Einleitung und persönliche Reflexion zum Umgang mit der Bergpredigt
Bei mir kommt es immer wieder vor, dass ich einen schönen Plan durcheinanderwerfe. Ich habe eine Einteilung für unsere Bergpredigt gemacht, mich zusammengerissen und sie eingehalten. Doch jetzt am Schluss verlassen mich meine guten Vorsätze.
Wir wollten das nächste Mal den Abschluss machen. Allerdings habe ich den für heute vorgesehenen Abschnitt noch in zwei Hälften geteilt. So wollen wir beim nächsten Mal zuerst über den Garantieschein Gebetsreden sprechen und dann in 14 Tagen den Abschluss "Boden unter den Füßen" behandeln. Da sind schon Ferien und manche sind weg, aber das macht nichts aus.
Heute behandeln wir wieder den Richtgeist aus Matthäus 7, aus der Bergpredigt:
"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr messt, wird euch gemessen werden.
Was siehst du aber den Splitter im Auge deines Bruders und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem eigenen Auge? Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: 'Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen', und siehe, ein Balken ist in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach sieh zu, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehst.
Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Säue, damit sie sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen."
Jetzt erkläre uns bitte dieses Wort. Amen.
Beobachtungen aus dem Alltag: Kritik im Gespräch
Liebe Brüder und Schwestern,
es ist indiskret, wenn man andere Gespräche belauscht. Neulich in der Eisenbahn hatte ich jedoch so gesprächslustige Leute in meinem Abteil, dass ich nicht anders konnte, als zuzuhören. Es waren Studenten, die von ihrem Alltag und ihren Diskussionen erzählten. Dabei blieb mir ein Wort besonders im Gedächtnis haften. Einer sagte: „Wir haben ihn verrissen.“ Gemeint war ihr Professor in einer Diskussion. „Wir haben ihn verrissen.“
Dieses Wort ist sonst etwas, das nur Löwen mit ihrem riesengroßen Maul fertigbringen. Doch harmlose Menschen schaffen das auch. Und wir, mit unserem kleinen Mund, können Menschen zerreißen und zerfetzen – mit Kritik.
Wir leben heute in einer sehr friedlichen, ruhigen Zeit. Der Schlachtendonner dringt nur über die Fernsehröhren und Zeitungsspalten zu uns. Doch wir leben so ruhig, dass wir abends das Licht ausknipsen und wissen: Morgen ist auch noch ein schöner Tag. Wenn da nicht diese furchtbare Kritik wäre.
Eltern haben Angst vor jedem Tag, wenn ihre Kinder mit dieser unheimlich scharfen, ätzenden Kritik alles und jedes kaputtreden. Und Kinder haben Angst vor ihren Erziehern, weil sie wissen: Wenn sie nur ein bisschen ihr Naturell ausleben, ihre Charaktereigenschaft, wie sie nun einmal sind, fallen sie auf die Nerven. Ob sie in die Straßenbahn einsteigen oder in den Omnibus, ob sie in der Schule sitzen – es ist nie recht, wie man es machen kann. So verlieren sie das letzte Selbstvertrauen.
Man weiß doch, wie Kinder schon im Alter von zehn bis vierzehn Jahren durch Kritik fürs Leben verrichtet sind. Ist das ein Kampf, ein Schlachtfeld? Mit einer Waffe, mit Kritik, kann man zerstören und kaputtmachen. Es geht ja weit über unseren persönlichen Bereich hinaus.
Die kritische Revolution und der Verlust kultureller Werte
Der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz sprach davon, dass in einem sehr kurzen Zeitabschnitt – nämlich zwischen nur zwei Generationen – eine ganze Kultur durch die kritische Revolution ausgelöscht worden sei. Er fragte, welche Werte einer alten Kultur eigentlich noch gelten. Durch die Kritik wird nahezu alles in Frage gestellt.
Goloman beschreibt diese Zerstörung der Kultur als etwas, das so leicht vonstattenging wie die Eroberung Jerichos. Die Mauern seien von allein umgefallen. Ob Kindergarten, Universität, Kirche oder Theater – alle hätten freiwillig vor der Kritik kapituliert.
Davon spricht Jesus heute in unserem Textabschnitt, nämlich von der Kritik. Erstaunlich, wie aktuell und zeitnah seine Worte sind. Sie geben uns einen Leitfaden, eine Anleitung und Maßstäbe für unsere Kritik.
Ich möchte drei Fragen aufgreifen, um diesen Abschnitt besser zu verstehen und uns weiter damit beschäftigen zu können. Die erste Frage lautet: Wie kann man Kritik kritisieren?
Die Notwendigkeit und der Wert von Kritik
Verstehen Sie, wie man Kritik an der Kritik üben kann? Damit es zu Beginn unserer Predigt keine Missverständnisse gibt: Es geht nicht einfach nur um Schwarz-Weiß-Denken. Sie fragen sich vielleicht, ob ich nun für Kritik bin oder nicht. Natürlich sind wir für Kritik.
Wenn Sie sich ein Stück der Geistesgeschichte anschauen, wissen Sie, dass Aristoteles die Kritik hochgehalten hat. Das war von großer Bedeutung. Kritik bedeutet prüfen, abwägen und beurteilen. Das müssen wir tun.
Es ist ein furchtbares Zerrbild, wenn man an primitive Christen denkt, die alles unreflektiert akzeptieren. Es wäre schlimm, wenn Christen ein unkritisches, primitives Leben ohne Denkkraft führen würden. In der Bibel steht: „Prüft alles!“ Das heißt krinain – kritisiert alles, prüft und wägt alles ab, und behaltet das Gute.
Es lohnt sich für uns, kritisch die Werte unserer Zeit zu prüfen – auch in der Kunst. Wir sollten uns nicht einfach von Schnulzen verführen lassen. Ebenso in der Politik und in der Wissenschaft ist es wichtig, dass Christen gut prüfen.
Aber in unseren Tagen hat sich etwas ganz anderes ereignet, etwas Unheimliches: Eine ganze kritische Revolution hat stattgefunden, die alle Werte plötzlich außer Kraft gesetzt hat. Die Kritik hat sich so überschlagen, dass man kaum noch weiß, wo das Positive bleibt. Wo gibt es überhaupt noch einen Wert, auf den man sich verlassen kann?
Hatte nicht der Nobelpreisträger Konrad Lorenz Recht, als er sagte, es gibt heute nichts mehr, was anerkannt wird? Wenn man dann unsere überkritischen jungen Menschen fragt: „Was habt ihr denn noch?“, dann bringen sie Schriften aus dem letzten Jahrhundert hervor – ein Stück marxistische Philosophie, kaum verändert, ein paar maoistische Schlagworte.
Ist das das, was man unkritisch annehmen muss? Man merkt plötzlich, dass in diesem kritischen Überschwang, in dieser überkritischen Revolution, man wieder auf die alten Autoritäten stößt. Nur sitzen dort jetzt andere an den Schalthebeln der Macht. Andere Götter sind da, die genauso unkritisch übernommen werden – genauso falsch wie vor fünfzig Jahren.
So ist es geblieben. Nur die Meinungsmacher wurden ausgetauscht. Die Zeitungen werden manipuliert wie eh und je, auch wenn Kritik Trumpf ist.
Die Frage nach der Selbstreflexion in der Kritik
Wer kritisiert eigentlich die Kritischen? Man kann das in allen Bereichen beobachten. Es gibt nicht nur eine kritische Kirche, sondern auch kritisches Denken, kritisches Theater, kritisches Bewusstsein und kritische Literatur. In allen geistigen Bereichen ist Kritik heute präsent.
Wenn man Begegnungen mit jungen Menschen hat, erlebt man immer wieder ähnliche Situationen. Für viele steht zum Beispiel ein junger Mann im Mittelpunkt, der seinen Eltern das Leben zur Hölle macht. In seinem Gedächtnis führt er eine große Strichliste, auf der er alle Fehler der Eltern abhakt. Dabei hat er oft gar nicht Unrecht; er kritisiert wirklich alles.
Dann verlässt er das Elternhaus und macht Zivildienst, zum Beispiel in der Erziehungsarbeit. Dort steckt seine ganze Leidenschaft drin. Doch auch vom ersten Tag an ist alles falsch: die Organisation des Hauses, der Leiter, die Pädagogik – alles wird kritisiert.
Wenn man ihm nach einigen Wochen oder Monaten eine Gruppe anvertraut, kann man von Glück sprechen, wenn er nicht mit einem Nervenzusammenbruch in eine Klinik eingeliefert werden muss. Denn plötzlich merkt er: Ich bin viel autoritärer als die anderen, meine Pädagogik ist sogar schlechter.
In dieser ganzen Anwendung der Kritik wird eines immer wieder vergessen: Wer kritisiert denn den Kritisierenden? Wo gibt es noch Maßstäbe? Wo gibt es noch Positives? Wo gibt es Werte, die gelten?
Die göttliche Kritik als Maßstab für menschliche Kritik
Jesus hat in diesem Abschnitt der Bergpredigt Kritik nicht einfach außer Kraft gesetzt. Vielmehr hat er das Verurteilen außer Kraft gesetzt. Wenn wir genauer überlegen, was Jesus eigentlich meint, wird das deutlich.
Er sagt: Ihr sollt immer daran denken, dass auch kritische Menschen von Gott am Jüngsten Gericht und schon vorher kritisiert werden. Wir alle stehen unter der göttlichen Kritik. Gott kann erstaunlich konkret zu uns sprechen – nicht nur in Glaubensfragen, sondern auch in Geldfragen, in Ehefragen und in Fragen des Verhältnisses zu unseren Mitmenschen. Alles ist klar und deutlich ausgesprochen, was gültig ist.
Wir stehen also unter der göttlichen Kritik, und daraus erhält unsere eigene Kritik einen ganz anderen Boden. Wenn wir dann am Sonntagmorgen oder in unserer privaten Stille über der Bibel plötzlich dieses Richten Gottes spüren, kann das einen manchmal wie ein Stromschlag durchzucken. Wenn einen das trifft, merkt man immer, dass die göttliche Kritik nie eine verurteilende oder niederschmetternde Kritik ist, sondern eine helfende, aufbauende Kritik.
Es ist ein mutmachendes Wort: Schau, in deinem Leben kann es Liebe geben. In deinem Leben gibt es Versöhnung. In deinem Leben kannst du Schuld bewältigen durch mich. In deinem Leben darfst du Gräben überspringen. Das ist immer die göttliche Verheißung, die Kritik, die Gott zur Rettung von Menschen übt.
Diese Kritik Gottes bedeutet niemals, dass man abgeschoben oder abgestempelt wird, sondern dass er unser Leben verwandeln und neu machen will. Und da sagt Jesus: Denkt doch beim Richten daran, dass ihr selbst unter einer Kritik steht. Messt mit welchem Maß ihr auch immer messt, messt doch nach der göttlichen Art der Kritik!
Ihr dürft kritisieren, ihr dürft kritisch sein, aber seht die Menschen so an, dass ihr Leben verwandelt werden kann – ins Ebenbild Gottes hinein.
Die Liebe als Grundlage jeder Kritik
Das ist der erste Punkt: Wo bleibt die Liebe bei der Kritik?
Wenn wir noch einen Gesprächsfetzen im Ohr haben, sagen wir, wir haben jemanden verrissen. Das ist ja nicht der einzige Ausdruck, der bei kritischen Diskussionen gebraucht wird. Wir haben ihn zerlegt, auseinandergenommen, versägt – also saloppe Äußerungen. Wenn man einen Menschen so kritisch prüft, frage ich mich: Wer von uns hat überhaupt so viel Selbstgefühl, dass er einer solchen kritischen Bestandsaufnahme überhaupt Widerstand leisten kann? Ich glaube, keiner.
Wenn eine Kritik nicht so ist, dass sie ein Reden ist, das darauf hinweist, was in mir von Gott verändert werden kann, wird sie gar keinen Wert haben. Wenn ich nicht merke, wo die Grenzen einer Person sind, was sie leisten kann, was Gott in ihr verwandeln kann, ob Gott überhaupt in ihr wirksam ist – dann bringt die Kritik nichts.
Ich habe vorhin zu Ihnen gesagt: Sie sollen an Kindern nicht herumschnipfeln. Wenn Ihre Kinder nicht im Glauben stehen, was wollen Sie ihnen dann austreiben? Indem Sie draufhauen, erreichen Sie doch nichts. Wenn Gott Menschen nicht von innen her verwandelt, ist alles vergeblich.
In der Welt tobt ein Machtkampf. Das Schlimme ist, dass Kritik oft gar nicht dazu dient, einem Menschen zu helfen. Kritik wird vielmehr als Waffe im Machtkampf dieser Welt eingesetzt. Wir haben uns auch schon oft der zynischen Kritik bedient. Das ist die letzte Waffe, die uns bleibt, wenn ich bei einer Konfirmandengruppe nicht mehr durchkomme. Gott sei Dank haben wir ein schönes Verhältnis.
Aber was bleibt mir denn, wenn Sie mit mir Fußball spielen? Dann kann ich nur sagen: „Bürschlein, steh mal auf, du kleiner Frosch, was willst du denn?“ Dann bleibt nur noch die zynische Kritik, die Herabsetzung, die Verzeichnung – die Waffe, die uns von Jesus verwehrt wird. In jedem Fall gilt das auch in den furchtbaren Auseinandersetzungen, die Sie im Laufe der Woche haben.
Mich hat tief beeindruckt, wie wir unsere Jugendevangelisation im alten Schlosshof hatten. Wie Ulrich Parzany die Ruhe bewahrte, zwei- und dreistündige Diskussionen mit hyperkritischen Leuten zu führen. Da könnte man wirklich die Geduld verlieren und nach dem dritten Satz sagen: „Mann, hast du überhaupt noch einen Geist, wenn du so fragen kannst?“
Doch er stand lächelnd da und gab in Liebe Antworten. Das steht für viele. Es gibt viele, die das so können. Ich bewundere sie. Diese Art will Jesus seinen Leuten einprägen: Kritik ertragen zu können und trotzdem in Liebe zu antworten. Weil man sieht, was in dem Menschen kaputt ist, der einem so kritisch gegenübersteht. So kann man ihn besser verstehen.
Und das kann man nur, sagt Jesus, wenn man sich selbst klar macht, wie es in unserem eigenen Leben liegt. Wenn man einmal den Balken – ein tolles Bild aus einem Auge – herauszieht. Je älter man im Glauben wird, desto merkwürdiger ist es, dass Jesus einen immer wieder schwere Nöte mit sich selbst erleben lässt. Und je älter man wird, umso stiller und geduldiger wird man.
Vor fünf oder zehn Jahren haben wir alle in vielen Dingen noch mitgeschrien. Heute sagen wir: „Oh, oh, oh, in meinem Leben ist auch so viel falsch und krank.“ Jesus sagt: Lass doch einmal dein eigenes Leben vor den Augen Gottes durchspielen. Von dort aus gewinnst du einen Maßstab für den anderen.
Nicht, dass wir die Liebe über alles breiten. Ein Splitter muss trotzdem noch aus dem Auge gezogen werden. Aber wir können beim anderen das trennen. Wir können plötzlich sagen: Das ist ja nicht ein Stück von seinem Fleisch, das da im Auge ist, sondern ein Stück Holz. Das ist ein Fremdkörper, etwas Fremdes, das nicht zu ihm gehört.
Wir können zwischen Sünde und Person trennen, zwischen Übeltat und Gemeinheit und all dem, was es sonst noch gibt. Wenn Sie sich das einmal in einer Prozedur angewöhnen, von sich selbst her den anderen durchdenken, dann können Sie wirklich lächelnd hinstehen und es sich gefallen lassen.
Das geht wirklich, wenn Sie es eintrainiert haben, dass Sie es sich gefallen lassen können, wenn ein anderer Sie heruntersetzt. Dann denken Sie: „Ich war ja genauso kritisch.“ Denken Sie nur noch einmal die ganze Zeit an Ihre Eltern zurück, wie Sie da waren und wie Sie jedes Maß verloren haben.
In all den Dingen, die Sie nun beim anderen sehen, können Sie in Liebe auf ihn zugehen und seine Person packen. Und wo Sie die Person gewonnen haben, können Sie auch einen Splitter herausziehen. Natürlich müssen in einer Gemeinschaft Splitter herausgezogen werden. Wir müssen einander darauf hinweisen.
Wollen Sie jemanden herumlaufen lassen, der dauernd mit dem Augendickel klappert, nur weil er einen Splitter drin hat? Der muss raus! Wir müssen uns bemühen, dass wir dem anderen helfen können. Aber das ist gelebte Liebe: zu wissen, wie Jesus an mir trägt und wie Jesus an mir trennt.
Jesus liebt meine Person und nennt den Fremdkörper so deutlich beim Namen, dass er ihn herauszieht. Nur so können Sie richtig Kritik üben.
Grenzen der Kritik: Umgang mit Menschen, die sich nicht wandeln können
Noch ein Letztes: Was Kritik nicht kann, was Kritik nicht kann.
Ich habe heute ganz bewusst diesen Weg gewählt und bin nicht vom Aburteilen ausgegangen. Sonst wären vielleicht unsere Rechtsanwälte und Richter jetzt in der Klemme und würden fragen: Was sollen wir tun? Ich glaube, es ist deutlich geworden: Wie kann man Kritik kritisieren?
Das Zweite: Wo bleibt die Liebe bei der Kritik? Nur in der Liebe kann man Kritik üben. Nur dort, wo ein anderer merkt: Dem geht es wirklich um mich, der liebt mich.
Was die Kritik nicht kann, das wird im letzten Vers, den Jesus sagt, noch erwähnt. Ich bin froh, dass dieser Vers da steht. Jesus redet von Hunden und Säuen. Erlauben Sie mir, das so wörtlich wiederzugeben: Es gibt Hunde und es gibt Säue. Schon daran sehen Sie, dass Jesus es sich erlaubt hat, Kritik zu üben, zu beurteilen und zu wägen.
Auch Paulus hat von Hunden gesprochen. Es gibt unter dem Volk Gottes Hunde und Säue, und es gibt außerhalb des Volkes Gottes Hunde und Säue. Der Hund und die Sau stecken tief in uns selbst als eine Möglichkeit, die immer wieder Raum über uns gewinnt.
Natürlich müssen Maßstäbe klar sein. Aber Jesus warnt uns und sagt: Erinnert euch daran und denkt daran. Ich sage es jetzt mit den Worten des Schriftauslegers Johann Albrecht Bengel in seinem unvergleichlichen Schriftauslegungswerk „Normon“: Ein Hund bleibt ein Hund, und eine Sau bleibt eine Sau. Das dürfen Sie wissen, wenn Sie kritisieren. Das wird Ihnen helfen, unnötige Kritik zu ersparen.
Sie brauchen Menschen nicht zu kritisieren und zu beurteilen, die sich gar nicht wandeln können. Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben.
Es ist sicher schade, dass wir nicht mehr Gemeindezucht geübt haben. Ich habe mich extra noch bei Blumenhard und anderen Vätern des Glaubens überzeugt, dass sie genau diese Stelle so auslegen. Sie sagen: Nicht, dass man jetzt lasch wird in einer Gemeinde und meint, wir sind doch alle Brüder weltweit. Sondern gerade in einer Gemeinde ist es wichtig, dass wir nur eine Gemeinde, eine Gemeinschaft sein wollen, mit denen wir auch offen Kritik austauschen können.
Denn wenn Hunde und Säue in unserer Mitte sind, die sich gar nicht wandeln können, reizen wir sie ja nur, und sie werden losbrüllen mit all dem, was wir tun.
Genau das andere ist wichtig: eine Gemeinschaft zu gründen aus denen, die bereit sind, sich umzurüsten und zu ändern, die diese Bereitschaft miteinander haben, die ihre Sünde kennen, ihr Wesen kennen, ihre hündische Art kennen und das miteinander suchen. Sie sagen: Ich brauche Menschen um mich herum, die mich in ihre Kritik hineinnehmen.
Natürlich gibt es Menschen in unseren Gottesdiensten, die sagen: Ich will das nicht, ich will für mich allein bleiben. Aber das ist nicht christlich und nicht Jesus gemäß. Eine Gemeinde ist der Ort, wo Menschen sich sammeln, die sagen: Ich brauche welche, die mich ganz deutlich und kritisch unter die Lupe nehmen, auf das hin, was Jesus aus meinem Leben machen will.
Und die, die draußen sind, die brauchen sie nicht zu richten, sie brauchen sie nicht zu verurteilen. Sie dürfen sie lieben und dürfen wissen, dass Menschen verwandelt werden, wirklich verwandelt werden.
Sie werden verwandelt durch den Herrn Jesus, der in unserem Leben eine so große Macht erwiesen hat und uns als die zu aller tiefst Gefallenen errettet hat. Was wird er mit den anderen tun können? Aber mit Kritik doch nicht.
Abschließende Ermahnung und biblisches Beispiel
Darf ich Ihnen zum Schluss noch eine Geschichte erzählen, an der es deutlich wird?
Im Alten Testament wird erzählt, wie der alte Priester Eli in der Stiftshütte sitzt, während seine beiden Söhne mit einer dreizackigen Gabel Fleischstücke herauspieksen. Diese waren Feinschmecker und hatten Freude an dem guten Fleisch. Gleichzeitig waren sie in moralischen Dingen sehr freizügig.
Der Vater Eli war ein sehr korpulenter Mann, wie uns in der Bibel berichtet wird, und er war ein milder Mensch. Als ihm von den Taten seiner Söhne erzählt wurde, rief er mit leiser Stimme: „Nicht doch, meine Söhne!“ Doch sie machten weiter.
Gott warf ihm vor, dass er nicht eingegriffen hatte, dass er nicht wehrte. Man soll doch nicht richten? Natürlich muss man richten, besonders weil es Priester am Heiligtum waren. Das war das Volk Gottes. Die Gemeinde Gottes gehört ebenfalls gerichtet.
Jedes Wort Gottes an sein Volk, die ganze Bergpredigt, ist ein Richten Jesu mit seinen Jüngern – ein Zurechtbringen und Ordnen.
Auf der anderen Seite sehen wir, wie Jesus bei Menschen sitzt und nicht über Lebensfragen redet. Deshalb sollten wir sehr vorsichtig sein, mit Menschen, die Jesus nicht kennen, über Moralfragen zu sprechen. Jesus setzte sich einfach neben sie und erzählte von der Schönheit eines von Gott neu geschaffenen Lebens. Er erklärte, wie es ist, wenn Gott in einem Menschen Wohnung nimmt.
Dann nahmen Menschen ihn auf und wurden Kinder Gottes – das, was wir auch für unsere heute Getauften erbitten. So kann Jesus Menschen immer mehr verändern.
Ich glaube, dass heute, wo so viel zersetzende Kritik herrscht, viel mehr Menschen frustriert sind, als wir ahnen. Dieses schöne Wort bedeutet, dass sie durch diese zersetzende Kritik am Ende sind und nicht mehr wissen, wofür sie leben.
In der Gemeinde sollen wir mit Jesus zurechtbringen, und außerhalb der Gemeinde Menschen dahin führen, dass sie Jesus kennenlernen.
Ich wünsche mir, dass sich heute bei Ihnen etwas verändert hat: dass Sie offen werden für die Kritik Ihrer Mitchristen, dass Sie ein liebendes Herz und einen langen Atem für die Menschen um Sie herum bekommen, die sich abmühen. Und dass Sie für sie beten können, damit sie die Herrlichkeit der verwandelnden Kraft Jesu erkennen. Amen!
