort Johann Sebastian Bach an der Orgel sitzt und auf der anderen Seite vielleicht Albert Frey? Wobei ich glaube, die beiden hätten sich gut verstanden.
Aber merkt ihr etwas? Gerade beim Liedempfinden kann man sich heftig streiten. Man kann es aber auch lassen. Es wurde einmal gesagt: Es gibt viele Gründe, sich zu streiten, aber kein Gesetz, es auch zu tun.
Streitpunkte in Lehre und Praxis
Schwieriger wird es dann bei verschiedenen Lehrauffassungen, zum Beispiel bei der Gebetshaltung oder der Beteiligung der Frauen. An diesem Punkt kann man sich heftig streiten, und an manchen Stellen ist ein Streit sogar notwendig.
Wenn wir zum Beispiel den Galaterbrief lesen, sehen wir, dass Paulus sich mit Petrus gestritten hat. Ich glaube, es ist wichtig, dabei immer zu fragen: Was sagt die Bibel? Nicht: Was sagt der Bruder oder die Schwester? Oder: Was sagt mir mein Bauchgefühl?
Viele Gemeinden entscheiden pragmatisch. Sie sagen zum Beispiel: „Ja, lass uns doch die Frauen auch beteiligen, wir haben doch Emanzipation!“ Es ist schon eigenartig, wie sich die Stellung der Frau in unserer Gesellschaft seit 1920 total verändert hat. Seitdem gibt es Hosen für Frauen und den Bubikopf – ein komischer Name. Dass das keine Diskriminierung für Frauen sein soll, ist schon merkwürdig.
Die Frage ist: Wie ist das in unseren Gemeinden? Ich weiß, es ist ein heißes Thema. Aber bei diesem Thema kann ich noch lächeln. Ich glaube, es ist wichtig, wirklich nachzuschauen, was die Bibel sagt. Die Bibel sagt nichts über Hosen. Meistens werden dann alttestamentliche Stellen aus dem Gesetz herangezogen. Aber nach Apostelgeschichte 15 stehen wir nicht mehr unter dem Gesetz. Ob das schöner ist, ist eine andere Frage.
Ich glaube, dass ein Rock durchaus die Anatomie der Frau betont und dass viele Männer sich Frauen mit Röcken wünschen. Aber das ist hier nicht die Frage. Ich kann sehr gut verstehen, wenn eine Frau eine Hose trägt, weil sie Mühe hat, zum Beispiel wegen Krampfadern an den Beinen. Das ist gnädig. Solche Punkte sagt die Bibel nicht. Aber ob die Frau sich in der Gemeinde beteiligt, darüber sagt die Bibel schon etwas.
Das Interessante ist, dass Paulus, wenn er darüber schreibt, kein Frauenhasser war – auch wenn er unverheiratet war. Er lobt einzelne Schwestern, was schon bedeutsam ist. Dass er sich nicht zu schade war, die erste Gemeinde in Europa mit einer Frauenstunde zu haben, in Philippi, zeigt das ebenfalls. Paulus war kein Frauenhasser.
Wenn Paulus begründet, warum die Frau in der Gemeinde schweigen soll, dann ist das nicht einfach eine Tradition oder Gewohnheit der damaligen Zeit. Er begründet es mit der Schöpferordnung Gottes. Nur so können wir auch argumentieren.
Daher glaube ich, dass es wichtig ist, immer zu sehen, was in der Bibel steht und was unsere Gewohnheit ist. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unsere Gewohnheiten biblisch zu kaschieren versuchen.
Ich bin dankbar, dass mein Vater mir immer gesagt hat: „Junge, du hast nur die Bibel.“ Für mich waren diese Fragen damals alle auch problematisch. Meine Frau kam aus der Landeskirche. Wenn ich sagte, bei uns wird das so gemacht, sagte sie: „Bei uns wird das so gemacht.“ In der Verlobungszeit waren wir oft eins zu eins – ihr so, wir so. Wie kommt man da übereinander?
Bis wir uns entschieden haben: Wir gucken nach, was die Bibel sagt. Und was die Bibel sagt, das tun wir. Ich glaube, das ist das Wesentliche.
Wir finden das in Apostelgeschichte 17,11. Dort heißt es: „Diese waren edler als die übrigen, denn sie untersuchten täglich in den Schriften, ob es sich auch so verhielt, wie Paulus das verkündigte.“ Wenn ich hier also etwas sage, solltet ihr niemals etwas tun, nur weil ich es gesagt habe. Ihr müsst in der Bibel nachschauen, ob das so stimmt.
Deshalb ist es wichtig, dass wir immer unsere Bibel mit in die Gemeinde bringen und alles kontrollieren. Ich bin dankbar, wenn mir jemand sagt: „Hey, da hast du dich zu falsch gelegen.“ Ich habe ein Büchlein, es sind jetzt nur zwei Exemplare auf dem Büchertisch, aber wer mehr haben möchte, ich kann es euch schicken. Es heißt „Heiße Eisen in der Gemeinde“. Darin gehe ich auf Fragen wie die Stellung der Frau in der Gemeinde, Eschatologie (also Endzeitdinge), Heilsgewissheit und ähnliche Themen ein.
Freiräume und Vorgaben in der Gemeinde
Über die Sitzordnung steht nichts in der Bibel. Also, wie ihr euch hinsetzt, ist eigentlich egal. Ich glaube, die Christen in Nordkorea fragen kaum danach. Wahrscheinlich haben sie dort gar keine Stühle. Und so ist es in vielen Ländern. Darum geht es gar nicht.
Wenn ich darüber nachdenke, wie die ersten Christen in Jerusalem zusammenkamen: Hatten sie einen Gemeindesaal? Nein. Zum Brotbrechen versammelten sie sich in den Häusern, mal hier, mal dort. Und wo fand die Verkündigung statt? Im Vorhof des Tempels. Das war Open Air. Vielleicht haben sie sich in den Säulenhallen Salomos versammelt, aber dort musste es eben so sein.
Von daher geht es nicht darum. Ich habe gestern und vorgestern schon Ralf Schallis, einen Missionar aus Afrika, zitiert. Er schreibt: Wenn wir von Gemeinde sprechen, denken wir als Erstes an einen Gottesdienstsaal. Die Bibel tut das überhaupt nicht. Gemeinde ist immer damit verbunden, dass Jesus in der Mitte ist. Das Äußere ist nebensächlich.
Ich glaube, wir müssen zurück zu den Dingen, die die Bibel uns zeigt, und uns nicht über die verschiedensten Nebensächlichkeiten streiten. Das ist schon eigenartig, wie das oft in Gemeinden geschieht. Ich weiß nicht, wie eure Geschichte ist, ob ihr euch darüber gestritten habt, ob die Wände hier rot oder weinrot sein sollen. Wer ist für die Gestaltung des Raumes zuständig?
Ich bin Grafiker und sehe einen Raum anders als andere. Als ich Hausmeister war, habe ich draußen die Eingangswand gestrichen. Sofort kamen die Geschwister und sagten, das wäre aber nicht schön. Ich habe gesagt: Liebe Geschwister, es tut mir leid, ich hätte die Wand in dreihundert Felder aufteilen müssen, damit jeder seine Lieblingsfarbe haben kann.
Man könnte es natürlich auch anders machen: Jeder tut seine Lieblingsfarbe in einen großen Pott, man rührt um und streicht die Farbe an. Ja, es gibt viele Fragen, die eine Gemeinde bewegen.
Als wir 1986 mit dem mobilen Treffpunkt anfingen, gab es Geschwister, die sagten: Das hat es noch nie gegeben, wir hatten immer ein Zelt. Oder ich erinnere mich: Der Vorläufer vom Beamer war der Overheadprojektor. Damals weigerte sich unser Kassierer, den Overheadprojektor zu bezahlen. Das wäre nicht Leitung des Geistes.
Ich habe ihm gesagt: Sollen wir dann den Fußboden mit Sand auslegen, damit wir in den Sand malen können, wie der Herr Jesus? Die Frage ist immer: Was ist wichtig? Natürlich ist das auch nur eine Methode.
Ich komme durchaus in Gemeinden, und dann funktioniert die Technik nicht. Das heißt, ich muss auch ohne Technik predigen können. Jesus hat das ja auch gemacht. Technik ist nur eine Unterstützung, genauso wie Musik nur eine Unterstützung ist. Gepolsterte Stühle sind nur eine Unterstützung, Teppichboden auch. Wir müssen deutlich unterscheiden, was der Kern von Gemeinde ist und was unsere Überlegungen sind.
Wie halten wir es mit der Gemeindeordnung, mit den Leitungsstrukturen? Die Bibel zeigt sehr deutlich, wie Gemeinde funktionieren soll. Sie lässt uns an vielen Stellen Freiheiten, aber manche Dinge regelt sie klar: Eine Gemeinde ist nicht demokratisch geführt, sondern geistlich. Es gibt Älteste und Diener.
Dann streitet man sich darüber: Wie bekommen wir die Ältesten? Die Bibel sagt nur: Erkennt die, die unter euch arbeiten. Also wird man nicht dadurch Ältester, dass man ernannt wird, sondern dadurch, dass man arbeitet.
Vor Jahren sagte mir ein Bruder: Wir haben im letzten Jahr Älteste gewählt. Wir merken, dass einer sich nicht eignet. Wie kriegen wir den wieder los? Peinlich, oder? Nach der Regel der Bibel ist das einfach: Einer, der nicht arbeitet, ist kein Ältester mehr.
Wir merken, wir müssen immer schauen, was die Bibel sagt. Denn das ist es, was Gott segnet und was am besten funktioniert.
Wir machen alle sechs Monate eine Stunde für Neuankömmlinge in der Gemeinde. Oft kommen Leute aus anderen Gemeinderichtungen, die sich anschließen wollen. Wir veranstalten diese Treffen, damit sie nicht mit falschen Vorstellungen und Erwartungen kommen.
Ich erinnere mich, als wir einmal erklärten, wie wir zu unseren Ältesten kommen und wie die Gemeinde geleitet wird, fragte jemand: Warum habt ihr keine Gemeindestunde? Ich habe doch eine Stimme und möchte mitreden.
Wir haben ihm gesagt: Wenn du uns eine Bibelstelle zeigst, dann könnten wir darüber nachdenken, ob wir das einführen. Er sagte: Bei uns in der Gemeinde wurde das immer so gemacht. Habt ihr keine Gemeindeordnung? Keine Statuten? Keine Satzung?
Das ist interessant: Gemeinde nach dem Neuen Testament hat das nicht. Natürlich braucht man in Deutschland so einen Verein, damit das Finanzamt zufrieden ist. Aber das muss nur treuhänderisch sein. Es reicht, wenn sieben Brüder so einen Verein gründen und verwalten.
Die Struktur einer Gemeinde ist geistlich und nicht pragmatisch. Das ist die eigentliche Spannung, in der wir stehen. Die nächste Generation muss das verstehen, und wir müssen es vermitteln.
Ein Bruder sagte mir: Ich bin im Sportverein, da läuft alles nach Satzung. Wir könnten sagen: Oh, das ist kompliziert, wenn man so etwas nicht in der Gemeinde hat. Nein, gar nicht.
Der Bruder, der aus einer anderen Gemeinde zu uns kam und danach fragte, sagte: Und das funktioniert bei euch? Ich antwortete: Ja, unsere Gemeinde besteht immerhin seit hundertfünfzig Jahren.
Natürlich war das der Grund, weshalb Hitler die Brüdergemeinden im Dritten Reich verboten hat: weil sie nicht durchschaubar waren. So etwas kann durchaus wieder passieren.
Alle Anzeichen der Geschichte und Politik weisen darauf hin. Wenn das mit der EU so weitergeht, wird es sicherlich bald wieder so sein. Aber dann versammelt man sich eben wie die Christen im Irak oder in Nordkorea. Die brauchen das alles nicht.
Biblische Beispiele zur Konfliktlösung
Wenn wir sehen wollen, wie Konflikte gelöst werden, können wir uns biblische Beispiele ansehen. Denken wir an Abraham und Lot. Die Hirten Lots und die Hirten Abrahams geraten in Streit. Wie reagieren sie darauf?
Lot sagt: „Lasst sie sich ruhig streiten, irgendeiner wird gewinnen.“ Abraham hingegen sagt: „Lasst uns nicht streiten, wir sind Brüder. Gehst du nach rechts, gehe ich nach links; gehst du nach links, gehe ich nach rechts.“
Man könnte sagen: Abraham hat doch die Rechte am Land, Gott hat ihm das Land verheißen, nicht Lot. Aber Abraham antwortet: „Lass doch, Gott wird das führen. Ich habe kein Problem damit.“
In diesem Moment scheint es so, als verliere Abraham das Gesicht. Doch wenn wir die Geschichte weiterlesen, merken wir, dass er der Sieger ist. Gott ist der Sieger, er kommt zum Zug.
Ein anderes Beispiel sind Paulus und Barnabas in Apostelgeschichte 15. Dort gab es eine Verbitterung. Man fragt sich: Kann man das nicht geistlich lösen? Wie ist das, wenn man mit jemandem aus der Gemeinde eine Verbitterung hat? Meistens geht man sich aus dem Weg.
Ihr habt das Pech, wenn ihr nur zu zweit seid. Wohl dem, der in einer größeren Gemeinde lebt. Paulus und Barnabas, von denen gesagt wird, dass sie voll des Geistes waren, können sich dennoch nicht über den weiteren Weg einigen.
Das Eigenartige ist nicht, dass Gott sagt: „Hey, ihr Jungs, wollen wir mal gucken, wer Recht hat?“ Nein, Gott lässt die beiden ihren Weg gehen. Und eigenartigerweise benutzt er beide. Barnabas geht nach Zypern, Paulus nach Kleinasien. In Gottes großem Reich ist viel Platz.
Ein positives Ergebnis ist das Apostelkonzil in Jerusalem. Dort standen sich zwei Seiten gegenüber. Die einen sagten: „Die, die aus den Nationen zum Glauben kommen, müssen sich beschneiden lassen und das Gesetz halten. Sie müssen sozusagen Proselyten werden.“ Paulus aber sagt: „Nein, ihr könnt das Gesetz doch sowieso nicht halten. Warum wollt ihr ihnen diese Last auflegen?“
Wie einigen sie sich? Das finde ich spannend. Beide Seiten haben geistliche Argumente. Was denjenigen fehlte, die behaupteten, die aus den Nationen müssten sich beschneiden lassen und das Gesetz halten, war das Verständnis der Heilsgeschichte Gottes. Gott handelt mit Israel anders als mit den Nationen.
Daraus ergeben sich dann Fragen: Müssen wir noch den Sabbat halten? Dürfen wir Schweinefleisch essen? Dürfen wir unterschiedliche Stoffe am Körper tragen? Apostelgeschichte 15 macht deutlich: Die, die aus den Nationen zum Glauben kommen – also auch wir –, sind nicht an die Gebote des Alten Testaments gebunden.
Nur vier Gebote werden genannt, und diese stehen nicht im Gesetz, sondern galten schon vorher: Sich zu enthalten von Hurerei, vom Blut, vom Erstickten und von Götzen. Das sind die Gebote, die wir zu halten haben.
Einheit durch Gesinnung
Wie kann das geschehen? Paulus beschreibt das in Philipper 2. Er sagt, wir sollen eines Sinnes sein. Was bedeutet das?
Da steht nicht, ihr sollt eine Meinung haben. Eine Gesinnung ist etwas anderes als eine Meinung.
Ihr könnt zum Beispiel als Ehepaar unterschiedliche Meinungen haben: Der eine möchte gerne in den Bergen Urlaub machen, der andere lieber an der See. Das sind unterschiedliche Meinungen. Aber was bedeutet es, eines Sinnes zu sein?
Ein Beispiel: Wir fahren ins Mittelgebirge an einen See. Paulus sagt hier, wir sollen die Gesinnung Jesu haben. Es kommt auf die Gesinnung an. Wenn ich die gleiche Gesinnung wie der Herr Jesus habe, dann kann ich auch manche Dinge mittragen, bei denen mein Bauchgefühl vielleicht etwas anderes sagt.
Ich weiß, vor vielen Jahren hat William Macdonald einmal auf einem Seminar in Medman eine Frage bekommen: „Mr. Macdonald, was tun Sie, wenn Sie merken, dass in der Gemeinde ein Lied vorgeschlagen wurde, das nicht unter der Leitung des Heiligen Geistes steht?“
William Macdonald antwortete: „Dann singe ich es unter der Leitung des Heiligen Geistes.“
Person und Sache unterscheiden
Stets ist es wichtig, zwischen Person und Sache zu unterscheiden. Das wird uns Eltern immer wieder gesagt: Behandle dein Kind und bestrafe die Sache. Sage zum Beispiel: „Du hast gelogen“, aber nicht: „Du bist ein Lügner.“
Das ist, glaube ich, das Wesentliche, auch wenn wir als Geschwister unterschiedliche Auffassungen haben. Manchmal fliegen dann Worte hin und her: „Du bist Arminianer!“ oder „Du bist Calvinist!“ Doch weder Arminianer noch Calvinisten stehen in der Bibel.
Was sagt Paulus zu den Korinthern? „Das, was sie tun, ist falsch. Ich bin des Paulus, ich bin des Apollos, ich bin des Christus.“ Die Korinther waren geschickt darin, sich auf solche Aussagen zu berufen, sodass niemand etwas dagegen sagen konnte. Doch Paulus antwortet: „So nicht!“
Das ist mir vor Jahren besonders wichtig geworden. Ich weiß nicht, ob ihr das Buch von Francis Schaeffer kennt: „Gott ist keine Illusion“. Darin schreibt er, dass man einen Andersdenkenden zwar in die Ecke diskutieren kann, aber dadurch nicht sein Herz erreicht.
Ich glaube, das ist das Wesentliche. Und das fasziniert mich an meinem Jesus immer wieder neu, auch bei den Geschichten: Wie erreicht er die Herzen, nicht nur den Kopf? Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt.
Abschluss und Ausblick
Ich glaube, ich breche jetzt hier ab, da ich schon Überstunden habe. Das heißt, die übrigen Dinge lasse ich jetzt mal weg.
Das nächste Thema ist nämlich auch interessant. Hier kann ich nur ein Buch empfehlen: "Die Pharisäerfalle" von Joshua Harris. Er spricht dort von der demütigen Rechtgläubigkeit. Damit meint er, dass man auf der einen Seite einen klaren biblischen Standpunkt braucht, aber gleichzeitig ein geistliches, demütiges Miteinander.
Wir können nicht zwischen Demut und Rechtgläubigkeit wählen, wir brauchen beides.
Ich mache an diesem Punkt Schluss. Eigentlich geht es noch weiter, aber das könnt ihr im Buch nachlesen und auch in der Präsentation. Die Präsentation kommt mit auf die CD, sodass ihr das weiter nachschauen könnt.
Ich wünsche euch, dass ihr auch in Zukunft, ob bei einer Staffelübergabe oder wenn Fragen anstehen, die geistlich entschieden werden müssen, immer daran denkt: Es geht nicht um Gewohnheiten, sondern um biblische Lehre. Es geht darum, was die Bibel sagt.
Mir ist das sehr wichtig geworden, als ich mich zum Beispiel mit der Stiftshütte beschäftigt habe. Gott hat bestimmte Anweisungen gegeben, wie die Stiftshütte gebaut werden sollte. Er hat die Maße vorgegeben und die Materialien bestimmt. Das Dekor jedoch hat er ihnen überlassen.
So steht zum Beispiel nicht, wie sie die Verzierung am Schaubrotisch machen sollten. Auch steht nicht, wie sie die Cherubim in den Teppich einweben sollten. Das Material war vorgegeben, aber die Gestaltung blieb ihnen überlassen.
Deshalb sage ich immer: Mich faszinieren Oholiab und Bezalel, die beiden Künstler, die Gott befähigt hatte, damals die Stiftshütte zu bauen. Mit ihnen möchte ich mich im Himmel mal unterhalten. Wie habt ihr das gemacht? Ihr hattet bestimmte Vorgaben, aber auch Freiräume.
Und so gibt es das auch bei der Gemeinde des lebendigen Gottes: Es gibt Vorgaben und es gibt Freiräume. Und da müssen wir unterscheiden.
Wenn wir das tun, leben wir miteinander in Frieden, im gegenseitigen Wohlwollen, in gleicher Gesinnung und achten einander höher als uns selbst.
