Kennen Sie Sigmund von Birken? Er dichtete Lieder und wurde kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg wegen seines Glaubens aus Böhmen vertrieben. Mit seinem Leben hat er besiegelt, was es bedeutet, mit Jesus zu sterben, mit Jesus zu leiden und Jesus zu lieben – weiter zu lieben und nicht zu hassen.
Wir haben heute als Predigttext 1. Petrus 2,21-25. Ich möchte die vorhergehenden Verse mitlesen, weil sie dazugehören.
Überschrieben sind sie mit „Das Verhalten in der Gemeinde“. Dort steht: „Ihr Knechte“, das heißt genau „Ihr Sklaven“, „seid untertan mit aller Furcht dem Herrn“. Das ist das Skandalöse an der Botschaft des Evangeliums: Christen wird die repressive Gesellschaftsordnung eingeimpft, dass sie sich unter Autoritäten beugen sollen, den Kopf einziehen und erdulden.
Da steht: „Ihr Knechte, seid untertan mit aller Furcht dem Herrn, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen.“ Wir würden sagen: den komischen. Denn das ist Gnade, wenn jemand vor Gott um des Gewissens willen das Übel erträgt und das Unrecht leidet.
Denn was ist das für ein Ruhm, wenn ihr um Missetat willen geschlagen werdet und das geduldig ertragt? Aber wenn ihr um guter Taten willen leidet und das ertragt, das ist Gnade bei Gott. Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat.
Hier fängt unser Predigttext jetzt an.
Das Vorbild Jesu im Leiden und in der Nachfolge
Für euch ist ein Vorbild hinterlassen worden, dem ihr nachfolgen sollt: Er ist in seinen Fußstapfen gegangen. Er hat keine Sünde getan, und in seinem Mund wurde kein Betrug gefunden. Er hat nicht zurückgeschrien, als er gescholten wurde, und hat nicht gedroht, als er litt. Stattdessen überließ er das Gericht dem, der gerecht richtet.
Er hat unsere Sünden selbst an seinem Leib auf das Holz getragen. Dadurch sind wir der Sünde gestorben und leben nun für die Gerechtigkeit. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.
Denn ihr wart wie irrende Schafe, doch nun seid ihr zurückgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Jesus verdeutlicht dies für uns an den Stationen unseres Lebens. Amen.
Die Routenbeschreibung für das Christenleben
Wenn man eine Autotour unternimmt und die Strecke noch nicht kennt, studiert man zunächst die Autokarte. Auf der Autokarte steht eigentlich gar nicht viel. Man sieht noch nicht die Bäume, die Landschaft, die Häuser oder das Wetter vor sich. Es gibt so viele Dinge, die man unterwegs wahrnimmt, und den dichten Verkehr sieht man auf der Karte ebenfalls nicht.
Man erkennt nur ganz kurz angedeutet: Ein Zentimeter auf der Karte entspricht fünf Kilometern in der Natur. Ein breiter, dicker Strich, rot gefärbt – das ist eine Landstraße. Oder gelb – das ist eine Bundesstraße. Eine Höhenlinie zeigt an, dass dort ein Berg sein muss. Trotzdem muss man die Karte genau studieren, um die Route später richtig zu kennen und den Weg zu finden.
Was Petrus hier tut, ist, eine kurze Routenbeschreibung für Christen zu geben, damit sie das Ziel nicht verfehlen. Ich möchte drei Dinge an dieser Routenbeschreibung nennen, weil sie für uns so wichtig sind.
Das erste: Das Christenleben in der Spur Jesu.
1. Christenleben in der Spur Jesu
Provokativer kann man eine Sonntagspredigt kaum beginnen, als es hier der Apostel Petrus tut. Er spricht das leidvolle Thema an, wie Christen sich verhalten sollen, wenn sie Sklaven sind. Dass Christen für die Gerechtigkeit da sind, sagt Petrus ganz klar. Und dass Christen nur für die Gerechtigkeit wirken können, daran besteht kein Zweifel.
Aber was ist, wenn man in Zwängen leben muss? Soll man eine Guerillabewegung gründen oder zur Revolution aufrufen? Tatsächlich hat dieses Wort Geschichte gemacht, dass Petrus sagt: Nein, zieht den Kopf ein und leidet. Das hat den Spott vieler Menschen herausgefordert, die lachen und sagen: „Oh, ihr Christen, ihr prägt nicht die Geschichte, wir prägen die Geschichte.“
Wissen Sie, warum der Apostel Petrus so spricht? Weil er selbst ein Mann war, der das Schwert ziehen konnte. Er hat im Garten Gethsemane tüchtig hineingeschlagen und musste erst lernen: Die Zwänge dieser Welt sind viel grässlicher, als dass man sie mit Waffengewalt vertreiben könnte. Die Sklaverei dieser Welt ist viel unheimlicher, als dass man sie mit einer Revolution wegfegen könnte.
Denn nach jeder Revolution kehren sich die neuen Zwänge wieder als Fesseln und Last über die Menschheit. Das betrifft auch all die kleinen Zwänge, in die wir hineingestellt sind: Menschen, die uns viel Not bereiten, wo wir leiden, wo Menschen seufzen. Wenn wir einander mehr erzählen könnten, was würdet ihr berichten? Von euren Chefs, von euren Hausvermietern, die keine Kinder dulden wollen? Was wird von einzelnen Menschen gelitten, wo Kinder ihre Eltern terrorisieren, wo alte Menschen nicht geduldet werden?
Wie sieht es denn in dieser Welt eigentlich aus? Warum packen Christen nicht mal das Übel an der Wurzel an? Petrus sagt: Doch, ihr packt es an der Wurzel! Das Leiden ist das Aktivste, was man tun kann. Leiden ist nicht passiv, nicht einfach erdulden oder untätig etwas über sich ergehen lassen. Leiden ist die kühnste Revolution in dieser Welt.
Auf keine andere Weise kann man die Zwänge dieser Welt wirklich entkräften und überwinden als durch das Leiden. Sie haben richtig gehört: Petrus ist der Meinung, dass durch das geduldige Einstecken, wie es hier heißt, indem Knechte in Furcht dem Herrn untertan sind, auch den Wunderlichen und den Tyrannischen, Christen einen Weg zur Überwindung der Systeme dieser Welt gewählt haben.
Petrus sagt: Ihr wisst doch, ihr fühlt euch unter diesen Zwängen der Welt wie Verlassene. Er wählt ein Bild, das sehr sprechend ist: Ein Mann steht in der Wüste, die Sonne brennt herunter, er hat kein Wasser mehr und weiß nicht, wohin er gehen soll. Der Mann ist zum Sterben verurteilt und könnte verzweifeln, denn er sieht nirgendwo Hilfe.
Dann starrt er in den Sand vor sich und entdeckt plötzlich frische Fußspuren. Gibt es denn in der Wüste jemanden, der hier gelaufen ist? Dann muss hier irgendwo ein Weg sein, eine Oase. Er tritt in diese Fußspuren hinein und kommt tatsächlich an eine Oase, weil jemand vor ihm den Weg gewiesen hat. Zuerst kann er es noch nicht sehen, aber nach Stunden erreicht er das Ziel.
Petrus sagt: In der Wüste dieser Welt habt ihr Fußspuren. Durch die Not dieser Welt, durch die Dunkelheit ist in der Nacht der Passion Jesus gezogen. Ihr dürft in seine Fußspuren treten und so diese Zwänge überwinden. In die Fußstapfen Jesu treten.
Dann erzählt er das alles noch einmal. Ich habe zwei Predigten von Fritz von Bodelschwingh zu diesem Abschnitt gelesen. Er hat nichts anderes getan, als seinen Kranken in Bethel die Passionsgeschichte Jesu ausführlicher zu erzählen, als wir es in der Kinderkirche täten. Wie der Hannas auftritt – und Fritz von Bodelschwingh sagt: Wenn Kirchenführer Politiker werden, dann ist das Allerschlimmste geschehen.
So einer war Hannas, die Verkörperung der Macht der Welt und der Anspruch, über Gott verfügen zu können. Er schreit Jesus an. Und Jesus ist die Güte in Person, Fußspuren für euch, so könnt ihr leben!
Dann tritt einer her und haut Jesus ins Gesicht mit der Faust. Jesus fragt ihn: „Warum schlägst du mich?“ Fußspuren, Jesus! Soll man sich das in der Welt gefallen lassen? Jesus sagt: Das ist doch der aktivste Widerstand gegen Zwänge und Tyrannei in der Welt. Lass das doch geschehen!
Du darfst ihnen entgegenlieben – einen Hannas, wie sie ums Kreuz herumstehen, schreien und fragen: „Bist du der Christus, der Sohn Gottes?“ Jesus sagt: „Vater, vergib ihnen!“ und ringt darum, dass sie Errettung erfahren.
Ihr lebt doch, sagt Petrus, in der Kraft Jesu. Ihr wisst um das Geheimnis der Auferstehung Jesu. Ihr dürft in dieser Welt des Todes, wo gelitten wird und Macht gegen Macht steht, eine andere Kraft wirksam werden lassen.
Jesus soll doch Petrus schon in der Nacht von Gethsemane gesagt haben: „Petrus, du stehst unter einer anderen Ordnung. Wir haben eine viel stärkere Kraft als das Schwert.“
Verstehen Sie, warum Christen Tyranneien ertragen? Verstehen Sie, warum Christen in dieser Welt einstecken können? Weil sie letztlich die Systeme der Welt überwinden. Wo das Leiden gelebt wird, geschieht das Mächtigste und Demonstrativste, was man tun kann, um die Unfähigkeit dieser Machtmittel an den Pranger zu stellen.
Petrus wählt noch ein anderes Bild für die Spur Jesu, in der wir leben. Er sagt: Er hat uns ein Vorbild gelassen. Ach, dieses Wort „Vorbild“ ist ja heute so missbraucht, dass kümmerliche Christen, die kaum einen guten Tag zusammenbringen, sich schon als Vorbild für ihre Mitmenschen fühlen und meinen, sie könnten Christus persönlich ersetzen durch ihren scheinheiligen Lebenswandel.
Petrus meint etwas ganz anderes: Christus ist das Vorbild. Das griechische Wort, das hier gewählt wird, entspricht der „Schreibvorlage“. Früher lernten die Kinder nicht nach der Ganzheitsmethode lesen, sondern hatten Steintafeln. Die ABC-Schützen nahmen einen Griffel und fuhren die Linien nach, die in den Stein eingegraben waren.
Dieses Wort wählt Petrus hier: Ihr nehmt euren Griffel und fahrt diese Kurve noch einmal nach. So geht das A, so geht das B. Das dürft ihr an Jesus lernen: Wie war das, als Jesus ins Gesicht geschlagen wurde? Wie hat Jesus darauf geantwortet? Das will ich einüben in den schweren Zwängen meines Lebens.
Wie sieht es bei euch in der kommenden Woche aus? Was spielen Menschen wieder mit euch? Petrus sagt: Jesus hat uns eine Schreibvorlage gelassen, ein Vorbild. Nicht ihr seid Vorbilder, sondern Jesus ist das Vorbild. Ihr dürft diese Kurve nachleben und damit teilhaben an dem großen Siegesleben der Auferstehung Jesu.
Das ist die Routenbeschreibung eines Christen.
2. In der Kraft Christi leben
Das zweite, was Petrus hier sagt, ist: „In der Kraft Christi leben“ – das zweite Kennzeichen dieser Route. Wenn man sich das wirklich vorstellt, ist es ja unglaublich. Es waren Sklaven, die zur Christengemeinde gestoßen sind. Und sie sagten: Wenn Jesus frei macht, warum nimmt er dann nicht jetzt unsere Fesseln weg?
Dann sagt Petrus: „Oh, wisst doch, weil Jesus euch freigemacht hat und der Herr eures Lebens ist, regt euch doch nicht auf, dass dieser Chef euch kommandiert und ein wunderlicher Typ ist. Ertragt es doch, weil ihr frei seid. Ihr braucht doch nicht alle Glitterstäbe dieser Welt zu brechen. Ihr könnt in Gefängnissen leben und trotzdem die Freien sein!“
Dann kommen natürlich diese Christen mit dem Einwand und sagen: „Petrus, das ist schon ganz recht, aber bei mir bäumt sich da alles auf. Wenn mein Chef kommt und mich tyrannisiert – man muss das einmal miterleben, was Sklavendienst heißt. Der Hund vom Chef wird gestreichelt, aber der Sklave wird getreten.“
Denkt an diesen Brief, den ich Ihnen, glaube ich, auch einmal vorgelesen habe, von einem Christen aus Russland. Er schreibt: Unsere Hunde kriegen sechzehnmal mehr Fleischration am Tag als wir. Und das dann tragen sie in der Kraft Jesu und sagen: „Ich will mich nicht aufbäumen dagegen, dass Tiere höher geachtet sind als ich.“ Da geht es uns ja allen noch viel besser.
Und jetzt geht es darum: Wie kann man das machen? „Da habe ich doch nicht die Kraft dazu, in mir bäumt sich alles auf, ich empöre mich, wenn einer mich so behandelt. Das gebe ich mir gegen den Strich und dann brülle ich los.“
Dann sagt Petrus: „Denkt noch einmal nach, dass Jesus das alles auch mitgelitten hat – die Schwachheit eures Leibes. Wie er in Gethsemane gemerkt hat, wie schwer das ist, wie er gelitten hat und gezweifelt hat, ob er das auf sich nehmen soll.“
Jesus hat das alles aufs Kreuzesholz hinaufgetragen. Die ganze Schwachheit unseres Lebens hat er bis zum letzten Ende getragen. Und ihr dürftet das jetzt wissen: Er kennt doch eure Schwachheit. Legt das doch bei ihm ab und sagt: „Herr Jesus, ich weiß das, ich weiß nicht mal, wie ich das bestehen soll, aber ich vertraue auf dich, dass du da bist in der kommenden Woche und dass ich das ertragen kann mit den Menschen um mich herum. Ich will auf dich schauen.“
Wir brauchen ja immer die Ehre von Menschen. Uns müssen ja alle Leute bestätigen und sagen: „Du bist schon richtig.“ Weil wir nicht die Bestätigung Jesu angenommen haben. Und wer weiß, dass in der kommenden Woche, auch wenn alle Menschen gegen dich sind, Jesus dich annimmt und bestätigt, dem genügt das doch. Dann kannst du sagen: „Danke, mir reicht es, dass er mich bestätigt und dass er mit mir ist. Ich habe Kraft zu diesem Weg.“
Wir hatten ja letzten Sonntag unsere Missionskonferenz in Korntal mit vielen Eindrücken und großen Berichten von dem, was Gott tut – gerade dort, wo äußerlich so viel unmöglich erscheint. Aber am tiefsten hat mich ein Mann beeindruckt, den ich nicht kannte, der vor wenigen Monaten aus Russland ausgereist ist als Deutscher. Den ließen wir vor der großen Versammlung von seiner Gemeinde berichten.
Er hat nur mit wenigen Worten erzählt. Er konnte immer wieder nicht weiterreden, weil er selbst über diese Dinge nicht sprechen konnte. Er hatte eine Gemeinde, eine deutsche Gemeinde in der Nähe von Swertlowsk, die keine Registrierung bekam. Dann sind sie zur Behörde gegangen, haben gebeten – immer in den Fußstapfen Jesu, nichts Politisches, kein Widerspruch, ehren und lieben.
Und dann sagt die Behörde: „Ja, ihr bekommt eine Registrierung, wenn ihr ein Haus kauft, in dem ihr euch versammelt.“ Und dann legen diese Leute, die ja kaum etwas verdienen, sieben Rubel zusammen, das sind 30 Mark. Dann bezahlen sie dieses Haus und gehen zur Behörde. Dann erfahren sie, dass alles nur ein Schwindel war, das Geld weg ist und der Mann verschwunden ist.
Soll niemand etwas sagen von Opfern, die verrutschen. Ich kenne keine Opfer, die bei uns irgendwo hängen geblieben sind, aber wenn das mal geschieht, dass eure Opfer nichts mehr austragen – das ist furchtbar.
Und dann fragen wir ihn: „Ja, wie ging es dann weiter?“ Und er erzählt stockend weiter: „Und dann wurden alle predigenden Brüder eingesperrt. Das Mindeste waren drei Jahre. Und bis ich ausgereist bin, steht unsere Gemeinde fortwährend unter dem Druck der Schikane, und es gibt keine Registrierung.“
„Ja, wie könnt ihr denn das tragen?“ Dann denke ich: Diese Leute wissen eins besser als Sie: Jesus ist bei uns und Jesus hält uns. Und wenn sie das nicht wissen, können sie auch nie einen Feind lieben. Dann können sie nie ertragen, dass ihnen Rechte in dieser Welt bestritten werden, die zum Elementarsten gehören.
Lieben und versöhnen können sie nur in der Gewissheit, dass sie von Jesus angenommen sind, der uns unsere Sünden selbst an seinem Leib auf das Holz hinaufgetragen hat, auf das wir der Sünde abgestorben sind und der Gerechtigkeit leben. Denn es geht nicht mehr um unser Fleisch, um die Erfüllung unserer Wünsche und Gefühle, sondern wenn nur das wahr wird: Wir sind heil geworden durch seine Wunden und wir leben jetzt für ihn.
3. Unter dem Schutz Jesu leben
Noch ein letztes Mal zu dieser Route, auf der Jesus seine Jünger führt: in der Hut Jesu leben, in der Spur Jesu leben, in der Kraft Jesu leben, in der Hut Jesu leben.
Ja, dann wird man also das Freiwild solcher Menschen, die nur darauf warten, dass wir uns nicht mehr wehren. Sie haben recht, so sieht es äußerlich aus. Und der ganze Lebensweg Jesu ist eine eindrückliche Demonstration, wie es geht, wenn man sich nicht wehrt.
Dann schreien die Vollkreuzigen und die Politiker, die so viel vom römischen Recht halten. Wenn es dann darum geht und keine Stimmen mehr zu gewinnen sind, können sie so schnell das Fähnchen nach dem Wind hängen und die Hände in Unschuld waschen. Das ist doch die Welt in ihrer ganzen Niedrigkeit. Sie haben recht, es lohnt sich doch gar nicht.
Herr Petrus meint es anders: Ihr seid nicht der Willkür der Menschen ausgesetzt, ihr seid Schafe, die unter der Behütung des guten Hirten stehen. Ihr wart wie die irrenden Schafe, aber nun seid ihr bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Manche fühlen sich zu alt für dieses Bild, aber mir gefällt dieses Lied so sehr, weil ich Jesus Schäflein bin. Ich freue mich immerhin über meinen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten, der mich liebt, der mich kennt und bei meinem Namen nennt. Und das ist ein Lied für harte Männer.
Wenige haben den Kampf dieser Welt und das Unrecht so auskosten müssen wie dieser David, der die Vorlage dieses Liedes gedichtet hat im 23. Psalm, als Saul die Lanze nach ihm warf, als er fliehen musste, als alles verwirrter wurde in seinem Leben. Und dann glauben und wissen, ich stehe unter der Führung Jesu, er ist der Hirte.
Nein, das ist kein süßes, altes Bild vom Hirten. Manche meinen das, weil das Bild der Schafe ja nicht gerade ein angenehmes Bild ist – wer will schon ein Schaf sein? Aber die Bibel sagt ja, alle Menschen sind Schafe. Und das ist sicher keine dumme Etikettierung: alle sind Schafe. Es gibt bloß irrende Schafe, die keinen Hirten haben, und es gibt welche, die aus der Verirrung zum Hirten gefunden haben.
Ihr wart wie die irrenden Schafe, jetzt seid ihr die Schafe, die einen Hirten haben. Alle Menschen sind Schafe, aber es gibt welche, die einen Hirten haben. Und wenn das über unserem Leben steht, dann wissen wir, dass das keine traurige Geschichte ist, sondern eine fröhliche Sache: die Führung Jesu durch die Wirren meines Lebens, die ich nie erkennen kann, warum das alles so verwirrt bei mir läuft.
Aber wenn ich mein Leben ihm anbefohlen habe – und sie haben sich doch alle bekehrt – und wenn einer sich nicht bekehrt hat, dann soll er sich bekehren und das mit Jesus einmal klarstellen: Mein Leben gehört dir, und was an Wirrnis in meinem Leben liegt, das löse du, das kann ich nicht lösen.
Am Freitag war ich mit meiner Frau am Echterdinger Flughafen und habe unseren Missionar Rechkämmer verabschiedet, der hier im Januar den Mr. Ando aus Japan übersetzt hat. Er reist nach Bangladesch aus, zusammen mit zwei Röntgenschwestern und seiner Frau, die dort eine Arbeit beginnen wollen.
Sie haben ja nicht einmal ein Haus, wo diese Mission eröffnet werden soll. Sie haben ja eine ganze Menge Geld für diese Sache gegeben. Wir standen dort oben zusammen, und mir fiel das ein bisschen schwerer als anderen. Da war die elfjährige Ute, und die musste der Missionar Rechkämmer zurücklassen. Mindestens zwei Jahre sieht er sie nicht, und die Mutter auch nicht.
Ich dachte, wie wird das ein Abschied werden, wenn Ute und die Mutter sich da um den Hals fallen? Und dann hat man etwas gesehen von Menschen, die in der Spur Jesu gewachsen sind. Bruder Rechkämmer sagte noch zu mir: „Ach, wissen Sie, mir fällt es schon ein bisschen schwer. Ich wäre so gern wieder zu meiner Gemeinde nach Japan gegangen, und in Bangladesch kenne ich keine Verhältnisse, ich weiß nicht, wie es werden soll.“
Und dann eine einfache Verabschiedung von der Tochter und dann durch den Zoll hindurch hinaus an den Dienst, weil man unter der Hut Jesu steht. Das sind doch Opfer. Wenn Sie einen Geldschein in die Opferbüchse werfen, ist das kein Opfer. Wenn ein Mensch sein Leben für Jesus lebt, das ist ein Opfer.
Und Jesus will von uns das ganze Leben haben, über das er führen und bestimmen will.
Wir haben uns mal im Schwarzwald in meiner alten Gemeinde mit einem Schäfer unterhalten, der dort oben bei Schönbronn seine Schafe über die Wiesen führte. Es war nett, die Kinder hatten Spaß an diesen kleinen Lämmern. Dann fragten wir, wo er denn jetzt seine Heimat habe.
Er sagte: „Ich habe keine Heimat, wir ziehen nach Münsingen.“ Da hörte ich: Münsingen liegt auf der Schwäbischen Alb, wir sind nur am Schwarzwald. Dann sagte er natürlich: „Wir ziehen bis zum Sommer nach Münsingen.“ Und ich sagte: „Dann ziehen wir wieder bis zum Winter zurück zum Kaiserstuhl.“ Am Kaiserstuhl sei es so warm bei Freiburg, und da unten könnten die Schafherden gut überwintert werden, hätten immer noch Frischfutter.
Stellen Sie sich mal vor, eine solche Wegstrecke macht so eine Schafherde. Und das sieht aus, als wenn die Schafe nur so auf der Wiese herumlungern. Jesus hat für unser Leben eine weite Linie, wenn wir uns dieser Führung anvertrauen. Die einzelnen Schafe wissen es gar nicht. Wichtig ist nur, dass sie sich ganz von ihm führen lassen.
Es wäre furchtbar, wenn sie aus der Spur heraustreten, um einer kleinen Ehrverletzung willen, um eines kurzen Vorteils willen oder weil ihnen ein Opfer zu hoch erscheint.
Es ist ein Siegesweg, dem Auferstandenen nach. Amen.
