Die Gemeinde als sichtbarer Leib Christi
Es ist eine der großen Gaben Gottes in dieser Welt, dass wir zur Gemeinde Gottes zusammengeschlossen werden. Sie ist der sichtbare Körper Jesu in dieser Welt, sein Leib, wie Paulus es immer ausgedrückt hat. Oft rechnen wir gar nicht mehr damit, doch manchmal empfinden wir dieses wunderbare Geheimnis.
Ich muss heute davon predigen und habe einen Abschnitt mit elf Versen gewählt. Im griechischen Text, so wie Paulus ihn niedergeschrieben hat, besteht dieser Abschnitt aus einem einzigen Satz. Er ist so gefüllt, dass Paulus scheinbar keine Zeit zum Atmen hatte. Es handelt sich um Epheser 1,3-14.
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christus. Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, damit wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten. In seiner Liebe hat er uns dazu bestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus.
Nach dem Wohlgefallen seines Willens geschah dies zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten – das ist der geliebte Sohn Jesus Christus. Dort haben wir diese Gnade erfahren. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, die uns reichlich widerfahren ist.
Diese Gnade hat er uns in allerlei Weisheit und Klugheit gegeben. Darf ich eine Randbemerkung machen? Weil ich später nicht mehr dazu komme: Zu den Gnadengaben gehören auch Weisheit und Klugheit. In der Bibel werden sie nicht abgewertet. Nur die unerleuchtete Vernunft wird kritisiert. Die vom Geist Gottes erleuchtete Vernunft und Weisheit ist jedoch eine Gabe.
Denn Gott hat uns das Geheimnis seines Willens wissen lassen, nach seinem Ratschluss, den er sich vorgesetzt hatte in Christus. Damit dieser Ratschluss ausgeführt würde, wenn die Zeit erfüllt wäre: dass alle Dinge zusammengefasst würden in Christus, beides, was im Himmel und auf Erden ist.
In Christus sind wir auch zum Erbteil gekommen, die wir zuvor verordnet waren nach dem Vorsatz dessen, der alle Dinge wirkt nach dem Rat seines Willens. Das geschieht, damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben.
In ihm seid auch ihr, die ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit. In ihm seid auch ihr, da ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist. Dieser Geist ist das Unterpfand unseres Erbes zu unserer Erlösung, damit wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Herr, gib uns etwas aus dieser dichten Fülle deines Wortes. Amen!
Das Bild der Braut als Symbol der Gemeinde
Wir leben heute in einer revolutionären Zeit, und längst ist die Ehe in diesen Umwälzungsprozess mit hineingezogen worden. Dennoch erlaube ich mir, ein Bild zu gebrauchen, das nach wie vor sehr aussagekräftig ist: das Bild der Braut.
Auch in unserer heutigen Zeit sieht man immer wieder eine schön geschmückte Braut, die sich für ihren Hochzeitstag vorbereitet. Dieses Bild ist für uns bis heute erhalten geblieben: weißes Kleid, Brautschleier, festliche Schmuckstücke. Man muss sich an so einem besonderen Tag schön herrichten – das gehört einfach dazu.
Nun möchte ich den Gedanken weiterführen: Wie hübsch müsste eigentlich die Braut Christi sein? Vielleicht sagen Sie, das sei ein geschmackloser Gedanke, denn Christus brauche doch keine Braut. Doch das Bild wird in der Bibel verwendet. Dort heißt es, Christus habe eine Braut, die festlich und schön geschmückt ist – noch viel wunderbarer als unsere irdischen Bräute.
Die Braut Jesu Christi ist kostbar schön, das heißt: ohne Flecken und Runzeln, jugendlich erblühend. Nun sind wir gespannt und fragen: Was ist denn diese Braut? Die Bibel sagt, die Braut ist die Gemeinde Jesu.
Dieses Bild wurde oft in Liedern besungen. Wir haben uns in unserer gottlosen Zeit nur wenig von den biblischen Worten entfernt. Unsere Väter verstanden das noch besser. Sie wussten, welch großer Schatz es ist, zu dieser großen Gemeinde Gottes zu gehören. Ihnen war es wichtig, dabei zu sein, wenn Gottes Volk sich versammelt.
Man möchte dazugehören zu dieser schönen Gemeinde.
Die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit der Gemeinde
Nun können wir über diese kostbar geschmückte Braut sprechen. Doch wenn wir an konkrete Gemeinden denken, sagen wir oft: „Diese komische Organisation, dieser brüchige Laden!“ Nehmen wir zum Beispiel unsere eigene Gemeinde. Da können Menschen erzählen, was alles versäumt und versiebt wurde. Der Pfarrer hat nicht gratuliert, jemand wurde nicht gegrüßt, etwas Wichtiges wurde vergessen. Das ist ärgerlich, und es klappt doch vorn und hinten nicht in unseren Gemeinden.
Wenn ich von Gemeinde spreche, meine ich genauso Gemeinschaften, Hauskreise und überall dort, wo Menschen sich im Namen Jesu um das Wort versammeln. Wir können so viel Ärgerliches erzählen – da geht einem doch der Hut hoch. Wie bringen wir nun diese beiden Dinge zusammen? Die großen biblischen Aussagen von der Braut Jesu Christi auf der einen Seite und unsere Wirklichkeit auf der anderen?
Es gibt immer wieder solche Sektenschwärmer, die sagen: „Das ist doch nicht die Gemeinde Gottes.“ Sie stoßen sich an uns. Uns tut es immer weh, dass wir nicht mehr Glanz verbreiten können. Dann meinen sie, sie hätten die Gemeinde gepachtet und stellten sie besser dar. Doch alle diese schwärmerischen Versuche endeten immer wieder in großer Not.
Wie bringen wir das zusammen? Paulus spricht in diesem Abschnitt von der Schönheit der Gemeinde, der Braut Jesu. Gleichzeitig können wir nachprüfen, wie es in Wirklichkeit in der Gemeinde von Ephesus aussah. Ich habe Ihnen vorher die Verse in der Schriftlesung vorgelesen. Ausgerechnet eine Gemeinde, wo Christus sagt: „Ich muss eigentlich deinen Leuchter umstoßen, du hast die erste Liebe verloren.“ Die Gemeinde hat zwar viel geleistet, aber es fehlt am Wichtigsten und Zentralsten.
Wir kennen die Gemeinde von Ephesus sehr gut. Diese Missionsgemeinde gründete Paulus dort, in einer Stadt, in der es einen großen Aufruhr um Demetrius und seine Goldschmiedekunst gab. Wir wissen, wie Paulus sich von den Ältesten dieser Gemeinde verabschiedet hat. Da stand Paulus, dieser harte und zähe Mann, den man peitschen konnte und der das um Jesu Willen ausgehalten hat. Er stand in Milet und weinte wie ein Kind, weil er Angst um diese Gemeinde hatte. Er sagte, sie geht unter.
Es werden gräuliche Wölfe aus der Gemeinde kommen, nicht von außen – die sind nie gefährlich –, sondern von innen. Die überfrommen Menschen reden viel, treiben von Jesus weg, bringen Sonderlehren auf, ziehen Menschen an sich, binden sie an Personen und entfernen sie von der Einfalt des Glaubens.
Paulus hat mit diesen Leuten gerungen und gesagt: „Ich habe Tag und Nacht nicht abgelassen, euch drei Jahre zu vermahnen. Ich habe nachts nicht mehr schlafen können, weil ich Sorge um diese Gemeinde hatte.“
Jetzt bekommen wir beides zusammen: Diese irdischen Gemeinden, die uns so viel Kummer machen, sodass wir denken, wir seien treuloser als Paulus. Paulus hat sich als Seelsorger um seine Mitchristen gesorgt und gerungen, hat gekämpft. Es ist nicht christlich, wenn jemand sagt: „Um die Kirche habe ich keine Sorge.“ Paulus hatte Tag und Nacht schlaflose Nächte wegen seiner Kirche.
Ich kann das zusammenbringen, weil ich weiß: Über dieser brüchigen und notvollen Gemeinde in dieser Welt spricht Jesus Christus gleichzeitig aus, dass sie Braut ist und im Brautschmuck dasteht.
Die Gemeinde als Ausdruck der Vaterliebe Gottes
Ich möchte Ihnen heute an diesem Abschnitt zeigen, warum eine Gemeinde so groß und so schön ist. Dabei werde ich drei Dinge aus diesem Abschnitt herausstellen. Ich gliedere das so, weil ich meine, dass sich das ganz selbstverständlich aus dem Text ergibt. Es ist auch kein Zufall, dass dieser Abschnitt von den Vätern für das heutige Dreieinigkeitsfest ausgewählt wurde.
Ich meine, wir können hier drei Stufen der Wirkungen Gottes beobachten. Die erste ist: Eine Gemeinde ist getragen von der Vaterliebe Gottes.
Jetzt müssen wir den Blick einmal woanders hinrichten. Wir könnten alle schimpfen und erzählen, was wir schon Enttäuschendes erlebt haben. Vielleicht denken die, die von außen kommen, dass die Ludwikowa-Gemeinde Gold ist. Doch wenn Sie sich auskennen würden, wüssten Sie, wie viel Not es bei uns gibt.
Sie müssen aber umgekehrt sehen, was Gott an dieser Gemeinde tut – an dieser notvollen Ludwig-Hofager-Gemeinde, an der anderen Gemeinde, überall dort, wo Menschen sich im Namen Jesu versammeln. Paulus sagt dazu: Dort hat Gott einen Segen ausgeschüttet. Gelobt sei Gott, der uns gesegnet hat mit allerlei himmlischen Gütern. Dort hat Gott kübelweise seine Gaben ausgeleert. Ich muss das nun mal drastisch sagen.
Segen heißt ja immer, dass Gott jemanden groß macht. Segnen heißt preisen. So sieht das Paulus. Er hat diesen Brief ja an die Epheser geschrieben. Er sieht diese Christen, die so angefochten und gefährdet sind, und sagt: Wisst doch, dass Gott in euer Leben kübelweise seine guten Dinge hineingeben will, seine Gaben. Er hat Pläne für euch.
Er hat uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, bevor es überhaupt eine Welt gab. Das verstehe ich nicht, ich habe oft darüber nachgedacht, aber ich verstehe es nicht. Ehe es überhaupt eine Welt gab, hat Gott schon geplant, dass seine Gemeinde in Ephesus und in Stuttgart ihn preist, ihm dient und ihm zur Verfügung steht – vor Grundlegung der Welt.
Ich kann nur sagen, dieses Geheimnis kann man nie ganz durchschauen. Man kann es nur immer wieder anbetend bekennen. Und das ist wie ein Fundament, auf dem unser ganzes Arbeiten fußt.
Gemeinde fängt doch nicht erst an, wenn dieser oder jener Pfarrer erscheint oder wenn der eine geht oder wenn eine neue Aktion gestartet wird oder etwas geändert wird. Die Gemeinde fußt auf dem Fundament der Erwählung Gottes vor Urzeiten. Gott hat in Stuttgart seine Gemeinde ausgewählt, das war seine feste Planung.
Sie können über diesen Gedanken grübeln, aber Sie kommen nicht weiter. Freuen Sie sich daran: Auf diesem wichtigen Grund stehen wir. Und das ist gleichzeitig eine Ermutigung: Auch wenn unser Glaube einmal angefochten und schwach ist, auch wenn wir treulos sind, wankt die Gemeinde nicht.
Dann wird Gottes Plan mit seiner Gemeinde nur viel, viel größer. Darum hat Jesus seinen Jüngern auch so klargemacht und gesagt: Nicht ihr habt mich erwählt – so habe ich sie vorhin begrüßt –, sondern ich habe euch erwählt.
Christus ist es wichtig, dass unser Leben Frucht trägt, bleibende Frucht. Wir sorgen uns um die Gemeinde hin und her. Aber wenn wir die Schönheit der Gemeinde sehen wollen, müssen wir zurück auf die göttliche Erwählung und die große Planung schauen.
Zum Dienst hat er uns auserwählt. Wenn wir uns darauf zurückbesinnen und von allem anderen frei werden, dann können wir wieder Gemeinde im Sinne Jesu sein.
Ach, wenn man das heute so hört, möchte man manchmal gerade mutlos werden. Was wird heute nicht alles herangeschleppt, um Gemeinde zu erneuern! Da werden Soziologen angestellt. Ich habe nichts gegen Soziologen, das sind liebe Leute, aber die Wurzel der Gemeinde liegt nicht im bloßen Zusammenkommen.
Hier und da kann man sicher etwas an den Äußerlichkeiten ändern, aber der entscheidende Grund ist, dass wir uns zurückbesinnen. Das ist unsere Stärke: Gott will es so.
Wenn wir heute wieder eins werden mit Gottes Planungen, wenn er uns führen kann und wir wissen, was er in diesen Tagen von uns will, dann wird unser Leben als Gemeinde fruchtbar.
Gemeinde wird auch nicht neu, indem man ein bisschen Firlefanz macht oder ein paar Attraktionen bietet, sondern durch die Erwählung Gottes. Er will sein Volk in dieser Welt haben.
Zu welchem Zweck? Dass wir heilig und untadelig vor ihm sind. Wie uns die Menschen beurteilen, ist mir nicht wichtig. Aber dass wir vor Gott makellos dastehen, das soll unser wichtigstes Anliegen sein.
Dass wir Gott gefallen in Wort, Werk und allem Wesen. Dann erfüllen wir unseren Auftrag in dieser Welt – ob wir Menschen erreichen oder nicht.
Doch sollten wir nicht nervös werden. Dazu hat er uns gesetzt als Licht und Salz in der Welt. Wir jagen nicht der Publicity nach, sondern wollen heilig und makellos sein.
Er hat uns dazu erwählt, dass wir zum Lob Gottes dastehen. Dass in unserem sündigen und verkorksten Leben, im Leben von schwierigen Menschen – die alle ihren Dickkopf haben – etwas durchstrahlt von der vergebenden Kraft Jesu.
Dass man sagt: Das ist doch wunderbar, wie dieser Mensch und jener Mensch in der Gemeinde eigentlich ganz schwierige Charaktere sind, aber wie sie in ihrem Leben doch richtig aufgeschmolzen sind von der Liebe Christi.
Die Gemeinde als Kind Gottes und Erbe
Dass wir nun Kinder sind, Kinder Jesu Christi, nach dem Wohlgefallen seines Willens, bedeutet, dass die Planung Gottes bei uns weiterkommt. Damit wird die Begnadigung Christi in unserem Leben sichtbar.
Das heißt jedoch nicht, dass wir schon die Perfektion erreicht haben. In den letzten Predigten habe ich einiges angestoßen. Dabei gab es hier und da Gespräche darüber, ob Christen nicht doch perfekt sein müssen. Es wäre schön, wenn sie es wären. Ich freue mich mit denen, die es sind.
Ich freue mich aber vor allem darüber, dass in der Bibel immer nur davon die Rede ist, dass die Gnade Gottes sichtbar wird. Dass man die Erbarmung Gottes über unserem Leben rühmen kann. Wir können in unserem Leben immer wieder davon sprechen, auch wenn wir zusammenkommen: Da ist das Wunder Gottes an mir geschehen, dass er mich herausgeholt hat. Dass er mich täglich von meiner Sünde befreit und dass er größer ist als meine Untreue.
Kinder sind in den Augen ihrer Väter, das darf ich als Vater sagen, viel größer als in Wirklichkeit. Meine Nachbarn sehen meistens nur Schreihälse. Ich habe auch liebe Nachbarn, aber sie sehen eben meistens nur Schreihälse. Der Vater aber sieht in seinen Kindern schon die kommenden Erwachsenen und die, die einmal das Erbe weitertragen sollen.
So sieht uns auch unser himmlischer Vater, wenn er uns zu Kindern macht, als die Erben seines ganzen Reiches. Das war mein erster Punkt, der erste Abschnitt dieses großen Lobpreises.
Darin liegt der Schatz einer Gemeinde: Der Vater trägt sie in seiner Liebe. Er hat diese Gemeinde, uns, zu Kindern gesetzt, zu Erben gemacht. Und er will seine Gnade in dieser Gemeinde an seinen Kindern sichtbar machen.
Die Gemeinde als Werkstatt Gottes
Das Nächste nun: Wir sind in der Werkstatt des Meisters. Paulus spricht nun davon, was Jesus Christus an uns tut. In der Gemeinde merkt man noch, dass gearbeitet wird. In einer Werkstatt fallen Späne, und es wird gehobelt. Eine Gemeinde ist natürlich auch die Gemeinde Jesu in dieser Welt – eine vorläufige Größe. Man kann sich an allen Äußerlichkeiten stoßen.
Das hören wir oft von Ungläubigen, die Enttäuschungen mit Christen erlebt haben. Das sollten wir wissen. Wichtig ist jetzt nur, dass überall, wo wir Schwächen von Menschen sehen, Christus am Arbeiten ist. Er kann Menschen umwandeln. In Jesus haben wir die Erlösung durch sein Blut. Wir sind hier unterwegs, aber noch nicht am Ende.
Ich benutze gerne ein Bild: Wenn ein Freund gerade ein Haus baut und es einem zeigt, sagt er: „Du musst dir das ansehen, es wird ein schönes Haus.“ Dann geht man mit ihm durch, und sieht, dass es gräulich aussieht. Der Rohbau ist gerade fertig, das Richtfest liegt zurück, und die Gipser sind eingezogen. Man muss über große Sandhaufen steigen, Schubkarren liegen herum, und Gerüstbretter stehen herum.
Fragt man den Hausbesitzer, sagt er: „Hier kommt das Kinderzimmer hin, dort die Eckbank, da die Wohnküche, dort ein Sessel, und hier die Blumenbank.“ Alles sieht schon aus, als wäre es fertig. Dann steht man da und denkt: „Leere Fensterhöhlen – der spinnt wohl.“ Aber das Haus ist ja im Bau, es ist im Werden.
So müssen wir immer die Gemeinde Gottes in dieser Welt sehen: Sie ist im Werden, in einer Dynamik. Im Moment entsteht etwas, Gott arbeitet daran. Wenn wir die Wirkungsweise des Meisters entdecken, der Menschen loslöst – das Wort Erlösung erinnerte die Israeliten immer an den Auszug aus Ägypten, als sie aus der Sklavenherrschaft auszogen.
Man kann heute Abend im Fernsehen sehen, wie die ersten Leute aus dem Flugzeug in Brüssel aussteigen, die aus Schaba Katanga entkommen sind, der Metzelei. Wie die Glückstrahlen in ihren Gesichtern leuchten: „Wir sind noch mal davongekommen.“ Diese Freude liegt über der Gemeinde, Menschen, die sich freimachen konnten aus den Klauen der Versuchungen und des Bösen, das uns in dieser Welt so gefangen hält.
Das ist die Freude der Gemeinde: Er hat uns erlöst, wir haben Vergebung, und Christus hat uns reichlich seine Gnade geschenkt. Wir haben Anteil an der Gnade Christi. Warum werden nun alle Dinge zusammengefasst? Wir sollen diese Schöpfung Gottes, die durch den Sündenfall des Menschen aus den Fugen geraten ist, wieder in ihr Lot bringen.
Wir dürfen helfen, dass hier und da eine Familie wieder Frieden findet und dass kranke, zerbrochene Menschen wieder Freude erleben können. Wir dürfen mithelfen, dass es in dieser Welt wieder Versöhnung gibt. Durch die Herrschaft Christi sollen die Dinge in dieser Welt wieder ins Lot kommen.
Darum ist unsere Arbeit und unser Platz in den einfachen Alltagssituationen, wo Gott uns hingestellt hat, so wichtig. Alle Dinge sollen wieder unter Christus zusammengefasst werden und an ihren Platz kommen – wie wenn jemand in einem unordentlichen Zimmer wieder aufräumt. So ist es, wenn Christen im Auftrag Jesu in dieser Welt stehen.
Wir haben durch die Weisheit und Klugheit, die uns Christus schenkt, Einblick, wie man heute Kinder erziehen muss. Wir sind nicht konservativ, nur weil es unsere Vorfahren so gemacht haben. Wir wollen uns immer vom Geist Gottes neu leiten lassen. Was ist in unserem Jahrhundert von Gott geboten? Wie können wir in der Öffentlichkeit wirken? Was ist unsere Aufgabe gegenüber den Mitmenschen?
Es soll sichtbar werden, auch in der Schöpfung Gottes, dass die erneuernden Kräfte der Gnade Jesu wirken. Eine Gemeinde ist in der Werkstatt, sie wird bearbeitet. Es wird gehobelt, und es fallen Späne. Aber wenn nur gearbeitet wird und die Erlösungskraft Christi Menschen umgestaltet, dann geschieht etwas.
In der ersten Christenheit gab es einen großen Theologen, Irenaeus von Lyon. Er hat eine ganze Theologie daraus gemacht. Bei uns Theologen ist es oft so, dass man eine Bibelstelle nimmt, die man verstanden hat, und darunter alles sieht. Das kann einseitig sein. Doch bei Irenaeus war es faszinierend.
Er verkündete eine Erlösungslehre, die damals ganz Europa erfasste und die Christen im guten Sinn begeisterte. Wie die Welt durch den Sündenfall mitgerissen wurde, so wird sie jetzt durch das Dasein der Gemeinde einer notvollen Welt der Ewigkeit zugeführt.
Wo Gemeinde ist, wird in einer ungläubigen Welt etwas sichtbar – nicht nur durch fromme Reden, sondern auch durch das Tun des Guten und Schönen. So soll die ganze Welt Anteil haben am Erlösungshandeln Jesu Christi. Alle Dinge sollen zusammengefasst werden in Christus, sowohl was im Himmel als auch auf Erden ist.
Die Gemeinde als Gemeinschaft im Geist Gottes
Noch ein letzter Punkt: Wir sind geprägt vom Geist Gottes. Ich wollte dies trinitarisch, also von der Dreieinigkeit Gottes her, auslegen, denn ich meine, so hat es Paulus geordnet.
Der erste Teil war die Größe der Vaterliebe Gottes, der zweite Teil das Wirken Gottes an uns. Wenn Sie es jetzt noch einmal durchlesen, in der Bibel, in Ihrem Gesangbuch, hinten in diesem Abschnitt, wird es Ihnen sehr verständlich werden, wenn Christus an uns arbeitet.
Nun sagt Paulus noch: Der Geist Gottes prägt uns. Die Gemeinde trägt doch schon ein Bild des ewigen Gottes an sich, weil die Macht des Geistes Gottes seit dem ersten Pfingstfest in der Gemeinde wirksam ist. Paulus gebraucht das Bild der Versiegelung. Das ist ein Glaubenssatz, der auch bei uns eine Rolle spielt, natürlich nicht bloß in der neuapostolischen Gemeinde. Wir sind versiegelt worden – aber wann denn? Da, wo ihr gläubig wurdet.
Wenn ein Mensch zum Glauben an Jesus Christus kommt, dann macht Gott uns darin fest. Und es kommt dazu, dass in das Leben eines glaubenden Menschen der Geist Gottes einströmen kann. Das ist ja das Bild von denen, die es noch kennen: Sie hatten einst einen Siegellack, der erhitzt wurde an der Kerze. Dann tropfte dieser Siegellack weich auf das Papier, und man konnte den Siegelring eindrücken. So sah man wunderbar die Spuren dieses Siegelrings.
So will Gottes Geist in unser Wesen, in unseren Leib, in unsere Worte und in unsere Gedanken sein Wesen einprägen. Es ist wichtig, dass eine Gemeinde Raum gibt für diesen Geist Gottes und dass in unserem Leben die Art Jesu gelesen werden kann. Darum gibt es Gewissheit im Glauben.
Die gleiche Gemeinde in Ephesus, von der wir gehört haben, dass sie im Glauben angefochten und gefährdet war, bekommt von Paulus hier diesen großen Zuspruch: Ihr steht ja in der Vaterliebe Gottes, ihr steht in der Bearbeitung Jesu und ihr steht in der Macht des Geistes Gottes. Darum preist er diese Gemeinde. Sie ist wirklich eine schön geschmückte Braut, und wir sollten uns mehr freuen, dass wir teilhaben dürfen an der Gemeinde Jesu.
So brüchig und kümmerlich sie auch sein mag, wenn sie irgendwo auf der Reise ist und sich nur ein paar Leute versammeln – sie erleben Gemeinde. Mein Großvater hat erzählt, wie er einst auf einer Reise war, das war so um die Jahrhundertwende, als er in Hannover zwei Stunden Aufenthalt hatte. Er fragte einen Jungen vor dem Bahnhof: "Gibt’s hier bei euch Mucker?" – ein Schimpfname für die Frommen. Der Junge antwortete: "Ja, da drüben gibt’s einen," und führte ihn zu einem Schuhmacher.
Mein Großvater sagte: "Ich habe in Hannover noch selten so schön Gemeinde Jesu erlebt." Wie man zu einem wildfremden Mann kommen konnte und mit ihm betete – das ist Gemeinde Jesu, so klein sie auch ist, so kümmerlich sie aussieht.
Abschluss und Gebet
Dieser Text ist nach der Ordnung unserer Kirche heute gegeben. Ich möchte jedoch hier ein Wort anschließen. Wenn wir am Donnerstag unseren Gemeindetag haben, fügt sich alles ganz schön zusammen. Wir bitten Gott, dass er uns einmal auch einen Durchblick gibt.
Wir sind viele, die zusammengehören. Wenn das an einem Tag nur durchleuchtet und durchscheint, und wir dann wieder ganz verstreut an unserem Platz leben, ist das Große nicht wichtig. Nicht das Machtmäßige, das der Welt vielleicht Eindruck macht. Da kommen sieben Fernsehaufnahmeteams – das ist nicht wichtig für uns. Vielmehr geht es darum, dass wir etwas zum Lob der Herrlichkeit Gottes sind.
Dass die Vaterliebe Gottes uns trägt, von Anfang der Welt an. Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gemacht. Gar ehe ich dich kannte, hast du einen Plan mit uns, Herr. Gebrauche uns und auch unsere Gemeinde dazu, dass wir etwas sein können, dir zur Ehre, damit deine große, deine göttliche Größe in unserem Leben sichtbar wird. Amen.
Wir wollen beten:
Herr Jesus Christus, wir danken dir, dass du uns in deine Gemeinde dieser Welt hineingestellt hast. Vergib uns, wo wir lieblos deine Gemeinde, deinen Leib, deine Braut gerichtet und verurteilt haben. Wo wir wegen menschlicher Schwächen und wegen menschlicher Sünde deine Gemeinde gelästert haben.
Du willst uns hier stärken und ermutigen. Ja, du hast hier in deiner Welt dein Volk als Lobpreis deiner herrlichen Gnade. So soll etwas sichtbar werden von deinem Tun in dieser Welt. Wir freuen uns auch, dass wir in diesen Tagen so viel teilhaben dürfen, wo überall du in der Welt Aufbrüche schenkst in deiner Gemeinde. Wo du Wunder erleben lässt, in allen Ländern und Kontinenten dieser Erde.
Wir wollen dich bitten: Stell auch uns hinein in diesen Aufbruch. Lass das auch in unserer Stadt geschehen, dass dein Volk sich immer besser kennt, auch über die Gruppengrenzen hinweg. Und dass alle zusammenrücken, die dich liebhaben und die im Glauben an dich stehen.
Wir wollen dich auch bitten für den Gemeindetag am Donnerstag. Wir sind in allem von dir abhängig, ob in Störungen oder in der Wetterfrage. Aber am wichtigsten ist, dass du durch deinen guten Heiligen Geist an uns wirken kannst. Dass nicht viele Menschen im Mittelpunkt stehen, sondern dein Wort, das uns neu trifft, ermutigt und zurüstet für die Aufgaben in dieser Welt.
Und dass wir etwas werden zum Lob deiner herrlichen Gnade. Dir befehlen wir auch die an, die jetzt nicht unter uns sein können und doch zu deiner Gemeinde gehören: die Kranken und die Alten. Sei du jetzt bei ihnen durch deinen Geist.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
