Auswahl und Bedeutung des Bibeltextes
Ich habe mir für heute Abend einen Bibeltext ausgesucht. Dabei wähle ich nicht die Texte aus, die mir besonders liegen. Ich habe im Laufe meines Lebens bereits alle Perikopen einmal gepredigt. Mir ist es wichtig, immer wieder neue Texte der Bibel zu entdecken, um nicht in eingefahrene Gleise zu geraten.
Heute habe ich ein Wort aus Josua 4 herausgesucht. Das Volk Israel war durch den Jordan gezogen. Gott hatte ein Wunder getan: Der reißende Strom blieb stehen. Oben gab es einen Stau weit im Norden, sodass das Volk Israel trockenen Fußes über eine Furt wandern konnte.
Als das ganze Volk über den Jordan gegangen war, sprach der Herr zu Josua: Nehmt euch aus dem Volk zwölf Männer, aus jedem Stamm einen. Befiehlt ihnen, mitten aus dem Jordan zwölf Steine aufzuheben – von der Stelle, wo die Füße der Priester stillstehen. Bringt diese Steine mit euch hinüber und legt sie in dem Lager nieder, wo ihr diese Nacht bleiben werdet.
Daraufhin rief Josua die zwölf Männer, die er aus Israel bestellt hatte – aus jedem Stamm einen – und sprach zu ihnen: Geht vor der Lade des Herrn, eures Gottes, mitten in den Jordan hinüber. Hebt an jeder Stelle einen Stein auf und tragt ihn auf der Schulter, entsprechend der Zahl der Stämme Israels. So sollen die Steine ein Zeichen unter euch sein.
Das Denkmal der Steine als Zeichen der Erinnerung
Wenn eure Kinder später einmal fragen, was diese Steine bedeuten, sollt ihr ihnen sagen:
„Weil das Wasser des Jordan vor der Lade des Bundes des Herrn wegfloss, als sie durch den Jordan gingen, sollen diese Steine für Israel ein ewiges Andenken sein.“
Da taten die Kinder Israel, wie ihnen Josua geboten hatte, und trugen zwölf Steine mitten aus dem Jordan, wie der Herr zu Josua gesagt hatte.
Sie brachten die Steine mit sich hinüber in das Lager und legten sie dort nieder. Josua richtete zwölf Steine auf mitten im Jordan, an der Stelle, wo die Füße der Priester gestanden hatten, die die Bundeslade trugen.
Diese Steine sind noch dort bis auf den heutigen Tag.
Herr, rede du mit uns! Amen!
Persönliche Erfahrungen und das Zeugnis vor Gericht
In diesem Jahr stand ich zum ersten Mal vor Gericht – glücklicherweise nicht als Angeklagter, sondern als Zeuge. An einem dieser schönen Sommermittage, an einem Sonntagnachmittag, waren wir zufällig Zeugen eines schrecklichen Unfalls geworden. Vor unseren Augen ereignete sich dieser Unfall, bei dem mehrere Menschen schwer verletzt wurden und eine Person starb.
Ich war ziemlich aufgeregt und wunderte mich selbst, vor diesem hohen Gericht zu stehen. Man denkt ja, dass für einen neunzehnjährigen jungen Mann, der nun hier angeklagt ist, sehr viel davon abhängt, ob man das richtig sagt.
Beeindruckt hat mich, wie der Richter sagte: „Wir wollen von Ihnen nichts hören außer dem, was Sie gesehen haben.“ Er interessierte sich also nicht dafür, wie ich die Hintergründe beurteile oder was ich sonst über die Welt, die Lage oder den schrecklichen Unfall zu sagen hätte.
Er sagte: „Sagen Sie ganz einfach, was Sie gesehen haben und was Sie nicht gesehen haben. Sagen Sie nicht, sagen Sie, was los war.“
Rückblick und Erinnerung am Jahresschluss
Und ich möchte zum Jahresabschluss Folgendes sagen: Das ist eine gute Frage. Wir wollen uns daran erinnern, was im vergangenen Jahr geschehen ist. Was ist passiert?
Dabei wollen wir keine großen Worte machen, keine tiefgründigen Gedanken formulieren und keine rührseligen Erwägungen anstellen. Sondern einfach fragen: Was war los?
Joshua hat seine Leute damals angehalten und gesagt: „Leute, ich habe einen Wunsch. Nachdem wir all das erlebt haben, dort am Jordan, habe ich nur einen Wunsch. Jetzt errichten wir ein Denkmal. Wir wollen niemals vergessen, was geschehen ist.“
Sie hatten erlebt, dass Gott, der Herr, lebt und von Menschen erfahren werden kann. Das hat die Israeliten so beeindruckt, dass sie am Jordan ihr Denkmal für ihren Gott bauten.
Es ist schon eine merkwürdige Sache, dass Joshua nicht nur eine Dankfeier abhalten wollte. Er wollte nicht bloß einen Psalm miteinander singen. Stattdessen sagte er: „Das darf mal drastisch sein. Wir wollen richtig hinschauen. Wir wollen Steine holen, schwere Steine, und diese aufeinander schichten. Diese Steine müssen stehen bleiben, denn das, was an dieser Stelle geschehen ist, darf nicht vergessen werden.“
Die Bedeutung des Denkmals für die Erinnerung an Gottes Wirken
Am Jahresschluss gibt es meiner Meinung nach nur einen Rückblick, auf den wir uns konzentrieren sollten. Wir wollen festhalten, dass wir Gott erfahren haben – viel größer und mächtiger, als wir es zuvor dachten.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe manche von Ihnen an den Gebetserhöhungen teilhaben lassen, die wir als Gemeinde in mancher Bedrückung erlebt haben. Neulich saßen wir nur mit jungen Leuten aus der Gemeinde zusammen. Dabei begannen wir nacheinander, einfach zu erzählen, was wir in den letzten Tagen mit Jesus erlebt haben – mit Jesus, der lebt.
Deshalb möchte ich sagen: Man muss ein Denkmal setzen, eine Erinnerung an das vergangene Jahr schaffen. Heute habt ihr nur zwei Punkte, aber es ist wichtig, dass andere darauf aufmerksam werden.
Also schleppt tüchtig Steine herbei! Wenn man Steine trägt, nimmt man oft kleine oder vielleicht ein paar mittelgroße. Aber es müssen ganz große Steine sein, damit ein richtiges Denkmal entsteht.
Die Weitergabe der Erinnerung an kommende Generationen
Es war ihm wichtig, dass eines Tages die Kinder, also ihre Kinder, vor diesem Denkmal stehenbleiben und Fragen stellen. Sie sollten sagen: „Papa, was war da los?“
Vielleicht ärgern sich die Kinder auch und sagen: „Wir wollen hier unten spielen. Wir wollen einen Kickplatz am Jordan haben. Aber da unten steht dieses Denkmal, und die Steine können wir nicht wegräumen. Sie sind uns im Weg.“
Doch Joshua sagt, es muss ein Denkmal geben, damit die Kinder, also eure Nachkommen, davor stehenbleiben und fragen: „Warum haben sie die Steine zusammengeschichtet?“
Denn es besteht eine große Gefahr, dass wir die Wunder Gottes erleben, aber die Zeit vergeht, und wir vergessen sie selbst. Die anderen hören davon gar nie.
Das kommende Geschlecht soll vor den Erfahrungen stehenbleiben, die wir mit Gott gemacht haben.
Die Gefahr von Überheblichkeit und die Realität des christlichen Lebens
Es gibt heute eine gefährliche Tendenz unter Christen. Viele sagen, sie möchten, dass andere Menschen neugierig auf sie werden. Dass ihre Nachbarn eines Tages stutzig werden und fragen: „Was bist du denn für ein Christ? Woher kommt nur diese Kraft?“
Wissen Sie, das ist Überheblichkeit, wenn man so etwas erwartet. Man muss immer wissen, dass andere Menschen sich ein Leben lang an einem ärgern werden. Es ist eine Tragik, dass wir so wenig von der Art Jesu widerspiegeln.
Doch gleichzeitig wollen wir Denkmäler errichten. Wir wollen von dem erzählen, was wir mit Gott erlebt haben.
Die Erfahrung von Gottes Führung in schwierigen Zeiten
So wie die Israeliten gesagt haben: Wir standen dort am hochwasserführenden Jordan. Anfangs waren wir noch voller Begeisterung und dachten, das werden wir schaffen, da werden wir durchschwimmen. Der Erste stürzt sich in die Fluten, doch dann treibt sie ihn wieder ans Ufer zurück.
Dann sagen sie: Jetzt machen wir eine Kette, und dann gehen wir durch. Aber es geht nicht. Danach sagen sie: Wir machen einen Fluss, und das gelingt auch nicht. So waren die 42 Jahre Wüstenzug vergeblich, weil sie diese Flut nicht durchmarschieren konnten.
Das ist das Große, wenn man mit Gott Erfahrungen macht: Man lebt in Tiefen, wird in Augenblicken von Gott geführt, steht in Sackgassen, wo man meint, kein Weg geht mehr weiter. Man weiß keinen Schritt mehr, weder vorwärts noch rückwärts. Man hat keinen Helfer mehr, der einen beraten kann, man hat keine Idee mehr.
Sie haben doch kein Denkmal von Menschen gebaut, sondern ein Denkmal ihrer Ohnmacht. Und das sollen Sie Kindern erzählen. Erzählen Sie das weiter der kommenden Generation. Sagen Sie das den Menschen um Sie herum. Sagen Sie: Ich stand in diesem Jahr in Situationen, wo ich aufgeben wollte, wo ich keinen Mut mehr hatte.
Und dann hat Gottes Wort mich auf einmal gerufen: Leg deine Sache in Gottes Hand. Und ich habe gemerkt, dass auf einmal ein Weg durchgeht, wo vorher reißende Wasser waren. So machen wir Erfahrungen mit Gott.
Zeugnisse von Glaubenserfahrungen und Ermutigung
Gestern nach dem Gottesdienst hat mich unser afrikanischer Freund angesprochen. Er sagte: „Warum macht ihr eure Predigt so trocken? Ihr müsst mehr erzählen. Ihr solltet unbedingt berichten, dass in meiner Heimat, Nigeria, vor wenigen Monaten noch 3000 Christen waren. Heute sind es nur noch neun gläubige Christen, die als Studenten und Schüler allen anderen Menschen von Jesus erzählen müssen.“
Er fügte hinzu, dass dies auch eure Gemeinde anstecken wird, wenn sie erfährt, dass Gott heute lebt. Dass es nicht nur ein Spruch ist, sondern dass man echte Erfahrungen mit ihm machen kann.
Wenn ihr eure Erlebnisse, die ihr mit Gott gemacht habt, wie ein großes Denkmal ausbaut, dann nicht um eures eigenen Willens, sondern gerade um davon zu sprechen – von eurer Ohnmacht und von der Größe unseres Gottes.
Die Wirkung von Denkmälern und ihre politische Bedeutung
Noch ein zweites: So ein Denkmal hat ja Auswirkungen. Vor einiger Zeit war ich in Prag, und ein lieber Freund, ein Tscheche, führte mich einen ganzen Mittag lang durch die Stadt. Am Anfang dieser großen Stadtbesichtigung gingen wir hinaus auf den Berg, der vor Prag liegt. Dort steht das größte Reiterstandbild der Welt, von Tschitschka, einem Führer im Hussitenkrieg. Er trägt eine Binde über dem Auge, ähnlich wie Mosche Dajan, ein Heerführer ohne Gleichen des tschechischen Volkes.
Mein Freund erzählte mir dazu: „Wir wollten einst dieses Denkmal bauen. Als Christen war uns das eigentlich wichtig, denn dieser Hussitenkrieg war kein gewöhnlicher Krieg. Es war ein Aufbruch des Evangeliums. Das tschechische Volk damals war gepackt von der Botschaft des Lukasevangeliums in der Reformation, und wir wollten das darstellen.“
Als das Reiterdenkmal fertig war, wurde es jedoch zu einem Denkmal zur Anbetung der Sowjetmacht. Wir standen vor dem Denkmal, und er sagte: „So ist es. Wir wollten ein Denkmal bauen, und daraus wurde eine Anbetung der Sowjetmacht.“ Die politischen Verhältnisse hatten sich während der Bauzeit geändert, und das war das Ergebnis.
So ist es mit den Denkmälern, die man in der Welt baut. Eine Generation feiert stürmisch Menschen. Kurz darauf werden diese Menschen abgesetzt, abgesägt oder verachtet. Die Mächte wechseln, und die Denkmäler werden umfunktioniert – so wie dieses größte Reiterstandbild der Welt umfunktioniert wurde.
Das unvergängliche Denkmal Gottes und seine Bedeutung für Entscheidungen
Dass sie aufstellen, dass nicht umfunktioniert wird. Deshalb kein Denkmal von Menschen. Deshalb wollen wir nie von Kirchen und von Christen reden.
Joshua sprach in diesem Denkmal vom lebendigen Gott, der Wunder tut. Er sagte, daran sollen Entscheidungen fallen, das soll Folgen haben. Dieses Denkmal darf keiner abräumen, es darf keiner umfunktionieren. Von diesem Denkmal aus sollen Entscheidungen ausgehen auf Kindeskinder.
Wir haben in der Mitte unserer Kirche keinen Steinhaufen, sondern das Kreuz aufgerichtet. Dieses Kreuz ist ein Denkmal, das Gott so fest bestätigt hat, wie damals am Jordan. Dort führte er ein aufgescheuchtes Volk Israel gleichsam bei der Hand und sagte: „Ich werde für euch streiten und ihr werdet still sein.“
Da standen sie da, die Leute, die eben noch den Fluch auf den Lippen hatten, jenes ungeduldige Völklein, diese ohnmächtigen Menschen.
Der Aufruf zum Vertrauen und zur Hingabe im neuen Jahr
Was ist das für eine Sache, wenn wir ins neue Jahr gehen – mit diesem Herrn Jesus, der es am Kreuz bestätigt hat? Dieses Kreuz ist ein Denkmal, von dem aus Entscheidungen fallen. Gott ruft hinein und sagt: „Ich bin mit dir. Ich tilge all deine Schuld wie einen Nebel. Ich wasche dich rein.“
Aber wage doch etwas in dieser Welt! Gib doch dein Leben dafür her! Warum hältst du alle so verzweifelt bei dir fest? Du willst dein kleines Leben nur für dich selbst sorgen. Du möchtest so vor dich hintreckeln und merkst gar nicht, dass du in dieser Welt Taten tun darfst – im Namen deines Gottes!
Die Herausforderung des Predigttextes und die Ermutigung zum Handeln
Der vorgeschriebene Predigttext für den heutigen Abend ist das große Wort des Paulus aus Römer 8: „Gott ist für uns. Wer kann jetzt noch gegen uns sein?“
Ich hatte zunächst die Befürchtung, Sie hören dieses Wort und denken: „Ja, schön, dann darf ich mein zitterndes Herz in die Hände Jesu legen, ganz ruhig sein und meine kaputten Nerven beruhigen.“ Nein, es ist noch mehr gemeint.
Sie dürfen Ihr Leben ganz in Gottes Hände legen. Suchen Sie im neuen Jahr, wenn Gott Ihnen noch ein weiteres Jahr schenkt oder auch nur ein halbes Jahr, was Sie für ihn wirken dürfen. In Ihrer Familie, unter Ihren Freunden, in Ihrem Volk, in unserer Stadt, in Ihrer Gemeinde und weltweit.
Gott ist für uns. Wer kann uns jetzt noch hindern, Großes für ihn zu tun? Das soll völlig unabhängig davon sein, wie groß oder klein die Gaben sind, die Ihr Leben hervorbringt. Er legt seine Gaben in uns hinein.
Das ist das Denkmal, das Josua aufrichten wollte. Es geht nicht um euch, sondern um ihn. Wenn ihr euch nur von ihm binden lasst und euch von ihm führen lasst.
Ausblick und Ermutigung zum Jahreswechsel
Dieser Jahresschluss nimmt eine interessante Stellung ein. Wir blicken zurück, danken und loben. Natürlich könnten wir auch weglassen, was alles darin enthalten war.
Erwartet ihr denn blind, dass ihr den Gott nicht erfahren habt, der euch durch schwere Stunden führen wollte? Er wird euch auch im neuen Jahr durch dunkle und finstere Täler begleiten. Wo sonst sollten wir unsere Lobchoräle singen als im finsteren Tal? Wo sonst sollten wir Taten der Liebe und Güte tun als dort, wo gehasst und gestritten wird?
Wohin sollte der Herr uns anders senden als dorthin, wo der Teufel umhergeht wie ein brüllender Löwe, der uns verschlingen will? Doch wir ziehen unter seinem Schutz in dieses Jahr hinein.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute Abend noch etwas Zeit finden, um auf einen Zettel oder am besten hinten in Ihre Bibel einige erfahrene Durchhilfen Ihres Gottes zu notieren. Wunder, die Sie nicht erwartet haben. Schreiben Sie auch die bedrängenden Dinge auf, die Sie für das neue Jahr ängstigen. Beten Sie darüber und haken Sie es am nächsten Altjahrsabend als Denkmal der Güte Gottes ab.
Ihr werdet erfahren: „Ich bin der Herr, an welchem nicht zu schanden werden die, die auf mich harren.“ (Jesaja 49,23)
Ist Gott für uns, wer kann dann noch gegen uns sein? Er hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns Versager, Rebellen gegen Gott, für uns Gleichgültige, für uns Menschen, die sich nicht von ihm führen lassen, dahingegeben. Wie sollte er uns in Jesus nun nicht alles schenken?
Amen!